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Teil II: Die Anfänge der Hungerblockade im Herbst 1914   (Forts.)

D. Die Handhabung der ersten Banngutabkommen

a) Die Lücken der Ausfuhrverbote

"In den meisten unserer großen Seekriege war es der britischen Regierung möglich gewesen, Banngut anzuhalten, ohne den Handel scharfen Beschränkungen zu unterwerfen, denn im 17. und 18. Jahrhundert legten die Völkerrechtskenner die anerkannte Doktrin als ein Recht aus, Quartiermeistersvorräte, Artillerie- und Schiffsausrüstungen in die Banngutklauseln der Handelsverträge aufzunehmen. Banngut war so im allgemeinen und auch in den besonderen Verträgen zwischen den großen Seemächten definiert. Seine Anhaltung war also eine Maßnahme mit sehr beschränkten Zwecken, die nur durch Blockaden und Repressalien zu allgemeinen Plänen zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks erweitert wurde. In der letzten Woche des Jahres 1914 veröffentlichte die Regierung eine Banngutliste, die dem Wesen nach alle diese alten Schranken beiseitefegte und den begrenzten Plan der Kriegsbefehle der Admiralität in eine sehr viel umfassendere Kriegsmaßnahme umwandelte.

Dieser Fortschritt oder diese Ausweitung war ganz unvermeidlich. Aus den besten Gründen und mit jedem Recht erklärten wir eine große Anzahl der Grundmetalle, Treibstoffe und Nahrungsmittel zum Banngut. Außerdem enthielten drei unserer Abkommen mit den nördlichen Neutralen eine Klausel, in welcher wir ein Recht zur Anhaltung von Halb- und Fertigfabrikaten beanspruchten, wenn sie aus Banngutmaterial bestanden. Im dänischen Abkommen war eine Klausel, in der wir das Recht forderten, abnorme Einfuhren von Banngut anzuhalten, wenn sie heimische Ausfuhren derselben Art freimachten. Da ein beträchtlicher Teil des gewöhnlichen Handels zwischen modernen Staaten in Waren besteht, welche unter die allgemeine Bezeichnung der Halb- und Fertigfabrikate fallen, und da der Wiederausfuhrhandel, welcher bei einer Ausdehnung des nationalen Handels automatisch wächst, eng mit der Verfügung überschüssiger Einfuhren verknüpft ist, so wurde in diesen Abkommen in der Tat ein Recht auf [156] Kontrolle des gewöhnlichen Handelsverkehrs beansprucht und zugestanden. Der Kürze halber sollen von nun an Güter der ersten Art abgeleitetes Banngut (derivative contraband) und Güter der zweiten Art stellvertretendes Banngut (substitute contraband) genannt werden. Die ihnen gegebenen Namen sind jedoch weniger wichtig als ihr Umfang und ihr Wert. Ein Blick auf den Handel Deutschlands mit seinen nördlichen Nachbarn zeigt, wieviel Banngut dieser Art normalerweise zwischen ihnen ausgetauscht wurde und wie viele verwickelte Aufgaben noch unvollendet waren, als diese Abkommen unterzeichnet wurden."123

Die erfolgreiche Ausführung einer Kriegsmaßnahme hängt mehr oder weniger von einem genauen und ausreichenden Nachrichtendienst ab. In den ersten Monaten des Jahres 1915 war unsere Kenntnis der Handelsbeziehungen zwischen den Neutralen und dem Feind noch sehr beschränkt. Zwar waren unsere Konsulate durch geschulte Kräfte zur Beobachtung des neutralen Handels verstärkt worden und auch die militärische Zensur sammelte beträchtliches Material; doch mußte solches bruchstückhaft bleiben, solange es nicht durch eine genaue Analyse der Gesamtausfuhren und -einfuhren eines Landes ergänzt wurde. Diese Ergänzung wurde durch das Verbot der Veröffentlichung der Ausfuhrstatistiken in den meisten neutralen Staaten sehr erschwert. Aber es waren immer noch die Einfuhrstatistiken verfügbar, und ein besonderer Stab in Whitehall stellte Übersichten über die überseeischen Einfuhren nach Nordeuropa zusammen und übersandte sie den interessierten Ministerien zur Kenntnisnahme.

Nach diesen Übersichten war es zweifellos, "daß das Abkommen mit der niederländischen Regierung und dem Überseetrust ein wirksameres Kontrollinstrument als die rein politischen Abkommen mit den skandinavischen Mächten gewesen war."124 Doch konnte man aus der Tatsache allein, daß die niederländische Bannguteinfuhr gesunken, die skandinavische aber gestiegen war, noch nicht folgern, daß die Skandinavier ihren Bannguthandel vergrößert hatten. Der normale holländische Handel war ein Transithandel gewesen, so daß dort die Ausfuhrverbote sogleich auf die Einfuhren zurückwirkten. Dagegen war die Masse der nach Skandinavien eingeführten Güter für den heimischen Verbrauch bestimmt, der sich infolge schlechter Ernten, des Ausbaues des industriellen Apparates und der Auffüllung der durch die großen bei Kriegsbeginn erfolgten deutschen Käufe in den Rohstofflagern entstandenen Lücken stark erhöht hatte. Uns waren ferner nur die Handelsbewegungen in den Hauptausfuhrartikeln bekannt, wie in dänischen Fleischwaren, in norwegischen und schwedischen Erzen und norwegischem Fisch und Holz. Der Handel mit Stückgütern, der so eng mit dem Problem des abgeleiteten Bannguts zusammenhing, war damals noch fast vollständig undurchsichtig. Über den Handel der einzelnen Neutralen war ungefähr folgendes bekannt:

Der Haupthandel der Niederlande mit Deutschland, der Fleisch, lebendes Vieh und Molkereiprodukte betraf, hatte sich infolge der Verknappung dieser Waren in Deutschland beträchtlich erhöht. Es war ein rein [157] holländischer Handel, gegen den wir nicht das Recht hatten, Vorstellungen zu erheben. Aber es war offensichtlich, daß so große Ausfuhren heimischer Produkte starke Einfuhren ausländischer Fleischwaren und Futtermittel hervorrufen mußten. Die holländische Regierung und der Niederländische Überseetrust konnten garantieren, daß kein Posten dieser zusätzlichen Einfuhr wieder ausgeführt werden würde. Aber konnten unsere Behörden deshalb auf jeden Gedanken neuer Restriktionspläne verzichten? Der alte Transithandel nach Deutschland war dagegen sehr zurückgegangen, wenn auch keineswegs erloschen, da er von den Ausfuhrverboten in Einzelfällen dispensiert wurde. Schließlich konnte ein Anwachsen des Handels mit Kakao und ölhaltigen Erzeugnissen festgestellt werden, die aus dem britischen Reich stammten.

Ähnliche Überlegungen wie der holländische mußte der dänische Handel hervorrufen. Namentlich die Speckausfuhr war außergewöhnlich groß, das Land schien sich wegen der hohen Preise seines ganzen heimischem Specks zu entäußern. Selbst wenn die amerikanischen Einfuhren nicht wieder ausgeführt wurden, so füllten sie nichtsdestoweniger eine künstlich geschaffene Lücke aus.

Auch der norwegische Erzhandel mit Deutschland war im Ansteigen, da unser Versuch, die norwegische Kupferproduktion aufzukaufen, an den von den Deutschen gebotenen höheren Preisen gescheitert war. Der Konsul in Stavanger berichtete ferner über größere Verschiffungen von Getreide und Kolonialwaren. "Obwohl wir kein Recht beanspruchten, die Ausfuhr rein norwegischer Erzeugnisse zu unterbinden, empfahl schließlich die steigende Ausfuhr von Walöl, Hering und Fischdünger, nicht wegen eines einzigen Rückschlages unsere Politik des Aufkaufs der norwegischen Produktion aufzugeben. Dank unseres Gesandten wurden in den ersten Monaten des Jahres gediegene Grundlagen für diese Politik gelegt. Unter Ausnutzung der norwegischen Hinneigung zu England überredete Mr. Findlay die Direktoren einer großen Anzahl von Metallgesellschaften, ihm die Natur ihres Geschäftes zu erklären und ihn über die Aufträge zu unterrichten, die sie ausführten und über deren Abschluß sie verhandelten. Keine dieser Unterredungen endete mit einem geschäftlichen Übereinkommen. Sie dienten eher dazu, die Verwicklungen und Verzweigungen des deutschen Handels mit Nordeuropa zu erläutern und zu zeigen, wie unmöglich es war, ihn durch ein einziges Übereinkommen zu unterbinden. Nichtsdestoweniger war Mr. Findlays Politik der stückweisen Untersuchung den Erfordernissen der Zeit und den Besonderheiten Norwegens besser angepaßt als irgendeine andere. Vorbereitend schuf sie Vertraulichkeiten und Freundschaften zwischen der britischen Gesandtschaft und den Geschäftsleuten in Norwegen, und die beiden wichtigsten Abkommen der ersten Monate des Jahres waren ihre ersten Ergebnisse."125

Nach Meinung der Sachverständigen hatte sich der schwedische Ausfuhrhandel den Schranken der Dezemberabkommen vollständiger als irgendein anderes Land entzogen. Waren aller Art wurden in großen Mengen nach Deutschland ausgeführt. "Unsere Behörden waren überzeugt, daß [158] der größte Teil dieses Handels auf Grund von Erlaubnissen und Lizenzen stattfand, die mit den Dezemberabkommen unvereinbar waren. Gewichtige Beweise schienen so den Schluß zu rechtfertigen, daß ein großer Teil des schwedischen Ausfuhrhandels anfechtbar war. Nichtsdestoweniger erbrachten andere Tatsachen starke Beweise, daß die Ausfuhrverbote ehrlich durch geführt wurden. Ein polemischer Schriftsteller könnte die Berichte des Ausschusses zur Beschränkung der Feindeinfuhren während der ersten Monate des Jahres 1914 zur Stützung der beiden widersprechenden Auffassungen benutzen. Der Ausschuß berichtete nämlich, nachdem er die Aufmerksamkeit auf alles, was an den Handelsbewegungen zwischen Deutschland und Schweden verdächtig war, gelenkt hatte, daß große Partien an Baumwolle und Rohmaterialien in Malmö zurückgehalten würden und daß die schwedischen Beamten die erlassenen Anordnungen mit großer Strenge durchführten. Nichts kann bezeichnender für die Ungewißheiten der Lage sein, als die Tatsache, daß der Ausschuß diese beiden widersprechenden Schlußfolgerungen in seine Berichte aufnahm, die vielleicht die klügsten und wissenschaftlichsten Untersuchungen über eine zweifelhafte Frage sind, die jemals im Kriege abgefaßt wurden."126

"Unsere Sorgen bezüglich der Schweiz waren anderer Art. Der Transithandel nach Deutschland hatte aufgehört, und dem Lande schien es an allen wesentlichen Vorräten zu fehlen. Es war für uns eine Angelegenheit größter Bedeutung, daß ein kleines neutrales Land wie die Schweiz, das ein Tor nach Südostfrankreich sperrte, streng neutral blieb und nicht in politische Abenteuer getrieben wurde. Aus diesem Grund drückte Sir Edward Grey mehr als einmal ernste Befürchtungen über die Berichte von der wachsenden Not des Landes aus. Unsere Besorgnisse waren um so stärker als, soviel wir beurteilen konnten, die französischen Behörden dem wilden Lärm ihrer Zeitungen nachgegeben hatten und die Schweizer mit unvernünftiger Härte behandelten... Durch die Gesuche der schweizer Regierung um Lieferungen wurde dieser Widerstreit zwischen dem, was die Politik riet, und dem, was die Führung des Wirtschaftskrieges verlangte, nur noch nachdrücklicher betont.127 Genehmigungen wurden für die Ausfuhr kleiner Partien von Kupfer erteilt, aber eine allgemeine Regelung des schweizer Handels wurde in dieser Zeit nicht versucht."128

"Unsere Kenntnis des neutralen Handels mit Deutschland genügte also, um Verdacht und Besorgnisse zu erregen, aber genügte nicht, um die Beschuldigung der Bösgläubigkeit gegen die neutralen Regierungen zu erheben. Um über ihre Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit gerecht zu urteilen, war eine Entscheidung darüber notwendig, ob die Ausfuhrerlaubnisse, deren Erteilung sie als ein Recht beanspruchten, in einem einen wirklichen Banngutwiederausfuhrhandel darstellenden Umfang erteilt wurden oder nicht. Unsere Kenntnis dieser allerwichtigsten Frage war sehr bruchstückhaft und sogar heute noch ist es unmöglich, eine Schätzung des Umfangs dieses genehmigten Bannguthandels zwischen den Neutralen und Deutschland zu machen. Später veröffentlichte Tatsachen zeigen jedoch, daß die Schwierigkeiten der neutralen Regierungen weit größer waren als wir an- [159] nahmen, denn der Feind suchte seinen Handel mit den Neutralen ebenso entschieden aufrechtzuerhalten, wie wir ihn zum Stillstand zu bringen suchten."129

In Deutschland wurde nach der Mobilisation ein Kriegsversorgungsamt unter der Leitung Herrn Rathenaus gegründet, das die für die Rüstung wesentlichen Rohstoffe an die für die Rüstung arbeitenden Betriebe zu verteilen hatte und für die wichtigsten Industriezweige besondere Ausschüsse bildete.

"Wahrscheinlich war es diese Behörde, welche das Austauschsystem schuf, von dem wir im ersten Teil des Jahres bruchstückweise Berichte erhielten. Das System scheint darin bestanden zu haben, daß jede deutsche Ausfuhrerlaubnis nur gültig war, wenn der Berechtigte ein Versprechen erhielt, daß irgendeine von Deutschland benötigte Ware von dem Randneutralen als Ersatz dafür ausgeführt werden würde. Die italienischen Behörden waren unsere besten Gewährsmänner für die Arbeitsweise dieses Systems, denn da sie besorgt waren, wir könnten ihren guten Glauben beargwöhnen, teilten sie uns freimütig Einzelheiten der Geschäfte mit, zu deren Erlaubnis sie gezwungen waren. Die von Italien gewährten Erlaubnisse waren zugestandenermaßen erheblich. Für 18 000 Tonnen Eisenschrott, die für die Italiener unentbehrlich waren, zwangen die Deutschen sie zur Abgabe einer großen Menge von Makkaroni und Nahrungsmitteln. Später waren sie genötigt, auf einer strengen Tauschbasis 70 000 Tonnen Kohlen einzutauschen. Aber diese und andere Erlaubnisse verursachten uns weniger Sorge als jene, die von den skandinavischen Mächten erteilt wurden, weil die italienische Regierung uns offen davon unterrichtete, während es die skandinavischen Mächte und die Schweiz nicht taten. Unsere Behörden machten einen versuchsweisen Vorschlag zur Veröffentlichung der erteilten Erlaubnisse. Aber der schweizer Präsident weigerte sich, ihn anzunehmen und Sir H. Lowther berichtete, daß die Dänen niemals zustimmen würden."130 Wir waren deshalb auf andere Nachrichten angewiesen, die unzureichend waren. Als z. B. wegen der oben erwähnten starken Verdachtsgründe für einen auf Grund der Ausfuhrerlaubnisse betriebenen schwedischen Wiederausfuhrhandel in Banngut der englische Gesandte im Außenministerium vorsprach, enthielt die ihm vorgelegte Liste der Ausfuhrerlaubnisse nur wenige Posten, die bedenklich erscheinen konnten.

"Es ist sogar heute noch unmöglich, diese widersprechenden Berichte einer verständigen Prüfung zu unterziehen. Wahrscheinlich hatten die neutralen Regierungen die Abkommen gutgläubig unterzeichnet, ohne den Druck vorauszusehen, den die Deutschen auf sie ausüben würden. Die Waren, die normalerweise in einem einzigen Jahr seitens der nördlichen Neutralen von Deutschland gekauft wurden, waren beträchtlich. Dänemarks Käufe beliefen sich auf 1 389 069, Norwegens auf 584 630, Schwedens auf 1 102 342, und die der Schweiz auf 4 281 505 Tonnen. Sehr wenige Artikel dieses Handels betrugen entweder dem Wert oder dem Gewicht nach 10% des Ganzen, die Masse des Handels bestand in Halbfabrikaten [160] und solchen verschiedenen Erzeugnissen wie Kleidung, Möbel, Pianos usw. Die Politik des Herrn Rathenau hatte sozusagen diese Gütermasse in einen großen Tauschpool gesammelt, und sieben Millionen Tonnen Ware stellen einen mächtigen Hebel für geschäftliche Zwecke dar. Wenn Neutrale in den ersten Monaten des Jahres in steigendem Maße Erlaubnisse erteilten, so wahrscheinlich deshalb, weil sie buchstäblich dazu gezwungen waren und nicht, weil sie ihren Verpflichtungen untreu wurden. Es kann überdies nicht zweifelhaft sein, daß die Politik des Herrn Rathenau der Wehrmacht die notwendigen Vorräte sicherte131 und, da diese erheblich gewesen sein müssen, folgt, daß der von den Neutralen erlaubte Handel ziemlich umfangreich gewesen ist. Aber da die ganze Frage nur in Umrissen geprüft werden kann, müssen die bekannten Tatsachen über die Knappheit in Deutschland gemeinsam mit dem, was über die neutralen Wiederausfuhren an Banngut bekannt ist, betrachtet werden. Selbst wenn wir den erlaubten Handel der Neutralen als ein Leck in der Schranke, die wir gerade errichtet hatten, ansehen, so haben wir überwältigende Beweise dafür, daß das angehaltene Handelsvolumen das durch die Lücken sickernde Volumen um ein Vielfaches übertraf."132


b) Das Verfahren des Banngutausschusses in den ersten Monaten des Jahres 1915

"Beamten, die mit der Kriegführung betraut sind, werden verdächtige Tatsachen immer wichtiger erscheinen als beruhigende, und die über den neutralen Handel gesammelten Nachrichten unterstützten Verdachtsgründe, die den Banngutausschuß zu einem sehr strengen Verfahren zwangen. Er hatte nun eine Liste von ungefähr dreitausend Firmen vor sich, die zur einen oder anderen Zeit mit dem Feinde Geschäfte abgeschlossen hatten, und in den ersten Monaten des Jahres wurde fast jedes Schiff zurückgehalten, wenn es Sendungen für irgendeine auf der Liste stehende Firma an Bord hatte. Dieses Verfahren hat, so darf gesagt werden, jede Beschwerde, die die Neutralen gegen uns erhoben, erschwert. Es erhitzte die Streitigkeit mit der amerikanischen Regierung, verbitterte unsere Beziehungen zu Schweden und verursachte Mr. Findlay in Norwegen ernste Sorgen. Wenn auch zweifelhafte Rechtsauslegungen uns entschuldigten, so wurden die Zurückhaltungen doch ganz einfach als Bruch von Treu und Glauben angesehen. Unsere Beamten waren aber so sehr von der Gerechtigkeit unserer Sache überzeugt, daß sie sogar geneigt waren, unsere Gesandten dafür zu tadeln, weil sie sich von neutralen Klagen beeinflussen ließen, deren Lebhaftigkeit fast unsere guten Beziehungen gefährdete.

Es ist schon gezeigt worden, daß unser Verfahren bei der Zurückhaltung von Schiffen auf Grund allgemeinen Verdachts dem Wesen nach das amerikanische Verfahren während des Bürgerkriegs war. Die Praxis schien in der Tat unvermeidlich, denn Beamte, die einen Wirtschaftsfeldzug führen, können kaum der allgemeinen Kriegsregel entgehen, die alle Befehlshaber zwingt, auf Grund von Vermutungen zu handeln. Aber selbst [161] wenn man dies zugibt, kann doch bezweifelt werden, ob es klug war, die Beschwerden der Neutralen sich so schnell aufhäufen zu lassen und sich so kühl gegenüber ihren Klagen zu verhalten."133 In zahlreichen Fällen erwiesen sich die angehaltenen Sendungen auf der schwarzen Liste stehender Firmen später als einwandfrei. Sogar die Freigabe ausgeladener Güter beseitigte nicht die Beschweregründe, denn die Behörden in Kirkwall ordneten an, daß die Empfänger oder die Reeder die Kosten für das Wiedereinladen zu tragen hätten. Trotzdem infolge der Ergebnisse der Postkontrolle die Unterscheidung zwischen den Empfängern mit jedem Tage leichter wurde, "bleibt es nichtsdestoweniger wahr, daß der Banngutausschuß durch die Zurückhaltung von Schiffen, durch die Ausladung von Ladungspartien auf später widerlegte Verdachtsgründe hin sowie durch Verweigerung von Entschädigungen die Beschwerden und das Mißtrauen betonter machte. Obgleich es ganz unbillig sein würde, die Meinungen des Banngutausschusses aus so unpersönlichen Dokumenten zu beurteilen, wie es seine Protokolle sind, enthalten diese Protokolle nichtsdestoweniger vage Andeutungen, daß einige Abteilungen der Verwaltung und einige mächtige Personen darin, ebenso gefährliche wie absurde Anregungen gaben, und daß der Banngutausschuß sich dem von ihnen ausgeübten Druck nicht ganz entziehen konnte. Z. B. wurde in das Protokollbuch des Banngutausschusses gedruckt, daß Mr. Leverton Harris am 20. Dezember vorschlug, daß Artikel wie Kupfer und Gummi so oft als möglich zurückgehalten werden sollten, selbst wenn kein starker Beweis für die feindliche Bestimmung verbanden wäre. Das Außenamt antwortete, unsere Politik solle eine Politik des Vertrauens in die wirksame Handhabung der in den verschiedenen Staaten erlassenen Ausfuhrverbote sein. Es scheint unwahrscheinlich, daß der Vorschlag Mr. Leverton Harris' lediglich sein eigener war. Er deutet wenigstens einen Wunsch zu strengerem Handeln an."134

Dieser Wunsch spiegelt sich in der scharf ablehnenden Beurteilung wieder, welche die in den Gesandtschaftsberichten aus den skandinavischen Ländern enthaltenen Warnungen vor einer zu scharfen Durchführung des Kontrollsystems seitens des Generalstabs des Außenamts, insbesondere seitens Sir Eyre Crowes, erfuhren. Die gereizte Stimmung in Whitehall war darauf zurückzuführen, daß England damals einen der dunkelsten Augenblicke seiner Geschichte durchlebte "und Beamte, die ihr Leben im Dienste des Staates verbracht haben, empfindlicher für eine große nationale Gefahr und sich ihrer Verantwortung, sie abzuwenden, bewußter sind als die Bürger, die sich über die schlechten Nachrichten mit den Prahlereien der patriotischen Presse trösten."135 Es entspricht jedoch der Gerechtigkeit, die neutralen Klagen nicht als Vorwürfe von Händlern abzutun, die wider Erwarten den Gewinn eines ehrlosen Geschäfts verloren haben. "Ihre Beschwerden waren echt. Ihre Reedereidirektoren willigten ein, ihre Schiffe nach Kirkwall zur Prüfung zu senden und kamen, so gut sie konnten, der Klausel der Oktober-Order in Council über die Nennung der Namen der Empfänger nach. Diese Einwilligung wurde dann als eine Art [162] Stützpunkt dafür benutzt, um größeren Druck auf sie auszuüben, denn ihre Schiffe wurden in den von ihnen freiwillig angelaufenen Häfen zurückgehalten und die von ihnen benannten Empfänger dienten als Rechtfertigung, um ihnen neue Einschränkungen aufzuerlegen. Schließlich muß man bedenken, daß der moderne Handel durch Häuser geführt wird, die ihre Verbindung mit den Märkten, von denen sie eine Generation hindurch oder länger abhängig waren, nicht lösen können. Eine Tabelle der Waren des normalen Austausches zwischen Deutschland und den skandinavischen Ländern zeigt, daß die Austauschbeziehungen, die den Verkehr zwischen Deutschland und seinen nördlichen Nachbarn bildeten, Teil eines größeren Systems waren, von dem sie nicht durch ein einzelnes Abkommen getrennt werden konnten. In der Liste der Tauschgüter können nur wenige Posten mit Sicherheit als Ausfuhren rein skandinavischen Ursprungs angesehen werden. Es war deshalb möglich, daß viele neutrale Empfänger ganz ehrliche Versicherungen abgaben, die Güter, die sie erhalten sollten, seien für den heimischen Verbrauch bestimmt, und daß unsere Behörden entdeckten, daß sie weitergesandt waren. Die Garanten konnten nur über die besonderen Geschäftsvorgänge, für die sie verantwortlich waren, Zusicherungen abgeben, und diese Geschäfte konnten niemals viel mehr als kleine Teilvorgänge in einem ungeheueren System des Warenumlaufs sein."136

"Das Verfahren, zu dessen Annahme sich der Banngutausschuß verpflichtet fühlte, machte das frühere System, besondere Garantieerklärungen zu verlangen, schärfer als je. Obgleich gelegentlich Ladungen verdächtiger Firmen freigegeben wurden, waren die Untersuchungen lang und die gegebenen Garantien wurden sehr kritisch geprüft. Da die schwedische Regierung darauf vertraut hatte, daß durch das erste Banngutabkommen das alte System aufgehoben worden sei und ihre Schiffe nur in seltenen Fällen für länger als einige Stunden angehalten werden würden, war sie verhältnismäßig enttäuscht, daß über ein Drittel des Gesamtverkehrs nach Nordeuropa weiterhin Verzögerungen ausgesetzt blieb. Es gab jedoch auch Milderungen. In erster Linie wurden die gefährlichsten Folgen der Erklärung von Kupfer zum Banngut durch ein erstes Abkommen mit einem großen amerikanischen Kupfersyndikat verringert. Das beruhigte die Befürchtungen der amerikanischen Kupfermagnaten und verlegte die weiteren Verhandlungen in dieser Frage137 aus dem Staatsdepartement in die großen Geschäftshäuser. Der holländische Handel war verhältnismäßig frei, da der Trust bewundernswert arbeitete. Eine beträchtliche Anzahl dänischer Ladungen wurde freilich angehalten. Aber Kapitän Cold, der Direktor der größten Reederei dänischer Flagge, eröffnete um das Jahresende Verhandlungen mit dem Außenamt, und die Aussicht auf eine allgemeine Regelung hemmte wahrscheinlich die Proteste, zu denen die dänischen Industriellen sonst ihre Regierung gezwungen haben würden. Obgleich die gereizte Stimmung in Norwegen Mr. Findlay beträchtliche Sorgen machte, so hatte er bei den großen Schiffahrtsmagnaten des Landes Einfluß genug, um zu verhindern, daß aus der wachsenden Verärgerung ein politischer Streit zwischen den britischen und norwegischen Behörden entstand. Auf seinen Rat [163] verlangte die norwegische Kriegsversicherungsbehörde vor Erteilung der Policen von gewissen Linien Garantien. Das milderte die Beschränkungen etwas, die wir in den ersten Monaten des Jahres sonst der norwegischen Schiffahrt hätten auferlegen müssen. Bei Schweden lagen die Dinge anders. Die Zurückhaltungen für Schweden bestimmter Metalle waren besonders streng gehandhabt worden und keine besonderen Abkommen mil den Reedereien milderten das Verfahren. Im Januar und Februar wurde so die britische Regierung in eine Streitigkeit verwickelt, die für den Rest des Krieges abwechselnd schwelte und aufflammte."138


c) Der englisch-schwedische Streit im Januar/Februar 1915

"Es ist allgemein vermutet worden, daß politische Gegnerschaft die Triebkraft des Streites war. Politische Gegnerschaft übte zweifellos einen indirekten Einfluß aus. Denn obgleich die Ententemächte damals noch nicht verkündet hatten, daß sie die Welt der Demokratie sichern wollten, hallten die Schriften ihrer Publizisten und die Reden ihrer Staatsmänner doch von einem demokratischen Geschrei wider, das dem schwedischen Hof und Adel zuwider und unangenehm sein mußte. Abgesehen davon mußte jede schwedische Regierung einem Bündnis, zu dem Rußland gehörte, besorgt gegenüberstehen. Es ist jedoch keinerlei Beweis dafür vorhanden, daß der erste Streit mit Schweden im geringsten von dieser latenten Gegnerschaft beeinflußt wurde. Niemand könnte die politischen Tendenzen in Schweden sorgfältiger beobachtet haben als Mr. Howard, und dieser erwähnt sie in seinen Berichten über die fragliche Angelegenheit niemals. Auch die zentralen Regierungsstellen waren sich zunächst keiner politischen Einflüsse bewußt. Kurz vor dem Streite berichtete der Ausschuß zur Beschränkung der Feindzufuhren:

      Die schwedische Regierung zeigte sich durchaus geneigt, den Wünschen der britischen Regierung zu entsprechen, ihre Zusicherungen bezüglich der Wiederausfuhr loyal auszuführen und ihre Ausfuhrverbote entsprechend ihrer Liste aufrechtzuerhalten.

Erst viele Wochen später, als sich der Streit verschärft hatte, wurden seine Berichte ungünstiger. Das Außenamt scheint derselben Meinung gewesen zu sein, denn es teilte Ende Dezember Mr. Howard mit, das Abkommen gründe sich auf gegenseitiges Vertrauen. Wenn wir das Vertrauen in die schwedische Regierung verlören, werde dem Abkommen der Boden entzogen. Der Ursprung des langen Streites bestand einfach darin, daß die schwedische Regierung gegen die Zurückhaltungen im Dezember und Januar protestierte und diesen Protest entschieden aufrechterhielt.

Zwischen dem 8. Dezember, an dem das Abkommen unterzeichnet wurde, und dem Ende des Monats wurden ungefähr zehn schwedische Ladungen entweder zurückgehalten oder gelöscht. Herrn Wallenberg, der einsah, daß das Abkommen nicht gut funktionierte, scheint es zunächst widerstrebt zu haben, sogleich einen Streit zu beginnen, denn er schlug zuerst [164] vor, eine schwedische Regierungsstelle solle Adressat aller in das Land eingeführten Metalle werden. Dieser Vorschlag war mit dem weiteren verknüpft, daß die schwedische Regierung eine jüngst erlassene Verordnung widerrufen solle, die uns das Recht zur Warendurchfuhr nach Rußland zusicherte. Herr Wallenberg erklärte, die Durchfuhr zwischen Rußland und den Alliierten würde bei Widerruf der Verordnung unbehinderter vonstatten gehen und der Widerruf werde auch die Ausfuhrverbote nicht abschwächen oder ändern. Das Außenamt konnte keinen Grund für die Verbindung der beiden Vorschläge erkennen und stand dem zweiten sehr mißtrauisch gegenüber. Als es die Erörterung dieser Vorschläge verweigerte,139 wurde die Soerland in Kirkwall angehalten und Herr Wallenberg teilte dem französischen und dem britischen Gesandten in Stockholm mit, das Abkommen sei zusammengebrochen. Ungefähr 2700 Tonnen an Schweden adressiertes Kupfer in fünf britischen, zwei schwedischen und fünf norwegischen Schiffen würden nunmehr zurückgehalten. Nach Herrn Wallenbergs Meinung würde ein Schiff, das Kupfer oder Gummi befördere, automatisch, ohne der schwedischen Verbotsliste Beachtung zu schenken, angehalten. Die schwedische Regierung hielte das ganze Verfahren für eine sorgfältig durchdachte Methode, ihren guten Glauben zu bestreiten. Herr Wallenberg blieb trotz allen Nachdrucks höflich und versöhnlich und erklärte seine Bereitwilligkeit, ein neues Abkommen zu erwägen. Er bestand aber darauf, daß er sich auf nichts einlassen könne, falls nicht die britischen Regierungsstellen die schwedische Verbotsliste als volle und befriedigende Garantie gegen die Wiederausfuhr anerkennen würden.

Die schwedischen Behörden stützten sich so auf eine Behauptung, die die Grundlagen unseres Verfahrens bestritt. Wir hielten es für nötig, die Schiffe zurückzuhalten, wenn wir Verdacht gegen die Empfänger hegten. Die schwedische Regierung behauptete, daß ihre Anordnungen gegenüber den Firmen, die wir in Verdacht hatten, durchgeführt würden. Um seine Proteste eindrucksvoller zu machen, übergab Herr Wallenberg unserem Gesandten ein Memorandum, in dem die schwedische Regierung förmlich mitteilte, daß jede Zurückhaltung von Waren und Materialien auf ihrer Verbotsliste von ihr als ein Bruch des Dezemberabkommens angesehen werden würde, und daß unsere Rechte in bezug auf nicht auf der Liste stehende Waren nach allgemein anerkannten Rechtsregeln entschieden werden müßten. Die Behauptung fand keine günstige Aufnahme. Sie konnte jedoch auf gute Gründe gestützt werden. Das Nachrichtenmaterial, das uns zum Anhalten von Schiffen auf Verdacht hin gezwungen hatte, war wie eine plötzliche Flut über uns gekommen. Die für den Abschluß des schwedischen Abkommens Verantwortlichen hatten deshalb nicht auf die Aufnahme einer Klausel bestanden, die uns ermächtigte, Schiffe bis zur Aufklärung von Verdachtsgründen zurückzuhalten. Das Abkommen enthielt somit keinen Artikel, mit dem wir unser Verfahren rechtfertigen konnten, während Herr Wallenberg sein Memorandum durch Zitierung des eindeutigen Artikels 1 verteidigen konnte:

[165]      Wenn die Königlich Schwedische Regierung auf ihre Liste der verbotenen Einfuhren irgendwelche von den Alliierten als Banngut angesehenen Rohmaterialien oder Artikel gesetzt hat, die die schwedische Regierung für den bona fide-Verbrauch ihres Landes eingeführt zu sehen wünscht, werden die alliierten Regierungen nicht in die Einfuhr solcher Güter nach Schweden eingreifen, außer soweit das zur Prüfung und Feststellung der Schiffspapiere und der Deklaration in einem englischen oder französischen Hafen notwendig sein sollte...

Der Rechtsstandpunkt der schwedischen Regierung war in vieler Beziehung so stark, daß sie gut daran getan haben würde, eine den Streit sehr verschärfende Maßnahme hinauszuschieben. In den ersten Tagen des Januar eröffnete der König von Schweden das Parlament und sagte in seiner Thronrede, die Kriegführenden ließen in der Praxis alle anerkannten Regeln des Völkerrechts außer acht. Beinahe gleichzeitig verbot die Regierung die Durchfuhr aller Waffen und Munition durch Schweden. Auf Anfrage erklärte Herr Wallenberg, die Verordnung sei erlassen, um Schwedens Neutralität makellos zu erhalten. Unsere Regierungsstellen sahen die Maßnahme als ausgesprochen unfreundlich an, weil sie die Waffenausfuhr nach Rußland zu beschränken beabsichtigte. Gleichwohl hielt es Sir Eyre Crowe für besser, keinen Protest zu erheben, da der russische Botschafter in London auf die schnellstmögliche Beilegung des Streits mit Schweden drängte."140

"Die Antwort des Außenamts auf das schwedische Memorandum wurde von Sir Eyre Crowe verfaßt. In Hinblick auf die Befürchtungen der russischen Regierung, daß die neueste Verordnung über das Kriegsmaterial die Einleitung zu anderen hinderlicheren Maßnahmen werden könne, war die Antwort in verbindlicher Form gehalten. Sir Eyre Crowe erinnerte die schwedische Regierung zuerst daran, daß wir in den ihr ursprünglich gemachten Vorschlägen dem Sinne nach angekündigt hatten, wie wir mit verdächtigen Ladungen verfahren würden und behauptete dann, daß nichts in dem bestehenden Abkommen als ein Widerruf der ersten Ankündigung ausgelegt werden könne:

      "Die Regierung Seiner Majestät hat den Standpunkt vertreten und würde ihn, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte, auch vor dem 8. Dezember geklärt haben, daß sie sich durch den unten zitierten Wortlaut des Art. 1 des Memorandums vom 8. Dezember das Recht vorbehalte, Banngutladungen in den Fällen zu beschlagnahmen, in denen die britischen Behörden im Besitze klarer Beweise seien, daß diese Ladungen im Augenblick der Verschiffung nicht nach Schweden zum bona fide-Verbrauch im Lande eingeführt werden, sondern den Feind erreichen sollen, und daß die scheinbare schwedische Bestimmung nicht die wahre Bestimmung sei..."141

Die Antwort legte weiter dar, daß die schwedischen Ausfuhrverbote allein nicht genügten, um die Pläne unzuverlässiger Firmen zu vereiteln. So fielen z. B. von 35 in der schwedischen Statistik ausgewiesenen Kup- [166] ferarten nur 5 unter die Ausfuhrverbote. Sie folgerte daraus, daß nach sinngemäßer Auslegung des Dezemberabkommens für die englische Regierung keine Verpflichtung bestehe, die ungehinderte Einfuhr von Kupfer nach Schweden zu erlauben, solange keine Sicherheit gegen die Ausfuhr von Kupfer in jeder Form gegeben sei.

"Dieser Vorschlag, die Verbotsliste zu erweitern, erwies sich als zeitweiliger Ausweg aus den Schwierigkeiten. Denn obgleich Herr Wallenberg bei seinen Protesten äußerst förmlich gewesen war, so hatte er wenigstens angedeutet, daß er nicht unbeweglich auf Grundsätzen bestehen werde und immer bereit sei, Anregungen für ein praktisch funktionierendes Abkommen zu erwägen. Die unmittelbare Folge war, daß der schwedische Außenminister sich bereit erklärte, die von der britischen Regierung als notwendig angesehenen Ergänzungen der Liste zu prüfen und daß er die ihm bald darauf vorgelegte sehr lange Liste mit gewissen Vorbehalten annahm."142


d) Die ersten Sonderabkommen mit privaten Firmen; das Kupferabkommen

"Wenn jemand die Klagen der Regierungsstellen in Schweden und Amerika mit den Klagen der neutralen Kaufleute in den ersten Monaten des Jahres vergleicht, so kann er nicht darum herumkommen, daß selbst bei Abschluß eines Abkommens über streitige Rechtsregeln die Unsicherheiten und Ängste der Reeder und Empfänger wahrscheinlich ebenso groß wie vorher gewesen sein würden. Abkommen zwischen Regierungen konnten niemals verwickelt und technisch genug sein, um den Kaufleuten eines bestimmten Handelszweiges die von ihnen gewünschte Sicherheit zu geben. Sie wünschten nur zu wissen, ob eine bestimmte an einem bestimmten Tag abgesandte Ladung ihr Ziel erreichen würde, denn bei Unkenntnis darüber konnten sie weder die eingegangenen Verträge erfüllen noch neue abschließen und Regierungsabkommen über Ausfuhrverbote gaben ihnen hierfür keinen Wegweiser. Es war deshalb natürlich, daß sich unter den amerikanischen und skandinavischen Kaufleuten die Überzeugung verbreitete, daß Regierungsproteste die Schwierigkeiten eher vergrößern als verringern würden und daß sie zu ihrer Überwindung selbst mit den kriegführenden Mächten verhandeln müßten, um zu entdecken, welche von ihnen übernommene Verpflichtungen sie von den Unsicherheiten befreien könnten, die ihr Geschäft behinderten. Im November berichtete Sir Cecil Spring-Rice von einer allgemeinen Tendenz, Banngut auf einer geschäftlichen Basis zu behandeln. Bald nach Zusammentritt des Kongresses verstärkte sich diese Neigung, denn er berichtete damals: Gegenwärtig geht die Auffassung dahin, daß die Zeit der Diskussion vorbei ist und daß das, was für uns zu tun bleibt, in dem Abschluß getrennter und isolierter Abkommen mit den verschiedenen in Betracht kommenden Interessentengruppen besteht. Das erste Abkommen zur Regelung der Kupferlieferungen nach Nordeuropa wurde unter dem Einfluß dieser wachsenden Tendenz [167] abgeschlossen, denn es wurde von einer Gruppe britischer und amerikanischer Kupferhändler ersonnen.

Seitens zweier großer amerikanischer Konzerne, für die sie als Agenten auftraten, übernahmen es zwei Cityfirmen, Kupfer nur nach neutralen Ländern, in denen die Ausfuhr verboten war, zu verschiffen. Sie verpflichteten sich außerdem, alle Verschiffungen nur an wirkliche Verbraucher von Kupfer zu senden und so unsere Behörden von ihren Sorgen über die neutralen Mittelsmänner und Spediteure zu befreien, deren Geschäfte so schwer nachzuprüfen waren. Die Ablader übernahmen es, nach ihrer Wahl ihr Kupfer an einen anerkannten Londoner Kaufmann oder an eine von der britischen Regierung genehmigte Bank zu adressieren. Sir Eyre Crowe hielt dies für eine höchst wertvolle Ergänzung unserer Kontrollmittel. Sie wurde jedoch in Amerika sehr schlecht aufgenommen. Publizisten deuteten dort an, das Abkommen sei ein sorgfältig ausgearbeitetes Instrument zum Cornern des Marktes, da es die Versendung an eine Londoner Firma viel leichter mache als die Versendung an die skandinavische Industrie. Das sei um so bedenklicher, als vermutlich die Unterzeichner jene anerkannten Firmen wären, die allein unbeschränkte Lieferungen erhalten könnten.

Diese scharfe Kritik scheint jedoch den Kongreß nicht beeinflußt zu haben und schreckte auch andere amerikanische Firmen nicht davon ab, im Laufe des Jahres sich an dem Abkommen zu beteiligen. Es war sicher ein Abkommen von großer Wichtigkeit, denn von allen strittigen Fragen waren diejenigen über das Kupfer vielleicht die aufreizendsten und am meisten mit politischen Auswirkungen belasteten: der hohe Wert der Lieferungen, die Macht und der Einfluß der amerikanischen Produzenten machte das Anhalten von Kupfer besonders gefährlich."143







123S. 144. ...zurück...

124S. 146. ...zurück...

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127S. 149. ...zurück...

128S. 150. ...zurück...

129S. 150. ...zurück...

130S. 150. ...zurück...

131S. 151. ...zurück...

132S. 152. ...zurück...

133S. 156 [Scriptorium merkt an: richtig S. 152]. ...zurück...

134S. 155. ...zurück...

135S. 156. ...zurück...

136S. 156. ...zurück...

137S. 156. ...zurück...

138S. 157. ...zurück...

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141S. 159. ...zurück...

142S. 159. ...zurück...

143S. 160. ...zurück...






Die englische Hungerblockade im Weltkrieg 1914-15.
Nach der amtlichen englischen Darstellung der Hungerblockade
von A. C. Bell.
Bearbeitet und eingeleitet durch Dr. Viktor Böhmert,
Professor an der Universität Kiel.