[243]
Bd. 1: Teil 1: Die
wirtschaftlichen Folgen des Versailler Vertrages
III. Die Internationalisierung der deutschen
Wasserstraßen
Dr. Alfred Lederle
Landgerichtsrat
I. Einleitung
Die Schiffahrt auf den internationalen Strömen, d. h. den
Strömen, die auf ihrem schiffbaren Laufe mehrere Staaten voneinander
trennen oder sie durchfließen, war von alters her Gegenstand
zwischenstaatlicher Vereinbarungen, die sich zum Teil in zahlreichen
Friedensverträgen vorfinden, zum Teil auf Sonderabmachungen beruhen.
Eine allgemeine Regelung des internationalen Stromrechts wurde aber zum
erstenmal in der Wiener Schlußakte vom 9. 6. 1815 getroffen. Die
Liquidation der napoleonischen Ära, die namentlich am Rhein vollkommen
neue politische und wirtschaftliche Verhältnisse geschaffen hatte, machte
eine bereits im Pariser
Frieden von 1814 vorgesehene Neuregelung des
Rheinschiffahrtsrechts notwendig. Damit verband sich der Wunsch, auch für
die übrigen internationalen Ströme das Recht zu vereinheitlichen und
freiheitlicher zu gestalten. Der Wiener
Kongreß begnügte sich daher
nicht mit der Ausarbeitung eines Reglements für den Rhein und seine
Nebenflüsse, sondern stellte auch eine Reihe allgemeiner Grundsätze
auf, nach denen die Schiffahrt auf den schiffbaren Strömen, welche mehrere
Staaten trennen oder durchfließen, geregelt werden soll, und die als Art.
108 ff. in die Schlußakte aufgenommen wurden.
An der Spitze dieser Bestimmungen steht der Grundsatz, daß die Uferstaaten
für jeden Strom der genannten Art durch gemeinschaftliche
Übereinkunft eine Schiffahrtsordnung aufstellen und zu diesem Zweck
Kommissionen berufen sollen. Die Regelung der Schiffahrt bleibt somit alleinige
Angelegenheit der Uferstaaten; Nichtuferstaaten bleiben von jeder Mitwirkung
ausgeschlossen. Für die zu erlassenden Schiffahrtsordnungen werden sodann
folgende Richtlinien gegeben: die Schiffahrt soll auf dem ganzen Laufe des
Stromes von dem Punkte, wo er schiffbar wird, bis zu seiner Mündung
vollkommen frei sein und mit Bezug auf den Handel niemandem untersagt werden
können; Schiffahrtsabgaben dürfen erhoben werden, sie sollen jedoch
gleichmäßig und unveränderlich sein; die Vorschriften [244] über die Erhebung der Abgaben sowie das
Schiffahrtspolizeirecht sollen für das ganze Stromgebiet tunlichst einheitlich
sein; jeder Uferstaat hat auf seinem Gebiet für die Unterhaltung der
Wasserwege einschließlich des Leinpfades zu sorgen.
Diese Grundsätze fanden, wenn auch viel langsamer, als man auf dem
Wiener Kongresse gerechnet hatte, in den folgenden Jahrzehnten auf den meisten
internationalen Strömen Europas und der Neuen Welt Eingang. Von den
deutschen Strömen machte die Elbe mit der am 23. 6. 1821
abgeschlossenen Elbschiffahrtsakte, die durch die Zusatzakte vom 13. 4. 1844 eine
tiefgreifende Änderung erfuhr, den Anfang. Für den Rhein brachte
erst die Schiffahrtsakte vom 31. 3. 1831 eine endgültige Regelung. Der
gewaltige Aufschwung der Rheinschiffahrt, begünstigt durch die
Industrialisierung des Westens und durch die Erleichterung des Verkehrs infolge
der Aufhebung der Rheinzölle, machte eine Revision der
Rheinschiffahrtsakte notwendig, die am 17. 10. 1868 zum Abschluß der
Mannheimer "Revidierten Rheinschiffahrtsakte" führte. Besonders schwierig
lagen die rechtlichen und politischen Verhältnisse auf der Donau.
Erst der Pariser Frieden vom 30. 3. 1856 bringt für sie eine internationale
Regelung der Schiffahrt und die Anwendung der Grundsätze der Wiener
Kongreßakte. Abweichend von dem Grundgedanken dieser Bestimmungen,
daß den Uferstaaten allein die Ordnung der Schiffahrt obliegt, wurde eine
besondere "Europäische Kommission" eingesetzt, in welcher alle
Signatarmächte des Pariser Vertrags, nämlich Frankreich,
Österreich, Großbritannien, Preußen, Rußland, Sardinien
und die Türkei vertreten waren und in die erst später Rumänien
aufgenommen wurde. Ihre Aufgabe sollte in der Schiffbarmachung der
Donaumündung bestehen; ihr Bestand war für die Dauer dieser
Arbeiten befristet. Im übrigen sollte die Verwaltung des Stromes durch eine
Kommission der Uferstaaten erfolgen. Die Entwicklung nahm jedoch eine andere
Bahn. Die von der Uferkommission ausgearbeitete Schiffahrtsakte fand nicht die
Billigung der Signatarmächte des Pariser Friedens, da sie nach Ansicht
derselben die Interessen der Uferstaaten, insbesondere der
österreichisch-ungarischen Monarchie gegenüber denen der
übrigen Nationen übermäßig bevorzugte. Da die
Kommission infolgedessen ihre Tätigkeit nicht aufnehmen konnte, trat sie
nie ins Leben. Dagegen wurde die Europäische Kommission unter
allmählicher Ausdehnung ihrer Befugnisse auf die ganze untere Donau von
Braila abwärts zu einer dauernden Einrichtung. Keine internationalen
Schiffahrtskonventionen sind bezüglich der Ströme
Ostdeutschlands, der Oder, Weichsel, Memel und ihrer
Nebenflüsse, abgeschlossen worden. Doch wurde auf ihnen die Freiheit der
Schiffahrt zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch besondere Abmachungen
zwischen den einzelnen Uferstaaten [245] sichergestellt, so insbesondere durch die
Verträge Rußlands mit Österreich und Preußen vom 3.
und 4. Mai 1815, die in der Wiener Kongreßakte ausdrücklich
aufrechterhalten wurden.
Einen weiteren Markstein in der Geschichte des internationalen
Flußschiffahrtsrechts bildet die Berliner Kongokonferenz von
1885, die den Grundsatz der Schiffahrtsfreiheit auf den Kongo und
Niger übertrug und dabei über das bisherige Recht insoweit
hinausging, als es den Kongo in
Kriegs- und Friedenszeiten der Schiffahrt aller Nationen öffnete und die
Schaffung einer internationalen Kommission, der sämtliche
Signatarmächte der Berliner Kongoakte vom 26. 2. 1885 angehören
konnten, ins Auge faßte.
Unter diesem Rechtszustand, der unter weitgehender Wahrung der
Souveränität der Uferstaaten dem internationalen Verkehr
genügend Spielraum zu seiner Entwicklung ließ, hat die
Binnenschiffahrt auf den deutschen Strömen einen ungeahnten Aufschwung
genommen und ist zu einem wichtigen Faktor im deutschen
Wirtschafts- und Verkehrsleben geworden. Infolge der Zunahme des Verkehrs und
der technischen Fortschritte auf dem Gebiet des
Wasser- und Schiffbaues sind allerdings manche Einrichtungen und
Rechtsvorschriften veraltet und haben nach einer Änderung und
Ergänzung verlangt; es sei nur an die heiß umstrittene Frage der
Zulässigkeit und der Zweckmäßigkeit der Erhebung von
Schiffahrtsabgaben erinnert. Diese Reformbestrebungen haben aber doch nie die
Grundlagen, auf die sich der geltende Rechtszustand aufbaute, berührt; die
bestehenden völkerrechtlichen Grundsätze haben sich vielmehr im
wesentlichen als ausreichend erwiesen.
II. Die Bestimmungen des
Versailler Vertrags
I.
Der Versailler
Vertrag hat sich zur Aufgabe gemacht, die Rechtsverhältnisse
auf den wichtigsten Binnenwasserstraßen Mitteleuropas neu zu ordnen. Die
Vorschriften hierüber finden sich in Teil XII "Häfen,
Wasserstraßen und Eisenbahnen", der in Abschnitt
I allgemeine Bestimmungen enthält und sich in Abschnitt
II mit der Schiffahrt
befaßt. In Kapitel 3
wird das Schiffahrtsrecht auf der Elbe, Oder, Memel und
Donau behandelt, die für international erklärt werden. Die
Internationalisierung erstreckt sich nicht nur auf die schiffbaren Teile dieser
Ströme selbst, sondern auch auf die schiffbaren Teile des
Flußgebietes, die mehr als einem Staat den natürlichen Zugang zum
Meere vermitteln, sowie auf die Seitenkanäle oder Fahrtrinnen, welche zur
Verdoppelung oder Verbesserung der von Natur aus schiffbaren Abschnitte der
genannten Flußgebiete oder zur Verbindung zweier von Natur aus schiffbarer
Abschnitte des [246] gleichen Wasserlaufs gebaut werden, Art. 331.
Nach den in den Art.
332-339 behandelten grundlegenden Bestimmungen für alle diese
Ströme werden in den Art.
340-353 eine Reihe von Sondervorschriften für die einzelnen Flüsse
gegeben. Das folgende
Kapitel
enthält sodann in den Art.
354-362 Bestimmungen über Rhein und Mosel.
Wenn man nach den
Gründen für diese Neuordnung frägt, so zeigt sich, daß
Gebietsänderungen und Neubildung von Staaten den geringsten Anteil daran
haben. Im Westen sind mit der Abtretung
Elsaß-Lothringens an Frankreich wieder die gleichen
Gebietsverhältnisse eingetreten, die bei Abschluß der Rev.
Rheinschiffahrtsakte von 1868 bestanden haben. Die Gebietsänderung
machte somit eine Revision dieses Vertrages, der die Unterschrift Frankreichs als
damaligen Rheinuferstaates trägt, nicht notwendig. Anders liegen allerdings
die Verhältnisse im Osten, wo die Auflösung der
österreichisch-ungarischen Monarchie und die Neubildung der Oststaaten
ein verstärktes Bedürfnis nach einer zwischenstaatlichen Neuordnung
des Schiffahrtsrechts auf den gemeinsamen Wasserstraßen hervorrief. Das
galt namentlich für das Donaurecht, dessen Reformbedürftigkeit
schon seit längerer Zeit anerkannt war. Diese Neuordnung hätte sehr
wohl den Uferstaaten überlassen werden können. Jedenfalls gab die
deutsche Binnenschiffahrtspolitik der Vorkriegszeit keinen Anlaß,
Deutschland tief in seine Hoheitsrechte eingreifende und demütigende
Bedingungen aufzuerlegen. Sie lassen sich nur aus wirtschaftspolitischen
Erwägungen erklären und bilden ein Glied in dem auch nach dem
Versailler Frieden von der Entente fortgesetzten Wirtschaftskampf gegen
Deutschland. In den Gegenvorschlägen der Deutschen Regierung vom
29. 5. 1919 zu den Friedensbedingungen ist mit Nachdruck auf diesen Punkt
hingewiesen. Die internationalen Kommissionen, welche die deutschen
Ströme verwalten sollen, "würden in der Lage sein, auf dem gesamten
deutschen Wasserstraßennetz praktisch eine wirtschaftlich
unbeschränkte Herrschaft auszuüben". Mit der Annahme der
Bedingungen "würde der maßgebende und entscheidende
Einfluß auf die innere Gestaltung des gesamten deutschen Wirtschaftslebens
den alliierten und assoziierten Regierungen übertragen werden". Die
Vorstellungen blieben aber abgesehen von der Berücksichtigung einiger
nebensächlicher Punkte erfolglos. In der Mantelnote Clemenceaus vom
16. 6. 1919 wird der Einwand, daß die Vorschriften die
wirtschaftliche
Selbständigkeit Deutschlands aushöhlten, mit dem Hinweis
zurückgewiesen, daß diese Bedingungen nur die in Art. 23e der
Völkerbundsakte vorgesehene Freiheit der Verkehrswege und des
Durchgangsverkehrs sicherstellen sollen. Weiter wird in dieser Note
hervorgehoben, daß die Bestimmungen des Versailler Vertrags nicht nur
für die auf deutschem Gebiete liegenden Abschnitte der für
international erklärten [247] Ströme gelten, sondern in gleicher Weise
auf die im Gebiete der alliierten und assoziierten Mächte gelegenen
Flußteile Anwendung finden. Beide Gesichtspunkte können die
Bedenken nicht entkräften. Bei einem großen Teil der Bestimmungen
ist ihr Zweck, dem Wirtschaftskampfe zu dienen, jedem unbefangenen Leser
offensichtlich; sie lassen sich mit der Notwendigkeit der Sicherung der
Verkehrsfreiheit nicht begründen. Gegenüber dem zweiten
Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, daß abgesehen von der Donau
die wichtigsten und längsten Strecken der in Betracht kommenden
Ströme auf deutschem Boden liegen und daß infolgedessen
Deutschland durch die aufgezwungene Beschränkung der Hoheitsrechte am
schwersten getroffen wird.
Wie schon erwähnt, beziehen sich die Bestimmungen des Friedensvertrags
auf den Rhein, die Elbe, Oder, Memel und Donau. Ihre getrennte Behandlung in
zwei Kapitel ist sachlich nicht von grundlegender Bedeutung; sie ist dadurch
veranlaßt, daß für den Rhein in der Rev. Rheinschiffahrtsakte
bereits eine internationale Ordnung vorlag und es deshalb nur erforderlich
war, sie durch einzelne ergänzende und abändernde Bestimmungen
dem mit der Neugestaltung des Schiffahrtsrechts verfolgten Ziele einzuordnen. Aus
diesem Grund erschien es auch nicht notwendig, den Rhein wie die übrigen
Ströme ausdrücklich für international zu erklären.
Unter den für international erklärten Strömen sucht man
vergebens die Weichsel. Da sie polnisches, deutsches und Danziger Gebiet
berührt, ist sie nach der Definition der Wiener Kongreßakte zu den
internationalen Flüssen zu rechnen. Unter Vergewaltigung allgemeiner
völkerrechtlicher Grundsätze ist sie jedoch zu einem polnischen
Flusse gemacht worden. Entgegen der grundsätzlichen Bestimmung in Art.
28 des Versailler Vertrags verläuft die deutsch-polnische Grenze
gemäß Art.
30, 97
daselbst nicht im Talweg der Weichsel, sondern ist
auf das rechte Ufer verlegt worden. Dadurch ist dieser für Osteuropa
wichtige Strom tatsächlich aus dem internationalen Verkehrssystem
ausgeschaltet worden, zumal keine Garantie dafür gegeben ist, daß
Polen die in Art. 89
übernommene Verpflichtung, dem Schiffsverkehr
zwischen Ostpreußen und den übrigen Teilen Deutschlands durch sein
Gebiet einschließlich seiner Hoheitsgewässer völlige
Durchgangsfreiheit zuzugestehen, auch wirklich erfüllt. Wenn die
Bestimmungen des Versailler
Vertrags über die internationalen Flüsse
den alleinigen Zweck haben, die als allgemeines Völkerrecht
verkündete Verkehrsfreiheit zu sichern, weshalb hat man sich dann
gescheut, die gleiche Maßnahme für die ebenso internationale
Weichsel zu treffen?
[248]
II.
Der Versailler Vertrag enthält keine abschließende Regelung des
Schiffahrtsrechts auf den für international erklärten Strömen.
Er legt, wie die Wiener Kongreßakte von 1815, lediglich die Grundlinien
fest, die bei Abschluß der für jeden Strom besonders zu
vereinbarenden internationalen Abkommen zu beachten sind und diese
gegebenenfalls zu ergänzen haben, soweit es sich nicht um besondere,
Deutschland einseitig auferlegte Lasten handelt. Diese allgemeinen
Grundsätze sind jedoch nicht als eine endgültige Regelung gedacht;
sie sollen durch ein "von den alliierten und assoziierten Mächten
entworfenes und vom Völkerbund genehmigtes allgemeines
Übereinkommen über die schiffbaren Wasserstraßen, deren
internationaler Charakter das Übereinkommen anerkennt", ersetzt werden,
Art. 338, 354 Abs.
2.
Die von dem Versailler Vertrag aufgestellten allgemeinen Grundsätze
betreffen drei Punkte:
1. die Schiffahrtsfreiheit,
2. die Stromunterhaltung und die Aufbringung der hierzu erforderlichen
Mittel,
3. die Verwaltung durch internationale Kommissionen.
A. Die Schiffahrtsfreiheit
Die Wiener Kongreßakte enthält bereits den Grundsatz: die Schiffahrt
auf den internationalen Strömen soll gänzlich frei sein und im
Hinblick auf den Handel niemandem untersagt werden. Obwohl hier kein
Unterschied zwischen den Schiffen der Uferstaaten und anderer Nationen gemacht
ist, hat diese Bestimmung in der Folgezeit doch eine einschränkende
Auslegung gefunden, so daß einige Abkommen völlige
Schiffahrtsfreiheit nur den Angehörigen der Uferstaaten gewährten.
Selbst ein so freiheitliches Abkommen wie die Rev. Rheinschiffahrtsakte, die in
Art. 1 das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit aller Nationen anerkennt, räumt den
"zur Rheinschiffahrt gehörigen Schiffen", d. h. den zur
Führung der Flagge eines Rheinuferstaates berechtigten Schiffen, eine
Sonderstellung ein und macht außerdem die Befugnis zur Rheinschiffahrt
von dem Besitze besonderer Rheinschifferpatente abhängig. Diese
Beschränkungen fielen aber rechtlich nicht sehr ins Gewicht, da durch die in
einer Reihe von Handelsverträgen des Deutschen Reichs vereinbarte
Meistbegünstigungsklausel oder die gegenseitige Zusicherung völliger
Schiffahrtsfreiheit auf den Binnenwasserstraßen in weitem Umfange die
Angehörigen fremder Staaten tatsächlich den Inländern
gleichgestellt waren.
Der Versailler Vertrag will die Vorzugsstellung der Uferstaaten [249] grundsätzlich beseitigen, indem er die
Gleichheit aller Staaten in bezug auf die Schiffahrt auf den internationalen
Strömen proklamiert. Nach Art.
332 werden auf ihnen "die
Staatsangehörigen, das Gut und die Flagge aller Mächte auf dem
Fuß vollkommener Gleichheit behandelt, und zwar so, daß kein
Unterschied zum Nachteile der Staatsangehörigen, des Gutes und der Flagge
irgendeiner dieser Mächte zwischen diesen und den
Staatsangehörigen, dem Gute und der Flagge des Uferstaates selbst oder des
meistbegünstigten Staates gemacht werden darf". Dieser Grundsatz wird in
Art.
356 für den Rhein wiederholt, indem bestimmt wird, daß die
Schiffe aller Nationen und ihre Ladungen dieselben Rechte und Vorrechte wie die
eigens zur Rheinschiffahrt bestimmten Schiffe und ihre Ladungen genießen.
Diese Bestimmungen entsprechen der in den Art.
321 ff. Deutschland auferlegten
Verpflichtung, auf allen deutschen Binnenschiffahrtswegen freie Schiffahrt und
freie Durchfuhr zu gewähren. Ihre besondere Bedeutung gegenüber
diesen Vorschriften liegt darin, daß letztere nur einseitige Verpflichtungen
Deutschlands gegenüber den alliierten und assoziierten Regierungen
enthalten, während die ersteren Bestimmungen einerseits die
Verkehrsfreiheit allen Nationen einräumen, andererseits alle beteiligten
Uferstaaten in gleicher Weise belasten.
Die neuzeitliche Entwicklung des Weltverkehrs zielt auf möglichste
Beseitigung aller nationalen Schranken hin. Sie verlangt daher tunlichst
völlige Freiheit der Schiffahrt auf den Binnenwasserstraßen. Die
Erweiterung und Sicherung des Grundsatzes der Schiffahrtsfreiheit liegt somit in
den Zeitverhältnissen begründet. Es wäre deshalb verfehlt, das
von dem Versailler Vertrag aufgenommene Prinzip der Schiffahrtsfreiheit auf den
Binnenwasserstraßen an sich zu bekämpfen, zumal jede Erleichterung
des Verkehrs diesen steigern und damit die Wirtschaft eines Landes beleben wird,
so daß im allgemeinen der Nutzen die Nachteile, die den inländischen
Unternehmungen durch die stärkere ausländische Konkurrenz
erwachsen, überwiegen wird. Die deutsche Regierung hat daher auch in den
Gegenvorschlägen zu den Friedensbedingungen diesen Grundsatz
keineswegs abgelehnt, sondern ausdrücklich erklärt, daß sie
durchaus bereit sei, "die deutschen Ströme dem Verkehr der Schiffe und
Güter aller Nationen in weitestem Umfange zu öffnen". Verwerflich
ist aber, daß der Versailler Vertrag das Prinzip der Schiffahrtsfreiheit nicht
folgerichtig durchgeführt, sondern nur da zur Anwendung gebracht hat, wo
es den alliierten und assoziierten Mächten Nutzen versprach. Auf die
eigenartige Behandlung der Weichsel ist schon hingewiesen worden. Ebensowenig
ist von einer Internationalisierung der
belgisch-französischen Binnenwasserstraßen die Rede. Es entspricht
auch nicht den allgemeinen Grundsätzen des Versailler
Ver- [250] trags, wenn Art. 362 die
Internationalisierung der Mosel nur von der
französisch-luxemburgischen Grenze ab in Aussicht nimmt. Völlig
unvereinbar mit diesem Prinzip ist aber die Bestimmung in Art.
332 Abs. 2:
"Deutsche Schiffe dürfen indes
regelmäßige Schiffsverbindungen für Reisende und Güter
zwischen den Häfen einer alliierten und assoziierten Macht nur mit deren
besonderer Ermächtigung unterhalten."
Hier wird der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Schiffe
aller Nationen ohne irgendwelche Bemäntelung zum Nachteil Deutschlands
aufgehoben.
Mit dem in der Rev. Rheinschiffahrtsakte garantierten und von dem Versailler
Vertrag übernommenen Grundsatz gleichmäßiger Behandlung
aller Flaggen und Güter steht auch schwerlich die Erhebung der "surtaxes
d'entrepôt" im Einklang, die Frankreich auf Waren, die nicht über
französische Seehäfen eingeführt werden, gelegt hat. Hierdurch
wird namentlich der Rheinhandel über den Straßburger Hafen
betroffen. Auf die Vorstellung Belgiens hat Frankreich allerdings für die
Einfuhr über Antwerpen einige Erleichterungen zugestanden mit der
Wirkung, daß der von Antwerpen nach Straßburg gehende
Rheinhandel vor dem Verkehr über die holländischen Seehäfen
bevorzugt wird.
B. Die Stromunterhaltung
Entsprechend den Grundsätzen der Wiener Kongreßakte ist auch nach
Art. 336 des
Versailler Vertrags die Unterhaltung und Verbesserung der
internationalen Wasserstraßen mangels einer besonderen Regelung Sache
eines jeden Uferstaates bezüglich der auf seinem Gebiete liegenden Teile
derselben. Er ist verpflichtet,
"in angemessenem Umfang die nötigen Vorkehrungen zur Beseitigung
aller Schiffahrtshindernisse
und -gefahren und zur Erhaltung guter Schiffahrtsverhältnisse zu
treffen".
Andererseits darf er Arbeiten, die geeignet sind, der Schiffahrt in dem
internationalen Abschnitt eines Stromes Abbruch zu tun, nicht vornehmen, Art.
337.
Bei Streitigkeiten über die Vornahme von
Unterhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten oder über die Ausführung
von die Schiffahrt beeinträchtigenden Arbeiten kann jeder Uferstaat sowie
jeder in der betreffenden internationalen Flußkommission vertretene
Nichtuferstaat den vom Völkerbund gemäß Art. 14 der
Völkerbundsakte eingesetzten Ständigen Internationalen Gerichtshof
im Haag anrufen. Soweit es sich um die Frage der Untersagung von Arbeiten
handelt, die nicht der Erhaltung oder dem Ausbau der Schiffahrtswege, sondern
anderen Zwecken dienen, hat der Gerichtshof bei seinen
Ent- [251] scheidungen den
Berieselungs-, Wasserkraftnutzungs- und Fischereirechten und den anderen
Landesinteressen, die im Falle des Einverständnisses aller beteiligter
Uferstaaten den Bedürfnissen der Schiffahrt vorzugehen haben, Rechnung
zu tragen. Es ist damit der sehr bedeutsame
Grundsatz zur Anerkennung gelangt, daß die Schiffahrt nicht unbedingt den
Vorrang vor den sonstigen Belangen der Uferstaaten genießt.
Zur Deckung der Kosten der Schiffbarerhaltung und Verbesserung der
Wasserwege und ihrer Zugänge sowie zur Bestreitung von Ausgaben im
Interesse der Schiffahrt überhaupt können, soweit nicht in Kraft
befindliche Abkommen entgegenstehen, z. B. Art. 3 Rev.
Rheinschiffahrtsakte, Schiffahrtsabgaben erhoben werden. Sie dürfen auf
den verschiedenen Flußabschnitten verschieden bemessen werden,
müssen aber so festgesetzt werden, daß eine ins einzelne gehende
Untersuchung der Ladung nicht nötig fällt, sofern nicht Verdacht des
Schmuggels oder einer strafbaren Handlung besteht, Art.
333.
Diese Ordnung enthält keine grundlegende Änderung des bestehenden
Rechtszustandes. Auch die Bestimmungen über die Schiffahrtsabgaben
entsprechen der neueren Rechtsentwicklung, die im Hinblick auf die gesteigerten
technischen Anforderungen an den Ausbau der Wasserstraßen zur Aufgabe
des Grundsatzes völliger Abgabefreiheit geführt hat, vgl. das deutsche
Reichsgesetz, betr. den Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die
Erhebung von Schiffahrtsabgaben vom 24. 12. 1911 (RGBl. S. 1137).
Gegen diesen Teil der Friedensbedingungen sind daher die wenigsten Bedenken zu
erheben.
C. Die
internationalen Flußkommissionen
Von der einschneidendsten und erheblichsten Tragweite sind die Bestimmungen
über die Bildung internationaler Kommissionen, denen die Verwaltung der
für international erklärten Ströme übertragen wird. Hier
hat der Versailler Vertrag mit den vom Wiener Kongreß über die
Bildung und die Aufgaben solcher Kommissionen aufgestellten Grundsätzen
gebrochen, indem sowohl ihre Zusammensetzung wie ihre Befugnisse wesentlich
erweitert wurden. Denn nach den bisherigen Rechtsgrundsätzen sollten diese
Kommissionen nur aus Vertretern der Uferstaaten bestehen und ihre
Beschlüsse konnten nur mit Zustimmung aller beteiligten Regierungen
bindende Kraft erlangen. Für die von diesen Prinzipien abweichenden
Bestimmungen über die Europäische Donaukommission waren
besondere wirtschaftliche und politische Verhältnisse maßgebend, die
in keiner Weise mit den bestehenden Zuständen auf den übrigen
Wasserstraßen Mitteleuropas verglichen werden können. Wenn sich
daher der Versailler Vertrag diesen Ausnahmefall zum Vorbild nahm, so kann eine
Berech- [252] tigung hierzu weder aus
den wirtschaftlichen Bedürfnissen noch aus der politischen Lage der in
Betracht kommenden Länder, vor allem Deutschlands, entnommen
werden.
Nach dem Versailler Vertrag sind die Kommissionen ohne ausreichende
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands und ohne
Rücksicht auf die verhältnismäßigen Anteile der
Uferstaaten an dem schiffbaren Laufe des Stromes in der Weise zusammengesetzt,
daß Deutschland in jeder Kommission in der Minderheit bleibt.
Außerdem haben in allen Kommissionen auch Vertreter von Nichtuferstaaten
Aufnahme gefunden. Dadurch liegt die Gefahr nahe, daß die Kommissionen
nicht so sehr die Interessen des ihnen unterstellten Stromgebiets wahren und
fördern, wie vielmehr außerhalb ihrer eigentlichen Aufgabe liegende,
macht- und wirtschaftspolitische Ziele fremder Staaten verfolgen, welche durch
diese Kommissionen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten Mitteleuropas
gewinnen können. Den schlagendsten Beweis für die Unbilligkeit
dieser Ordnung gibt eine Aufstellung über die Zusammensetzung der
einzelnen Kommissionen.
Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags sollen sich die Kommissionen
zukünftig folgendermaßen zusammensetzen:
1. Rheinkommission, Art.
355: |
|
5 |
Vertreter Frankreichs, darunter der Vorsitzende, |
|
4 |
Vertreter der deutschen Uferstaaten, |
|
2 |
Vertreter der Niederlande, denen jedoch durch Sonderabkommen vom
21. 1. 1921 ein weiterer Vertreter zugestanden wurde, |
|
je 2 |
Vertreter Großbritanniens, Italiens und Belgiens [und der Schweiz, Anm. d.
Scriptorium],
zusammen 19 bzw. 20 Vertreter; |
2. Elbekommission, Art.
340: |
|
4 |
Vertreter der deutschen Uferstaaten, |
|
2 |
Vertreter der Tschechoslowakei, |
|
je 1 |
Vertreter Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Belgiens, zusammen
10 Vertreter; |
3. Oderkommission, Art.
341: |
|
3 |
Vertreter Preußens, |
|
je 1 |
Vertreter Polens, der Tschechoslowakei, Großbritanniens, Frankreichs,
Dänemarks und Schwedens, zusammen 9 Vertreter; |
4. Donaukommission, Art.
347: |
|
2 |
Vertreter der deutschen Uferstaaten, |
|
je 1 |
Vertreter der anderen Uferstaaten (Österreich, Tschechoslowakei,
Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien), |
|
[253] je 1 |
Vertreter der in Zukunft in der
Europäischen Donaukommission vertretenen Nichtuferstaaten (zur Zeit
Großbritannien, Frankreich und Italien), zusammen gegenwärtig 11
Vertreter; |
5. Memelkommission, die jedoch nur auf einen bei dem Völkerbund von
einem der Uferstaaten gestellten Antrag einberufen werden soll, Art.
342: |
|
je 1 |
Vertreter der Uferstaaten (Deutschland, Litauen und Polen), |
|
3 |
Vertreter anderer durch den Völkerbund bezeichneter Staaten, zusammen
6 Vertreter. |
Was die Kompetenzen dieser Kommissionen anbelangt, so richten sie
sich bei der Rheinkommission nach den aufrechterhaltenen Bestimmungen der
Rev. Rheinschiffahrtsakte von 1868 (Art.
354 Abs. 1 Versailler Vertrag).
Hinsichtlich der übrigen für international erklärten
Ströme spricht der Versailler Vertrag lediglich aus, daß sie der
"Verwaltung" (administration) internationaler Kommissionen unterstellt werden.
Eine klare, unzweideutige Umschreibung ihrer Verwaltungsbefugnisse wird jedoch
nicht gegeben. Die Clemenceausche
Mantelnote vom 16. 6. 1919, die als
authentische Interpretation des Friedensvertrags anzusehen ist, hat aber den
Bedenken der deutschen Regierung, daß der Umfang der Aufgabe dieser
Kommissionen nicht bestimmt sei und daher beliebig weit gefaßt werden
könne, entgegengehalten, daß die Funktionen der
Flußkommissionen
"auf die praktische Anwendung der Grundsätze beschränkt sind,
die entweder in Artikel 332 bis
337 des Vertrags oder in einer zukünftigen
internationalen Abmachung niedergelegt sind, welch letztere der Genehmigung des
Völkerbunds unterliegt".
Dieser Auslegung entspricht auch die Bestimmung des Art.
348, wonach die obenerwähnte Donaukommission bis zur Festsetzung einer
endgültigen Donauordnung vorläufig "die Verwaltung des Flusses in
Gemäßheit der Bestimmungen der Artikel 332 bis
337"
übernimmt. Damit ist der Aufgabenkreis der Flußkommissionen auf
bestimmte Gebiete, die oben unter A und B in ihren Hauptzügen dargestellt
worden sind, beschränkt und kann nicht willkürlich ausgedehnt
werden. Dennoch bleiben eine Reihe von Zweifelsfragen, über welche die
Friedensbedingungen keine Aufklärung geben. Denn bei der Dehnbarkeit
des Begriffes der Verwaltung, unter der man jede ordnende Tätigkeit
verstehen kann, läßt sich aus der Wahl des Wortes "administration"
nichts über den gewollten Inhalt desselben entnehmen.
Zunächst bleibt es zweifelhaft, ob sich die Tätigkeit der
Flußkommissionen auf die Aufstellung von Richtlinien, nach denen die
[254] Verwaltung von den einzelnen Uferstaaten zu
führen ist, und auf die Kontrolle der Einhaltung der internationalen
Abmachungen durch die Uferstaaten beschränkt oder ob sie selbst alle
Maßnahmen treffen dürfen, die sie zur Durchführung der
geltenden Vorschriften für dienlich erachten, insbesondere ob sie befugt
sind, hierzu eigene Organe zu schaffen und eigenes Personal einzustellen.
Wäre das letztere der Fall, so wären die Kommissionen in der Lage,
die ganze Verwaltung der internationalen Ströme an sich zu ziehen und die
Uferstaaten praktisch von ihr auszuschließen, da sich schließlich jede
Maßnahme unter Berufung auf den Schutz der Schiffahrtsfreiheit
rechtfertigen läßt. Damit würde die Souveränität
der Uferstaaten über ihre Anteile an den internationalen Flüssen zu
einem Scheinrecht werden. Nach geltendem Völkerrecht, das durch den
Versailler Vertrag
nicht geändert wurde, erstreckt sich die Gebietshoheit
auch auf alle Wasserläufe, die sich innerhalb der Grenzen des Staatsgebiets
befinden. Das gilt auch für die für international erklärten
Ströme. Diese sind nicht etwa aus den Gebieten der Uferstaaten
ausgeschieden und bilden nicht ein besonderes unter der Mitherrschaft der
beteiligten Staaten stehendes Gebiet, sondern gehören weiterhin
anteilsmäßig zu den Staatsgebieten der Uferstaaten. Die
Souveränitätsrechte der einzelnen Uferstaaten sind somit auf den
internationalen Strömen nicht aufgehoben, sondern nur insoweit
beschränkt und belastet, als die internationalen Abmachungen gehen, und
leben nach deren Wegfall im vollen Umfang wieder auf. Als
Ausnahmevorschriften sind daher im Zweifel die Beschränkungen
einengend auszulegen.
Sodann besteht Unklarheit darüber, welche rechtliche Wirkung den
Beschlüssen der Kommission zukommt, d. h. ob die Kommissionen
nur beratende oder beschließende Funktionen besitzen, mit anderen Worten,
ob ihre Beschlüsse erst rechtswirksam werden, wenn ihnen sämtliche
beteiligte Regierungen zugestimmt haben, wie es z. B. bei den
Beschlüssen der Rheinzentralkommission der Fall ist, oder ob sie
unabhängig von der Zustimmung der einzelnen Regierung ohne weiteres
rechtsverbindlich sind. Für die letztere Ansicht kann geltend gemacht
werden, daß für das Zustandekommen eines Beschlusses nicht
Einstimmigkeit erforderlich ist, sondern die Zustimmung der Mehrheit
genügt; ferner daß ihre Entschließungen gültig sein
sollen, auch wenn bei Inkrafttreten der Friedensverträge einige der Vertreter
nicht ernannt werden könnten. Dieser Standpunkt bedeutet aber einen
weiteren tiefen Eingriff in die Hoheitsrechte der Uferstaaten und kann daher, wenn
nicht ausreichende Garantien gegen eine Vergewaltigung des einzelnen Staates
durch die anderen gegeben sind, nicht als gerechtfertigt angesehen werden.
Trotz der Aufnahme von Nichtuferstaaten in die Flußkommissionen und
trotz Erweiterung ihrer Befugnisse hatte sich die Entente nicht [255] entschließen können, die für
die Verwaltung der Donaumündung eingesetzte Europäische
Kommission aufzuheben und ihre Aufgaben der neu geschaffenen
Donaukommission zu übertragen. Der Versailler Vertrag setzte sie vielmehr
wieder in ihre alten Rechte und Befugnisse ein; die Mitgliedschaft blieb jedoch
vorläufig auf Großbritannien, Frankreich, Italien und Rumänien
beschränkt, Art. 346.
Die
übrigen an der Schiffahrt auf der Donau in
erster Linie interessierten Donaustaaten sind somit unvertreten, ein auf die Dauer
unhaltbarer Zustand, der bedauerlicherweise durch die endgültige Donauakte
von 1921 nicht beseitigt worden ist.
III.
Damit die Proklamierung der Schiffahrtsfreiheit und der vermittels der
Flußkommissionen erlangte Einfluß auf die deutsche Binnenschiffahrt
den alliierten und assoziierten Mächten den erstrebten wirtschaftlichen
Erfolg bringen konnte, mußten sie auch technisch gerüstet sein, d. h.
sie mußten über das erforderliche Schiffsmaterial und die
technischen Einrichtungen verfügen, um die Konkurrenz mit den
bestehenden Unternehmen der Mittelmächte aufnehmen zu können.
Um dieses Ziel möglichst rasch und mühelos zu erreichen, schreckten
sie nicht vor einem Eingriff in die Privatrechte von Angehörigen
Deutschlands und seiner Verbündeten zurück. Gemäß
Art.
339, 357
des Versailler
Vertrags hat Deutschland den beteiligten alliierten und
assoziierten Mächten einen Teil der Schlepper und Boote sowie des
Materials jeder Art, dessen diese Staaten für die Ausnutzung der
internationalisierten Ströme bedürfen, abzutreten, und zwar
muß die Auswahl aus dem neuesten und besten Material getroffen werden.
Der Umfang der Abtretungen ist durch einen von den Vereinigten Staaten
bestimmten Schiedsrichter unter Berücksichtigung der berechtigten
Bedürfnisse der beteiligten Parteien und des Schiffsverkehrs in den letzten
fünf Jahren vor dem Kriege festzusetzen. Für den Rhein ist noch
besonders bestimmt, daß an Stelle von Schiffsmaterial auch eine
Übertragung von Anteilen an den deutschen Rheinschiffahrtsgesellschaften
treten kann, ferner daß Einrichtungen, Anlegeplätze,
Kaiflächen, Docks usw., welche deutsche Reichsangehörige oder
deutsche Gesellschaften im Hafen von Rotterdam am 1. 8. 1914 besaßen, an
Frankreich abzutreten sind. Eine Entschädigung für diese Abtretungen
wird in Wirklichkeit nicht geleistet, da sie auf die deutsche Reparationsschuld
verrechnet wird; dabei bleibt es Deutschland überlassen, wie es seine
geschädigten Angehörigen schadlos halten will und kann. Auf Grund
dieser Bestimmungen und der von dem zum Schiedsrichter bestellten Amerikaner
Walker D. Hines erlassenen Schiedssprüche hat Deutschland einen sehr
erheblichen Teil seiner Binnenschiffahrtsflotte an Frankreich, die
Tschechoslowakei [256] und Polen abtreten müssen, darunter
allein an Frankreich 254 150 t Schiffsraum
und 23 760 P.S. Schleppkraft der
Rheinflotte, 75% der Aktien der Rheinschiffahrtsgesellschaft vormals
Fendel - an deren Stelle auf Grund nachträglicher Vereinbarung
zwischen Deutschland und Frankreich weitere Schiffe abgetreten
wurden -, sowie die Einrichtungen der Badischen Aktiengesellschaft
für Rheinschiffahrt und Seetransport in Rotterdam. Dabei ist zu
berücksichtigen, daß in diesen Leistungen die Entschädigungen
nicht inbegriffen sind, die Deutschland auf Grund seiner
Wiedergutmachungspflicht zu leisten hat. Nach § 6 der Anlage III
zu Art.
231-244 ist Deutschland verpflichtet, nicht nur alle in seinem Besitze befindlichen
Flußschiffe der alliierten und assoziierten Mächte
zurückzugeben, sondern auch zum Ausgleich der weiteren Verluste
derselben an Flußschiffahrtstonnengehalt einen Teil seines
Flußfahrzeugparkes bis zum Höchstbetrag von 20% seines Bestandes
vom 11. 11. 1918 abzuliefern.
In diesem Zusammenhang ist noch das Recht der Tschechoslowakei zu
erwähnen, in den Häfen Hamburg und Stettin für einen
Zeitraum von 99 Jahren Landstücke zur Anlage von Freizonen, die dem
unmittelbaren Durchgangsverkehr von und nach der Tschechoslowakei dienen
sollen, zu pachten.
IV.
In dem politischen und wirtschaftlichen Kampfe, den Frankreich um die
Hegemonie am Rheine führt, nimmt die Oberrheinfrage eine
besonders wichtige Rolle ein. Natürlicher Endpunkt der neuzeitlichen
Großschiffahrt auf dem Rhein war Mannheim. Eine Ausdehnung der
Rheinschiffahrt nach Süden bis
Straßburg - Kehl wurde erst möglich, nachdem auf Grund eines
Staatsvertrags zwischen Baden, Bayern und
Elsaß-Lothringen vom 28. 11. 1901 auf der Strecke zwischen
Straßburg und Sondernheim umfangreiche Regulierungsarbeiten
ausgeführt worden waren. Die guten Erfolge dieser Arbeiten haben schon
vor dem Kriege die Fortsetzung der Stromregulierung auf der restlichen Strecke
des konventionellen Rheins zwischen Straßburg und Basel nahegelegt,
gleichzeitig in Verbindung mit ernsthaften Projekten des Ausbaues eines
Großschiffahrtsweges über Basel hinaus bis zum Bodensee.
Namentlich die Schweiz, die bisher in der Rheinzentralkommission nicht vertreten
war, zeigte für diese Pläne ein lebhaftes Interesse, da sie auf diese
Weise unmittelbare Verbindung mit dem Weltseeverkehr zu erlangen hoffte.
Die Ausführung dieser Projekte kann Frankreich nur geringe Vorteile
bringen. Sein Streben geht vielmehr dahin, Straßburg zum Endpunkt und
wichtigsten Umschlagshafen am Rhein zu machen. Äußerlich und
symbolisch soll diese Verschiebung des Schwerpunktes des Rheinhandels durch
die Verlegung des Sitzes der
Rheinzentralkom- [257] mission von Mannheim nach Straßburg
zum Ausdruck kommen. Wichtiger für Deutschland sind aber die
Bedingungen des Friedensvertrags, die der Durchführung dieser Absicht
dienen und weitgehend in die Hoheitsrechte Deutschlands beschränkend
eingreifen.
Da die Hafenanlagen Straßburgs bei Beendigung des Kriegs noch
nicht derart ausgebaut waren, daß es alsbald mit Erfolg die ihm von
Frankreich zugedachte Rolle hätte übernehmen können,
mußten hier wie bei der Bildung einer französischen Rheinflotte durch
Eingriffe in deutschen Besitz die Grundlagen für einen aussichtsreichen
Wettbewerb geschaffen werden. Zu diesem Zweck wurde gemäß Art.
65 des Versailler Vertrags der Hafen von Straßburg mit dem
gegenüberliegenden rechtsrheinischen Hafen der badischen Stadt Kehl zu
einer Betriebseinheit unter einem von der Zentralkommission ernannten und ihr
unterstellten Direktor französischer Staatsangehörigkeit vereinigt.
Diese Betriebseinheit war zunächst für sieben Jahre vorgesehen und
wurde durch einen Beschluß der Zentralkommission bis 1928
verlängert. Ein Sonderabkommen zwischen Deutschland und Frankreich
vom 1. 3. 1920 regelt die näheren Rechtsverhältnisse des Kehler
Hafens und bestimmt den Umfang der Frankreich zur ausschließlichen
Benützung zu überlassenden Lagerplätze, Anlagen und
Einrichtungen.
Die Rheinstrecke oberhalb Straßburgs hat aus diesen Gründen als
Wasserstraße für Frankreich geringe Bedeutung, um so mehr spielt die
Ausbeutung der auf dieser Strecke vorhandenen Wasserkräfte für die
industrielle Entwicklung des Elsasses und des übrigen Ostfrankreichs eine
wichtige Rolle. Diese wirtschaftlichen Gesichtspunkte waren auch für die in
den Art.
358-360 enthaltenen Bestimmungen des Versailler Vertrags über den
Oberrhein maßgebend.
Hiernach hat Frankreich das Recht, auf der
badisch-französischen Rheinstrecke von der schweizerischen
Grenze bis Lauterburg zur Speisung bereits gebauter oder noch zu bauender
Schiffahrts- und Bewässerungskanäle oder für jeden anderen
Zweck - also insbesondere zur Anlage von
Kraftwerken - Wasser aus dem Rhein zu entnehmen und auf dem deutschen
Ufer alle zur Ausübung dieses Rechts erforderlichen Arbeiten vorzunehmen.
Frankreich steht ferner der ausschließliche Anspruch auf die durch den
Ausbau des Stromes gewonnene Kraft mit der Maßgabe zu, daß die
Hälfte des Wertes der tatsächlich erzeugten Kraft an Deutschland in
Geld oder Natur zu vergüten ist. Damit die Rechte Frankreichs nicht
beeinträchtigt werden, darf Deutschland auf dem rechten Rheinufer
längs der französischen Grenze keinen Seitenkanal bauen oder Wasser
ableiten und ist außerdem verpflichtet, Frankreich ein
Anlage- und Wegerecht auf dem rechten Ufer zu gewähren, soweit es
für den Bau und den Betrieb der zu errichtenden Wehre erforderlich ist. Um
möglichst [258] unabhängig in der Verfügung
über den Oberrhein zu sein, hat sich Frankreich die Befugnis vorbehalten, in
die Rechte und Pflichten einzutreten, die sich aus den Abmachungen zwischen
Elsaß-Lothringen und Baden bezüglich der am Rhein
auszuführenden Arbeiten ergeben, sowie alle Arbeiten selbst
ausführen zu lassen, die von der Zentralkommission für die
Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Schiffbarkeit des Rheins oberhalb
Mannheims für notwendig befunden werden. Damit ist Frankreich die
Möglichkeit gegeben, nicht nur auf der
deutsch-französischen Grenzstrecke, sondern auch auf dem
ausschließlich deutschen Flußabschnitt
Mannheim - Lauterburg in die unmittelbare Strombauverwaltung einzugreifen. Im
Zusammenhang mit diesen französischen Sonderrechten steht auch die
Bestimmung, daß sämtliche Rheinbrücken zwischen Baden und
Frankreich "in allen ihren Teilen und in ihrer ganzen Länge" in das
Eigentum des französischen Staates übergehen, Art. 66,
obwohl im übrigen die Grenze dem Talweg des Rheines folgt.
Der Versailler
Vertrag hat somit Frankreich eine fast unbeschränkte
Verfügungsgewalt über den Oberrhein von Basel abwärts
gewährt. Sie findet nur eine schwache Schranke in der Bedingung, daß
die Ausnützung dieser Rechte die Schiffbarkeit des Stromes nicht
beeinträchtigen oder erschweren darf. Über die Einhaltung dieser
Bedingung hat die Rheinzentralkommission zu wachen; ein Schutz von sehr
beschränktem Werte im Hinblick auf den starken Einfluß, den
Frankreich durch seine Sonderstellung in der Kommission besitzt.
V.
Neben der Internationalisierung der hauptsächlichsten deutschen
Ströme befaßt sich der Versailler Vertrag auch mit zwei großen
Binnenkanalprojekten, nämlich einer Kanalverbindung zwischen dem Rhein
und der Maas sowie zwischen dem Rhein und der Donau.
Das erstere Projekt ist in Art. 361
behandelt, der folgendes bestimmt: Falls sich
Belgien binnen 25 Jahren nach Inkrafttreten des Versailler Vertrags zum Bau eines
Großschiffahrtswegs
Rhein - Maas in der Höhe von Ruhrort entschließt,
ist Deutschland verpflichtet, den auf seinem Gebiete gelegenen Teil des Kanals
nach den von der belgischen Regierung mitgeteilten Plänen zu bauen.
Kommt Deutschland dieser Verpflichtung nicht nach, so kann die
Rheinzentralkommission die Arbeiten an seiner Stelle ausführen lassen. Sie
hat auch die Baukosten auf die von dem Kanal durchschnittenen Länder
umzulegen, wobei wohl die Hauptlast auf Deutschland fallen würde, da es
den größten Längenanteil hätte. Die für den Rhein
geltende Ordnung soll auch auf diesen Schiffahrtsweg Anwendung finden. Da
Deutschland an diesem Kanalprojekt nur ein sehr beschränktes
wirtschaftliches Interesse hat, der Kanal vielmehr in [259] erster Linie ein Einfallstor für den Handel
Antwerpens und die belgische Kohle bilden würde, erscheinen die hier
Deutschland auferlegten Lasten besonders drückend und unbillig, abgesehen
von dem Eingriff in die deutschen Hoheitsrechte, die in der Abhängigkeit
von der Willensentschließung eines fremden Staates liegt.
In derselben Weise haben die ursprünglichen Friedensbedingungen auch
für den projektierten Großschiffahrtsweg
Rhein - Donau die Verpflichtung Deutschlands zu seinem Bau vorgesehen,
falls es die Gesamtheit der in der Rheinzentralkommission oder in der
Donaukommission vertretenen alliierten und assoziierten Mächte verlangen
sollte. Auf die Vorstellung der deutschen Regierung wurde diese Bedingung in Art.
353 dahin abgeschwächt, daß sich Deutschland nicht mehr zum Bau
dieses Wasserweges zu verpflichten brauchte, sondern lediglich im Falle seines
Baues ihn der für die internationalen Ströme geltenden Ordnung
unterstellen muß. Aber auch dieses Verlangen entspricht nicht den
allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen, da die
Rhein-Donauverbindung vollständig auf deutschem Gebiete verläuft
und daher die Voraussetzungen für eine internationale Ordnung nicht
vorliegen.
III. Die Entwicklung des Schiffahrtsrechts seit dem Versailler
Vertrag
I.
Eine Unterkommission der Pariser Friedenskonferenz der alliierten und
assoziierten Mächte war mit der Aufstellung eines Entwurfs allgemeiner
Grundsätze über die Schiffahrt auf den internationalen Flüssen
beauftragt, brachte aber die Arbeit nicht zu Ende, sondern hat nur die besonderen,
in dem Friedensvertrag aufgenommenen Bestimmungen über die Schiffahrt
auf dem Rhein, der Elbe, Oder, Memel und Donau ausgearbeitet. Auf Anregung
Frankreichs wurde daher vom Völkerbund gemäß Art. 23 der
Völkerbundsakte ein "Comité provisoire
des Communications et du Transit"
eingesetzt, das u. a. den Entwurf eines Abkommens über die
Schiffahrt auf den internationalen Flüssen fertigstellte. Auf einer im
Frühjahr 1921 nach Barcelona einberufenen internationalen
Verkehrskonferenz kam der Entwurf zur Beratung und wurde mit einigen
Änderungen am 20. 4. 1921 angenommen und fand alsdann auch die
Zustimmung des Völkerbundes. Dieses Barcelonaer "Abkommen
über die Ordnung der schiffbaren Wasserwege von internationaler
Bedeutung", das aus einer Übereinkunft, einem Statut und einem
Schlußprotokoll besteht, entspricht dem in Art.
338 des Versailler Vertrags
vorgesehenen allgemeinen Übereinkommen und ersetzt daher die
Bestimmungen der Art.
332-337 daselbst, soweit es [260] von den Signatarstaaten des Versailler Vertrags
ratifiziert und damit für sie verbindlich geworden ist. Da Deutschland das
Abkommen, das die zu seiner Inkrafttretung erforderliche Zahl von Ratifikationen
erhalten hat, ebenso wie eine Anzahl weiterer Vertragsstaaten bisher nicht
ratifiziert hat, gilt es für Deutschland noch nicht, vielmehr sind die
Bestimmungen des Versailler Vertrags noch unverändert in Geltung. Es hat
aber trotzdem auch für Deutschland erhebliche Bedeutung, weil Deutschland
zu seiner Annahme gemäß Art.
338 Abs. 2 des Versailler Vertrags
verpflichtet ist, so daß immerhin mit seiner Ratifikation gerechnet werden
muß, sodann weil schon jetzt das Abkommen die Grundlage für die
bereits vereinbarten und noch zu vereinbarenden Schiffahrtsakte abgibt. Es
erscheint daher zweckmäßig, das Abkommen in seinen
Grundzügen zur Darstellung zu bringen.
Besondere Schwierigkeiten bereitete die Frage, wie der Begriff der internationalen
Wasserstraßen zu bestimmen sei. Man behalf sich schließlich mit dem
Kompromiß, daß man eine neue Kategorie von "Wasserstraßen
von internationaler Bedeutung" (voies navigables
d'intérêt international) schuf.
Darunter fallen mit gewissen Einschränkungen nicht nur diejenigen
schiffbaren Flüsse, die man bisher gemäß den Bestimmungen
der Wiener Kongreßakte in der Völkerrechtswissenschaft als
international bezeichnete, sondern alle - auch vollständig
nationale - Schiffahrtswege, die durch Staatsvertrag oder einseitigen
Staatsakt ausdrücklich den Vorschriften des Barcelonaer
Übereinkommens unterstellt werden, endlich alle Wasserstraßen,
für welche internationale Kommissionen, in denen auch Nichtuferstaaten
vertreten sind, bestehen. Hiernach gehören alle im Versailler Vertrag
für international erklärten oder als solche behandelten
Schiffahrtswege zu den Wasserstraßen von internationaler Bedeutung im
Sinne des genannten Abkommens.
Auf diesen Wasserstraßen ist die Schiffahrt für alle
Vertragsstaaten - nicht aber für alle
Staaten - frei; ihre Angehörigen, Güter und Flaggen sind gleich
zu behandeln. Doch kann jeder Staat die sogenannte kleine Kabotage, d. h.
den Transport von Reisenden und Gütern zwischen zwei Häfen
desselben Staates, seiner eigenen Flagge vorbehalten. Die Erhebung von
Schiffahrtsabgaben zur Bestreitung der Kosten für die Unterhaltung und
Verbesserung der Wasserstraßen sowie zur Deckung von Ausgaben im
Interesse der Schiffahrt ist zulässig. Nicht notwendig ist die Verwaltung
durch eine internationale Kommission.
Hervorzuheben wegen ihrer besonderen Bedeutung für Deutschland ist die
Bestimmung in Art. 2 der Konvention, wonach Rechte und Pflichten aus den
Bestimmungen des Versailler
Vertrags durch das Barcelonaer Abkommen nicht
berührt werden. Die besonderen und weitergehenden
Beschränkungen, welche der Friedensvertrag den [261] Uferstaaten auferlegt, bleiben somit
aufrechterhalten. Sodann gelten die allgemeinen Regeln des Abkommens nur mit
Einschränkung für die einer internationalen Kommission
unterstehenden Wasserwege, auf die eine Reihe von Sonderbestimmungen
Anwendung findet. So wird der Vorbehalt zugunsten der Kabotage
eingeschränkt, Art. 5 des Statuts. Nach Art. 10 des Statuts gelten die
Bestimmungen über die Unterhaltung und Verbesserung der Schiffahrtswege
und über die Kostentragung nur insoweit, als die Sonderabkommen
über diese Wasserstraßen nichts Abweichendes enthalten. Bei
Streitigkeiten über diese Arbeiten entscheiden die Kommissionen. Gegen
ihre Entscheidungen kann der Ständige Internationale Gerichtshof im Haag
angerufen werden. Klagberechtigt ist aber von Sonderfällen abgesehen
regelmäßig nur ein territorial beteiligter Staat. Endlich wird in Art. 14
des Statuts festgestellt, daß die Kommissionen sich nur mit
Schiffahrtsangelegenheiten zu befassen haben und unter die in Art. 24 der
Völkerbundsakte genannten Kommissionen fallen, somit dem
Völkerbund untergeordnet sind. Ferner wird als Mindestprogramm ihrer
Aufgaben und Befugnisse bezeichnet
1. Ausarbeitung einer Schiffahrtsordnung für die ihrer Verwaltung
unterstehenden Wasserstraßen,
2. Bezeichnung der zur Aufrechterhaltung der Schiffahrt notwendigen Arbeiten,
3. Anspruch auf Mitteilung aller Projekte über die Verbesserung des
Schiffahrtsweges,
4. Nachprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Erhebung von
Schiffahrtsabgaben.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, hat die Barcelonaer Konferenz das Ziel
einer wenigstens in den Hauptgrundlinien einheitlichen Regelung für alle
internationalen Wasserstraßen nicht erreicht. Vor allem hat sie keinen
Ausgleich zwischen dem Recht der Wasserstraßen, für die
internationale Kommissionen
bestehen - und das sind nur die im Versailler Vertrag genannten deutschen
Ströme - und den übrigen internationalen Wasserstraßen
herbeigeführt. Sie war vielmehr ängstlich bemüht, die in den
Friedensverträgen von 1919/1920 für erstere geschaffene
Sonderstellung aufrechtzuerhalten, und hat damit den Gegensatz zwischen den
beiden Gruppen eher verstärkt als gemildert. Vor allem fehlt es an einer den
sachlichen Bedürfnissen und der Billigkeit Rechnung tragenden Abgrenzung
der Befugnisse der internationalen Kommissionen gegenüber den
Souveränitätsrechten der Uferstaaten. Man kann sich daher des
Eindrucks nicht verschließen, daß die Konferenz noch zu sehr unter
der Kriegspsychose der Entente stand, als daß von ihr eine wirklich
freiheitliche und großzügige Neuregelung hätte erwartet werden
[262] können. Eine Ratifizierung des
Abkommens würde sonach für Deutschland keine Verbesserung
seiner Lage bedeuten; im Gegenteil läge, da eine grundlegende
Änderung des auf Kompromissen aufgebauten Barcelonaer
Abkommens bei der großen Zahl von Vertragsstaaten in absehbarer Zeit
nicht erreichbar erscheint, die Gefahr einer dauernden Bindung und einer
Erschwerung der Revision des Versailler Vertrags auf diesem Gebiete nahe.
II.
Die in dem Versailler
Vertrag vorgesehene alsbaldige Neuordnung des
Schiffahrtsrechts der für international erklärten Ströme ist
bisher nur für die Donau und Elbe verwirklicht worden.
Am 23. 7. 1921 wurde von einer gemäß Art.
349 des Versailler
Vertrages einberufenen Konferenz der Regierungen von Belgien, Frankreich,
Großbritannien, Griechenland, Italien, Rumänien, Jugoslawien und der
Tschechoslowakei "in Gegenwart und unter Mitwirkung" von
Bevollmächtigten Deutschlands, Österreichs, Ungarns und Bulgariens
die "endgültige Donauakte" abgeschlossen. Sie teilt die schiffbare
Donau in zwei Verwaltungsgebiete, in die Seedonau von Braila bis zur
Mündung und in die Binnendonau von Ulm bis Braila mit den zum
internationalen Flußgebiet gehörigen Nebenflüssen.
Die erstere bleibt der Europäischen Donaukommission unterstellt,
in der, wie oben erwähnt, Deutschland zur Zeit nicht mehr vertreten ist.
Zwar kann jeder europäische Staat, der ausreichende Seehandelsinteressen
an der Donaumündung nachweist, auf seinen Antrag zur Vertretung in der
Kommission zugelassen werden; da aber hierzu einstimmiger Beschluß der
in ihr vertretenen Regierungen erforderlich ist, so hängt die Aufnahme von
dem Belieben und dem guten Willen dieser Staaten ab.
Die Verwaltung der Binnendonau untersteht einer internationalen
Kommission, deren Zusammensetzung der Bestimmung in Art.
347 des Versailler
Vertrags entspricht. Die Regelung ihrer Befugnisse beruht auf einem
Kompromiß zwischen dem namentlich von den Nichtuferstaaten verfolgten
Streben, ein streng zentralisiertes Verwaltungsorgan zu schaffen und daher die
Rechte der Donaukommission gegenüber den Uferstaaten möglichst
umfassend zu gestalten, und dem Verlangen der Uferstaaten, ihre Hoheitsrechte
tunlichst zu wahren und die Befugnisse der Kommission auf die
Überwachung der Durchführung der allgemeinen Grundsätze
zu beschränken. Trotzdem kann die Neuordnung des Donaurechts als eine
im allgemeinen befriedigende Lösung, die eine gesunde Weiterentwicklung
der Donauschiffahrt erhoffen läßt, angesehen werden; wertvoll ist
jedenfalls die [263] Vereinheitlichung des Rechts und der
Verwaltungsorganisation, deren bisherige Zersplitterung der Entfaltung der
Schiffahrt hemmend entgegenwirkte. Zu bedauern ist, daß der Grundsatz der
Freiheit und Gleichheit nicht in allen Stücken folgerichtig
durchgeführt wurde; in Betracht kommen namentlich
Ausnahmebestimmungen hinsichtlich der Zulassung zu den Häfen, der
Kabotage und der Zollbehandlung.
Die internationale Elbschiffahrtsakte wurde am 22. 2. 1922 in Dresden
abgeschlossen und wird durch ein Zusatzübereinkommen vom 27. 1. 1923
ergänzt. Sie stellt wie die Donauakte einen Kompromiß zwischen den
verschiedenen entgegengesetzten Auffassungen dar. In den Grundlinien folgt sie
den Bestimmungen des Versailler Vertrags und des Barcelonaer Abkommens, geht
aber teilweise über diese in der Beschränkung der deutschen
Hoheitsrechte hinaus. So sind z. B. gegen den deutschen Widerspruch die
besonderen Elbschiffahrtsgerichte aufrechterhalten worden, gegen deren
Entscheidungen abweichend vom bisherigen Recht die Berufung an die
internationale Kommission zugelassen ist. Ferner hat die Kommission die
Befugnis, zur Deckung ihrer Unkosten neben den Beiträgen der beteiligten
Staaten sich eigene Einnahmequellen zu erschließen, ein Recht, das leicht zu
Kollisionen mit der Finanzhoheit der Uferstaaten führen kann. Die
Beschränkungen der Souveränitätsrechte erscheinen um so
drückender und unbilliger, als an der Elbschiffahrt nur zwei Uferstaaten
beteiligt sind, ein Bedürfnis nach einer internationalen Verwaltung daher
nicht vorliegt. Die Aufrechterhaltung und Sicherung der Schiffahrts- und
Verkehrsfreiheit hätte tunlichst den beiden Uferstaaten, Deutschland und der
Tschechoslowakei, überlassen werden können und die einmal durch
den Versailler Vertrag aufgezwungene Kontrolle durch eine internationale
Kommission auf das Notwendigste beschränkt werden sollen.
Für die Oder ist die Neuordnung des Schiffahrtsrechts noch nicht
erfolgt. Der vorgelegte Entwurf einer Oderschiffahrtsakte ist noch nicht
angenommen, da selbst über grundlegende Vorfragen bisher keine Einigung
zu erzielen war. So besteht insbesondere Streit zwischen Polen und den
übrigen in der Oderkommission vertretenen Regierungen über die
Grenzen der örtlichen Zuständigkeit der Kommission. Polen will die
auf seinem Gebiet gelegenen Abschnitte der schiffbaren Nebenflüsse der
Oder, der Warthe und Netze, entgegen den Grundsätzen des Versailler
Vertrags und des Barcelonaer Abkommens der Verwaltung der Oderkommission
entziehen. Auf Grund eines Schiedsvertrags zwischen den genannten Regierungen
vom 30. 10. 1928 ist die Entscheidung des Ständigen Internationalen
Gerichtshofs im Haag angerufen worden.
Die Bestimmungen des Versailler Vertrags über die
Internationali- [264] sierung der Memel haben bisher
gleichfalls keine Ausführung gefunden.
III.
Der Rheinzentralkommission liegen schon seit längerer Zeit verschiedene
Entwürfe einer neuen Rheinschiffahrtsakte vor. Die Beratungen
und Verhandlungen darüber sind jedoch noch nicht zu Ende geführt.
Im Vordergrund des politischen und wirtschaftlichen Interesses steht hier nicht die
Revision der Rheinschiffahrtsakte, die nicht allzu dringlich ist. Zwei Teilprobleme
ziehen vielmehr die allgemeine Aufmerksamkeit der beteiligten Kreise auf
sich.
Das eine Problem, der belgisch-niederländische Streit um die
Scheldemündung, berührt zwar nicht unmittelbar den Rhein.
Da es sich hierbei für Belgien aber darum handelt, einen Teil des
Rheinhandels von den niederländischen Häfen, insbesondere von
Rotterdam nach Antwerpen abzulenken, so gewinnt jedoch die Regelung dieser
Frage auch für den Rhein und für Deutschland eine nicht geringe
Bedeutung. Die Bestrebungen Belgiens gehen dahin, die Hoheitsrechte der
Niederlande auf der Scheldemündung, die vollständig auf
holländischem Gebiet liegt, im Interesse eines freien, ungehinderten
Zugangs nach Antwerpen zu beschränken, insbesondere die Schelde in
Kriegs- und Friedenszeiten den belgischen Kriegsschiffen zu öffnen; ferner
verlangt Belgien den Bau eines Kanals von Antwerpen zum Waal, um damit
unmittelbaren Anschluß an die Rheinschiffahrt zu gewinnen, ein
Unternehmen, das wirtschaftlicher als der Bau eines Großschiffahrtswegs
Rhein - Maas erscheint und daher dieses Projekt in den Hintergrund gerückt
hat. Deutschland hat, ebenso wie an dem
Rhein - Maaskanal, auch an dieser Wasserstraße kein erhebliches Interesse;
sie würde lediglich die Konkurrenz der belgischen Schiffahrt auf dem
Rheine steigern. Noch gefährlicher wäre die Öffnung der
Schelde für Kriegsschiffe in Kriegszeiten, da hierdurch die Neutralität
der Rheinmündung und damit die unbehinderte Rheinschiffahrt in Frage
gestellt wäre. Die niederländische Regierung war bereit, diesen
belgischen Wünschen weitgehend entgegenzukommen. Der von ihr im Jahre
1925 in diesem Sinne abgeschlossene Staatsvertrag wurde jedoch von der
niederländischen ersten Kammer am 24. 3. 1927 abgelehnt, so daß
seine Ratifikation unterbleiben mußte. Das Scheldeproblem harrt daher noch
heute seiner Lösung.
Das zweite Problem betrifft den Oberrhein. Auf Grund des oben
behandelten Art.
358 des Versailler Vertrags beabsichtigt Frankreich einen
linksrheinischen Kanal von der
französisch-schweizerischen Grenze unterhalb Basels bis nach
Straßburg zu bauen, den "Grand canal d'Alsace", durch den die
Wasserkräfte des Rheins ausgenützt werden sollen und der
gleichzeitig als Schiffahrtsweg dienen soll. [265] Diesem Plane steht ein anderes Projekt
gegenüber, das durch Regulierung des Stromes entsprechend den Arbeiten
auf der Strecke Mannheim - Straßburg den Rhein bis Basel zu einer
Großschiffahrtsstraße ausbauen will und bei dem eine etwaige
Ausnutzung der Wasserkräfte durch unmittelbar im Strom errichtete
Kraftwerke zu erfolgen hätte, wie es z. B. bei den Kraftwerken auf
der badisch-schweizerischen Rheinstrecke oberhalb Basels der Fall ist. Das letztere
Projekt wird allein den deutschen Interessen gerecht und hat auch in der Schweiz
die meisten Befürworter. Zu seinen Gunsten wird geltend gemacht,
daß die Freiheit der Schiffahrt nur auf dem natürlichen Strome
gesichert sei und daß ein Kanal niemals einen vollwertigen Ersatz des freien
Rheines darstellen werde, zumal er dessen Leistungsfähigkeit nicht erreichen
könne, abgesehen davon daß die
Kanal- und Schleusengebühren, die zur Deckung der
Bau- und Unterhaltungskosten nicht zu umgehen seien, die Schiffahrt erheblich
verteuern würden. Von deutscher Seite ist ferner darauf hingewiesen
worden, daß infolge der Ableitung großer Wassermengen zur Speisung
des Kanals bei Niederwasser der Rhein selbst nahezu trocken gelegt werden
würde, was zweifellos eine erhebliche Senkung des Grundwasserstandes auf
dem rechten Rheinufer herbeiführen werde, während andererseits
für das von dem Kanal durchzogene linksrheinische Gebiet die Gefahr der
Versumpfung bestände; die Ausführung dieses Projektes sei also von
den nachteiligsten Folgen für die Bodenkultur der angrenzenden Gebiete.
Dazu kommen sehr erhebliche allgemein politische und wirtschaftliche Bedenken.
Denn nach dem französischen Projekte würde der Rhein
tatsächlich vollständig auf französisches Hoheitsgebiet verlegt
werden und der heutige die Grenze bildende Strom wäre nur noch ein
unbedeutendes Rinnsal. Damit wäre Frankreich völlig Herr des
Rheins zwischen Basel und Straßburg. Gegenüber diesen
schwerwiegenden Bedenken können die französischerseits zugunsten
des Projekts geltend gemachten Gründe nicht als durchschlagend angesehen
werden; sie gehen vor allem dahin, eine Regulierung des Rheins auf der Strecke
Straßburg - Basel sei technisch nicht durchführbar, mindestens sei ein
dauernder Erfolg dieser Arbeiten nicht gewährleistet, dagegen genüge
der geplante Kanal allen Anforderungen eines Großschiffahrtsweges.
Bereits im Jahre 1921 legte Frankreich der Rheinzentralkommission einen Entwurf
für ein Kraftwerk bei Kembs zur Genehmigung vor. Die Anlage, die der
Ausnützung der Gefällstufe des Rheins beim Isteiner Klotz unterhalb
Basel dienen soll, sieht einen etwa 6 km langen Seitenkanal vor, der zugleich die
erste Teilstrecke des "Grand canal d'Alsace" bilden soll. Nach Genehmigung des
Projektes durch die Rheinzentralkommission kam im Jahre 1922 eine
Vereinbarung zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz über die
Ausfüh- [266] rung desselben
zustande, in welchem sich aber die Vertragsparteien ausdrücklich freie Hand
bezüglich der weiteren Projekte vorbehielten.
In der Tat greift der inzwischen begonnene Bau dieses Kraftwerks der
endgültigen Entscheidung über die Art und Weise der
Schiffbarmachung des Oberrheins nicht vor, da es sich nur um ein kleines
Kanalstück handelt, das die der Schiffahrt besondere Hindernisse bereitende
Felsbarre des Isteiner Klotzes umgeht und daher den Interessen der Schiffahrt nicht
zuwiderläuft. Da alle Entwürfe gemäß Art.
358 Abs. 2 des Versailler Vertrags der Zentralkommission zur Prüfung
vorzulegen sind, so hatte sie zunächst zu der Frage: Regulierung oder Seitenkanal,
Stellung zu nehmen. Auf ihrer Frühjahrstagung 1925 lagen ihr ein schweizerisches
Projekt über die Regulierung des Stromes und ein französischer
Gegenentwurf eines Seitenkanals zur Entscheidung vor. In einem viel
erörterten Beschluß vom 29. 4. 1925 genehmigte sie das
schweizerische Projekt und stellte zugleich fest, daß das französische
Kanalprojekt unter gewissen Auflagen die in Art. 358 des
Versailler Vertrags
angegebenen Bedingungen erfülle. Die Zentralkommission ist damit einer
Entscheidung der Streitfrage ausgewichen und hat einen Mittelweg gewählt,
der beide Parteien befriedigen sollte. Die Frage ist aber dadurch ihrer
Lösung nicht näher gebracht; denn die gleichzeitige
Ausführung beider Projekte ist technisch und wirtschaftlich nicht
möglich, so daß die Zukunft der Frage davon abhängen wird,
welches Projekt zuerst verwirklicht werden wird, sofern nicht doch noch eine
Einigung zwischen den beteiligten Staaten zustande kommt. Einen weiteren Schritt
in der Angelegenheit bedeutet der Ende März 1929 zwischen Deutschland
und der Schweiz abgeschlossene Staatsvertrag, durch den in Ausführung des
Beschlusses der Rheinzentralkommission vom 29. 4. 1925 die Kostenverteilung
und die technische und administrative Durchführung der Rheinregulierung
Basel - Straßburg festgesetzt werden.
IV.
Die deutsche Binnenschiffahrt ist, wie sich aus den vorstehenden
Ausführungen ergibt, in ihrer Entwicklung durch das Diktat von Versailles
schwer getroffen worden. In dem Augenblicke, in welchem alle Kräfte
angespannt werden mußten, um die durch den Krieg erlittenen
Schäden auszugleichen, wurden ihr neue schwere Fesseln angelegt und ihr
ungeheuere Opfer zugemutet. Die letzten zehn Jahre konnten nur einen langsamen
Aufbau bringen. Bestehen blieb vor allem die Kontrolle der gesamten deutschen
Binnenschiffahrt durch die Siegerstaaten, die in allen internationalen
Flußkommissionen Sitz und Stimme haben. Eine der wichtigsten
Zukunftsaufgaben der deutschen Politik ist es daher, die deutschen Ströme
von diesem fremden Joch zu befreien und die Beschränkungen, die der
Versailler Vertrag [267] und die unter seinem Einfluß stehenden
weiteren Abkommen der deutschen Schiffahrt auferlegt haben, zu beseitigen. Die
völkerrechtliche Sonderstellung der deutschen Ströme, die durch die
Bedürfnisse des internationalen Verkehrs keineswegs gefordert wird, darf
nicht auf die Dauer bestehen bleiben. Dieses Ziel ist jedoch nicht mit einem Schlag
zu erreichen. Es wird einer langen, zähen Arbeit bedürfen, um hier
Schritt für Schritt die frühere Bewegungsfreiheit auf politischem und
wirtschaftlichem Gebiete wieder zu gewinnen. Zunächst wird es sich darum
handeln, für die internationalen Wasserstraßen des Ostens den
Grundsatz der Schiffahrtsfreiheit vollkommen zu verwirklichen. Im Westen gilt es,
das Streben Frankreichs nach der Vorherrschaft über den Rhein
zurückzuweisen und dafür zu kämpfen, daß nicht die
neue Rheinschiffahrtsakte ein Instrument französischer Machtpolitik wird.
Vor allem sind die Rechte Deutschlands am Oberrhein zu wahren, damit der Rhein
hier nicht zu einem französischen Strome wird.
Die deutschen Ströme sollen nicht der internationalen Schiffahrt
verschlossen sein, sie sollen vielmehr das große zentrale
Wasserstraßennetz in der Mitte Europas bilden, von dem aus nach allen
Seiten die Fäden des Weltverkehrs laufen können. Diese Rolle
können sie nicht übernehmen, solange fremde Staaten
maßgebenden Einfluß auf ihre Verwaltung besitzen und sie die
Plattform abgeben müssen, auf der die wirtschaftlichen Kämpfe der
rivalisierenden europäischen Länder ausgefochten werden. Das Ziel
muß daher sein: Freie Ströme in einem freien
Deutschland.
Literatur
Die Hand- und Lehrbücher des
Völkerrechts. - Strupp,
Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie,
1922/1929. - Zahlreiche Aufsätze in den verschiedenen
Zeitschriften über Völkerrecht und Schiffahrtsfragen.
Monographien: Baumgartner,
Die Freiheit der Rheinschiffahrt,
1926. - Corthésy, Etude de la Convention de Barcelone sur le
régime des voies navigables d'intérêt international,
1927. - van Eysinga, Les fleuves et canaux internationaux, Bibl.
Visseriana, t. I,
1923. - Hajnal, The Danube,
1920. - Hennig, Freie Ströme!
1926. - Lederle, Das Recht der internationalen
Gewässer unter besonderer
Berücksichtigung Europas, 1920. - Lederle, Die Donau und das
internationale Schiffahrtsrecht, 1928. - Norden, Die
Rechts- und Verkehrsverhältnisse der Rheinbrücken
zwischen Baden und Elsaß-Lothringen nach dem Versailler Vertrag,
1921. - Ogilvie, International Waterways,
1920. - Radovanovitch, Le
Danube et l'application du principe de la liberté de la navigation fluviale,
1925. - de Thierry, "Der Friedensvertrag und die Binnenschiffahrt", in dem
Sammelwerk Der Friedensvertrag und Deutschlands Stellung in der Weltwirtschaft,
1921. - de Visscher, Le droit international des communications,
1921/1923. - Vomhoff, Die Revision der Mannheimer
Rheinschiffahrtsakte, 1925.
|