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Teil II: Die Anfänge der Hungerblockade im Herbst 1914   (Forts.)

B. Die ersten Banngutabkommen

In der Note, in der einigen neutralen Staaten in Europa die neue Order in Council vom 29. Oktober 1914 mitgeteilt wurde, kündigte die britische Regierung ihre Absicht an, mit ihnen Verhandlungen aufzunehmen, um alle offenstehenden und streitigen Fragen auf der Grundlage von Zweckmäßigkeitserwägungen im gegenseitigen Einverständnis zu regeln. Zweifellos hätten die Neutralen "den Verhandlungsweg ablehnen und sich darauf berufen können, daß das Haager Neutralitätsabkommen ihnen das Recht gab, die Ausfuhr und Wiederausfuhr von Banngut frei und unbehindert zu lassen. Dieser Appell an ein leeres legales Recht war jedoch unwahrscheinlich, denn die Order in Council gab klar zu verstehen, daß der Anspruch des Neutralen auf freien Bannguthandel durch eine Erklärung beantwortet werden würde, das neutrale Land, dessen Regierung diese Freiheit in Anspruch nähme, sei eigentlich eine Versorgungsbasis und würde entsprechend behandelt werden".31 Selbst wenn eine neutrale Regierung den Erlaß eines völligen Handelsverbots für unwahrscheinlich gehalten hätte, so mußte sie sich bewußt sein, daß Großbritannien seine Banngutkontrolle wesentlich verschärfen konnte, "denn unser Recht, Banngut am Erreichen Deutschlands zu hindern, war absolut, und war nicht an sich durch die Schwierigkeit, Beweise gegen die einzelnen Ladungsteile zu sammeln, abgeschwächt. Offensichtlich konnten wir unsere Praxis, lediglich Garantien gegen die Wiederausfuhr zu verlangen, aufgeben und statt dessen verlangen, daß die neutralen Behörden befriedigende Beweise dafür beibrachten, daß die angehaltenen Ladungen nicht nach dem Feind ausgeführt würden. Diese Forderung positiver Beweise würde zusammen mit der Zurückhaltung aller Ladungen, für die der Beweis einer harmlosen [111] Bestimmung verlangt wurde, für sich allein ernstliche Verwirrungen und Hemmungen verursacht haben. Da die neutralen Staaten Europas gerade begannen, sich von einer wirtschaftlichen Erschütterung zu erholen, so waren ihre Regierungen nur wenig geneigt, den Handel ihrer Länder dadurch zu erschweren, daß sie die britische Regierung zwangen, dieses härtere Verfahren anzuwenden".32

"Der Zweck der Unterhandlungen war, alle Fragen, welche durch die in unserer Order in Council geltend gemachte Doktrin der fortgesetzten Reise aufgeworfen worden waren, von dem rechtlichen auf das politische Gebiet zu übertragen. Während des Übertragungsprozesses mußten diese Fragen notwendigerweise allen Einflüssen ausgesetzt sein, die aus großen Industrie- und Finanzmittelpunkten ausstrahlen. Es war deshalb unwahrscheinlich, daß den Vorschlägen der britischen Regierungsstellen ohne eine vorherige Anpassung an die Politik der neutralen Mächte zugestimmt werden würde.

Abgesehen davon mußten viele Einzelfragen von den technischen Sachverständigen geprüft werden, bevor Abkommen geschlossen werden konnten. Die britischen Regierungsstellen hatten in ihrem Rundschreiben an die neutralen Regierungen angedeutet, daß an Neutrale adressierte Banngutladungen nicht angehalten werden würden, wenn die neutralen Regierungen die Ausfuhr aller auf den Banngutlisten stehenden Waren verböten. Dieser Vorschlag enthielt33 die Grundlage für einen beiderseits vorteilhaften Tauschhandel. Aber wie sollten Banngutwaren behandelt werden, wenn sich nach näherer Prüfung herausstellte, daß sie eine für das neutrale Land unwesentliche Ausfuhrindustrie hochzüchteten? Was sollte mit den in neutralen Ländern verbrauchten Waren geschehen, die ähnliche Waren zur Ausfuhr nach Deutschland freimachten? Welche Geschäfte sollten als Geschäfte eines legitimen Ausfuhrhandels zwischen Neutralen und dem Feinde gelten? Da jeder Vorschlag dieser Art sicher zwischen Bankiers, Industriellen, Kaufleuten, Landbesitzern und Bauern erörtert werden würde, so waren zahlreiche Interessen zu berücksichtigen, bevor eine Regelung erreicht werden konnte.

Für die Sachkenner im Außenamt war es klar, daß eine besondere Abteilung geschaffen werden müßte, um Verhandlungen solchen Umfangs erfolgreich führen zu können. Vor Absendung der Weisungen an unsere Vertretungen wurde deshalb die Banngutabteilung errichtet. Die Verfügung über die Errichtung dieser Abteilung wurde von einer weiteren eben so wichtigen begleitet. Sir Eyre Crowe wurde von seiner Stellung als Leiter der Kriegsabteilung abberufen und mit der Leitung aller Banngutverhandlungen betraut. Diese Ernennung übertrug einem Mann, der wahrscheinlich der weitsichtigste und fähigste Beamte der britischen Verwaltung war, die Kontrolle dessen, was sich später als eine Maschinerie erwies, deren Stärke das System zweier großer Reiche erschütterte. Im übrigen übernahm Mr. Parker die unmittelbare Aufsicht über die neue Abteilung, die in geographische Referate aufgeteilt war. Die erste Prüfung aller Verhandlungen mit Italien und der Schweiz wurde Mr. Craigie anvertraut, [112] Mr. Sargent überwachte diejenigen mit den skandinavischen Mächten und Holland. Mr. Vansittart war der Vertreter des Außenamts beim Lizenzausschuß, der die Trading with the Enemy-Gesetzgebung durchführte.

Zugleich oder beinahe zugleich wurde der Banngutausschuß gegründet. Von den ersten Tagen des Krieges an hatten Vertreter des Außenamts und der Admiralität die Berichte über die Zurückhaltungen durch die Flotte geprüft und hatten die geeigneten Maßnahmen vorgeschlagen. Diese Sitzungen wurden jedoch erst seit Anfang November die Sitzungen eines regelrechten Ausschusses mit ständigem Sekretariat und geregelter Protokollführung. Von nun an nahmen ein Vertreter der Banngutabteilung und ein Vertreter des procurator general an jeder Sitzung teil. Die Vertreter der Admiralität waren Beamte aus deren Handelsabteilung."34

Damit war die Zusammenarbeit mit der Admiralität wenigstens in Banngutfragen gewährleistet. In anderer Beziehung handelte die Admiralität jedoch noch völlig unabhängig. Das zeigte sich bei der ohne Wissen des Außenamts erfolgten Erklärung der Nordsee zum Kriegsgebiet vom 2. November 1940 [Anm. d. Scriptorium: 1914], die in den skandinavischen Ländern den Verdacht erregte, England beabsichtige die Nordsee durch Minen zu sperren und die überseeische Verbindung zwischen Skandinavien und Amerika abzuschneiden. Darüber hinaus verstimmten die in dieser Erklärung enthaltenen gänzlich unbegründeten Beschuldigungen der Neutralen35 in Skandinavien sehr und erschwerten die gerade beginnenden Banngutverhandlungen.


a) Die Verhandlungen mit Holland

Die Quellen des holländischen Reichtums waren 1914 dieselben wie seit jeher. Die Holländer waren die Lagerhalter und Transitmakler und Agenten für Mitteldeutschland. Nur die Art der Durchfuhrgüter hatte sich seit dem Mittelalter geändert. An Stelle der Gewürze, Seiden, Pelze, kostbaren Hölzer und seltenen Tiere, die im 17. Jahrhundert an die wohlhabenden Stände des Rheinlandes verkauft wurden, waren 1914 Massengüter: Lebensmittel, Brennstoffe und Metalle, getreten. Außerdem verteilten die Holländer einen großen Teil der deutschen Erzeugnisse, weil die Verbindungen Westdeutschlands mit Holland besser als mit Nord- und Ostdeutschland waren. Deutschland war also ihr bester Kunde. 46% der Einfuhren kamen von Deutschland und 50% der Ausfuhren gingen dorthin.

"Aus diesen Einzelheiten wird man entnehmen können, daß keine niederländische Regierung sich leichten Herzens verpflichten konnte, die Ausfuhr von Banngut nach Deutschland zu verhindern. Sie hätte ohne [113] Gefahr Petroleum am Verlassen des Landes hindern können, denn die Holländer waren keine großen Petroleumhändler. Sie hätte auch die Ausfuhr solcher Erze wie Hämatit und Chromeisen verhindern können, denn die Einfuhren auch dieser Waren waren gering. Wenn sie jedoch versprach, den Ausfuhrhandel in Lebens- und Futtermitteln, Kupfer und Brennstoff einzustellen, so vergriff sie sich an den Quellen ihres Nationaleinkommens. Selbst wenn sie ihre Wählerschaft von Groß- und Kleinhändlern davon zu überzeugen vermocht hätte, daß sie diese Einschränkungen im nationalen Interesse auferlegte, so war es zweifelhaft, ob sie den Bannguthandel durch Regierungsverordnung beschränken konnte, ohne in gefährliche Streitigkeiten mit den Zentralmächten verwickelt zu werden. Als Handelsverträge noch Banngutlisten enthielten, waren die Vertragsteile in einer vagen und unbestimmten Weise verpflichtet gewesen, keine Bannware nach den Kriegführenden auszuführen. Aber die Versuche, diesen Brauch durchzusetzen, waren niemals erfolgreich gewesen und 1914 war er kein Teil des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts. In der Tat waren nach dem Haager Abkommen die Neutralen berechtigt, alle erreichbaren Vorteile aus den Schwierigkeiten der Kriegführenden zu ziehen. Wenn jedoch eine neutrale Regierung den Bannguthandel einschränkte, so war sie aufs strengste verpflichtet, den Handel mit beiden kriegführenden Gruppen gleichmäßig einzuschränken. Soweit unsere Regierungsstellen Voraussagen machen konnten, war es zum mindesten möglich, daß die niederländische Regierung sich fest auf dieses Abkommen stützen und erklären würde, sie sei zur Erörterung unserer Vorschläge nicht in der Lage. Kurz bevor Sir Alan Johnstone36 die Verhandlungen begann, überreichte nämlich der holländische Gesandte in Bern Mr. E. Grant-Duff37 eine sorgfältig verfaßte Aufzeichnung mit der Überschrift: Quelques données au sujet de la situation actuelle des Pays Bas et de l'attitude du gouvernement néerlandais. Die Aufzeichnung enthielt eine genau ausgearbeitete Erklärung, daß die bisher von der holländischen Regierung verkündeten Ausfuhrverbote aus nationalwirtschaftlichen Gründen erlassen worden seien. Les défenses d'exportation émanant du gouvernement n'ont aucune tendence de politique internationale et ont exclusivement pour but de maintenir au juste niveau les provisions se trouvant aux Pays Bas... Il ne s'agit donc pas d'interdiction comme en fait mention l'article 9 de la convention concernant les droits et les devoirs des puissances et personnes neutres en cas de guerre sur terre; au contraire le gouvernement néerlandais a toujours soutenu vis à vis des alliés le droit que l'article 7 du traité susdit réserve aux neutres de permettre l'exportation et le transit pour le compte de l'un ou de l'autre des belligérants. Wäre diese Aufzeichnung ein Niederschlag der wohlerwogenen Politik der niederländischen Regierung gewesen, so wäre keine Verhandlung möglich gewesen".38 Im Gegenteil, wir hätten damit rechnen müssen, daß die Ausfuhrverbote, die in den ersten Kriegsmonaten auf Grund des gestörten Seeverkehrs und der daraufhin überall eingetre- [114] tenen Warenverknappungen erlassen worden waren, nach Rückkehr geordneter Zustände allmählich wieder aufgehoben worden wären.

Hinzu kam, daß die Position der englischen Unterhändler dadurch geschwächt wurde, daß noch keine wirksame Kontrolle des britischen Ausfuhrhandels eingeführt war und es ihnen deshalb nicht möglich war, mit einer britischen Ausfuhrsperre nach Holland zu drohen. "Ihre beste Karte war das fraglose Recht der britischen Regierung, der Flotte strengere Befehle zu geben. Aber die Ausübung dieses Rechts anzudrohen, hieß ein gefährliches Spiel spielen. Wenn ein schärferes Verfahren gegen neutrale Ladungen angewandt worden wäre, so würden unsere Häfen in wenigen Wochen mit Schiffen und Ladungen verstopft gewesen sein, die kein Prisenhof eingezogen hätte und die amerikanische Regierung hätte ihre Proteste erneuern und gemeinsame Sache mit den europäischen Neutralen machen können."39

"Gewisse politische Einflüsse, die wir damals noch nicht abzuschätzen vermochten, wirkten jedoch zu unseren Gunsten. Obwohl die niederländischen Regierungsstellen sich möglicherweise der Schwäche unserer Argumente bewußt waren, beabsichtigten sie nicht, uns durch scharfe Opposition herauszufordern. Sie hatten sich gewiß dafür entschieden, sich aus allen Streitigkeiten herauszuhalten, aber das Mr. Grant Duff übergebene Memorandum enthüllte doch nicht alle ihre Absichten. Diese Absichten wurden später durch die Handlungen und Entscheidungen der niederländischen Regierungsstellen so klar, daß sie heute ohne Furcht vor Mißdeutungen erläutert werden können. Im Herbst 1914 sah die niederländische Regierung einen langen und heftigen Kampf zwischen den Zentralmächten und Ententemächten voraus und war deshalb entschlossen, Handel und Politik soweit wie möglich zu trennen, die Pflicht zur Neutralerhaltung des Landes durch Vermeidung aller Streitigkeiten mit einer der kriegführenden Gruppen zu übernehmen und zu erfüllen und es den großen Handels- und Schiffahrtsmagnaten zu überlassen, das Nationaleinkommen durch Anpassung des Handels an die herrschenden Umstände so gut es ging aufrechtzuerhalten. Der erste Schritt dazu war schon geschehen. Gerade bevor Sir Alan Johnstone die Vorschläge der britischen Regierung40 vorlegte, erfuhr das Außenamt, daß eine große Handelsgesellschaft auf Veranlassung der niederländischen Regierung gebildet worden war, und daß diese Gesellschaft die Regierungsstellen von vielen Pflichten entlasten würde, die sie in den ersten Kriegsmonaten übernommen hatte.

Die Entscheidung darüber, ob das britische Außenamt diese Gesellschaft als Stellvertreter einer gewöhnlichen Regierung behandeln konnte, war nicht leicht. Sir Francis Oppenheimer, der Handelsattaché im Haag, reiste sogleich nach London, um über die Zusammensetzung der Gesellschaft und die ihm über die Personalien der Direktoren bekannten Tatsachen zu berichten. Sir Francis teilte dem Außenamt mit, der Präsident des Verwaltungsrats sei Herr Juist van Vollenhoven, ein großer Reedereidirektor, seine Kollegen seien sorgfältig aus den Hauptunternehmungen des Landes ausgewählt. Persönlich zweifelte Sir Francis Oppenheimer nicht [115] daran, daß diese Handelsgesellschaft ein wirksameres Kontrollorgan als irgendeine Regierungsstelle sein würde. Nachdem Sir Eyre Crowe alles, was er zu sagen hatte, angehört hatte, war er überzeugt."41

Am 18. November 1914 überreichten der englische und französische Gesandte die Vorschläge der alliierten Regierungen in Form von zwei Memoranden.

"In dem ersten oder allgemeinen Memorandum machten die alliierten Regierungen ihr Recht geltend, den Durchgang von Banngut durch neutrale Länder nach Deutschland zu verhindern. Die letzte Order in Council habe erklärt, wie das Recht ausgeübt werden würde. Da das Streben der Alliierten aber dahin ginge, Handel und Industrie der Neutralen nicht durch das Anhalten des Bannguts auf hoher See lahm zu legen, so wünschten sie eine Regelung des Verfahrens. Sie schlügen deshalb vor: 1. daß die neutralen Regierungen die Ausfuhr aller auf unseren Banngutlisten stehenden Waren verböten, und 2. daß die Regierungen selbst oder Firmen von gutem Ruf von jetzt ab die Adressaten aller Banngutladungen sein sollten. Wenn diese Bedingungen erfüllt würden, so würden sich die Alliierten dafür verbürgen, daß neutrale, Banngut befördernde Schiffe nur solange zurückgehalten würden, als es zur Prüfung ihrer Papiere erforderlich sei. In ihrem erläuternden Memorandum regten die Alliierten an, daß die niederländische Regierung der Adressat aller Nahrungs- und Futtermittel, sowie des Petroleums und Kupfers und daß der neue, Überseetrust genannte, Handelsausschuß der Adressat aller anderen Banngutladungen sein solle. Die Garantie des Trusts würde unter der Bedingung angenommen werden, daß sie in alle Konnossemente aufgenommen und durch eine Nebengarantie der die Ladungen befördernden Schiffahrtsgesellschaften verstärkt werde."42

Der holländische Außenminister Loudon antwortete am 4. Dezember zunächst in einer Note, die auf eine Weigerung, eine förmliche Verpflichtung zu übernehmen, hinauslief:

"daß ein Abkommen der vorgeschlagenen Art zwischen einer neutralen Regierung und einer Gruppe der Kriegführenden nicht mit einem strikten neutralen Verhalten vereinbar sein würde, und erklärte dann, daß die niederländische Regierung zwar auf eigene Rechnung Nahrungsmittel gekauft und deren Ausfuhr verboten habe, daß aber eine solche Ausnahmemaßnahme nicht in eine allgemeine Regel umgewandelt werden könne.43 Wenn die Regierung einer solchen Verabredung zustimme, so werde sie Partei in einem System verschleierter Garantien, das den Eintritt bedingten Bannguts in das Land verhindern werde... Herr Loudon fuhr dann jedoch fort, daß die interessierten Kreise selbst die einfachste und wirksamste Methode zur Überwindung der Schwierigkeiten der Lage entdeckt hätten, und erklärte, der Niederländische Überseetrust sei eine Gesellschaft, die in erster Linie gebildet sei, um als Zwischenglied ohne Dazwischentreten der Regierung für das Land notwendige Banngutartikel einzuführen.

[116] Wenn diese amtliche Antwort die einzige Sir Alan Johnstone gemachte Mitteilung gewesen wäre, so hatte er daraus schließen müssen, daß die niederländische Regierung sich weigerte, ein Versprechen irgendwelcher Art zu geben, und daß die Verhandlungen entweder mit dem niederländischen Überseetrust fortgesetzt oder abgebrochen werden müßten. Er hatte sich jedoch bei der Erörterung der Vorschläge mehrmals mit Herrn Loudon unterhalten. Bei Übergabe der offiziellen Antwort fand eine weitere lange Unterredung zwischen dem niederländischen Minister und den alliierten Vertretern statt. Sir Alan Johnstone konnte so die Absichten der niederländischen Regierung ergründen und erlangte die Überzeugung, daß ihre Taten besser als ihre Versprechungen sein würden. Nach dieser Unterredung konnte er berichten, daß man trotz der keineswegs zufriedenstellenden offiziellen Antwort sich darauf verlassen könne, daß die niederländische Regierung die Wiederausfuhr von Getreide, Reis, Kupfer und Petroleum verbieten und bereit sein werde, als Adressat aller Ladungen aus diesen Waren aufzutreten. Sie hätte sich jedoch fest entschieden, daß sie keine weitere Verantwortlichkeit übernehmen könne und daß der Niederländische Überseetrust als Empfänger, Verteiler und Garant aller anderen Banngutladungen auftreten müsse. Sowohl das Außenamt wie Sir Alan Johnstone waren nunmehr überzeugt, daß der Trust das war, als was ihn Herr Loudon bezeichnete: eine Gesellschaft, die durch ihre Zusammensetzung und gegenseitige Verantwortlichkeit ihrer Mitglieder die höchsten Garantien der Lauterkeit und des guten Glaubens böte. Die nach Empfang dieser Antwort von ihnen zu lösende Aufgabe bestand deshalb in dem Abschluß eines zufriedenstellenden Abkommens mit dem Trust.

Nach einigen Erwägungen entschied sich das Außenamt, auf folgende dieser Privatgesellschaft vorzulegenden Bedingungen zu bestehen: Daß Sir Francis Oppenheimer Mitglied des Trusts werden solle, daß die britischen Reedereien Ladungen an ihn adressieren dürften, daß die Gesandtschaft mit genauen Statistiken über den Rheintransit versehen werde. Da Herr van Vollenhoven, der Präsident des Trusts, so eifrig wie die britische Regierung bestrebt war, zu einem Abkommen zu gelangen, wurde über diese Punkte im wesentlichen mündlich eine Einigung erzielt. Der Trust bestand jedoch auf einer Abänderung. Er könne der Ernennung eines britischen Trustmitglieds nicht zustimmen, denn er würde dann gezwungen, auch einen deutschen Vertreter aufzunehmen. Er war jedoch bereit, daß Sir Francis Oppenheimer als britischer Sekretär des Trusts aufträte. Wenn sie später aufgefordert würden, einen deutschen Sekretär zu ernennen, so würden sie antworten, sie seien dazu bereit, sobald die Menge der deutschen Korrespondenz der britischen entspräche. Herr van Vollenhoven willigte auch ein, daß Sir Francis Oppenheimer alle Geschäfte der Gesellschaft und alle Statistiken über den Rheintransit beaufsichtige."44

Am 26. Dezember wurden die britischen Noten überreicht, die die getroffenen Abmachungen bestätigten. Die holländische Regierung trat darin als Adressat für die im Lande zu verbrauchenden Mengen an Weizen, Kupfer, Mehl und Petroleum auf. Bei Körnerfrüchten, Fleisch, Fisch, [117] Fett, Futter, Leder und Häuten sollte Inlandsverbrauch gleichbedeutend mit Verbrauch in den Niederlanden und Niederländisch Indien sein, andere Banngutladungen konnten jedoch nach benachbarten Neutralen ausgeführt werden. Ein vom Handelsattaché unterzeichneter an den Trust gerichteter Brief enthielt die Verpflichtungen, die diese Gesellschaft zu übernehmen hatte.

"Diese Dokumente stellten das erste jener Handelsabkommen dar, die später die eigentliche Maschinerie der Blockade wurden. Die niederländischen Regierungsstellen nahmen sie praktisch, so wie sie waren, an. Die einzige geringfügige Änderung, auf der sie bestanden, lohnt jedoch der Erwähnung. Nicht etwa, weil sie von irgendwelcher Wichtigkeit wäre, sondern weil die Gründe, die sie veranlaßten, für die politischen Einflüsse bezeichnend sind, die auf die Verhandlungen einwirkten und ihre Fortführung jeden Augenblick unmöglich machen konnten.

Der sechste Artikel des Schreibens an die niederländische Regierung lautete:

      Zum Zwecke einer vollständigen Regelung aller den Bannguthandel betreffenden Fragen behalten sich die britischen und französischen Gesandtschaften im Haag das Recht vor, Sir Francis Oppenheimer zu beauftragen, die notwendigen Vereinbarungen mit dem Niederländischen Überseetrust zu treffen...

Dem behutsamen Herrn Loudon schien es, als ob dieser Hinweis auf eine vollständige Regelung der Banngutfragen als ein von einem Neutralen einer kriegführenden Regierung gegebenes Versprechen ausgelegt werden könnte und daß er durch seine Zustimmung dazu die Neutralität, mit deren eifersüchtiger Wahrung er betraut war, aufs Spiel setzen könne. Jedenfalls wurde um 10 Uhr abends Mr. Chilton,45 seinem französischen Kollegen und Sir Francis Oppenheimer telephonisch mitgeteilt, daß Herr Loudon Einwendungen gegen den Artikel erhebe und eher die Verhandlungen zum Scheitern bringen als ihn annehmen werde. Der französische Gesandte befürchtete, Herr Loudon habe sich zum Abbruch der Verhandlungen entschlossen. Herr van Vollenhoven und die Trustdirektoren waren jedoch über diese Spitzfindigkeiten ungehalten. Mit der Pflicht der Versorgung der niederländischen Industrien und der Anpassung des nationalen Handels an die außergewöhnlichen Zeitumstände betraut, verstanden sie die Gefahren der Verzögerungen und Unsicherheit ebenso genau wie Herr Loudon die politischen Gefahren eines kompromittierenden Satzes. Herr van Vollenhoven erklärte sich deshalb bereit, vor dem offiziellen Besuch der alliierten Vertreter Herrn Loudon aufzusuchen. Was zwischen den beiden Niederländern vor sich gegangen ist, ist niemals bekannt geworden. Aber als die alliierten Vertreter kurz nach Herrn van Vollenhovens Besuch das Loudonsche Haus betraten, empfing sie der niederländische Außenminister mit den größten Entschuldigungen. Der sechste Artikel des offiziellen Schreibens wurde geringfügig geändert und die Verhandlung erfolgreich abgeschlossen."46

[118] "Dieses erste Abkommen mit der niederländischen Regierung und dem Überseetrust muß in die kleinen, später in Vergessenheit geratenen, Anfänge einer großen Operation eingereiht werden. Als Kontrollinstrument wurde das Abkommen später als mangelhaft befunden und eingehender ausgearbeitet, nichtsdestoweniger kann man die Wichtigkeit des vorläufig abgeschlossenen Ausgleichs kaum übertreiben. Ohne politische Streitigkeiten zu veranlassen, wandelte das Abkommen die Regel der fort[ge]setzten Reise aus einer bestrittenen Rechtsdoktrin in einen brauchbaren Vertrag zwischen Geschäftsleuten um, mehr als das, das Abkommen verschloß eine geradeswegs nach Deutschland hineinführende Handelsstraße, ohne eine einzige streitige Doktrin des Völkerrechts zu verfechten. Aber das war noch nicht alles. Von nun an konnten weder Lebens- noch Futtermittel durch Holland zum Feinde befördert werden.47 Das Abkommen fegte also jene künstlichen Unterscheidungen zwischen zivilen und militärischen Verbrauchern beiseite, Unterscheidungen, die es den kriegführenden Regierungen auferlegten, zu entdecken, ob ein Faß Mehl in einer Feldkantine oder in eines Bürgers Küche verbacken, ob eine Futterladung von dem Schlachtroß eines Kavalleristen oder dem Karrengaul eines Händlers gefressen würde. Es ist wahr, daß die Trennungslinie zwischen bedingter und unbedingter Bannware von nun an mehr verdunkelt als ausradiert war, aber da das erste Abkommen eine Vereinbarung von Geschäftsleuten war, um alle Feindzufuhren anzuhalten, ohne den neutralen Handel durch eine Häufung von Zurückhaltungen und gerichtlichen Klagen zu ruinieren, so kann es als erster praktischer Wirtschaftskriegsplan angesehen werden."48


b) Die Verhandlungen mit Dänemark

Der größte Teil des dänischen Nationaleinkommens bestand 1914 aus den Erträgen der Ausfuhr an Fleisch- und Milchprodukten, die die dänische Landwirtschaft mit Hilfe teilweise direkt, teilweise über deutsche Häfen eingeführter Futtermittel erzeugte. Hauptabnehmer der dänischen Erzeugnisse und Hauptlieferanten waren Deutschland und England. Nach Deutschland ging ein Viertel der Ausfuhr, 38% der Einfuhren stammte dorther. Doch hatte sich bei Kriegsausbruch die deutsche Einfuhr erheblich verringert, da diese hauptsächlich aus Getreide und Futtermitteln bestand, an denen in Deutschland selbst ein Mangel eingetreten war. "Enger noch als zu Deutschland waren die Wirtschaftsbeziehungen Dänemarks zu England. 62% der in Dänemark selbst erzeugten Produkte wurden nach England ausgeführt, dessen Markt aber imstande war, auch die bisher nach Deutschland ausgeführten Mengen aufzunehmen. Dafür stammte die dänische Kohleneinfuhr im wesentlichen aus England. Der dänische Zwischenhandel mit den auf der englischen Banngutliste stehenden Erzen, Ölen und flüssigen Treibstoffen war zwar erheblich, doch gingen die Wiederausfuhren in diesen Artikeln überwiegend nach Skandinavien.

Im Ganzen gesehen war also die Stellung Großbritanniens im däni- [119] schen Außenhandel sehr stark und die Lage des englischen Unterhändlers in Dänemark deshalb bedeutend günstiger als in Holland. "Er hatte außerdem den zusätzlichen Vorteil, daß der dänische Hof außerordentlich freundschaftlich gesinnt war. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn sandte König Christian Sir Edward Grey ein Schreiben, das seine persönlichen Sympathien für die Sache der Alliierten bezeugt. Später gab er Herrn Andersen den vertraulichen Auftrag, herzliche und enge Beziehungen mit Whitehall aufzunehmen. Prinz Georg von Dänemark schildert Andersen als einen alten und vertrauten Freund der königlichen Familie, dem jedes Geheimnis anvertraut werden könne.

Es gab jedoch auch einen entgegengesetzten Einfluß, den weder die Wirtschaft noch königliche Sympathien in Schach halten konnten: die Furcht des dänischen Ministeriums vor Deutschland. König Christian warnte Sir Edward Grey davor, daß seine Minister von Deutschland so hypnotisiert seien, daß sie aus Furcht ihre Gesinnung nicht zu zeigen wagten. Unsere Regierungsstellen entdeckten später, daß diese Worte nicht übertrieben waren. Aber trotz dieser Warnungen und trotz der Bereitschaft, die Befürchtungen von Staatsmännern zu achten, deren Land der Gnade eines mächtigen Nachbarn ausgeliefert war, waren unsere Unterhändler kaum auf so inkonsequente Anregungen und Gegenvorschläge gefaßt, wie sie die Dänen tatsächlich vorbrachten."49

Noch bevor Sir H. Lowther50 die Verhandlungen eröffnete, "waren unseren Regierungsstellen Versicherungen gegeben worden, daß das System der Ausfuhrverbote streng durchgeführt und nicht gelockert werden würde. Auf Nachfragen Sir H. Lowthers antwortete Herr Scavenius am 22. Oktober, daß die Ausfuhr von Getreide und Futtermitteln aller Art nicht gestattet werden würde und daß auf eine Aufhebung dieser Verbote, obwohl sie nur zur Verhinderung von Verknappungen dienten, nur geringe Aussicht bestünde. Außerdem teilte Herr Scavenius dem britischen Gesandten mit, diese Verbote würden auch auf die in dem Freihafen von Kopenhagen eintreffenden Ladungen angewendet, da der Freihafen innerhalb der dänischen Küstengewässer läge.

Die dänische Liste der verbotenen Ausfuhren war überdies ziemlich umfassend und weniger veränderlich wie die holländische. Die dänischen Regierungsstellen waren auch bereit, den dänischen Gesellschaften zu raten, britischen Anweisungen für den Schiffsverkehr in der Nordsee nachzukommen. Dem äußeren Anschein nach hätten deshalb die Verhandlungen einfach sein müssen. Eine besondere Vereinbarung war offensichtlich bezüglich der dänischen Ausfuhren von Fleisch und Molkereiprodukten notwendig. Einige Ergänzungen der dänischen Liste der verbotenen Einfuhren waren sehr wünschenswert und es war ferner ratsam, eine bestimmte Garantie für den dauernden Charakter der Verbote zu erhalten. Keines dieser Ziele schien besondere Schwierigkeiten zu bieten.

Am 19. November überreichte Sir H. Lowther die von den britischen und französischen Regierungsstellen vorbereiteten Vorschläge. Herr Scavenius antwortete, daß seine Regierung alle bestehenden Ausfuhrverbote [120] entschlossen aufrechterhalten werde, daß sie aber nicht einwilligen könne, die Ausfuhr der im Inland erzeugten Fleisch- und Molkereiprodukte zu beschränken, da diese Ausfuhren die Haupteinkommensquelle der Nation bildeten. Herr Scavenius war außerdem gegenüber dem allgemeinen Vorschlag unnachgiebig, alle auf der britischen Banngutliste stehenden Waren auf die dänische Liste der verbotenen Einfuhren zu setzen. Das hieße, meinte er, zwischen den beiden Kriegführenden Unterscheidungen machen. Er könne nicht zugeben, daß die dänische Regierung eine Art Filiale zur Durchführung englischer Orders in Council würde. Ähnliche Antworten waren jedoch von den holländischen Ministern im Haag gegeben worden und wir hatten gefunden, daß diese Unstimmigkeiten über Grundsätze die Verhandlungen nicht behindert hatten."51

Die Verhandlungen hatten kaum begonnen, als der Nachrichtendienst des "Ausschusses zur Beschränkung der Feindzufuhren" die Entdeckung machte, daß Kopenhagen im Begriffe war, sich zu einer feindlichen Versorgungsbasis zu entwickeln. Die Einfuhren amerikanischen Fleisches nahmen sprunghaft zu, da die großen Konzerne aus Chikago in Kopenhagen Filialen errichtet hatten. Ein neuer Industriezweig, der die eingeführten Fleischwaren zu Konserven verarbeitete, entstand. Daß es sich um einen organisierten Bannguthandel handelte, ergab sich aus einer von der britischen Botschaft aus Washington mitgeteilten Eingabe der an diesem Geschäft meist interessierten amerikanischen Firmen an den Kongreß. Darin wurde dieser ersucht, einen gewinnbringenden Zweig des amerikanischen Außenhandels, nämlich die neu organisierte Ausfuhr amerikanischer Waren in Höhe von 75 Millionen Dollar jährlich, nach den neutralen Staaten Europas vor britischen Übergriffen zu schützen. Mittelpunkt dieser gewaltigen Organisation waren die sogenannten "Chikagoer Fleischpacker", einige Großkapitalisten aus Chikago, die diesen Handel nicht aus Sympathien für Deutschland, sondern nur der zu erwartenden enormen Gewinne wegen aufgezogen hatten.

"Es ist ohne weiteres zu verstehen, daß diese unerwartete Sturzflut von Beweismaterial die Unterhandlungen mit Dänemark besonders schwierig gestaltete. Sir Edward Grey und seine Berater waren zu Verhandlungen geneigt, denn sie erkannten, daß ein nach Prüfung und Beilegung aller streitigen Punkte zwischen den beiden Ländern abgeschlossenes Banngutabkommen ein weit wirksameres Kontrollorgan sei als ein drastischer Befehl an die Flotte oder eine Proklamation, daß Dänemark eine feindliche Versorgungsbasis geworden wäre. Ihr Standpunkt wurde jedoch von den anderen Verwaltungszweigen nicht geteilt, denen Verhandlungen als bloße Zeitverschwendung erschienen.

Die Schwierigkeiten und Zweifel der Beamten des Außenamts wurden überdies durch die dänischen Regierungsstellen vermehrt. Es scheint, daß die wirklichen Tatsachen über den deutschen Transithandel den dänischen Ministern ebenso plötzlich zur Kenntnis kamen, wie den britischen, denn während noch der Ausschuß zur Beschränkung der Feindzufuhr seine Empfehlungen wiederholte, machte der dänische Gesandte von sich aus [121] ein Eingeständnis. Am 2. Dezember sprach er in Downingstreet vor und übergab eine Aufzeichnung, in der er unumwunden alle die Tatsachen, die unsere Regierungsstellen so beunruhigten, einräumte und um Hilfe bat.

In diesem seltsamen Dokument wurde die britische Regierung aufgefordert, ihre Aufmerksamkeit auf die Umstände zu lenken, die Dänemark zu einem Durchgangsplatz für amerikanische Güter machten. Agenten strömten zu Hunderten ins Land, eine neue Schiffahrtslinie werde binnen kurzem zwischen Amerika und Dänemark fahren. Offensichtlich würde das Land bald so mit Zufuhren verstopft sein, daß die Behörden gezwungen würden, die Ausfuhrverbote aufzuheben. Zum Schluß bat der dänische Gesandte, die britische Regierung möge seinem Lande bei der Eindämmung dieser Flut helfen.

Diese unerwartete Aufforderung zur Mitarbeit hätte den Verhandlungen einen Auftrieb geben müssen, wenn die dänischen Regierungsstellen sie durch praktische Vorschläge ergänzt hätten. Gerade im Gegenteil schienen sie aber bestrebt, die von Sir H. Lowther begonnenen Diskussionen abzubrechen, denn zwei Tage nachdem der dänische Gesandte seine Aufzeichnung in London übergeben hatte, telegraphierte Sir H. Lowther aus Kopenhagen, daß Herr Scavenius ihm in einer Unterredung mitgeteilt habe, die dänische Regierung könne den Vorschlägen des englisch-französischen Memorandums nicht zustimmen, da nach ihrer Überzeugung die dänischen Ausfuhrverbote eine genügende Garantie bildeten. Der britische Gesandte erläuterte diese Mitteilung in einem Bericht dahin, die dänische Regierung werde niemals einwilligen, Adressat der auf der britischen Banngutliste stehenden Ladungen zu werden und werde auch, falls es die wirtschaftliche Lage des Landes nicht notwendig mache, die Liste ihrer Einfuhrverbote nicht erweitern. Unter diesen Umständen schien es, als ob das Außenamt gezwungen würde, den zweiten Artikel der letzten Order in Council gegen Dänemark anzuwenden. In der Tat teilte Sir Edward Grey dem englischen Gesandten mit, da die Dänen nicht geneigt schienen, dem holländischen Vorbild zu folgen und eine Kaufmannsgilde zu bilden, da ihre Ausfuhrverbote den Banngutstrom nach Deutschland nicht eindämmen könnten, da ihr Land bereits eine feindliche Versorgungsbasis geworden sei und da keine Unterscheidung zwischen deutschen und dänischen Ladungen mehr gemacht werden könne, werde die Regierung binnen kurzem genötigt sein, alle an wen auch immer adressierten Banngutladungen nach Dänemark anzuhalten.

Da die dänischen Regierungsstellen uns um Beistand ersucht und gesprächsweise erklärt hatten, sie wären zufrieden, wenn die britische Flotte alles Banngut vor der Ankunft in Dänemark aufhielte, so bestand Grund zu der Annahme, daß die dänische Regierung durch diese Erklärung beruhigt werden würde.52 Statt dessen protestierte sie dagegen. Der dänische Gesandte überreichte dem Außenamt eine Note, in der er die britische Regierung bat, ihre Entscheidung noch einmal zu überprüfen, weil bei der Anwendung der Order in Council auf sein Land weitreichende und gefährliche Folgen entstehen könnten. Bei Übergabe dieser Note war der [122] Stand der Angelegenheit folgender: Die dänischen Regierungsstellen hatten uns förmlich und amtlich aufgefordert, den Banngutstrom in ihr Land abzustoppen und ungefähr gleichzeitig gegen die von uns auf ihr eigenes Verlangen vorgeschlagenen Maßnahmen protestiert. In London hatten die dänischen Regierungsstellen schriftlich zugegeben, ihr Land werde mit deutschen Zufuhren überschwemmt und ihre Ausfuhrverbote würden dadurch unwirksam. In Kopenhagen hatten sie das gerade Gegenteil behauptet. Wenn hierin die Haltung der dänischen Regierung richtig dargestellt wird, schrieb Sir Eyre Crowe bei Empfang des letzten dänischen Memorandums, so kann man sich schwer etwas Unlogischeres und Inkonsequenteres vorstellen. In ihrer letzten Note hatten die Dänen jedoch versichert, daß sie noch zu verhandeln wünschten. Wenige Tage später wurde dem Außenamt mitgeteilt, daß ein besonderer dänischer Abgesandter nach London kommen würde. Man entschloß sich deshalb, seine Ankunft abzuwarten, um zu sehen, zu welchen Vorschlägen er ermächtigt sei.

Der besondere Gesandte war Herr Clan, der Leiter der dänischen Handelsabteilung. Er kam Mitte Dezember in London an, wo ihm von Sir Eyre Crowe sogleich ein Memorandum übergeben wurde, das Erklärungen über den britischen Standpunkt enthielt. Der wesentliche Inhalt dieser Aufzeichnung war, daß die Dänen durch ihr eigenes Eingeständnis bewiesen hätten, daß ihre Ausfuhrverbote jederzeit wirkungslos werden könnten. Diese Verbote seien erlassen, um einen Mangel zu verhindern. Aus dem Mangel werde schnell ein Überfluß. Wenn auch die Ausfuhrverbote möglicherweise die Wiederausfuhr von Nahrungs- und Futtermitteln, die die Dänen in großen Mengen benötigten, aufhalten könnten, könnte man sich darauf verlassen, daß dasselbe bei Waren wie Kupfer und Gummi der Fall sein werde? Der dänische Verbrauch dieser Güter sei klein. Wenige Schiffsladungen könnten einen großen Überfluß im Lande aufhäufen. Die britische Regierung schlüge deshalb vor: Erstens, alle Einfuhren sollen an eine führende Vereinigung von bona fide-Importeuren, die die notwendigen Garantien gegen eine Wiederausfuhr gewähren, adressiert werden; zweitens, die andere Banngutwaren einführenden Firmen sollen für jede an sie adressierte Ladung Garantien geben. Dieses System privater und individueller Garantien würde nicht die Verantwortlichkeit der dänischen Regierung herbeiführen und könnte infolgedessen von der deutschen Regierung nicht beanstandet werden.

Die dänische Regierung hatte sicherlich Herrn Clan sehr genaue Weisungen gegeben, denn zunächst schien es, als ob er nur angewiesen wäre, als Verteidiger der dänischen Molkereiprodukte und seiner Regierung aufzutreten.

      Was Fleischwaren betraf (schrieb Sir Eyre Crowe), so konnte ich aus ihm nichts als eine Erklärung herausholen, daß ein Verbot unmöglich sei, daß es aber möglich sein könnte, die Ausfuhr der Fleischkonserven zu verbieten, die keine Verarbeitung der heimischen Fleischerzeugung darstellten. Ich legte ihm dar, einen wie weiten Spielraum diese Regelung dem Bannguthandel lasse. Er fuhr fort, darauf zu drängen, wir sollten alle Banngutladungen beschlagnahmen, bevor sie [123] Dänemark erreichten und protestierte im gleichen Atemzug gegen die Anwendung des Art. II der Order in Council vom 29. Oktober. Ich versuchte in vielstündigen Argumentationen vergeblich, ihm zu erklären, daß die Anwendung des Art. II der einzige Weg sei, auf dem wir die Bannguttransporte rechtmäßig anhalten könnten. Ich fürchte, es gelang mir nicht, ihn zu dieser Erkenntnis zu bringen...

Herr Clan war jedoch durch Sir Eyre Crowes Darlegungen tiefer beeindruckt, als er während der Konferenz zuzugeben bereit war, denn nach mehreren langen Unterredungen war Sir Eyre Crowe überzeugt, daß die dänische Regierung sich zur Aufrechterhaltung der Verbote auf ihre Ehre verpflichtet ansehen würde, wenn sie die Freiheit behielte, ihre heimischen Erzeugnisse ohne Einschränkungen auszuführen und Banngut nach anderen skandinavischen Ländern wiederauszuführen. Sie könnte jedoch nicht in die Bildung einer Gilde der Einfuhrhändler nach holländischem Vorbild einwilligen."53

"Offensichtlich würde die Anwendung eines Abkommens dieser Art weit schwieriger als die des vor kurzem im Haag geschlossenen Abkommens gewesen sein. Die einzige Alternative war jedoch die Ablehnung der dänischen Vorschläge und die Inkraftsetzung des zweiten Artikels der Oktober-Order in Council."54 Einen Mittelweg gab es nicht, da der Rechtsberater des Außenamts Herr Malkin in einem Gutachten ausführte, ohne eine solche Inkraftsetzung sei es sehr zweifelhaft, ob die Prisengerichte Beschlagnahmen nach Dänemark bestimmter Waren bestätigen würden. Sir Eyre Crowe empfahl angesichts dieser Sachlage Sir Edward Grey, Dänemark zur feindlichen Versorgungsbasis zu erklären.

"Der Außenminister war jedoch nicht zu überzeugen. Er sagte, die Dänen würden sicherlich Vergeltung üben und die Ausfuhr von Nahrungsmitteln nach England verbieten. Dies war der einzige besonders angegebene Grund. Es gab aber noch andere gleich wichtige Gründe. Um diese Zeit befand sich das Außenamt in Vertragsverhandlungen mit allen skandinavischen Regierungen, mit der niederländischen Regierung, mit dem Niederländischen Überseetrust und mit der Vereinigung der amerikanischen Fleischpacker. Wenn eine dieser Verhandlungen fehlschlug, so würde ihr Fehlschlag sicherlich die übrigen ungünstig beeinflussen. Besonders wichtig war es, einen Zusammenbruch der Verhandlungen mit einer skandinavischen Macht zu verhindern, denn unsere Diplomaten beobachteten damals einen Vorgang, der zur Bildung eines skandinavischen Konzerts hätte führen können.

Als die Verhandlungen mit Herrn Clan besonders schwierig waren, trafen sich die drei skandinavischen Monarchen und ihre Minister in Malmö. Der erklärte Zweck dieser Zusammenkunft war die gemeinsame Beratung der dem Handel jedes der drei Länder aufgebürdeten außergewöhnlichen Beschränkungen. Obgleich wir durch unsere Gesandten wußten, daß die Politik und die Sympathien der drei Regierungen noch sehr auseinandergingen, hatte das freundschaftliche Zusammentreffen der Monarchen trotz [124] alledem den Charakter eines skandinavischen Kongresses. Jede überstürzte und willkürliche Maßnahme der britischen Regierung, jede Maßnahme, die ein dänischer, schwedischer oder norwegischer Monarch als ein seinem Lande angetanes Unrecht hinstellen konnte, hätte dieser noch unreifen Vereinigung festeren Zusammenhalt geben müssen. Es war überdies bezeichnend, daß sogleich nach Beendigung der Zusammenkunft von Malmö der König von Dänemark seinen Freund Andersen anwies, unseren Gesandten davon zu unterrichten, wie wichtig der Abschluß eines baldigen Abkommens sei. Herr Andersen war sogar zu dem Versprechen ermächtigt, der König selbst werde auf seine Minister einen Druck ausüben, um die Ausfuhrverbote unzerbrechlich zu gestalten.

Der Sir Edward Grey gegebene Rat war deshalb sehr gefährlich, um so mehr, weil sogar die praktischen Folgen eines allgemeinen Abstoppens der dänischen Schiffahrt schwer abzuschätzen waren. Im Gegensatz dazu sicherte ein ausgehandeltes Abkommen gewisse sehr greifbare Vorteile. Solange die Unterhandlungen Verhandlungen über Handel und Waren waren, wurde die Aufmerksamkeit jeder neutralen Regierung mehr und mehr auf ihre eigenen Interessen und Angelegenheiten gerichtet und im gleichen Verhältnis von jenen Rechtsgrundsätzen abgelenkt, die immer, wenn sie einmal angerufen worden waren, so viele Streitigkeiten hervorgerufen haben. Mehr noch, jedes einmal abgeschlossene Abkommen schuf teils politische, teils wirtschaftliche Bindeglieder zwischen Großbritannien und den neutralen Ländern, denn sie legten jedem Teil Verpflichtungen auf, die wiederholt geprüft und abgestimmt wurden,55 ein Verfahren, das die Handelssysteme beider Länder einer dauernden Prüfung unterwarf. Außerdem konnte jedes mangelhaft befundene Banngutabkommen revidiert werden... Im Gegensatz hierzu war die andere politische Möglichkeit, ex cathedra zu verkünden, Dänemark sei eine feindliche Versorgungsbasis, und entsprechend zu handeln, eine Politik des erklärten Zwangs. Wenn sie fehlschlug, konnte sie weder den Umständen angepaßt noch sogleich fallen gelassen werden.

Die Verhandlungen mit Herrn Clan wurden deshalb nicht unterbrochen, und Anfang Januar konnte Sir Eyre Crowe berichten, daß der dänische Abgesandte den allgemeinen Grundsätzen eines annehmbaren Abkommens zugestimmt habe und daß nur noch die Regelung von Einzelheiten ausstände. Diese Einzelheiten waren von keiner besonderen Bedeutung. Am 12. Januar wurde Sir L. Lowther benachrichtigt, daß das Abkommen geschlossen sei und dem dänischen Außenminister zur Bestätigung vorgelegt werden solle. Kraft dieses Abkommens erklärte die dänische Regierung, daß es ihre feste Absicht sei, die Ausfuhrverbote nicht aufzuheben und daß die alliierten Regierungen sich darauf verlassen könnten, daß die Verbote aufrechterhalten blieben. Dies war die Hauptgarantie dafür, daß der dänische Durchfuhrhandel nach Deutschland unterdrückt würde. Sie wurde ergänzt durch Bestimmungen, wonach die alliierten Regierungen besondere Garantien für die bona fides einzelner Ladungen einzelner Importeure verlangen konnten und nach denen das Verbot der Ausfuhr [125] von Rohstoffen nicht nur die Rohstoffe an sich, sondern auch ihre Legierungen und Halbfabrikate... ja sogar Fertigfabrikate umfassen sollte, wenn das Rohmaterial oder seine Legierungen den wesentlichen Teil des fertiggestellten Artikels bildeten. Als Entgelt für diese Garantien gewährten die alliierten Regierungen beträchtliche Freiheiten im Bannguthandel, denn sie stellten den Dänen die Ausfuhr von Fleisch und Speck, falls sie im Inland erzeugt oder zubereitet seien, frei. Die dänische Regierung er klärte sich ihrerseits bereit, die Ausfuhr eingeführten Specks zu verbieten, aber dieses Versprechen wurde durch den Art. 10 abgeschwächt, der folgendermaßen lautete:

      Solange die Einfuhr von Waren, die Dänemark im allgemeinen ausführt, nicht die normalen Mengen überschreitet, werden die alliierten Regierungen nicht die Frage solcher Einfuhren aufwerfen, die eine entsprechende Menge von Gütern im Land für die Ausfuhr frei machen.

Außerdem wurde es Dänemark gestattet, an benachbarte Neutrale Banngut auszuführen, vorausgesetzt, daß die Ausfuhrgüter auf der Verbotsliste der anderen Neutralen standen. Schließlich erklärten die alliierten Regierungen, sie würden den Art. II der letzten Order in Council im Augenblick nicht anwenden und würden die dänische Regierung in angemessener Weise benachrichtigen, wenn sie die Umstände zur Anwendung zwängen."56


c) Die Verhandlungen mit Schweden

Schweden ist teils Industrie-, teils Agrarstaat. Seine wichtigsten Ausfuhrartikel sind Holz und Holzerzeugnisse, wie Grubenholz, Zellulose usw. Außerdem werden Eisenerze von höchster Qualität, Eisen und Stahlerzeugnisse, insbesondere Maschinen, Vieh- und Fleischprodukte ausgeführt. Die wichtigsten Einfuhren sind Getreide und Futtermittel, Textilien, Kunstfette, Kohle und andere Treibstoffe, sowie Mineralien und Metalle. 1913 waren Deutschland und Großbritannien Schwedens Hauptkunden, denn sie lieferten 58% der Einfuhren und kauften genau die Hälfte der Ausfuhr.

Die britische Verhandlungsposition war besonders dadurch stark, daß Großbritannien nicht nur fast alle Kohlen einführte, sondern auch einen Teil der Petroleumeinfuhr kontrollierte. Gewisse Gründe verhinderten aber, dieses wirtschaftliche Gewicht voll in die Waagschale zu werfen. Zunächst war Rußland bei seiner geringen industriellen Entwicklung auf die Einfuhr schwedischer Maschinen angewiesen und seine einzige Eisenbahnverbindung mit seinen westlichen Verbündeten führte durch schwedisches Gebiet. Schweden hatte dadurch die Möglichkeit sehr fühlbarer Vergeltungsmaßnahmen gegenüber der Entente im Falle scharfer britischer Seekriegsmaßnahmen. Im Herbst 1914 wurde die britische Stellung gegenüber Schweden jedoch mehr durch die Unsicherheit über die Entwicklung der schwedischen Außenpolitik als durch die Rücksicht auf die wirtschaftliche Stärke Schwedens beeinflußt.

[126] "In den ersten Kriegstagen, ja sogar noch vor der Kriegserklärung, wurde das britische Außenamt bitter daran erinnert, daß Schwedens langer Widerstreit mit Rußland immer noch mächtig genug war, um einen Einfluß auf die schwedische Politik auszuüben. Denn als Rußland, Deutschland und Frankreich mobilisierten, teilte der schwedische Außenminister Herrn Howard57 mit, falls Großbritannien Deutschland den Krieg erkläre, würde Schweden sich fast mit Sicherheit für die Zentralmächte erklären. Damals hielt Sir Edward Grey die Gefahr der schwedischen Intervention für so ernst, daß er die anderen Regierungen der Entente zu der gemeinsamen Erklärung veranlaßte, sie würden unter keinen Umständen die Neutralität einer skandinavischen Macht verletzen; falls es der Feind täte, könne das Land, das das Opfer seines Angriffes sei, auf britischen, französischen und russischen Beistand rechnen."

Die Erklärung wurde allen skandinavischen Regierungen gegenüber abgegeben, aber unsere Regierungsstellen hatten geringen Grund, eine norwegische Intervention zu befürchten, denn fast gleichzeitig kamen aus Christiania Berichte ganz anderer Art. Am 3. August berichtete Mr. Findlay, daß der König von Norwegen eine Kabinettssitzung einberufen hätte, und daß er die Minister, nachdem er ihnen mitgeteilt habe, er erwarte ein deutsches Ultimatum, dazu gedrängt hätte, sich für England zu erklären. Dies war nach des Königs Meinung die einzige Möglichkeit, die Lebensmittelzufuhr des Landes zu sichern und es gegen einen Angriff Schwedens zu garantieren.58

"Schon bei Beginn des Krieges enthielten so die von unseren Gesandten in Christiania und Stockholm eingesandten Berichte über die täglichen Ereignisse eine bündige Würdigung der abweichenden Interessen und entgegengesetzten Sympathien der beiden nördlichen Mächte. Um Mr. Findlays im Verlaufe der Krisis niedergeschriebene Worte zu gebrauchen: Norwegen hängt absolut von der vorherrschenden Seemacht im Atlantik, Schweden hängt in starkem Maße von der vorherrschenden Macht des Ostseeraumes ab."59

Trotz dieser verschiedenen Sympathien der Regierungen beider Länder bestanden zwischen den Völkern so starke Gemeinsamkeiten auf der Grundlage eines gesamtskandinavischen Bewußtseins, daß die Regierungen schließlich veranlaßt wurden, fast zu gleicher Zeit die Neutralität zu erklären und sich in einem Abkommen gegenseitig zur Aufrechterhaltung der Neutralität sowie zur Unterlassung jedes Angriffes aufeinander zu verpflichten. Auch später kam es zu Kundgebungen skandinavischer Einigkeit, die der englische Gesandte in Christiania für gefährlich erklärte, da sie Norwegen in den Bannkreis der schwedischen Kontinentalpolitik ziehen würde, während sie der englische Gesandte in Stockholm befürwortete, weil sie dem Einfluß der für eine Intervention zugunsten Deutschlands wirkenden Gesellschaftskreise entgegenwirkte. Insbesondere war man sich in Skandinavien einig in der Ablehnung der englischen Praxis, Handelsschiffe zurückzuhalten und Garantien für die Ladung zu verlangen.

"Mr. Howard hatte deshalb, noch bevor ihm das alliierte Memoran- [127] dum übersandt worden war, mit Herrn Wallenberg über ein zufriedenstellenderes Verfahren gesprochen und hatte von dem schwedischen Außenminister die Versicherung erhalten, wenn die britische Regierung den schwedischen Regierungsstellen die Durchführung und Aufrechterhaltung ihrer Ausfuhrverbote, die er verspreche, anvertrauen werde, so werde die schwedische Regierung die Ausfuhr aller nicht normalerweise aus Schweden ausgeführten Rohstoffe verbieten. Das war weniger als das Versprechen, das wir zu erlangen wünschten. Aber es war wenigstens eine Annäherung an die Vorschläge des alliierten Memorandums. Dieser gute Anfang wurde jedoch durch die ganz Schweden in Erregung versetzende Bekanntmachung der Admiralität, die Nordsee werde als militärisches Gebiet behandelt, sehr beeinträchtigt. Mr. Howard berichtete sogleich, daß sie allgemein von der Presse als tödlicher Schlag gegen die schwedische Handelsschiffahrt und als die Ankündigung hingestellt werde, Schweden solle von der Außenwelt durch wahlloses Minenlegen abgeschnitten werden. Kein Geringerer als der König von Schweden sandte der englischen Gesandtschaft eine vorwurfsvolle Mitteilung. Der französische und der russische Gesandte hielten die herrschende Erregung sogar für so bedenklich, daß sie zu einer Konferenz in der britischen Gesandtschaft zusammenkamen und daß Mr. Howard eine gemeinsame Empfehlung drahtete, die öffentliche Meinung so schnell und großzügig wie möglich versöhnlich zu stimmen.

Mit einer durch diese Erregung beunruhigten Regierung mußte Mr. Howard die Vorschläge des alliierten Memorandums erörtern. Seine schwierige Aufgabe wurde jedoch durch Herrn Wallenberg erleichtert. Immer wenn unser Gesandter über die Gerüchte über eine schwedische Intervention und über die Stärke der interventionistischen Partei berichtet hatte, hatte er das größte Vertrauen in Herrn Wallenbergs Urteilsvermögen und Ehrenhaftigkeit zum Ausdruck gebracht. In dieser schwierigen Zeit zeigte Herr Wallenberg, daß das von unserem Gesandten in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt war. Aus der Einsicht heraus, daß ein Banngutabkommen mit Großbritannien dem schwedischen Handel und der schwedischen Schiffahrt, welche durch die Ankündigung der Admiralität gefährdet zu sein schienen, die Freiheit geben und deshalb die Nation beruhigen würde, gab Herr Wallenberg den Vorschlägen einen besseren ersten Empfang als irgendeine der anderen Regierungen. Nach sorgfältiger Prüfung der Vorschläge antwortete der schwedische Außenminister, daß seine Regierung den beiden Hauptvorschlägen zustimmen würde. Sie würde die Ausfuhr der auf der alliierten Banngutliste stehenden Güter verbieten und würde verhindern, daß auf namentlich genannte Adressaten lautende Güter bei Ankunft als Transitgut erklärt und dann wieder ausgeführt würden. Als Gegenleistung für dieses Versprechen forderte Herr Wallenberg, daß die Alliierten die Einfuhr gewisser Getreidearten und Rohmaterialien erlaubten und nicht in die Ausfuhr von Gütern authentisch schwedischen Ursprungs eingriffen. Herr Wallenberg fügte hinzu, die schwedische Regierung verlange die Freiheit, Banngut nach Norwegen und Dänemark so wie allgemein Mindestmengen der auf der Verbotsliste stehenden Artikel in Sonderfällen auszuführen.

Die erste und die letzte der schwedischen Bedingungen waren der [128] Gegenstand eingehender Erörterungen. Schien es doch, als ob die Schweden durch ihren ersten Vorbehalt das Recht zur Einfuhr unbegrenzter Mengen solcher Waren wie Kupfer und Manganerz verlangten und daß sie sich weigern würden, sie auf die Liste der verbotenen Ausfuhren zu setzen, weil sie einen echten schwedischen Ausfuhrhandel in diesen Waren nachweisen könnten. Das Recht, Banngut nach anderen skandinavischen Ländern auszuführen, war ein Recht, welches das Außenamt letztlich zu gewähren willens war, aber gerade als die Schweden ihre Forderung stellten, erhielten unsere Regierungsstellen Berichte über ein üppiges Wachstum des dänischen Transithandels, und gestanden die dänischen Regierungsstellen ein, daß sie nicht mehr zu seiner Kontrolle in der Lage seien. Ganz natürlicherweise wurde daher der schwedische Anspruch auf freien Bannguthandel mit Dänemark in Whitehall mit beträchtlichem Unbehagen erörtert.60

Nach weiteren Verhandlungen stimmte Herr Wallenberg unserer hauptsächlichsten Behauptung, daß die Alliierten alle nicht auf die Liste der verbotenen Ausfuhren gesetzten Banngutwaren beschlagnahmen würden, zu. Da die Alliierten sich besonders besorgt betreffend Kupfer und Gummi zeigten, erklärte sich Herr Wallenberg ferner damit einverstanden, daß alle Halbfabrikate und die für militärische Zwecke geeigneten Fertigwaren auf die Verbotsliste gesetzt würden. Andererseits hielt Herr Wallenberg an seinem Anspruch, Ausnahmen für kleine Mengen zu gewähren, fest und wies nach, daß gewisse durchaus legitime Handelsgeschäfte zwischen Schweden und Deutschland und Schweden und Rußland ohne Ausübung dieses Rechts unmöglich werden würden."61

Über die Ausnahmeklausel kam es zu scharfen Gegensätzen zwischen der Gesandtschaft in Stockholm und dem Banngutausschuß. Der Banngutausschuß erklärte, dadurch werde das ganze Abkommen wertlos, und verlangte, daß der schwedische Widerstand durch rigorose Handhabung der Banngutkontrolle gebrochen würde, während der Gesandte aus politischen Gründen empfahl, das Abkommen trotz der Wahrscheinlichkeit einzelner Mißbräuche auch mit der Klausel abzuschließen.

"Diese Meinungsverschiedenheiten sind bemerkenswert, weil sie zwei Tendenzen erläutern, welche die Durchführung der Blockade von Anfang an beeinflußten und wegen ihrer innerlichen Berechtigung oft schwer auszusöhnen waren. Es war nur natürlich, daß jene Beamten, deren Pflicht es war, die Handelsbewegungen zu beobachten und geheime Kanäle der Banngutzufuhr zu entdecken, empfahlen, jeden möglichen Zugang mit wissenschaftlicher Objektivität zu versperren; es war ebenso natürlich, daß Beamte, die ihr Leben lang die Beweggründe fremder Höfe ermittelt hatten, sich vor den Folgen einer Politik fürchteten, die einigen Tonnen Kupferdraht mehr Wichtigkeit beizumessen schien als den Sympathien und Freundschaften einer fremden Regierung und einer fremden Nation. Die Schwierigkeit, diese entgegengesetzten Tendenzen auszugleichen, war um so größer, weil ihre Anhänger nicht immer Beamte derselben Behörde waren. Unstimmigkeiten zwischen den Beamten des Auswärtigen Dienstes [129] konnten durch eine höhere Autorität ausgeglichen werden, die durch Schulung und Gewohnheit darin geübt war, widerstreitende Meinungen unparteiisch zu prüfen. Wenn dagegen zwei verschiedene Ministerien in ähnlicher Weise entzweit waren, so war es nicht so leicht, über die Berechtigung entgegengesetzter Meinungen zu entscheiden und entsprechend die allgemeine Politik auszurichten."62

In diesem Fall entschied Sir Eyre Crowe zugunsten des Gesandten, der daraufhin am 8. Dezember der schwedischen Regierung einen Vertragsentwurf folgenden Inhalts unterbreitete: "Erstens, die alliierten Regierungen versprachen, nicht gegen Schiffe, die Banngutladungen nach Schweden beförderten, vorzugehen (außer insoweit als es zur Prüfung der Schiffspapiere erforderlich war), falls die Schiffsladung auf der schwedischen Liste der verbotenen Ausfuhren stand. Wenn jedoch die Ladung durch die Verbündeten zum Banngut erklärt worden war und ihre Ausfuhr nicht von Schweden verboten war, so behielten sich die Alliierten ihr Recht vor, sie als Banngut zu behandeln. Zweitens, die alliierten Regierungen erklärten sich ihres ersten Versprechens ledig, wenn die schwedische Liste der verbotenen Ausfuhren nur zum Banngut erklärte Rohstoffe enthielt. Auch die Halbfabrikate mußten darin aufgenommen sein. Drittens, die Alliierten verpflichteten sich, nicht in die Ausfuhr authentisch schwedischer Güter einzugreifen. Viertens, die Ententemächte versprachen, Schweden nicht an der Einfuhr von Rohstoffen aus den Ententeländern zu hindern, vorausgesetzt daß diese Stoffe in Schweden verbraucht würden. Endlich erkannten die Alliierten das schwedische Recht an, Banngut nach Norwegen und Dänemark auszuführen, falls die auszuführenden Waren auf den norwegischen und dänischen Verbotslisten standen. Das Recht, allgemeine Ausnahmen für kleine Mengen in Sonderfällen zu gewähren, wurde ebenfalls zugestanden. Das Abkommen wurde von beiden Teilen am gleichen Tage unterzeichnet."63


d) Die Verhandlungen mit Norwegen

"Wie bereits hervorgehoben wurde, erklärten die norwegische und die schwedische Regierung, nachdem sie ihre diametral entgegengesetzten politischen Sympathien zum Ausdruck gebracht hatten, gemeinsam ihre Neutralität. Die norwegischen Regierungsstellen waren jedoch darauf bedacht, nachzuweisen, daß ihr Abkommen mit Schweden nur ein skandinavisches Abkommen sei und ihre natürliche Sympathie für Großbritannien nicht einem höheren politischen Interesse untergeordnet habe. Dies zeigte sich darin, daß während die norwegisch-schwedischen Verhandlungen noch im Gange waren, der Minister des Auswärtigen Ihlen Mr. Findlay die von seiner Regierung angeordneten Küstenverteidigungsmaßnahmen erklärte und den Gesandten über die Verteilung der norwegischen Seestreitkräfte und über die Zwecke und Lage zukünftig anzulegender Minenfelder unterrichtete. Einen Verteidigungsplan bis ins einzelne einer Regierung [130] darzulegen, mit der Norwegen nicht durch ein Bündnis oder eine Militärkonvention verbunden war, war ein außerordentlicher Vertrauensbeweis."64

Diese außergewöhnlich freundschaftlichen Beziehungen wurden in den ersten Kriegsmonaten auch nicht durch Nachrichten über die Entwicklung eines Bannguthandels nach Deutschland gestört. Der Verdacht war so gering, daß Herr Findlay vorschlug, die in Norwegen als sehr lästig empfundene Kontrolle der norwegischen Schiffahrt zu lockern.

In einem Gesandtschaftsbericht beurteilte er die Lage folgendermaßen:

      "Die Angelegenheit kann auch noch von einer anderen Seite betrachtet werden, die man nicht aus den Augen verlieren sollte. Unzweifelhaft ist ein von den anderen kleinen neutralen Staaten Westeuropas geteiltes Gefühl im Wachsen, daß ihr legitimer Handel in unbilliger Weise von Großbritannien beeinträchtigt wird. Was Norwegen angeht, wage ich anheimzustellen, seinen Interessen in jeder Weise entgegenzukommen, solange es seine gegenwärtige Politik, die Banngutzufuhren nach Deutschland mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu entmutigen, befolgt. Ich bin nicht in der Lage, eine Garantie dafür zu geben, daß absolut nichts aus Norwegen seinen Weg in jenes Land findet, aber das Leck wird klein sein und solange es klein bleibt, erscheint sein mögliches Dasein ein geringeres Übel zu sein, als die Schaffung eines Gefühls des bösen Willens, das sicherlich nur das Leck vergrößern wird... Die Norweger fühlen zu Recht oder Unrecht, daß ihre Anstrengungen, einen geraden Weg zu gehen, nicht voll gewürdigt worden sind..."

Eine durch die "unverschämte Proklamation"65 der Admiralität vom 2. November hervorgerufene Erregung der öffentlichen Meinung, insbesondere der Schiffahrtskreise, führte zwar zu einer Abkühlung der Beziehungen, doch wurden diese nach der am 10. November in Drontheim erfolgten prompten Internierung des deutschen Minenlegers Berlin, für die Sir Edward Grey den norwegischen Behörden seinen Dank aussprach, wieder herzlicher. Gleichwohl verhielt sich die norwegische Regierung bei den Verhandlungen über die Banngutfrage sehr zurückhaltend und beantwortete die ihr von Herrn Findlay und seinem französischen Kollegen überreichten alliierten Vorschläge zunächst nicht.

"Die britischen Regierungsstellen konnten nicht zulassen, daß ihre Vorschläge nicht beachtet wurden. Die norwegische Regierung schien zu ihrer Beantwortung aber nicht geneigt zu sein. Erst nachdem er von Mr. Findlay dazu gedrängt worden war, gab Herr Ihlen eine vorsichtige Antwort. Einige Wochen vor der Übergabe des alliierten Memorandums hatte Sir Edward Grey den skandinavischen Gesandten in London mitgeteilt, ihre Ausfuhrverbote seien eine genügende Garantie gegen die Wiederausfuhr von Banngut. In seiner amtlichen Antwort erinnerte Herr Ihlen die britische Regierung daran und erklärte, da die norwegischen Verbote als wirksame Schranke anerkannt worden seien, seien keine weiteren Verhand- [131] lungen notwendig. Er gab überhaupt keine Antwort auf den allgemeinen Vorschlag, daß alle von den Alliierten zum Banngut erklärten Waren auf die norwegischen Listen der verbotenen Ausfuhren gesetzt werden sollten.

Nach Empfang dieser Antwort überreichten der französische und britische Gesandte ein zweites Memorandum, in dem sie die norwegische Regierung daran erinnerten, daß ihre Verbotslisten nicht den alliierten Banngutlisten entsprachen und daß die alliierten Regierungen insbesondere Zusicherungen bezüglich solcher Metalle wie Kupfer, Aluminium, Nickel, Blei, Eisenerz und solcher Waren wie Gummi und Petroleum wünschten. Von diesen Artikeln stand nur Gummi auf der norwegischen Verbotsliste, als das Memorandum übergeben wurde.

Die norwegische Rohstofflage war in dieser Hinsicht ungefähr folgende: Die Norweger hatten eigene Eisen- und Kupfergruben und führten deren Erze hauptsächlich nach Schweden, Dänemark und Deutschland aus. Sie führten andererseits das für elektrische Anlagen benötigte Spezialkupfer ein. Die Nachfrage nach eingeführtem Kupfer war erheblich und das einheimische norwegische Kupfer wurde vorwiegend ausgeführt. Eine andere Besonderheit der norwegischen Kupferindustrie bestand darin, daß man das zur Herstellung von Schwefelsäure verwendete Kupferpyrit, das in großen Mengen in norwegischen Gruben erzeugt wurde, in Deutschland dringend benötigte. Außerdem besaßen die Norweger verschiedene Aluminiumindustrien und führten dieses Metall ein und aus. Bezüglich ihres Bleis und Nickels, das sie nur in kleinen Mengen einführten, waren sie von fremden Ländern abhängig.

Nach Prüfung der zweiten Mitteilung antwortete Herr Ihlen, seine Regierung würde sich niemals in ihrer Freiheit beschränken lassen, die in Norwegen erzeugten Metalle dahin zu verkaufen, wohin sie wünschte. Sie würde aber die Wiederausfuhr eingeführter Metalle verbieten, falls ihr Recht, Ausnahmen zuzulassen und das Recht des Handels in Banngutwaren mit den übrigen skandinavischen Ländern anerkannt würde. Wenige Tage nach dieser Antwort Herrn Ihlens verbot die norwegische Regierung tatsächlich die Ausfuhr von Kupfer und die Nachfragen der Banngutabteilung über Umfang und Sinn des Verbotes wurden alle zufriedenstellend beantwortet. Herr Ihlen deutete auch an, daß andere Verbote folgen würden und versprach, daß die gewährten Ausnahmen den alliierten Regierungen mitgeteilt werden würden, um ihren sachverständigen Beratern die Prüfung der Bestimmung der Ausnahmeladungen zu ermöglichen. Den Beamten der Banngutabteilung war dieser Anspruch auf Gewährung von Ausnahmen, auf den alle skandinavischen Regierungen damals bestanden, zuwider. Da das außerordentliche Anwachsen des dänischen Durchfuhrhandels große Sorgen verursachte, so war es auch natürlich, daß der Grundsatz, daß die skandinavischen Staaten untereinander frei mit Banngutwaren handeln dürften, ihr Mißtrauen erregte. Obgleich man hiernach beide Forderungen nicht liebte, wurde doch keine ernstlich bestritten. Die norwegische Regierung kam unseren Wünschen durch die vorherige Benachrichtigung der Gewährung von Ausnahmen weit entgegen und es wurde um diese Zeit auch bekannt, daß die skandinavischen Vertreter in Malmö beschlossen [132] hatten,66 den Handelsverkehr zwischen ihren drei Ländern von allen Beschränkungen freizuhalten. Wenn man dem entgegentrat, würde man das von Mr. Findlay so mißtrauisch betrachtete skandinavische Einvernehmen sogleich gestärkt haben.

So wurden die Unterhandlungen mit Norwegen Verhandlungen über eine Vervollständigung der Liste der Ausfuhrverbote. Obgleich der norwegische Außenminister offensichtlich angewiesen war, kein allgemeines Versprechen einzugehen oder Noten auszutauschen, die ein Abkommen hätten genannt werden können, so kam seine Regierung unseren Wünschen in diesen praktischen Detailfragen pünktlich nach. Die Ausfuhr von Kupfer, Aluminium, Nickel, Blei und Jute wurde im Laufe des Dezembers durch Verordnung verboten und unserem Gesandten wurde angedeutet, weitere Verbote würden erlassen werden, wenn die Regierung Verdachtsgründe für heimliche Ausfuhren habe. Um das Jahresende war die norwegische Liste der Ausfuhrverbote so umfassend, daß die Vorschläge des alliierten Memorandums nicht mehr weiter verfolgt wurden. Der Gesandte empfahl ferner, die norwegischen Kupfer- und Nickelvorräte durch die britische Regierung aufkaufen zu lassen. Dieser Vorschlag wurde von einigen von dem Ausschuß zur Beschränkung der Feindzufuhren ausgewählten Kupferhändlern geprüft. Die Diskussion über einzelne Stoffe und Waren, in welche die Verhandlungen sich so auflösten, enthüllte Tatsachen, die die Politik des stückweisen Verhandelns mit den einzelnen Erwerbszweigen und Handelshäusern als am geeignetsten erscheinen ließen.

Soweit ich feststellen kann, traf Sir Edward Grey niemals eine Entscheidung über die auseinandergehenden Meinungen unserer Gesandten in Stockholm und Christiania, d. h. über Mr. Findlays Meinung, daß eine engere Einigung zwischen der norwegischen und der schwedischen Regierung gefährlich sei und zwischen der Meinung Mr. Howards, daß sie einen stetigenden Einfluß auf die schwedische Politik ausüben würde und deshalb ermutigt werden müßte. Die tatsächlich von der britischen Regierung verfolgte Politik entsprach jedoch im wesentlichen der Findlayschen, denn die schwierige Aufgabe, mit den führenden Industrien in Norwegen Verträge zu schließen, brachte notwendigerweise das Land als Ganzes in die Bahn der britischen Handelspolitik und begründete einen vorherrschenden britischen Einfluß. Dank dieses wachsenden Einflusses war die britische Regierung später in der Lage, nicht nur eine Kontrolle über die norwegischen Metallmärkte, sondern über die großen nationalen Industrien und Einkommensquellen zu errichten..."67


e) Die Verhandlungen mit der Schweiz

Die wichtigsten Einkommensquellen der Schweiz sind Milchprodukte, Baumwoll- und Seidenwaren und schweizer Uhren. Dafür werden Körner- [133] früchte, und zwar Weizen aus Kanada und USA, Gerste und Hafer aus Deutschland und Rußland, sowie Fleisch aus Frankreich, Italien, Deutschland und Holland und Speck aus USA, eingeführt. Die eingeführte Rohbaumwolle stammte im November 1914 je zur Hälfte aus den USA und dem Sudan, die Rohseide aus Frankreich, Italien und dem fernen Osten. Die besten Abnehmer schweizer Seiden- und Baumwollwaren waren Großbritannien und die USA. Die Stellung Deutschlands auf dem schweizer Markt war aber noch weit stärker, denn die schweizer Industrie hing von den deutschen Lieferungen von Eisen und anderen Metallen ab. Deutschland führte fast 70% der Halbfabrikate aus Eisen und Stahl ein. Ähnlich stand es mit den Einfuhren von Kupfer. Auch das Nickel und die anderen in der Uhrenindustrie verwendeten Metalle stammten aus Deutschland. Die englischen Unterhändler konnten dieser vorteilhaften Position Deutschlands nichts Gleichwertiges gegenüberstellen, da die Schweiz die für die anderen neutralen Länder so wichtige britische Kohle nicht einführte, sondern ausschließlich deutsche Kohle bezog. Frankreich befand sich jedoch wegen seiner Fleischeinfuhren und seiner Wichtigkeit als Durchfuhrland für die nach der Schweiz bestimmten Waren in einer etwas günstigeren Lage.

"Als das alliierte Memorandum übergeben wurde, lagen unseren Regierungsstellen keine Tatsachen über den schweizer Bannguthandel, sondern nur zahlreiche Berichte über aufgeregtes Gerede vor. Man sah ein, daß die schweizer Einfuhren durch Italien unter den gegebenen Umständen groß sein würden, aber wir hatten damals keine Mittel, um zwischen jenen Einfuhren zu unterscheiden, die trotz ihres außergewöhnlichen Umfanges in der Schweiz verbraucht wurden, und jenen Einfuhren, die zu einem Bannguttransithandel gehörten. Die französischen Zeitungen führten jedoch eine heftige und skrupellose Agitation gegen die schweizer Einfuhrhändler, in der Hoffnung, dadurch die französische Regierung zum Bruch ihres Versprechens zu veranlassen, Eisenbahnwagen zum Transport schweizer Getreides zu stellen. Soweit wir beurteilen konnten, waren auch Teile der französischen Verwaltung von der gleichen Anklage- und Verleumdungspsychose angesteckt.68 Einer der maßgebendsten Berichte in den Akten des Ausschusses zur Beschränkung der Feindzufuhr stammte von einem hochgestellten französischen Beamten, Herrn Rey. Dieser Herr forderte darin nach Sammlung und Vorlage einer großen Masse äußerst nützlicher Nachrichten über die schweizer Metall- und Chemieindustrien den Ausschuß auf, alle schweizer Verkäufe an Metallwaren und chemischen Erzeugnissen nach Deutschland als offene Neutralitätsbrüche anzusehen. Es muß zugegeben werden, daß sogar einzelne Abteilungen der britischen Verwaltung gleichfalls geneigt waren, jedem Bericht über ein ungewöhnliches Ereignis eine ungünstige Auslegung zu geben."69

"Das alliierte Memorandum wurde am 14. November übergeben. Der unmittelbare Zweck der Unterhandlungen war die Erlangung von Garantien gegen die Wiederausfuhr von Rohstoffen, denn in den dem Memorandum beigefügten Erläuterungen erwähnten die Ententemächte den großen [134] Durchfuhrhandel durch Italien und forderten nur, daß alle auf der britischen Banngutliste stehenden Waren auf die schweizer Liste der verbotenen Ausfuhren gesetzt werden sollten. Vorschläge bezüglich der Ausfuhr von schweizer Fabrikaten aus Banngutwaren wurden nicht gemacht. Präsident Hoffmanns Antwort, die ungefähr drei Wochen später einging, war ein langes und sehr geschickt abgefaßtes Dokument, in dem die schweizer Regierungsstellen sowohl die alliierten Vorschläge als auch die gegen sie gerichteten Verleumdungen beantworteten.

Die schweizer Regierung behauptete darin zunächst, daß ein neutraler Staat nicht durch eine Regel internationaler Übung verpflichtet sei, die Ausfuhr von Banngut an Kriegführende zu verbieten, infolgedessen könne die Republik nicht versprechen, die Ausfuhr irgendeiner Ware zu verbieten, wenn nicht das Verbot im Landesinteresse und zur Beseitigung eines Warenmangels erlassen werde. Zweitens deutete die schweizer Regierung an, daß in dem alliierten Memorandum zuviel abstrakte Gedankengange enthalten seien: Toute la question doit être examinée uniquement à la lumière des faits; de la résoudre théoriquement conduit immédiatement à des conclusions fort erronées. Die erheblichen Tatsachen seien folgende: die italienischen Häfen, Genua insbesondere, seien schon mit Zufuhren verstopft, die nicht einmal in Italien verteilt werden könnten. Die Transitladungen nach der Schweiz würden infolgedessen sehr verzögert und das Land leide Mangel. Der Note beigefügte Einfuhr-Statistiken bewiesen in schlüssiger Weise, daß die Auslieferung von Getreide im letzten Vierteljahr unter dem normalen Durchschnitt gelegen habe. Die schweizer Regierung behauptete deshalb, die Schweiz sei weder eine feindliche Versorgungsbasis, noch könne sie es jemals werden. Der zweite Artikel der letzten britischen Order in Council könne infolgedessen auf Ladungen, die ihr durch Italien zugingen, nicht anwendbar sein. Ein Durchfuhrhandel, wie er jetzt bestehe, dürfe, solange die Schweiz ein neutrales Land sei, nicht beeinträchtigt werden. Gleichwohl, erklärte die schweizer Regierung, würde sie die alliierten Vorschläge im wesentlichen annehmen und die Wiederausfuhr der auf den alliierten Banngutlisten stehenden eingeführten Waren verbieten. Es verstehe sich jedoch von selbst, daß sie Ausnahmen und Lizenzen gewähren würde."70

Es ist anzunehmen, daß die auch in dem Memorandum zum Ausdruck gekommenen Befürchtungen der Alliierten, daß ein großer Bannguttransithandel über die Schweiz entstanden sei, damals weit übertrieben gewesen sind und daß die Zunahme der schweizer Einfuhren aus Italien nur auf die Versperrung der Zufahrtstraße über Rotterdam und die infolge der wenig leistungsfähigen Eisenbahnverbindungen zwischen Italien und der Schweiz in dem ersten Kriegsmonat eingetretene Verstopfung des Hafens von Genua zurückzuführen war. In Wahrheit gingen die britischen Vermutungen, da noch kein wirksames Beobachtungssystem an der schweizer Grenze geschaffen worden war, auf wenig vertrauenswürdige oder nicht sehr ernst zu nehmende Nachrichten zurück. "Einer dieser Beweise für den [135] schweizer Transithandel war ein Brief einer englischen Dame, von deren Villa man eine schweizer Eisenbahn überblicken konnte. Sie sah von den Fenstern ihres Salons zahllose mit deutschen Zugführern besetzte Güterzüge, deren Wagen die Namen München und Baden trugen. Das beunruhigte sie sehr und sie erstattete Bericht. Beamte, deren Pflicht darin bestand, jede Handelsbewegung durch die Teleskope einer sehr unvollkommenen Organisation zu beobachten, konnten nicht einmal solche Berichte außer acht lassen. Sie waren oft sogar tatsächlich verpflichtet, auf Grund derselben zu handeln. Aber es darf nicht etwa angenommen werden, daß unsere verantwortlichen Stellen sich nicht der Schwäche der Schlüsse bewußt gewesen wären, die man aus solchen sich kaum von allgemeinem Gerede unterscheidenden Angaben ziehen konnte. Sir Eyre Crowes Stellungnahme zu dem Memorandum des Präsidenten zeigt das deutlich: Ich fürchte, wir werden niemals erfahren, wieviel wirklich durch die Schweiz nach Deutschland gelangt, ehe eine wirksame Beobachtungsorganisation an den Grenzen errichtet ist.

Das unmittelbare Ergebnis dieser Verhandlungen bestand darin, daß Schritte zur Organisierung eines geeigneten Beobachtungssystems ergriffen wurden und daß man die Antwort des Präsidenten Hoffmann als eine Art provisorischer Zustimmung zu unseren Vorschlägen ansah. Am Ende des Jahres 1914 war es jedoch offenkundig, daß Ergänzungsabkommen besonderer Art notwendig waren. Die Metalle und Rohstoffe für die schweizer Industrie passierten nun unsere Kontrollen. Die schweizer Regierung konnte uns durchaus gutgläubig die Zusicherung geben, daß diese Rohmaterialien nicht wieder ausgeführt würden. Aber wenn Eisen, Stahl, Nickel, Aluminium, Kupfer und Seide nach der Einfuhr in die Schweiz zu Fertigfabrikaten verarbeitet worden waren, dann konnte die Schweiz ebenfalls mit Recht den Anspruch erheben, daß diese Fertigfabrikate nach anerkanntem Völkerrecht den Gegenstand eines legitimen Ausfuhrhandels bildeten. Aber konnten wir diesen Anspruch bekräftigen und zulassen, daß dieses Rohmaterial unsere Kontrollen ungehindert passierte? Kaum, denn so berechtigt der schweizer Standpunkt war, unser entgegengesetzter war es mindestens ebensosehr.71 Obgleich die genauen Mengen noch nicht festgestellt waren, so stand es doch fest, daß ein gewisser Teil der von der Schweiz benötigten Waren aus Großbritannien kam. Es war auch anzunehmen, daß dieser Teil wegen der deutschen Warenknappheit stieg. Man konnte unmöglich gestatten, daß Wolle, Jute, Textilien und Metalle aus dem britischen Reich nach ihrer Verarbeitung zu Spezialhandelsartikeln durch schweizer Fabriken nach Deutschland befördert wurden. Die zur Verhinderung dieser Warenbewegung notwendigen Garantien konnten je doch erst nach langen vorbereitenden Untersuchungen gesichert werden, denn wir waren in jener Zeit noch nicht sehr gut über die Beschaffenheit der schweizer Industrien unterrichtet und unser Handelsattaché war erst vor kurzem ernannt worden."72

[136]
f) Die wirtschaftliche und völkerrechtliche Bedeutung der Banngutabkommen

Wenn man sich ein ungefähres Bild von der Wichtigkeit der Banngutabkommen machen will, so muß man die Befugnisse der Flotte zur Unterbindung des Bannguthandels zu Beginn des Krieges und nach Abschluß dieser Abkommen miteinander vergleichen.

"Im August 1914 hatte die Flotte ein genau umschriebenes theoretisches Recht, in gewissen vorgeschriebenen Fällen an Neutrale adressiertes Banngut zu beschlagnahmen. In der Praxis war dieses Recht nutzlos, weil die Marineoffiziere weder die Befugnisse noch die Mittel hatten, die von ihnen untersuchten Ladungen diskriminatorischen Prüfungen zu unterwerfen. Ende Dezember 1914 wurde jede untersuchte Ladung einer Reihe von Prüfungen unterzogen und die neutralen Regierungen Europas arbeiteten dem Wesen nach mit uns bei ihrer Anwendung zusammen. Da die Geschichte der Banngutbeschlagnahmen und Blockaden kaum etwas anderes als die Geschichte neutraler Beschuldigungen, Widerstände und Repressalien ist, kann man bezweifeln, ob die Rechte eines Kriegführenden jemals vorher in so kurzer Zeit so sehr gestärkt worden sind."73

"Im November 1914 hatten die neutralen Regierungen die Ausfuhr gewisser Waren lediglich im eigenen Landesinteresse verboten. Ende Dezember hatten sie, unter Vorbehalten, die sich aus den Besonderheiten ihres eigenen Handels ergaben, versprochen, daß diese Verbote dauernde sein sollten. Wie groß die auf diese Weise errichtete Schranke gegen den Umlauf von Banngut war, kann man nur ermessen, wenn man diese Verbote mittels einer vergleichenden Tabelle prüft....74 Wenn man nur einen Blick darauf wirft, so wird man sehen, daß die Abkommen als Ganzes genommen eine große Schranke gegen Deutschlands überseeische Zufuhren an Getreide und gegen die meisten seiner Fleischzufuhren aufrichteten. Abgesehen davon waren die in dem ursprünglichen Memorandum besonders erwähnten Banngutartikel - Petroleum, Kupfer, Aluminium, Nickel und Gummi - entweder auf den neutralen Verbotslisten oder wurden auf ihrem Weg zum Feind vom Niederländischen Überseetrust angehalten. Es muß zugegeben werden, daß unsere Vertreter bei den Verhandlungen über diese Versprechungen durch zufällige Umstände begünstigt wurden - die Neutralen waren um ihre Zufuhren besorgt und waren infolgedessen geneigt, unseren Wünschen entgegenzukommen -, aber zufällige Umstände allein hätten niemals so umfassende Verhandlungen zu einem so erfolgreichen Abschluß bringen können.75 Jeder neutrale Minister eröffnete die Verhandlung durch eine Aufzählung der Haager Regeln, die in der Tat die Neutralen von jeder Verpflichtung, die Wiederausfuhr von Banngut nach den Kriegführenden zu unterbinden, befreien. Diese Erklärungen über ihre Unabhängigkeit wurden jedoch in brauchbare Abkommen umgewandelt, und zwar in frei vereinbarte, denn es ist unmöglich, in irgendeiner Ur- [137] kunde irgendeine Drohung von Zwangsanwendung zu entdecken. Diejenigen, welche die neutralen Minister überredeten, Erklärungen abzugeben, die so sehr ihren ersten Erklärungen widersprachen, müssen mit Fähigkeiten begabt gewesen sein, die nur undeutlich aus den vorhandenen Akten wahrgenommen werden können: mit großer Geduld und großem Urteilsvermögen, großer Nachsicht, großer Überredungskraft und großen Kenntnissen der Politik und der Wirtschaftssysteme Nordeuropas.

Man kann deshalb ohne Übertreibung sagen, daß diese Abkommen einen wichtigen Platz in der Geschichte des Seekriegs einnehmen. Sie bildeten ein originales System zur Unterscheidung zwischen schädlichem und unschädlichem Banngut, und sie begründeten eine internationale Maschinerie zur Anwendung der alten Doktrin der fortgesetzten Reise."76

Bei der Beurteilung der Wirkungen, die diese Maßnahmen auf das feindliche Wirtschaftsleben ausübten, darf man nicht die Maßstäbe später im Laufe des Krieges gesteckter Ziele anlegen, sondern nur den Maßstab der zu Beginn des Krieges in den Instruktionen an die Flotte aufgestellten Ziele der Seehandelskriegführung, die sich auf die Unterbindung der Banngutzufuhr zum Feind und auf die Vertreibung der feindlichen Handelsflotte von den Meeren beschränkten. "Diese Ziele sind auch in verschiedenen Erlassen Sir Edward Greys aus den ersten Kriegsmonaten niedergelegt, die zugleich ein Beweis für die kleinen Anfänge des Feldzugs und eine Illustration für seine spätere Ausdehnung sind",77 z. B.:

      "Seiner Majestät Regierung... greift nicht in die Einfuhr von Lebensmitteln auf neutralen Schiffen nach Rotterdam ein, solange sie überzeugt ist, daß solche Zufuhren nicht für die deutsche Armee bestimmt sind." (Telegramm an Sir F. Bertie Nr. 791.)
      "In unserer Geschichte sind wir immer dafür eingetreten, daß für die Zivilbevölkerung bestimmte Nahrungsmittel und Rohstoffe nicht Banngut sind, daß sie deshalb nur zum bedingten Banngut gemacht und nicht auf dem Weg nach einem neutralen Lande angehalten werden können, es sei denn, daß wir darlegen können, daß sie nicht für das neutrale Land, sondern für die Streitkräfte des Feindes bestimmt sind."78 (Privatkorrespondenz Frankreich, Brief an Sir F. Bertie 27. Oktober 1914.)

Diese begrenzten Ziele wurden voll und ganz erreicht. "Wenn die alte Begriffsbestimmung des Bannguts noch gilt, dann sind Metalle, Öle und Treibstoffe die wesentlichsten Banngutwaren im modernen Staat, denn ohne sie ist es unmöglich, die kleinste Armee im Felde zu halten."79 Abgesehen von Kohle und Eisen war in allen diesen Stoffen in Deutschland ein fühlbarer Mangel eingetreten. Das bewiesen das sprunghafte Steigen der Preise für Kupfer, Aluminium, Antimon und Nickel, die besonders in den besetzten Gebieten rücksichtslos durchgeführten Requisitionen dieser Metalle und die Metallsammlungen in Deutschland. Das zeigten auch die scharfen Einschränkungen des nichtmilitärischen Kraftfahrzeugverkehrs. [138] "Unser Bestreben, die feindlichen Nahrungsmittelzufuhren zu beschränken, war ebenso erfolgreich."80 Nicht nur war ein Anziehen der Preise für alle Getreidearten, für Kartoffeln und insbesondere für Hülsenfrüchte festzustellen, sondern am 1. Februar 1915 wurde die deutsche Regierung gezwungen, die wichtigsten Getreidearten unter öffentliche Kontrolle zu stellen, eine Kriegsgetreidegesellschaft zur Verteilung der Lieferungen ins Leben zu rufen und den Verbrauch der ganzen Bevölkerung zu rationieren.

"Das sind die erheblichen Tatsachen, und die Folgerungen aus ihnen sind einleuchtend. Der begrenzte wirtschaftliche Kriegsplan der Kriegsbefehle dehnte sich allmählich zu einem umfassenderen Projekt aus. Ursprünglich allein gegen die Streitkräfte des Feindes gerichtet, war er unter dem Druck der Umstände von ihnen abgelenkt und wieder auf die feindliche Bevölkerung gerichtet worden. Gewiß, die feindliche Armee entging den von uns auferlegten Wirtschaftsbeschränkungen, denn die Wirkung der oben betrachteten Verordnungen war es, die Vorräte des deutschen und österreichischen Volkes zu verringern und den Armeen ihren Bedarf an Metallen, Nahrungsmitteln, Ölen und Treibstoffen zu sichern. General Falkenhayn versichert, daß die Armeen die Knappheit erst sehr viel später spürten. Die Gegenwehr des Feindes gegen unsere ersten Maßnahmen wirtschaftlichen Drucks war jedoch kostspieliger als er es damals glaubte. Denn der Widerstand wurde dadurch geleistet, daß man das deutsche Volk zwischen die Armeen und die wirtschaftlichen Waffen schob, die wir gegen diese gerichtet hatten, und so die Zivilbevölkerung das auferlegte Leiden tragen ließ. Dies war, um sich der Worte der Kriegsbefehle zu bedienen, eine ernste wirtschaftliche und soziale Folge. Wenn der ursprüngliche Zweck des Wirtschaftsfeldzugs eine Blockade der Zentralmächte und ihre Aushungerung gewesen wäre, könnte man vielleicht sagen, daß die einleitenden Manöver dieses Feldzuges erfolglos waren, denn unsere sachverständigen Berater waren in den ersten Monaten des Jahres 1915 überzeugt, daß die feindliche Bevölkerung mit ihrer neuen Diät von Kriegsbrot und rationiertem Fleisch bis zur nächsten Ernte ernährt werden könne. Dies war jedoch nicht unsere Absicht gewesen. Wir hatten den Krieg begonnen mit der Absicht, dem Feind soviel wirtschaftlichen Schaden wie möglich zuzufügen. Der angerichtete Schaden war erheblich höher als wir gehofft hatten und die Dezemberabkommen mit den Neutralen waren sicherlich die Maßnahmen, die den ursprünglichen Feldzug intensivierten. Nach ihrem Abschluß wurden die neutralen Verbotslisten eine Probe, die gegen alle Arten von Banngut ohne Unterschied angewendet wurde, und da diese neutralen Listen damals alle wesentlichen Getreidearten und Nährstoffe umfaßten, so wurden Lebensmittel in der Praxis ebenso streng wie militärisches Banngut behandelt. Dies war das erste wirklich erfolgreiche Manöver des Feldzugs, das Manöver, das die feindliche Bevölkerung in das Theater des Wirtschaftskriegs brachte. Diejenigen, die es ersannen und ausführten, können möglicherweise beschuldigt werden, [139] zu schnell und zu unbarmherzig vorwärts gedrängt zu haben, aber nicht, zu langsam vorgegangen zu sein."81







31S. 61. ...zurück...

32S. 61. ...zurück...

33S. 61. ...zurück...

34S. 62. ...zurück...

35"Jeder neutrale Staatsmann, Kapitän und Reeder wußte von Anfang an, daß die in diesem Dokument enthaltenen Anschuldigungen ganz unwahr waren... Wie man sich denken kann, entstand allgemeine Entrüstung darüber, daß diese Anschuldigungen ohne Prüfung und Untersuchung ausgestreut wurden. Skandinavische Kapitäne nahmen den Vorwurf besonders übel, Minenlegen unter neutraler Flagge, Aufklärungsdienst durch Fischdampfer, Lazarettschiffe und neutrale Schiffe seien die üblichen Formen deutscher Seekriegsführung, denn sie sahen das als eine ungerechtfertigte Besudelung ihrer Ehre und ihres guten Namens an" (S. 64). ...zurück...

36Der englische Gesandte im Haag. ...zurück...

37Der englische Gesandte in Bern. ...zurück...

38S. 65. ...zurück...

39S. 68. ...zurück...

40S. 68. ...zurück...

41S. 69. ...zurück...

42S. 69. ...zurück...

43S. 69. ...zurück...

44S. 70. ...zurück...

45Der Vertreter des abwesenden englischen Gesandten. ...zurück...

46S. 71. ...zurück...

47S. 72. ...zurück...

48S. 72. ...zurück...

49S. 73. ...zurück...

50Der englische Gesandte. ...zurück...

51S. 77 [Scriptorium merkt an: richtig S. 76]. ...zurück...

52S. 78. ...zurück...

53S. 79. ...zurück...

54S. 80. ...zurück...

55S. 80. ...zurück...

56S. 81. ...zurück...

57Der englische Gesandte. ...zurück...

58S. 86. ...zurück...

59S. 87. ...zurück...

60S. 88. ...zurück...

61S. 89. ...zurück...

62S. 92. ...zurück...

63S. 92. ...zurück...

64S. 92. ...zurück...

65S. 94. ...zurück...

66S. 95. ...zurück...

67S. 96. Der folgende Abschnitt (S. 97-106) über die Verhandlungen mit Italien ist nicht aufgenommen, weil diese sich hauptsächlich auf die Beschränkung der österreichisch-ungarischen Zufuhren bezogen. ...zurück...

68S. 111 [Scriptorium merkt an: richtig S. 107]. ...zurück...

69S. 112. ...zurück...

70S. 112. ...zurück...

71S. 113. ...zurück...

72S. 114. ...zurück...

73S. 114. ...zurück...

74Siehe die im Anhang abgedruckte Tabelle des englischen Werkes. ...zurück...

75S. 114. ...zurück...

76S. 115. ...zurück...

77S. 115. ...zurück...

78S. 115. ...zurück...

79S. 115. ...zurück...

80S. 116. ...zurück...

81S. 117. Bei dem letzten Satz ist zu beachten, daß die Darstellung auch als Apologie der amtlichen Politik des Foreign Office gegen die Angriffe von Forster und Bowles dient, denen das System der Banngutabkommen nicht weit genug ging. ...zurück...






Die englische Hungerblockade im Weltkrieg 1914-15.
Nach der amtlichen englischen Darstellung der Hungerblockade
von A. C. Bell.
Bearbeitet und eingeleitet durch Dr. Viktor Böhmert,
Professor an der Universität Kiel.