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Bd. 2: Teil 2: Die politischen Folgen des Versailler Vertrages

II. Politische Aufgaben des Völkerbundes   (Teil 4)

B) Das Abrüstungsproblem   (Teil 3)

3) Die Reichsmarine

F. W. Brüninghaus
Mitglied des Reichstags, Konteradmiral a. D.

Am Tage der Sommersonnenwende des Jahres 1919 fand der Kern der ehemaligen Kaiserlich deutschen Kriegsmarine in Skapa Flow, wohin er unter Bruch der Waffenstillstandsbedingungen widerrechtlich gebracht war, sein ehrenvolles, selbstgewähltes Grab. Die deutsche Seemannsehre war wieder hergestellt. Die freiwillige Versenkung der deutschen, am Skagerrak siegreich gewesenen Hochseeflotte ist von allen rechtlich denkenden Menschen, auch in England, als eine Tat anerkannt worden, die den deutschen Seeleuten zur Ehre gereicht. Sie ist in ihrer moralischen Auswirkung auf den Geist der neuen, kleinen deutschen Reichsmarine sicherlich nicht ohne Einfluß geblieben. Wenn die Engländer glaubten, bei dieser Gelegenheit auf die vollkommen unbewaffneten Besatzungen in den Rettungsbooten schießen und wehrlose Menschen töten zu müssen, so versinnbildlicht dies nur die ganze Geistesverfassung und die vollkommene Umkehrung der elementarsten Begriffe von Anstand oder gar Ritterlichkeit, die der Krieg herbeigeführt hatte und die die sogenannten Siegerstaaten ausschlaggebend beeinflußte. Das gleiche Bild zeigt das Diktat von Versailles mit Bezug auf die, Deutschland nach Friedensschluß zugestandene Rüstung zur See. Teil V, Abschnitt II enthält in den Artikeln 181/197 die hierfür maßgeblichen Bestimmungen, die nachstehend, soweit sie zum Verständnis und zur Würdigung der uns verbliebenen Seestreitkräfte in personeller und materieller Hinsicht notwendig sind, wiedergegeben werden. Einige Zwangsbestimmungen sind überholt. Sie sind trotzdem zum Teil mit aufgenommen, um darzutun, wie rücksichtslos man in Versailles vorging, zugleich aber auch, um zu zeigen, wie stark das Vertrauen der Alliierten in die Leistungsfähigkeit der deutschen Marine, auch noch nach dem durch die Revolution eingetretenen vollkommenen Zusammenbruch unseres Volkes, gewesen ist.

      Nach einer Frist von zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages dürfen die deutschen Seestreitkräfte im Dienst höchstens betragen:
      [146] 6 Schlachtschiffe der "Deutschland"- oder "Lothringen"-Klasse,
       6 kleine Kreuzer,
      12 Zerstörer,
      12 Torpedoboote
oder eine gleiche Anzahl von Ersatzschiffen der im Artikel 190 vorgesehenen Bauart.
      Es darf kein Unterwasserfahrzeug darunter sein.
      Alle anderen Kriegsschiffe müssen, soweit nicht der gegenwärtige Vertrag etwas anderes bestimmt, in Reserve gestellt oder Handelszwecken dienstbar gemacht werden.

      Bis zur Beendigung der im Artikel 193 vorgesehenen Minenräumarbeiten hat Deutschland die von den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte festzusetzende Anzahl Minenräumfahrzeuge in Dienst zu halten.

      Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages darf die gesamte Kopfstärke der deutschen Kriegsmarine, Offiziere und Personal aller Grade und Gattungen eingeschlossen, 15 000 Mann nicht übersteigen. In dieser Zahl ist die Besatzung der Flotte und die Mannschaft im Küstenverteidigungs-, Küstensignal-, Verwaltungs- und Landdienst inbegriffen.
      Die gesamte Kopfstärke an Offizieren und Deckoffizieren darf die Zahl 1500 nicht übersteigen.
      Binnen einer Frist von zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages ist das Personal, soweit seine Zahl über obige Kopfstärke hinausgeht, zu demobilisieren.
      Ohne Anrechnung auf die oben festgesetzte Kopfstärke dürfen in Deutschland weder Marine- noch Heeresformationen noch Reserveverbände für einen mit der Marine zusammenhängenden Dienst gebildet werden.

      Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages verliert Deutschland das Eigentum an allen deutschen Überwasserkriegsschiffen, die sich außerhalb der deutschen Häfen befinden. Deutschland verzichtet auf alle Rechte an den genannten Schiffen.
      Schiffe, die in Ausführung der Bestimmungen des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 zur Zeit in den Häfen der alliierten und assoziierten Mächte interniert sind, werden für endgültig ausgeliefert erklärt. Schiffe, die zur Zeit in neutralen Häfen interniert sind, sind dort an die Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte auszuliefern. Die deutsche Regierung hat bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages den neutralen Mächten entsprechende Mitteilung zu machen.

      Binnen zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages sind die nachstehend aufgeführten deutschen Überwasserkriegsschiffe den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte in den durch diese Mächte zu bestimmenden alliierten Häfen auszuliefern.
      Diese Schiffe müssen desarmiert sein, so wie es im Artikel XXIII des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 vorgesehen ist. Sie müssen aber ihre gesamte Artillerie an Bord haben.
[147]
    Schlachtschiffe.
    "Oldenburg"         "Posen"
    "Thüringen" "Westfalen"
    "Ostfriesland" "Rheinland"
    "Helgoland" "Nassau".

    Kleine Kreuzer.
    "Stettin" "Stralsund"
    "Danzig" "Augsburg"
    "München" "Kolberg"
    "Lübeck" "Stuttgart".
und außerdem 42 moderne Zerstörer und 50 moderne Torpedoboote, die durch die Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte bezeichnet werden.

      Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages hat die deutsche Regierung unter Überwachung der Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte den Abbruch aller zur Zeit im Bau befindlichen deutschen Überwasserkriegsschiffe in die Wege zu leiten.

      Die nachstehend aufgeführten deutschen Hilfskreuzer und Hilfskriegsschiffe werden desarmiert und wie Handelsschiffe behandelt.

    In neutralen Ländern internierte Schiffe:
    "Berlin"         "Seydlitz"
    "Santa Fé" "Yorck".

    Schiffe in deutschen Häfen:
    "Ammon" "Fürst Bülow"
    "Answald" "Gertrud"
    "Bosnia" "Kigoma"
    "Cordoba" "Rugia"
    "Cassel" "Santa Elena"
    "Dania" "Schleswig"
    "Rio Negro" "Möwe"
    "Rio Pardo" "Sierra Ventana"
    "Santa Cruz" "Chemnitz"
    "Schwaben" "Emil Georg von Strauß"
    "Solingen" "Habsburg"
    "Steigerwald" "Meteor"
    "Franken" "Waltraute"
    "Gundomar" "Scharnhorst".
      Nach Ablauf einer Frist von einem Monat nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages müssen alle deutschen Unterseeboote ebenso wie die Hebeschiffe und Docks für Unterseeboote einschließlich der Druckdocks den alliierten und assoziierten Hauptmächten ausgeliefert sein.
      Diejenigen dieser Unterseeboote, Schiffe und Docks, die nach Ansicht der genannten Regierungen imstande sind, mit eigener Kraft zu fahren oder geschleppt zu werden, sind von der deutschen Regierung in die hierfür bezeichneten Häfen der alliierten Länder zu überführen.
[148]   Die anderen Unterseeboote, sowie die im Bau befindlichen hat die deutsche Regierung unter Aufsicht der genannten Regierungen vollständig abbrechen zu lassen. Der Abbruch muß spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags vollendet sein.

      Alle Gegenstände, Maschinen und Materialien, die von dem Abbruch der deutschen Kriegsschiffe jeder Art, Überwasserschiffe oder Unterseeboote herrühren, dürfen nur zu rein gewerblichen oder reinen Handelszwecken Verwendung finden.
      An das Ausland dürfen sie weder verkauft noch abgetreten werden.

      Es ist Deutschland untersagt, irgendwelche Kriegsschiffe zu bauen oder zu erwerben, es sei denn zum Ersatz der durch den gegenwärtigen Vertrag (Artikel 181) vorgesehenen in Dienst gestellten Einheiten.
      Die vorerwähnten Ersatzbauten dürfen keine größere Wasserverdrängung haben als
                  10 000 Tonnen für die Schlachtschiffe,
                    6 000 Tonnen für die kleinen Kreuzer,
                       800 Tonnen für die Zerstörer,
                       200 Tonnen für die Torpedoboote.
      Außer im Falle des Verlustes eines Schiffes dürfen die Einheiten der verschiedenen Klassen erst nach einem Zeitraum von
                  20 Jahren für die Schlachtschiffe und Kreuzer,
                  15 Jahren für die Zerstörer und Torpedoboote,
gerechnet vom Stapellauf an, ersetzt werden.

      Der Bau und der Erwerb aller Unterwasserfahrzeuge, selbst zu Handelszwecken, ist Deutschland untersagt.

      Die in Dienst gestellten deutschen Kriegsschiffe dürfen nur die durch die alliierten und assoziierten Hauptmächte festgesetzten Mengen von Waffen, Munition und Kriegsmaterial an Bord oder in Reserve haben.
      Binnen eines Monats nach Festsetzung obiger Mengen sind die Bestände an Waffen, Munition und Kriegsmaterial jeder Art, einschließlich Minen und Torpedos, die sich zur Zeit in den Händen der deutschen Regierung befinden und die über die erwähnten Mengen hinausgehen, den Regierungen der genannten Mächte an den von ihnen zu bezeichneten Orten auszuliefern. Sie werden zerstört oder unbrauchbar gemacht.
      Irgendwelche anderen Vorräte, Lager oder Reserven von Waffen, Munition oder Seekriegsmaterial jeder Art, sind unstatthaft.
      Auch die Herstellung der genannten Gegenstände auf deutschem Boden für fremde Länder oder ihre Ausfuhr dorthin ist verboten.

      Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages hat Deutschland unverzüglich die Räumung der Minen innerhalb bestimmter Grenzen durchzuführen.
[149]   Deutschland hat ebenso diejenigen Zonen der Ostsee, die ihm späterhin durch die Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte bezeichnet werden, von Minen zu säubern und freizuhalten.

      Das Personal der deutschen Marine darf sich ausschließlich im Wege freiwilliger Verpflichtung, und zwar bei Offizieren und Deckoffizieren für die Dauer von mindestens 25, bei Unteroffizieren und Mannschaften mindestens 12 aufeinanderfolgenden Jahren ergänzen.
      Die Zahl der Neueinstellungen als Ersatz für Personal, das aus irgendeinem Grunde vor Ablauf seiner Verpflichtungszeit aus dem Dienst ausscheidet, darf 5 vom Hundert jährlich der gesamten in diesem Abschnitte vorgesehenen Kopfstärke nicht übersteigen.
      Das Personal, das aus dem Dienst der Kriegsmarine ausscheidet, darf keine Art militärischer Ausbildung erhalten und keinen Dienst, weder in der Flotte, noch im Heere, wieder annehmen.
      Die Offiziere, die der deutschen Kriegsmarine angehören und nicht demobilisiert werden, müssen sich verpflichten, ihren Dienst bis zum Alter von 45 Jahren fortzusetzen, es sei denn, daß sie den Dienst aus berechtigten Gründen verlassen.
      Kein Offizier oder Mann der Handelsmarine darf irgendwelche militärische Ausbildung erhalten.

      Damit allen Nationen völlig freier Zutritt zur Ostsee gesichert wird, darf Deutschland in gewissen Zonen keine Befestigungen anlegen und keine die Seewege zwischen Nordsee und Ostsee beherrschenden Geschütze aufstellen.
      Die Befestigungen, die zur Zeit in dieser Zone vorhanden sind, sind zu schleifen und die Geschütze unter Aufsicht der alliierten Mächte und in den von ihnen festgesetzten Fristen zu entfernen.
      Die deutsche Regierung hat den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte alle zur Zeit im Besitz befindlichen Unterlagen über das Fahrwasser der Fahrrinnen nebst angrenzenden Gewässern zwischen Nordsee und Ostsee vollständig zur Verfügung zu stellen.

      Alle befestigten Werke, Anlagen und festen Seeplätze, die entweder weniger als 50 km von der deutschen Küste oder auf den deutschen Inseln vor der Küste liegen, gelten als zur Verteidigung bestimmt und dürfen in ihrem gegenwärtigen Zustande bleiben.
      In dieser Zone darf keine neue Befestigung errichtet werden. Die Bestückung dieser Werke darf an Zahl und Kaliber der Geschütze niemals die bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages vorhandene übersteigen. Die deutsche Regierung hat unverzüglich deren Zusammensetzung allen europäischen Regierungen mitzuteilen.
      Nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages wird die Ausstattung dieser Geschütze mit Munition auf höchstens 1500 Schuß je Geschütz von Kaliber 10,5 cm und darunter und 500 Schuß je Geschütz für die größeren Kaliber gleichmäßig zurückgeführt und auf diesem Satz erhalten.

betrifft die drahtlosen Großstationen und ist heute überholt.

[150] Für die neue Reichsmarine sind in das Friedensdiktat noch eine ganze Reihe einengender Bestimmungen aufgenommen, von denen die Helgoland betreffenden, weil für die Seekriegführung besonders wichtig, nachstehend wiedergegeben sind.

      "Die Befestigungen, militärischen Anlagen und Häfen der Insel Helgoland und der Düne sind unter Überwachung der alliierten Hauptregierungen von der deutschen Regierung auf eigene Kosten innerhalb einer von den genannten Regierungen festgesetzten Frist zu zerstören.
      Deutschland darf weder diese Befestigungen noch diese militärischen Anlagen wieder errichten, auch nicht diese Häfen wieder anlegen oder irgendein entsprechendes Werk künftig herstellen."

Auch die Übergabe unseres Stützpunktes Kiautschau an Japan (Artikel 156/58), die Schaffung der sogenannten "freien Stadt Danzig", bei der sich britisch-französische Wünsche getroffen haben (Artikel 100/07), die Verstümmelung unserer Grenzen gegen Dänemark (Artikel 109/14), die Bestimmung über den Kaiser-Wilhelm-Kanal (Artikel 380/86) sind von ganz einschneidender Bedeutung für den Ausbau, die spätere Entwicklung und die Verwendungsfähigkeit der uns verbliebenen Reichsmarine.

Alles in allem hat England bei Abfassung der Vernichtungsbestimmungen gegen die deutsche Seemacht versucht, ganze Arbeit zu leisten. Es gibt jedoch glücklicherweise gewisse elementare Kräfte, die letzten Endes stärker sind, als die ausgeklügeltsten Zwangsmaßnahmen menschlicher Weisheit oder, in diesem Falle besser gesagt, menschlicher Bosheit. Gewiß, Deutschland kann auf absehbare Zeit nicht daran denken, im Rahmen seiner jetzigen Rüstung mit irgendeiner Seemacht größeren Ausmaßes mit einiger Aussicht auf Erfolg Krieg zu führen. Dementsprechend sind auch die Aufgaben für die Reichsmarine recht beschränkt. Sie sind in der ausgezeichneten Denkschrift des Reichswehrministers Groener über die Notwendigkeit des Panzerschiffsneubaus A der breiten Öffentlichkeit so bekannt geworden, daß ich darauf verzichten kann, näher darauf einzugehen.

Unter Überwindung unsäglicher Schwierigkeiten hat es die Marineleitung, unterstützt von dem weitaus größten Teil unseres Volkes, der noch nicht ganz hoffnungslos pazifistisch eingestellt ist, aber doch verstanden, im beschränkten Rahmen des Versailler Diktats mit dem veralteten Schiffsmaterial ein Instrument zu schaffen, das bei weiterem organischen Ausbau den bescheidenen Aufgaben einer für uns überhaupt möglichen Kriegführung gerecht werden kann. Denn, auch das wußten unsere Gegner, das ganze uns zunächst gelassene Schiffsmaterial, Linienschiffe, Kreuzer und Torpedoboote, haben längst die im Artikel 190 festgesetzte Lebensdauer von 20 bzw. 15 Jahren überschritten. Die ganze Entwicklung, die die Reichsmarine seit dem [151] Jahre 1919 genommen hat, wird am besten veranschaulicht, wenn man sich ein Bild macht von der zur Zeit in Dienst befindlichen bzw. im Laufe des Jahres 1929 in Dienst zu stellender Schiffe und Boote.

Im April 1929 waren im Dienst:

      I. Flottenflaggschiff "Schleswig-Holstein",
         Linienschiff "Schlesien",
                  "        "Elsaß",
                  "        "Hessen".

Die beiden ersten gehören zu den Nordsee-, die beiden letzten zu den Ostseestreitkräften. An Stelle des Linienschiffes "Elsaß" tritt im Oktober das Linienschiff "Hannover".

      II. Kreuzer "Königsberg",
              "        "Amazone",
              "        "Emden".

Die "Amazone" wird Mitte November außer Dienst gestellt werden; für sie tritt der neue Kreuzer "Köln" ein. "Köln" und "Amazone" gehören zu den Nordsee-, "Königsberg" zu den Ostseestreitkräften. Die "Emden" ist Schulschiff und befindet sich während des ganzen Jahres im Ausland. Im Oktober wird weiter voraussichtlich der neue Kreuzer "Karlsruhe" in Dienst gestellt werden, der nach Beendigung der Probefahrten ebenfalls als Schulschiff unter die Inspektion des Bildungswesens tritt.

      III.   I. Torpedobootsflottille,
                 Flottillenboot T. 196.
                 1. Torpedobootshalbflottille,
                     Halbflottillenboot G. 8,
                     Torpedoboot G. 10,
                              "           S. 18,
                              "           S. 19.
                 2. Torpedobootshalbflottille,
                     Halbflottillenboot T. 151,
                     Torpedoboot T. 153,
                              "           T. 157,
                              "           T. 158.

      IV.   II. Torpedobootsflottille,
                 Flottillenboot "Wolf".
                 3. Torpedobootshalbflottille,
                     Halbflottillenboot "Tiger",
                     Torpedoboot "Falke",
                              "           V. 5,
                              "           V. 3,
                              "           "Iltis".
[152]           4. Torpedobootshalbflottille,
                     Halbflottillenboot "Albatros",
                     Torpedoboot "Greif",
                              "           "Kondor",
                              "           "Möwe".

      V.       1. Minensuchhalbflottille,
                     Halbflottillenboot M. 113,
                     Minensuchboot M. 75,
                              "              M. 110,
                              "              M. 122,
                              "              M. 136,
                              "              M. 145.

Zu diesen Schiffen und Booten der Flotte treten dann noch eine Reihe von Fahrzeugen für Spezialzwecke, wie das Vermessungsschiff "Meteor", das Fischereischutzboot "Zieten", die Artillerie-Schulboote "Delphin", "Drache", "Hai" und "Fuchs", sowie einige Tender und das Segelschulschiff "Niobe".

Die organisatorische Grundlage für die Reichsmarine bilden die Gesetze vom 16. April 1919 und vom 23. März 1921. Die Marineleitung ist, ebenso wie die Heeresleitung, dem Reichswehrministerium unterstellt. In ihr sind die gesamten Funktionen des früheren Reichsmarineamts, Admiralstabes und Marinekabinetts vereint. Dem Chef der Marineleitung unterstehen in der Zentralbehörde außer seiner Stabsabteilung das Kommandoamt (militärische Verwendung der Kampfmittel und des Personals), das allgemeine Marineamt (Material und Konstruktion, Werften), das Verwaltungsamt und die Dienststellen der Marineleitung in Bremen, Hamburg, Kiel, Lübeck, Stettin und Königsberg. Mit den Behörden der Heeresleitung verbunden sind die Etatsabteilung, die Personalabteilung, die Medizinalabteilung, die Rechtsabteilung und die Nachrichtenstelle.

Das gesamte Personal und Material der Front verteilt sich auf die beiden Stationskommandos der Ostsee in Kiel und der Nordsee in Wilhelmshaven. Der Ostseestation sind unterstellt die Marineartillerieabteilungen in Swinemünde, Kiel und Pillau, ferner eine Reihe von Signalstationen und eine Schiffsstammdivision für nicht eingeschifftes Personal in Kiel und Stralsund. Dazu kommen die in ihren Aufgaben der Marineleitung unmittelbar unterstellten Inspektionen des Bildungswesens, des Torpedo- und Minenwesens, die Schiffsartillerieschule, das Arsenal und die Intendantur in Kiel. Die Nordseestation umfaßt die Marineartillerieabteilungen in Wilhelmshaven, Cuxhaven und Borkum-Emden, die Signalstationen in der Nordsee, die Schiffsstammdivision in Wilhelmshaven, die Inspektion der Marineartillerie, die Depotinspektion (Munitions-, Torpedo-, Sperr- [153] material) die Küstenartillerieschule, die Marinewerft und die Intendantur in Wilhelmshaven.

Die Ergänzung und die Ausbildung des gesamten Marinepersonals trägt den besonders hohen Anforderungen Rechnung, die gerade in dem materiell zu engem Rahmen gestellt werden müssen. Die Marine wird eben immer versuchen müssen, durch Qualität an Personal und Material dasjenige zu ersetzen, was ihr durch das Friedensdiktat von Versailles an numerischer Stärke unterbunden ist. Der Eintritt in die höheren Laufbahnen (Seeoffizier, Offizier des Ingenieurwesens, Marinezahlmeister) steht jedem jungen Menschen offen, der die vorgeschriebenen Prüfungen besteht und nach Fähigkeiten und Charakter geeignet ist. Die Laufbahnen der Marine-Sanitätsoffiziere und der Marinebaubeamten setzen ein Fachstudium voraus. Die Einstellung des militärischen Personals erfolgt durch die Schiffsstammdivision in Kiel und Wilhelmshaven, für die späteren Offiziere durch die Inspektion des Bildungswesens in Kiel. Auf eine zunächst allgemein militärische infanteristische Ausbildung folgen wechselnd Bord- und Landkommandierungen. Den nicht im Besitz des Reifezeugnisses befindlichen Freiwilligen wird durch Prüfungen Gelegenheit gegeben, in die Offizierslaufbahn zu gelangen.

Es ist bemerkenswert, daß der Zulauf zu der Marine ein ganz außerordentlich starker ist, so daß eine sehr sorgfältige Auswahl an Menschenmaterial vorgenommen werden kann. Naturgemäß wirkt sich dieser Umstand auf die Zusammensetzung der Besatzungen günstig aus. Zum Teil mag die schlechte Konjunktur auf dem Wirtschaftsmarkt belebend auf die Rekrutierung des Marinepersonals eingewirkt haben. Der Zudrang ist nach meiner Beobachtung der Dinge aber auch stark darauf zurückzuführen, daß durch die seit 1924 wieder aufgenommenen Auslandsreisen unserer Kreuzer und Linienschiffe sich für unsere Jugend die Gelegenheit bietet, fremde Länder und Völker kennenzulernen. Daß die Auslandsreisen unserer Schiffe für unser nationales Ansehen, nicht zuletzt auch für die Bekämpfung der Kriegsschuldlüge, weiterhin für unsere wirtschaftlichen Interessen von ganz außerordentlichem Werte sind, wird heute von keinem objektiv denkenden Menschen mehr bestritten. Die alte Wahrheit, daß man im Auslande die innerpolitischen Verhältnisse eines Staates nach dem Auftreten und der Disziplin der Kriegsschiffbesatzungen beurteilt, hat sich wiederum bestätigt

In der Öffentlichkeit, soweit sie dem Wiederaufbau unserer Flotte selbst in den bescheidenen Grenzen des Versailler Diktats ablehnend gegenübersteht, ist der Geldbedarf für die Marineersatzbauten stark abfällig kritisiert worden. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß bei einem Vergleich mit den Neubauten der Vorkriegszeit eine gewaltige Steigerung der Kosten festzustellen ist. Heute liegen die Verhältnisse [154] so, daß die Tonne Deplacement Kriegsschiff 4500 bis 5000 Reichsmark kostet, während sie früher für 1500 Mark zu haben war. Nach zuverlässigen Informationen baut England noch etwas teuerer. Abgesehen von der allgemeinen Steigerung der Löhne und Materialien fällt vor allem ins Gewicht, daß gerade während des Krieges auf technischem Gebiet ungeheuere Fortschritte gemacht worden sind, deren Ausnützung mit sehr hohen Kosten verknüpft ist. Beispielsweise ist eine moderne Heizölfeuerung dreimal so teuer wie die frühere, jetzt veraltete Kohlenfeuerung.

Auf welch minimale Seerüstung Deutschland zurückgeschraubt worden ist, mögen die nachstehenden Tabellen veranschaulichen.

    1. Gesamttonnage der fertigen Schiffe Ende 1928
    (Linienschiffe, Schlachtkreuzer, Flugzeugträger m. Panzerkreuzer,
    Kreuzer, Flottillenführer, Zerstörer, Torpedoboote, U-Boote,
    ausschließlich "veraltete Schiffe", das heißt über 20 bezw. 15 Jahre alt.)

    Land  Anzahl der  
    fertigen
    Schiffe
    Gesamttonnage
    England295 1 248 470  
    Vereinigte Staaten427 1 145 175  
    Japan216   729 120
    Frankreich143   481 259
    Italien143   283 664
    Deutschland  10     15 000


    2. Gesamttonnage der im Jahre 1928 im Bau befindlichen Schiffe

    Land  Anzahl der  
    Schiffe
    Gesamttonnage
    England30 127 650  
    Vereinigte Staaten10 87 140
    Japan14 74 760
    Frankreich33 68 220
    Italien33 80 640
    Deutschland  8 37 000


    3. Personalbestand

    LandSeeoffiz.
      Ing. u. techn.  
    Offiziere
    Sanitäts-
    offiziere
    Zahlmeister
    Geistl., Lehrer
    Deckoffiziere
    Unteroffiziere
    und
      Mannschaften  
    insgesamt
    England4 000          1 100         99 000         104 100  
    Vereinigte Staaten5 500          1 900         105 000         112 400  
    Frankreich2 900          550         55 700         59 150  
    Italien2 700          650         45 000         48 350  
    Deutschland844          179         13 974         14 997  
[155] Ein kurzer Blick auf die vorstehenden Tabellen beweist, daß von jenem, von interessierter Seite immer wieder behaupteten deutschen Militarismus und Marinismus wahrlich keine Rede sein kann. Der Kampf um den bereits im Bau befindlichen Ersatzbau für eins der längst überfälligen Linienschiffe scheint mir vor allem ein Zeichen dafür zu sein, daß weite Kreise unseres Volkes den Sinn einer auch nur bescheidenen Rüstung nicht begriffen haben. Gerade vom Standpunkt überzeugter Pazifisten aus sollte man an der Binsenwahrheit nicht vorbeigehen, daß ein inmitten waffenstarrender Staaten wehrloser Staat die größte Gefahr für den Frieden bedeutet. Die deutsche Abrüstung sollte nach den ausdrücklichen Bestimmungen des Versailler Diktats bekanntlich nur der Anfang der allgemeinen Abrüstung sein. Alle Versuche nach der Richtung muß man jedoch, ohne zu übertreiben, bisher jedenfalls, als gescheitert betrachten. Die Flottenabrüstungskonferenz zu Washington im Jahre 1922 hat zwar gewisse Vereinbarungen über die Stärke und die Tonnage der Großkampfschiffe gebracht, von irgendwelcher wirklichen Abrüstung ist aber nichts zu spüren. Die Konferenzen in Genf sind geradezu ein Hohn auf die Antwort der Entente vom 16. Juni 1919, in der es heißt:

      "Diese Bedingungen stellen gleichzeitig den ersten Schritt zu der allgemeinen Beschränkung und Begrenzung der Rüstungen dar, welche die bezeichneten Mächte als eines der besten Mittel zur Verhinderung von Kriegen zu verwirklichen suchen, und die herbeizuführen zu den ersten Pflichten des Völkerbundes gehören wird... Erst wenn der Angreifer den Weg gezeigt hat, können auch die Angegriffenen in aller Sicherheit ihm folgen."

Für Deutschland ist, wie oben dargelegt, die Größe der Linienschiffe auf 10 000, die der Kreuzer auf 6 000 Tonnen beschränkt. Die Washingtoner Seeabrüstungskonferenz setzt die Größe der Linienschiffe der anderen Nationen auf 35 000, die der Kreuzer auf 10 000 Tonnen fest! Der Weg, der zu den Größenverhältnissen der Schiffseinheiten der deutschen Marine führt, ist also noch ein sehr weiter. Daß England nicht im entferntesten daran denkt, in einem Zukunftskriege auch nur auf die Verwendung seiner Hilfskreuzer irgendwie zu verzichten, geht am klarsten aus dem Artikel 14 des Washingtoner Abkommens hervor, der lautet: "Es dürfen keine Vorkehrungen getroffen werden, auf Handelsschiffen in Friedenszeiten Einrichtungen für Kriegszwecke anzubringen, in der Absicht, solche Schiffe in Kriegsschiffe zu verwandeln, es sei denn für Kanonen, die 6 Zoll (15,2 cm), nicht überschreiten".

Die englischen Hilfskreuzer sind eben durchweg mit 6 Zöllern bestückt, und werden daher, trotz der allgemeinen Abrüstung, in einem neuen Kriege vertragsmäßig mit einem frommen Augenaufschlag Verwendung finden.

[156] Als die Auswirkungen des Weltkrieges noch nicht so klar zu übersehen waren, wie heute, schrieb die Times am 10. Dezember 1918 in einer Besprechung der Waffenstillstandsbedingungen:

      "In ihrem eigenen Interesse werden die Deutschen gut tun, daran zu denken, daß seit undenklichen Zeiten das englische Volk immer besonders eifersüchtig die Versuche irgendeiner Macht angesehen hat, jener Seeoberherrschaft ins Gehege zu kommen, die für das weitverstreute, britische Gemeinwesen unerläßlich ist."

Die Washingtoner Seekonferenz, in der die Stärke der Großkampfschiffe für England, die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Japan im Verhältnis von 5 : 5 : 3 festgelegt wurde, hat diese für das englische Imperium "unerläßliche" Seeoberherrschaft beseitigt. Man wird abzuwarten haben, wie in den kommenden Zeiten die angelsächsischen Vettern diesseits und jenseits des Atlantischen Ozeans den Kampf um die Seeherrschaft austragen werden. Das eine scheint mir festzustehen, daß nämlich, trotz aller Abrüstungs- und Friedenskonferenzen, letzten Endes doch ein Krieg leider nicht vermieden werden kann, wenn die nationalen und lebenswichtigen Interessen großer Völker in unlösbare Widersprüche geraten. Großadmiral v. Tirpitz sagte am 6. November 1897 bei der Einbringung des ersten Flottengesetzes:

      "Wenn wir eine Flotte haben werden, die der von mir vorgeschlagenen Stärke entspricht, dann schaffen Sie Deutschland eine Seemacht, gegen die offensiv an unseren Küsten vorzugehen, selbst eine Seemacht ersten Ranges sich dreimal bedenken würde. Sie schaffen eine Flotte, meine Herren, welche ein erhebliches Gewicht zur Sicherung des Friedens in die Wagschale werfen kann."

Wenn wir unsere kleine, uns verbliebene Reichsmarine im Rahmen des Versailler Diktats qualitativ auf der Höhe halten, so dienen wir damit ebenfalls den Zwecken des Friedens. Daß Deutschland mit seiner Reichsmarine keinen Angriffskrieg führen kann, das wissen nicht nur wir, sondern das wissen auch alle anderen Völker. Andererseits aber würden wir uns schwer an den Lebensinteressen unserer Nation versündigen, wenn wir die uns möglichen Verteidigungsmaßnahmen gegen Übergriffe übermütiger Nachbarn vernachlässigen wollten. Diese Erkenntnis legt uns die ernste Pflicht ob, nach Kräften dafür zu sorgen, daß unserer kleinen Reichsmarine auch in den breiten Schichten der Bevölkerung das nötige Verständnis entgegengebracht wird. Ihre bisherigen Leistungen berechtigen jedenfalls zu der Hoffnung, daß sie in Zukunft den an sie zu stellenden Aufgaben sowohl im Frieden, als auch bei kriegerischen Verwicklungen gerecht werden wird, wenn ihr organischer Ausbau keine Störungen erleidet. Im Rahmen des Diktats von Versailles besteht allerdings - darüber [157] muß man sich vollkommen im klaren sein - keine Möglichkeit, die wirtschaftlichen und nationalen Interessen unseres Volkes zur See in dem Maße zu schützen, wie es Deutschland auf Grund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und seiner politischen Bedeutung mit vollem Recht beanspruchen kann.

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Zehn Jahre Versailles
in 3 Bänden herausgegeben von
Dr. Dr. h. c. Heinrich Schnee und Dr. h. c. Hans Draeger