SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


 
Teil III: Die Durchführung der Hungerblockade bis zum Herbst 1915   (Forts.)

E. Die Verhandlungen mit dem niederländischen Überseetrust

Von allen Abkommen mit Privatgesellschaften waren diejenigen mit dem niederländischen Überseetrust die wichtigsten, "denn während die meisten unserer Abkommen nur zur Beschränkung der deutschen Einfuhren dienten, bildeten die mit dem Trust geschlossenen eine ungeheure Schranke für den deutschen Ein- und Ausfuhrhandel und blockierten so zwei Handelsbewegungen".115

Die vor Kriegsbeginn getroffenen Vorbereitungen auf den Wirtschaftskrieg bezogen sich nur auf die Beschränkung der deutschen Einfuhren. "Keine Berechnungen waren jemals über die Schäden gemacht worden, die durch eine gleichzeitige Unterbindung des deutschen Ein- und Ausfuhrhandels mit überseeischen Ländern angerichtet werden konnten, [258] um durch eine einzige Operation die Wirtschaftsmaschinerie des Reiches zu hemmen und in Unordnung zu bringen. Es findet sich kein Staatspapier in den Archiven über Deutschlands durch Ausfuhren nach den Neutralen erlangte Kaufkraft und auch kein Plan zu ihrer Schwächung. Gleichwohl kann man die von den Ausschüssen zur Untersuchung des Wirtschaftskrieges vorbereiteten Berichte und die diesen Papieren beigefügten Staatspapiere unmöglich lesen, ohne die Überzeugung zu erlangen, daß viele maßgebliche Personen annahmen, der deutsche Ausfuhrhandel würde automatisch zu einem Nichts zusammenschrumpfen, wenn erst einmal die grand fleet ihre Kriegsstationen bezogen habe und die Kreuzergeschwader im Atlantik die feindliche Handelsflotte von der See vertrieben hätten. Kein Dokument kann zwar zum Beweis einer solchen Annahme zitiert werden, doch deuten sie viele Dokumente an."116

Infolge dieser Überzeugung wurden bei Kriegsbeginn nur Maßnahmen gegen die deutsche Einfuhr ergriffen. "Die März-Order in Council war deshalb eine Erklärung, die nur teilweise vorbereitet war. Die Maschinerie zur Unterbindung der deutschen Einfuhren war bereits errichtet. Man brauchte sie nur zu vervollkommnen und zu erweitern. Zur Hemmung des Abflusses der Erzeugnisse des deutschen Bodens und der deutschen Fabriken nach überseeischen Märkten, falls neutrale Schiffe bereit waren, sie dorthin zu bringen, war jedoch nichts getan. Aus diesem Grunde ist eine Mitteilung über den Umfang des deutschen Außenhandels in den ersten acht Kriegsmonaten von Interesse."117

Die etwa gehegten Erwartungen, daß die deutsche Ausfuhr mit der Vertreibung der deutschen Handelsflotte von der hohen See zum Stillstand kommen würde, wurden schwer enttäuscht. "Da ein neutrales Schiff auf der Ausreise aus Rotterdam oder Hamburg überhaupt nicht zurückgehalten wurde, während es bei der Fahrt mit einer Ladung nach Kopenhagen oder Göteborg sehr leicht einer Festhaltung unterworfen war, so waren neutrale Kapitäne, als die Respektierung der Pariser Deklaration und ihres Schutzes für die deutsche Ausfuhr bekannt wurde, geneigt, sich zu Beförderungen deutscher Ladungen anzubieten. Dies ist wahrscheinlich die Erklärung dafür, daß während der ersten Erschütterungen des Krieges sich die deutsche Ausfuhr so gut hielt. Obgleich ein vollständiger und befriedigender Überblick über die deutsche Ausfuhr im Herbst 1914 nicht möglich ist, so deuten doch alle bekannten Tatsachen darauf hin, daß der deutsche Ausfuhrhandel während der großen Handelsumwälzungen zwischen August und Dezember kaum mehr als der britische litt."118

Dieser Handelsstrom war auch noch im März sehr erheblich. Er lief zum größten Teil über Rotterdam und Holland. "Im Monat April waren die als von Holland kommend berichteten feindlichen Ladungen fünfmal so zahlreich als die aus skandinavischen Häfen berichteten. Das Verhältnis scheint bestehen geblieben zu sein, bis unsere Maßnahmen den Handelsstrom in andere Kanäle zwangen. Es gab hierfür selbstredend natürliche Gründe. Da die landwirtschaftlichen Ausfuhren Deutschlands aufgehört hatten, blieb nur der Ausfuhrhandel in Industriewaren, Textilien, Chemi- [259] kalien, Farben und Wolle, der hauptsächlich aus den industriellen Teilen des Rheinlandes kam. Diese Gütermenge nahm naturgemäß ihren Weg über den Rhein und Rotterdam. Ferner hatte, obwohl unsere Abkommen mit den skandinavischen Reedereien im Frühjahr 1915 keineswegs voll ständig waren, Kapitän Cold seine große Trampflotte aus dem Deutschlanddienst genommen und die deutschen Ausfuhragenten wußten vermutlich,119 daß binnen kurzem neun Zehntel des skandinavischen Schiffsraumes für deutsche Ladungen verschlossen sein würde. Dieses vermutliche Wissen um die kommende Entwicklung verstärkte den Strom der deutschen Ausfuhr nach der einzigen verbleibenden Lücke."120

"Ein gewisser Teil dieses Ausfuhrhandels, nämlich derjenige, der nach Niederländisch-Indien ging, übertraf seinen Handelswert weit an politischer Bedeutung, und es erscheint nur als billig, wenn man zeigt, daß die uns in dieser Beziehung gemachten Vorstellungen berechtigt und vernünftig waren. Die vier großen holländischen Kolonien, Sumatra, Java, Borneo und Celebes befinden sich auf einem sehr unterschiedlichen zivilisatorischen Niveau, aber die Holländer haben sich bemüht, in jeder Kolonie die eingeborene Bevölkerung mit dem Boden und die eingeborene Aristokratie mit ihren Ländern und Völkern verbunden zu halten, indem sie den Bauern und Pächtern ein gesichertes Recht auf ihr Land gaben und Adel und Sultane mit einem Schein politischer Macht bekleideten. Andererseits haben die Holländer es fertig gebracht, daß die eingeborenen Magnaten nicht den Reichtum genießen und die Aufwendungen machen, die Rang und Einfluß innerhalb der europäischen Gesellschaft sichern. Die Stapelausfuhren der Inseln: Kopra, Tee, Zinn und Zucker werden durch Europäer kontrolliert und infolgedessen werden die großen Wohnhäuser in Batavia, Sumatra und anderen Zentren fast ausschließlich von Holländern, Engländern und Amerikanern besessen, welche allein ermächtigt sind, jenes Gepräge des Reichtums zu zeigen, das den Führern einer Handelsoligarchie zukommt. Die eingeborene Aristokratie lebt mehr oder weniger nach der Weise der Eingeborenen auf dem Lande, und leitet die lokalen Angelegenheiten unter der Aufsicht holländischer Beamter. Die Höfe der eingeborenen Fürsten sind ärmlich und schäbig. Mit großem Geschick und sorgfältiger Planung ist es den holländischen Gouverneuren gelungen, eine jedem gelegentlichen Besucher sichtbare Scheidung zwischen den herrschenden und unterworfenen Rassen ihrer Kolonien aufrechtzuerhalten."121

"Auf Grund dieser Kolonialpolitik tritt die eingeborene Bevölkerung nicht als großer Käufer europäischer Güter auf. Billige Textilien werden zwar von den Eingeborenen des Batik- und Färbereihandwerks gekauft, aber die große Masse der in Europa getätigten Käufe geht entweder von der Regierung oder den europäischen Magnaten des Zucker- und Koprahandels aus und bildet die Stütze ihrer politischen Macht. Zunächst hat die Regierung eine Reihe prächtiger Straßen durch die Hauptinseln gelegt. Diese Straßen, die weit größer sind als es vom verkehrspolitischen Standpunkt aus notwendig ist, werden von den holländischen Gouverneuren als Monumente ihrer Macht und ihres Ansehens betrachtet. Als Hinweise für [260] jeden eingeborenen Fürsten und Dorfschulzen, daß die holländische Garnison in die entferntesten und unzugänglichsten Gebiete geworfen werden kann. Diese Straßen werden jedoch über hohe von tropischem Regen ausgewaschene Gebirge geführt, so daß die Erhaltungsarbeiten ungeheuer sind. Aus diesem Grund tätigen die Holländer im deutschen Rheinland umfangreiche Käufe von Zement-Straßenhärtungsmaterial und Straßenbaumaschinen. Ferner haben sich die Holländer wegen der Verdreifachung des Ein- und Ausfuhrhandels der Inseln zwischen 1880 und 1914 und der Schwierigkeiten der Wasserstraßen auf große Entwürfe für Hafenverbesserung, Betonnung und Befeuerung einlassen müssen. Ihre Ingenieure haben den Einkauf der dazu erforderlichen Materialien und Maschinen auf dem deutschen Markt am billigsten gefunden."122

Schließlich war Amsterdam der Hauptmarkt Europas für Kaffee aus Südamerika und Holländisch-Indien. Die Holländer traten deshalb nachdrücklich zugunsten einer milden Behandlung des nach Deutschland bestimmten Kaffees ein. Die Gesamtheit dieser Interessen und Handelsverbindungen war durch die März-Order bedroht und die holländische Regierung übersandte sogleich nach deren Verkündung eine Note, die sich unter Berufung auf die Pariser Deklaration gegen jede Schmälerung der Rechte der Neutralen durch die Kriegführenden wandte.

"Das war natürlich ein rein formaler Protest, aber die holländische Regierung war ebenso entschlossen, wie im November, sich nicht an einem Abkommen zur Durchführung der Order zu beteiligen. Im November weigerte sie sich, irgendein amtliches Versprechen darauf zu geben, die Ausfuhrverbote dauernd aufrechtzuerhalten.123 Nur nach großen Schwierigkeiten konnte Sir Alan Johnstone in Erfahrung bringen, daß sie es tatsächlich zu tun beabsichtigte. Im März teilte uns die holländische Regierung, in der Annahme, wir könnten von ihr Zusicherungen über die holländische Schiffahrt verlangen, mit:

      Art. 8 deutet an, daß die Order in Council gegenüber den Schiffen eines Landes, das erklärt, keine Güter feindlicher Bestimmung und feindlichen Ursprungs zu befördern, milder gehandhabt wird. Ich halte die Klarstellung für zweckmäßig, daß die holländische Regierung keine derartige Erklärung abgeben wird. Nach ihrer Meinung sind die Verpflichtungen einer neutralen Macht so, daß sie keine Verpflichtung dieser Art eingehen kann.

Die Note enthielt also eine Andeutung, daß die Regierung auch weiterhin von dem Bestehen des Trusts und den mit ihm getroffenen Abmachungen keine amtliche Kenntnis nehmen würde.

Wenn die besten Organe der niederländischen Presse das Nationalgefühl zutreffend wiedergaben, scheint es ziemlich sicher, daß das Verhalten der Regierung den Forderungen der Nation entsprach. Die Leitartikel der besten niederländischen Zeitungen liefen alle oder fast alle darauf hin aus, die Anpassung des holländischen Handels an die Orders in Council müsse zu einer geschäftlichen Angelegenheit gemacht werden. Der Heraus- [261] geber des Nieuwe Rotterdamsche Courant, der immer ein maßgebendes Organ gewesen war, drückte wahrscheinlich das wohlerwogene Urteil des holländischen Volkes aus, wenn es schrieb, es sei nutzlos zu erwarten, daß diplomatische Verhandlungen die britische Regierung veranlassen könnten, auf den Gebrauch der wichtigsten von ihr im Wirtschaftskrieg gegen Deutschland gewählten Angriffswaffe: der Anhaltung von Nahrungsmitteln, zu verzichten. Der Herausgeber fügte hinzu, es sei ebenso absurd anzunehmen, daß die deutschen Behörden jemals überredet werden könnten, ihren Angriff auf den britischen Seehandel zu schwächen. Dieser Leitartikel, der als unter amtlichem Einfluß geschrieben galt, war tatsächlich eine Andeutung, daß die holländische Regierung sich der Nation gegenüber verpflichtet fühlte, sich keinem Vorwurf der Parteilichkeit von einer der beiden Seiten auszusetzen und gegenüber den dringenden Bitten beider Kriegführenden um die Gunst der Neutralen unempfindlich zu bleiben. Man muß sich erinnern, daß um diese Zeit unsere und die deutschen Staatsschriften viele Vorwürfe, daß die Neutralen den U-Bootkrieg oder die Orders in Council zu leicht nähmen, sowie eine fast gleiche Zahl von Ermahnungen enthielten, sich gegen Zwang und Vergewaltigung zu verteidigen."124

"Unseren Regierungsstellen wurde so zu gleicher Zeit von der niederländischen Regierung und der niederländischen Presse versichert, daß die März-Order nur durchgeführt werden könnte, wenn der Niederländische Trust und die Geschäftswelt ihr zustimmten. Hierfür gab es hoffnungsvolle Anzeichen. In dem ersten Vierteljahr, als das ursprüngliche Abkommen in Wirksamkeit gesetzt war, hatte sich der Niederländische Überseetrust gewillt gezeigt, mehr Verantwortung zu übernehmen, als der bloße Buchstabe des Dezemberabkommens ihm auferlegte. Er gab nach und nach seine Zustimmung dazu, Adressat aller aus England unter Lizenz ausgeführter Güter zu sein und die niederländische Regierung von ihren bezüglich des Petroleums und Kupfers geleisteten Versprechungen zu entlasten. Nichtsdestoweniger veranlaßte die Order in Council, die den Direktoren des Trusts ankündigte, daß seit Monaten ungehemmt bestehende Handelsverbindungen abgebrochen werden müßten, große Erschütterungen. Herr van Vollenhoven und Herr van Aalst mußten ermitteln, wie viele Verträge über Abnahme und Beförderung deutscher Waren gegen holländische Kaufleute gerichtlich durchgesetzt werden könnten und welche deutschen Waren in den Kolonien benötigt würden. Am 3. März war eine gemeinsame Sitzung des Haager Handelsausschusses (der die Regierung in bezug auf Ausfuhrverbote beriet) mit dem Niederländischen Überseetrust. Am gleichen Tage hatten die Schiffahrtsdirektoren eine Zusammenkunft. Das Ergebnis dieser Beratungen waren Vorstellungen Herrn van Vollenhovens und Herrn van Aalsts bei unserem Gesandten, daß wir, falls wir nicht rücksichtslos Schaden anrichten wollten, eine Atempause gewähren müßten. Sie fügten jedoch hinzu:

[262]   In derselben Weise, in der es dem Ausschuß gelungen sei, zufriedenstellend die Frage der Bannwaren zu lösen..., glaubten sie in der Lage zu sein, eine alle Parteien befriedigende Lösung zu finden.125

Die Schiffahrtsgesellschaften beschlossen, ihre Agenten in Deutschland anzuweisen, alle deutschen Ladungen zu verweigern und beauftragten van Vollenhoven und van Aalst, über die Erlaubnis zur Beförderung aller vor dem 1. März bezahlten oder in Holland abgelieferten deutschen Güter zu verhandeln. Die Order in Council gewährte nur den freien Durchgang aller beträchtlich vor diesem Zeitpunkt bezahlter Güter. Dies wurde angenommen und Herr van Vollenhoven, der keine Zeit gehabt hatte, das auf diese Weise lizenzberechtigte Handelsvolumen abzuschätzen, erklärte, wie sich später ergab, ziemlich unbedacht, es würde nicht groß sein. Gleichzeitig ernannte der Haager Handelsausschuß einen Ausschuß für überseeische Interessen. Dieser Ausschuß übernahm es, alle Manifeste der deutsche Waren nach den Kolonien befördernden Schiffe zu prüfen und versprach, daß ein allgemeiner Handel zwischen Deutschland und den Kolonien nicht erlaubt werden würde. Er nahm jedoch das Recht in Anspruch, Lizenzen für die Güter zu erteilen, die für die Kolonien lebenswichtig seien und gab uns eine vorläufige Liste der Ladungen, für die er eine Lizenz zu erteilen beabsichtigte: Industriematerialien für Hafenbauten, Güter zur Erfüllung von Regierungskontrakten, Baumaterialien, Anilinfarben, Medikamente und Mineralwasser. Unsere Behörden erklärten sich bereit, die von dem Überseeausschuß erteilten Lizenzen anzunehmen. Als Ergebnis dieser einleitenden Verhandlungen sicherten sich die Holländer eine Woche nach Verkündung der Order einen freien, erlaubten Handel mit wesentlichen Waren.

Dieses Abkommen war lediglich vorläufig und ließ vieles ungeregelt. Der für die Holländer wichtigste Punkt war eine bessere und genauere Definition der ohne Zertifikate aller Art frei durchzulassenden Güter, denn wenn wir auch niemals ein Recht zur Unterbindung der Ausfuhr einheimischer neutraler Erzeugnisse beansprucht hatten, so knüpfte sich naturgemäß ein starker Verdacht deutschen Ursprungs an Güter, die aus einem Lande ausgeführt wurden, das zugleich Transitweg und Hafen für ganz Westdeutschland war. Ferner enthielt das allgemeine Memorandum vom November 1914, auf das in dem Dezemberabkommen Bezug genommen wurde, eine Klausel über abgeleitetes Banngut. Die Holländer, die voraussahen, daß diese Doktrin verschieden ausgelegt und so Anlaß zu endlosen Streitigkeiten geben könnte, waren bestrebt, sie gut zu definieren. Außerdem wünschten sie, soviel südamerikanischen Kaffee und ferner so viel getrocknete Früchte aus dem Mittelmeer mitzunehmen, als ihre Schiffe tragen konnten. Schließlich waren sie entschlossen, eine unbedingte Sicherheit gegen die Behinderung ihres Verkehrs mit den Kolonien zu erlangen. Diese Punkte wurden in einem Schreiben an den Trust vom 11. April im wesentlichen zugestanden. In dieser Urkunde willigten unsere Regierungsstellen ein, den Ausschuß für holländische überseeische Interessen [263] anzuerkennen und von den niederländischen Zollbeamten ausgestellte Zeugnisse über den holländischen Ursprung anzunehmen. Sie bewilligten ferner die holländische Forderung, daß Zwiebeln, Milchprodukte, Kerzen und Branntwein bei Verschiffung aus Holland als heimisches Erzeugnis angesehen und keine Ursprungszeugnisse für sie verlangt werden sollten. Der Lizenzhandel mit Feindgütern nach den Kolonien wurde im einzelnen so geregelt, wie die Holländer es zuerst ausbedungen hatten, und man einigte sich dahin, daß koloniale Schiffsladungen von Kaffee, Fieberrinde und Tabak weder an den Trust noch an den Ausschuß adressiert zu werden brauchten. Den Holländern wurde die gewünschte Erlaubnis zum Transport von Mittelmeerfrüchten nach Holland gewährt. Dieses Abkommen gab den Holländern die gewünschte Atempause und setzte sowohl sie wie uns in Stand, auf die Handelsbewegungen nach Nordeuropa während der dem Erlaß der Order in Council folgenden Monate achtzugeben und so die zum Abschluß eines allgemeinen Abkommens notwendigen Beobachtungen zu machen."126

Es zeigte sich bald, daß die deutschen Ausfuhrgüter, die unter das mit dem Trust getroffene Abkommen fielen, weit erheblicher waren, als man ursprünglich angenommen hatte, vor allem deshalb, weil die Konsuln der überseeischen Einfuhrländer wegen des starken Bedarfs an deutschen Ausfuhrgütern bei der Erteilung von Ursprungszeugnissen mit einer gewissen Großzügigkeit verfuhren. Anfang Mai wurde geschätzt, daß seit dem 18. März 1930 [sic; gemeint ist 1915; Anm. d. Scriptorium] bis 40 000 Tonnen Feindgut Amsterdam und Rotterdam passiert hatten. Herr van Vollenhoven gab zu, daß seine erste Berechnung unrichtig gewesen war, da er festgestellt hätte, daß normalerweise 30 000 cbm Raum in den holländischen Lagerhäusern für die auf die Verschiffung wartenden deutschen Ausfuhrgüter benötigt würden. Die Masse der auf Abruf wartenden Güter hatte sich jedoch durch die ungeheueren Ankäufe, die amerikanischerseits nach Bekanntwerden der März-Order in Deutschland getätigt worden waren, beträchtlich erhöht.

Die bei dieser Sachlage unausweichlichen Verhandlungen zur Revision des Abkommens wurden durch die von dem Ausschuß für Feindausfuhr angeordnete Zurückhaltung zweier nach Montevideo bzw. nach New York bestimmter holländischer Schiffe ausgelöst, deren Ladung zwar durch ordnungsmäßig auf Grund konsularischer Ursprungszeugnisse erteilter Trustzertifikate gedeckt war, aber gleichwohl auf Grund unserer Informationen als verdächtig angesehen werden mußte. Diese Zurückhaltungen warfen die Frage auf, ob bei wohlbegründetem Verdacht gegen ordnungsmäßig garantierte Ladungen unser Verdacht oder die Garantien für die Behandlung maßgebend sein sollten. Es kann nicht zu oft wiederholt werden, daß "der Kernpunkt unserer Meinungsverschiedenheiten mit den Neutralen nicht ein Streit über zweifelhafte Rechtspunkte war, sondern darüber, ob wir ein Recht hätten, Handel und Verkehr auf bloßen Verdacht hin zu behindern".

Unter dem Eindruck dieser Maßnahmen, die später zurückgenommen wurden, verliefen erneute Unterhandlungen mit Herrn van Vollenhoven [264] in London reibungslos. Der Streit über die deutschen Ausfuhrgüter wurde durch die Zusicherung, nach dem 1. Juni keine Trustzertifikate mehr auszustellen, bereinigt. Unsere Befürchtungen wegen des starken Ansteigens der Einfuhren von Mineralölen und Pflanzenölen wurden durch beruhigende Zusicherungen zerstreut. Die anderen Verhandlungsgegenstände betrafen: holländische Ausfuhren und Verbotslisten, Baumwolle, holländisch-englischer Handel und schwarze Listen. Herr van Vollenhoven gab das allgemeine Versprechen, daß der Trust, der schon Adressat so vieler Güter sei, auch noch den Rest und damit eine zusätzliche Verantwortlichkeit nicht nur für Banngut, sondern auch für Artikel des allgemeinen Handels übernehmen könne. Das war die zur Vorbereitung eines allgemeinen Abkommens zur Durchführung der März-Order benötigte Zusicherung.

"Es finden sich keine Anzeichen dafür, daß über die wichtigsten Artikel des endgültigen Übereinkommens, das sehr schnell zustande kam, Meinungsverschiedenheiten bestanden haben. Der Trust bürgte dafür, daß alle an ihn adressierte Ladungen, ob Banngut oder nicht, in Holland verbraucht werden sollten; falls Güter nach einem neutralen Land wiederausgeführt werden würden, sollten Garantien für den inländischen Verbrauch im voraus gegeben werden. Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Fleisch wurden jedoch einer schärferen Kontrolle unterworfen als in den später mit den Schweizern und Dänen abgeschlossenen Übereinkommen, denn es wurde im Art. 9 festgesetzt, daß eingeführter Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Fischkonserven, Speck, Gemüse, Futtermittel, Häute und Leder überhaupt nicht wiederausgeführt werden dürften. Die in dem früheren, vorläufigen Abkommen zugesicherten Schutzbestimmungen für den Kolonialhandel (Art. 17 und 19) wurden bestätigt. Es wurde ferner vereinbart und ausdrücklich festgelegt, daß das Abkommen dazu dienen solle, ein allgemeines Rationierungssystem einzuführen und durchzusetzen:

      In Gemäßheit der Tendenz der neuen Regeln, erklärten die Direktoren, wird der N.O.T. sich bemühen, die aus jedweder Quelle nach Holland gelangende Einfuhr jedes für den inländischen Verbrauch bestimmten Artikels in der in dem Abkommen vorgesehenen Weise zu beschränken. Die Übernahme der Versendung von Gütern wird, soweit möglich, auf diese Menge begrenzt. Wenn ohne Zustimmung des Trusts mehr Güter an diesen adressiert werden, so werden diese durch den Trust eingelagert und nicht eher in Umlauf gebracht, als bis das Normalniveau wieder erreicht ist."127







115S. 277. ...zurück...

116S. 277. ...zurück...

117S. 278. ...zurück...

118S. 279. ...zurück...

119S. 279. ...zurück...

120S. 280. ...zurück...

121S. 281 [Scriptorium merkt an: richtig S. 280.] ...zurück...

122S. 281. ...zurück...

123S. 281. ...zurück...

124S. 282. ...zurück...

125S. 282. ...zurück...

126S. 283. ...zurück...

127S. 287. ...zurück...






Die englische Hungerblockade im Weltkrieg 1914-15.
Nach der amtlichen englischen Darstellung der Hungerblockade
von A. C. Bell.
Bearbeitet und eingeleitet durch Dr. Viktor Böhmert,
Professor an der Universität Kiel.