[12=leer] [13] Die britische Hungerblockade Einleitung Das im folgenden teils in wörtlicher Übersetzung teils in sinngemäßer Zusammenfassung wiedergegebene englische Werk über die Hungerblockade behandelt nicht nur die in ihm aufgeworfenen zahlreichen völkerrechtlichen Fragen vom englischen Standpunkt aus, sondern stellt auch die Tatsachen in einseitiger englischer Beleuchtung dar. Der Leser wird es deshalb begrüßen, wenn ihm durch einen Überblick über die seekriegsrechtliche Lage zu Beginn des Weltkrieges ein objektiver Maßstab für die rechtliche Beurteilung des englischen Vorgehens gegeben wird und wenn eine kritische Sichtung des in dem Werk enthaltenen Tatsachenmaterials seine Aufmerksamkeit auf die für die historische und politische Würdigung der Ereignisse entscheidenden Punkte lenkt. Zum Verständnis der folgenden Ausführungen ist es für den nicht völkerrechtlich geschulten Leser von Wichtigkeit, sich den Unterschied zwischen der Blockade im wirtschaftlichen Sinne und der Blockade im Rechtssinn zu vergegenwärtigen. Unter der ersteren versteht der Sprachgebrauch seit dem Weltkriege: die Gesamtheit der von einem Kriegführenden gegen den Außenhandel seines Gegners, insbesondere gegen die Nahrungsmittelzufuhr der feindlichen Zivilbevölkerung, gerichteten Kriegsmaßnahmen ohne Rücksicht auf deren rechtliche Qualifikation. Eine Blockade im letzteren Sinn ist nur das im ersten Abschnitt dieser Einleitung kurz definierte Recht des Kriegführenden zur See. Die englische Hungerblockade des Weltkrieges war keine rechtliche, sondern nur eine wirtschaftliche Blockade. Sie wurde bis zum März 1915 englischerseits ausschließlich auf das Seebeuterecht und das Banngutrecht gestützt. Ihre im März 1915 vorgenommene Erweiterung wurde als Repressalie gerechtfertigt, d. h. als eine Antwort auf einen angeblich vorausgegangenen deutschen Völkerrechtsbruch, der England von der Einhaltung der seekriegsrechtlichen Regeln gegenüber Deutschland entbinde.
Das zu Beginn des Weltkrieges in Kraft stehende Prisenrecht gab dem Kriegführenden drei Rechte, mittels deren er die seewärtige Nahrungsmittelzufuhr seines Gegners beschränken konnte: das Seebeuterecht, das Blockaderecht und das Banngutrecht. Der wesentliche Inhalt dieser Rechte besteht in folgendem: [14] 1. Das Seebeuterecht ermächtigt den Kriegführenden, feindliche Handelsschiffe sowie deren im Feindeigentum stehende Ladung aufzubringen bzw. zu beschlagnahmen1 und sie sich entschädigungslos anzueignen. 2. Das Blockaderecht ermächtigt den Kriegführenden, den Neutralen den Seeverkehr mit feindlichen Häfen unter bestimmten im Prisenrecht genau festgesetzten Voraussetzungen zu verbieten und alle verbotswidrig nach den blockierten Häfen fahrenden oder aus diesen auslaufenden neutralen Handelsschiffe samt ihrer Ladung durch seine vor den blockierten Häfen kreuzenden Seestreitkräfte aufzubringen und sich entschädigungslos anzueignen. 3. Das Banngutrecht ermächtigt den Kriegführenden, bestimmte kriegswichtige auf dem Seewege dem Feinde zugeführte Güter als Banngut zu bezeichnen, sie ohne Rücksicht auf ihren neutralen Charakter zu beschlagnahmen und sie sich entschädigungslos anzueignen. Dabei wird zwischen unbedingtem und bedingtem Banngut unterschieden. Zu unbedingtem Banngut dürfen nur solche Gegenstände erklärt werden, die ausschließlich für kriegerische und nicht für friedliche Zwecke bestimmt sind. Gegenstände, die sowohl kriegerischen als friedlichen Zwecken dienen, wie z. B. Nahrungsmittel, können nur auf die Liste des bedingten Bannguts gesetzt werden. Die Bedeutung dieser Unterscheidung liegt darin, daß bei Gegenständen des unbedingten Banngutes der Beweis ihrer Bestimmung nach dem feindlichen Gebiet zur Aneignung ausreicht, während bei Gegenständen des bedingten Bannguts die Aneignung erst dann gerechtfertigt ist, wenn außer dem Nachweis ihrer Bestimmung nach dem feindlichen Gebiet auch noch der Nachweis ihrer Bestimmung für den Gebrauch der feindlichen Streitmacht oder der Verwaltungsstellen des feindlichen Staates von dem Kriegführenden erbracht wird. Nahrungsmittel, die für die Zivilbevölkerung bestimmt sind, waren also nicht als Banngut einziehbar. Die Aneignung der oben genannten feindlichen und neutralen Schiffe sowie ihrer Ladungen erfolgt im Wege des Prisenverfahrens, das im Regelfall zwei Abschnitte kennt: 1. die Beschlagnahme des Schiffes und der Ladung als Prise durch die Seestreitkräfte des Kriegführenden auf hoher See, 2. die Nachprüfung der Rechtsmäßigkeit der Beschlagnahme durch die Prisengerichte des Kriegführenden, welche die Prise entweder für dem Staat verfallen erklären (Einziehungs- oder Kondemnationsurteil) oder die Beschlagnahme aufheben (Freigabeurteil). Die überseeische Nahrungsmittelzufuhr für die deutsche Zivilbevölkerung konnte hiernach von England nur in den beiden folgenden Fällen unterbunden werden: 1. wenn die Nahrungsmittel im deutschen Eigentum standen und auf deutschen Handelsschiffen befördert wurden, und 2. wenn die Nahrungsmittel sich an Bord nach deutschen Häfen bestimmter neutraler Handelsschiffe befanden, und England über diese Häfen, nach Entsendung einer Blockadestreitmacht in die Ostsee und die deutsche [15] Bucht, eine den völkerrechtlichen Voraussetzungen entsprechende Blockade verhängt hatte. Da England bei Kriegsbeginn eine förmliche Blockade über die deutschen Küsten nicht erklärte und nach seinem Entschluß, seine Seestreitkräfte bis zu den äußersten Enden der Nordsee zurückzuziehen, auch rechtmäßigerweise nicht erklären konnte, mußte es, wenn es nicht das Völkerrecht verletzen wollte, die Verproviantierung der deutschen Zivilbevölkerung durch neutrale Schiffe über deutsche oder Deutschland benachbarte neutrale Häfen dulden. Das Londoner Prisengericht war zur Freigabe aller von britischen Seestreitkräften aufgebrachten neutralen Schiffe mit einer für die deutsche Zivilbevölkerung bestimmten Nahrungsmittelladung verpflichtet. An diese Verpflichtungen hat sich England aber nicht gehalten. Wenn es sich bei Kriegsbeginn nicht mit einem Schlage, sondern nur schrittweise von ihnen lossagte, so sind dafür keine moralischen oder rechtlichen Skrupel, sondern nur taktische politische Erwägungen maßgebend gewesen, insbesondere die Notwendigkeit, die Widerstandskraft und den Widerstandswillen der Neutralen gegenüber diesen Völkerrechtsbrüchen abzutasten. Hierüber läßt das englische Werk keinen Zweifel.
Als der Weltkrieg ausbrach, lag noch kein sorgfältig ausgearbeiteter systematischer Plan einer Aushungerung der deutschen Zivilbevölkerung in den Schubladen der Londoner Ministerien. Dies war darauf zurückzuführen, daß es sich bei der gegen ein ganzes Volk gerichteten Hungerblockade um ein völlig neuartiges und, wie oben dargelegt, unzweifelhaft völkerrechtswidriges Kriegsmittel handelte. Die englischen Beratungen über die Führung des geplanten Wirtschaftskrieges gegen Deutschland zeigen jedoch, daß der Wille, dieses völkerrechtswidrige Ziel zu erreichen, latent vorhanden war und es nur an der klaren Erkenntnis der anzuwendenden Mittel fehlte. In dieser Beziehung wirkten insbesondere die mehr verteidigungsweise Einstellung des Viktorianischen Englands zum Seehandelskriege und die kurz vor Beginn des Weltkrieges stattfindenden seekriegsrechtlichen Konferenzen stark retardierend. Während des ganzen 19. Jahrhunderts hatte England trotz seiner zeitweise sehr freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich gerade in diesem Lande seinen potentiellen Gegner in einem zukünftigen Seekrieg gesehen. Frankreichs Lage am Atlantik gestattete eine Flankierung der englischen Verbindungswege. Die hergebrachte Überlegenheit der englischen Flotte über Frankreich schien bei dem schnellen Veralten der Kriegsschifftypen nicht mehr unbedingt gesichert. Nach der Entwicklung Englands zum Industriestaat ohne eigene landwirtschaftliche Basis konnte deshalb eine französische Bedrohung der überseeischen Zufuhren sich leicht zu einer tödlichen Gefahr für die Insel entwickeln. Hierzu kam, daß England in der Zeit der "splendid isolation" sich überwiegend den europäischen Kriegen ferngehalten und daß die Londoner City unter dem Schutz der Rechte des Neutralen dabei gewaltige Gewinne gemacht hatte. "Aus diesen Gründen standen die britischen Regierungen allen Aus- [16] nahmeansprüchen Kriegführender ständig mit Mißfallen gegenüber und waren während des ganzen Jahrhunderts ziemlich fest in der Unterstützung neutraler Freiheiten. Sie protestierten gegen die französischen Banngutlisten in dem chinesisch-französischen Feldzug und gegen die russischen Banngutlisten im Russisch-Japanischen Krieg, als die russische Regierung Lebensmittel und Treibstoffe zu absolutem Banngut erklärte."2 Die Aufnahme der Einkreisungspolitik schuf für England eine völlig neue seestrategische Lage. Bei den Beratungen des englischen Sachverständigen-Ausschusses zur Vorbereitung der seekriegsrechtlichen Themen der Haager Friedenskonferenz von 1907 gab die britische Admiralität mit größter Bestimmtheit die Zusicherung, daß die deutsche Flotte die britischen Seeverbindungen nicht ernstlich werde stören können und daß der deutsche Handel vom Meere vertrieben werden würde. Sie begründete dies mit der ungünstigen geographischen Lage Deutschlands:
"Die britischen Inseln liegen wie ein Wellenbrecher, 600 Meilen lang, quer vor dem deutschen Handelsstrom und nichts könnte unserer Aufmerksamkeit entgehen, wenn einmal der Krieg gegen Deutschlands Handel eingesetzt hat."3 Der Wechsel des außenpolitischen Kurses hatte eine Abkehr von den den führenden Marine- und Wirtschaftskreisen fast ein Jahrhundert hindurch vertrauten Gedankengängen zur Folge. Dieser Prozeß nahm aber naturgemäß einige Zeit in Anspruch. Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß der Sachverständigenausschuß noch die Meinung vertrat, daß England Waren allgemeinen Bedarfes, die nach den Deutschland benachbarten Häfen bestimmt seien, wegen der Schwierigkeit des Beweises einer etwaigen endgültigen Feindbestimmung in der Regel nicht als Banngut einziehen könnte. Da überdies eine Unterbindung der indirekten Zufuhren Deutschlands über neutrale Häfen die Gefahr eines diplomatischen Konfliktes mit den Vereinigten Staaten, dem größten Lieferanten bedingten Bannguts an Deutschland, in sich barg, schien die Blockade, mittels deren man wenigstens alle direkten Zufuhren über die deutschen Häfen zum Erliegen bringen konnte, das einzige unter modernen Verhältnissen noch brauchbare Recht der Kriegführenden zur See zu sein. England stellte also auf der Haager Friedenskonferenz zur allgemeinen Überraschung den Antrag auf Beseitigung des Banngutbegriffes und trat nach der Ablehnung dieses Antrages für eine möglichst einschränkende vertragliche Definition der Banngutlisten ein. In den Jahren zwischen der Haager Friedenskonferenz und der Londoner Konferenz begann man in England die Möglichkeiten eines Wirtschaftskrieges gegen Deutschland eingehender zu untersuchen. Hatte der Operationsplan von 1905 drei theoretische Kriegsmöglichkeiten: mit Deutschland, mit Frankreich und mit Deutschland und Frankreich ins Auge gefaßt, und hatte man 1906 dem Reichsverteidigungsausschuß nur ganz allgemein mitgeteilt, man beabsichtige die Blockade der deutschen Küsten, so schritt man nach der kurz darauf folgenden Gründung einer Kriegsakademie zur Aufstellung ins Einzelne gehender Pläne. [17] Der im Juli 1908 vollendete erste Plan, der nur noch die Möglichkeit eines Krieges gegen Deutschland vorsah, konzentrierte die Hauptstreitkräfte der Flotte im Kanal und in der Nordsee und wollte zwei Zerstörergruppen ständig vor der deutschen Küste kreuzen lassen, "so daß etwas einer Blockade der deutschen Bucht Ähnliches verhängt worden wäre, wenn man den Plan jemals erfolgreich durchgeführt hätte".4 Aller Feindhandel in der Nordsee sollte unterbunden werden. Ungefähr gleichzeitig, im Mai 1908, verlangte Admiral Slade in einem an die britischen Generalkonsulate in Frankfurt, Amsterdam, Antwerpen und Hamburg gerichteten Fragebogen unter Hinweis auf die "wohlbekannte Verwundbarkeit Deutschlands auf Grund seiner überseeischen Zufuhren" Auskunft darüber, ob die Kapazität der benachbarten neutralen Häfen sowie die Leistungsfähigkeit des deutschen Eisenbahn- und Binnenwasserstraßennetzes im Kriegsfall eine Umlenkung des deutschen Außenhandels in Lebensmitteln und Rohstoffen nach den Randneutralen gestatte. Es tritt hier klar zutage, daß ein wesentlicher Zweck der geplanten Blockade die Aushungerung der deutschen Zivilbevölkerung sein sollte. Noch bevor die Antworten der Generalkonsuln eingegangen waren, mußte die Admiralität ihre Meinung über die wirtschaftlichen Auswirkungen der von ihr geplanten Blockade der deutschen Nordseehäfen äußern. Anlaß hierzu bot die im November 1908 auf Betreiben des Außenamts erfolgte Einberufung eines Ausschusses zur Prüfung der Frage der militärischen Verpflichtungen Englands im Kriegsfall. Vor diesem Ausschuß, der bezeichnenderweise nicht nur die Beistandspflichten gegenüber Belgien prüfte, sondern "fühlte, daß man sich nicht auf eine so enge Untersuchung beschränken könne" und deshalb "in seinem Bericht hauptsächlich die Frankreich im Falle eines deutschen Angriffs zu gewährende Hilfe"5 behandelte, erklärte die Admiralität, die Folgen der Blockade würden für Deutschland sehr ernst sein, da die Möglichkeiten für eine Umleitung des deutschen Handels nicht sehr hoch angeschlagen zu werden brauchten. Die Überzeugung, daß Deutschland zwar versuchen würde, der Blockade auszuweichen, daß seine Versuche aber, aller Wahrscheinlichkeit nach, erfolglos bleiben müßten, macht die zwiespältige Stellung erklärlich, die England auf der am 4. Dezember 1908 beginnenden Londoner Konferenz in der Frage des Banngutrechts einnahm. Auf dieser Konferenz, die im Unterschied zu der Haager Friedenskonferenz nicht neues Seekriegsrecht schaffen, sondern das bestehende kodifizieren sollte, trat England, ebenso wie im Haag, für eine möglichst enge Fassung der Banngutlisten ein und erklärte sich auch damit einverstanden, daß wichtige Rohstoffe, darunter Baumwolle, Wolle, Kautschuk und Erze, auf die Liste der kein Banngut darstellenden Waren (Freiliste), gesetzt wurden. "Wir wünschten als größte Seemacht der Welt" - so sagt das Werk zutreffend -, "das Blockaderecht so umfassend wie möglich und das Banngutrecht so schwach zu gestalten, daß es die neutrale Schiffahrt nicht davon abhielte, uns im Kriegsfall Güter zuzuführen. Kontinentalstaaten dagegen, die nur von der Annahme ausgehen konnten, sie würden [18] sich eine vorübergehende und lokale Seeherrschaft sichern, wünschten naturgemäß das Banngutrecht so zu ordnen, daß es sie instand setzen könne, wenigstens etwas von dem wirtschaftlichen Druck auszuüben, den wir mittels der Blockade geltend zu machen beabsichtigten."6 Dagegen zeigte sich in dem Verhalten Englands in einer anderen wichtigen Frage des Banngutrechts deutlich seine veränderte politische Stellung und sein Bestreben, gegebenenfalls deutsche indirekte Zufuhren über benachbarte neutrale Häfen zu unterbinden. England vertrat sowohl für das unbedingte wie für das bedingte Banngut auf das entschiedenste die im Sezessionskrieg von den amerikanischen Prisengerichten verfolgte Theorie der fortgesetzten Reise, nach welcher nicht die feindliche Bestimmung des Schiffes, sondern diejenige der Ware für den Banngutcharakter der letzteren entscheidend ist. Das läuft darauf hinaus, daß eine Ware, die ihrer Natur nach Banngut ist, auch auf einem nach einem neutralen Hafen bestimmten Schiff beschlagnahmt werden darf, falls nachgewiesen werden kann, daß sie nach dem Feindgebiet weiterbefördert werden soll, und daß sie - im Falle des bedingten Bannguts - für die feindliche Wehrmacht oder Staatsverwaltung bestimmt ist. Damit verließ England den Boden des klassischen englischen Prisenrechts. "Nach der alten orthodoxen britischen Praxis war Banngut nur einziehbar, wenn es direkt an den Feind adressiert war; nach amerikanischer Praxis genügte es, daß eine starke unwiderlegte Vermutung bestand, daß Banngut auf dem Wege zu einem Feind sei. Unsere Rechtskundigen hatten niemals ausdrücklich diese amerikanischen Urteile über die endgültige Bestimmung des Bannguts bekräftigt. Aber der Ausschuß, der den der Konferenz unterbreiteten Bericht über das britische Recht vorbereitete, stellte klar, daß britische Gerichtshöfe nicht länger auf der strikten Regel bestehen würden: Güter nach neutralen Häfen können nicht unter den Begriff des Bannguts fallen, alle dahingehenden Güter gelten als gleich einwandfrei."7 Der Widerspruch Deutschlands, an dem die Londoner Konferenz zu scheitern drohte, erreichte zwar, daß die klassische englische Regel für das bedingte Banngut beibehalten wurde, aber die Annahme der amerikanischen Praxis des Sezessionskrieges für das unbedingte Banngut ließ den Grundsatz der fortgesetzten Reise als Regel erscheinen und nahm dem Deutschland gemachten Zugeständnis viel von seinem Wert. Allerdings wurde die in dem Grundsatz der fortgesetzten Reise liegende Gefährdung des neutralen Handels dadurch in enge Grenzen gebannt, daß die Konferenz die hergebrachte Beweisregel bestätigte, nach welcher die feindliche Bestimmung des Schiffes und damit auch der Ladung nur durch solche Tatsachen bewiesen werden konnte, die von den die Anhaltung und Durchsuchung vornehmenden Seestreitkräften an Bord des Schiffes ermittelt waren. Das Ergebnis der Konferenz, die Londoner Deklaration über das Seekriegsrecht vom 26. Februar 1909, stieß in der englischen Öffentlichkeit auf stärkste Kritik. Den freihändlerischen Anhängern der Politik der "splendid isolation" erschien sie als ein verhängnisvoller Eingriff in die Rechte der Neutralen. Die Jingos sahen in ihr einen beklagens- [19] werten Abfall von den bewährten Grundsätzen des alten englischen Prisenrechtes, der den in der Vergangenheit von der englischen Flotte in kriegsentscheidender Weise geführten Handelskrieg unerträglich erschweren würde. Hinter dem Schleier dieser Kritiken, die das Bild der Debatten des Oberhauses beherrschten, blieben die wahren Gründe, die für eine Ablehnung der "Naval Prize Bill" durch ein zum Krieg gegen Deutschland entschlossenes England sprachen, verborgen. Die verantwortlichen Leiter der Einkreisungspolitik im Außenamt und in der Admiralität wußten sehr wohl, daß die Deklaration "ein Gesetzbuch der Seegewohnheiten" war, "das mit Recht das gemeine Seekriegsrecht genannt werden konnte",8 daß sie im wesentlichen auf den englischen Präzedenzfällen beruhte und daß die Abweichungen von diesen den Kriegführenden mehr als den Neutralen begünstigten. Sie wußten auch, daß durch die Handelskriegsführung der englischen Flotte in der Vergangenheit noch niemals ein Gegner zu Boden gezwungen worden war, weil vor der Entwicklung des einfuhrabhängigen modernen Industriestaats die Seemacht einen solchen kriegsentscheidenden Einfluß gar nicht ausüben konnte.9 Aber sie erkannten, daß der von ihnen gegen die deutsche Wirtschaft und Zivilbevölkerung geplante Angriff ein so neuartiges Unternehmen sei, daß er mit den Mitteln des alten Seegewohnheitsrechts nicht durchgeführt werden könne. Ihnen, die die Londoner Deklaration lediglich unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkungen auf den in Aussicht genommenen Krieg gegen Deutschland betrachteten, mußte es daher als ein glücklicher Zufall erscheinen, daß der Widerspruch des Oberhauses die von der Regierung eingebrachte "Naval Prize Bill" zum Scheitern brachte. In sehr charakteristischer Weise kommen ihre Bedenken gegen die Deklaration in einem Memorandum des Marinesachverständigen des Reichsverteidigungsausschusses, Kapitän Hankey, zum Ausdruck. Hankey geht davon aus, daß England eine nahe Blockade im bisherigen völkerrechtlichen Sinn nur noch über die deutsche Nordseeküste, aber nicht mehr über die deutsche Ostseeküste verhängen könne. Er empfiehlt deshalb, die für die letztere bestimmte Blockadestreitmacht statt in der Ostsee am Eingang des Skagerrak zu postieren und von ihr jedes nach deutschen Häfen fahrende Schiff anhalten zu lassen. Die Blockade soll durch Erlaß einer Banngutliste ergänzt werden, die alle für die deutsche Industrie lebenswichtigen Rohstoffe sowie auch alle ihre Hauptausfuhrgüter(!) enthält. Die Doktrin der fortgesetzten Reise soll auf das schärfste angewandt und eine Weiterversendung über See in die neutralen Länder eingeführter Waren nach Deutschland soll durch ein Netz von Agenten in den neutralen Häfen verhindert werden. Hier werden bereits die Hauptpfeiler des englischen Aushungerungssystems: die völkerrechtswidrige Ausweitung des Banngutrechts zur totalen Einfuhrsperre und die völkerrechtswidrige Banngutkontrolle innerhalb der neutralen Länder in ihren Umrissen sichtbar. Die Ereignisse zwischen dem Abschluß der Londoner Konferenz und dem Ausbruch des Weltkrieges zeigen, daß die [20] Überzeugung, der Seehandelskrieg gegen Deutschland könne nicht mit den Mitteln des herkömmlichen Seekriegsrechts erfolgreich durchgeführt werden, in London allmählich an Boden gewinnt. Sollten sich doch die beiden Voraussetzungen für die auf der Seekriegsrechtskonferenz von der britischen Admiralität eingenommene Stellung: Möglichkeit einer völkerrechtsmäßigen Blockade der deutschen Küste durch die englische Flotte und Unmöglichkeit einer Umlenkung der deutschen Rohstoff- und Nahrungsmitteleinfuhr nach den benachbarten neutralen Häfen bald als hinfällig erweisen. Die in der Blockadeproklamation der Admiralität vom November 1910 für die deutsche Nordseeküste in Aussicht genommene Blockade konnte zwar ebenso wie die im Jahre 1908 geplante als eine völkerrechtsmäßige Blockade angesehen werden, weil der Operationsplan für die Flotte vom August des gleichen Jahres die Aufklärungsstreitkräfte vor den deutschen Küsten verstärkte und somit eine Blockadestreitmacht im üblichen Sinn aufrechterhielt. Ja, im Sommer 1911 vertrat die Admiralität im Reichsverteidigungsausschuß sogar den Plan, durch Besetzung Helgolands sowie anderer Inseln an der deutschen Nordseeküste die Blockade zu verstärken und hielt daran trotz des Widerspruchs der Heeresleitung fest, welche mit einem Expeditionskorps in Frankreich einen Kontinentalkrieg führen wollte. Nach dem Rücktritt des Ersten Seelords Sir Arthur Wilson drang jedoch die Opposition der jüngeren Flaggoffiziere durch, die eine so enge Beobachtung der deutschen Küsten durch Marinestreitkräfte für zu gefahrvoll hielten. Der im Mai 1912 fertiggestellte und bis zum Kriegsbeginn nicht abgeänderte Entwurf eines Operationsplans sah infolgedessen vor, daß die Flotte und die Kreuzerabteilungen bis zu den äußersten Enden der Nordsee zurückgezogen werden und daß häufige Vorstöße in die deutschen Gewässer an die Stelle der ständigen Überwachung der früheren Pläne treten sollten. "Der damalige Chef des Stabes, Admiral Troubridge, scheint zwar gehofft zu haben, daß die nunmehr am Eingang der Nordsee stationierten Beobachtungsstreitkräfte mit den Rechten einer Blockadestreitmacht versehen werden könnten, falls die Londoner Deklaration nicht ratifiziert werde. Das war jedoch ganz unhaltbar. Nicht die Londoner Deklaration, sondern die Pariser Deklaration machte das unmöglich."10 Die Ende 1909 eingehenden Antworten der Generalkonsuln auf die Anfrage der Admiralität führten aus, daß die Umleitung des deutschen Handels nach neutralen Häfen keine allzu großen Schwierigkeiten machen werde und daß die Kapazität Rotterdams und Antwerpens zur Aufnahme des vergrößerten Handelsvolumens ausreiche. Der Generalkonsul in Frankfurt, Sir Francis Oppenheimer, faßte dieses Ergebnis mit den Worten zusammen, eine Blockade Deutschlands sei wirkungslos, "wenn nicht die Deutschland benachbarten Neutralen in sie eingeschlossen würden".11 Die Admiralität trat dieser Auffassung im allgemeinen bei, meinte aber, daß die Berichte der Generalkonsuln die ungeheuren Schwierigkeiten einer Umlenkung nicht genügend berücksichtigten und deshalb die Lage als etwas [21] zu günstig für Deutschland ansähen. Allgemeine Folgerungen, etwa nach Art der in dem Hankeyschen Memorandum angeregten Schaffung einer Banngutkontrolle in allen Deutschland benachbarten neutralen Häfen, scheint sie jedoch aus ihrer Erkenntnis noch nicht gezogen zu haben. Daß man aber gleichwohl in England in der Einbeziehung der Neutralen in die gegen Deutschland gerichteten Maßnahmen mehr und mehr das wichtigste Problem des geplanten Wirtschaftskrieges erblickte, darüber geben uns die auf Anregung der Admiralität seit 1908 aufgenommenen Vorarbeiten zur Unterbindung des britischen Handels mit dem Feinde interessante Aufschlüsse. Die in dieser Frage federführende Regierungsstelle, das Handelsamt, vertrat in einer Denkschrift die Auffassung, solange die neutralen Häfen offen blieben, seien alle Versuche, die Ausfuhr britischer Waren nach Deutschland und die Einfuhr deutscher Waren nach dem Empire zu beschränken, zum Scheitern verurteilt. Der Handelsstrom werde sich neue, von England nicht kontrollierbare, Wege über die neutralen Häfen suchen. Diese Meinung des Handelsamtes stieß jedoch in dem Regierungsausschuß über die Maßnahmen gegen den Handel mit dem Feind auf Widerspruch. Die Zollverwaltung wies darauf hin, daß eine Kontrolle mittels Ursprungszeugnissen und Verbleibsgarantien möglich sei. Die Marine bestand auf der Ergänzung der von ihr geplanten Blockade durch Maßnahmen gegen den britischen Handel mit dem Feind und deutete an, daß die zur Durchführung der Blockade Deutschlands vorgesehenen Operationen die Schifffahrt von der südlichen Nordsee abschrecken würden. Das Handelsamt beharrte aber auf seiner Meinung, ein allgemeines Verbot des indirekten Feindhandels sei aus verschiedenen Gründen unzweckmäßig. Der Ausschuß konnte sich diesen Bedenken nicht entziehen. Er empfahl zwar, sofort bei Kriegsbeginn die Rechtswidrigkeit des gesamten Handels mit dem Feind zu verkünden und befürwortete die Sperrung aller Ausfuhren an Rohbaumwolle, Gummi, Kohle und Ölfrüchten. Aber er wiederholte doch "das Wesentliche der Warnungen des Handelsamtes bezüglich des indirekten Handels und fügte hinzu, daß dessen Regelung und Kontrolle - wenn beides möglich sein sollte - in enger Beziehung zur hohen Politik stehe".12 Der Bericht des Ausschusses wurde im Dezember 1912 vom Reichsverteidigungsausschuß geprüft, der die empfohlenen Maßnahmen billigte. Brennpunkt der sehr lebhaften Debatte war die Frage des indirekten Handels. "Lloyd George sagte, wenn man den Deutschland benachbarten Neutralen die vollen Rechte der Neutralen gäbe, werde es sich als unmöglich erweisen, überhaupt irgendeinen Wirtschaftsdruck auf Deutschland auszuüben. Wir müßten infolgedessen verhindern, daß sie irgend etwas mehr einführten als sie für ihren eigenen Verbrauch benötigten. Churchill fügte hinzu, daß die Neutralität der low countries außer Frage stehe und daß sie entweder als Freunde oder als Feinde behandelt werden müßten. Obwohl der Premierminister der Versammlung warnend vorhielt, daß es eine ernste Sache sei, Neutrale wie Kriegführende zu behandeln, lautete schließlich die Entscheidung:
[22] Um den größtmöglichen wirtschaftlichen Druck auf Deutschland auszuüben, ist es wesentlich, daß Holland und Belgien entweder unserem Lande völlig befreundet sind, in welchem Fall wir ihren Überseehandel beschränken würden, oder daß sie entschieden feindlich sind, in welchem Fall wir die Blockade auf ihre Häfen ausdehnen würden. Dieser Beschluß war eine politische Erklärung und sogar als solche zweideutig. Der Ausschuß für Reichsverteidigung entschied, es sei wesentlich, daß die low countries Freunde oder Feinde wären und erwog nicht, was geschehen solle, wenn diese wesentliche Bedingung nicht erfüllt würde und diese Länder hartnäckig an einer strengen Neutralität festhielten."13 Die Nichterwähnung der Möglichkeit einer strikten Neutralität seitens der Deutschland benachbarten europäischen Neutralen deutet an, daß man sie in England für wenig wahrscheinlich hielt. Man glaubte auf die "völlige Freundschaft" dieser Staaten - wohlgemerkt einschließlich Belgiens, für dessen Neutralität man später das Schwert gezogen zu haben behauptete, - rechnen zu können. Wie richtig diese Annahme war, stellte sich schon bald nach dem Ausbruch des Weltkrieges heraus. Außer Schweden, das seine Politik der nationalen Unabhängigkeit wenigstens in beschränktem Umfang fortzuführen versuchte, gliederten sich die Randneutralen mehr oder minder bereitwillig in die britische Blockadefront ein.
Da die deutsche Handelsflotte sich nach Kriegsbeginn in heimische und neutrale Häfen zurückzog und Großbritannien keine Blockade über die deutschen Küsten erklärte, so blieb das Banngutrecht die einzige Waffe Englands zur Unterbindung der überseeischen Zufuhren Deutschlands. Die Beseitigung der Schranken, welche die Londoner Deklaration diesem Recht sowohl hinsichtlich der zum Banngut erklärbaren Waren wie auch hinsichtlich der Feststellung der Feindbestimmung derselben setzte, war deshalb Englands erstes Ziel. Die Tatsache, daß die Londoner Deklaration nicht ratifiziert worden war, "gab der britischen Regierung nicht die Freiheit, sie vollständig außer acht zu lassen. Britische Vertreter hatten an dem Dokument mitgewirkt und mit Zustimmung der Regierung, die sie ernannt hatte, seine Bestimmungen gutgeheißen. Die britische Regierung war deshalb an den Satz gebunden, daß die in den folgenden Kapiteln enthaltenen Regeln im wesentlichen mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts übereinstimmten, denn das war in der einleitenden Bestimmung der Deklaration gesagt und war ein wesentlicher Teil von ihr. Die Deklaration war nicht nur eine Gesetzeskodifikation, sondern auch eine Erklärung britischer Seepolitik. Kein Teil der britischen Verwaltung hatte die Deklaration einem anderen aufgezwungen und seine Opposition überwunden. Die militärischen [23] und politischen Mitglieder hatten zeitweise in Fragen technischer Einzelheiten nicht übereingestimmt, aber sie waren sich über das Instrument als Ganzes einig gewesen. In der Tat hatte die Admiralität sie entschiedener und nachdrücklicher als das Außenamt bekräftigt, denn sie hatte die Deklaration so gut wie unverändert in das Naval Prize Manual aufgenommen."14 Hierzu kam, daß die amerikanische und die französische Regierung darauf drängten, die Deklaration für anwendbar zu erklären, und daß zur Klarstellung des von den Prisengerichten anzuwendenden Rechtes eine Entscheidung darüber, welche Teile der Deklaration verbindlich seien und welche nicht, unbedingt erforderlich war. Zur Beratung über diese Frage rief das Außenamt, das ebenso wie die Admiralität gegen eine nachträgliche Ratifikation der Deklaration war, eine Ressortkonferenz zusammen. Da sich die Befürchtungen einer Unterbrechung der britischen Seeverbindungen durch deutsche Handelszerstörer nicht bewahrheitet hatten, so war es "sehr unwahrscheinlich, daß britische Frachter durch neutrale verdrängt werden würden und die Konferenz brauchte deshalb nicht zu erwägen, ob es politisch zweckmäßig sei, die besonderen Vorrechte des neutralen Handels aufrechtzuerhalten".15 Sie beschloß deshalb, die Doktrin der fortgesetzten Reise auch auf Ladungen bedingten Bannguts anzuwenden. Ausschlaggebend hierfür war ein sich kurz darauf als unrichtig erweisendes Gerücht. "Die Admiralität glaubte, daß die deutsche Regierung damals die Lieferung aller Nahrungsmittel im Lande kontrollierte und der Innenminister zeigte, daß dadurch eigentlich jeder deutsche Nahrungsmittelhändler zu einem Staatslieferanten würde. War dem so, so konnten nach den Bestimmungen der Deklaration alle an Deutschland adressierten Nahrungsmittel als absolutes Banngut behandelt werden."16 Die auf Grund der Konferenzberatung erlassene Order in Council vom 20. August 1914, in der England erklärte, die Londoner Deklaration während des Krieges, abgesehen von einzelnen Abänderungen, einzuhalten, hob tatsächlich deren wichtigsten Bestandteil, die Regelung des Banngutrechts, auf. Zunächst wurden an Stelle der Banngutlisten der Deklaration die von England am 4. August erlassenen Banngutlisten für maßgebend erklärt und dadurch indirekt das Recht beansprucht, sie ohne Rücksicht auf die in der Deklaration enthaltene Freiliste ins Ungemessene zu erweitern. Sodann verkündete die Order, "daß jeder genügende Beweis, der eine Vermutung für die Beförderung bedingten Bannguts an die feindlichen Streitkräfte oder an eine feindliche Verwaltungsstelle begründe, zu lässig sei. Diese Ausnahme war außerordentlich wichtig, denn nach der Deklaration wurden die Schiffspapiere als endgültige Beweise für die Bestimmung von Schiff und Ladung angesehen. Von nun an war es der britischen Regierung freigestellt, die Einziehung einer Ladung bedingten Bannguts zu verlangen, wenn ihre Agenten im Ausland solche Beweise herbeischaffen konnten, die ein unparteiisches Gericht überzeugten, daß die Ladung eine fernere Feindbestimmung habe.... Am wichtigsten von allen war jedoch die Klausel 5, die erklärte, daß bedingtes für den Ge- [24] brauch des feindlichen Staates oder der feindlichen Wehrmacht bestimmtes Banngut der Einziehung unterliege, ohne Rücksicht auf den Hafen, für den das Schiff bestimmt war und den Hafen, in welchem die Ladung gelöscht werden sollte."17 Über die Order in Council vom 20. August 1914 haben diplomatische Verhandlungen zwischen England und Amerika stattgefunden, welches die nicht erweiterte Anerkennung der Londoner Deklaration durchzusetzen versuchte. Diese Verhandlungen sind zu Unrecht als ein Beweis für die Absicht der Vereinigten Staaten angesehen worden, sich aufrichtig für die Rechte der Neutralen gegen die Übergriffe der Kriegführenden einzusetzen. In Wirklichkeit waren die Beweggründe und Ziele des amerikanischen Verlangens ganz andere. "Der Zusammentritt des Kongresses stand bevor, und soweit das Staatsdepartement beurteilen konnte, bereiteten sich die politischen Manager in beiden Häusern darauf vor, großen Lärm wegen der Londoner Deklaration zu schlagen und diese als einen Freibrief amerikanischer Rechte hinzustellen, den keine amerikanische Regierung aufgeben dürfe. Es war deshalb von äußerster Wichtigkeit für die amerikanischen Minister, diesem Angriff zuvorzukommen und sich als ebenso eifrig für die Deklaration von London zu zeigen wie die Senatoren und Kongreßmitglieder, welche ihnen Schwierigkeiten zu machen versuchten."18 Der englische Botschafter Sir Cecil Spring-Rice riet, den amerikanischen Wünschen entgegenzukommen, um den Kongreß zu beruhigen und den Anhängern eines amerikanischen Waffenembargos den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sir Edward Grey schloß sieh diesen Erwägungen an und teilte dem amerikanischen Botschafter Page mit, England könne die Londoner Deklaration, nachdem sie vom Parlament abgelehnt worden sei, nicht unter dem Druck einer fremden Macht annehmen. Gleichwohl sei er bereit, auf die dem Gewohnheitsrecht entsprechende Doktrin der fortgesetzten Reise für bedingtes Banngut zu verzichten. Er behalte sich jedoch vor, diesen Verzicht für solche Länder rückgängig zu machen, die der feindlichen Wehrmacht als Versorgungsbasis dienten und werde auch die Liste für das unbedingte Banngut auf alle für die feindliche Wehrmacht nützlichen Gegenstände erweitern. Ein diesem Angebot entsprechender Entwurf einer neuen Order in Council und der Entwurf einer neuen englischen Banngutliste, welche die schon am 21. September erstmals erweiterte Banngutliste wesentlich vergrößerte, wurden übergeben. Noch bevor die britischen Vorschläge in Washington eintrafen, hatte Lansing, dem es nur auf die formale Annahme der Londoner Deklaration ankam, vorgeschlagen, England solle die Deklaration als Ganzes annehmen, aber den Begriff der Waren, "die ausschließlich für den Krieg verwendet werden", erweiternd auslegen. "Mr. Lansing schlug also vor, die britische Regierung solle sich verpflichten, die Deklaration zu beobachten und solle später die Liste des unbedingten Bannguts so lange erweitern, bis sie jeden Handelsartikel, den sie anzuhalten wünsche, umfasse. Die Doktrin der fortgesetzten Reise könnte dann gegen alle auf der Liste stehenden Ladungen [25] angewandt werden und das Ganze könnte als ein Verfahren in Gemäßheit der Bestimmungen der Deklaration gelten."19 So verlockend dieser Ausweg auch schien, so zweifelhaft war es, ob er zur Legalisierung der geplanten Hungerblockade ausreichte. Wich Lansing doch damit "dem aus, was die Gedanken der britischen Beamten am meisten beschäftigte. Falls wir seiner Anregung folgten, würde er dann später damit einverstanden sein, daß seine eigenen Argumente zur Rechtfertigung einer Erklärung von Nahrungsmitteln, Futtermitteln, Textilien und Brennstoffen zum unbedingten Banngut benutzt würden"?20 Um die britischen Bedenken zu überwinden, regte Lansing ein, wenigstens der Form nach, noch weit schärferes Vorgehen gegen die Neutralen an, als es der britische Entwurf einer Order in Council vorsah. Er machte den "aufbauenden wenn auch sehr unpraktischen Vorschlag",21 zunächst die Londoner Deklaration anzunehmen und dann ohne Bezugnahme auf die Deklaration in einer späteren Proklamation neutrale Häfen, die dem Feinde als Versorgungsbasis dienten, soweit der Bannguthandel in Frage stehe, als feindliche Häfen zu erklären. "Hieraus kann geschlossen werden, daß Lansing die Berechtigung der britischen Regierung, den indirekten Handel Deutschlands zu kontrollieren, anerkannte und daß er gewillt war, eine harte und willkürliche Ausübung der Kriegsrechte zu entschuldigen, falls nur die britische Regierung die Deklaration annehmen würde." Obwohl die Lansingsche Anregung sachlich durchaus auf das gleiche herauskam, wie der britische Vorbehalt, auf Güter, die nach neutralen dem feindlichen Heer als Versorgungsbasis dienenden Häfen bestimmt seien, die Doktrin der fortgesetzten Reise weiter anzuwenden, glaubte man englischerseits, sie ablehnen zu müssen. "Man war nämlich entschlossen, sogleich nach Erlaß der neuen Order mit den neutralen Regierungen zu verhandeln, um die Zusicherung eines Verbots der Ausfuhr eingeführter Lebensmittel, Textilien und Metalle zu erlangen. Diese Zusicherungen wurden tatsächlich als Ergänzungen der Order angesehen und wenn die Ministerien ihre Erlangung nicht als wahrscheinlich angesehen hätten, würde die Order ganz andere Bestimmungen enthalten haben."22 Der britische Vorbehalt erschien hiernach dem Außenamt als Druckmittel auf die Neutralen bei den in Aussicht genommenen Verhandlungen, welche die Banngutfrage aus dem rein rechtlichen auf das politische Gebiet verschieben sollten, unentbehrlich. Grey erklärte deshalb, er könne keine weiteren Zugeständnisse machen und werde die neue Order in Council verkünden. Lansing fügte sich der britischen Entscheidung. Er zog seinen Vorschlag, die Londoner Deklaration solle von den Kriegführenden angenommen werden, zurück. Nach dieser amtlichen britischen Darstellung handelt es sich bei den britisch-amerikanischen Verhandlungen im September/Oktober 1914 über die vorbehaltlose Annahme der Londoner Deklaration lediglich darum, einen drohenden Sturm im amerikanischen Kongreß zu beschwichtigen und den durch die britischen Seekriegsmaßnahmen geschädigten ameri- [26] kanischen Wirtschaftskreisen Sand in die Augen zu streuen. England sieht ein, daß sein unverrückbares Ziel, durch Abschneidung aller Lebensmittelzufuhren die Hungerblockade über Deutschland zu verhängen, mit den bisherigen Mitteln des Seekriegsrechts nicht zu erreichen ist, und daß deshalb neue Wege durch direkten Druck auf die Neutralen beschritten werden müssen. Es wünscht andererseits, dem Staatsdepartement eine freundliche Geste zu machen. Der tatsächlich inhaltslose Verzicht auf die Doktrin der fortgesetzten Reise für bedingtes Banngut23 erlaubt ihm, den amerikanischen Wünschen entgegenzukommen, während gleichzeitig durch die Verknüpfung dieses Verzichts mit einem dehnbaren Vorbehalt24 zur Einschüchterung derjenigen Neutralen, die ihre Handelsbeziehungen mit Deutschland fortsetzen wollten, der Ausgangspunkt für eine erhebliche Verschärfung des Wirtschaftskrieges gewonnen wird. Die amerikanische Diplomatie erkennt das britische Ziel, ist aber weit davon entfernt, es zu bekämpfen, sondern überbietet sich in Vorschlägen zur Knebelung des neutralen Handels, die selbst über das, was England als völkerrechtlich zulässig und politisch tragbar ansieht, hinausgehen. Sie erhält dafür die britische Zensur: moralisch einwandfrei, aber unpraktisch.
Durch die Ausweitung des Banngutbegriffes in den britischen Banngutlisten - die Banngutliste vom 21. September 1914 erklärte Kupfer, Blei, verschiedene Eisenerze, Gummi und Häute, die alle auf der Freiliste der Londoner Deklaration standen, zu bedingtem, die Banngutliste vom 29. Oktober 1914 erklärte die oben genannten Metalle und Gummi sowie Nickel und Aluminium zu unbedingtem Banngut - wurde in britischen Augen ein großer Teil des Seehandels der Deutschland benachbarten Neutralen banngutverdächtig. Den mit der Banngutkontrolle beauftragten britischen Seestreitkräften fiel damit die Aufgabe zu, an Hand der Schiffs- [27] papiere bei den meisten der nach den Häfen der Randneutralen bestimmten Schiffsladungen zu ermitteln, ob sie an den Feind weitergesandt werden sollten oder nicht. Da eine so umfassende Aufgabe von den Kontrollstreitkräften allein nicht gelöst werden konnte, sagte sich England, wie bereits erwähnt, in der Order in Council vom 20. August von dem in der Rechtssprechung seiner Prisengerichte entwickelten Satz los, eine Aufbringung könne nur auf Grund solcher belastenden Tatsachen erfolgen, die an Bord des Handelsschiffes selbst ermittelt seien und verlegte die Kontrolle von der See auf das Land. "Von Anbeginn war es deshalb für jeden Interessierten offenkundig, daß unsere Rechte auf Unterbindung des Handels mehr in Whitehall als auf See ausgeübt werden würden, daß die Flotte wenig mehr als ein Polizist oder Kontrolleur des neutralen Handelsverkehrs sei und daß es Sache der Zentralbehörden wäre, diejenigen Tatsachen über Ladungen und Empfänger zu ermitteln, die bestimmend dafür waren, welche Zurückhaltungsrechte wir rechtmäßig ausüben konnten."25 Die zentrale Kontrollinstanz wurde der Banngutausschuß, "das große ausführende Organ der Blockade".26 Er tagte im Außenamt und setzte sich aus Vertretern der Admiralität, des Außenamts, des Handelsamts und des Kommissars beim Londoner Prisengericht (Procurator General) zusammen. Seine Entscheidungen wurden auf Grund der ihm vorgelegtem Berichte der Überwachungsstreitkräfte über die vorgenommenen Anhaltungen und Durchsuchungen getroffen. Ein weiterer, durch Verfügung der Admiralität gebildeter Ausschuß, der "Ausschuß zur Beschränkung der Feindzufuhr" diente als Zentralstelle für die Beweise, die über die Feindbestimmung nach neutralen Häfen bestimmter Schiffsladungen auf Grund der täglichen Berichte der britischen Konsuln über die neutralen Schiffs- und Warenbewegungen sowie auf Grund sonstiger Informationen gesammelt werden konnten. Auch dieser Ausschuß setzte sich aus Vertretern der Admiralität, des Außenamts und des Handelsamts zusammen. Schließlich bildeten Monatsberichte über die Wirtschaftslage in Deutschland, die auf Grund einer genauen Prüfung der deutschen Zeitungen und der Veröffentlichungen der deutschen Wirtschaftsverbände zusammengestellt wurden, eine wichtige Nachrichtenquelle. Das Nachrichtenmaterial über die Bewegung der einzelnen Warenpartien und über die Zuverlässigkeit der als Empfänger bezeichneten Firmen floß zunächst recht spärlich. Es gestattete den Beobachtungsstreitkräften bis in den Oktober hinein nur die Aufbringung von vier Schiffen. "Dagegen war die Zahl der angehaltenen und untersuchten Schiffe beträchtlich und das System, auf Grund dessen neutrale Schiffe untersucht und freigegeben wurden, verursachte ein gewisses Maß von Verzögerung. Wenn die Kontrolloffiziere feststellten, daß ein Schiff Waren bedingten oder unbedingten Bannguts nach einem neutralen Land beförderte, so sandten sie es sogleich zwecks eingehender Überprüfung zum nächsten Hafen. Diese wurde dort von den Zollbehörden vorgenommen, die die Ladung telegraphisch dem Außenamt mitteilten. Der Gesandte des betreffenden [28] neutralen Staats wurde dann aufgefordert, eine Garantie gegen die Wiederausfuhr zu geben. Da der Gesandte eine solche Garantie nicht ohne vorherige Verhandlungen mit seinen Regierungsstellen, die ihrerseits den Fall prüfen mußten, geben konnte, so ist es leicht verständlich, daß oft mehrere Wochen vergingen, bis eine Garantie beigebracht und das Schiff freigegeben werden konnte."27 Weit schneller gelang es, Klarheit über die Entwicklungstendenzen des neutralen Handels als Ganzen zu gewinnen. Der Ausschuß zur Beschränkung der Feindzufuhr kam auf Grund des von ihm geprüften Materials der ersten drei Kriegsmonate zu dem Ergebnis, daß die europäischen Neutralen ständig neue Ausfuhrverbote erließen, um ihre Länder vor den infolge der Desorganisation des Welthandels drohenden Rohstoffverknappungen zu bewahren, daß aber gleichwohl der indirekte Feindhandel über die Neutralen, besonders in Lebensmitteln ständig zunehme, und sein Zentrum, nicht wie ursprünglich angenommen in Holland, sondern in Skandinavien, vor allem in Schweden habe. Diese Erkenntnis ließ es als eine der vordringlichsten Aufgaben der britischen Blockadepolitik erscheinen, durch Verhandlungen mit den Regierungen der Randneutralen die deutsche Zufuhr überseeischer Erzeugnisse durch diese Länder zu unterbinden. Die damit dem Außenamt gestellte Aufgabe wurde als so bedeutsam angesehen, daß im Außenamt eine neue Abteilung, die Banngutabteilung errichtet wurde, deren Leitung Sir Eyre Crowe übernahm, "wahrscheinlich der weitsichtigste und fähigste Beamte der britischen Verwaltung".28 Dirigent der Abteilung wurde Parker, Referent für Italien und die Schweiz Craigie, Referent für Holland und Skandinavien Sargent.
Sogleich nach Erlaß der Order in Council vom 29. Oktober 1914 begann die Banngutabteilung des Außenamts Verhandlungen mit den Randneutralen: Holland, Norwegen, Schweden, Schweiz und Dänemark. In den im Laufe des Novembers an diese Länder gerichteten Memoranden machten die alliierten Regierungen29 "ihr Recht geltend, den Durchgang von Banngut durch neutrale Länder nach Deutschland zu verhindern. Die letzte Order in Council habe erklärt, wie das Recht ausgeübt werden würde. Da das Streben der Alliierten aber dahin ginge, durch das Anhalten des Bannguts auf hoher See Handel und Industrie der Neutralen nicht lahmzulegen, so wünschten sie eine Regelung des Verfahrens. Sie schlügen deshalb vor: 1. daß die neutralen Regierungen die Ausfuhr aller auf unseren Banngutlisten stehenden Waren verböten, und 2. daß die Regierungen selbst oder Firmen von gutem Ruf von jetzt ab die Adressaten aller Banngutladungen sein sollten. Wenn diese Bedingungen erfüllt würden, so würden sich die Alliierten dafür verbürgen, daß neutrale, Banngut befördernde Schiffe nur so lange zurückgehalten würden, als es zur Prüfung ihrer Papiere erforderlich sei."30 [29] Die Memoranden verlangten also von den Neutralen, daß sie die für fast alle wichtigen eingeführten Waren bei Beginn des Krieges erlassenen Ausfuhrverbote, die ausschließlich eigenen wirtschaftlichen Interessen dienten und deren allmähliche Wiederaufhebung nach der Normalisierung des Schiffahrtsverkehrs bevorstand, im Interesse Englands als eine einseitig gegen Deutschland gerichtete Blockademaßnahme für die Dauer des Krieges aufrechterhalten und auf alle von England als unbedingtes oder bedingtes Banngut bezeichneten Gegenstände ausdehnen sollten. Die britische Regierung war sich dabei vollständig darüber im klaren, daß ihre Vorschläge den Neutralen einen Verzicht auf die ihnen in dem Haager Neutralitätsabkommen verbrieften Rechte auf unbehinderte Fortsetzung des gesamten Warenhandels ihrer Staatsangehörigen mit den Kriegführenden zumuteten. Sie hielt es aber für unwahrscheinlich, daß sich die Neutralen auf ihr "leeres legales Recht", die Einfuhr und Wiederausfuhr von Banngut frei und ungehindert zu lassen, berufen würden, "denn die Order in Council gab klar zu verstehen, daß der Anspruch der Neutralen auf freien Bannguthandel durch eine Erklärung beantwortet werden würde, das neutrale Land, dessen Regierung diese Freiheit in Anspruch nähme, sei eigentlich eine Versorgungsbasis und würde entsprechend behandelt werden".31 Die Stellungnahme der neutralen Regierungen war nicht einheitlich, obwohl sie letztlich alle mit mehr oder weniger bedeutsamen Vorbehalten in die britischen Vorschläge einwilligten. Am entgegenkommendsten verhielten sich Holland und Norwegen. Ihr Verhalten ist so charakteristisch für diese beiden dem englischen Wirtschaftssystem weitgehend eingegliederten Länder, daß die englische Darstellung der Verhandlungen in ihren wesentlichsten Punkten kurz wiederholt werden soll. "Im Herbst 1914 sah die niederländische Regierung einen langen und heftigen Kampf zwischen den Zentralmächten und Ententemächten voraus und war deshalb entschlossen, Handel und Politik soweit wie möglich zu trennen, die Pflicht zur Neutralerhaltung des Landes durch Vermeidung aller Streitigkeiten mit einer der kriegführenden Gruppen zu übernehmen und zu erfüllen und es den großen Handels- und Schiffahrtsmagnaten zu überlassen, das Nationaleinkommen durch Anpassung des Handels an die herrschenden Umstände so gut es ging aufrechtzuerhalten. Der erste Schritt dazu war schon geschehen. Gerade bevor Sir Alan Johnstone die Vorschläge der britischen Regierung32 vorlegte, erfuhr das Außenamt, daß eine große Handelsgesellschaft auf Veranlassung der niederländischen Regierung gebildet worden war, und daß diese Gesellschaft die Regierungsstellen von vielen Pflichten entlasten würde, die sie in den ersten Kriegsmonaten übernommen hatten."33 Sir Francis Oppenheimer, der britische Handelsattaché im Haag, zweifelte nicht daran, "daß diese Handelsgesellschaft ein wirksameres Kontrollorgan als irgendeine Regierungsstelle sein würde. Nachdem Sir Eyre [30] Crowe alles, was er zu sagen hatte, angehört hatte, war er überzeugt".34 Als daher der englische und der französische Gesandte am 18. November 1914 das Memorandum der Alliierten35 überreichten, erläuterten sie dieses dahin, daß die niederländische Regierung der Adressat aller Nahrungs- und Futtermittel sowie des Petroleums und Kupfers, und daß der neue, Überseetrust genannte Handelsausschuß der Adressat aller anderen Banngutladungen sein solle. Der holländische Außenminister Loudon antwortete in einer Note vom 4. Dezember zunächst ausweichend. Er hob darin eingangs mit Recht hervor,
"daß ein Abkommen der vorgeschlagenen Art zwischen einer neutralen Regierung und einer Gruppe der Kriegführenden nicht mit einem strikten neutralen Verhalten vereinbar sein würde.... Wenn die Regierung einer solchen Verabredung zustimme, so werde sie Partei in einem System verschleierter Garantien, das den Eintritt bedingten Bannguts in das Land verhindern werde", und wies dann darauf hin,
"daß die interessierten Kreise selbst die einfachste und wirksamste Methode zur Überwindung der Schwierigkeiten der Lage entdeckt hätten... der Niederländische Überseetrust sei eine Gesellschaft, die in erster Linie gebildet sei, um als Zwischenglied ohne Dazwischentreten der Regierung für das Land notwendige Banngutartikel einzuführen".36 Nach längeren Unterredungen mit dem Außenminister erlangte der englische Gesandte die Überzeugung, daß die niederländische Regierung bereit sei, die Wiederausfuhr von Getreide, Reis, Kupfer und Petroleum zu verbieten und als Adressat aller Ladungen aus diesen Waren aufzutreten, weitere Verantwortlichkeiten aber nicht übernehmen wolle. Der Überseetrust müsse Empfänger, Verteiler und Garant aller anderen Banngutladungen werden. Der Trust sei nach den Worten Loudons "eine Gesellschaft, die durch ihre Zusammensetzung und die gegenseitige Verantwortlichkeit ihrer Mitglieder die höchsten Garantien der Lauterkeit und des guten Glaubens böte".37 Die daraufhin mit dem Trust eingeleiteten Verhandlungen verliefen reibungslos, da dessen Präsident, Herr van Vollenhoven, eifrig bestrebt war, zu einem Abkommen mit der britischen Regierung zu gelangen. Nur in einem Punkt bestand der Trust auf einer Abänderung der britischen Forderungen. "Er könne der Ernennung eines britischen Trustmitglieds nicht zustimmen, denn er würde dann gezwungen, auch einen deutschen Vertreter aufzunehmen. Er war jedoch bereit, daß Sir Francis Oppenheimer als britischer Sekretär des Trustes aufträte. Wenn sie später aufgefordert würden, einen deutschen Sekretär zu ernennen, so würden sie antworten, sie seien dazu bereit, sobald die Menge der deutschen Korrespondenz der britischen entspräche. Herr van Vollenhoven willigte auch ein, daß Sir [31] Francis Oppenheimer alle Geschäfte der Gesellschaft und alle Statistiken über den Rheintransit beaufsichtige."38 Am 26. Dezember wurden die Vereinbarungen mit der holländischen Regierung durch einen Notenwechsel bestätigt. Ein vom Handelsattaché unterzeichneter, an den Trust gerichteter Brief über die Verpflichtungen, die diese Gesellschaft zu übernehmen hatte, war beigefügt. Die Holländer nahmen sie praktisch ohne Änderungen an. In letzter Minute erhob zwar Loudon Einwendungen gegen eine Klausel, welche die britischen Vereinbarungen mit dem Trust zum Bestandteil des Notenwechsels machte. Diese Bedenken wurden jedoch, dank des energischen persönlichen Eingreifens van Vollenhovens, durch eine sachlich bedeutungslose stilistische Änderung beseitigt. Noch schneller als die Eingliederung Hollands in die britische Blockadefront gelang die Herstellung eines Einvernehmens mit Norwegen, wo die politische Führung und die maßgebenden Handelskreise förmlich wetteiferten, sich der britischen Kontrolle zu unterwerfen. Bereits am 3. August berichtete der britische Gesandte Mr. Findlay, "daß der König von Norwegen eine Kabinettssitzung einberufen hätte, und daß er die Minister, nachdem er ihnen mitgeteilt habe, er erwarte ein deutsches Ultimatum, dazu gedrängt hätte, sich für England zu erklären. Dies war nach des Königs Meinung die einzige Möglichkeit, die Lebensmittelzufuhr des Landes zu sichern und es gegen einen Angriff Schwedens zu garantieren".39 Erst nach Verhandlungen mit Schweden, die zu einer gegenseitigen vertraglichen Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Neutralität, und zum Nichtangriff führten, gab Norwegen eine Neutralitätserklärung ab. "Die norwegischen Regierungsstellen waren jedoch darauf bedacht, nachzuweisen, daß ihr Abkommen mit Schweden nur ein skandinavisches Abkommen sei und ihre natürliche Sympathie für Großbritannien nicht einem höheren politischen Interesse untergeordnet habe. Dies zeigte sich darin, daß während die norwegisch-schwedischen Verhandlungen noch im Gange waren, der Minister des Auswärtigen, Ihlen, Mr. Findlay die von seiner Regierung angeordneten Küstenverteidigungsmaßnahmen erklärte und den Gesandten über die Verteilung der norwegischen Seestreitkräfte und über die Zwecke und Lage zukünftig anzulegender Minenfelder unterrichtete. Einen Verteidigungsplan bis ins einzelne einer Regierung darzulegen, mit der Norwegen nicht durch ein Bündnis oder eine Militärkonvention verbunden war, war ein außerordentlicher Vertrauensbeweis."40 Die Stimmung der Handelskreise war so antideutsch, daß Mr. Findlay in einem Gesandtschaftsbericht eine Lockerung der englischen Banngutkontrolle anregen konnte:
"Was Norwegen angeht, wage ich anheimzustellen, seinen Interessen in jeder Weise entgegenzukommen, solange es seine gegenwärtige Politik, die Banngutzufuhren nach Deutschland mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu entmutigen, befolgt. Ich bin nicht in der Lage, eine Garantie dafür zu geben, daß absolut nichts aus Norwegen seinen Weg in jenes Land findet, aber das Leck wird klein sein und solange es klein bleibt, [32] erscheint sein mögliches Dasein ein geringeres Übel zu sein, als die Schaffung eines Gefühls des bösen Willens, das sicherlich nur das Leck vergrößern wird..."41 Dieses Bewußtsein des nicht genügend anerkannten Wohlverhaltens und vielleicht auch eine gewisse Gereiztheit über die englische Proklamation der Nordsee zum Kriegsgebiet vom 2. November 1914, die in den skandinavischen Ländern den Verdacht erregt hatte, England beabsichtige, die Seeverbindungen zwischen Skandinavien und Amerika abzuschneiden, veranlaßte den norwegischen Außenminister Ihlen, das alliierte Memorandum dilatorisch zu behandeln. In seiner nach mehrfachem Drängen erteilten Antwort erwiderte er vorwurfsvoll, die britische Regierung habe die norwegischen Verbote bereits als wirksame Schranke einer Wiederausfuhr von Waren nach Deutschland anerkannt, und es seien deshalb keine weiteren Verhandlungen notwendig. Als die Alliierten in einem zweiten Memorandum darauf hinwiesen, daß sich die norwegischen Ausfuhrverbote nicht mit den britischen Banngutlisten deckten, insbesondere nicht bezüglich wichtiger Metalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel, Blei und Eisenerz, antwortete Herr Ihlen, die norwegische Regierung würde "die Wiederausfuhr eingeführter Metalle verbieten, falls ihr Recht, Ausnahmen zuzulassen und das Recht des Handels in Banngutwaren mit den übrigen skandinavischen Ländern anerkannt würde. Wenige Tage nach dieser Antwort Herrn Ihlens verbot die norwegische Regierung tatsächlich die Ausfuhr von Kupfer, und die Nachfragen der Banngutabteilung über Umfang und Sinn des Verbotes wurden alle zufriedenstellend beantwortet. Herr Ihlen deutete auch an, daß andere Verbote folgen würden und versprach, daß die gewährten Ausnahmen den alliierten Regierungen mitgeteilt werden würden, um ihren sachverständigen Beratern die Prüfung der Bestimmung der Ausnahmeladungen zu ermöglichen".42 Dem Ausfuhrverbot für eingeführtes Kupfer folgten im Laufe des Dezember solche für Aluminium, Nickel, Blei und Jute. Der Erlaß weiterer Beschränkungen wurde für den Fall des Verdachts heimlicher Ausfuhren nach Deutschland in Aussicht gestellt. "Um das Jahresende war die norwegische Liste der Ausfuhrverbote so umfassend, daß die Vorschläge des alliierten Memorandums nicht mehr weiter verfolgt wurden."43 Auf Anregung Findlays ging man gleichzeitig englischerseits dazu über, mit den verschiedenen Erwerbszweigen und Handelshäusern einzeln zu verhandeln. Dieses "verwickelte Geschäft, mit den führenden Industrien in Norwegen Verträge zu schließen, brachte notwendigerweise das Land als Ganzes in die Bahn der britischen Handelspolitik und begründete einen vorherrschenden britischen Einfluß. Dank dieses wachsenden Einflusses war die britische Regierung später in der Lage, nicht nur eine Kontrolle über die norwegischen Metallmärkte, sondern über die großen nationalen Industrien und Einkommensquellen zu errichten..."44 Die politische und rechtliche Würdigung der Banngut- [33] abkommen wird zweckmäßigerweise die amtliche englische Darstellung ihrer Ziele und Auswirkungen zum Ausgangspunkt der Betrachtung wählen. Die Banngutabkommen vom Dezember 1914 nehmen hiernach "einen wichtigen Platz in der Geschichte des Seekrieges" ein. "Sie bildeten ein originales System zur Unterscheidung zwischen schädlichem und unschädlichem Banngut, und sie begründeten eine internationale Maschinerie zur Anwendung der alten Doktrin der fortgesetzten Reise."45 "Im August 1914 hatte die Flotte ein genau umschriebenes theoretisches Recht, in gewissen vorgeschriebenen Fällen an Neutrale adressiertes Banngut zu beschlagnahmen. In der Praxis war dieses Recht nutzlos, weil die Marine-Offiziere weder die Befugnisse noch die Mittel hatten, die von ihnen untersuchten Ladungen diskriminatorischen Prüfungen zu unterwerfen. Ende Dezember 1914 wurde jede untersuchte Ladung einer Reihe von Prüfungen unterzogen und die neutralen Regierungen Europas arbeiteten dem Wesen nach mit uns bei ihrer Anwendung zusammen." Man kann bezweifeln, ob die Rechte eines Kriegführenden jemals vorher in so kurzer Zeit so sehr gestärkt worden sind... Im November 1914 hatten die neutralen Regierungen die Ausfuhr gewisser Waren lediglich im eigenen Landesinteresse verboten. Ende Dezember hatten sie, unter Vorbehalten, die sich aus den Besonderheiten ihres eigenen Handels ergaben, versprochen, daß diese Verbote dauernde sein sollten." Eine vergleichende Übersicht über diese Verbote zeigt, "daß die Abkommen als Ganzes genommen eine große Schranke gegen Deutschlands überseeische Zufuhren an Getreide und gegen die meisten seiner Fleischzufuhren aufrichteten. Abgesehen davon waren die in dem ursprünglichen Memorandum besonders erwähnten Banngutartikel - Petroleum, Kupfer, Aluminium, Nickel und Gummi - entweder auf den neutralen Verbotslisten oder wurden auf ihrem Weg zum Feind vom Niederländischen Überseetrust angehalten."46 Der Gang der Verhandlungen war in allen Ländern im wesentlichen gleich. "Die Neutralen waren um ihre Zufuhren besorgt und waren infolgedessen geneigt, unseren Wünschen entgegenzukommen."47 "Jeder neutrale Minister eröffnete die Verhandlung durch eine Aufzählung der Haager Regeln, die in der Tat die Neutralen von jeder Verpflichtung, die Wiederausfuhr von Banngut nach den Kriegführenden zu unterbinden, befreien. Diese Erklärungen über ihre Unabhängigkeit wurden jedoch in brauchbare Abkommen umgewandelt, und zwar in frei vereinbarte, denn es ist unmöglich, in irgendeiner Urkunde irgendeine Drohung mit der Anwendung von Zwang zu entdecken."48 Vielleicht das wichtigste der durch die Banngutabkommen erreichten englischen Ziele war die Aufhebung der Unterscheidung zwischen bedingtem und unbedingtem Banngut. "Nach ihrem Abschluß wurden die neutralen Verbotslisten eine Probe, die gegen alle Arten von Banngut ohne Unterschied angewendet wurde, und da diese neutralen Listen damals alle wesentlichen Getreide- [34] arten und Nährstoffe umfaßten, so wurden Lebensmittel in der Praxis ebenso streng wie militärisches Banngut behandelt. Dies war das erste wirklich erfolgreiche Manöver des Feldzugs, das Manöver, das die feindliche Bevölkerung in das Theater des Wirtschaftskriegs brachte."49 "Von nun an konnten weder Lebens- noch Futtermittel durch Holland zum Feinde befördert werden. Das Abkommen fegte also jene künstlichen Unterscheidungen zwischen zivilen und militärischen Verbrauchern beiseite, Unterscheidungen, die es den kriegführenden Regierungen auferlegten, zu entdecken, ob ein Faß Mehl in einer Feldkantine oder in eines Bürgers Küche verbacken, ob eine Futterladung von dem Schlachtroß eines Kavalleristen oder dem Karrengaul eines Händlers gefressen würde. Es ist wahr, daß die Trennungslinie zwischen bedingter und unbedingter Bannware von nun an mehr verdunkelt als ausradiert war, aber da das erste Abkommen eine Vereinbarung von Geschäftsleuten war, um alle Feindzufuhren anzuhalten, ohne den neutralen Handel durch eine Häufung von Zurückhaltungen und gerichtlichen Klagen zu ruinieren, so kann es als erster praktischer Wirtschaftskriegsplan angesehen werden."50 Diese Tatsache entging nicht einmal der mit England sympathisierenden amerikanischen Regierung. Führte diese doch in ihrer Note vom 28. Dezember 1914 aus, "daß, wie es in der Tat auch der Fall war, unter dem bestehenden System nicht zwischen bedingtem und absolutem Banngut unterschieden würde, und daß wir nicht mehr den geringsten Versuch machten, um festzustellen, ob nach Deutschland adressierte Nahrungsmittel für die bewaffnete Macht des Feindes bestimmt seien oder nicht".51 Die englische Darstellung legt hiernach mit anerkennenswerter Offenheit dar, daß England in den Banngutabkommen das geeignete Mittel für den von ihm geplanten Krieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung gefunden hatte. Um ein Ergebnis zu erzielen, das es mittels der Kontrolle des neutralen Handels durch seine eigenen Seestreitkräfte rechtmäßigerweise nicht erreichen konnte, bediente es sich der neutralen Regierungen als Gehilfen. Erst dadurch, daß sich diese zur aktiven Mitwirkung an der englischen Aushungerungspolitik herbeiließen, wurde die Verproviantierung der deutschen Zivilbevölkerung durch neutrale Schiffe über neutrale Häfen unmöglich gemacht. Es ist auch keineswegs so, daß Deutschland etwa durch Einführung staatlicher Bewirtschaftungsmaßnahmen die Unterscheidung zwischen den für die Wehrmacht und den für die Zivilbevölkerung bestimmten Lebensmitteln erschwert und England dadurch einen Anlaß zur Unterbindung der Lebensmittelzufuhr für die deutsche Zivilbevölkerung gegeben hätte. Die im Februar 1915 erlassenen deutschen Verordnungen zur Bewirtschaftung von Brotgetreide waren nicht die Ursache, sondern, wie das englische Werk selbst stolz hervorhebt,52 eine Auswirkung der Banngutabkommen vom Dezember 1914. Um die Bedeutung dieser selbst zugegebenen Tatsache zu entkräften, [35] wird in dem Werk folgende Feststellung über die deutschen Verordnungen getroffen:
"Gewiß, die feindliche Armee entging den von uns auferlegten Wirtschaftsbeschränkungen, denn die Wirkung der oben betrachteten Verordnungen war es, die Vorräte des deutschen und österreichischen Volkes zu verringern und den Armeen ihren Bedarf an Metallen, Nahrungsmitteln, Ölen und Treibstoffen zu sichern. General Falkenhayn sagt bestimmt, daß die Armeen die Knappheit erst viel später spürten. Die Gegenwehr des Feindes gegen unsere ersten Maßnahmen wirtschaftlichen Drucks war jedoch kostspieliger als er es damals glaubte. Denn der Widerstand wurde dadurch geleistet, daß man das deutsche Volk zwischen die Armeen und die wirtschaftlichen Waffen schob, die wir gegen diese gerichtet hatten, und so die Zivilbevölkerung das auferlegte Leiden tragen ließ."53 Diese Feststellung tut der Wahrheit bewußt Gewalt an. Statt entsprechend den Regeln des Völkerrechts die Zufuhr aller nicht für die deutsche Wehrmacht bestimmten Lebensmittel unbehindert zu lassen, sperrt England mit Hilfe der Neutralen die gesamte überseeische Lebensmitteleinfuhr Deutschlands und behauptet dann, diese Maßnahme habe sich nur gegen die deutsche Wehrmacht gerichtet. Wenn die Zivilbevölkerung darunter zu leiden habe, so sei das allein Schuld der deutschen Regierung, die durch die Bewirtschaftung der Lebensmittel die Zivilbevölkerung gegen den Willen Englands zwischen die Armee und die gegen diese gerichteten englischen Maßnahmen schiebe. Ein solcher englischer Cant wird in der Tat nur noch dadurch überboten, daß England zur Erreichung seines Ziels, mit Hilfe der Neutralen die Unterscheidung zwischen bedingtem und unbedingtem Banngut zu beseitigen, die Order in Council vom 29. Oktober 1914 erließ, in der als großes Zugeständnis an die Neutralen feierlich auf die Anwendung der Doktrin der fortgesetzten Reise auf bedingtes Banngut verzichtet, nach außen hin also eine größere Respektierung der neutralen Rechte als bisher versprochen wurde. Der Abschluß der Banngutabkommen durch die neutralen Regierungen war eine eindeutige Verletzung des Neutralitätsrechts, das den Neutralen den Erlaß von diskriminatorischen Ausfuhrverboten verbietet, die einseitig einen der Kriegführenden auf Kosten des anderen begünstigen sollen. Weit wichtiger als die Völkerrechtswidrigkeit der Banngutabkommen ist jedoch, daß es für das deutsche Volk eine schmerzliche Enttäuschung bildete, daß befreundete Völker, mit denen es teils Jahrhunderte, teils wenigstens mehrere Menschenalter hindurch in Frieden gelebt hatte, während seines Kampfes um Sein oder Nichtsein den völkerrechtswidrigen Plan der Aushungerung der deutschen Zivilbevölkerung aktiv unterstützten. Die Enttäuschung darüber war um so nachhaltiger, als sich, wie die englische Darstellung bestätigt, zunächst nirgends eine Neigung zu einem energischen Widerstand gegen die englischen Zumutungen zeigte. Es bedarf wohl keiner Worte, daß die während des Weltkrieges gesammelten trüben Erfahrungen zur kritischen Haltung des [36] deutschen Volkes gegenüber der Neutralität der Randneutralen in dem zweiten ihm aufgezwungenen Existenzkampfe gegen England in erheblichem Maß beigetragen haben. Wenn man nach den Ursachen der Nachgiebigkeit der neutralen Regierungen fragt, die in so seltsamem Gegensatz zu der festen Haltung steht, die viele der fraglichen Staaten in der Vergangenheit gegenüber englischem Druck gezeigt haben, so wird man sie außer in der Abhängigkeit von überseeischen Zufuhren vornehmlich in einem Zerfall der völkischen staatstragenden Substanz erblicken müssen. Dieser war am weitesten in Holland und Norwegen fortgeschritten, während er in Schweden, das sich später aus den Fesseln des englischen Aushungerungssystems löste und in der Schweiz, in der sich ebenfalls, wenn auch in bedeutend schwächerem Maße, Gegenströmungen bemerkbar machten, noch in den Anfängen stand. Holland und Norwegen befanden sich vollständig unter der Herrschaft von Handelsoligarchien, in denen die Gefühle des Nationalstolzes und der Selbstbehauptung durch ein rein kommerzielles Denken in den Hintergrund gedrängt worden waren. Sie hatten sich der englischen Staatsauffassung der nachviktorianischen Verfallzeit verschrieben, die das englische Werk treffend folgendermaßen definiert:
"In demokratischer Praxis sind die Bürger eines Staates Personen, welche sich zu einem losen Verband zur Verwaltung ihrer nationalen Belange und zur Verteilung der Gewinne zusammengeschlossen haben",54 und fühlten sich deshalb als geistige Außenposten des Angelsachsentums, gewissermaßen als englische Handelsfaktoreien auf dem Kontinent. Charakteristisch hierfür ist die in jedem sich als unabhängigen Machtkern fühlenden Staat unmögliche Theorie der Trennung von Staat und Außenhandelspolitik, durch welche die holländische Regierung ihre Zustimmung zu den Banngutabkommen zu rechtfertigen suchte. In Wirklichkeit trat hier die Handelsoligarchie, welche die Geschicke dieses Landes lenkte, hinter der demokratischen Fassade hervor und übernahm als Niederländischer Überseetrust in der Form einer privaten Handelsgesellschaft offen die von ihr bis dahin dem unter ihrer Kontrolle stehenden staatlichen Apparat überlassene Leitung der Außenpolitik.55
Die Beziehungen der beiden angelsächsischen Mächte während des Weltkrieges sind von sachkundiger Seite so oft einer tiefschürfenden Prüfung unterzogen und die darauf bezüglichen Tatsachen von amtlicher und privater Seite in so umfassendem Maße der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, daß ihre Darstellung in dem englischen Werke keine sensationellen Enthüllungen mehr bringen kann. Sie ist aber gleichwohl von großem Reiz und auch für den Sucher nach der geschichtlichen Wahrheit von hohem Wert, weil sie ein anschauliches Bild davon gibt, wie man [37] während des Weltkrieges in London auf Grund der Berichte der britischen Botschaft in Washington die maßgebenden amerikanischen Persönlichkeiten und die Triebfedern ihrer Entscheidungen, vor allem die vorherrschenden Strömungen in der amerikanischen Öffentlichkeit und Wirtschaft beurteilte. Aus den Äußerungen des Präsidenten Wilson bei Kriegsbeginn, insbesondere aus seiner ersten Unterredung mit dem britischen Botschalter Sir Cecil Spring-Rice, in der er erklärte, ein Sieg Deutschlands werde einen Zusammenbruch seiner Lieblingsideen zur Folge haben, war bekannt, "daß er mehr mit den Alliierten als mit den Zentralmächten sympathisierte".56 Gleichwohl veranlaßte ihn der verzehrende Wunsch, den Friedensstifter zu spielen, den Anhängern der Zentralmächte in den Vereinigten Staaten entgegenzukommen. "Die Annahme, daß Präsident Wilson streitsüchtigen und zänkischen Noten an die englische Regierung seine Genehmigung gab,57 um sich die deutschen Wahlstimmen zu sichern, würde unfair sein, aber es ist schwer einzusehen, wie er die deutsche Partei auf seine Seite hätte bringen können, ohne offen die amerikanische Mißbilligung der dem neutralen Handel von einem Kriegführenden auferlegten Beschränkungen zu erklären. Das Geschrei dieser Partei war daher neben vielen anderen ein Einfluß, der den Präsidenten in den Streit mit Großbritannien hineinzwang."58 Ein wesentlicher Bestandteil der von Wilson geplanten Friedensregelung sollte die allseitige Annahme des Grundsatzes der Freiheit der Meere sein, d. h. ein Verzicht der Kriegführenden auf die Ausübung des Prisenrechts gegenüber neutralen Schiffen und Ladungen. "Ein unmittelbarer Streit mit der britischen Regierung war zwar nicht eine notwendige Folge dieser Politik des Präsidenten, es war jedoch für ihn fast unmöglich, allem was zur Verschärfung des Wirtschaftsfeldzuges gegen Deutschland geschah, zuzustimmen und dann später, ohne Warnung auf Annahme seiner weitreichenden und umstürzenden Pläne seitens der kriegführenden Mächte zu dringen. Sein Entschluß, den neutralen Handel von nahezu allen ihm jemals auferlegten Beschränkungen zu befreien, ließ deshalb eine einleitende Opposition gegen die bestehende Praxis vorhersehen, möglicherweise nicht gerade die schließlich angenommene Art der Opposition, aber jedenfalls Opposition."59 Bei der Beurteilung aller dieser einen Konflikt begünstigenden Momente muß man aber stets im Auge behalten, "daß Präsident Wilson von dem Augenblick an, in dem er die Unvermeidbarkeit eines offenen Streits erkannte, entschlossen war, er soll harmlos bleiben. Er war immer so behutsam, daß viele seiner Absichten nur durch Schlußfolgerungen zu ahnen sind, aber über seine Entschlossenheit, daß der angloamerikanische Streit niemals etwas Gefährlicheres würde als ein Austausch von Argumenten, kann wenig Zweifel bestehen. Das läßt sich aus Dokumenten, die spater geprüft werden, beinah beweisen."60 Im Gegensatz zu Wilson nahm der amerikanische Staatssekretär [38] Bryan von vornherein eine streng neutrale Haltung ein. "Mr. Bryan war ein Mann geringer Bildung und Belesenheit, der sich durch Beherrschung der Sprache der Bibel zu einem guten Volksredner ausgebildet hatte und so viel von ihrem Text beherrschte, daß er niemals um ein Zitat aus den Psalmen, den Propheten und der Offenbarung verlegen war. Die Doktrin, zu der sich Mr. Bryan bekannte, war Weltfriede und Nächstenliebe, und es unterliegt keinem Zweifel, daß er Krieg, Blutvergießen und Gewalt ehrlich verabscheute. In allem, was jedoch politische Manöver betraf, war Mr. Bryan der verschlagenste Mensch."61 Er versuchte, "in jeder aufkommenden Streitfrage den Tadel auf beide Seiten gleich zu verteilen. Dabei war es im allgemeinen für ihn vorteilhaft, den Nachdruck auf alle die Fragen zu legen, in denen seiner Meinung nach die Alliierten zu tadeln waren, denn die amerikanische Sympathie für die Alliierten hielt er für sehr gefährlich für seinen Ruf."62 "Es war deshalb für die Alliierten ein Glück, daß der einzige Streit zwischen ihren Regierungen und derjenigen der Vereinigten Staaten sich darum drehte, ob Großbritannien das Völkerrecht einhielt oder nicht. Hierfür hatte der Präsident wenig Interesse und Mr. Bryan fehlte die Sachkenntnis. Die Folge war, daß diese Angelegenheiten dem Rechtsberater des Staatsdepartements Mr. Lansing überlassen wurden, der sehr viel weniger als der Präsident und Mr. Bryan mit politischen Manövern beschäftigt war.... In seiner Eigenschaft als Privatmann sympathisierte Mr. Lansing mit den Alliierten und wünschte nicht, daß sich ein Streit mit ihnen zu einem politischen Zank entwickelte."63 Die Rückwirkungen des Krieges auf den amerikanischen Außenhandel und damit indirekt auf die öffentliche Meinung waren nicht einheitlich. Die Baumwolldepression hielt an und auch das Einkommen aus Kupfer sank beträchtlich, so daß die Stimmung in den Baumwollstaaten des Südens und den Kupferstaaten des Westens erheblich zu wünschen übrigließ. Dagegen war die Getreideausfuhr gestiegen. Gleichwohl wurde dadurch das Mißtrauen in den amerikanischen Weizenstaaten gegen die britischen Seekriegsmaßnahmen nicht beseitigt. "Man konnte zwar allerlei zur Verteidigung unserer Abkommen mit den Neutralen sagen, aber nichts konnte verschleiern, daß sie tatsächlich die alten Unterscheidungen zwischen bedingtem und unbedingtem Banngut aufhoben, indem sie eine gleiche Schranke gegen beide erhoben. Die amerikanischen Farmer und Viehzüchter und deren Vertreter im amerikanischen Kongreß standen naturgemäß einer Politik, die Lebensmittel den anderen Klassen des Bannguts gleichstellte, außerordentlich kritisch gegenüber."64 Am auffallendsten war die Absatzsteigerung in der Kriegsindustrie, die aber gerade in weiten Kreisen der amerikanischen Öffentlichkeit Mißfallen erregte und zu der Forderung nach einem Waffenembargo führte, "aus der ehrlichen Empörung heraus, daß menschliches Leiden zu einer Quelle von Handelsgewinnen gemacht wurde und ihre eigenen Landsleute die Gewinner waren."65 [39] Wenn gleichwohl die amerikanische Volksmeinung überwiegend alliiertenfreundlich blieb, so war das der nahen Verwandtschaft der beiden Völker zuzuschreiben. "Ein Zwist zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien ist ein Zwist, den das Nationalgefühl notwendigerweise mildern wird - und dieser mildernde und lindernde Einfluß - den kein Staatspapier analysiert und der sich gleichwohl ständig zeigt - war die wirkliche Erklärung dafür, warum ein Streit, der so gefährlich zu sein und soviel Zündstoff zu enthalten schien, niemals die praktische Handhabung der Blockade behinderte, warum die Streitigkeit tatsächlich ein rotes Licht, ein Warnungssignal, aber niemals ein Hindernis war."66 Was die britische Regierung am meisten fürchtete, war die Bildung einer Einheitsfront der Neutralen unter amerikanischer Führung. Der naheliegendste Weg hierzu war das Eingreifen des Staatsdepartements in die britischen Banngutverhandlungen mit den Randneutralen. "Zweifellos wäre es dazu in der Lage gewesen, denn wenn irgend etwas sicher ist, so ist es das, daß ein bloßes Geflüster der amerikanischen Gesandten in Europa die neutralen Regierungen sehr steif und schwierig gemacht hätte."67 Wie die von Sir Cecil Spring-Rice vorgenommenen Sondierungen zeigten, bestand aber amerikanischerseits keine Neigung zu einem Zusammengehen mit den Neutralen. Im Gegenteil, "als ob man die Absicht, allein zu handeln noch schärfer hätte betonen wollen, wurde der amerikanische Botschafter in London scharf gerügt, weil er einige technische Fragen über Beschlagnahme von Banngut mit den skandinavischen Gesandten in London diskutiert hatte".68 "Das Staatsdepartement wich in der Folgezeit niemals von der einmal eingeschlagenen Linie ab. Alle Vorschläge zur Bildung eines neutralen Bundes, die später in Washington ventiliert wurden, waren Vorschläge zur Vermittlung zwischen den Kriegführenden, - ihre Vermengung mit streitigen Fragen des Banngut- und Neutralitätsrechts wurde niemals gestattet."69 Auf Grund dieser Beurteilung der führenden amerikanischen Politiker und der Haltung der amerikanischen Öffentlichkeit hielt England seine Stellung in den Banngutstreitigkeiten mit den Vereinigten Staaten für sehr stark und war von vornherein entschlossen, keinerlei Zugeständnisse zu machen. Es beantwortete die erste Beschwerdenote vom 8. November 1914 über die Zurückhaltung einiger nach neutralen Häfen bestimmter amerikanischer Ladungen überhaupt nicht und verhielt sich auch gegenüber der zweiten Note des Staatsdepartements vom 28. Dezember 1914, die in grundsätzlichen Ausführungen, aber in außerordentlich freundlicher Form das gesamte Verfahren der britischen Banngutkontrolle (Banngutabkommen, schwarze Liste, Untersuchung in Kontrollhäfen usw.) beanstandete, ablehnend. Hierin wurde es durch die Berichte der Washingtoner Botschaft über die wahre Meinung des Präsidenten bestärkt. Sir Cecil Spring-Rice, der sich sehr verächtlich über die "chaotischen" Zustände im Staatsdepartement äußerte, war "überzeugt, daß die amerikanische Regierung die Note für ein Manöver und nicht für eine [40] Herausforderung hielt. Seine Urteile, aus denen sich die Stimmung der amerikanischen Regierung besser abschätzen läßt als aus dem bloßen Text einer von so vielen Personen zusammengestellten Note, sollten der Reihe nach in seinen eigenen Worten angeführt werden:
Einige ernste Proteste werden gegen Handlungen erhoben werden müssen, die man den amerikanischen Interessen für abträglich hält. Aber die allgemeine Stimmung innerhalb und außerhalb der Verwaltung ist sympathisch, und begreift allgemein die wahre Natur des Kampfes. In einer Unterredung vom 11. November "teilte der Präsident unserem Botschafter mit: neunzig Prozent der Bevölkerung unterstützten die Alliierten. Wenn man sich daran erinnert, daß der Präsident so unendliche Mühe darauf verwandte, daß seine Politik eine bloße Konsequenz, oder praktische Anwendung der öffentlichen Meinung, so wie er sie verstand, sei, so ist seine Behauptung nicht ohne Bedeutung. Man kann natürlich sagen, daß diese Äußerung des Präsidenten nur eine Zufallsbemerkung war. Aber es scheint ganz unmöglich, die Wichtigkeit des Privatbriefs so zu verkleinern, den er einige Tage vor Übergabe der Protestnote in Whitehall an Sir Cecil Spring-Rice richtete, denn dieser Privatbrief ist tatsächlich ein Eingeständnis, daß der Präsident dem amtlichen Streit wenig Bedeutung beimaß.
Ich hoffe und glaube, schrieb er, daß wir diese Angelegenheiten, wenn wir sie in dieser freimütigen und vernünftigen Weise behandeln, ohne ernste und dauernde Verlegenheiten bearbeiten werden. Wenn die Fäden sich verwickeln, so müssen wir sie geduldig entwirren."71 Diese Zusicherungen des Präsidenten erlaubten es England, den amerikanischen Protest durch zwei Noten vom 7. Januar und 11. Februar 1915 mit sachlich bedeutungslosen theoretisierenden Ausführungen zu beantworten. Der Entschluß des Präsidenten Wilson, die britische Hungerblockade zu dulden, ist nicht nur daraus zu entnehmen, daß er es unterließ, seinem Protest gegen die Sperrung der Lebensmittelzufuhr für die deutsche Zivilbevölkerung über neutrale Häfen Nachdruck zu verleihen. Er zeigt sich auch in der Lauheit, mit der das Staatsdepartement den einzigen Versuch behandelte, durch ein neutrales Schiff für die deutsche Zivilbevölkerung bestimmte Lebensmittel direkt nach einem deutschen Hafen zu befördern. Infolge der Terrorisierung des neutralen Handels durch das englische [41] Kontrollsystem war der direkte überseeische Verkehr der Neutralen mit deutschen Häfen schon seit den ersten Kriegsmonaten so gut wie lahmgelegt. Erst Anfang 1915 fand sich ein amerikanischer Getreidemakler zu dem Wagnis bereit, ein neutrales Schiff, die Wilhelmina, mit einer Getreideladung offen nach Hamburg zu senden. Nach der prompt erfolgenden Beschlagnahme der Ladung in Falmouth (7. Februar) verlangte das Staatsdepartement zwar unter Hinweis auf die klare Rechtslage und die britische Praxis in der Zeit vor dem Weltkriege die Freigabe. Es verfolgte den Fall aber nicht ernstlich, obwohl er von grundsätzlicher rechtlicher und von größter wirtschaftlicher Bedeutung war, sondern ging im Gegenteil eifrig den Gerüchten nach, die die englische Botschaft über die Abladerfirma ausstreute. "Es leitete eine Untersuchung ein, über die es uns privatim unterrichtete und überzeugte sich davon, daß Messrs. Green nur die Strohmänner und Agenten einer zum Zweck der Finanzierung der Wilhelmina und ihrer Ladung gebildeten Gesellschaft seien. Die Leiter dieser Gesellschaft konnten nicht entdeckt werden, aber die ermittelten Tatsachen bestärkten den Verdacht, daß Dr. Dernburg das Unternehmen organisiert hatte.... Nachdem er lange genug gewartet hatte, um sich über das Ergebnis zu vergewissern, verlor Mr. Bryan das Interesse an der Sache und das Staatsdepartement ging sogar so weit, ein Versprechen abzugeben, daß der Fall sich nicht wiederholen würde."72 Die hier kurz zusammengefaßte englische amtliche Darstellung über den Beginn der englisch-amerikanischen Streitigkeiten über die Rechte der Neutralen ist, wie abschließend festgestellt werden darf, geeignet, die Wilsonlegende erheblich zu berichtigen. Der Charakter des Streits als Scheinkampf, der Deutschland und der amerikanischen Öffentlichkeit eine Unparteilichkeit vortäuschen sollte, die in Wirklichkeit nicht bestand, tritt klar zutage. Die Unaufrichtigkeit der Wilsonschen Politik ist so augenfällig, daß sogar das englische Werk mit folgenden Worten darauf hinweist: "Das war in der Tat das Eigenartige der Lage. Die entschiedensten Herausforderungen und die provozierendsten Dokumente wurden wiederholt von einer Regierung überreicht, die uns möglicherweise freundlicher als irgendeine andere neutrale Regierung in der Welt gegenüberstand."
Der Abschluß der Banngutabkommen Anfang Dezember 1914 bildete den Ausgangspunkt für neue Verschärfungen der englischen Hungerblockade. Zunächst erfolgte eine Erweiterung der Banngutlisten. "In den meisten unserer großen Seekriege war es der britischen Regierung möglich gewesen, Banngut anzuhalten, ohne den Handel scharfen Beschränkungen zu unterwerfen, denn im 17. und 18. Jahrhundert legten die Völkerrechtskenner die anerkannte Doktrin als ein Recht aus, Quartiermeistervorräte, Artillerie- und Schiffsausrüstungen in die Banngutklauseln der Handelsverträge aufzunehmen. Banngut war so im allgemeinen und auch in den besonderen Verträgen zwischen den großen Seemächten definiert. Seine Anhaltung war also eine Maßnahme mit sehr beschränkten [42] Zwecken, die nur durch Blockaden und Repressalien zu allgemeinen Plänen zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks erweitert wurde. In der letzten Woche des Jahres 1914 veröffentlichte die Regierung eine Banngutliste, die dem Wesen nach alle diese alten Schranken beiseite fegte und den begrenzten Plan der Kriegsbefehle der Admiralität in eine sehr viel umfassendere Kriegsmaßnahme umwandelte."73 Eine Vergrößerung der Zahl der als Banngut beschlagnahmten Gegenstände wurde ferner auch dadurch erreicht, daß man Gegenstände mit einwandfreier neutraler Bestimmung mit der fadenscheinigen Begründung zum Banngut zu stempeln suchte, ihre Einfuhr ermögliche die Ausfuhr anderer Gegenstände nach dem Feinde. Die Grundlage zu dieser völlig willkürlichen Erweiterung des Banngutbegriffs war schon in den Banngutabkommen selbst gelegt worden. Drei der mit den nördlichen Neutralen abgeschlossenen Abkommen enthielten "eine Klausel, in welcher wir ein Recht zur Anhaltung von Halb- und Fertigfabrikaten beanspruchten, wenn sie aus Banngutmaterial bestanden. Im dänischen Abkommen war eine Klausel, in der wir das Recht forderten, abnorme Einfuhren von Banngut anzuhalten, wenn sie heimische Ausfuhren derselben Art freimachten. Da ein beträchtlicher Teil des gewöhnlichen Handels zwischen modernen Staaten in Waren besteht, welche unter die allgemeine Bezeichnung der Halb- und Fertigfabrikate fallen, und da der Wiederausfuhrhandel, welcher bei einer Ausdehnung des nationalen Handels automatisch wächst, eng mit der Verfügung überschüssiger Einfuhren verknüpft ist, so wurde in diesen Abkommen in der Tat ein Recht auf Kontrolle des gewöhnlichen Handelsverkehrs beansprucht und zugestanden. Der Kürze halber sollen von nun an Güter der ersten Art abgeleitetes Banngut (derivative contraband) und Güter der zweiten Art stellvertretendes Banngut (substitute contraband) genannt werden."74 Ungefähr gleichzeitig nahm der Banngutausschuß ein strengeres Kontrollverfahren durch Einführung des Systems der schwarzen Listen an. "Er hatte nun eine Liste von ungefähr dreitausend Firmen vor sich, die zur einen oder anderen Zeit mit dem Feinde Geschäfte geschlossen hatten und in den ersten Monaten des Jahres wurde praktisch jedes Schiff zurückgehalten, wenn es Sendungen für irgendeine auf der Liste stehende Firma an Bord hatte. Dieses Verfahren hat, so darf gesagt werden, jede Beschwerde, die die Neutralen gegen uns erhoben, erschwert. Es erhitzte die Streitigkeit mit der amerikanischen Regierung, verbitterte unsere Beziehungen zu Schweden und verursachte Mr. Findlay in Norwegen ernste Sorgen. Wenn auch zweifelhafte Rechtsauslegungen uns entschuldigten, so wurden die Zurückhaltungen doch ganz ehrlich als Bruch von Treu und Glauben angesehen."75 Die dagegen von den Neutralen erhobenen Beschwerden waren nur zu verständlich. "Ihre Reedereidirektoren willigten ein, ihre Schiffe nach Kirkwall zur Prüfung zu senden und kamen, so gut sie konnten, der Klausel der Oktober-Order in Council [43] über die Nennung der Namen der Empfänger nach. Diese Einwilligung wurde dann als eine Art Stützpunkt dafür benutzt, um größeren Druck auf sie auszuüben, denn ihre Schiffe wurden in den von ihnen freiwillig angelaufenen Häfen zurückgehalten und die von ihnen benannten Empfänger dienten als Rechtfertigung, um ihnen neue Einschränkungen aufzuerlegen."76 Schließlich ging der Banngutausschuß sogar dazu über - lediglich zum Zwecke der Terrorisierung der Neutralen -, gewisse Ladungen wie Kupfer und Gummi auch dann zurückzuhalten, wenn die neutralen Empfänger gar nicht auf der schwarzen Liste standen und keinerlei Anhaltspunkte für eine Wiederausfuhr nach Deutschland vorhanden waren. Alles dies geschah unter Außerachtlassung des Wortlauts der Banngutabkommen, in welchen sich England verpflichtet hatte, nicht in die Einfuhr solcher Güter einzugreifen, für welche von den Neutralen Ausfuhrverbote erlassen worden waren; ein Verhalten, das die schwedische Regierung mit einem scharfen Protest und der Drohung, das Abkommen als hinfällig zu betrachten, beantwortete. Unabhängig von dem allmählichen Ausbau der völkerrechtlichen Befugnis der Banngutbeschlagnahme zur völkerrechtswidrigen totalen Einfuhrsperre hatte die Admiralität durch eine ohne Wissen des Außenamts erlassene Proklamation vom 2. November 1914 die Nordsee zum Kriegsgebiet erklärt. Dadurch war der Schiffsverkehr in diesem Meere erheblich erschwert und eine starke Verstimmung in den angrenzenden neutralen Ländern hervorgerufen worden, zu der die eigenartige Begründung dieser Maßnahme nicht unerheblich beitrug. "Jeder neutrale Staatsmann, Kapitän und Reeder wußte von Anfang an, daß die in diesem Dokument enthaltenen Anschuldigungen ganz unwahr waren.... Wie man sich denken kann, entstand allgemeine Entrüstung darüber, daß diese Anschuldigungen ohne Prüfung und Untersuchung ausgestreut wurden. Skandinavische Kapitäne nahmen den Vorwurf besonders übel, Minenlegen unter neutraler Flagge, Aufklärungsdienst durch Fischdampfer, Lazarettschiffe und neutrale Schiffe seien die üblichen Formen deutscher Seekriegsführung, denn sie sahen das als eine ungerechtfertigte Besudelung ihrer Ehre und ihres guten Namens an."77
Erst nach langem Zögern entschloß sich Deutschland, die ununterbrochene Kette englischer Völkerrechtsbrüche, die das gesamte System des geltenden Seekriegsrechts teils unter aktiver Mitwirkung teils unter passiver Duldung der Neutralen aus den Angeln hoben, durch eine Repressalie zu beantworten. Am 4. Februar 1915 erfolgte die Erklärung der Gewässer rings um Großbritannien zum Kriegsgebiet. Die Erklärung drohte allen in dem fraglichen Gebiet angetroffenen feindlichen Handelsschiffen die Zerstörung an und eröffnete den Neutralen, daß auch ihre Schiffe die Gefahr der Vernichtung liefen, weil infolge des von der britischen Regierung am 31. Januar 1915 angeordneten Mißbrauchs neutraler Flaggen und [44] der Zufälligkeiten des Seekriegs nicht immer vermieden werden könne, daß die auf feindliche Schiffe gerichteten Angriffe neutrale Schiffe träfen. Es ist bekannt, daß die deutsche Gegenmaßnahme in der angelsächsischen Welt und in den von dieser geistig abhängigen Staaten sowohl während wie nach dem Weltkrieg der Gegenstand gröblichster Entstellungen und der Anlaß zu kaum zu überbietenden Verunglimpfungen des deutschen Volkes und insbesondere der deutschen Kriegsmarine gewesen ist. Die moralische und völkerrechtliche Würdigung, die die deutsche Kriegsgebietserklärung in der amtlichen englischen Darstellung der Hungerblockade gefunden hat, verdient deshalb ein besonderes Interesse. Man darf es dem englischen Werke als Ehre anrechnen, daß es den U-Bootkrieg als das bezeichnet, was er in Wirklichkeit war, als "eine der großen Operationen der Seekriegsgeschichte", und daß es mit folgenden Worten von dem seitens der englischen Propaganda entworfenen Zerrbild abrückt: "Es ist eine alte Regel militärischer Ehre, niemals die Taten eines Feindes, der hart und tapfer gekämpft hat, zu verkleinern. Wenn diese Regel in England befolgt worden wäre, würde die Öffentlichkeit den Platz, den der U-Boothandelskrieg in der Geschichte der Strategie und des Krieges einnehmen wird, besser würdigen. Unglücklicherweise sind die Schreckensschreie sowie die unangebrachten Beschimpfungen der Presseleute von verantwortlicherer Seite aus wiederholt worden mit dem Ergebnis, daß die Schlagworte von Piraterie und Mord in den Sprachschatz übergegangen sind und in den Herzen des Volkes entsprechende Gefühle ausgelöst haben."78 Selbstverständlich kann man nicht erwarten, daß das englische Werk bei der völkerrechtlichen Würdigung des U-Bootkrieges die gleiche Objektivität wie bei der moralischen Beurteilung zeigt. Hängt doch die Beantwortung der Frage nach der Völkerrechtsmäßigkeit der deutschen Kriegsgebietserklärung von der Frage ab, ob die Hungerblockade, deren Darstellung und Rechtfertigung gerade die Aufgabe des Werks ist, rechtswidrig war oder nicht. Immerhin ist es beachtlich, daß das Werk zwar den U-Bootkrieg als rechtswidrig bezeichnet und infolgedessen die englischen Gegenmaßnahmen, die sog. Reprisals Order in Council vom 11. März 1915 für rechtmäßig erklärt, daß es aber vermeidet, eine Widerlegung des deutschen Rechtsstandpunktes auch nur zu versuchen. Mit gutem Grund, da es sich anderenfalls in unlösbare Widersprüche mit zahlreichen von ihm selbst gemachten Rechtsausführungen verwickeln würde. Statt dessen wird die Frage untersucht, ob der U-Bootkrieg als Methode der Ausübung wirtschaftlichen Druckes zur Niederringung des Feindes unter anderen Gesichtspunkten als dem des strikten positiven Rechts zu rechtfertigen sei. Diese Untersuchung ist so aufschlußreich für die englische Auffassung des Kriegsrechts, daß sie hier mit einiger Ausführlichkeit wiedergegeben werden soll. Zunächst wird dargelegt, der U-Bootkrieg habe sich gegen das ganze englische Volk gerichtet, da er alles für dessen Leben Notwendige, das auf den lebenswichtigen Seeverbindungen herangeführt wurde, zerstören sollte. [45] Er sei also von der Voraussetzung ausgegangen, "daß das ganze Volk Kriegführender sei". An Hand der Kriegsgeschichte wird dann die englische Kriegsrechtsauffassung, nach der sich der Krieg nicht nur gegen die feindliche Wehrmacht, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung richtet, mit folgenden Worten als der allgemeinen Übung entsprechend hingestellt:
"Die Annahme, daß die Zivilbevölkerung Kriegführender zweiter Ordnung ist, ist die Entschuldigung für alle strategischen Verwüstungen. Die Pfalz wurde verheert, um den kaiserlichen Heeren den landwirtschaftlichen Ertrag des Landes zu entziehen. Marlborough zerstörte aus einem ähnlichen Grunde die Höfe, die Ernten und den Viehbestand in Bayern. Den gleichen Zweck verfolgte Wolfe bei der Verwüstung der Provinz Quebeck. In der Tat, Requisitionen, die ganze Bevölkerungen dem Hunger überlassen und Verheerungen, die Untergang, Elend und Hungersnot verbreiten, sind die Gemeinplätze der Kriegsgeschichte und es würde Pedanterie sein, weitere Beispiele anzuführen. Das Argument, eine lediglich gegen die Verbindungswege gerichtete Seekriegführung sei außergewöhnlich grausam, ist deshalb hohl und fehlerhaft. Die Zivilbevölkerung hat immer unter dieser Form der Kriegführung gelitten und hat immer unter dieser Geißel gestanden. Der Dreißigjährige Krieg verringerte die Bevölkerung Deutschlands um Millionen, der Siebenjährige Krieg war fast ebenso verderblich. Durch Massénas Requisitionen und durch die von Wellington angeordneten Evakuationon verhungerten 40 000 Menschen in Portugal. Dieses furchtbare Elend ist durch Heere zugefügt worden, die sich Kriegsvorräte zu sichern oder sie ihrem Gegner zu versagen suchten, also genau das gleiche Ziel wie das britische Außenamt und die deutschen U-Bootkommandanten verfolgten. Die Behauptung, daß Zivilisten und bewaffnete Macht erst seit dem Jahre 1914 als eine einheitliche kriegführende Masse behandelt worden seien, ist eine der lächerlichsten, die je geäußert worden ist."79 Die hier angeführten tatsächlichen Angaben über die Gewalttaten, die die englischen und französischen Heere, vorwiegend auf deutschem Boden, begangen haben, sollen nicht bestritten werden. Sie rechtfertigen jedoch nicht die daraus gezogene Folgerung, daß die deutsche Regierung durch die Kriegsgebietserklärung vom 4. Februar 1915 sich die englische Kriegsrechtsauffassung zu eigen gemacht hat. Im Gegenteil, die den feindlichen und neutralen Mächten am gleichen Tage zugeleitete Denkschrift betont ausdrücklich, daß die in der Erklärung angedrohten militärischen Maßnahmen gegen England das englische Verfahren vergelten sollten, also von Deutschland nur als Antwort auf die vorausgegangenen englischen Völkerrechtsverletzungen für rechtmäßig gehalten wurden. Von weit größerem Interesse als die Ausführungen des Werkes über das Ziel der deutschen Maßnahmen: die Unterbindung des Seeverkehrs nach England sind seine Erörterungen über die zur Erreichung dieses Zieles von Deutschland angewendeten Mittel. Von angelsächsischer Seite ist, wenigstens in der Öffentlichkeit, stets der größte Nachdruck darauf [46] gelegt worden, daß gerade die Nichteinhaltung der Regeln des herkömmlichen Prisenverfahrens über die Anhaltung, Durchsuchung und Aufbringung von Handelsschiffen und die dadurch bedingte Gefährdung des Lebens der Schiffsbesatzungen schlechthin verwerflich gewesen sei. Demgegenüber gibt das englische Werk mit beachtenswertem Freimut zu, die Art des deutschen Vorgehens sei durch die Lage bedingt gewesen. Wenn England seine gegen Deutschland gerichtete Hungerblockade als Anpassung der Grundsätze des Banngutrechts an moderne Verhältnisse zu rechtfertigen suche, so könne Deutschland mit eben soviel Recht seine U-Bootkriegführung gegen England als Anpassung der Rechtsgrundsätze über das Prisenverfahren an die Gegebenheiten des modernen Seekrieges bezeichnen.
"Die größten Verwüstungen von Eigentum, die in der Kriegsgeschichte aufgezeichnet sind, sind von einem Kriegführenden angeordnet worden, der entschlossen ist, daß sein Gegner nicht den Nutzen und den Vorteil einer Landstrecke genießen soll, und der sich nur im unvollständigen und zeitweiligen Besitz des Gebietes befindet, von dem er den Gegner ausschließen will. Ein kurzes Nachdenken zeigt, daß auch der Wirtschaftsfeldzug gegen Großbritannien diesem allgemeinen Gesetz unterlag. Zum erstenmal in der Geschichte wurde die Wirtschaftskriegführung zu einer größeren Operation, die entscheidend zu werden versprach; in jeder größeren Operation gibt es einen entscheidenden Schauplatz, und der entscheidende Schauplatz in dem Wirtschaftsfeldzug gegen Großbritannien waren der Kanal, seine westlichen Zugänge und die Irische See. Die Deutschen wurden so dazu gezwungen, ihren Feinden den Gebrauch und Genuß dieses Schauplatzes insoweit zu verweigern, als sie dazu in der Lage waren. Sie konnten das nicht durch Errichtung einer vollen unbestrittenen Kontrolle von Gewässern, die sie nur auf Streifzügen betreten konnten. Aus diesem Grunde wurden sie durch reine Notwendigkeit dazu getrieben, mittels Zerstörung zu operieren."80 Der von Deutschland verfochtene Grundsatz "war in allen Punkten richtig, wenn man den Maßstab militärischer Logik anlegt und bestand darin, daß jedes Gebiet strategischer Bedeutung, ob Stadt, Distrikt oder Wasserzone, mit Recht als ein Schauplatz militärischer Operationen behandelt werden kann, und daß, insofern der Kanal und seine westlichen Zugänge ein strategisches Gebiet bildete, das Toul, Verdun und Nordfrankreich an Wichtigkeit gleichkam, es lächerlich war, für die Herrschaft über das eine mit großen Heeren und militärischen Maschinen jeder Art zu kämpfen, und Großbritannien den unbestrittenen Genuß des anderen zu erlauben".81
"Es würde Zeitvergeudung sein, die Regeln der Völkersitte herzuzählen, die die Bräuche des Seekrieges gemildert haben. Die Feststellung muß hier genügen, daß die anerkannten Regeln des Völkerrechts solche Operationen, welche die Deutschen zu unternehmen im Begriffe waren, ganz klar verboten. Aber ebenso gut wie unsere Behörden entdeckten, daß die von den Zivilisten des 17. und 18. Jahrhunderts reichlich ausgearbei- [47] teten Regeln nicht ad litteram auf die verwickelten Geschäfte des modernen Handels angewendet werden konnten, so konnten auch die Deutschen mit demselben Recht behaupten, daß Regeln, die ausgearbeitet waren, als Ladungen durch Dreidecker und Fregatten angehalten, durchsucht und zerstört wurden und als das politische Gefüge Europas vollständig verschieden war, revisionsbedürftig seien. Sie konnten in der Tat den Einwand erheben, daß, während die britische Regierung Nordeuropa durch fein ausgearbeitete diplomatische Instrumente kontrollierte, die durch alle mechanischen Mittel der modernen Welttelegrafie, Entzifferung usw. verstärkt wurden, sie ihrerseits daran gehindert waren, die Verbindungen des britischen Reiches anzugreifen, es sei denn, daß sie es in der Art des 18. Jahrhunderts taten."82
Sogleich nach dem Bekanntwerden der deutschen Kriegsgebietserklärung beschloß England, die deutsche Erklärung als Vorwand zu benutzen, um die in der Praxis bereits durchgeführte Sperre aller deutschen Einfuhren offen zu verkünden und sie durch eine Sperre aller deutschen Ausfuhren zu ergänzen. Schon am 9. Februar wurde dem Kabinett der Entwurf einer Order in Council vorgelegt, der die wesentlichen Teile der späteren Reprisals Order enthielt, nämlich die Erklärung, daß
"Man darf also sagen, daß das Kabinett ungefähr eine Woche nach der ersten deutschen Erklärung die Anordnung besonderer Repressalien entschieden hatte."83 Die grundsätzliche Entscheidung des Kabinetts konnte jedoch erst dann durchgeführt werden, wenn feststand, daß keine wirkliche Opposition der Vereinigten Staaten gegen die englischen Maßnahmen zu erwarten war. Eine solche Opposition hielt man in London für möglich, weil die Vereinigten Staaten zwei Verhandlungen eingeleitet hatten, deren Ziele mit einer Verschärfung der englischen Hungerblockade gänzlich unvereinbar waren. Die eine Verhandlung betraf den Wilsonschen Plan, nach der Beendigung des Krieges auf einem Kongreß die Freiheit der Meere durch Festlegung von Sicherheitsstraßen auf hoher See, auf denen neutrale Schiffe nicht durch Kriegführende aufgebracht werden dürften, zu garantieren. Sie bewegte sich jedoch nur auf theoretischem Gebiet, war deshalb für England ungefährlich und führte lediglich zu unverbindlichem liebens- [48] würdigen Geplauder zwischen Sir Edward Grey und Wilsons Vertrautem, Oberst House, der in Europa die Friedensmöglichkeiten sondieren sollte. Die zweite Verhandlung betraf einen im Anschluß an den Wilhelminafall gemachten deutschen Vorschlag, alle aus Amerika eingeführten Lebensmittel ausschließlich der Zivilbevölkerung zuzuleiten und diese Zweckbestimmung durch eine amerikanische Organisation überwachen zu lassen. "Es scheint heute sicher, daß der Präsident niemals beabsichtigte, diese Vorschläge aufzudrängen, denn Graf Bernstorff deutet, ohne es ausdrücklich zu sagen, an, daß der Präsident und der Staatssekretär sich sehr lau verhielten. Das blieb uns jedoch Anfang Februar verborgen, als nur bekannt war, die amerikanische Regierung hätte eingewilligt, die deutschen Vorschläge in Erwägung zu ziehen und an uns weiterzuleiten."84 Die britischen Diplomaten behandelten deshalb den die deutschen Vorschläge zum Ausgangspunkt nehmenden amerikanischen Plan eines modus vivendi, durch welchen Deutschland und England wechselseitig auf den U-Bootkrieg und die Hungerblockade verzichten sollten, mit äußerster Vorsicht,85 zumal die amerikanische Regierung am 24. Februar dem britischen Botschafter angedeutet hatte, sie sei geneigt, die Frage der Waffenausfuhr mit den Fragen des U-Bootkrieges und der Hungerblockade zu verbinden:
"Der Staatssekretär bat mich zu sich" - schrieb Sir Cecil über diese Unterredung - "und gab mir eine freundliche Warnung in der Frage der britischen Haltung zu den Lebensmitteleinfuhren für die Zivilbevölkerung Deutschlands. Er sagte, es würde hier ein wenig angenehmer Eindruck entstehen, wenn die britische Regierung zwar für ihren eigenen Gebrauch große Mengen Kriegsmaterial einführe, hingegen die Zivilbevölkerung eines feindlichen Landes an der Erlangung von Nahrungsmitteln verhindere. Das amerikanische Volk werde Einwendungen gegen ein System erheben, das von ihm verlange, dem einen Kriegführenden bei der Versorgung mit Mitteln zur Zerstörung des menschlichen Lebens behilflich zu sein, und es davon abhalte, den anderen mit Mitteln zu seiner Erhaltung zu versehen. Infolge der von uns gegen Deutschland gerichteten Drohung, es durch Aushungerung zur Unterwerfung zu zwingen, habe Deutschland zu einer neuen Methode der Kriegführung seine Zuflucht genommen, die für die Neutralen höchst gefährlich sei und die schon zu schweren Verlusten an amerikanischem Leben und Eigentum geführt habe.... [49] Großbritannien habe immer behauptet, daß Nahrungsmittel für die Zivilbevölkerung eines Feindes nicht zum Banngut erklärt werden könnten. Es sei deshalb verpflichtet, diesen Grundsatz auch anderen Nationen gegenüber zu beachten."86 Die Befürchtungen, die diese beunruhigenden Mitteilungen in London erregten, wurden jedoch bald zerstreut. Sir Cecil Spring-Rice erklärte in Beantwortung einer eigenhändigen Weisung Sir Edward Greys, der Präsident werde niemals aus eigener Machtvollkommenheit ein Waffenausfuhrverbot erlassen. Auch eine Annahme des dem Kongreß vorliegenden Gesetzentwurfes sei nicht zu erwarten. Der Botschafter war ferner auf Grund seiner privaten Informationen zu der Feststellung in der Lage, daß die persönlichen Neigungen des Präsidenten zugunsten der Alliierten unverändert geblieben seien. "Die britische Regierung konnte deshalb mit gutem Grund glauben, daß des Präsidenten ziemlich auf die Nerven fallenden Mitteilungen seine Sympathien verbargen. Für die scharfsinnigen Diplomaten des Außenamts war es offensichtlich,87 daß die von uns und von den deutschen Behörden empfangenen Mitteilungen keine gleichen und einander gegenüberstehenden, durch eine gleiche Entrüstung gegen beide Seiten eingegebenen Proteste waren. In der ersten Unterredung zwischen Lansing und Sir Cecil Spring-Rice warnte Mr. Lansing - allerdings in ziemlich zurückhaltender und zweideutiger Weise - vor dem überhasteten Schluß, daß die Regierung der Vereinigten Staaten das englische und das deutsche Verfahren für gleich unangebracht halte. Abgesehen davon war die erste amerikanische Note an Deutschland, die der Presse mitgeteilt wurde, und die unsere Behörden mit den von ihnen über verwandte Fragen erhaltenen vergleichen konnten, nicht in derselben Sprache wie die an Whitehall gerichteten Noten abgefaßt. Sie war viel schärfer und die Deutschen hielten sie für ein ernstes Dokument."88 Auf Grund dieser Ermittlungen über die wahrscheinliche Stellungnahme Amerikas entschloß sich das englische Kabinett, dessen Außenminister im Laufe des Februar in seinen Unterhaltungen mit Oberst House und dem amerikanischen Botschafter in unverbindlicher Weise Kompromißmöglichkeiten angedeutet hatte, am Ende des Monats zur Durchführung der bereits grundsätzlich beschlossenen Maßnahmen. Am 1. März wurde den Neutralen eine Denkschrift überreicht, welche die totale englische Ein- und Ausfuhrsperre ankündigte. Die darin gegebene Begründung des englischen Vorgehens, Deutschland habe den U-Bootkrieg in der Absicht begonnen,
"Waren aller Art (einschließlich Lebensmittel für die Zivilbevölkerung) am Erreichen und Verlassen der britischen Inseln oder Nordfrankreichs zu verhindern. Seine Gegner sind deshalb ihrerseits dazu gezwungen, Waren jeder Art am Erreichen und Verlassen Deutschlands zu verhindern" stellte in dreistester Weise die Tatsachen auf den Kopf. [50] Obwohl "das Kabinett sich durch Billigung und Veröffentlichung der Vergeltungsverordnung eigentlich weigerte, das amerikanische Angebot anzunehmen",89 verzögerte es doch die ablehnende Antwort, bis Deutschland sich geäußert hatte. Die deutsche Antwort, welche die Verquickung des Minenkrieges mit den damit nicht in Zusammenhang stehenden Fragen der U-Bootkriegführung und Hungerblockade ablehnte, zeigte, "wie unsere Ablehnung abgefaßt werden mußte. Das Außenamt antwortete also, da die Deutschen es nicht übernommen hätten, U-Boot- und Minen-Operationen gegen den friedlichen Handel aufzugeben, hätten sie tatsächlich das amerikanische Angebot zurückgewiesen."90 Die Reaktion der amerikanischen Regierung auf die Reprisals Order in Council bewies, daß man in London die wahre Washingtoner Haltung richtig erkannt hatte. Gleich bei Entgegennahme der englischen Denkschrift erklärte der amerikanische Botschafter, "daß sie keinen Anlaß zu Unannehmlichkeiten mit der amerikanischen Regierung geben würde und daß er diese selbst darauf vorbereitet habe. Mr. Pages Erklärung war wertvoll, insofern als Oberst House noch in London war und sich in enger Beratschlagung mit ihm befand."91 Etwas skeptischer lautete der Bericht des englischen Botschafters, der meinte, der Präsident "sei so entschlossen wie je, nichts zu tun, was seiner Vermittlung schädlich sein könne und werde es höchstwahrscheinlich für nötig halten, zum Beweise seiner Unparteilichkeit einen kräftigen Protest zu erheben".92 Die amerikanischen Protestnoten, die am 8. März und 2. April 1915 überreicht wurden, waren jedoch milder als man nach den Berichten des Botschafters voraussehen konnte. Beide Noten übten zwar eine sorgfältig ausgearbeitete Kritik an der britischen Reprisals Order in Council, aber auch die zweite eher schärfere Note war freundlich und enthielt bedeutende Zugeständnisse an den britischen Rechtsstandpunkt. "Noch bemerkenswerter war es, daß die amerikanische Regierung dem Wesen nach in unsere Forderung willigte, berechtigt zu sein, alle Güter am Erreichen Deutschlands zu verhindern, denn sie bat uns um die Zusicherung, daß amerikanische Handelsschiffe mit neutraler Bestimmung oder Abfahrtshafen nicht behelligt werden sollten, wenn es bekannt sei, daß sie keine Güter beförderten, die Bannware seien oder Güter, die nach Häfen im Feindgebiet bestimmt seien bzw. von dort kämen. Das war im wesentlichen eine Erklärung, die amerikanische Regierung werde keine Einwendungen erheben, falls die Order in Council ad litteram angewendet würde und sie wünsche nur eine Sicherheit dafür, daß keine zusätzlichen Beschränkungen beabsichtigt seien."93 "Die erwogene Meinung des Außenamts ging deshalb dahin, daß die Note eine Art Einladung zu einer Rechtskontroverse sei, und man beschloß, Professor Oppenheim zu bitten, bei der Abfassung der Antwort behilflich zu sein. Die Erwiderung arbeitete in der Tat höchst geschickt die Folgerungen der amerikanischen Zugeständnisse durch einen Überblick über die organische Entwicklung des Blockade- [51] und Banngutrechts und durch die Darstellung, wie das amerikanische Verhalten alte Regeln ohne Verletzung der Grundprinzipien verändert habe, heraus. Die britische Note ist später fast wörtlich in mehr als einem amerikanischen Werk über öffentliches Recht wiedergegeben worden."94 Die amtliche englische Darstellung der zweiten Phase der englisch-amerikanischen Streitigkeiten über das Recht der Vereinigten Staaten auf Aufrechterhaltene ihres Handels mit Deutschland und den europäischen Neutralen bestätigt voll und ganz das oben nach Betrachtung der ersten Phase gefällte Urteil über die Wilsonsche Politik. Ihre Unaufrichtigkeit tritt sogar noch klarer hervor. Die von vornherein nur lau betriebene Initiative zur Aushandlung der Hungerblockade gegen den U-Bootkrieg wird, um Mißverständnisse zu vermeiden, England gegenüber in verschleierter Weise als nicht ernst gemeint hingestellt. Die mit der englischen Blockadepraxis in diametralem Widerspruch stehende Forderung nach der Freiheit der Meere wird zu nebulosen Abstraktionen verflüchtigt. Schließlich endigt der ganze vor der Öffentlichkeit aufgeführte Kampf um die Rechte der Neutralen in einigen langatmigen Relationen, die von amerikanischer Seite als Stilübung gedacht sind und von England auch als solche gewertet werden. Das Ergebnis des "Kampfes" ist die amerikanische Zustimmung zur englischen Hungerblockade und eine Rechtsbelehrung des Staatsdepartements durch Professor Oppenheim.
Schon vor Erlaß der Reprisals Order hatte die britische Regierung die Erfahrung gemacht, "daß das Abkommen mit der niederländischen Regierung und dem Überseetrust ein wirksameres Kontrollinstrument als die rein politischen Abkommen mit den skandinavischen Mächten gewesen war".95 Sie versuchte deshalb, die Regierungsabkommen durch private Abmachungen mit neutralen Kaufleuten, Industriellen und Reedern zu ergänzen und stieß dabei bei den beteiligten Wirtschaftskreisen auf größtes Verständnis. "Abkommen zwischen Regierungen konnten niemals verwickelt und technisch genug sein, um den Kaufleuten eines bestimmten Handelszweiges die von ihnen gewünschte Sicherheit zu geben. Sie wünschten nur zu wissen, ob eine bestimmte an einem bestimmten Tag abgesandte Ladung ihr Ziel erreichen würde, denn bei Unkenntnis darüber konnten sie weder die eingegangenen Verträge erfüllen noch neue abschließen, und Regierungsabkommen über Ausfuhrverbote gaben ihnen hierfür keinen Wegweiser. Es war deshalb natürlich, daß sich unter den amerikanischen und skandinavischen Kaufleuten die Überzeugung verbreitete, daß Regierungsproteste die Schwierigkeiten eher vergrößern als verringern würden und daß sie zu ihrer Überwindung selbst mit den kriegführenden Mächten verhandeln müßten, um zu entdecken, welche von ihnen übernommene Verpflichtungen sie von den Unsicherheiten befreien könnten, die ihr Geschäft behinderten. Im November berichtete Sir [52] Cecil Spring-Rice von einer allgemeinen Tendenz, Banngut auf einer geschäftlichen Basis zu behandeln. Bald nach Zusammentritt des Kongresses verstärkte sich diese Neigung, denn er berichtete damals: Gegenwärtig geht die Auffassung dahin, daß die Zeit der Diskussion vorbei ist und daß das, was für uns zu tun bleibt, in dem Abschluß getrennter und isolierter Abkommen mit den verschiedenen in Betracht kommenden Interessentengruppen besteht."96 Das erste bedeutende Abkommen dieser Art war ein Abkommen mit zwei großen amerikanischen Kupferkonzernen, die sich verpflichteten, ihr nach den Randneutralen bestimmtes Kupfer nur an zuverlässige Londoner Kaufleute oder an solche Banken zu adressieren, die von der britischen Regierung anerkannt waren. Das Abkommen trug bei dem großen Einfluß der Kupferinteressenten auf die öffentliche Meinung und den Kongreß wesentlich zur Beruhigung der Stimmung in den Vereinigten Staaten bei. Um auf dem eingeschlagenen Wege erfolgreich weiterzuschreiten, schien es erforderlich, die latente Verhandlungsbereitschaft der neutralen Wirtschaft noch etwas zu erhöhen. Am 10. März 1915 billigte das britische Kabinett Flotteninstruktionen, die tatsächlich darauf hinausliefen, "die Order in Council als Druckmittel zur Sicherung besserer Garantien gegen die Wiederausfuhr zweifelhafter Ladungen zu benutzen:
Das zu erreichende Ziel - so lauteten die allgemeinen Instruktionen - solle sein, Schiffe zu veranlassen, keine Waren für Deutschland zu befördern. Schiffe sollten deshalb lange genug zurückgehalten werden, um sie die Unbequemlichkeiten der Beförderung solcher Güter und die Vorteile der Nichtbeförderung fühlen zu lassen..."97 Insbesondere Lebensmittel - Baumwoll- und Nitratladungen sollten vom Banngutausschuß und der Flotte auf bloßen Verdacht hin zurückgehalten werden. In den Anweisungen wurde erklärt, daß "wir darauf vertrauten, daß die Gesamtheit dieser Zwangsmaßnahmen die Neutralen veranlassen würde, unseren Wünschen zu entsprechen".98 "Die Folgen des neuen Zwangssystems waren, daß fast die Hälfte der zwischen Amerika und Nordeuropa fahrenden neutralen Schiffe für einen Zeitraum, der zwischen einer Woche und einem Monat wechselte, zurückgehalten wurde, daß aber ein gewisser Teil des holländischen Handels besondere Vorrechte genoß. Es ist natürlich unmöglich, die Auswirkungen des so geübten Zwanges mengenmäßig abzuschätzen... Der Gesamtbetrag würde sicherlich viele hundert Millionen betragen."99 Es ist bezeichnend für die Mentalität der neutralen Reedereien, daß sie niemals den geringsten Versuch machten, diesen willkürlichen Erpressungen Widerstand entgegenzusetzen. Triumphierend schließt deshalb das Werk seine Schilderung der Schiffszurückhaltungen in terrorem mit folgenden Worten: "Wäre unser Recht, diese Lasten aufzuerlegen, jemals bestritten worden, so ist schwer zu sagen, wie die Frage [53] entschieden worden wäre. Aber die große Rechtfertigung dieses Druckes und Zwanges liegt darin, daß die Reeder die Angelegenheit genau so betrachteten wie wir. Sie protestierten dagegen, daß sie für Täuschungen bestraft würden, an denen sie nicht teilgehabt hätten. Sie brachten dringende Bitten in misericordiam vor. Aber sie bestritten niemals unser nacktes Recht, Güter am Erreichen des Feindes zu verhindern. In allen mit ihnen gepflogenen Unterhandlungen kann ich keine Silbe über die Rechtmäßigkeit unseres Vorgehens finden. Die Reeder verhandelten um Sicherheiten gegen diese Zurückhaltungen, wir um zufriedenstellende Garantien zu erhalten."100 Es wäre der britischen Regierung verständlicherweise am liebsten gewesen, wenn es sich hätte ermöglichen lassen, die Wirtschaft der nordischen Neutralen zu großen Gesellschaften nach Art des Niederländischen Überseetrusts, der "bewundernswert"101 arbeitete, zusammenzufassen, denn der Trust war eine Einrichtung, "die in einer uns befriedigenden Weise zwischen feindlichem und neutralem Handel unterschied und die diese Unterscheidung zu einer rein geschäftlichen Angelegenheit machte".102 Gelegentlich der Mitteilung, daß die bestehenden Banngutabkommen den Bestimmungen der Reprisals Order angeglichen und umfassender gestaltet werden müßten, wurde englischerseits in den drei skandinavischen Hauptstädten der Vorschlag zur Errichtung solcher Gesellschaften gemacht. Er stieß aber auf unüberwindlichen Widerstand. In Dänemark verwies man auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. "Dänemark war ein verteilendes Land für ganz Skandinavien und die dänischen Einfuhren waren zum großen Teil tatsächlich norwegische und schwedische Einfuhren. Der Freihafen von Kopenhagen war ein riesiges skandinavisches Lagerhaus, in dem Güter vor ihrer endgültigen Verteilung aufbewahrt wurden. Wenn ein dänischer Trust ein wirksames Kontrollorgan hätte werden sollen, so hätte er von den norwegischen und schwedischen Adressaten ebenso wie von den dänischen, Garantien gegen die Wiederausfuhr verlangen müssen, und das wäre nur möglich gewesen, wenn er zu einem allgemeinen skandinavischen Trust gemacht worden wäre."103 Ähnlicher Art waren die norwegischen Einwendungen. Der Vertreter der norwegischen Magnaten hob den Unterschied hervor zwischen dem in Rotterdam und deshalb von einer Zentralstelle aus leicht kontrollierbaren holländischen Handel und dem norwegischen Handel, der sich auf zahlreiche, mit der Hauptstadt Christiana durch ungenügende Verkehrsmittel verbundene Häfen verteile. Er verwies auch auf den großen Durchfuhrhandel nach Schweden. Am schroffsten lehnten die Schweden den englischen Vorschlag ab. "Die schwedischen Behörden weigerten sich entschieden, ihn überhaupt nur zu erörtern. Sie erklärten stattdessen, daß die März-Order in Council als rechtswidrige Doktrin das Dezemberabkommen nicht aufhebe und daß alle auf Grund der neuen Order erfolgten Zurückhaltungen Verletzungen [54] des Abkommens seien. Sie gaben diesen Haarspaltereien eine gefährliche und drohende Note durch scharfe Beschränkungen des Durchfuhrverkehrs nach Rußland. Mr. Howard berichtete, es sei wirkungslos, auf Annahme des Vorschlags zu drängen."104 Bei dieser Sachlage blieb dem Außenamt nichts anderes übrig als Reedereien und Industriezweige zum Abschluß von Einzelabkommen zu ermutigen. Hierzu fanden sich angesichts des oben geschilderten englischen Vorgehens gegen die neutrale Schiffahrt die neutralen Reeder naturgemäß am ehesten bereit. Als erste traten die beiden größten dänischen Reedereien in vertragliche Beziehungen zu den britischen Kontrollbehörden. Schon vor dem Erlaß der Reprisals Order verpflichtete sich Kapitän Cold dem Banngutausschuß gegenüber, seinen Agenten in den Vereinigten Staaten zu verbieten, Ladungen mit Banngutwaren zur Verschiffung anzunehmen, bevor sie nicht von ihm darüber unterrichtet seien, daß gegen die dänischen Empfänger der Güter keinerlei Verdacht bestünde. Nach dem Erlaß der Order wurde in einem neuen Abkommen vereinbart, daß Kapitän Cold die Aushändigung jeder nach Dänemark beförderten Partie verweigern solle, bis die Adressaten den britischen Kontrollbehörden zufriedenstellende Garantien für den Verbleib der Waren im Inland gegeben hätten. Ein ähnliches Abkommen kam zwischen der dänischen Ostasienlinie und der Banngutabteilung des Außenamts zustande. Die Ostasienlinie übernahm darin ebenfalls eine Holdback-Garantie und sicherte deren Durchführung durch eine Konnossementsklausel, welche die Gesellschaft ermächtigte, jedes beförderte Gut ohne erwiesene neutrale Endbestimmung entweder für den inneren Verbrauch in Dänemark zu verkaufen oder bis Kriegsende einzulagern; eine Klausel, durch die jede Klage der Empfänger gegen die Reederei auf Herausgabe der beförderten Güter unmöglich gemacht wurde. Die Norwegische Amerikalinie unterzeichnete die gleichen Bedingungen wie die Dänische Ostasienlinie. "Der erste Erfolg der Politik, die das Außenamt als einen Schritt zu einem allgemeineren System verfolgen mußte, war also, daß die für den indirekten Handel Deutschlands zur Verfügung stehende Tonnage wesentlich verringert wurde, insofern, als drei große Gesellschaften ihm dem Wesen nach ihre Schiffe vorenthielten. Ob dies automatisch die Menge der von dem amerikanischen Kontinent nach Deutschland fließenden Zufuhren verminderte, mag bezweifelt werden, denn, da diese Zufuhren sich verringert hatten, wurden weniger Transportmittel zu ihrer Beförderung benötigt. Es kann jedoch nicht bezweifelt werden,105 daß die Abkommen schließlich Deutschlands Zufuhren verkürzten, denn diese provisorische Politik, die atlantischen Verfrachter von der Beförderung deutscher Güter abzuhalten, wurde im Laufe des Jahres folgerichtig fortgesetzt. Mr. Findlay überredete die Direktoren fast aller großen norwegischen Linien, Abkommen nach dem durch Mr. Parker im April vorbereiteten Modell zu unterzeichnen."106 Es bedarf wohl kaum eines Hinweises darauf, daß hier unter der [55] Maske von privaten Verträgen politische Bindungen übernommen wurden. Handelte es sich doch bei den eingegangenen Verpflichtungen nicht um den Abschluß regulärer Handelsgeschäfte, die - wie etwa der Abschluß von Kaufverträgen über Handelsware mit einer kriegführenden Regierung - sich in der üblichen kommerziellen Sphäre bewegten, sondern darum, daß sich fast die gesamte Seeschiffahrt zweier neutraler Länder freiwillig und ohne eine kommerzielle Gegenleistung zu erhalten, unter eine ausgesprochenen Kriegszwecken dienende Kontrolle einer kriegführenden Regierung stellte. Das Ergebnis des englischen Vorgehens war ein so tiefer Einbruch in die handelspolitische Selbständigkeit der neutralen Staaten und bedeutete eine so starke Knebelung der neutralen Wirtschaft zum Nachteil der Gegner Englands, daß die stillschweigende Duldung der Verhandlungen durch die neutralen Regierungen nicht mehr als ein mit wirklicher Neutralität zu vereinbarendes Verhalten angesehen werden kann. Während so die englischen Kontrollbehörden mittels der neutralen Verfrachter einen Druck auf die neutralen Empfänger in Europa ausübten, versuchten sie gleichzeitig, sich die neutralen Befrachter und Ablader in den Vereinigten Staaten gefügig zu machen. Das Ergebnis dieser Maßnahmen, "das weit schwieriger abzuschätzen ist, weil es in keinem einzelnen Dokument oder Bündel von Dokumenten beurkundet ist, ist dennoch weit bezeichnender als alles bisher Erwähnte, insofern es die freiwillige Unterwerfung nicht nur eines, sondern vieler Tausende von Handelsmagnaten unter die Vorschriften der neuen Order in Council darstellt. Einige Wochen vorher hatte Sir Cecil Spring-Rice von einer Tendenz berichtet, Banngut auf eine geschäftliche Basis zu bringen. Er sowohl wie seine Ratgeber hatten unermüdlich daran gearbeitet, sie zu ermutigen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind in vielen Tausenden von Berichten über das tägliche Geschäft mit jenen Handels- und Schiffahrtsmagnaten enthalten, die legale Rechte und Spitzfindigkeiten beiseite ließen, politische Streitigkeiten ignorierten und durch Unterhandlungen mit der britischen Botschaft in Washington und den Behörden in Whitehall ihr Geschäft dieser neuen Regelung anpaßten. Insgesamt stellten diese Vorfälle der täglichen Geschäfte ein Eingeständnis dar, daß der Handel zwischen Amerika und Europa sich der neuen Kriegsregel anpaßte."107 Bei dieser "de facto Anerkennung der Order in Council" arbeitete die amerikanische Regierung im Gegensatz zu den sich nach außen hin zurückhaltenden Regierungen der Randneutralen in aller Öffentlichkeit auf das eifrigste mit. Die vom Staatsdepartement übersandten Gesuche der amerikanischen Geschäftsleute bezogen sich alle auf die Order in Council, "denn die vom Staatsdepartement gegebenen Einzelheiten wurden meistens dargelegt, um zu beweisen, daß die Ladungen nicht auf Grund der Order zurückgehalten werden könnten.... Mehr noch, das Staatsdepartement schloß sich einem großen Teil dieser Forderungen nach günstiger Behandlung an. Vermutlich wurden gerade auf seine [56] Veranlassung die Einzelheiten108 über die Käufe und Versicherungspolicen so freimütig angegeben."109
Um zu einer Koordination der verschiedenartigen zur Eingliederung der Randneutralen in das alliierte Blockadesystem ergriffenen Maßnahmen zu gelangen, bedurfte es "eines universalen Systems zur Unterscheidung zwischen feindlichem und neutralem Handel und der durchführbarste Plan für eine solche Unterscheidung war so einfach und natürlich, daß niemand das Verdienst in Anspruch nehmen kann, ihn zuerst erdacht zu haben. Er bestand darin, den an Deutschland angrenzenden Neutralen die normalen Einfuhren an Nahrungsmitteln, Futtermitteln, Textilien und Treibstoffen zu erlauben und alle Überschüsse über das Normale anzuhalten."110 Dieses System wurde auf der im Juni 1915 in Paris tagenden interalliierten Wirtschaftskriegskonferenz auf Drängen der Franzosen in folgender Form zum erstenmal theoretisch formuliert:
Les délégues... expriment en outre le désir "que des études soient entreprises d'un commun accord dans les pays alliés en vue de déterminer les conditions dans lesquelles devront jouer l'Ordre du Conseil britannique du 11 mars 1915 et le décret français du treize mars au regard de l'approvisionnement des pays neutres, ainsi que de fixer les quantités à partir desquelles la destination ennemie pourrait être présumée. La preuve de l'innocence de la marchandise devant être fournie par le commerçant neutre. Ils recommendent également à leurs gouvernements l'étude des produits sur lesquelles devra porter le contingentement, quand ils sont à destination de pays neutres voisins à l'ennemi."111 Das hiermit als Grundsatz verkündete Rationierungsprinzip war mit dem bestehenden Völkerrecht gänzlich unvereinbar. Der Rechtsberater der französischen Regierimg, Fromageot, gab zwar die gewagte Erklärung ab, "daß Zurückhaltung und Einziehung von Ladungen auf Grund des statistischen Beweises begreiflicherweise mit der Doktrin der fortgesetzten Reise gerechtfertigt werden könnten".112 Ein charakteristisches Zeichen dafür, wie sehr das im englischen Schlepptau schwimmende Frankreich seine alte Tradition, einer mißbräuchlichen Ausweitung der Rechte der Kriegführenden im Seekrieg entgegenzutreten, preiszugeben gewillt war. Aber es war gleichwohl für jeden Sachkenner außer Zweifel, daß die Voraussetzung für die Einziehung einer Ware als Banngut: der Nachweis ihrer feindlichen Bestimmung von den alliierten Prisengerichten völlig preisgegeben worden wäre, wenn diese auf Grund der Mitteilung eines Statistikers der britischen Banngutkontrolle, die Normalmenge der Einfuhren eines randneutralen Staats in einer bestimmten Warengattung sei erreicht, sämtliche weiteren nach dem fraglichen randneutralen Staat bestimmten Ladungen dieser Art als Banngut eingezogen hätten. War es doch z. B. durchaus möglich, daß der Empfänger einer [57] nach Überschreitung der statistischen Ziffer angehaltenen Ladung in der Lage war, den einwandfreien Beweis für die Inlandsbestimmung gerade seiner Ladung zu erbringen. Da die den Prisengerichten vorgelegte Frage "nicht das Verhalten des gesamten Handelsstandes seines Landes, sondern nur sein persönliches Verhalten"113 betraf, so mußte in einem solchen Fall die Freigabe der Ladung an den Empfänger erfolgen. Weit entfernt davon, für sich allein die Einziehung einer Ladung zu rechtfertigen, hätte der "statistische Beweis" allenfalls als eine jederzeit widerlegbare Vermutung für die Feindbestimmung verwendet werden können, eine Vermutung, die nur in Verbindung mit anderen Indizien Beachtung verdient hätte. Wie das englische Werk selbst zugibt, würde eine solche Vermutung offensichtlich nur sehr schwach gewesen sein. Eine ins Gewicht fallende Bedeutung hätte ihr erst dann beigemessen werden dürfen, wenn die neutralen Einfuhren den Normalumfang bereits erheblich überschritten hatten. Die Rechtslage war so klar, daß bei der Vorbereitung des berühmten Kimfalles der Rechtsberater des Procurator General erklärte, auf Grund der bloßen Tatsache, daß die auf den Schiffen Kim, Alfred Nobel, Friedland, Björnsterne Björnson beschlagnahmten nach Kopenhagen adressierten Ladungen amerikanischen Specks das Dreizehnfache der normalen Jahreseinfuhr Dänemarks an Speck betrügen, könne keine Verurteilung erzielt werden. Erst als daraufhin mittels der Postkontrolle weitere Beweise gesammelt worden waren, die die Feststellung ermöglichten, daß die Chikagoer Fleischpacker ihre Waren ursprünglich nach Hamburg gesandt, aber nach Kriegsausbruch ihre Vertretungen nach Kopenhagen verlegt hatten, mit der Weisung, von dort aus die alten deutschen Verbindungen wieder aufzunehmen, wurde der Speck eingezogen. "Die Einziehung wurde also nur durch die Vorlage der über die Packer und ihre Geschäfte gesammelten Nachrichten erreicht. Der statistische Beweis wurde als ein Wegweiser oder ein Indiz, aber nicht als mehr erachtet."114 Zweifellos bestand "ein großer Unterschied zwischen Einziehungen, die man auf diese Weise erreichen konnte, und der automatischen Einziehung aller über die Normaleinfuhr hinausgehenden Ladungen, die bei einem von den Gerichtshöfen allein durchzuführenden allgemeinen Rationierungssystem notwendig gewesen wäre".115 Es schien fast so, als ob das mit so großen Erwartungen veründete Rationierungssystem an den prisenrechtlichen Schwierigkeiten scheitern müßte. Drei Monate nach Beendigung der Pariser [58] Konferenz war man noch immer nicht über das Stadium der Diskussion hinausgekommen. Da erkannte der Scharfblick Sir Eyre Crowes, daß die Rationierung der Neutralen mit Hilfe der Neutralen selbst durchgeführt werden könne. Als im August und September 1915 die statistischen Sachverständigen genaue Tabellen der zu rationierenden Waren ausgearbeitet hatten, übernahm es die Banngutabteilung des Außenamts, diese Statistiken bei den Verhandlungen mit den Randneutralen über die Anpassung der Banngutabkommen an die März-Order zu verwerten. "Zunächst wurde das Prinzip als solches, das als notwendiges Korollar für die Handhabung der März-Order angesehen wurde, in alle im Jahre 1915 abgeschlossenen großen Banngutabkommen aufgenommen, die man deshalb Stützbalken oder Säulen des Systems nennen kann. Zweitens wurden, nachdem das Prinzip eingeräumt und seine Zulassung in den Banngutabkommen niedergelegt war, eine Anzahl anderer Abkommen über die Regelung des Handels in einzelnen Waren zustande gebracht. Drittens wurde der Baumwollhandel zwischen Amerika und Europa unter Kontrolle gestellt. Die Geschichte des Systems war somit die Geschichte dieser drei Fortschritte des wirtschaftlichen Feldzuges: der Banngutabkommen des Jahres 1915, der sie ergänzenden Abmachungen und der Baumwollregelung."116 Es wiederholt sich also, wie wir noch näher sehen werden, das peinliche Schauspiel aus dem Herbst 1914. Wieder beschränken die Randneutralen die Selbständigkeit ihrer Außenhandelspolitik auf Geheiß der einen zum Nachteil der anderen Kriegspartei. Wieder geschieht dies zu einem Zweck, den die begünstigte Kriegspartei mittels ihrer Seestreitkräfte und Prisengerichte in einer völkerrechtsmäßigen Weise nicht durchführen konnte. Wieder sind es die Vereinigten Staaten, die dem englischen Vorgehen nicht nur keinen Widerstand entgegensetzen, sondern es aktiv unterstützen. Die Randneutralen sinken mehr und mehr zu willenlosen Gliedern der Blockadekette herab, die der deutschen Zivilbevölkerung um den Hals gelegt wurde. Nur Schweden macht eine rühmliche Ausnahme.
Das beste Mittel zur Durchsetzung des obersten Ziels der Reprisals Order: der Unterbindung des gesamten über die Randneutralen stattfindenden überseeischen Aus- und Einfuhrhandels Deutschlands erblickte England in der Errichtung von zentralen Wirtschaftsstellen in den Gebieten der Randneutralen, die unter britischer Aufsicht und im britischen Interesse den gesamten Außenhandel dieser Länder so lenkten, daß keine Ware, deren Aus- oder Einfuhr das Mißfallen Englands erregte, ihre Häfen verließ oder erreichte. Seine Abkommen mit den Schiffahrtslinien galten England nur als Notbehelfe, denn die Holdback-Garantien verhinderten zwar die Auslieferung der in den Lagerhäusern blockierten Waren an die Empfänger, nicht aber das Anwachsen des gesamten Warenvorrats innerhalb [59] des Gebietes der Randneutralen. Wie schon erwähnt, war 1914 nur in Holland die Errichtung einer solchen zentralen Empfangsstelle für die wichtigsten der als Banngut bezeichneten Einfuhrgüter gelungen. In Skandinavien hatten die englischen Bemühungen keinen Erfolg gehabt. Bei den im Jahre 1915 mit den Randneutralen zwecks Aufnahme der Grundsätze der Reprisals Order in die Banngutabkommen eingeleiteten Verhandlungen galt es, den Tätigkeitsbereich des holländischen Überseetrustes auf den gesamten holländischen Außenhandel zu erweitern und noch einmal den Versuch zu machen, in den Gebieten der anderen Staaten ähnliche Gebilde zu errichten. Holland war im Frühjahr 1915 teils auf Grund seiner geographischen Lage, teils auf Grund des englischen Druckes auf die skandinavischen Reeder zum Hauptausfalltor für die deutschen überseeischen Ausfuhren geworden. Die holländische Regierung beantwortete die Verhängung der den holländischen Handel auf das schwerste schädigenden britischen Ausfuhrsperre für Güter deutschen Ursprungs nur mit einem rein formalen Protest, lehnte aber die von England im Art. 8 der Reprisals Order in Aussicht genommene aktive Mitwirkung an der Order mit folgenden Worten ab:
"Ich halte die Klarstellung für zweckmäßig, daß die holländische Regierung keine derartige Erklärung abgeben wird. Nach ihrer Meinung sind die Verpflichtungen einer neutralen Macht so, daß sie keine Verpflichtung dieser Art eingehen kann."117 Nach den bei Abschluß des Banngutabkommens im Dezember 1914 seitens der britischen Regierung gemachten Erfahrungen war diese "Klarstellung" nicht als Ablehnung, sondern nur als Verweisung auf den Niederländischen Überseetrust aufzufassen, wie bald darauf durch offiziöse Zeitungsartikel bestätigt wurde, welche die Notwendigkeit betonten, die Anpassung des holländischen Außenhandels an die Order als geschäftliche Angelegenheit zu behandeln. Der Trust, der bereits vor Erlaß der Reprisals Order freiwillig den ihm im Dezember-Abkommen zugewiesenen Aufgabenkreis erweitert hatte, erklärte sich ohne Zögern zur Mitarbeit bereit. In einer am 3. März stattfindenden gemeinsamen Sitzung des Haager Handelsausschusses, der die holländische Regierung in bezug auf Ausfuhrverbote beriet, und des Trustes wurde die Unterwerfung unter die Order beschlossen. Die Trustdirektoren teilten diesen Beschluß unverzüglich dem englischen Gesandten mit. Gleichwohl zogen sich die Verhandlungen noch bis in den Frühsommer hinein, da gewisse von den Holländern verlangte Zugeständnisse, die besonders die Ausfuhr deutscher Waren nach den holländischen Kolonien betrafen, ausgehandelt werden mußten. In dem endgültigen Abkommen, in dem der Trust als Adressat für Banngut und für Artikel des allgemeinen Handels auftrat, wurde "ausdrücklich festgelegt, daß das Abkommen dazu diene solle, ein allgemeines Rationierungssystem einzuführen und durchzusetzen:
In Gemäßheit der Tendenz der neuen Regeln, erklärten die Direktoren, wird der N.O.T. sich beeilen, die aus jedweder Quelle nach [60] Holland gelangende Einfuhr eines jeden für den inländischen Verbrauch bestimmten Artikels in der in dem Abkommen vorgesehenen Weise zu beschränken. Die Übernahme der Versendung von Gütern wird, soweit möglich, auf diese Menge begrenzt. Wenn ohne Zustimmung des Trusts mehr Güter an diesen adressiert werden, so werden diese durch den Trust eingelagert und nicht eher in Umlauf gebracht, als bis das Normalniveau wieder erreicht ist."118 Das mit Dänemark im Dezember 1914 abgeschlossene, in England nach dem dänischen Unterhändler Clan-Abkommen genannte Banngutabkommen war von der dänischen Regierung und dem dänischen Handelsstand in einer England zufriedenstellenden Weise eingehalten worden, so daß sich die handelspolitischen Differenzen Englands mit Dänemark lediglich auf die abnorm hohen Einfuhren von Fleischerzeugnissen seitens der in Kopenhagen neugegründeten Filialen der Chikagoer Fleischpacker beschränkten. "Als die März-Order erlassen wurde und die ersten Zurückhaltungen dänischer Ladungen angeordnet wurden, protestierte die dänische Regierung sogleich gegen den Bruch des mit Mr. Clan geschlossenen Abkommens. Wir antworteten, das Clan-Abkommen sei vor unserer Entscheidung, alle deutschen Ein- und Ausfuhren anzuhalten, geschlossen worden und sei deshalb unwirksam. Wir luden jedoch die dänischen Behörden ein, über ein neues Abkommen mit uns zu verhandeln. Die dänische Regierung beantwortete diese Einladung niemals."119 Offenbar aus Furcht vor Gegenmaßnahmen Deutschlands, das gegen das Clan-Abkommen einen sehr scharfen Protest eingelegt hatte. Das Abkommen blieb deshalb noch mehrere Monate nominell in Kraft. Ein unmittelbarer Schaden entstand hierdurch für England nicht, da seine Abkommen mit den führenden dänischen Reedereien ihm eine positive Sicherheit boten, "daß die an Bord ihrer Schiffe beförderten Güter nur bei Verbrauch in Dänemark oder Skandinavien an die Adressaten ausgeliefert und daß keine Waren deutschen Ursprungs auf ihren Schiffen befördert würden. Diese Abkommen gaben also der Order in Council praktische Wirksamkeit und hatten zum Ergebnis, daß etwa sieben Zehntel der im dänischen Überseehandel beschäftigten Schiffe verpflichtet waren, keine Dienste zu leisten, die durch eine von der dänischen Regierung nicht anerkannte Order in Council verboten waren."120 Auf die Dauer vermochte der primitive modus vivendi, den die Schiffahrtsabkommen darstellten, die englischen Wünsche doch nicht voll zu befriedigen. Die Abkommen lösten das Banngutproblem nicht, sondern überwälzten es nur auf die Empfänger, deren durch die Holdback-Garantien blockierten Ladungen die Kopenhagener Lagerhäuser zu verstopfen drohten, weil es zahlreichen Importeuren, vor allem den Filialen der Fleischpacker nicht gelang, einen von England für genügend befundenen Nachweis der Inlandsbestimmung zu beschaffen. Dies bot dem Banngutausschuß, der in Anwendung der von ihm geschaffenen Doktrinen des abgeleiteten und stellvertretenden Banngutes Dänemark zum Verbot der Ausfuhren dänischer Ledererzeugnisse und dänischer Fleischwaren zwingen wollte, den [61] Anlaß, ohne Rücksicht auf die geschlossenen Schiffahrtsabkommen die Schiffe der dänischen Reedereien wieder in den Kontrollhäfen zurückhalten und dort sogar diejenigen Waren löschen zu lassen, deren Wiederausfuhr Dänemark in Gemäßheit des Banngutabkommens verboten hatte. Die hierdurch geschaffene Lage machte es notwendig, "ein neues System von Garantien zu ersinnen, das den britischen Behörden zufriedenstellend erschien".121 Dieses System wurde, da sowohl die dänische Regierung wie auch die dänischen Reeder einen dänischen Überseetrust nach holländischem Vorbild für unzweckmäßig hielten, in dem Abschluß von Garantieabkommen mit zwei Kammern oder Räten gefunden, die genossenschaftliche Vertretungen der Kaufleute und Industriellen des Landes waren: einer "Grosserer Societat" genannten Kaufmannsgilde und einer "Industrieraad" genannten Gewerbekammer. Beide Gesellschaften hatten insofern rechtsetzende Befugnisse besonderer Art, als die von ihnen wegen Bruchs ihrer Anordnungen festgesetzten Bußen und Strafen von den Gerichten aufrechterhalten werden konnten. Im Frühsommer teilte die Gilde dem britischen Handelsattaché mit, daß sie bereit sei, die Durchführung aller von dänischen Kaufleuten den englischen Kontrollbehörden gegebenen Garantien zu überwachen. Das von ihr "vorgeschlagene System war vollständig von dem System verschieden, das die einzige andere, Handelszwecken dienende, Organisation anwandte, von der wir Kenntnis hatten. Der niederländische Trust war ein allgemeiner Adressat und Verteiler mit technischen Unterausschüssen für die Behandlung von Metall, Gummi, Textil- und Treibstoffladungen und mit zahlreichen Handelsagenten und Spitzeln. Die dänische Gilde lehnte es von Anbeginn ab, ein allgemeiner Adressat zu sein."122 Ihre Weigerung und das Fehlen eines organisierten Nachrichtenapparates erregten naturgemäß Zweifel über den Wert der angebotenen Garantie, die der nach London gereiste Vertreter der Gilde Dr. Federspiel jedoch durch den Hinweis zerstreuen konnte, daß die Gilde die des Bannguthandels verdächtigen Firmen nicht als Mitglieder aufgenommen habe und daß sie jede Verfehlung eines Mitgliedes mit einem dem geschäftlichen Ruin gleichkommenden Ausschluß aus der Gilde bestrafen werde. Auf Grund dieser Erklärung trat man in Verhandlungen über die Einzelheiten eines Abkommens ein. Bei den Verhandlungen erklärte Mr. Sargent "von Anfang an, daß der Hauptzweck des Abkommens sei, Garantien gegen die Wiederausfuhr von Gütern nach Deutschland, Schweden und Norwegen zu erlangen, und ein allgemeines Rationierungssystem einzuführen:
Ich machte ihm klar, schrieb er, daß wir uns das Recht vorbehalten müßten, über den normalen Durchschnittsverbrauch liegende Einfuhren Dänemarks (d. h. Gesamteinfuhr weniger Ausfuhren nach Feindländern) zu verhindern, da wir die Anhäufung von Vorräten in Dänemark nicht riskieren könnten. Dr. Federspiel scheint dem Grundsatz als solchen mit ebenso geringem [62] Zögern wie M. van Vollenhoven zugestimmt zu haben, denn in den Akten findet sich keine Spur eines Streites darüber. In Wahrheit begrüßten die Kaufleute und Kaufmannsvereinigungen das Rationierungsprinzip als einen Grundsatz, dessen Anwendung das Geschäft regelmäßiger und stetiger machen würde."123 Demgemäß übernahmen die Gilde und der Rat in dem Anfang November mit ihnen unterzeichneten Abkommen eine Garantie für den Inlandverbrauch der von ihnen bescheinigten Ladungen und verpflichteten sich ferner - worauf englischerseits aus Mißtrauen gegen Schweden besonderes Gewicht gelegt wurde -, den Wiederausfuhrhandel nach Skandinavien nur im normalen Umfang und nur gegen Ausstellung einer Verbleibsgarantie durch den norwegischen oder schwedischen Adressaten der Güter weiterzuführen. Es wurde ferner ausdrücklich erklärt, daß das Abkommen als Instrument zur Einführung eines allgemeinen Rationierungssystems diene und daß über die zu rationierenden Artikel und die Höhe der Rationen ein ergänzendes besonderes Abkommen geschlossen werden solle. Ebensowenig Schwierigkeiten wie in Dänemark machte die Annahme des Rationierungsgrundsatzes in der Schweiz. Da alle wichtigen lebensnotwendigen Ausfuhren der Schweiz aus eingeführten Rohstoffen hergestellt waren, so hätte die strikte Anwendung des Prinzips des abgeleiteten Banngutes auf die Schweiz entweder dazu geführt, sie als Feind zu behandeln oder aber dazu, alle ihre auf dem deutschen Markt verkauften Erzeugnisse aufzukaufen und sie gleichzeitig mit allen notwendigen Rohstoffen zu versorgen. Ersteres erwies sich aus politischen Gründen, letzteres vor allem deswegen als unmöglich, weil die Alliierten die schweizer Kohlenzufuhren nicht zu übernehmen in der Lage waren und die deutsche Regierung deshalb auf einem gewissen Anteil an der schweizer Erzeugung bestehen konnte. Die internationale Verflechtung der schweizer Industrien, die "eine mehr mitteleuropäische als eine rein schweizer Angelegenheit waren",124 machte ihre Kontrolle besonders schwierig. Hierzu kam noch, daß die bedeutendsten Werke Kriegslieferungen für beide Teile ausführten. Aus allen diesen Gründen waren Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der der Schweiz durch das mit ihr im Dezember abgeschlossene Banngutabkommen auferlegten Verpflichtungen unvermeidlich. Der Anspruch der Schweiz, über die Erzeugnisse ihrer Industrie frei zu verfügen, wurde mit einer ständig zunehmenden Zurückhaltung der nach der Schweiz bestimmten Ladungen, insbesondere von Metallen, beantwortet. Die dadurch hervorgerufene Rohstoffverknappung zwang wiederum die schweizer Industrie, sich enger an den deutschen Ein- und Ausfuhrmarkt anzuschließen. Um der Gefahr ihres gänzlichen Übergangs zum Feinde entgegenzutreten, entsandte die Banngutabteilung Sir Francis Oppenheimer, der Ende 1914 die erfolgreichen Verhandlungen mit dem Niederländischen Überseetrust geleitet hatte, nach Bern. Dieser sollte insbesondere prüfen, ob aus dem Metalltrust, den die Schweizer zur Milderung ihres Metallmangels gegründet [63] hatten, ein allgemeiner Empfangstrust nach holländischem Vorbild entwickelt werden könnte. Der von Sir Francis Oppenheimer ausgearbeitete und im April vom Bundesrat, mit geringen Änderungen genehmigte Plan enthielt im wesentlichen folgende Bedingungen: Gewisse schweizer Gewerbezweige, vor allem die Schokoladen- und Uhrenindustrie sowie ein Teil der Konfektionsindustrie, galten als "nationale Industrien", deren Erzeugnisse ohne Rücksicht auf die Herkunft der Rohstoffe als heimisches Erzeugnis angesehen wurden. Sie blieben außerhalb des allgemeinen Abkommens. "Die Industrien, die unter die Regelung des Plans fielen, sollten ihre Materialien von einem allgemeinen Einfuhrtrust empfangen, der aus dem Ausland alle von den schweizer Industrien benötigten Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigwaren erhielt. Diese Überwachungsgesellschaft sollte die Verpflichtung eingehen, daß alle von ihm empfangenen Rohmaterialien nur gemäß den mit dem Herkunftsland der Materialien vereinbarten Bedingungen ausgeführt oder wiederausgeführt würden. Obgleich die Überwachungsgesellschaft in keiner Weise ein Regierungsorgan war, sollte sie doch in allen Fragen der Ausfuhrverbote als sachverständige Beraterin des Bundesrats angesehen werden. Mehr noch, der Bundesrat sollte der Überwachungsgesellschaft das Recht einräumen, durch Unterbreitung von Anklagematerial vor den schweizer Gerichten Strafverfahren einzuleiten. Syndikate einzelner Industrien sollten mit dem Überwachungstrust zusammenarbeiten und nach Empfang der für sie bestimmten Zufuhren diese unter die einzelnen Firmen verteilen....125 Schließlich wurde, was vielleicht am wichtigsten war, die Menge der an die Überwachungsgesellschaft adressierten Rohstoffe und Güter nach den normalerweise in das Land eingeführten Mengen berechnet."126 Diese Bedingungen sollten in die Form eines Abkommens zwischen der englischen und französischen Regierung einerseits - und der schweizer Überwachungsgesellschaft andererseits gekleidet werden, dessen Bestätigung durch einen Notenwechsel zwischen dem Bundesrat und den alliierten Vertretern vorgesehen war. Das Inkrafttreten des Abkommens verzögerte sich bis zum Herbst, weil Frankreich einige Abänderungsvorschläge machte. Unter anderem forderte es ein Recht auf vorherige Befragung der Alliierten bei der Ernennung des Direktors und des Generalsekretärs der Überwachungsgesellschaft, und, was wichtiger war, eine Garantie des Bundesrats für alle in den der Mantelnote beigefügten Urkunden enthaltenen Verpflichtungen. Die französischen Vorschläge stießen auf schärfste Ablehnung des Bundesrats, der erklärte, die Bundesbehörden "könnten nur für die Errichtung des Überwachungsorgans verantwortlich sein, würden aber niemals für dessen Handlungen Garantie leisten.
Während der Trust bisher als ein Privatverein errichtet werden sollte und so die Bundesregierung neutral und unabhängig ließ, wird durch das Verlangen, sie solle die von dem Trust übernommenen Verpflichtungen garantieren, nun die Regierung hineingezogen."127 Angesichts der entschiedenen Weigerung des Bundesrats blieb den [64] Franzosen nichts anderes übrig, als ihre Abänderungsvorschläge fallen zu lassen, so daß der Plan im wesentlichen unverändert angenommen wurde. Das gegenüber Norwegen angewandte System unterschied sich wesentlich von dem bisher betrachteten. Die Errichtung eines einzigen Einfuhrtrustes oder einer einzigen garantierenden Gesellschaft war, wie bereits dargelegt, in Norwegen nicht durchführbar. "Es würde sicherlich möglich gewesen sein, mit der norwegischen Regierung ein Rationierungsabkommen zu schließen, aber das wurde von Mr. Findlay und seinem Stab nicht für ratsam gehalten, die überzeugt waren, ein so geschlossenes Rationierungsabkommen würde von den norwegischen Regierungsstellen unterschiedlich angewendet, wenn die Politik ein Entgegenkommen gegenüber den Deutschen erfordere. Deshalb schloß Mr. Findlay eine große Anzahl von Einzelabkommen mit den Firmen und Gesellschaften, die die Stoffe verteilten, deren Rationierung wir am dringendsten wünschten. Wenn man allein die Tabelle der norwegischen Abkommen zu Rate zieht, könnte man vielleicht daran zweifeln, ob Norwegen jemals so in das Rationierungssystem eingespannt war wie Dänemark und Holland. Tatsächlich war das Land ebenso wirksam auf eine nationale Ration gesetzt wie irgendein anderes."128 Bei der völkerrechtlichen Wertung der Rationierungsabkommen, die den letzten Rest der handelspolitischen Unabhängigkeit der Randneutralen beseitigten, wird am zweckmäßigsten die Beurteilung zugrunde gelegt werden können, die sie in dem britischen Werk gefunden haben. "Augenscheinlich", heißt es hier, "konnte nichts mit alledem, was man unter neutralen Rechten, Souveränität und dergleichen verstand, unvereinbarer sein, als die Beschränkung des neutralen Handels auf eine von im Dienst einer kriegführenden Regierung stehenden Statistikern errechnete Ziffer. Wenn man sich daran erinnert, wie oft ein streitiger Punkt des Seerechts zum Gegenstand diplomatischer Streitigkeiten geworden ist, wenn man darüber nachdenkt, daß ungleich geringfügigere Einschränkungen des neutralen Handels als die Einschränkung auf Rationen, zweimal die neutralen Staaten Europas gegen uns aufbrachten und einmal die Vereinigten Staaten zum Krieg gegen uns veranlaßten, so will es in der Tat seltsam erscheinen, daß dieser ungeheuren Neuerung ohne Streit zugestimmt wurde und doch ist es genau das, was sich ereignete, denn Herrn van Vollenhovens schriftliches Versprechen, daß der Trust die holländischen Einfuhren auf die für den heimischen Verbrauch benötigte Menge beschränken würde, wurde ganz gern und willig gegeben.129 Und die dänischen Vertreter genehmigten alle Rationierungsklauseln ihrer Abkommen ohne jeden Kommentar. Es hat auch nicht den Anschein, als ob das bloße Prinzip der Rationierung bei den erheblich schwierigen Verhandlungen in Bern ernstlich bestritten worden wäre.... Es wird deshalb immer eine Merkwürdigkeit der Seegeschichte sein, daß das Rationierungssystem - allem Anschein nach ein ebenso schwerer Einbruch in die Frei- [65] heiten des neutralen Handels wie irgendeiner der in den letzten drei Jahrhunderten versuchten - doch ein Grundsatz war, den Kriegführende und Neutrale bekräftigten und den sie ohne jene vorhergehende Anpassung streitiger Meinungen und Interessen, die die Unterhandlung hervorruft, durchführten. Es ist jedoch bezeichnend, daß diese bereitwillige unbedingte Zustimmung nur gegeben wurde, wenn die neutralen Unterhändler Vertreter von Handelsgilden und ähnlichen Gesellschaften waren, das heißt Männer, die nur darauf bedacht waren, sich ihre Einkünfte zu sichern und Käufe und Verkäufe zu tätigen und abzuwickeln. Das Prinzip wurde weniger leicht ertragen, wenn eine neutrale Regierung Verhandlungsgegner war, denn dann wurden die gegebenen oder abverlangten Versprochen einer politischen Prüfung unterzogen und den abstrakten Grundsätzen der Neutralität, der nationalen Freiheit und der Nationalehre gegenübergestellt."130 Dieser Beurteilung ist kaum etwas hinzuzufügen, denn sie kommt einem, wenn auch in verschleierter Form gemachten Einverständnis der Völkerrechtswidrigkeit der Rationierungsabkommen und ihrer Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der nationalen Souveränität gleich. Die Theorie der Trennung von Politik und Wirtschaft, die einerseits den randneutralen Staat durch das amtlich autorisierte Wirken der Handolsoligarchie zum Werkzeug des britischen Blockadesystems macht, während andererseits die Regierung eben dieses Staates beteuert, sie könne für die "auf rein geschäftlicher Basis" erfolgende Preisgabe der nationalen Unabhängigkeit keinerlei Verantwortung übernehmen, wird mit kaum verhehltem Hohn behandelt. Ihre innere Brüchigkeit tritt noch klarer zutage, wenn man das Verhalten der holländischen, dänischen und schweizer Regierungen mit demjenigen der schwedischen Regierung vergleicht, die sich als einzige bemühte, eine Politik der Neutralität zu verfolgen.
Auch Schweden hatte im Dezember 1914 mit England und Frankreich ein Banngutabkommen abgeschlossen, hatte aber ebenso wie die übrigen Randneutralen die Erfahrung machen müssen, daß England in dem Banngutabkommen nur einen Ansatzpunkt zu Schwedens vollständiger handelspolitischer Unterwerfung unter sein Blockadesystem sah und keineswegs gewillt war, sich strikt an das Vereinbarte zu halten. Im Januar/Februar 1915 hatte deshalb ein scharfer Notenwechsel zwischen den beiden Staaten stattgefunden, in dem man jedoch schließlich übereingekommen war, das Abkommen als weiter in Kraft befindlich anzusehen. Das durch die unerwarteten Regungen des nationalen Selbstbewußtseins wachgerufene Mißtrauen der Banngutabteilung gegen Schweden wurde im Laufe des Frühjahrs 1915 noch verstärkt. Die gerade in Schweden mit besonderem Geschick arbeitende britische Handelsspionage glaubte beobachten zu können, daß schwedische Regierungsstellen von dem in dem [66] Banngutabkommen vorgesehenen Recht, Ausnahmen von den Ausfuhrverboten zu bewilligen, in einem größeren Umfang, als von England erwartet worden war, Gebrauch machten und daß sie dabei mehr den Interessen ihrer eigenen Wirtschaft als denjenigen der britischen Banngutkontrolle Rechnung trugen. Hierüber zur Rede gestellt zeigten sich die Schweden keineswegs zerknirscht, wie die Banngutabteilung dies nach Erteilung entsprechender Verweise von den übrigen Randneutralen gewohnt war, sondern sie verbaten sich die Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten. Sie lehnten es von Anfang an ab, "anzuerkennen, daß die Handhabung ihrer Gesetze und Verordnungen mit Vertretern eines fremden Staates erörtert werden könnte und sie weigerten sich folgerichtig, uns genaue Angaben über die unter Lizenz aus ihrem Lande ausgeführten Banngutmengen zu machen. Hier lag der große Unterschied zwischen dem Verhalten der Schweden und dem Verhalten der anderen europäischen Neutralen."131 Diese schwedische Haltung in der Frage der Erteilung der Ausfuhrlizenzen wurde dadurch besonders bedrohlich, weil Schweden seine Verpflichtungen aus dem Banngutabkommen mit der englischen Waffendurchfuhr nach Rußland in Verbindung zu bringen suchte. Deuteten doch die schwedischen Regierungsstellen an, "daß jede für die Warendurchfuhr nach Rußland erteilte Lizenz durch eine Lizenz für die Wiederausfuhr einer entsprechenden Menge Güter nach Deutschland ausgeglichen werden müßte".132 Geradezu empörend mußte es aber der Banngutabteilung erscheinen, daß Schweden sich den britischen Bemühungen, das Kontrollsystem durch Abschluß von Abkommen mit schwedischen Wirtschaftsvereinigungen und Unternehmern, insbesondere mit den schwedischen Reedereien, zu erweitern, widersetzte. "Dies war ein anderer sehr wichtiger Unterschied zwischen der Haltung der schwedischen und der Haltung der dänischen, norwegischen und niederländischen Regierungen. Diese letzteren hatten aktiv alle privaten Vereinbarungen zur Erleichterung des Handels ermutigt, die schwedische Regierung verbot sie ausdrücklich."133 Die Unzufriedenheit über das schwedische Verhalten veranlaßte den Banngutausschuß zu der schon oft bewährten Methode von Schiffszurückhaltungen in terrorem zu greifen. Sie führte aber dieses Mal nicht zu dem erwünschten Ergebnis. Im Gegenteil, der dadurch hervorgerufene, eine erhebliche Schärfe annehmende Meinungsaustausch bestätigte nur die Unversöhnlichkeit der beiderseitigen Standpunkte. "Der einzige Punkt, über den sich die beiden Regierungen einig waren, war der Zusammenbruch des Dezemberabkommens."134 Nach dem Zusammenbruch des Banngutabkommens einigte man sich auf schwedischen Wunsch zunächst auf einen provisorischen modus vivendi, der in einer Aushandlung der Freigabe für Schweden wesentlicher Güterpartien gegen die Erteilung von Durchfuhrlizenzen für gewisse durch den russischen Militärattaché listenmäßig aufgezählte Güter bestand. Ende Juni 1915 wurden in Stockholm Verhandlungen über eine Generalregelung aller schwebenden Streitfragen eröffnet. [67] Die unter Führung Vansittarts stehende englische Delegation hatte die Weisung, die beiden wichtigsten Verhandlungspunkte, nämlich: 1. die Rationierung Schwedens durch einen zentralen Empfangstrust nach holländischem Vorbild oder, wenn dessen Errichtung nicht zu erreichen sei, durch Vereinigungen der wichtigsten Handels- und Industriezweige sowie 2. die Sicherung der englischen Durchfuhren nach Rußland mit allem Nachdruck durchzusetzen. Der erste der beiden Punkte wurde von Schweden rundweg abgelehnt, weil die schwedische öffentliche Meinung dafür eintrat, "daß die Streitpunkte in einer dem Nationalstolz Rechnung tragenden Weise beigelegt werden müßten und daß sie nicht als bloße Fragen des Geschäfts und der Zweckmäßigkeit behandelt werden dürften".135 Zum zweiten Punkt erklärten die Schweden, "daß ein striktes neutrales Verhalten sie verpflichte, keinem Kriegführenden eine Vergünstigung zu gewähren, die nicht durch eine gleichwertige Vergünstigung des anderen Kriegführenden ausgeglichen würde. Infolgedessen... müßte die Menge der nach Rußland durchgelassenen Waren und der nach Deutschland wieder ausgeführten Güter auf gleicher Höhe gehalten werden."136 Unglücklicherweise wichen die Schweden im weiteren Verlauf der Verhandlungen von der geraden Linie der Neutralität insofern ab, als sie die englische Behauptung, neutrale Einfuhren müßten auf das zum heimischen Verbrauch Erforderliche beschränkt werden, grundsätzlich anerkannten. Sie erhoben zwar den Anspruch, "sie allein seien für die Bestimmung des heimischen Verbrauches und zur Berechnung der normalen Einfuhrziffern zuständig" und "teilten unseren Vertretern sehr nachdrücklich mit, daß weder diese Bestimmung noch die entsprechenden Statistiken mit fremden Diplomaten diskutiert werden könnten".137 Aber alle Erklärungen, es sei für sie "eine Frage des Nationalstolzes, daß der schwedische Handel allein von der schwedischen Regierung geordnet würde",138 konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie durch ihr verhängnisvolles Zugeständnis die Grundlage ihrer Verhandlungsposition erschüttert hatten. Erst als es zu spät war, scheinen sie ihren Fehler erkannt zu haben und machten einen selbstverständlich ergebnislos verlaufenden Versuch, die amerikanische Regierung gegen das Rationierungsprinzip zu mobilisieren. Da die russische Armee gerade um diese Zeit schwerste Niederlagen erlitt und deshalb nicht die in dem modus vivendi zugesicherten Durchfuhren entbehren konnte, wurde die englische Delegation angewiesen, die Verhandlungen durch Ausarbeitung von Kompromißvorschlägen ad referendum, solange als möglich, hinzuziehen. Bei diesen Vorschlägen mußten englischerseits notgedrungen "die schwedischen Ausfuhrverordnungen, die schwedischen Berechnungen der Normaleinfuhr und die Garantien der schwedischen Regierung für den heimischen Verbrauch als volle und ausreichende Sicherheit"139 für die Durchführung der Rationierung anerkannt werden. Doch versuchte man die dadurch der schwedischen Regierung belassene Bewegungsfreiheit durch Einteilung der zugestandenen [68] Einfuhren in zwei Kategorien zu begrenzen, von denen die erste Waffen, Kriegsmaterial und zu dessen Herstellung besonders wichtige Metalle, Leder, Wollgarne und Mineralöle, die zweite solche Banngutwaren, die auch Artikel des allgemeinen Handels waren, umfaßte. Für Waren der ersten Art sollten in keinem Fall Ausfuhrlizenzen bewilligt werden. Güter der zweiten Art sollten auf die Liste der Einfuhrverbote gesetzt und die Möglichkeit der Bewilligung von Wiederausfuhrlizenzen durch die allgemeine Bestimmung begrenzt werden, daß die eingeführten Güter nur für den inneren Verbrauch bestimmt sein dürften. Der Mitte Juli übergebene, auf dieser Grundlage ausgearbeitete Vansittartsche Plan wurde von den Schweden sehr zurückhaltend aufgenommen. Sie konnten ihn aber nach der einmal gegebenen grundsätzlichen Anerkennung des Rationierungsprinzipes nicht mehr ablehnen und antworteten deshalb auf den bei der Übergabe geäußerten Wunsch Vansittarts "nach einer ungefähren Kenntnis der von den schwedischen Regierungsstellen anzuwendenden Prüfungsarten für die Normaleinfuhr und den heimischen Verbrauch", "sie könnten uns niemals erlauben, Tatsachen und Zahlen mit ihnen zu erörtern, und sie würden niemals einwilligen, daß Durchschnittswerte der Statistiken von Normaljahren zur Grundlage der Berechnung gemacht würden. Sie versprachen, daß ein staatlicher Ausschuß in jedem Einzelfall darüber entscheiden solle, was heimischer Verbrauch sei und was nicht."140 Anfang August konnten die Verhandlungen endgültig beendet werden. Der wesentlichste Teil des Abkommensentwurfs, auf den sich die beiden Delegationen geeinigt hatten, "war der dritte Artikel, der Mr. Vansittarts erstes Kompromiß enthielt, nach welchem die nicht auszuführenden Güter auf zwei Listen gesetzt werden sollten. Für Güter der ersten Liste sollten in keinem Falle Ausfuhrlizenzen erteilt werden. Güter der zweiten Liste sollten auf die Liste der Ausfuhrverbote gesetzt und nur für den schwedischen inneren Verbrauch eingeführt werden. Die beiden großen Zugeständnisse an die Schweden bestanden darin, daß keine Bestimmungen über die Abschätzung oder Anzeige der Zahlen des Normalverbrauchs vorgesehen waren und daß die britische Regierung eine Bescheinigung der 'Handelskommission' als genügenden Beweis dafür betrachten sollte, daß die für den schwedischen heimischen Verbrauch notwendigen Mengen nicht überschritten würden.... Die übrigen Artikel waren weniger wichtig. Ein Kompromiß wurde in der Frage der Zurückhaltung durch die Zusage von Liegegeldern für Schiffe erzielt, die länger als drei Tage zurückgehalten wurden. Die Schweden erklärten sich zur Anerkennung unseres Rechts zur Zurückhaltung von Ladungen bereit, falls klare Beweise für deren feindliche Bestimmung vorlagen."141 Es ist selbstverständlich, daß allein die Tatsache, daß ihre Delegation an einem solchen Abkommensentwurf mitgewirkt hatte, der britischen Regierung, die auf willfährige Gefolgschaft der Randneutralen zu rechnen gewohnt war, größtes Unbehagen verursachen mußte. War der Entwurf doch "von den in Bern und im Haag verhandelten und von dem mit der [69] dänischen Gilde beabsichtigten so verschieden, daß er mit Recht als eine Ausnahme unseres im Ausbau befindlichen allgemeinen Kontrollsystems bezeichnet werden konnte. Das Abkommen würde als solches für das ganze neutrale Europa die Ankündigung einer Schlappe unserer Politik gewesen sein."142 Es war so gut wie sicher, daß die Durchführung des Abkommens auf die größten praktischen Schwierigkeiten stoßen würde, denn nach den Erfahrungen Englands bei seinen Verhandlungen mit den übrigen Randneutralen, welche sich erst nach längeren Diskussionen den englischen Schätzungen ihres Normalverbrauchs gefügt hatten, war anzunehmen, "daß die schwedischen Regierungsstellen, nachdem sie sich in dieser wesentlichen Frage, was für den heimischen Verbrauch notwendig sei und was nicht, zu Richtern gemacht hatten, Berechnungen und Schätzungen aufgestellt hätten, die selbst bei Mitteilung an uns von unserem Sachverständigen für zweifelhaft gehalten worden wären".143 Infolge der düsteren militärischen Lage Rußlands sah sich England veranlaßt, die mit Schweden aufgeführte Komödie, in der es diesem Lande eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Bereitschaft zu einer Kompromißlösung vorspiegelte, um weitere zwei Monate zu verlängern. Der schwedischen Regierung wurde vom Außenamt mitgeteilt, daß man sich nicht vor Mitte September über die Annahme des Abkommens äußern könne. In der Zwischenzeit zeigte es sich, daß das System des Aushandelns der russischen Durchfuhren mit Lizenzen für britische Güter und des gegenseitigen Austausches der wesentlichsten Einfuhrwaren auch ohne Abkommen funktionierte. Diese Tatsache und die im Herbst 1915 erlangte Gewißheit, daß die russische Front den Winter über aushalten würde, machte ein weiteres Hinzögern der Verhandlungen überflüssig. Die Banngutabteilung arbeitete deshalb ein neues Abkommen nach dem Muster der mit den anderen Randneutralen verhandelten Abkommen aus und übermittelte es den Schweden am 10. Oktober mit dem Hinweis, auf Abänderungen des Entwurfes könne sich England nicht einlassen. Der schwedische Außenminister, der schon vorher angedeutet hatte, er ziehe einen vertraglosen Zustand, in dem die Handelsbeziehungen beider Länder periodisch neu ausgehandelt würden, einem Abkommen vor, das von beiden Seiten verschieden ausgelegt würde, antwortete, die Dinge könnten ohne großen Schaden wie bisher weiterlaufen. Damit hatten die Verhandlungen ihr Ende gefunden.
Da Baumwolle ein Hauptausfuhrartikel der Vereinigten Staaten war, hatte das englische Kabinett im Oktober 1914 auf Grund eines Gutachtens technischer Sachverständiger aus der Admiralität und dem Kriegsamt davon abgesehen, Baumwolle zum Banngut zu erklären, und der britische Botschafter hatte im Auftrag Sir Edward Greys an den Staatssekretär Bryan ein Schreiben gerichtet, das folgende Zusicherung enthielt: "Baumwolle ist nicht auf irgendeine von unseren Banngutlisten [70] gesetzt worden. Wie Ihr Ministerium aus dem in Ihrem Besitz befindlichen Proklamationsentwurf wissen muß, wird nicht beabsichtigt, sie in unsere neue Banngutliste aufzunehmen. Sie steht, soweit es Deutschland betrifft, auf der Freiliste und wird dort bleiben."144 Nach dem Erlaß der März-Order erklärte England sich bereit, alle von den Randneutralen vor dem 12. März gekaufte und vor dem 31. März 1915 verschiffte Baumwolle aufzukaufen und erreichte durch diese den Baumwollpreis haltende Übergangsmaßnahme, daß die amerikanische Regierung zunächst keine Schritte in der Baumwollfrage unternahm. Zur Vorbereitung einer endgültigen Regelung wurde von dem englischen Kabinett ein interministerieller Ausschuß eingesetzt, dem gegenüber Sir Eyre Crowe die Auffassung entwickelte, daß der zu erwartende Streit mit Amerika über die britische Handelssperre durch die Erklärung der Baumwolle zum Banngut gemildert werden könnte. "Was für Proteste die amerikanische Regierung in der Folgezeit auch immer erheben würde, so konnte doch wenigstens angenommen werden, daß sie geneigter war, in die Beschlagnahme und Zurückhaltung einer Ladung einzuwilligen, weil sie Banngut war, als deswegen weil sie auf Grund einer Order in Council, deren Rechtmäßigkeit sie nicht anerkannt hatte, der Beschlagnahme unterlag. Niemand weder in Amerika noch in Europa konnte noch darüber im Zweifel sein, daß Baumwolle nach dem strengen Völkerrecht absolutes Banngut war."145 Im Gegensatz zu der Auffassung Sir Eyre Crowes scheint im britischen Kabinett eine Richtung bestanden zu haben, die befürchtete, eine Erweiterung der britischen Blockademaßnahmen könnte einen Konflikt mit den Vereinigten Staaten hervorrufen und dadurch einer Verschärfung der deutsch-amerikanischen Streitigkeiten wegen des U-Bootkrieges hinderlich sein. Der Wortführer der letzteren Gruppe, Sir Edward Grey, glaubte in einer Anfang Juli 1915 überreichten sehr scharfen Note des Staatsdepartements wegen der Beschlagnahme einer von Holland nach Amerika bestimmten Ladung Anilinfarben auf dem Dampfer Neches eine Bestätigung ihrer Befürchtungen erblicken zu müssen. Bei näherer Prüfung der Angelegenheit stellte sich jedoch heraus, daß die amerikanische Regierung wie üblich mit zwei Zungen sprach. "Wenn die buchstäbliche Bedeutung der Worte dem inneren Sinn der Note entsprochen hätte, so hätte das Staatsdepartement damit sicherlich der März-Order den offenen Kampf angesagt. Aber Sir Cecil Spring-Rice überzeugte sich durch Sondierungen davon, daß das nicht vom Staatsdepartement beabsichtigt war. Das Telegramm nach London war ihm zwar zur Kenntnis gegeben worden, stammte aber von einem untergeordneten Ministerium, das sich im allgemeinen nicht mit diesen Dingen befaßte. Sir Cecil Spring-Rice teilte dem Rechtsberater des Staatsdepartements, der ihm das Telegramm zeigte, mit, daß Entscheidungen des obersten Bundesgerichts zur Widerlegung der in der Note vertretenen Doktrin angeführt werden könnten und das Staatsdepartement verfolgte die Sache nicht weiter."146 [71] Obwohl hierdurch die Bedenken Sir Edward Greys teilweise zerstreut worden waren und zahlreiche Kabinettsmitglieder mit Unterstützung der französischen Regierung auf Einbeziehung der Baumwolle in die Banngutlisten drängten, kam das Kabinett im Juli zu keinem Entschluß. Der Grund dafür lag, abgesehen von alarmierenden Berichten des britischen Botschafters über die steigende Unzufriedenheit amerikanischer Wirtschaftskreise mit den britischen Blockademaßnahmen, darin, daß sich Lansing den über den amerikanischen Botschafter Page gemachten britischen Sondierungen gegenüber sehr zurückhaltend verhielt. Er erklärte, die Angelegenheit mache ihm Sorgen, und wies Page an, Sir Edward Grey an sein Versprechen vom Oktober 1914 zu erinnern. Wiederum zeigte sich in kürzester Frist, daß die Weisung nicht ernst gemeint war. "Die Absendung der ersten Weisungen für Mr. Page war jedoch nur ein Manöver des Staatssekretärs, um Zeit zu gewinnen, gewesen, denn zwei Tage später empfing er unseren Botschafter und sagte ihm im Beisein Mr. Chandler Andersons, die Erklärung der Baumwolle zum Banngut sei vermutlich der beste Weg. Dies kann als die entscheidende Anregung angesehen werden, denn nach Empfang dieser Zusicherung hatten unsere Regierungsstellen freie Hand, um die Erklärung zu erlassen, sobald sie ihre Pläne zur Aufrechterhaltung des Preises vollendet hatten."147 Nachdem die Einzelheiten der Stützungsaktion in einer den Präsidenten Wilson befriedigenden Weise festgelegt worden waren, wurden am 20. August 1915 Rohbaumwolle, Baumwollabfall und Baumwollgarn auf die Liste für unbedingtes Banngut gesetzt. Damit war auf Betreiben der amerikanischen Regierung die letzte Lücke in der Blockadefront geschlossen.
Vergleicht man die Planung und den bisherigen Verlauf der britischen Hungerblockade des gegenwärtigen Krieges mit derjenigen des Weltkrieges, so muß man trotz mancher Gleichartigkeit bedeutsame Unterschiede feststellen, die die britische Rechnung, durch Anwendung gleicher Mittel die gleichen Wirkungen erzielen zu können, zu einer der gewaltigsten Fehlspekulationen der englischen Geschichte gemacht haben. Was die Planung angeht, so war sie auf der britischen Seite zweifellos systematischer und umfassender als in den Jahren vor 1914. War man damals nur über das Ziel, nicht aber über die Mittel einig gewesen - was bei der Neuartigkeit der beabsichtigten Operation der Aushungerung eines ganzen Volkes, für die es keinerlei Vorbilder in der Seekriegsgeschichte gab, nicht wundernimmt -, so lag im September 1939 ein in gemeinsamer Beratung mit Frankreich genau ausgearbeiteter Blockadeplan vor, der sich eng an die 1914/1918 gemachten Erfahrungen anlehnte. Im Gegensatz zum Weltkrieg sollten aber die Einfuhrsperre und die Rationierung der Randstaaten nicht langsam und Schritt für Schritt, [72] sondern sofort und mit voller Schärfe durchgeführt werden. Schien doch ein Grund für ein behutsames Vorgehen nicht mehr vorhanden zu sein, da man sich des Einverständnisses der Randneutralen und der Vereinigten Staaten von vornherein sicher wähnte. Bewegte sich die britische Blockadeplanung im wesentlichen in alten ausgefahrenen Geleisen, so konnte die deutsche Planung der Blockadeabwehr nicht an alte Vorbilder anknüpfen, weil es Deutschland in der Zeit vor 1914 unterlassen hatte, sich auf den drohenden englischen Wirtschaftskrieg ausreichend vorzubereiten. Die mangelnde wirtschaftliche Rüstung Deutschlands im Jahre 1914 kann auf zwei Ursachen zurückgeführt werden, deren ausführliche Darstellung in dem britischen Werk zeigt, daß man sich in England über ihre Bedeutung durchaus im klaren war: auf das Vorherrschen der von England importierten liberalen Wirtschaftsauffassung, die den Gedanken eines zentral gelenkten wirtschaftlichen Verteidigungsplans als eine Häresie gegen das geheiligte freie Spiel der Kräfte erscheinen ließ und auf das wenig angebrachte Vertrauen der deutschen Führung in Englands Völkerrechtstreue, das in dem von diesem Lande im Laufe der Geschichte so oft mit Füßen getretenen Seekriegsrecht einen ausreichenden Ersatz für die fehlende wirtschaftliche Rüstung sehen zu können glaubte. Als Tirpitz 1906 zum ersten Male auf Deutschlands gefährliche wirtschaftliche Lage im Falle eines Krieges mit England hinwies, ergab die Untersuchung der Frage durch das Reichsamt des Innern, daß Deutschlands Vorräte nur 9 Monate ausreichen würden. Da der Generalstab diesen Zeitraum für genügend erklärte, wurde trotz Tirpitz' energischen Protestes nichts weiter unternommen. Erst Ende 1912 setzte man unter dem Druck der Öffentlichkeit einen ständigen Ressortausschuß ein. Dieser beschränkte seine Tätigkeit aber auf die Vorbereitung einer Reihe technischer Maßnahmen der Vorratsbewirtschaftung, war er doch "zu der Überzeugung" gelangt, "daß die Forderungen der Öffentlichkeit - wirtschaftliche Mobilmachung und wirtschaftlicher Generalstab - höchst unklug wären, da sie von einer Einwirkung auf Handel und Industrie ausgingen, die für beide außerordentlich schädlich sei. In der Tat war die letzte, wenige Monate vor Kriegsbeginn vorgelegte, Übersicht über Deutschlands wirtschaftliche Widerstandskraft wenig mehr als eine, mit einer Fülle erläuternder Statistiken versehene, Wiederholung, daß ein kurzer Krieg und ein freier unbehinderter Handel zwischen Skandinavien und Amerika der einzige Schutz von dauerndem Wert sei...".148 "Der Bericht... war praktisch ein Verzeichnis der in dem belagerten Lande noch zu treffenden Verteilungsmaßnahmen. Sehr wenig wurde darin zu der großen Frage, wie die Belagerung zu durchbrechen sei, vorgeschlagen... Die Worte seines Vorsitzenden Dr. Clemens Delbrück zeigen in der Tat deutlich, daß die Zukunft dunkel und trübe erschien und daß die einzige Erleichterung in der Hoffnung auf einen frühen zermalmenden Sieg im Felde bestand."149 Die aus dem verderblichen Einfluß englischer Theorien geborene [73] Gleichgültigkeit gegenüber den Notwendigkeiten der wirtschaftlichen Verteidigung wurde dadurch gefördert, "daß in dieser Zeit zwei große Konferenzen des Völkerrechts zusammentraten und daß verantwortliche Regierungsstellen in Deutschland glaubten, das Gesetzbuch des Seerechts, auf das man sich auf der Londoner Konferenz geeinigt habe, sei eine befriedigende Garantie gegen wirtschaftlichen Druck. Admiral von Tirpitz machte zwar geltend, eine nichtratifizierte Urkunde böte keinerlei Sicherheit. Die amtliche Auffassung scheint jedoch die gewesen zu sein, daß ratifiziert oder nicht, die Londoner Deklaration amtlich als maßgebliche Sammlung des geltenden Gewohnheitsrechts anerkannt worden sei, und daß ernsthafte Abweichungen davon nicht zu erwarten wären."150 Die deutschen amtlichen Geschichtsschreiber haben deshalb darauf hingewiesen, "daß die deutschen Staatsmänner die Londoner Deklaration immer als einen Schutz gegen wirtschaftlichen Druck ansahen und so darauf vertrauten, sie sei ein angemessener Schutz, daß sie die Vorbereitungen zum Widerstand gegen einen Wirtschaftskrieg mißbilligt hatten".151 Beide Ursachen waren 1939 nicht mehr vorhanden. An Stelle der liberalen Wirtschaftsauffassung, die einem großen Teil des deutschen Volkes nicht einmal in den Krisenjahren der Friedenszeit ausreichende Existenzbedingungen hatte gewährleisten können, war der von der neuen Staatsführung vertretene Gedanke zur Herrschaft gelangt, daß Deutschland im Interesse seiner Selbsterhaltung danach streben müsse, alle lebensnotwendigen Güter im Inlande zu erzeugen. Als infolge des Scheiterns der deutschen Bemühungen um eine Annäherung an England die Gefahr einer neuen Hungerblockade greifbare Gestalt annahm, war es deshalb nur noch notwendig, die Autarkiebestrebungen auf die besonderen Notwendigkeiten des Kriegsfalles auszurichten, um Deutschland blockadefest zu machen. Daß nach den im Weltkrieg gesammelten Erfahrungen die Aufstellung des wirtschaftlichen Verteidigungsplans auch nicht einen Augenblick durch den Glauben verzögert wurde, England würde sich im Kriegsfalle an das Völkerrecht halten und vor einem zweiten Attentat auf das Leben der deutschen Zivilbevölkerung zurückschrecken, bedarf wohl kaum der Erwähnung. War durch die deutsche Vorbereitung die britische Planung der zweiten Hungerblockade von vornherein um jede Erfolgsaussicht gebracht, so bereitete der Verlauf des Blockadekrieges der Hoffnung Englands, die Geschichte werde sich noch einmal wiederholen, eine erneute herbe Enttäuschung. Die Ereignisse des Frühjahrs 1940 zerstörten die auf den europäischen Kontinent vorgeschobenen Außenbastionen der britischen Blockadefront. Ein einheitlicher europäischer Wirtschaftsraum entstand, in dem durch Verteilung der Erzeugungsüberschüsse der einzelnen dazugehörigen Teilgebiete Verknappungen an Nahrungsmitteln und kriegswichtigen Rohstoffen naturgemäß leichter ausgeglichen werden konnten, als in einem auf sich allein gestellten Staat. Je länger die Blockade dauert, um so enger wächst der europäische Raum zusammen und um so mehr gewinnt eine einheitliche europäische Wirtschaftsgesinnung an Boden, [74] die sich darin einig ist, der Vergewaltigung des Seekriegsrechts durch England ein für allemal ein Ziel zu setzen. Was ein weitsichtiger englischer Diplomat schon 1915 in einem Bericht an das Londoner Außenamt über die englischen Blockademaßnahmen gegen die Schweiz ahnungsvoll voraussah:
"Nach meiner bescheidenen Meinung wird ein Ergebnis des Krieges ein Aufstand der Landmächte gegen die britische Seeherrschaft sein, der weit entschiedener als alle bisher von uns erlebten sein wird",152 beginnt heute Wirklichkeit zu werden.
Das geeinte Europa wird durch Brechung der englischen Seeherrschaft die
Freiheit der Meere sichern und damit die kommenden Generationen Europas
für immer von dem drohenden Würgegriff britischer
Hungerblockaden befreien.
1Das deutsche Prisenrecht nennt die Beschlagnahme von Schiffen: Aufbringung ebenso wie das englische und französische Recht terminologisch von der Capture eines Schiffes und der Saisie bzw. der Seizure der Waren spricht. Rechtlich bedeuten beide Ausdrücke dasselbe....zurück... 2S. 9 (80). ...zurück... 3S. 10 (81)....zurück... 4S. 24 (93). ...zurück... 5S. 26 (94). ...zurück... 6S. 15/16 (85). ...zurück... 7S. 14 (83). ...zurück... 8S. 23 (92). ...zurück... 9Siehe den interessanten historischen Rückblick S. 18-20 (87-89). ...zurück... 10S. 31 (96). ...zurück... 11S. 30 [Scriptorium merkt an: richtig S. 27] (95). ...zurück... 12S. 172 (176). ...zurück... 13S. 172 (176/77). ...zurück... 14S. 33 [Scriptorium merkt an: richtig S. 38] (100). ...zurück... 15S. 39 (101). ...zurück... 16S. 40 (101). ...zurück... 17S. 41 (101/2) ...zurück... 18S. 55 (104). ...zurück... 19S. 56 (108). ...zurück... 20S. 56 (108). ...zurück... 21S. 57 (109). ...zurück... 22S. 57 (109). ...zurück...
23Der Verzicht bezog sich nur auf
solche Ladungspartien, deren Papiere den Empfänger bezeichneten. Art. 1
Nr. 3 des Order in Council vom 28. Oktober 1914 lautet:
24Art. 2 der Order in Council vom 28.
Oktober 1914 lautet: 25S. 35 (99). ...zurück... 26S. 36 (99). ...zurück... 27S. 44 (102). ...zurück... 28S. 62 (111). ...zurück... 29Die Mitwirkung der Franzosen war rein formal. ...zurück... 30S. 69 (115). ...zurück... 31S. 61 (110). ...zurück... 32S. 68. ...zurück... 33S. 69 (114). ...zurück... 34S. 69 (115). ...zurück... 35Die Mitwirkung der Franzosen war rein formal. ...zurück... 36S. 69 (115). ...zurück... 37S. 69 [Scriptorium merkt an: richtig S. 70] (116). ...zurück... 38S. 70 (116). ...zurück... 39S. 86 (126). ...zurück... 40S. 92 (129/30). ...zurück... 41S. 93 (130). ...zurück... 42S. 95 (131). ...zurück... 43S. 95 [Scriptorium merkt an: richtig S. 96] (132). ...zurück... 44S. 96 (132). ...zurück... 45S. 115 (137). ...zurück... 46S. 114 (136). ...zurück... 47S. 114 (136). ...zurück... 48S. 115 (136/37). ...zurück... 49S. 117 (138). ...zurück... 50S. 72. Das in diesem Zitat von dem Abkommen mit Holland Gesagte gilt selbstverständlich auch für die anderen Abkommen (118). ...zurück... 51S. 139 (152). ...zurück... 52S. 115 (138). ...zurück... 53S. 117 (138). ...zurück... 54S. 178 (181). ...zurück... 55Siehe auch die Ausführungen über den oligarchischen Charakter der niederländischen Herrschaft in Indien, S. 280 (259). ...zurück... 56S. 119 (139). ...zurück... 57S. 120 (140). ...zurück... 58S. 121 (140). ...zurück... 59S. 121 (140). ...zurück... 60S. 128 (144). ...zurück... 61S. 121 (140). ...zurück... 62S. 121 (141). ...zurück... 63S. 122 [Scriptorium merkt an: richtig S. 121] (141). ...zurück... 64S. 123 (142). ...zurück... 65S. 124 (142). ...zurück... 66S. 129 (145). ...zurück... 67S. 128 (144). ...zurück... 68S. 129 (144). ...zurück... 69S. 129 (145). ...zurück... 70S. 139 (152/3). ...zurück... 71S. 139 (153). ...zurück... 72S. 136 (150). ...zurück... 73S. 144 (155). Banngutliste vom 23. 12. 1914. ...zurück... 74S. 144 (155/6). ...zurück... 75S. 152 (160). ...zurück... 76S. 156 (161/62). ...zurück... 77S. 64 (112). ...zurück... 78S. 192 (191). ...zurück... 79S. 213 (205). ...zurück... 80S. 214 (205/6). ...zurück... 81S. 214 (206). ...zurück... 82S. 214 (206). ...zurück... 83S. 230 (220). ...zurück... 84S. 225 (216). ...zurück... 85Die Einzelheiten des amerikanischen Vorschlags waren folgende: Beide Kriegführende sollten Treibminen überhaupt nicht, Ankerminen nur vor ihren Häfen innerhalb der Kanonenschußweite zu Verteidigungszwecken verwenden. Sie sollten ihren U-Booten nur die Ausübung des Durchsuchungsrechts gestatten und ihren Handelsschiffen den Gebrauch fremder Flaggen verbieten. Deutschland sollte sich verpflichten, daß aus Amerika eingeführte Lebensmittel nur an Beauftragte der amerikanischen Regierung adressiert werden dürften, die für ihre Verteilung an die Zivilbevölkerung Sorge tragen würden. England sollte sich verpflichten, die an die amerikanischen Beauftragten adressierten Lebensmittelsendungen nicht zu beschlagnahmen. ...zurück... 86S. 227 (216/17). ...zurück... 87S. 227 (218). ...zurück... 88S. 228 (218). ...zurück... 89S. 237 (227). ...zurück... 90S. 239 (229). ...zurück... 91S. 239 (230). ...zurück... 92S. 239 (230). ...zurück... 93S. 240 (230). ...zurück... 94S. 240 (231). ...zurück... 95S. 146 (156). ...zurück... 96S. 160 (166). ...zurück... 97S. 249 (237). ...zurück... 98S. 251 [Scriptorium merkt an: richtig S. 250] (238). ...zurück... 99S. 251 (240). ...zurück... 100S. 254 (240). ...zurück... 101S. 157 (162). ...zurück... 102S. 256 (243). ...zurück... 103S. 256 (243). ...zurück... 104S. 257 (244). ...zurück... 105S. 258 (245/46). ...zurück... 106S. 259 (246). ...zurück... 107S. 260 (247). ...zurück... 108S. 262 (247/8). ...zurück... 109S. 263 (248). ...zurück... 110S. 265 (248). ...zurück... 111S. 272 (253). ...zurück... 112S. 272 (253). ...zurück... 113S. 273 (254). ...zurück... 114S. 273 (255). ...zurück... 115S. 274. Zu diesem Satz macht das Work folgende offensichtlich nachträglich bei der Überprüfung durch den Rechtsberater des Außenamts eingefügte Anmerkung, die für den zweiten Blockadekrieg die Möglichkeit offenlassen sollte, die Einziehung als Banngut durch den Rationierungsgrundsatz zu rechtfertigen. "Das Prisengericht wurde niemals aufgefordert, allein auf Grund des statistischen Beweises eine Ladung einzuziehen, so daß das Recht in diesem Punkt nicht feststeht. Die Beachtlichkeit des statistischen Beweises als Beweis für die spätere Feindbestimmung wurde im Kimfall erörtert. British and Colonial Cases. Vol. 1 S. 405 ff." ...zurück... 116S. 275 (257). ...zurück... 117S. 282 (260). ...zurück... 118S. 287 (264). ...zurück... 119S. 291 (266). ...zurück... 120S. 291 (266). ...zurück... 121S. 295 (268). ...zurück... 122S. 296 (269). ...zurück... 123S. 297 (270). ...zurück... 124S. 304 (274). ...zurück... 125S. 305 (276). ...zurück... 126S. 306 (276). ...zurück... 127S. 307 (278). ...zurück... 128S. 317 (286). ...zurück... 129S. 325 (294). ...zurück... 130S. 327 [Scriptorium merkt an: richtig S. 326] (295). ...zurück... 131S. 328 (299). ...zurück... 132S. 330 (301). ...zurück... 133S. 330 (300/01). ...zurück... 134S. 330 (301). ...zurück... 135S. 336 (303). ...zurück... 136S. 336 (304). ...zurück... 137S. 336 (304). ...zurück... 138S. 337 (304). ...zurück... 139S. 338 (305). ...zurück... 140S. 339 (306). ...zurück... 141S. 341 (308). ...zurück... 142S. 341 (308). ...zurück... 143S. 340 [Scriptorium merkt an: richtig S. 341] (309). ...zurück... 144S. 310 (280). ...zurück... 145S. 311 (281). ...zurück... 146S. 313 (283). ...zurück... 147S. 316 [Scriptorium merkt an: richtig S. 315] (284). ...zurück... 148S. 196 (194). ...zurück... 149S. 197 (195). ...zurück... 150S. 195 (194). ...zurück... 151S. 207 (201). ...zurück... 152S. 302 (273). ...zurück...
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