I. Antwort der Alliierten und Assoziierten Mächte auf die Bemerkungen der Deutschen Delegation zu den Friedensbedingungen
Abschnitt I: Bestimmungen über das Landheer
I. Die Alliierten und Assoziierten Mächte legen Wert darauf, besonders hervorzuheben, daß ihre die Rüstungen Deutschlands betreffenden Bedingungen nicht nur zum Zwecke hatten, Deutschland die Wiederaufnahme seiner kriegerischen Angriffspolitik unmöglich zu machen. Diese Bedingungen stellen vielmehr gleichzeitig den ersten Schritt zu der allgemeinen Beschränkung und Begrenzung der Rüstungen dar, welche die bezeichneten Mächte als eines der besten Mittel zur Verhinderung von Kriegen zu verwirklichen suchen und die herbeizuführen zu den ersten Pflichten des Völkerbundes gehören wird.
Sie müssen jedoch feststellen, daß das ungeheure Anwachsen der Rüstungen in den letzten Jahrzehnten den Staaten Europas durch Deutschland aufgezwungen worden ist. Weil Deutschland seine Macht vermehrte, mußten seine Nachbarn das gleiche tun, wollten sie nicht dem Zwang des deutschen Schwertes widerstandslos ausgeliefert sein. Es ist daher ebenso gerecht wie notwendig, mit der zwangsweisen Begrenzung der Rüstungen bei dem Staate zu beginnen, den die Verantwortung für ihr Anwachsen trifft. Erst wenn der Angreifer den Weg gezeigt hat, können auch die Angegriffenen in aller Sicherheit ihm folgen.
Die Alliierten und Assoziierten Mächte können keinerlei grundsätzliche Abänderung der Bedingungen zugestehen, die in den Artikeln 159 bis 180, 203 bis 208 und 211 bis 213 des Friedensvertrages aufgezählt sind. Deutschland hat bedingungslos einer Abrüstung vor den Alliierten und Assoziierten Mächten zuzustimmen. Es hat die sofortige Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht anzunehmen; eine genau festgelegte Organisation und [29] der Rüstungsmaßstab werden ihm vorgeschrieben werden. Es ist wesentlich, daß eine besondere Kontrolle mit Beziehung auf alles ausgeübt wird, was die Einschränkung seiner bewaffneten Macht und seiner Rüstung, die Schleifung seiner Befestigungen und die Einschränkung, Umwandlung oder Vernichtung seiner militärischen Anlagen betrifft.
Die Alliierten und Assoziierten Mächte betrachten die genaue Durchführung dieser Grundsätze als eine heilige Pflicht und lehnen es ab, hiervon abzugehen; sie sind nichtsdestoweniger bereit, im Interesse des allgemeinen Friedens und der Wohlfahrt des deutschen Volkes folgende Änderungen der Bestimmungen für das Landheer, Artikel 159 bis 180 des vorliegenden Vertrages, zu bewilligen. a) Deutschland wird ermächtigt, die Verminderung seines Heeres langsamer auszuführen als festgesetzt wurden war, und zwar bis auf eine Höchstzahl von 200 000 Mann, die in einem Zeitraum von 3 Monaten erreicht sein muß. Am Ende dieser 3 Monate und alle weiteren 3 Monate wird eine Kommission militärischer Sachverständiger der Alliierten und Assoziierten Mächte die Stärke des deutschen Heeres für die nächsten 3 Monate festsetzen; das Ziel hierbei ist, das deutsche Heer sobald wie möglich, in jedem Falle aber bis zum Ablauf der Geltungsdauer des Gesetzes über die Reichswehr, d. h. bis zum 30. März 1920, auf die im Vertrage festgesetzte Zahl von 100 000 Mann zu verkleinern. b) Die Zahl von Formationen, von Offizieren und ihnen Gleichgestellten sowie von Zivilpersonal soll entsprechend den Bedingungen des vorliegenden Vertrages im Verhältnis zu der im vorhergehenden Absatz a) festgesetzten Gesamtstärke stehen. Ebenso soll die Zahl der Geschütze, Maschinengewehre, Minenwerfer und Gewehre sowie die Mengen von Munition und Ausrüstungsgegenständen entsprechend den Bestimmungen des vorliegenden Vertrages im Verhältnis zu der im vorhergehenden Absatz a) festgesetzten Gesamtstärke stehen. c) Keinerlei Änderung in der Rüstungsorganisation, wie sie durch den Vertrag festgesetzt ist, wird gestattet, bis Deutschland in den Völkerbund aufgenommen ist, der dann etwa erwünscht erscheinende Änderungen genehmigen kann. d) Der gesamte Rest des deutschen Kriegsmaterials ist innerhalb der durch den Friedensvertrag festgesetzten Fristen abzuliefern. Die durch den Friedensvertrag für die Abrüstung der Befestigungen vorgesehenen Fristen werden wie folgt abgeändert:
"Alle Festungswerke, Festungen und Landbefestigungen, die sich auf deutschem Gebiete westlich einer 50 km ostwärts des Rheins gezogenen Linie befinden, sind abzurüsten und zu schleifen.
V. Mit den im vorstehenden Paragraphen IV genannten Zusätzen und Abänderungen bleiben die Bestimmungen über das Landheer (Art. 159-180) und ebenso diejenigen, welche die Durchführung der in den Artikeln 203, 208, 211 und 213 niedergelegten Bedingungen betreffen, aufrechterhalten.
Die auf die Bestimmungen über die Seemacht bezüglichen Bedingungen und Vorschläge der deutschen Delegierten können nicht berücksichtigt werden. Alle diese Artikel sind sorgfältig abgefaßt worden und müssen bedingungslos angenommen werden. Sie gründen sich auf den Wunsch nach einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen und gleichzeitig auf das Bestreben, Deutschland die für seinen Schutz und für Seepolizeidienste notwendigen Seestreitkräfte zu belassen. Keinerlei Verhandlung über diesen Teil des Vertrages ist vor seiner Unterzeichnung nötig. Alle Einzelheiten können durch die Marinekommission geregelt werden, die späterhin gemäß den Vertragsbestimmungen eingesetzt werden wird (Teil V, Abschnitt IV). Keinerlei finanzielle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ablieferung der im Friedensvertrag erwähnten Kriegsschiffe werden durch die Alliierten und Assoziierten Mächte in Erwägung gezogen; die Übergabe der Schiffe wird bedingungslos gefordert.
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