[8=Karte] [9]
1. Teil:
Was ist der Korridor?
Was ist der Korridor? Er ist
Die Absurdität ist besonders groß, weil der Korridor Deutschland
schädigt, ohne Polen wirklich zu nützen. Das deutsche Staatsgebiet
ist in einer Weise zerrissen, die kein Volk auf die Dauer ertragen würde;
für Polen aber ist der dadurch geschaffene Zugang zum Meere "im Frieden
überflüssig, im Kriege nicht zu verteidigen", um die Worte eines
Kenners, des französischen Generals Weygand1 zu
gebrauchen. Wirtschaftlich hat sich die Schaffung des Korridors für das
ganze Küstengebiet zwischen Oder und Memel verhängnisvoll
ausgewirkt. Namentlich das Korridorgebiet
selbst ist - wie schon einmal in seiner
Geschichte - unter polnischer Herrschaft wirtschaftlich, sozial und kulturell
herabgesunken.
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Korridorbeispiele in fremden
Ländern als Vorstellung:
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Abb. 3: Ein kanadischer Korridor durch die Vereinigten
Staaten. (New York entspricht Danzig.)
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Die Zerreißung des deutschen
Ostens.
Im Süden Österreich, in der Mitte Schlesien und das Land der
Sudetendeutschen, im Norden Preußenland: das sind die drei Halbinseln,
die das deutsche Sprachgebiet in Mitteleuropa nach Osten vorgeschoben hat. Sie
alle in Besitz zu nehmen und slawisch zu besiedeln, war im Weltkrieg der Plan
einflußreicher slawischer Führer. Dieser Traum ist nicht verwirklicht
worden. Wohl aber ist das deutsche Sprachgebiet in diesen drei
Vorsprüngen heute schwer gefährdet.
Besonders verhängnisvoll ist die Verstümmelung des
preußisch-deutschen Staatsgebiets im Osten. Schlesien wurde namentlich
durch die Abtrennung des wichtigsten Teils von Oberschlesien
verkleinert. Das Posener Gebiet, das die beiden östlichen Arme
Preußens verband, ist herausgerissen worden; bis auf 160 km schiebt
sich die polnische Grenze an die Reichshauptstadt heran. Am schlimmsten aber ist
das Zerstörungswerk im deutschen Nordosten: durch einen
polnischen Keil und durch die zwangsweise Verselbständigung Danzigs ist
Ostpreußen räumlich vom Reiche abgetrennt worden. Das ist
geschehen, um Polens Verlangen nach einem territorialen Zugang zum Meere zu
erfüllen. Es ist übrigens kennzeichnend, daß der polnische
Ostseeverkehr, der durch das ehemals deutsche Korridorgebiet hindurchgeht,
hauptsächlich aus dem abgerissenen Teil Oberschlesiens stammt.
Schließlich hat man von Ostpreußen den nordöstlichen Teil,
das Memelland,
abgetrennt.
Der bewährte Seezugang eines
wichtigen Welthandelslandes.
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Abb. 4: Der bewährte Seezugang eines wichtigen
Welthandelslandes.
(Der tschechische Zugang zur Nordsee durch internationalisieren Elbelauf
und Freihafengebiet in Hamburg, ergänzt durch
Seehafenvorzugstarife bei der Deutschen Reichsbahn.)
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Die begrenzte Aufgabe dieses
Buches.
Aus der Fülle der Probleme des deutschen Ostens greift dieses Buch nur
das dringendste heraus: die ohne Volksbefragung vorgenommene
Zerreißung des nordöstlichen deutschen Raumes durch die Schaffung
des polnischen Korridors und des Freistaats Danzig. Daß die
räumliche Einheit des Deutschen Reiches im Nordosten wiederhergestellt
wird, das ist die erste und primitivste Voraussetzung für ein normales
Verhältnis zwischen Deutschland und Polen. Wenn wir hier
bewußt von einer Gesamtdarstellung der deutschen östlichen
Grenzprobleme absehen und uns auf den Nordosten beschränken, so liegt
darin natürlich kein Verzicht auf irgend welche sonstigen deutschen
Revisionsansprüche.
[11=Karte] [12]
Die Abgrenzung des
"Korridors".2
Polen sucht die Korridordiskussion auf seine heutige Provinz "Pomorze", also auf
den abgetretenen Teil von Westpreußen nebst dem
ostpreußischen Soldauer Gebiet zu beschränken. Für die
Abgrenzung des "Korridors" sind jedoch andere Gesichtspunkte maßgebend
als die zufälligen Verwaltungsgrenzen. Man kann mit guten Gründen
das ganze Abtretungsgebiet zwischen den deutschen Ostprovinzen bis
nach Schlesien als Korridor bezeichnen. Wenn man aber den Korridor enger
begrenzen will, so wird man als Korridor im engeren Sinne den aus
z. Zt. polnischem Gebiet bestehenden Keil anzusehen haben, der
Ostpreußen vom mittleren Norddeutschland und Pommern trennt, also
- den Polen zugesprochenen Teil der Provinz
Westpreußen (nebst dem ostpreußischen Soldauer Gebiet)
und dazu
- den nördlichen Teil der früheren Provinz Posen, also
im wesentlichen den sogenannten Netzegau.
Der Netzegau war ursprünglich eine sumpfige Wildnis; durch
deutsche Arbeit ist er urbar gemacht3 und in eine
fruchtbare niederdeutsche Kulturlandschaft umgewandelt worden. Der Netzegau
mit Bromberg muß aus den verschiedensten Gründen in das
Korridorgebiet i. e. S. einbezogen werden. Er ist 1772
zusammen mit Westpreußen von Friedrich dem Großen
erworben worden. Durch den Netzegau geht die alte deutsche
Volksbrücke zwischen Brandenburg und Ostpreußen;
südlich des Netzegaus lag bis 1920 die
deutsch-polnische Sprachgrenze. Auch geographisch4 bildet der Netzegau mit
Westpreußen eine Einheit; er ist ein südlicher Randteil der
norddeutschen Küstenlandschaft. Es liegen dort zwei besonders wichtige
Verbindungswege nach Ostpreußen: der Bromberger Kanal und
die Eisenbahn Berlin - Schneidemühl -
Bromberg - Thorn - Allenstein - Insterburg.
Das hier behandelte Korridorgebiet im engeren Sinne umfaßt rund 21 000
qkm mit rund 1,4 Millionen Einwohnern; von ihnen gehörte der
größte Teil zur deutschen Kulturgemeinschaft, wenn auch nach der
Sprachenzählung von 1910 immer noch rund 40 Prozent mit polnischer
Muttersprache aufgewachsen waren.
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Der Danziger Staat.
Unter "Danziger Korridor" versteht man den polnischen Korridor
zuzüglich der "Freien Stadt Danzig". Der Danziger Staat umfaßt rund
2000 qkm mit 408 000 Einwohnern. Das Danziger Gebiet wurde
gegen den schärfsten Protest der Bevölkerung durch den Versailler
Frieden vom Reiche abgetrennt, damit für Polen die Benutzung
des Danziger Hafens sichergestellt würde. Es wurde aber wegen seiner rein
deutschen Bevölkerung nicht dem polnischen Staate einverleibt, sondern zu
einem eigenen Staat gemacht. Die Bevölkerung des Danziger Staatsgebiets
war nach der Sprachenzählung von 1910 zu 96 Prozent deutsch und
hat nach dem Kriege ihren deutschen Charakter bewahrt; bei den letzten drei
Danziger Parlamentswahlen wurden nur 3 Prozent polnische Stimmen
abgegeben.
Danzig ist ein selbständiger Staat. Es wurde aber gezwungen, mit Polen
eine Zollunion einzugehen. Außerdem erhielt Polen zahlreiche vertragliche
Verkehrs- und Wirtschaftsrechte in Danzig. Die Verfassung Danzigs steht unter
der Garantie des Völkerbundes, der sich auch verpflichtet hat,
die territoriale Unversehrtheit und die politische Unabhängigkeit Danzigs
zu schützen.
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