SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor




Polnische Thesen und deutsche Antworten

[115]
H. Defensive polnische Ostpreußen-Thesen
(Polnische Argumente für die Erträglichkeit der heutigen ostpreußischen Grenzen)

Bereits behandelte Thesen: Früherer "Korridor" S. 79. - Abstimmung von 1920 S. 90. - Ost-Westverkehr S. 46, 49. - Ostpreußisch-deutscher "Korridor" S. 47.


79. Polenthese:
Ostpreußen, eine deutsche Kolonie?

Die Polen sagen: Deutschlands Landverbindung mit Ostpreußen sei unwichtig, denn Ostpreußen sei nie mehr als eine deutsche Kolonie gewesen; Ostpreußen sei vor 1870 niemals Bestandteil des Deutschen Reiches gewesen.

Antwort: Ostpreußen ist zwar ein deutsches Kolonisationsgebiet ebenso wie z. B. die Landschaft von Berlin und Wien. Aber eine Kolonie? Ein Land minderen Rechts unter Gouverneuren? Ein überseeisches Gebiet mit farbigen Einwohnern? Das ist Ostpreußen, das dem preußischen Staat den Namen gegeben hat und von dem 1813 die Befreiung Deutschlands von der napoleonischen Fremdherrschaft ausging, niemals gewesen.

a) Ostpreußen in Deutschland. Dem neuen Deutschen Reich konnte Ostpreußen erst seit 1871 angehören, weil das Reich vorher nicht existierte. Daß Ostpreußen nicht zum Deutschen Bunde (1815 - 66) gehört hat, ist belanglos einmal wegen der geringen Bedeutung dieser lockeren Organisation und zweitens wegen der Zugehörigkeit Ostpreußens zu der deutschen Großmacht Preußen. Die letzten drei Jahrhunderte (1618 - 1920) war Ostpreußen bevorzugter Bestandteil (neben Brandenburg das Kernland) des Hohenzollernstaates, der schon 1618 an Rhein, Weser, Elbe, Oder und Memel Fuß gefaßt hatte. Königsberg war seit 1701 die Krönungsstadt der preußischen Könige, die in Brandenburg Kurfürsten des Reichs, in Ostpreußen dagegen seit 1660 europäische Souveräne waren und nur in dieser Eigenschaft nicht zum alten römischen Reich deutscher Nation gehörten.

b) Die räumliche Verbindung mit den anderen deutschen Gebieten hat in den besten Zeiten Ostpreußens bestanden: unter dem Orden von 1308 - 1454, unter Preußen von 1772 - 1920.

c) Deutsche Kultur und Sprache. Siehe S. 126.

d) Ostpreußen als deutsche Sprachinsel? Die Polen erklären, man könne nicht sämtliche deutschen Sprachinseln in Mittel- und Osteuropa in ein geschlossenes deutsches Staatsgebiet einbeziehen.1 Sie stellen [116] also Ostpreußen in eine Linie etwa mit Siebenbürgen in Rumänien. Der Unterschied ist klar. Ostpreußen war vor der Deutschen-Austreibung aus dem Korridor keine Sprachinsel. Es war zugleich der Bestandteil eines eng zusammengewachsenen Staats-, Kultur- und Wirtschaftsgebiets.


80. Polenthese:
Ostpreußen, eine Insel?

Die Polen sagen: Ostpreußen sei ebensowenig abgeschnürt, wie etwa Korsika, Sardinien und Sizilien, denn es habe eine Küste mit Häfen.2

Antwort: Ist es Aufgabe der Politik, künstliche Inseln zu schaffen? Und zwar künstliche Inseln, die nicht einmal die Vorzüge echter Inseln haben? Denn eine echte Insel ist von allen Seiten dem billigen Schiffsverkehr zugänglich, Ostpreußen aber nicht.

Die polnischen Beispiele: Sardinien und Korsika sind wirtschaftlich und kulturell zurückgebliebene Gebiete. Sizilien ist durch eine Meeresstraße von wenigen Kilometern Breite vom Festland getrennt, während die Wasserstrecke Königsberg - Stettin über 600 km beträgt. Polen verweist ferner auf die ebenfalls nicht vergleichbaren Inselreiche Dänemark und Japan.


81. Polenthese:
Wirtschaftsverhältnis zum Korridorgebiet

Die Polen sagen: Ostpreußen genieße jetzt den Vorteil, daß der Wettbewerb Westpreußens und Posens auf dem deutschen Markt weggefallen sei.3

Antwort: Das Umgekehrte ist richtig: zwischen Ostpreußen und den abgetretenen Gebieten bestand ein starker Güteraustausch und eine enge wirtschaftliche Arbeitsteilung. Sie brachte für beide Teile Vorteile und ist heute zum Schaden beider Teile zerstört.

Ostpreußens Verflechtung mit dem Korridorgebiet vor dem Kriege:4 Ostpreußen war auf Güteraustausch mit anderen Gebieten angewiesen; nicht solche inneren Austauschmöglichkeiten wie z. B. das vielseitig entwickelte Schlesien. Besonders wichtige, weil nahegelegene, Austauschgebiete waren Westpreußen und Posen, besonders Westpreußen. Ostpreußen erhielt von dort z. B. landwirtschaftliche Maschinen, [117] Düngemittel, Steine, Erde, Tonröhren. Ostpreußen lieferte dorthin für Mühlen und Brennereien Getreide und Kartoffeln, vor allem Zuchtvieh sowie Jungvieh und Magervieh, das dort mit den Abfällen der Brennereien und Zuckerfabriken gemästet wurde. Etwa 30% des ostpreußischen Viehversands in Westpreußen und Posen abgesetzt. Ostpreußens Viehabsatz in den dortigen abgetretenen Gebieten betrug 1913 191 000 Stück. 35% des ostpreußischen in- und ausländischen Bahnversands gingen nach Westpreußen und Posen. So Verkehr Ostpreußens mit dem ferngelegenen Berliner Markt in Etappen, was günstig für Ostpreußens Rentabilität. Westpreußen und Posen waren landwirtschaftliche Veredelungsgebiete, die die ostpreußischen Erzeugnisse weiter verwerteten. Heute diese Arbeitsteilung zerstört, Absatz und Bezug mit entfernten Gebieten, nicht nur hohe Frachtkosten, sondern bei Viehversand Gewichtsverluste bei der durch den Korridorverkehr verlängerten Fahrt nach Berlin.


82. Polenthese:
Schädigt der Korridor Ostpreußen?

Die Polen sagen: Die Notlage Ostpreußens liege nicht am Korridor, sondern an ganz anderen Dingen.

Antwort: Diese polnische Behauptung widerspricht dem gesunden Menschenverstand und den Tatsachen. Ostpreußen, vor dem Krieg ein aufblühendes Gebiet mit großer Zukunft, wird durch den Korridor aufs schwerste geschädigt:

1. Ostpreußen hat durch Abtretung des Korridors und Danzigs seine besten nahegelegenen Absatzmärkte und Bezugsgebiete verloren; hierunter leidet die Landwirtschaft; aber auch die industrielle Betätigung wird durch die Verkleinerung des Absatzgebietes gelähmt.

2. Ostpreußen muß sich dafür in weit entfernten Gebieten mit anderer Wirtschaftsstruktur unvollkommenen Ersatz suchen. Es leidet damit unter einer Frachtschere, die die Preisschere zwischen teueren Industrieerzeugnissen und billigen landwirtschaftlichen Produkten noch vergrößert und die natürliche Rentabilität der ostpreußischen Wirtschaft zerstört (geschmälerter Erlös beim Absatz, erhöhter Aufwand beim Bezug).

3. Die Schwierigkeiten des Durchgangsverkehrs durch den Korridor steigern diese Nöte: langwieriger und umständlicher Eisenbahnverkehr, lahmgelegter Binnenschiffahrtsverkehr (vgl. S. 49).

4. Dazu kommt die polnische wirtschaftliche Korridorpolitik und die gegen Ostpreußen gerichtete wirtschaftliche Kampfpolitik. Polen lenkt z. B. durch abnorm niedrige Kampftarife seinen Holzverkehr um Ostpreußen herum nach Gdingen und sucht auch den [118] russischen Durchgangsverkehr von Ostpreußen auf die polnischen Strecken abzulenken.

5. Die durch die Korridorregelung hervorgerufene politisch-militärische Gefahr für Ostpreußen hemmt die Kreditgewährung und den Zustrom privaten Anlagekapitals in Ostpreußen (abnorm hohe Zinsen wegen hoher Risikoprämien, damit erhöhte Produktionskosten).

a) Weitere Grenzziehungsschäden für Ostpreußen: Die absurde Weichselgrenze siehe S. 119 ff. Ferner das polnische Gebiet im Süden und Osten Ostpreußens. Statt der für den Güteraustausch ziemlich durchlässigen alten russischen Grenze hat es Ostpreußen heute mit der dichten polnischen Wirtschaftsmauer zu tun. Von Rußland trennt Ostpreußen heute auch der polnische Wilna-Zipfel: auf der wichtigsten deutsch-russischen Bahnverbindung ist infolge des polnisch-litauischen Wilna-Konflikts der Verkehr zwischen Kowno und Wilna seit zehn Jahren unterbrochen; fast ganz unterbrochen ist ferner der Verkehr auf dem Memelfluß.

b) Die von den Polen angeführten schädigenden Faktoren machen an sich schon Ostpreußens Lage schwierig. Wenn dann einem an sich schon schwer belasteten Wirtschaftskörper noch die zusätzliche und besonders schwere Last der Korridornot aufgebürdet wird, muß er ohne kostspielige Hilfe aus dem Reich zusammenbrechen. (Die sonstigen schädigenden Faktoren, die Polen anführt, sind: natürliche Entfernung vom Berliner Markt, ungünstiges Klima, Neuorientierung Rußlands, hohe steuerliche und soziale Belastung, allgemeine vom Weltmarkt her bestimmte Agrarkrisis.)

c) Die besondere Notlage Ostpreußens ist trotz der Osthilfe deutlich erkennbar. Das Steueraufkommen an Einkommen-, Lohn- und Körperschaftssteuer pro Kopf betrug 1928 im Reichsdurchschnitt 60 Mark, in den Landesfinanzamtsbezirken Königsberg 17, Stettin 25, Oberschlesien 28, Breslau und Brandenburg 35 Mark.5 Landwirtschaftliche Verschuldung ist höher als in anderen Bezirken.

d) Vor dem Krieg gab es keine kostspielige Osthilfe. Die ungünstige Frachtlage Ostpreußens wurde zum Teil durch günstige Bahntarife (Oststaffel) ausgeglichen. Die ärmeren Ostprovinzen trugen natürlich weniger zu den Staatseinnahmen bei als der reichere Westen, hatten dafür aber eine besondere Last insofern, als sie die Erziehungs- und Unterrichtskosten in die Hunderttausende hineinsteckten, die als Erwachsene nach dem Westen abwanderten.

e) Ostpreußen, vor dem Krieg ein aufsteigendes Gebiet: Das Gesamtergebnis der Veranlagung zur Einkommensteuer stieg von 3,2 Mill. 1895 auf 6,7 Millionen 1914. Der Anteil der Personen mit [119] weniger als 900 Mark Jahreseinkommen sank von 1895 - 1914 von 82% auf 66%. Die Spareinlagen je Kopf betrugen 1900 51, 1913 114 Mark. Volksvermehrung siehe S. 94.


83. Polenthese:
Wirtschaftliche Orientierung nach Polen?

Die Polen sagen: Deutschland habe Ostpreußen seinem Polenhaß geopfert. Bei wirtschaftlicher Orientierung nach Polen hin wäre es besser gefahren. Die Not Ostpreußens liege nicht am Korridor, sondern an seiner "künstlichen Symbiose mit Deutschland".

Antwort: Polen kann schon das Korridorgebiet wirtschaftlich nicht verdauen, geschweige denn Ostpreußen. Es könnte weder Ostpreußen genügend hochwertige Agrarerzeugnisse abnehmen, noch die benötigten hochwertigen Industriewaren in der bei Deutschland gewohnten Qualität liefern.

Symbiose? Das Wort paßt für das Verhältnis Danzigs zu Polen, nicht aber für die Stellung Ostpreußens im Reich, denn Symbiose ist nur zwischen zwei Lebewesen, und zwar verschiedenartigen, möglich. Die Symbiose zwischen Polen und Danzig ruiniert Danzig.


84. Polenthese:
Die Weichselgrenze

Die Polen sagen: Die Weichselgrenze, die die Deutschen als besonders widersinnig bezeichnen, entspreche dem Versailler Vertrage. Nach dem Vertrage sollte Polen die volle Kontrolle seines Nationalstroms haben; deshalb habe die Grenze nicht in die Mitte der Weichsel gelegt werden können.

Antwort: In Wirklichkeit widerspricht die Grenzziehung an der Weichsel nicht bloß der Vernunft, sondern sogar dem Versailler Diktat. Sie dient höchstens polnischen strategischen Interessen. Sie ist augenfällig schikanös und widersinnig und bildet eine europäische Sehenswürdigkeit. Sie trennt die Menschen von dem Fluß, an dem sie leben und setzt sie der Gefahr verheerender
Die Weichselgrenze.
[121]      Abb. 14: Die Weichselgrenze.
(Zu den Polenthesen 84 und 85.)
Überschwemmungen aus. Diese Grenze, die den Geist der Neugestaltung nach dem Kriege kennzeichnet, muß schleunigst revidiert werden. (Das eigentliche Korridorproblem würde allerdings mit dieser lokalen Berichtigung noch nicht berührt.)

a) Verletzung der Versailler Bestimmungen. Artikel 28 und 30 bestimmen, daß die Grenze in der Hauptfahrrinne des Flusses laufen sollte (wie bei Flußgrenzen üblich). In Artikel 97 ist gesagt, daß die [120] alliierten und assoziierten Mächte "Polen wenigstens für den Weichselabschnitt die volle und uneingeschränkte Aufsicht über den Strom einschließlich des östlichen Ufers überlassen, so weit dies für die Regulierung und Verbesserung des Flußlaufs notwendig ist". Als Ersatz für eine staatliche Gebietshoheit auf dem östlichen Ufer sollte Polen also das zur einheitlichen Stromunterhaltung erwünschte Aufsichtsrecht erhalten. Statt dessen wurde die Grenze auf das deutsche Ostufer verlegt, und zwar so, daß der deutsche Hochwasserschutz gefährdet ist, während Polens Stromunterhaltung - in einer Vernachlässigung der Weichsel besteht.

b) Die 5 Weichseldörfer: Gegenüber der polnischen Garnison Mewe (heute Gniew) wurden Polen auf dem Ostufer nach der Abstimmung von 1920 (S. 88) 5 Dörfer zugesprochen, von denen nur 2 eine polnische Mehrheit erbracht hatten. Bei der Hochwassergefahr des Frühjahrs 1929 baten die polnischen Behörden die deutschen, im Falle des Dammbruchs die Bewohner der 5 Dörfer in Sicherheit zu bringen und desgleichen einen Trupp dortiger polnischer Soldaten zu retten, die durch den Eisgang am Flußübergang gehindert waren.

c) Die beiden anderen Einbuchtungen. Polnisch wurde der Weichselhafen von Kurzebrack und ein mehrere hundert Meter breiter Brückenkopf an der Münsterwalder Brücke (heute schon deshalb sinnlos, weil Brücke zerstört).

d) Hochwassergefahr. Grenze läuft meist auf der Flußseite des Deichs. Aber nicht überall, da Deich durch Grenze in 8 Stücke zerschnitten, die teils deutsch, teils polnisch. Gemischte Deichkommission, zuverlässige Deichpflege nicht gewährleistet, auch technisch erschwert. Deich soll die fruchtbare, deutsch gebliebene Marienwerder Ebene, Landschaft von nordwestdeutschem Charakter, schützen.

e) Ostpreußen von der Weichsel getrennt. Nach Artikel 97 des Versailler Vertrages sollte der ostpreußischen Bevölkerung der "Zugang zur Weichsel und ihre Benutzung für sich selbst, ihre Waren und Schiffe" gesichert werden. Statt dessen liegt zwischen Ostpreußen und der Weichsel ein polnischer Uferstreifen, dessen unbefugtes Betreten streng bestraft wird. Häufige Grenzschikanen; einige Tatsachen: Ein Bauer, durch dessen Wiese die Grenze geht, wurde auf dem polnischen Teil seiner Wiese wegen Grenzvergehens verhaftet und über die Weichsel verschleppt; sein Paß steckte in dem Rock, den er wegen der Hitze beim Arbeiten auf dem deutschen Teil der Wiese niedergelegt hatte. Deutsche, die in der Weichsel badeten, wurden verhaftet und ohne Kleider abtransportiert. Ein deutscher Landwirt konnte einen Sommer lang den polnischen Teil seines Landes nicht betreten, da er von der polnischen Behörde keinen Ausweis erhielt.

f) Ostpreußens einziger Weichselzugang: bei Kurzebrack ein 4 Meter breiter Weg, mit einem Schlagbaum gesperrt, betretbar nur mit besonderem polnischen Ausweis und nur zu bestimmten Stunden. Hier ist jetzt die einzige Schiffahrtsgelegenheit für die ganze Weichselniederung und ihr Hinterland. Schiffahrtsumschlag in Kurzebrack 1911 - 13 durchschnittlich 12 700 Tonnen.6 1920 - 23 geringer Verkehr, von Polen unterbunden. "Seit 1924 hat ein Verkehr nicht mehr statt- [121=Karte] [122] gefunden. Der Schlagbaum öffnet sich niemals mehr, die Gleise der Hafenbahn sind durch Stacheldraht versperrt."6 Erst neuerdings hat sich ein kleiner Verkehr entwickelt.

g) Zerstörung der Brücke von Münsterwalde siehe das Folgende.

h) Garnsee und Bischofswerder, zwei deutschen Städten östlich der Weichsel, sind durch die polnische Grenze ihre Bahnhöfe genommen worden. Bischofswerder früher größter Viehmarkt Nordostdeutschlands; heute verelendet. Auf dem Marktplatz wächst Gras.


85. Polenthese:
Zerstörung einer der größten Brücken Europas

Die Polen sagen: Die Zerstörung der Weichselbrücke von Münsterwalde sei wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen. Die Brücke sei nämlich nach Thorn "transferiert" worden, wo sie einem dringenderen Verkehrsbedürfnis diene.7

Antwort: Die Brücke ist in mehr als dreijähriger mühevoller Arbeit regelrecht abgebrochen worden; nur ein kleiner Teil der Eisenkonstruktion konnte in Thorn verwendet werden. Die Zerstörung der Münsterwalder Eisenbahn- und Straßenbrücke (1 km Länge, 9 Millionen Baukosten), ist der krasseste Fall eines ganzen Systems der Stillegung von Verkehrswegen und der Isolierung der Korridorbevölkerung. [Scriptorium merkt an: Fotos hier!]

a) Bedeutung der Münsterwalder Brücke: Sie diente vor dem Kriege einem Verkehrsweg, der das mittlere West- und Ostpreußen erschloß. Sie war nach dem Kriege die einzige Weichselbrücke zwischen Deutschland und Polen (die Dirschauer Brücke verbindet polnisches mit Danziger Gebiet, die Graudenzer polnisches mit polnischem Gebiet) und zugleich die einzige Weichselbrücke auf einer Strecke von 100 km. Bahnverkehr nach dem Kriege stillgelegt. Aber noch im ersten Halbjahr 1927 von 7000 Personen, 2400 Pferde- und Kraftfahrzeugen und 1100 Fahrrädern benutzt. Zerstörung dauerte vom Mai 1928 bis zum Dezember 1931 (1931 Abbruch der Pfeiler unter Wasser).

b) Bewußte Verkehrszerstörung. Die Münsterwalder Zerstörung paßt in den Rahmen der polnischen wirtschaftlichen Korridorpolitik, die den polnischen Nordsüdverkehr und den Verkehr zwischen Deutschland und dem Korridor hemmt. Von den Reichsbahnstrecken, die infolge der Grenzziehung im deutschen Osten durchschnitten sind, sind 19 durch Blockierung oder Aufreißen der Schienen unpassierbar gemacht worden. Die Verkehrszerstörung dient zugleich dem politischen Bestreben, die Berührung der Korridorbevölkerung mit der Reichsbevölkerung einzuschränken. Hierzu wird außer der Stillegung von Verkehrswegen auch die abnorm hohe polnische Paßgebühr für Auslandsreisen polnischer Staatsangehöriger (einmalige Ausreise 400 Zloty, Jahrespaß 1200 Zloty) benutzt.
[123]      Fährverkehr anstelle der Brücke versagt jährlich wochenlang bei Eisgang. Zerstörung der Brücke widersprach dem deutsch-polnischen Abkommen vom 2. 12. 1925.


86. Polenthese:
Das Soldauer Gebiet

Die Polen sagen: Das Soldauer Gebiet wurde Polen zugeteilt, weil die Bevölkerung polnisch ist.

Antwort: Land und Volk des Soldauer Gebiets wurden Polen gewissermaßen als Anhängsel einer Eisenbahnstrecke gegeben, die Polen auch leicht durch eine Umgehungsbahn hätte ersetzen können. Die Soldauer Bevölkerung ist gegen ihren Willen ohne Volksabstimmung von Ostpreußen abgetrennt worden, obwohl sie deutsch gesinnt ist, sich stets zur deutschen Kultur und Staatlichkeit bekannt hat und sich in keiner Weise von der Bevölkerung Masurens unterscheidet, die 1920 geschlossen für das Verbleiben beim Deutschen Reich gestimmt hat. (Soldaus geographische Lage s. Abb. 1 auf S. 6.) [Scriptorium merkt an: der Deutlichkeit halber von uns auf der Karte gelb unterstrichen.]

a) Sprachenzählung 1910. 24 800 Einwohner, davon nur 5300 oder 21% polnisch, dagegen 9200 deutsch und 9100 masurisch. 17 900 evangelisch, 5400 katholisch. In diesen Zahlen sind 3 Dörfer des ostpreußischen Kreises Osterode mit enthalten, die nach der Volksabstimmung von 1920 (S. 88) Polen zugeteilt wurden. 1910 viele Masuren als Polen gezählt; Sprachenzählung 1905: im Soldauer Gebiet 6,3% polnisch.

b) Der deutsche Charakter des Soldauer Gebiets wird durch eine polnische, im Königsberger Staatsarchiv aufbewahrte Urkunde bestätigt (Schreiben des Bezirksamts der Rentenbank für den Westen in Bromberg vom 27. Juli 1923 an die Kreiskasse in Neidenburg).

c) Das Soldauer Gebiet war weder vor 1772 noch sonst je polnisch, sondern gehört seit mehr als 600 Jahren zu Ostpreußen. Die Stadt Soldau ist im 14. Jahrhundert vom Deutschen Orden gegründet; die Gründungsurkunde ist in deutscher Sprache abgefaßt. Hier ist eine der ältesten Grenzen Europas (seit 1422 bestehend) geändert worden.

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite


1Smog., S. XV.. ...zurück...

2Smog., S. 417.. ...zurück...

3Smog., S. 375. ...zurück...

4Vgl. insbesondere Enqueteausschuß (Hesse), S. 42 ff., Mühlenfels, S. 17 ff. Vgl. auch S. 51 f. ...zurück...

5Denkschrift der Landeshauptleute, Die Not der preußischen Ostprovinzen, 1930, S. 18. - Vgl. auch Stat. Reichsamt in Die Steuerkraft der Finanzamtsbezirke (Einzelzeitschrift zur Statistik des Deutschen Reichs, Nr. 7, Berlin 1929), S. 10 und S. 57. Danach betrug 1925 die Steuerkraft im Bezirk Königsberg mit 20 RM nur ein Drittel des Reichsdurchschnitts (57 RM). ...zurück...

6Enquete-Ausschuß (1930), S. 108. ...zurück...

7Smog., S. 139. ...zurück...

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite

100 Korridorthesen:
Eine Auseinandersetzung mit Polen

Dr. Arnold Zelle