[34=Karte] [35]
3. Teil:
Polnische Thesen und deutsche Antworten
A. Wirtschaftliche Polenthesen zur Verteidigung
des Korridorbesitzes
Vorbemerkung zu den wirtschaftlichen
Polenthesen
Der Korridor ist ein künstlicher Gang durch deutsches Gebiet,
herausgerissen aus seinem Mutterorganismus ohne Rücksicht auf
wirtschaftliche, nationale und kulturelle Zusammenhänge. Das zeigt sich
besonders bei den polnischen wirtschaftlichen Korridorthesen.
1. Transit oder Wohlstand?
Der Hauptinhalt der wirtschaftlichen Polenthesen ist: durch den polnischen
Korridor werde Deutschland wirtschaftlich kaum geschädigt; Polen
dagegen brauche ihn als Zugang zum Meere; ohne ihn müsse es ersticken
und seine Selbständigkeit verlieren.
In Polens wirtschaftlicher Beweisführung wird das Korridorgebiet
nicht als Land mit eigenem wirtschaftlichen Lebensrecht behandelt; es
erscheint nur als Durchgangszone, als Wegstrecke für den polnischen
Warenverkehr, als echter "Korridor". Das aber ist ein wirtschaftlicher
Gedankenkreis von zweitrangiger Bedeutung. Bloße Durchfuhr kann
den polnischen Besitz des Korridorgebietes nicht rechtfertigen. Fragen des
Durchgangsverkehrs (Transits) lassen sich im Frieden bei gutem Willen
verhältnismäßig leicht lösen, soweit sie nicht schon von
der Wirtschaft automatisch gelöst werden. Im Kriege
dagegen - das hat Deutschlands und Rußlands Schicksal im
Weltkrieg bewiesen - hängt die Güterversorgung eines Landes
von ganz anderen Dingen ab als von dem Besitz eines Küstenstreifens an
einem Binnenmeer.
Wichtiger als konjunkturabhängige und zum Teil fiktive polnische Ideen
von Transit und Meereszugang ist die Aufgabe, den Bewohnern eines
Gebietes Existenz und Wohlstand zu sichern. Und dies ist die Ebene, in der
die polnische Beweisführung notwendig versagen muß, in der die
deutsche aber nur auf den Unterschied [36] zwischen der Gegenwart
und der Vorkriegszeit zu verweisen braucht. Deutschland kann dartun, daß
das Korridorgebiet und die deutsche Wirtschaft und vor allem das Korridorgebiet
und die übrige ostdeutsche Wirtschaft sich früher gegenseitig im
Güteraustausch ergänzten und befruchteten, während das
Korridorgebiet sich mit der polnischen Wirtschaft nicht ergänzt. Durch die
Zerreißung eines hochentwickelten, eng zusammengewachsenen
Wirtschaftsorganismus ist das deutsch gebliebene Ostland schwer
geschädigt worden, noch mehr aber hat das an Polen abgetretene
deutsche Gebiet gelitten. Es sinkt unaufhaltsam wirtschaftlich, sozial und
kulturell ab, dem niedrigen Niveau des ehemals russischen Kongreßpolen
entgegen. Das Korridorgebiet ist - nach einem Worte des früheren
amerikanischen Finanzberaters Dewey1 in
Warschau - das kranke Kind Polens.
2. Verkehrspolitische
"Korridorlösungen".
Manche Ausländer wollen das Korridorproblem durch
Verkehrsverbesserungen lösen, also etwa durch eine deutsche
Hoch- und Untergrundbahn quer durch das polnische Gebiet, gegebenenfalls unter
Rückgabe des Danziger Staatsgebietes an Deutschland. So interessant
für den Verkehrsingenieur diese oft sorgfältig ausgearbeiteten
Projekte sein mögen, es verlohnt sich nicht, auf sie einzugehen, weil
mit verkehrspolitischen und verkehrstechnischen Mitteln das Korridorproblem
nicht zu lösen ist. Denn in wirtschaftlicher Hinsicht ist die
Korridorfrage nicht allein ein Verkehrsproblem, sondern viel mehr noch ein
Problem der wirtschaftlichen Verflechtung zusammengehöriger
Landesteile - und zugleich ein Problem der Zugehörigkeit zu dem
Staat und dem Volk, das die Kraft zur wirtschaftlichen Hebung dieses Gebiets in
der Geschichte bewiesen hat.
Nur durch Rückgabe an Deutschland kann die wirtschaftliche und auch die
politische Korridorgefahr beseitigt werden.
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1. Polenthese:
Das Weichselargument
Die Polen sagen: Die Weichsel, Polens Nationalstrom, sei Polens
wirtschaftliches Rückgrat. Daher müsse Polen auch den Unterlauf
der Weichsel beherrschen. (Vgl. auch S. 110.)
[37] Antwort: Mit
viel mehr Recht könnten wir Deutschen die Niederlande als das
Mündungsgebiet unseres Rheins beanspruchen (was wir uns
natürlich nie haben einfallen lassen). Denn verglichen mit ihm ist die
Weichsel ein toter Strom; sie hat fast keine wirtschaftliche
Bedeutung für Polen. Der ehemals russische Teil war nie eine
Fahrstraße für größere Schiffe; jetzt hat Polen auch
den von Preußen regulierten Unterlauf vernachlässigt;
schon die dortigen Sandbänke widerlegen das polnische
Weichselargument.
a) Die mittlere und obere Weichsel, also die Weichsel
in Kongreßpolen, war nur vor der Eisenbahnzeit ein wichtiger Verkehrsweg,
und zwar deshalb, weil bessere Verkehrswege damals fehlten. Selbst zwischen
Warschau und der alten russischen Grenze können Schiffe von 200 t
mit 1 Meter Tiefgang ihre Ladungsfähigkeit nur etwa drei Monate im
Jahre ausnutzen.
b) Die untere Weichsel von Thorn ab ist der allein wirtschaftlich
nutzbringende Teil des Flusses; er verdankt dies den Deutschen: schon vom
Deutschen Orden eingedämmt; von Preußen mit großen
Kosten ausgebaut, insgesamt etwa 124 Millionen hineingesteckt, zuletzt
jährlich 2½ Millionen, im allgemeinen für vollbeladene
400-t-Schiffe befahrbar; Pläne zu weiteren Verbesserungen (Regulierung
auf Niedrigwasser) lagen fertig vor. Untere Weichsel war Kernstück
des deutschen Ostwestverkehrs (Frisches
Haff - Nogat - Weichsel - Bromberger
Kanal - Netze - Warthe - Oder), der für Polen
kein Interesse hat. Polen hat die untere Weichsel vernachlässigt,
Sandbänke vom deutschen Ufer aus sichtbar. Polen hat seine einzige
moderne Wasserstraße verfallen
lassen. - Schon seit dem Mittelalter Weichseltal von Thorn ab deutsch
besiedelt.
c) Polen hat selbst das Weichselargument widerlegt, indem es den
Weichselverkehr nicht entwickelte, sondern sogar niedergehen ließ, weil es
aus politischen und wirtschaftspolitischen Gründen andere Wege
vorzog: statt Weichselregulierung Bau und Bevorzugung des
Eisenbahnhafens Gdingen (Konkurrenzhafen gegen Danzig, also gegen den Hafen
an der Weichselmündung) und Bau der Kohlenbahn
Oberschlesien - Gdingen, abnorm niedrige
Eisenbahn-Seehäfentarife. Auf sämtliche Binnenwasserstraßen
Polens kommen nur 3 - 5% des polnischen
Güterverkehrs. Zu
a - c vgl. Seraphim, Weichsel.
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2. Polenthese:
Die Polen, ein seefahrendes
Volk?
Die Polen sagen: Polen könne sich auf eine alte Tradition als
seefahrendes Volk berufen und beanspruche schon deshalb einen seiner
Bedeutung entsprechenden Platz unter den seefahrenden Nationen.
[38] Antwort: Die
Polen sind niemals eine seefahrende Nation, sondern stets ein Fremdling
an der Ostsee gewesen. Auch heute ist die Seefahrt für die
Polen - für ein agrarisches Binnenvolk, ein Volk mit ungeheuren
kulturellen und wirtschaftlichen Aufgaben im
Innern - kein Lebensbedürfnis. Immerhin könnte
Polen auch nach Rückgabe des Korridors eine eigene Handelsflotte
unterhalten.
a) Eine polnische Handelsflotte hat es in
früheren Zeiten nie gegeben. Die heutige polnische
Handelsflotte, 39 Schiffe mit 65 000 Bruttoregistertonnen, ist seit 1926
vom polnischen Staate mit ausländischer Hilfe ins Leben gerufen
worden, nachdem private Versuche gescheitert waren.2 Die
Bemannung besteht nur etwa zur
Hälfte aus Polen. Lloyds versichern kein Schiff, das einen Polen als
Kapitän hat.
b) Die einzige Seeschlacht,3 auf die sich
die Polen berufen, ist die von Weichselmünde gegen Schweden (1617);
doch bestand die polnische Flotte aus gemieteten Danziger Schiffen mit Danziger
Besatzung und Danziger Kapitänen; sie wurde von einem Danziger
Admiral geführt. (Danzig war damals ein Staat, der nicht zu Polen
gehörte, sondern nur zu dem polnischen König besondere
Beziehungen hatte.)
c) Polen als Binnenland: 5390 km Landgrenze. Polens Eignung zur
Autarkie siehe S. 42 ff.
Pilsudski hat selbst einmal über die "Seekrankheit"
eines polnischen Führers gespottet, weil dieser für einen polnischen
territorialen Zugang zum Meere eintrat.4
d) Deutschlands Vorherrschaft in der Ostsee? Die Polen behaupten,
daß sie an der Ostsee bleiben müßten, um eine deutsche
Vorherrschaft in der Ostsee zu verhindern. Die einzigen, die diese Frage etwas
angeht, nämlich die an der Ostsee liegenden Völker, werden ja selbst
wissen, ob sie vor dem Kriege unter einer etwaigen deutschen Vorherrschaft auf
der Ostsee gelitten haben.
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3. Polenthese:
Polens Leistung an der
Küste
Die Polen sagen: Polen habe sein Recht auf die eigene Küste
durch Leistungen verstärkt: es habe z. B. den Welthafen
Gdingen aus dem Boden und aus dem Meere gestampft.
Preußen dagegen habe an diesem Küstenstrich keine
Leistung aufzuweisen.
Antwort: Polen hat den Hafen aus politischen und strategischen
Gründen (vgl. S. 103 f.) gebaut,
und zwar mit französischem Gelde und dänischen Fachleuten
(vgl. S. 45), unter
Vernachlässigung der Weichsel (vgl. S. 37), unter Vertragsbruch hinsichtlich
Danzigs [39] (vgl. S. 104) und
unter Zurückstellung wichtiger kultureller, binnenwirtschaftlicher und
sozialer Aufgaben. Der Gdingener Hafenbau wird sich als eine
Fehlinvestition herausstellen, und zwar spätestens nach Beendigung
des deutsch-polnischen Zollkriegs und des polnischen Dumpings mit
oberschlesischer Kohle.
Für Preußens Hafenpolitik zeugen die Hafenanlagen in
Stettin, Königsberg, Memel und (für die Zeit von
1793 - 1919) in Danzig.
Machtpolitische Zielsetzung bei der polnischen
"Seepolitik": Wenn Polen mit großen finanziellen Opfern einen
möglichst großen Teil seines Auslandsverkehrs durch den Korridor
zwängt, so wird es dabei sehr stark von der Absicht geleitet, durch
einen starken Korridorverkehr den Korridorbesitz zu rechtfertigen; vgl. 9. Polenthese. Bei Beratungen über
den polnischen Militärhaushalt 1933 wurde der Regierung von dem
Abgeordneten der Rechten, Arciszewski, vorgeworfen, sie tue nicht
genügend gegen die deutschen Revisionsbestrebungen. Der Vertreter
der Regierungspartei, Tebinka, antwortete: "Die Regierung antwortet auf
diese Stimme nicht mit Worten, sondern mit Taten: Hafen und Stadt Gdingen, die
Eisenbahn
Bromberg - Gdingen, die Anlage von Siedlungen auf den
parzellierten Gütern, der Bau der Flotte, mit einem Wort: die
Investitionen in Höhe von einer halben Milliarde dienen zur
Verbindung Pommerellens mit Polen und sichern den Zugang zum Meer."
Die Gesamtsumme der privaten und öffentlichen polnischen Investitionen
einschließlich ausländischer Kapitalien zugunsten der Seepolitik ist
in Wirklichkeit viel höher. Dazu kommen laufende Ausgaben für
Export- und Frachtsubventionen u. a., vgl. S. 43.
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4. Polenthese:
Braucht Polen die
Küste?
Die Polen sagen: Polen müßte ohne eigene Küste
wirtschaftlich ersticken (vgl. S. 41 ff., 44 f., 158).
Antwort: Polen wird sich eines Tages damit abfinden müssen,
daß es von Natur ein Binnenland
ist - und es wird dann an dem Fehlen einer Küste ebensowenig
ersticken wie die Schweiz, die Tschechoslowakei und ein gutes Dutzend
andere Länder, deren Schicksal es ist, nicht ans Meer zu grenzen.
Wenn Polen einmal den Korridor nicht mehr besitzt, werden Häfen und
Bahnen verschiedener Länder darin wetteifern, durch günstige
Bedingungen möglichst viel polnischen Durchgangsverkehr an sich zu
ziehen; für die deutschen Häfen und Verkehrswege hat
außerdem Deutschland, entsprechend dem
Wilson-Programm, schon 1919 für Polen international gesicherte
Verkehrsvergünstigungen angeboten.
[40] Im Frieden
wäre damit Polens Zugang zum Meere vollauf gesichert, der
Korridor also für Polen überflüssig gemacht. Im
Kriege dagegen bietet Polen der schmale Korridor und der
Küstenbesitz an einem Binnenmeere keine Sicherheit.
a) Andere Binnenländer. Ohne territorialen
Seezugang sind in Europa zunächst drei Länder, die Polen an
wirtschaftlicher Bedeutung überlegen sind: die Schweiz, die
Tschechoslowakei und Österreich. Ferner in Europa
Ungarn, das hochindustrialisierte Luxemburg und die
Vatikanstadt; in anderen Erdteilen Paraguay, Bolivien, Abessinien, Afghanistan
u. a. m. Der Außenhandel der Schweiz nach den
überseeischen Ländern war 1929 doppelt so groß wie der
gesamte Außenhandel Polens. Bei der Neuerrichtung des
Kirchenstaats hat man, wie der Osservatore Romano damals
ausführte, bewußt davon abgesehen, ihm einen Korridor zum Meere
zu geben, weil dieser nur eine "Quelle schwerer Opfer und Sorgen" sein
würde.5
b) Gesicherte Durchfuhr im Frieden. Warendurchfuhr durch fremde
Länder funktioniert ohne Schwierigkeiten, weil die
Durchfuhrländer an der Durchfuhr verdienen und weil jedes Durchfuhrland
irgendwie auf die Durchfuhr seiner eigenen Waren angewiesen ist. Auch ein
großer Teil des deutschen Außenhandels ist Durchfuhr.
Vom polnischen Überseehandel geht heute noch ein beachtlicher
Teil über reichsdeutsche Bahnen und Häfen.
c) Bevorzugte, international gesicherte polnische
Durchfuhr über Deutschland. Deutschland hat schon im Kriege
Pläne für eine Weichselakte mit völliger Gleichbehandlung
deutscher und polnischer Schiffe entworfen.6
Entsprechend Wilsons ursprünglichem Plan (S. 81 f.) bot
Deutschland in der Note der deutschen Friedensdelegation vom 29. Mai 1919
Internationalisierung der Weichsel, besondere Eisenbahnverträge und
polnische Freihafengebiete in Danzig, Königsberg und Memel an, das
alles gesichert durch internationale Garantien und Instanzen.7 Parallelen: Griechenland
gewährt Jugoslavien Sonderrechte für die Benutzung von Saloniki,
die Tschechoslowakei hat Freihafengebiete in Hamburg bei gleichzeitiger
Internationalisierung der Elbe; sie genießt ferner
Vorzugs-Seehafentarife auf der deutschen Reichsbahn. Polen hat mit
Rumänien Seehafentarife zum Schwarzen Meer vereinbart.
d) "Nicht zu verteidigen im Kriege" (Weygand, vgl. S. 22). Der nördliche Teil
des Korridors ist etwa 35 km breit. Selbst wenn ihn Polen gegen
Landtruppen, Landgeschütze, Kriegsschiffe und Flieger verteidigen
könnte: was würde ihm das nützen, wenn es nicht die Ostsee
und vor allem die Zugänge ins freie Meer beherrscht! Deutschland
ist sogar trotz seines Zugangs zur Nordsee und trotz seiner gewaltigen Flotte
ausgehungert worden. Die Schweiz dagegen hat sich ohne
Küstenbesitz im Weltkrieg wirtschaftlich ebenso gut erhalten wie Holland
und die nordischen Staaten.
[41]
Immerhin ist zuzugeben, daß Frankreich in einem
russisch-polnischen Kriege bei deutscher Neutralität (falls Dänemark
nicht die Meerengen sperrt) für Polen Truppen und Kriegsmaterial im
Korridor landen könnte - falls die russischen Flieger das zulassen
sollten. Das gleiche aber würde möglich sein, wenn Polen nach
Abtretung des Korridors Sonderrechte erhielte.
e) Ein polnisches Urteil: "Der Danziger Korridor... stellt freilich
andererseits für uns Polen etwas vollkommen Unzureichendes
dar, etwas, das uns einen wirklich sicheren und ständigen Zugang zum
Meere nicht garantiert. Den Deutschen steht es frei, die Beseitigung dieses
Korridors zu erstreben, aber auch uns steht es frei, daß wir seine
Erweiterung erstreben".8
Ein französisches Urteil: "Wenn
Pommerellen an Deutschland zurückgegeben wird, kann Polens Lage nicht
schlimmer sein. Sie wird klarer und entschiedener sein: das ist der ganze
Unterschied."9
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5. Polenthese:
Die Konkurrenz der
Durchfuhrwege
Die Polen sagen: Die Schweiz und die Tschechoslowakei seien in der
Lage, Häfen und Bahnen mehrerer Länder gegeneinander
auszuspielen und sich dadurch günstige Durchfuhrbedingungen zu
erzwingen. Deutschland dagegen würde ohne den polnischen Seezugang
die Hand an der Gurgel Polens haben.
Antwort: Auch Polen kann dank seiner Lage zwischen den Meeren die
Häfen und Bahnen verschiedener Länder benutzen. Das würde
es aber nach Rückgabe des Korridors gar nicht nötig haben, da ja
Deutschland zugunsten Polens Freihäfen und
Verkehrsvergünstigungen unter internationaler Garantie angeboten hat.
a) Polens Lage zwischen den Meeren: Für den
industriellen Schwerpunkt Polens im Südwesten (hauptsächlich
Ostoberschlesien) liegt die Adria nicht viel weiter als die Ostsee;
Ostgalizien liegt günstig zum Schwarzen Meer; für das
Wilna-Gebiet ist Riga der nächste Hafen, für Posen ist es Stettin.
b) Freihäfen und Verkehrsvergünstigungen siehe S. 40 unter c.
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6. Polenthese:
Polens "wirtschaftlicher Drang zur
Ostsee"
Die Polen sagen: Polens Außenhandel sei in erster Linie
Überseehandel, viel mehr als der anderer Länder. Polen
gravitiere wirtschaftlich nach der Ostsee.
[42] Antwort. Der
größte Teil Polens gravitiert wirtschaftlich überhaupt nicht
nach außen, sondern ist so gut wie autark. Ohne die ehemals deutschen
Gebiete wäre Polen eines der autarksten Länder der Welt
und fast gar nicht auf die See angewiesen.
Der polnische Überseehandel ist zurzeit infolge des
deutsch-polnischen Zollkonflikts und der polnischen Seepolitik mit
künstlichen Mitteln abnorm aufgebläht. Dennoch ging selbst im
Rekordjahre 1931 wertmäßig nur ein Drittel des polnischen
Außenhandels über Danzig und Gdingen.10
Neuerdings jedoch wird die polnische Kohle aus Oberschlesien, der wichtigste
polnische Ausfuhrartikel, in ihrem neuen Absatzgebiet in den
Ostseeländern durch die englische Kohle wieder
zurückgedrängt. Nach Wiederherstellung normaler
Handelsbeziehungen mit Deutschland wird außerdem der polnische
Überseehandel weiter zusammenschrumpfen, denn Polens
natürliche Absatz- und Bezugswege gehen über die Landgrenzen;
noch 1925 gingen über die danzig-polnische Küste nur
15 - 16% der Tonnenzahl des polnischen Außenhandels
(Schneider S. 84; Smog. S. 310).
a) Polens geringe weltwirtschaftliche Verflechtung
zeigt z. B. der Vergleich mit anderen Binnenstaaten. Der
Außenhandel pro Kopf in RM.11 betrug in
|
1931 |
Durchschnitt
1928 - 30 |
Zollgebiet Polen - Danzig |
48 |
84
|
Schweiz |
710 |
920
|
Österreich |
300 |
455
|
Tschechoslowakei |
209 |
321
|
Ungarn |
94 |
920
|
Paraguay |
72 |
131
|
Polen-Danzig hat also eine niedrigere
Außenhandels-Kopfquote als jene fünf Binnenstaaten; es hat
nächst Albanien die niedrigste
Außenhandels-Kopfquote Europas.12 Dabei
beruht der Außenhandel Polen-Danzigs zum größeren Teil
auf den ehemals deutschen Gebieten (vgl. S. 44). Der polnische Außenhandel
beträgt wertmäßig rund ein Zehntel des deutschen und noch
nicht 1% des Welthandels. Fallende Tendenz des polnischen
Außenhandels: 1929 5,9 Mill. Zloty, 1932 1,9 Mill. Zloty
= 0,9 Mill. RM.
b) Die abnorme Aufblähung des polnischen Überseehandels
durch oberschlesische Kohle ist zunächst begründet in der
ungerechten und übermäßigen Zuteilung von
oberschlesischen Kohlengruben an Polen. Obwohl die Bevölkerung
Oberschlesiens durch polnische Banden terrorisiert wurde, brachte die
oberschlesische Abstimmung von 1921 nur [43] 40% polnische
Stimmen. Dennoch wurde das Land geteilt, und Polen erhielt
über 90% der Kohlenvorräte, fast 75% der
Kohlenproduktion, über 60% der
Zink- und Bleierzvorräte, über 80% der
Zinkblende-Produktion, fast 70% der Rohstahlproduktion usw.13
Dabei besaß Polen schon in den
Kohlenbecken bei Dombrowa und Krakau große Bodenschätze.
Oberschlesien bedeutet (nach polnischen Quellen) 1% der Fläche, 4% der
Einwohner, 53% der Ausfuhr Polens.13
Während vor dem Kriege fast gar keine
oberschlesische Kohle über See exportiert wurde, hatte bis 1931 Polen in
Skandinavien, Finnland und den Randstaaten den Hauptteil der
Kohlenversorgung an sich gerissen
(1928 - 31 53, 45, 51, 62%).13 Nur für
die - die Wirtschaft vergewaltigende und den Weltmarkt
störende - polnische Seepolitik gehören Oberschlesien und der
Korridor zusammen wie die zwei Kugeln einer Hantel.14
c) 200 Millionen Zloty Subventionen für 600
Millionen Zloty Seeausfuhr: diese Zahlen kennzeichnen die Künstlichkeit
des polnischen "Dranges zur Ostsee". Nach den Ausweisen des polnischen
Handelsministeriums sind im Haushaltsjahr 1931/32 152 Millionen
Exportprämien und etwa 60 Millionen
Frachtprämien aus der Staatskasse zur Förderung der
Seeausfuhr gezahlt worden; diese betrug im gleichen Zeitraum rund 600
Millionen Zloty. Noch größer als die staatlichen Opfer sind die
privaten: hohe Inlandspreise und -frachten zum Ausgleich der niedrigen Seexportpreise
und -frachten.
d) Polens Konkurrenzmethoden im Kohlenexport. Der englische
Bergarbeiterstreik von 1926 erleichterte Polen die
Zurückdrängung der englischen Kohle auf den Ostseemärkten,
die dann u. a. mit folgenden Mitteln fortgeführt wurde:
Hungerlöhne; niedrige Sozialleistungen; verbilligte Bahntarife und (in
Gdingen) Hafentarife; verbilligte, tief unter den Inlandspreisen liegende
Exportpreise. Bahntarife:15 der
Seehafen-Exporttarif für Kohle beträgt 7,20 Zloty pro t von
Oberschlesien nach Gdingen und Danzig; das sind 22% des normalen
Tarifs von 32,90 Zloty;16 für
die 500 000 t monatlich übersteigenden Mengen gilt der noch
niedrigere Tarif von 5,50 Zloty =17% des normalen Tarifs. Es hat sich
1932 herausgestellt, daß in Wien oberschlesische Kohle über
Gdingen - Triest billiger zu beziehen war als auf dem direkten
Eisenbahnwege (verdreifachter Bahnweg und außerdem Seetransport rund
um Europa). Dumpingpreise: Exportpreise seit 1927 immer unter den
Selbstkosten der Grube, 1932 sogar unter den Kosten der reinen
Arbeitslöhne. Inlandpreise heraufgesetzt, um Exportpreise senken zu
können.
e) Schrumpfung des polnischen
Überseehandels. Seit der Senkung
des Pfundes ist England erfolgreich und zäh bemüht, den
an Polen ver- [44] lorenen
Kohlenabsatz wieder zu erobern. Es bemüht sich mit Erfolg um
Vereinbarungen mit den nordischen Ländern, die Polens Export
doppelt treffen, z. B. daß Dänemark englische statt polnischer
Kohle und England dänische statt polnischer Lebensmittel einführt.
Weitere entscheidende Schrumpfung muß eintreten, wenn die
deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen wieder normalisiert werden. 1931
Umschlag Danzigs und Gdingens 13,7 Millionen t, 1932 nur noch 10,7.17 Vgl. auch S. 105. Der
Überseehandel der Schweiz war 1929 doppelt so
groß wie der ganze Außenhandel Polens.
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7. Polenthese:
Der Korridor und Polens
Selbständigkeit
Die Polen sagen: Ohne den polnischen Korridorbesitz würde
Deutschland 70 - 80% des polnischen Außenhandels
kontrollieren; damit hätte Polen seine wirtschaftliche und zugleich
seine politische Selbständigkeit verloren.18
Antwort: Die Zahl von 70 - 80% beruht auf einem widersinnigen
Zahlenmanöver: der Addition von Warendurchfuhr und
Güteraustausch. Warendurchfuhr bedeutet im Frieden keine
Kontrolle oder Abhängigkeit, und Güteraustausch bedeutet
gegenseitige Abhängigkeit und beiderseitigen Vorteil.
Der deutsch-polnische Güteraustausch beruht hauptsächlich auf
den von Deutschland abgetrennten Gebieten. Sie brauchen nach ihrer
wirtschaftlichen Struktur den deutschen Markt für ihren Absatz und die
deutsche Ware für ihren Verbrauch. Durch Rückgabe solcher
Gebiete, also auch durch Rückgabe des Korridorgebiets an Deutschland
würde demnach Polen die ihm unerwünschte wirtschaftliche
Verflechtung mit Deutschland vermindern können.
a) Durchfuhr berührt Polens Selbständigkeit
nicht: vgl. S. 39 f.
b) Die ehemals deutschen Gebiete und Polens Außenhandel. Vgl.
auch S. 47 f. Die oberschlesische
Kohle hat ihren natürlichen Absatz im Deutschen Reich verloren und
wird jetzt von Polen unter großen Verlusten auf dem Weltmarkt
verschleudert. Entsprechendes gilt für die landwirtschaftlichen
Veredelungserzeugnisse der heute polnischen posenschen und
westpreußischen Gebiete: Zucker, Fleischerzeugnisse,
Müllereierzeugnisse, Sprit u. a. Andererseits ist in den ehemals
deutschen Gebieten der kulturelle und wirtschaftliche Standard der
Bevölkerung so hoch, daß sie schwer ohne deutsche
Qualitätswaren auskommt. Dagegen ist bei den ehemals deutschen
Gebieten die wirtschaftliche Verflechtung mit dem eigentlichen Polen
gering.
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[45]
8. Polenthese:
Der polnisch-deutsche
Zollkonflikt
Die Polen sagen: Nur weil Polen den Korridor und die Küste
besitze, habe es den Wirtschaftskampf mit Deutschland seit 1925 durchhalten
können.
Antwort: Es ist noch verfrüht, über den
deutsch-polnischen Wirtschaftskampf zu urteilen. Sein Ergebnis wird von anderen
Dingen abhängen als von dem polnischen Küstenbesitz, denn Polen
steht und stand immer zu günstigen Bedingungen der Weg über
deutsche Bahnen und Häfen offen. Es hat während des
Zollkriegs 1926 den Hauptteil seines Kohlenexports über deutsche
Häfen geführt. Selbst heute noch, nach Jahren krampfhafter
Seepolitik, gehen im Verkehr mit
Nord- und Westeuropa die wertvollen Güter überwiegend
über Deutschland; dagegen gehen über Danzig und Gdingen
vorwiegend geringwertige Massengüter (Kohle, Erz,
Holz u. a.).
a) Krampfhafte Seepolitik s. S. 42 ff.
b) Zu der Seepolitik (planmäßige Lenkung des
Güterverkehrs durch den Korridor, Bau und Bevorzugung Gdingens,
Schaffung einer Handelsflotte usw.) war Polen nicht durch den
Zollkampf gezwungen, sie war ein freier Entschluß, der zum
großen Teil politische Ziele verfolgt: die
Existenzberechtigung des Korridors nachzuweisen und Polen
wirtschaftliche Weltgeltung oder wenigstens den Schein einer
wirtschaftlichen Großmacht zu verschaffen. Hauptfaktor der Seepolitik,
nämlich Bau des Gdingener Staatshafens, schon 5 Jahre vor Zollkampf
beschlossen. Mitte 1924 Vertrag zum Bau des Hafens Gdingen mit dem
französisch-polnischen Konsortium; Ausbruch des Zollkampfes erst
1925.
c) Seepolitik und Wertgüter. Überlandweg mit der
Eisenbahn nach Westeuropa wirtschaftlicher als Seeweg; Seeweg
langsamer, doppeltes Umladen. Für Überseexport von
Wertgütern große Bedeutung der deutschen Nordseehäfen mit
ihrer Handelsorganisation und ihren Verschiffungsmöglichkeiten.
Vgl. Schneider, S. 78 ff.
d) Maßvolle deutsche Kampfesweise im Wirtschaftskonflikt. In
der internationalen Kreditkrise von 1931 haben die deutschen
Banken - im Gegensatz zu den
französischen - ihre kurzfristigen Kredite in Polen kaum vermindert,
obwohl ihnen selbst mehrere Milliarden vom Ausland gekündigt worden
waren.19
Ferner: Deutschlands Anteil an
der polnischen Ausfuhr betrug 1924 42% und 1929 trotz seit 1925
währendem Zollkonflikt noch 31%. Weiterer Rückgang des
deutschen Anteils (1931 17%) liegt an deutschen Maßnahmen zum Schutz
der Landwirtschaft gegen die Weltkrise, die sich allgemein gegen das Ausland
richten. 1932 Abmachungen mit dem Ziel, Verschärfung des
Wirtschaftskampfes zu vermeiden.
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[46]
9. Polenthese:
Das Verkehrskreuz von Dirschau
(Tczew)
Die Polen sagen: Im "Korridor" mache Polens Nordsüdverkehr
das Mehrfache des deutschen Ostwestverkehrs aus (Tonnenzahl, festgestellt am
Knotenpunkt Dirschau).
Antwort: Bloßer polnischer Durchgangsverkehr schafft noch kein
Besitzrecht, ebensowenig wie deutscher Durchgangsverkehr in Holland und
Belgien. Viel wichtiger als polnischer Durchgangsverkehr ist das
wirtschaftliche Lebensrecht des Korridorlandes selbst, das gerade wegen
der Heraustrennung aus dem deutschen
Staats- und Wirtschaftsgebiet immer mehr herunterkommt (vgl. S. 35 f. und S. 54).
Im übrigen vergleichen die Polen, und zwar mit irreführenden
Zahlen, zwei ganz verschiedenartige Güterströme, die
unvergleichbar sind wie Wein und Wasser:
- auf deutscher Seite reiner Inlandsverkehr,
gewissermaßen Blutumlauf in den Adern eines
Wirtschaftskörpers, für Ostpreußen lebenswichtig, an
Ostpreußen gebunden, das der natürliche
Ausgangs- und Zielpunkt dieses Verkehrs ist;
- auf polnischer Seite Verkehr zum Austausch von
Wirtschaftsüberschüssen mit der Außenwelt, und zwar
Außenverkehr eines größtenteils fast autarken
Landes; Verkehr, der meist an ganz anderen Stellen die polnische Grenze
überschreiten würde, wenn er nicht von Polen künstlich
gegen die Wirtschaftsgesetze durch den Korridor gezwängt
würde.
a) Künstliche polnische Verkehrslenkung durch
die Seepolitik vgl. S. 43.
b) Lebensnotwendigkeit des deutschen
Ostpreußen-Verkehrs ergibt sich aus dem agrarischen Charakter
Ostpreußens: Absatz ostpreußischer Agrarprodukte, Bezug
notwendiger Industrieerzeugnisse. Seeverkehr kein Ersatz für Bahnverkehr,
da langwierig und mit doppeltem Umschlag verbunden.
c) Falsche polnische Berechnungsmethoden beim
Güterverkehr.
Die meisten polnischen Propagandaschriften vergleichen den Verkehr
über Dirschau im Jahre 1928: deutscher
Ostpreußen-Verkehr 1,49, polnischer Seehäfenverkehr 10,26
Millionen t (davon 9,22 Ausfuhr), also Verhältnis 1 : 7.
Dabei fehlt aber der deutsche
Ostpreußen-Verkehr über die südlichen
Durchgangsstrecken (hauptsächlich über Bromberg), der nach
Rückgabe des Korridors sicher nicht mehr über polnische Strecken
gehen wird. Daher deutscher Verkehr 1928 nicht 1,49, sondern 4,48
Millionen t, also Verhältnis nicht 1 : 7, sondern
1 : 2. Das sind Tonnenziffern. Wertziffern schwer exakt zu
berechnen. 75% der [47] polnischen
Tonnenziffern sind Steinkohlen, 84% Steinkohle, Koks, Holz, Erz und
Schrott; völlig andere Zusammensetzung des deutschen Verkehrs, der
an Wert mindestens dem polnischen gleichkommt. Zieht man 1928 auf
beiden Seiten die Steinkohlen ab, so ist der deutsche Verkehr an Gewicht
überlegen (3,3 gegen 2,6 Millionen t).20 Noch
klarer als 1928 wird sich das deutsche Übergewicht in den Zahlen von 1932
und 1933 herausstellen, seit die Exportkonjunktur für
polnisch-oberschlesische Kohle nachläßt.
d) Beim Vergleich des Gesamtverkehrs muß außer dem
Eisenbahngüterverkehr auch
Personen-, Post- und Drahtverkehr berücksichtigt werden,
wodurch das deutsche Übergewicht noch erhöht wird.
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10. Polenthese:
2 oder 32 Millionen?
Die Polen sagen: Es sei gerechter, 2 Millionen Ostpreußen unter
dem "Korridor" leiden zu lassen als 32 Millionen Polen durch Beseitigung des
"Korridors" vom Weltverkehr abzuschließen.
Antwort: Von Polen mit seinen 32 Millionen Einwohnern ist nur ein
Teil wesentlich mit dem Seeverkehr verflochten, und zwar
hauptsächlich das ehemals deutsche Gebiet mit 4 Millionen Einwohnern.
Und selbst dort ist der Überseehandel erstens nur ein Notbehelf und
zweitens nicht an den polnischen Korridorweg gebunden.
Für die ganze Bevölkerung Polens dagegen wäre es ein Segen,
wenn Polen durch Grenzrevision aus den schlechten wirtschaftlichen und
politischen Beziehungen mit dem großen Nachbarn Deutschland
herauskäme.
Auf der anderen Seite werden nicht bloß 2 Millionen Ostpreußen
durch den Korridor geschädigt, sondern auch Hunderttausende von
Verdrängten und letzthin die ganzen 67 Millionen
Reichsbevölkerung.
a) Polens geringe weltwirtschaftliche Verflechtung
siehe S. 42.
b) Gesicherte Seeausfuhr auch bei Durchfuhr durch Deutschland, also
Entbehrlichkeit des Korridors, siehe S. 39 f.
c) Die früheren deutschen Gebiete als Basis des polnischen
Überseehandels. Im Durchschnitt der Jahre 1927 bis 1929 kamen vom
Eisenbahngüterverkehr Danzigs und Gdingens mengenmäßig
auf die ehemals deutschen Gebiete beim Ausfuhrverkehr 73%, beim
Einfuhrverkehr [48] 60%. Dabei
sind durch Massengüter aufgebläht sowohl die Zahlen der ehemals
deutschen Gebiete wie auch die des Hauptteils Polens (Kohle des Dombrowaer
Bezirks, Holz aus Ostpolen u. a.). Entsprechend Warenverkehr von
Danzig allein: am Eisenbahnverkehr Danzigs waren 1926 bis 1932 die ehemals
deutschen Gebiete mengenmäßig stets mit
60 - 70% beteiligt. Bei Mitberücksichtigung des
Binnenschiffahrtsverkehrs würden die gesamten Prozentsätze noch
etwas höher sein. - Vgl. Schneider S. 93.
d) Die natürliche Verkehrsrichtung der ehemals deutschen
Gebiete ist bei Oberschlesien nach Westen zum Reich (und nach
Südosten), bei Posen nach Westen zum Reich, bei Westpreußen nach
den umliegenden deutschen Gebieten und nach Danzig. Da Güteraustausch
in dieser Richtung durch Grenzziehung erschwert und Güteraustausch mit
dem eigentlichen Polen gering, bleibt Überseehandel als
Notbehelf. Aber dieser ist nicht an den polnischen Korridorbesitz
gebunden.
e) Bessere Lage der Polen nach Rückgabe des
Korridors. Kein
Volk kann auf die Dauer in einer so unsicheren Lage gedeihen wie Polen mit
seinem Korridor, dessen Besitz es zu unerhörten Rüstungslasten
(über 1⁄3 des
Staatshaushalts) und den Opfern seiner Seepolitik veranlaßt. Gerade ein
wirtschaftlich zurückgebliebenes und dabei ziemlich dicht
bevölkertes Land wie Polen braucht für eine gedeihliche
Entwicklung Ruhe und Sicherheit, wofür aber die Aussöhnung mit
Deutschland die Voraussetzung ist. Vgl. auch S. 67 und 69.
f) Wirtschaftliche Schädigung Deutschlands durch den Korridor s.
S. 49 - 52.
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11. Polenthese:
Ein "deutscher Korridor"?
Die Polen sagen: Besser ein polnischer "Korridor" zum Meer als ein
deutscher Korridor, ein Gang längs des Meeres nach Ostpreußen.
Antwort: Ein "deutscher Korridor": das heißt die Dinge auf den
Kopf stellen. Wenn Deutschland das Korridorgebiet zurückerhält, ist
dann etwa Polen in zwei Teile zerschnitten, so wie Deutschland jetzt durch den
polnischen Korridor?
Das Korridorgebiet in polnischer Hand ist ein abnormer Zipfel, der mit
dem übrigen polnischen Gebiet wenig verbunden ist und für Polen
nur ein Durchgangsgebiet darstellt. Das Korridorgebiet in deutscher
Hand dagegen würde eine Lücke im deutschen Gebiet
füllen und mit dem übrigen Deutschland in engsten wirtschaftlichen
Austausch treten; es würde seinen Korridorcharakter verlieren. Zugleich
wäre dann das polnische Staatsgebiet von einer Ausbuchtung befreit, also
seine Geschlossenheit erhöht.
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[49]
12. Polenthese:
[34]
Abb. 8: Das zerrissene ostdeutsche Eisenbahnnetz.
(Mit wenigen Ausnahmen sind die Bahnen
an der Grenze stillgelegt oder gesperrt.)
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Der deutsche
Korridorverkehr
Die Polen sagen: Für Deutschland läge kein Grund vor,
sich über den Korridor zu beklagen, denn der deutsche Durchgangsverkehr
sei ausreichend und funktioniere einwandfrei.
Antwort: Der Korridor ist in vieler Hinsicht ein Verkehrshindernis; aber
das ist ja gar nicht der Kernpunkt der Frage. Nur der Neuling in der
Korridorfrage sieht in dem deutschen Durchgangsverkehr die Hauptschwierigkeit;
in Wirklichkeit aber ist das deutsche wirtschaftliche Korridorproblem in erster
Linie eine Frage des Güteraustauschs und der wirtschaftspolitischen
Hebung eines zusammengehörigen Gebiets, das zu seinem Schaden
zerstückelt worden ist (vgl. S. 51 f. und 54 f.)
a) Stillegung von Verkehrswegen. An 52 Stellen im
deutschen Osten durchschneidet die neue Grenze Reichsbahnstrecken, an
144 Stellen Kunststraßen, an 722 Stellen sonstige Landstraßen.22 Die
meisten dieser Stellen sind
für den Verkehr stillgelegt, ja durch Blockierung oder Wegnahme der
Schienen unpassierbar gemacht worden. Ein großer Teil dieser
Verkehrszerschneidungen betrifft das Korridorgebiet. Zerstörung der
Münsterwalder
Bahn- und Straßenbrücke siehe S. 121 ff. [Scriptorium merkt an: siehe auch hier!]
b) Binnenschiffahrtsverkehr fast tot zwischen Ostpreußen und
dem Reich. Vor dem Krieg billiger Massengüterverkehr über
Weichsel, Bromberger Kanal, Netze; Vernachlässigung der Weichsel;
Verbot des Ein- und Ausladens auf der Durchgangsstrecke.23
c) Landstraßenverkehr auf wenige Straßen
beschränkt, leidet unter schlechter Straßenpflege und
Durchgangsbestimmungen. Wer im Kraftwagen von Pommern über Danzig
und Dirschau nach Ostpreußen fährt, passiert 10
Zoll- und Paßkontrollen.24
d) Eisenbahngüterverkehr.25
Verzögerung besonders schädlich im Viehverkehr.
Durchgangszüge an der Grenze auf Grund strenger Vorschriften über
Wagen- und Zugausnutzung zusammengestellt, Verzögerung bis zu 24
Stunden; Ladungen von Ostpreußen nach Schlesien brauchen für das
polnische Durchgangsgebiet 3 - 4 Tage.
Formalitäten: Ladelisten in siebenfacher, Zuglisten in
zwölffacher Ausfertigung. Jährlich mehrere Millionen Mark
Verlust der Reichsbahn, die zugunsten des Verfrachters die Differenz
zwischen dem deutschen und dem polnischen Tarif trägt, der nach den
hohen Anfangsstaffeln für kurze Strecken berechnet wird. Ohne diese
Verluste könnte die Reichsbahn mehr für die Verbilligung des
Ostpreußenverkehrs tun. Gefahr völliger Verkehrseinstellung bei
polnischen Unruhen und Streiks.
[50] e)
Eisenbahn-Personenverkehr.26 Keine Paßkontrolle im
privilegierten Korridorzug, Fensteröffnen im Abteil in bestimmten
Zügen neuerdings gestattet. Verhaftungen von Reisenden wegen
Verdachts auf polnischem Gebiet begangener Vergehen und Verbrechen sind
möglich und vorgekommen. Bei einem Eisenbahnunglück (Stargard
1925) lehnte die polnische Bahn Haftung für Schäden
ab. - Verluste der Reichsbahn wie unter d.
f) Militär-Durchgangsverkehr. Nur Strecke
Schneidemühl - Marienburg. Im gewöhnlichen Verkehr
wöchentlich nur ein Militärzug und ein Militärgüterzug
in jeder Richtung. Im außergewöhnlichen Verkehr (14 Tage vorher
anzumelden) höchstens drei Züge täglich, Korridorverkehr nur
am Tage.
g) Eisenbahn-Danzig-Verkehr. Wer ohne polnisches Visum nach Danzig
fahren will, ist auf zwei visumfreie Personenzüge von Marienburg nach
Danzig angewiesen. Man fährt dann von Berlin nach Danzig
folgendermaßen:
Berlin - Dirschau - Marienburg und im Personenzug von
Marienburg wieder durch Dirschau nach Danzig. Bedeutende Verzögerung;
übrigens werden sechs Grenzen überschritten. Wer ohne polnisches
Visum von Hinterpommern nach Zoppot im Danziger Freistaat fahren
will, darf nicht dort aussteigen, sondern fährt weiter über Danzig,
Dirschau, Marienburg, wieder über Dirschau und über Danzig nach
Zoppot. Das sind statt 50 km 174 km.
h) Verkehrshindernis für das Ausland. Trotz langjähriger
Bemühungen über Vereinbarungen mit Polen ist bisher z. B.
ein direkter Güterverkehr zwischen Deutschland westlich des
Korridors und dem östlichen Auslande (Rußland, China, Japan,
Lettland, Estland, Litauen) nicht möglich. Auch im Verkehr mit dem
übrigen Auslande nur teilweise Verkehr mit direktem internationalen
Frachtbrief über den Korridor hinaus durchgeführt. Schwierigkeiten
auch im Personenverkehr: zur Zeit (März 1933) z. B. noch
keine Fahrkarte Berlin - Riga.
i) Reichsbahn-Werbeschrift (Dr. Holz). In der ersten
Nachkriegszeit unerhörte Zustände im Bahnverkehr mit Ostpreußen.27
Häufig unzulässige
Revisionen und Beschlagnahmungen von Gütersendungen durch Polen,
große Verspätungen, August 1921 8 Tage Durchgangsverkehr durch
polnischen Streik betroffen; lebensgefährlich überfüllte
Personenzüge, Rationierung der Fahrkarten. Daher Vertrauensschwund,
Abwanderung des Verkehrs auf den Seeweg. Als schließlich die Reichsbahn
mit Polen nach unendlichen Mühen das Pariser Abkommen von 1921
zustande gebracht und durchgeführt hatte, war Verkehrswerbung
nötig. So entstand eine Werbebroschüre der Reichsbahndirektion
Königsberg, die die günstigen Tatsachen unterstreicht; aus ihr
zitiert die polnische Propaganda seit mehr als einem Jahrzehnt unablässig
folgende Sätze: "Für den Durchgangsverkehr ist Ostpreußen
keine Enklave mehr. Die Reichsbahn hat die Brücke über das
polnische Durchgangsgebiet geschlagen."
[51] k) Seeverkehr mit
Ostpreußen spielte vor dem Krieg eine geringe Rolle. Der
Inlands-Güterverkehr Ostpreußens mit dem übrigen
Deutschland war 1913 auf der Eisenbahn viermal so groß wie zur See.
Steigerung des Seeverkehrs trotz Langwierigkeit und doppeltem
Umschlag: Seeverkehr Ostpreußens mit den übrigen deutschen
Häfen 1913 937 000, 1928 1 765 000, 1931
1 708 000 t.
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13. Polenthese:
Wirtschaftliche und psychologische
Schädigung Deutschlands
Die Polen sagen: Der "Korridor" habe für Deutschland keine
wirtschaftlichen Schädigungen zur Folge, sondern wirke sich nur
psychologisch aus.
Antwort: Psychologische Momente haben die größte
Wirkung auf den Gang der Geschichte; gerade weil man bei der Schaffung des
Korridors auf entscheidende psychologische Imponderabilien keine
Rücksicht genommen hat, wird der Korridor keinen Bestand
haben.
Im übrigen hat der Korridor die schwersten wirtschaftlichen
Schädigungen für Deutschland zur Folge. Das gilt besonders
für Ostdeutschland, das vor dem Kriege ein aufblühendes Gebiet
war, heute dagegen nur durch große Opfer des übrigen Deutschland
vor dem Zusammenbruch bewahrt wird.
a) Deutscher Verlust an Produktions- und
Absatzmöglichkeiten. Im Korridor (einschließlich Netzegau)
und Danzig 1910 1,7 Millionen Menschen, davon 1 Million in
Land- und Forstwirtschaft, größerer Teil der landwirtschaftlichen
Fläche war Bauernland, 3⁄4 des Grundbesitzes war in
deutscher privater oder öffentlicher Hand. Etwa 1⁄3 des Korridorgebiets ist
Wald- und Ödland, besonders Tucheler Heide; dafür in den
Weichselniederungen sehr hoher Viehstand und bedeutende Erträge an
Weizen und Zuckerrüben; landwirtschaftliche Veredelungsindustrie in
Westpreußen. Schwere industrielle Absatzverluste namentlich
für die schlesische Industrie und die Industrie der anderen deutsch
gebliebenen Ostgebiete. Jahrelang wiederholte
Überschwemmungen in dem von Friedrich dem Großen
kolonisierten Warthe- und Netzebruch, seit Oberlauf der Flüsse in
polnischen Händen.
b) Schäden durch Zerstückelung eines einheitlichen
Wirtschaftsgebiets.28 Früher war der ganze deutsche
Nordosten ein nach Westen tendierender, im übrigen aber im wesentlichen
in sich geschlossener Wirtschaftskörper mit regem Austausch der Teile
untereinander. Westpreußen und Posen waren landwirtschaftliche
Veredelungsgebiete, für die Ostpreußen und
Hinterpommern zum großen Teil das Rohmaterial in Gestalt von
Getreide, Kartoffeln, Jungvieh, Magervieh lieferten. Andererseits ging der
[52] industrielle Absatz
Schlesiens bis nach West- und Ostpreußen. Die Arbeitsteilung
innerhalb des deutschen Ostens ist durch die neuen Grenzen
zerstört - zugleich auch der wirtschaftliche Aufstieg des
deutschen Ostens, den die folgende Zahl zeigt: von
1882 - 1907 ist die Zahl der dort in der Industrie beschäftigten
Personen um etwa 60% gestiegen. Die ostdeutsche Landwirtschaft profitierte
damals von dieser wachsenden heimischen Industrialisierung und von dem
qualitativ und quantitativ wachsenden Bedarf der großen deutschen
Industriegebiete.
Neue Grenze heute besonders verhängnisvoll
wegen hoher Zollmauern, die durch die nationalistische, das Wirtschaftsleben
stark politisch beeinflussende polnische Wirtschaftspolitik
verstärkt werden.
c) Am meisten geschädigt ist Ostpreußen, das besonders
stark auf den nahen Absatz im Korridorgebiet angewiesen war. Näheres siehe
S. 117 ff.
d) Schäden durch schikanöse Grenzziehung. Die neue
Grenze trennt mehrere Orte von ihren Bahnhöfen, zahlreiche Städte
von ihrem Absatzgebiet, Bahnen und Straßen von ihren Knotenpunkten,
Dörfer von ihren Schulen und Kirchhöfen, Bauern von ihrem Land.
Die meisten Bahnen und Landstraßen führen ins Nichts
(vgl. S. 49). Am schlimmsten die
"Weichselwunde", vgl. S. 119 ff.
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14. Polenthese:
Der fehlende Handelsvertrag
Die Polen sagen: Der Niedergang der deutsch gebliebenen Ostgebiete
liege nicht am Korridor, sondern am Fehlen eines Handelsvertrags.
Antwort: Die Folgen einer sadistischen Grenzziehung kann kein
Handelsvertrag wiedergutmachen. Kein Handelsvertrag kann Deutschland mit den
abgetretenen Gebieten wirtschaftlich verbinden und dort ähnliche
wirtschaftliche Vorbedingungen wie in Deutschland herstellen, andererseits aber
Deutschland gegen den Wettbewerb des tieferstehenden polnischen Hauptgebiets
abschließen.
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15. Polenthese:
Der Korridor und Deutschlands
Lebensmittelversorgung
Die Polen sagen: Deutschland könne das Korridorgebiet
wirtschaftlich nicht brauchen, denn seine Rückgabe würde
Deutschlands Überschuß an Agrarprodukten noch
verschlimmern.
Antwort: Deutschland hat keinen Überschuß an
Agrarprodukten, denn es mußte selbst im Höhepunkt der Krise
noch Veredelungsprodukte, Fette und Futtermittel einführen. Der Bedarf
Deutschlands an Agrarprodukten wird noch steigen, wenn einmal nicht mehr
[53] 6 Millionen Arbeitslose
mit ihren Familien hungern oder ihren Verbrauch einschränken.
Deutschland ist dabei, seine agrarische Produktion rationell zu ordnen; es
könnte darum sehr wohl noch die landwirtschaftlichen
Überschüsse des Korridorgebiets verbrauchen, zumal da sie in einem
dem Reiche wiedergegebenen Gebiet nicht mehr wie heute bei einem niedrigeren
Kulturniveau zu abnorm geringen Selbstkosten erzeugt werden und zu abnorm
niedrigen Preisen auf den Markt kommen.
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16. Polenthese:
Das Korridorgebiet unter
Deutschland
Die Polen sagen: Das "Korridorgebiet" habe unter Deutschland ein
kümmerliches Dasein gefristet.
[33]
Abb. 7: Die Kulturgrenze
im heutigen Polen.
("Westpolen" ist im wesentlichen das
ehemals deutsche Gebiet.)
|
Antwort: Den Gegenbeweis liefert die Kulturgrenze, die
längs der alten deutsch-russischen Grenze durch das heutige polnische
Staatsgebiet geht; sie ist wohl die schärfste, die überhaupt zu finden
ist.
In dem industriellen Deutschland gehörte das Korridorgebiet als agrarischer
Bezirk zu den ärmeren Landesteilen und hatte daher Nutzen von der
Steuer- und Kaufkraft der reicheren Bezirke. Als es zu Polen kam,
gehörte es dort zu den reichsten Gebieten und wurde zugunsten der
ärmeren polnischen Provinzen hoch besteuert und ausgepowert.
Die Kulturgrenze zwischen ehemals deutschem und
ehemals russischem Gebiet ist noch heute festzustellen, und zwar nicht nur vom
Flugzeug, sondern auch von der Eisenbahn und dem Kraftwagen aus. Folgende
Zahlen29
zeigen, daß unter Preußen
und Deutschland Wohlstand ins Land und Licht in dunkle Köpfe gebracht
worden ist.
|
Posen u.
Pommerellen |
Galizien |
Kongreß-
polen |
Ost-
gebiete |
Anteil
der Analphabeten 1921
in % der über 10 Jahre alten
Einwohner |
unter
5 |
etwa
30 |
über
30 |
fast
70 |
Einkommenssteuer der Landwirtschaft pro ha |
25,50 |
5,70 |
8,50 |
2,20 |
auf 1 km
fester Landstraße kommen qkm |
unter 4 |
5,2 |
14 |
72 |
auf 10 m
Eisenbahn kamen Einwohner |
5 |
19 |
26 |
33 |
[54] Ein polnisches
Urteil: Bukowiecki, ein durchaus annexionistischer Pole,
Generalstaatsanwalt, schreibt:30 "Die
Deutschen unterschieden sich als Besitzer polnischer Gebiete auch darin von
Rußland und Österreich, daß sie das eroberte Gebiet nicht als
ein Objekt wirtschaftlicher Ausbeutung betrachteten, sondern in ihm eine
rationelle Verwaltung einführten, die für das besetzte
Gebiet von Vorteil war, wie sie denn überhaupt das Land kulturell in
jeder Hinsicht zu heben verstanden." Wirtschaftszahlen s. auch
S. 146.
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17. Polenthese:
Das Korridorgebiet unter
Polen
Die Polen sagen: Der Wohlstand des Korridorgebiets sei unter Polen
nicht geringer geworden.
Antwort: Der Niedergang wird von maßgebenden Polen selbst
zugegeben. Er konnte nicht ausbleiben, denn das Land wurde aus seinem
Wirtschaftszusammenhang herausgerissen und mit Gebieten mit niedrigerer
Lebenshaltung verkoppelt, mit denen es sich wirtschaftlich nicht ergänzt.
Es verlor seine alten Märkte für landwirtschaftliche
Qualitätsprodukte und mußte dafür zu niedrigsten Preisen
exportieren. Die tüchtigen deutschen Landwirte wurden zum großen
Teil verdrängt und durch Leute aus Kongreßpolen oder Galizien
ersetzt; das Land wurde einer schlechteren Verwaltung ausgeliefert und einer
Politik mit chauvinistischer, nicht wirtschaftlicher Zielsetzung untergeordnet.
Deutschland hebt seine ärmeren Landschaften, Polen zieht seine
reicheren herab.
a) Rückgang der Landwirtschaft.
Kunstdüngerverbrauch in Posen und Pommerellen: 1913
600 000 t, 1928 bis 1930 durchschnittlich 145 000 t
= 1⁄3.
Rückgang der Hektarerträge: z. B. bei
Zuckerrüben in Posen Durchschnitt 1909/13 31,8, Durchschnitt 1923/30
23,5. Hektarerträge für Getreide in Posen und Pommerellen 1930 auf
64% des Standes von 1908/13 zurückgegangen. Rückgang der
Schweinehaltung in Pommerellen: pro ha 1913 61, 1927 42. Niedergang
wird sich erst in kommenden Jahren statistisch voll niederschlagen.
Gründe für Niedergang außer den oben genannten die
enorme Preisschere: hohe Preise für Industrieerzeugnisse, sehr
niedrige für Landwirtschaftsprodukte, da Polen zu
Preisstützungsmaßnahmen wie in Deutschland nicht in der Lage ist
und da mangels genügenden Absatzes in Polen notgedrungen großer
Export zu Weltmarktpreisen, also ruinöser Verlustexport. Vgl. Schneider,
S. 48 ff.
b) Rückgang der Industrie betrifft alle Zweige, insbesondere
Landmaschinenindustrie, Holzindustrie und landwirtschaftliche
Veredelungs- [55] industrie (Zucker,
Spiritus). Riesige Zuckerausfuhr (weit größer als die deutsche), 1932
zu einem Drittel der Produktionskosten.31
c) Steuerliche Auspressung: 60% seiner direkten Einnahmen zieht der
polnische Staat aus den ehemals preußischen Gebieten.32
d) Polnische Zeugnisse. Im Gedenkbuch zur Zehnjahresfeier
Pommerellens (herausgegeben vom Pommerellischen
Reserve-Unteroffiziers-Verband und redigiert unter Leitung des Präsidenten
der pommerellischen Landwirtschaftskammer) spricht St. Manthey im
Hinblick auf die Landwirtschaft Posens und Pommerellens von einer
"Strukturkrise, die aus der Unifizierung der drei Teilgebiete mit
verschiedenem Niveau der Anbaukultur, der Produktionstechnik, der
Lebenshaltung, der Agrarverfassung usw. folgt".33
Die führende Warschauer
Wirtschaftszeitung Gazeta Handlowa schrieb im Februar 1932
zu einer Denkschrift der Wirtschaftsorganisationen der polnischen (ehemals
deutschen) Westprovinzen, daß die Polonisierung des
Wirtschaftslebens (Ersetzung der Deutschen durch Polen ohne
genügendes Betriebskapital) an dem Niedergang wesentlich mitgewirkt
habe. Der der Regierung nahestehende Kurier Illustrowany
Codzienny schreibt am 19. Mai 1932 am Schluß eines Artikels:
"Die Polonisierung der Betriebe, die Schwierigkeiten der Anpassung
Posen-Pommerellens an den neuen Wirtschaftsorganismus, die Politik der
Zentralregierung, das alles hat den Wirtschaftsorganismus
Posen-Pommerellens vernichtet."
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18. Polenthese:
Deutschlands und Polens
Küstenbesitz
Die Polen sagen: Es sei kennzeichnend, daß Deutschland mit
seinen 1773 km Seeküste den Polen noch ihre bescheidenen
72 km Küste wegnehmen wolle.
Antwort: Das ist eine Verdrehung des Streitpunktes. Deutschland
kommt es nicht in erster Linie auf die Korridorküste an, sondern auf die
Geschlossenheit seines Staats- und Wirtschaftsgebiets.
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19. Polenthese:
Das Interesse der Handelspartner
Polens
Die Polen sagen: Das mit Polen Handel treibende Ausland sei am
Fortbestande des Korridors interessiert. Der ausländische Handel vermeide
jetzt unnötige Kosten für die deutsche Vermittlung.
Antwort: Wenn der Korridor mit Danzig an das Reich
zurückgegeben und dann auf dem Gebiet zwischen Oder und Memel der
Wohlstand wiederhergestellt wird, dann werden diese [56]
für Auslandswaren kaufkräftiger werden als heute. Und in
das Gebiet, das dann polnisch bleibt, wird der ausländische Handel
über die deutschen Häfen und Durchfuhrstrecken ebenso gut und
billig eindringen wie etwa in die Tschechoslowakei.
Englands wahres Interesse beleuchtet ein Wort Sir
Robert Donalds: England habe durch zwei Fehler (die Zuteilung
Oberschlesiens an Polen und die Schaffung des Korridors) die oberschlesische
Kohle an die Ostsee gebracht. Näheres über das polnische
Kohlendumping siehe S. 42 f.
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20. Polenthese:
Das Interesse der mitteleuropäischen
Länder
Die Polen sagen: Im Besitze des Korridors könne Deutschland
Mitteleuropa die Bahn- und Hafentarife diktieren.
Antwort: Welcher Staat hat den polnischen Korridor nötig, um
sich einem deutschen "Tarifdiktat" zu entziehen? Für die Schweiz,
Österreich, Ungarn und Südslawien liegt das Mittelmeer am
nächsten, Rumänien liegt am Schwarzen Meer, und die
Tschechoslowakei kann den Weg über Triest gegen Deutschland
ausspielen.
Dagegen sind alle Staaten Europas daran interessiert,
daß an der gefährlichsten Stelle Europas sichere und gedeihliche
Verhältnisse geschaffen werden.
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1In einem Gutachten vom September
1928; vgl. Deutschland
und der Korridor, S. 249. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1
beachten!] ...zurück...
2Smog., S. 325 - 29. - Vergleichszahlen
von Handelsflotten (1931, in 1000 BRT): Polen 64, Dänemark 1145,
Schweden 1704, Norwegen 4066. ...zurück...
3Vgl. Fürst, S. 41. ...zurück...
4Nach Dr. Rydlewski im Kurjer
Poznanski (Schmidt, Korridor, S. 25 f.). ...zurück...
5Vgl. Budding, S. 32. ...zurück...
6Volz, Die Frage der
Internationalisierung der Weichsel (Danzig 1932),
S. 33 f. ...zurück...
7Kraus-Rödiger I, S. 435 und
469. ...zurück...
8Bukowiecki, S. 75 (Polens
Drang, S. 20). ...zurück...
9Martel, S. 78 der deutschen Ausgabe.
...zurück...
10Smog., S. 311. ...zurück...
11Statistisches Jahrbuch für
das Deutsche Reich. ...zurück...
12Rußland ist nicht zu Europa
gerechnet. ...zurück...
13Nach Werner, S. 15, 17, 21. ...zurück...
14v. Leers, S. 40. ...zurück...
15Vgl. Artikel des Leiters der
Tarifabteilung des polnischen Verkehrsministeriums, Gieysztor, nach
Ostland-Berichte, 1932,
9 - 11, S. 276 ff. Welche Last die Beförderung
der Kohle unter Selbstkosten bedeutet, zeigt schon die Angabe, daß die
Kohlentransporte 30% der Transportleistung (in tkm) der polnischen Eisenbahnen
ausmachen. ...zurück...
16Die gleichen Zahlen nennt
Smogorzewski auf S. 342. ...zurück...
17Einschließlich der
tschechoslowakischen und sonstigen Durchfuhr. ...zurück...
18Smog., S. XI, Strasburger in
Carnegie, S. 2. ...zurück...
19Vgl. Artikel von Seraphim in
Osteuropa, Jan. 1932. ...zurück...
20Nach mehrfach
veröffentlichen Berechnungen des Königsberger Instituts für
ostdeutsche Wirtschaft. Smog. S. 363 gibt den deutschen
Ostpreußen-Verkehr für 1928 mit 4,53 Millionen t an. ...zurück...
[Anm. 21 fehlt.]
22Landeshauptleute, S. 7/8.
...zurück...
23Vgl. Budding, S. 17. ...zurück...
24Vgl. Budding, S. 23 f. ...zurück...
25Vgl. Budding, S. 20 f. ...zurück...
26Vgl. Budding, S. 18 f. ...zurück...
27Näheres bei Fürst, S.
121. ...zurück...
28Näheres siehe Rauschning in
Deutschland und der
Korridor, S. 109 ff. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1
beachten!] ...zurück...
29Die erste Zahlenreihe nach
Rocznik Statystyki, 1925/26, S. 43; vgl. ferner zu den ersten
Zahlenreihen: Rauschning in Deutschland und der Korridor,
S. 118 ff. ***[Scriptorium merkt an: bitte Zusatz zu Teil 1 Anm. 1
beachten!]; die letzte, den Stand von 1914 betreffende Zahlenreihe
nach Seraphim, "Das Eisenbahnwesen Polens" in Zeitung Deutscher
Eisenbahnverwaltungen, 1931, S. 607 ff. ...zurück...
30S. 77 (Polens Drang, S. 19).
...zurück...
31Ausführungen des
Abgeordneten Rymar in Warschauer Blättern, April 1932. ...zurück...
32Budding, S. 26. ...zurück...
33Ausführlich zitiert bei
Budding, S. 26. ...zurück...
100 Korridorthesen:
Eine Auseinandersetzung mit Polen
Dr. Arnold Zelle
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