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Polnische Thesen und deutsche Antworten

 
C. Geschichtliche Polenthesen zur Verteidigung des Korridorbesitzes

Vorbemerkung zu den geschichtlichen Polenthesen

Unsere wichtigsten Leitsätze sind:

a) Die Neuzeit ist wichtiger als das Mittelalter und die Vorgeschichte.

b) Entscheidend ist, welches Volk das Land aufgeschlossen und kulturell und wirtschaftlich gehoben hat; also die Arbeit und der Dienst am Lande.

c) Man kann frühere Zeiten nicht mit modernen Maßstäben messen.


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1. Was sind historische Ansprüche?

Die polnische Propaganda gibt sich große Mühe, polnische Besitzrechte aus der geschichtlichen Frühzeit und aus der Prähistorie abzuleiten. Darum ist es wertvoll, wenn neuerdings ein führender Propagandist der Polen, Smogorzewski,1 erklärt: "Worauf es vor allen Dingen in diesem Zusammenhang ankommt, das ist nicht die Vorgeschichte, sondern die Geschichte überhaupt, und die neuere Geschichte mehr als die des Mittelalters." Rein geschichtliche Ansprüche aus dem Mittelalter oder aus der dynastischen Zeit haben für sich in der - nach ganz anderen Ideen und Zwecken ausgerichteten - Gegenwart wenig Wert, weder juristischen noch moralischen. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, wer in der modernen Zeit, etwa seit der französischen Revolution, Besitzer des Korridors gewesen ist. Und das war Preußen bzw. Deutschland.

Wichtiger als der juristische Besitztitel ist der Rechtstitel der Kulturarbeit, der durch Dienst am Lande erworben wird. Der deutsche Mensch aber ist es gewesen, der zweimal das Land um die untere Weichsel in eine fruchtbare und verhältnismäßig wohlhabende Kulturlandschaft umgestaltet hat.

So hat Deutschland einen doppelten geschichtlichen Anspruch: den der kulturellen Leistung und den des letzten Besitzes.



2. Warnung vor Anachronismen.

Die polnische Propaganda arbeitet viel mit Anachronismen, sie beurteilt also Vorgänge früherer Zeiten mit modernen Maßstäben. Aber (um einige Beispiele anzuführen) die Lehnshoheit der polnischen Könige über Ostpreußen oder die der deutschen Kaiser über Polen läßt sich mit moderner Gebietshoheit nicht vergleichen; der Abfall der preußischen Stände vom Orden hatte nichts mit einem nationalen Bekenntnis zu tun; das frühere Verhältnis Danzigs zu Polen ist keine Parallele zu dem heutigen Zustand, die zeitweilige frühere polnische Herrschaft im Weichselland kein Gegenstück zum heutigen Korridor. Vor allem darf man nicht vergessen, daß die Staats- und völkerrechtlichen Beziehungen im Mittelalter häufig unklar und umstritten waren.

Wir beginnen mit der neuesten Geschichte, und zwar mit dem historischen Ereignis, durch das Polen den Korridor erhielt.

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32. Polenthese:
Der Versailler Vertrag

Die Polen sagen: Der "Korridor" sei Polen endgültig zugesprochen worden, und zwar durch einen Vertrag, der von 27 Staaten unterschrieben und von Deutschland selbst bedingungslos angenommen wurde. Er müsse um so mehr von Deutschland respektiert werden, als er zwischen den deutschen und polnischen Forderungen die Mitte gewahrt habe. Die Umstände auf der Friedenskonferenz seien für Polen so ungünstig gewesen, daß es nur das strikte Minimum dessen erhalten habe, was es zum Leben brauche.2

Antwort: Das Versailler Diktat ist nur eine Episode in der großen Weltumwälzung, die seit etwa zwei Jahrzehnten im Gange ist. Es wird ständig von der Geschichte revidiert. Der Revisionsprozeß hat nicht einmal die Reparationsansprüche Frankreichs und der anderen Großmächte verschont: sollte er da gerade Polens Besitzstand unangetastet lassen und gerade vor der größten Versailler Absurdität, dem Korridor, Halt machen?

Im übrigen waren die Verhältnisse auf der Friedenskonferenz für Polen so abnorm günstig, daß man in der Geschichte schwer ein Gegenstück dazu findet.

a) Die Revision des Versailler Diktats: Deutschlands Ziel und Chance ist die friedliche Revision (s. S. 62 f.). Alle Verträge werden revisionsbedürftig, wenn die Verhältnisse sich entscheidend ändern. Und sie werden auch immer im Laufe der Geschichte revidiert, sei es durch stillschweigende oder ausdrückliche neue Abmachungen, sei es durch Kriege und Revolutionen. Der Versailler Vertrag ist besonders revisionsbedürftig und wird der Revision besonders stark unterworfen, und zwar wegen seiner Entstehung und wegen seines Inhalts. Besonders revisionsbedürftig ist die Korridorregelung.

  1. Die Entstehung des Versailler Diktats: Deutschland hat 1918 die Waffen niedergelegt, nachdem durch den Notenwechsel vom Oktober/November 1918 ein Vertrag über den Friedensschluß (Vorfriede) zustande gekommen war. In der Lansing-Note vom 5. November 1918 hatten sich die Alliierten verpflichtet, mit Deutschland einen Verständigungsfrieden auf der Grundlage des Wilson-Programms (14 Punkte und spätere Kundgebungen) abzuschließen. Es wurde aber ohne mündliche Verhandlungen mit Deutschland einseitig von den alliierten und assoziierten Mächten ein Friedensvertrag ausgearbeitet. Das entwaffnete und ausgehungerte Deutschland wurde durch die Drohung, andernfalls die Feindseligkeiten wieder zu beginnen und die Blockade fortzusetzen, gezwungen, den Versailler Frieden bedingungslos anzunehmen. Der Versailler Friede war nicht [72] der vorher vereinbarte Verständigungsfriede, sondern ein Diktat; sein Inhalt stand im Widerspruch zur vereinbarten Friedensgrundlage, dem Wilson-Programm. Das gilt besonders für die Korridorregelung, denn das Korridorgebiet ist Polen ohne Volksbefragung zugeteilt worden. Damit ist ein entscheidender Grundsatz des Wilson-Programms, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, außer Acht gelassen worden.3 Vgl. S. 80 ff.
  2. Der Inhalt des Friedensdiktats ist nicht geeignet, dauerhafte, gesunde und gedeihliche Zustände zu schaffen. Es wäre auch 1919 für die Staatsmänner der Siegerstaaten schwer gewesen, eine gesunde und dauerhafte Regelung zustande zu bringen, weil sie unter dem Druck der überhitzten Kriegs- und Siegesstimmung ihrer vier Jahre lang aufgepeitschten Volksmassen standen. Überall tritt in dem Versailler Text das Bestreben hervor, die abnorme Machtverteilung von 1919, also das erdrückende französische Übergewicht und die deutsche Ohnmacht, zu verewigen. Dieses Bestreben hat sich auch bei der Korridorregelung durchgesetzt. Noch heute betont die polnische Propaganda in Frankreich die strategische Bedeutung der neuen Grenzziehung (Zerreißung des nordostdeutschen Festungsgürtels, Heranrückung der Grenze bis auf 160 km an Berlin).4
  3. Die besondere Dringlichkeit der Revision von Versailles: Sogar Graf Coudenhove-Kalergi sagt in Paneuropa (Februar 1932, S. 36), daß "die anderen Friedensverträge auch nach Schaffung dieses paneuropäischen Forums von demselben überprüft werden können - während die Versöhnung Deutschlands durch die Revision von Versailles eine unabhängige Vorbedingung jeder wirklichen europäischen Zusammenarbeit ist, die ohne aktive Teilnahme Deutschlands undurchführbar ist".

b) Die Stellung der Polen in Versailles. Näheres im 5. Teil. Die einzigartige Chance, die den Polen in den Schoß gefallen war, ist der Zusammenbruch der drei großen Reiche Rußland, Deutschland und Österreich und die Proklamation des polnischen Staates durch die Mittelmächte 1916, die die polnische Frage als europäisches Problem aufgerollt hat. Polen ist dann entscheidend durch das französische Bestreben begünstigt worden, Deutschland im Osten wehrlos zu machen und in Polen einen starken Verbündeten Frankreichs zu schaffen. Darum konnten die Polen es wagen, nicht nur den Korridor, sondern auch Danzig, Ostpreußen und andere rein deutsche Gebiete zu fordern. Vgl. auch den Ausspruch Wilsons auf S. 69.


33. Polenthese:
Polens historische Grenzen

Die Polen sagen: Der Korridor habe vor 1772, also vor den polnischen Teilungen, zu Polen gehört. Polen habe längst nicht [73] alles ihm geraubte Land wiedererhalten, nicht einmal innerhalb der historischen Grenzen von 1772.

Antwort: Es wäre widersinnig und verhängnisvoll, das Rad der Geschichte bis ins 18. Jahrhundert zurückdrehen zu wollen. Die Wiederherstellung der Grenzen von 1772 würde unter anderem bedeuten: Rückgabe fast ganz Nordamerikas an die Indianer; Zerstückelung Italiens; Türkenherrschaft über Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Altserbien, Bosnien; russische Herrschaft über die Randstaaten; schwedische über Finnland, österreichische über Belgien u. a. m.

a) Dynastische Gesichtspunkte haben bei der Entstehung der Grenzen des 18. Jahrhunderts entscheidend mitgewirkt. Sie dürfen aber nicht mehr für moderne Grenzen maßgebend sein. Die Grenzen des 20. Jahrhunderts sollten vielmehr unter möglichster Berücksichtigung des Willens der beteiligten Bevölkerungen lebensfähige Staatsgebilde gewährleisten, die politisch und wirtschaftlich gesund und dauerhaft sind; die Grenzziehungen sollen ferner darüber hinaus die friedliche und gesunde Entwicklung größerer Räume ermöglichen.

b) Das historische Polen. Durch eine dynastische Heirat ist 1386 der alte litauisch-polnische Großstaat entstanden (vgl. S. 139). Durch gewaltsame, vertragswidrige Annexion ist Westpreußen 1569 zu Polen geschlagen worden (Lubliner Union, vgl. S. 140).

c) Schon das heutige Polen ist ein Anachronismus, denn es umfaßt zu einem Drittel fremde Volksgruppen und ist etwa doppelt so groß wie das Gebiet, das 1919 eine unbestreitbar polnische Bevölkerung hatte. Es ist nach einem Worte Lloyd Georges belastet mit fünf "Elsaß-Lothringen": dem Korridor, Oberschlesien, der Ukraine, Weißrußland und Wilna. In noch viel stärkerem Maße war das historische Polen ein Nationalitätenstaat; es war vor 1772 etwa doppelt und am Anfang des 17. Jahrhunderts fast viermal so groß wie das heutige.


34. Polenthese:
Urpolnisches Land?

Die Polen sagen: Der Korridor sei urpolnisches Land, polnisch schon in vor- und frühgeschichtlicher Zeit.

Antwort: Die Ausgrabungen beweisen, daß der Korridor altes germanisches Siedlungsland ist. Erst durch die Völkerwanderung ist dort für Slawen Platz geworden. Es haben sich hier nicht Polen niedergelassen, sondern ein anderes slawisches Volk, die Pomoranen, die Vorfahren der heutigen Kaschuben. Sie haben in vielen Kämpfen mit den Polen auf die Dauer ihre Selbständigkeit bewahrt.

[74]
35. Polenthese:
Das Mittelalter

Die Polen sagen: Im Mittelalter sei der Korridor - abgesehen von der Okkupation durch den Deutschen Orden - polnisch gewesen. "Die polnischen nordwestlichen Gebiete bilden seit tausend Jahren einen Bestandteil Polens."

Antwort: Höchstens einige Jahre ist im Mittelalter das Korridorgebiet ein Bestandteil Polens gewesen (Einzelheiten siehe S. 138 f.).

a) Übersicht:
bis 1294 selbständiges Herzogtum Pommerellen unter nichtpolnischer Dynastie (Samboriden). Siehe vorige These.
1294 - 1308 Erbstreitigkeiten; umstrittener polnischer Besitz.
1308 - 1454 Teil des deutschen Ordenslandes Preußen.
1454 - 1569 autonomes, vom polnischen Staat unabhängiges Gemeinwesen von deutschem Charakter; Schutzhoheit des polnischen Königs.

b) Die Ordensherrschaft ist von Polen vertraglich anerkannt worden. Näheres S. 78 unter b) und S. 139.

c) Erschließung des Landes durch die Deutschen (Orden und vorher deutsche Einwanderer) vgl. S. 137; Deutschland und der Korridor S. 309/10; ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1 beachten!] Keyser in Der Kampf um die Weichsel S. 43 ff.


36. Polenthese:
Die preußischen Stände und der Polenkönig

Die Polen sagen: Aus nationalen Gründen hätte das Korridorgebiet die Fremdherrschaft des Ordens abgeschüttelt und sich Polen angeschlossen.

Antwort: Beim Kampf der preußischen Stände gegen den Deutschen Orden haben nationale Gründe überhaupt nicht mitgesprochen. Im Gegenteil: die preußischen Stände waren fast durchweg deutsch. Sie strebten nach Selbständigkeit und Mitregierung, wie überall in jener Zeit die Stände. Sie dachten nicht daran, polnisch zu werden, sondern wollten sich nur der Landesherrschaft des Ordens entziehen und nahmen dabei die Hilfe des polnischen Königs in Anspruch. Die Anziehungskraft des Polenkönigs lag nicht in seiner Stärke, sondern in seiner Schwäche; die preußischen Stände zogen eine lockere Oberhoheit des polnischen Königs dem straffen Ordensregiment vor. Der König von Polen mußte ihnen ein entscheidendes Maß von Selbständigkeit vertraglich garantieren. Der Schritt der Stände war also ebensowenig ein Bekenntnis zum [75] Polentum, wie etwa später die Wahl August des Starken zum polnischen König ein Bekenntnis der Polen zum Deutschtum gewesen ist.

Ein Bruderkampf zwischen Angehörigen der gleichen Nationen war im Mittelalter etwas Alltägliches. Daß dabei die Hilfe eines Fürsten fremder Nationalität in Anspruch genommen wurde, ist häufig vorgekommen. Das Nationalgefühl war damals noch kein entscheidender Faktor. (Einzelheiten siehe Deutschland und der Korridor S. 424 f. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1 beachten!])


37. Polenthese:
Die Zeit nach der Ordensherrschaft

Die Polen sagen: Nach der Ordensherrschaft sei das Korridorgebiet drei Jahrhunderte lang polnisches Staatsgebiet gewesen.

Antwort: Von 1454 bis 1569 bestand eine lockere Personalunion, der durch vertragswidrige Annexion ein Ende gemacht wurde: unter Protest der westpreußischen Stände wurde durch die Lubliner Union von 1569 die Einverleibung in den polnischen Staat erzwungen.

Die zwei Jahrhunderte polnischer Zwangsherrschaft (1569 bis 1772) haben den deutschen Charakter des Landes nicht zerstört, aber einen unerhörten wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang herbeigeführt.

a) Autonomie und deutscher Charakter des Korridorgebiets bis 1569. Deutsche Verwaltung, kein Gebrauch der polnischen Sprache im Verkehr mit dem polnischen König. Näheres S. 140; Deutschland und der Korridor S. 314 ff. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1 beachten!]

b) Gewaltsame, vertragswidrige Annexion: Näheres S. 140.

c) Die polnische Mißwirtschaft im Korridor. (Vgl. S. 143; Deutschland und der Korridor S. 341, 342. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1 beachten!]) Das vom Deutschen Orden zu hoher Blüte gebrachte Land ist unter Polen verfallen und schließlich in die innere Selbstauflösung des polnischen Staatswesens hineingezogen worden. Barbarische Verwaltungsmethoden, nationale und im 18. Jahrhundert religiöse Unterdrückung (Thorner Bluturteil). Städte entvölkert (Bromberg nur noch 500 Einwohner), verfallen (in Kulm in ganzen Straßenzügen nur noch die Keller bewohnt). Willkürherrschaft des Landadels, der ebensowenig wie der Bauer lesen und schreiben konnte. Das Landvolk war zum größten Teil leibeigen, der slawische Teil der Bauern kannte kein Obst, kein Licht außer Kienspan, kein Spinnrad, keine Musik; im Lande keine Apotheken, fast keine Ärzte, Volk dezimiert von Pest und Pocken, ständiger Kampf mit Wölfen. Weichseldämme und Pumpwerke des Ordens verfallen, große Überschwemmungen. Aus einem amtlichen Bericht an Friedrich den Großen, der das 1772 erworbene Land sein "Kanada" nannte: "Das Land ist wüste und leer. Die Viehrassen sind schlecht und entartet, das Ackergerät höchst unvollkommen, bis zur Pflugschar alles ohne Eisen, die Äcker ausgesogen, die Wiesen versumpft."

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38. Polenthese:
Die "Erste Teilung" Polens
Friedrich der Große und das Korridorgebiet

Die Polen sagen: Durch das historische Verbrechen der Aufteilung Polens ist der "Korridor" preußisch geworden. Dieses Verbrechen mußte wiedergutgemacht werden.

Antwort: Polen hat kein Recht, sich wegen des Verlusts des Korridors über ein Verbrechen zu beklagen, denn:

1. Preußen beteiligte sich an der sogenannten ersten Teilung Polens, um nicht das Korridorgebiet6 in die Hände der Russen fallen zu lassen. Infolge der Mißwirtschaft und Verräterei des polnischen Adels war Polen außerstande, sich als selbständiger Staat gegenüber Rußland zu halten.

2. Es war kein Verbrechen, sondern eine aufbauende Tat Friedrich des Großen, ein unter Fremdherrschaft verkommenes Land zu erwerben und zum Aufblühen zu bringen. Ein Verbrechen dagegen war die polnische Annexion von 1569 gewesen, die Fremdherrschaft und Verfall des Korridorgebiets zur Folge gehabt hat.

3. Kann man ein vermeintliches Verbrechen durch einen destruktiven Gewaltakt wieder gutmachen? Denn was sonst ist die 1919 vorgenommene Zerstückelung des deutschen Ostens und die Schaffung des größten europäischen Gefahrenherdes?

4) Polen selbst sieht kein Verbrechen darin, Bestandteile aufgeteilter Völker zu beherrschen (Ukrainer, Weißrussen).

a) Innere Schwäche und Anarchie Polens: Einzelheiten siehe S. 141 f. Polen war kein souveräner Staat mehr, russische Truppen waren ständig im Land, Polen konnte selbst als Pufferstaat nicht mehr aufrechterhalten werden.

b) Beurteilung der "ersten Teilung" Polens von 1772. Keine eigentliche Teilung: Polen wurde durch gemeinsamen Druck der drei Teilungsmächte gezwungen, Randgebiete mit überwiegend nichtpolnischer Bevölkerung abzutreten. (Nur Österreich erhielt zum kleinen Teil polnisches Kernland.) Die Abtretung von Randgebieten wird sonst nie als Teilung bezeichnet. Erst zwei Jahrzehnte später, in den neunziger Jahren, Aufteilung und Auslöschung des polnischen Staates. Zwischen der ersten Teilung und den späteren ist ein Unterschied wie zwischen Schale und Kern. Abwendung eines europäischen Krieges durch die "erste Teilung" vgl. Recke, S. 21 f. Es war ein Gebot der Selbsterhal- [77] tung für Friedrich den Großen, nicht das Korridorgebiet russisch werden zu lassen. Diese Fernhaltung des Zarentums von einer mitteleuropäischen Schlüsselposition entsprach auch den europäischen Kulturinteressen. Friedrich vereinigte den westlichen Teil des Ordenslandes Preußen, den Polen 1569 gewaltsam und widerrechtlich annektiert und heruntergewirtschaftet hatte, wieder mit dem östlichen Teil, mit Ostpreußen. Er verhinderte zugleich, daß die Deutschen im Korridor unter russische Herrschaft kamen. Die erste Teilung wurde auch von der liberalen Aufklärung als gerecht begrüßt; sie fand Zustimmung bei Herder, Fichte, Goethe, Voltaire, Rousseau.7 Denkschrift Friedrich des Großen und Besitzergreifungspatent siehe Deutschland und der Korridor S. 318, 320 ff. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1 beachten!]

c) Zweite und dritte Teilung (1793 und 1795), von den Zeitgenossen verurteilt, hatte die bedauerliche Folge der staatlichen Auslöschung eines Volkes, dessen führende Schicht in Egoismus und Zügellosigkeit entartet war. Der Wiener Kongreß hat die Teilung Polens erneuert und dem preußischen Staat Westpreußen und Posen zugesprochen. Näheres S. 145.

d) Heutige Nachwirkungen der Aufteilung: Furcht vor neuer Teilung, daher erbitterter Widerstand gegen Rückgabe des Korridors als etwaigen Anfang einer neuen Teilung. Auch daß der größte Teil unter russische Herrschaft kam, wirkt heute noch nach: der kulturell tiefstehende Teil hat den größten Einfluß im heutigen Polen; die russischen Regierungsmethoden haben am stärksten auf die heutige Praxis abgefärbt. Die dritte Nachwirkung ist, daß die Polen die historische Entwicklung der Zeit, in der ein polnischer Staat nicht existierte, zu ignorieren suchen und in ihrer Zielsetzung an 1772 anknüpfen.

e) Die polnische Mißwirtschaft im Korridorgebiet: vgl. vorige These auf S. 75 und S. 143.

f) Der deutsche Charakter des Korridorgebiets 1772 vgl. S. 83 f.

g) Kultivierung des Landes unter Friedrich dem Großen. "Aber Friedrich dem Großen wurde Westpreußen zum Lieblingskind, das er, wie Gustav Freytag sagt, wie eine treue Mutter wusch, bürstete, neu kleidete, zur Schule und Ordnung zwang und immer im Auge behielt. Er schickte seine besten Beamten in die Wildnis; Richter, Ärzte und Schullehrer, deutsche Handwerker erschienen im Land, und eine neue Ackerkultur entstand.... Die Parole war: Was gemacht wird, ist nicht auf kurze Zeit, sondern auf Jahrhunderte berechnet."8 Das Land, das einen Kopernikus hervorgebracht habe, dürfe nicht in Barbarei versumpfen, schrieb Friedrich an Voltaire. 11 000 - 12 000 Menschen angesiedelt, 50 Dörfer neu gegründet. Der Korridor ist heute mit den anderen von Deutschland abgetretenen Gebieten zusammen Polens wirtschaftlich und kulturell höchststehender Teil. Das Korridorgebiet ist zweimal von Deutschen hochgebracht worden und wird jetzt zum zweitenmal von den Polen heruntergewirtschaftet.

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39. Polenthese:
632 Jahre polnisch?

Die Polen sagen: Das Korridorgebiet "sei 632 Jahre im Besitz Polens gewesen, während die Okkupation der Ordensritter 146 Jahre und die der Preußen 148 Jahre gedauert habe; die deutsche Herrschaft über dieses Land habe 294 Jahre gedauert".9

Antwort: Nur zwei Jahrhunderte war der Korridor polnisches Staatsgebiet (1569 - 1772), und zwar auf Grund vertragswidriger Annexion. Dagegen war er drei Jahrhunderte völlig deutsch (1308 bis 1454 und 1772 bis 1920) und ein Jahrhundert ein deutsches Staatswesen in Personalunion mit Polen.

Wer aber hat die wichtigsten Teile des Landes urbar gemacht und besiedelt? Der Deutsche Orden. Wer hat es so gefördert, daß es vom ehemals russischen Polen absticht wie ein anderer Erdteil? Preußen und Deutschland. Die Deutschen haben geschichtlich einen doppelten Rechtstitel:

1. zweimal den stärksten historischen Rechtstitel, den der Kulturarbeit;

2. den Rechtstitel des letzten Besitzers des Landes.

a) Die Polen stellen die Geschichte des Landes graphisch in Form eines Lineals dar, bei dem die deutschen und polnischen Jahre in verschiedenen Farben angegeben sind. Dabei wird drei Jahrhunderten der geschichtlichen Frühzeit des Landes von 1000 - 1300 die gleiche Bedeutung gegeben wie den letzten drei Jahrhunderten. Die Zeit von 994 bis 1308 und von 1454 - 1569 wird fälschlich als polnisch gezeichnet. In Wirklichkeit kann man nur zwei Jahrhunderte, von 1569 - 1772 als polnisch bezeichnen; dem stehen drei Jahrhunderte rein deutscher Zeit gegenüber (1½ Jahrhunderte preußisch). Es ergibt sich dann folgendes Bild (Abb. 10 auf S. 79):

Schema der Geschichte des Korridorgebiets.
[79]      Abb. 10: Schema der Geschichte des Korridorgebiets.

b) Die "Okkupation" Westpreußens durch den Deutschen Orden, nach polnischer Ansicht das Ergebnis von Verrat und Gewalt11 (was im Mittelalter übrigens ganz alltägliche Dinge waren). Vgl. dazu u. a. die Übertragung des Kulmer Landes an den Orden (S. 137), die Verträge von Soldin und Kalisch (S. 139), ferner die früheren polnischen Versuche, Pommerellen mit Gewalt zu unterwerfen, ferner die Art, wie 1454 - 1466 die Oberhoheit des polnischen Königs (S. 139) und 1560 die Einverleibung in Polen (S. 140) zustande kamen. Wollte man die verschiedenen Besitzergreifungen im Korridorgebiet mit strengen ethischen und juristischen Maßstäben messen, so würden die Polen schlechter abschneiden als die Deutschen. Ethisch entscheidend ist aber, welches Volk dem Korridorgebiet Aufstieg und Wohlstand, und welches Niedergang und Zerstörung gebracht hat.

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40. Polenthese:
Der Korridor nichts Neues?

Die Polen sagen: Der Korridor sei nichts Neues, sei keine Erfindung des Versailler Vertrages, er habe vielmehr vor 1772 jahrhundertelang existiert12 und sich bewährt.13

Antwort: Die "Bewährung" des polnischen Küstenbesitzes von 1569 - 1772 bestand darin, daß Polen dort keine Seeschiffahrt betrieben hat. Was vor 1772 an Waren über See nach Polen ging oder von Polen kam, ging alles über den Danziger Staat, der nie zu Polen gehört hat und stets ein Staat von deutschem Charakter gewesen ist. Als polnischer wirtschaftlicher Meereszugang hat die Korridorküste früher nie eine Rolle gespielt, sondern Polens Überseehandel war stets eine Danziger, also eine deutsche Funktion.

a) Danzig und Polen vor 1772: S. 99, 141, 143.

b) Der territoriale Zusammenhang mit Deutschland. Das Korridorgebiet war vor 1308 nicht polnisch, wohl aber deutsches Einwanderungsland. 1308 - 1454 Teil des Ordenslandes Preußen und damit deutsche Landbrücke nach Ostpreußen und dem Baltikum. 1772 Wiederherstellung der Landbrücke.

c) Die vorübergehende Zerstörung des territorialen Zusammenhangs zwischen Ostpreußen und den anderen deutschen Gebieten war nicht mit dem heutigen Korridor zu vergleichen, denn viel geringer war damals die staatliche Integration, die Bevölkerungsdichte, der Güteraustausch und der Verkehr zwischen den Landschaften.

[80] d) Napoleon I. schuf sich einen polnischen Vasallenstaat (Herzogtum Warschau), verfiel aber nicht darauf, auf Kosten des unterlegenen Preußen einen polnischen Korridor zu schaffen. Das engzusammengewachsene Gebiet einer Großmacht in zwei Teile zu zerreißen, das blieb der in Versailles nachwirkenden Kriegspsychose vorbehalten.

Weitere geschichtliche Polenthesen:

Deutsche Ostgebiete verlorener Posten wegen Entvölkerung. S. 94 ff.
Polens Kampf gegen den Bolschewismus 1920. S. 66 ff.
Frühere Volkszusammensetzung im Korridorgebiet. S. 83.
Thesen aus der Geschichte Danzigs. S. 99, 110 ff.
Thesen aus der Geschichte Ostpreußens. S. 115, 124, 126.
Thesen aus der Geschichte Hinterpommerns. S. 132 f.

Zur Beantwortung weiterer Thesen findet sich Material im 4. und 5. Teil (S. 134 ff. und 147 ff.).

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1Smog., S. 2. ...zurück...

2Smog., S. IX. ...zurück...

3Einzelheiten z. B. bei Bitter-Zelle, Die Krankheit Europas, S. 17 ff. ...zurück...

4Z. B. W. Sikorski in La revue des deux mondes, Paris, 1. Jan. 1932, S. 51 ff. ...zurück...

[Anm. 5 fehlt.]

6Durch die 1. Teilung kam 1772 an Preußen: Westpreußen ohne Danzig und Thorn, der Netzegau, das Ermland. - Über Friedrichs Beweggründe vgl. Recke, S. 15. ...zurück...

7Näheres bei Laubert, Deutsch oder slawisch?, S. 57 f. ...zurück...

8Fischer, S. 8/9; ausführlicher zitiert in Deutschland und der Korridor, S. 342. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1 beachten!] - Näheres bei Bär, Westpreußen unter Friedrich dem Großen, Leipzig, 1909. ...zurück...

9Baginski, Zugang, S. 28 (im Original S. 83) und zahlreiche andere Quellen. ...zurück...

[Anm. 10 fehlt.]

11Smog., S. VII. ...zurück...

12Smog., S. VII. ...zurück...

13Smog., S. VIII. ...zurück...

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100 Korridorthesen:
Eine Auseinandersetzung mit Polen

Dr. Arnold Zelle