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Bd. 3: Die
grenz- und volkspolitischen Folgen
des Friedensschlusses
II. Gebietsbesetzung (Teil 2)
2) Rhein-, Main- und Ruhrgebiet
Dr. Karl Mehrmann
Berlin
Zwanzig Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, am 1. Dezember
1918 begann die Besetzung bayerischer, hessischer, oldenburgischer und
preußischer Landesteile auf dem linken Rheinufer. Zu unterscheiden sind
zwei Abschnitte in der Geschichte der Besetzung: diejenige bis zum Inkrafttreten
des Versailler
Diktates und diejenige seit seiner Rechtsgültigkeit. Der
Schnittpunkt beider Zeitabschnitte ist also nicht die Unterzeichnung der Urkunde
am 28. Juni 1919, sondern der Eintritt des tatsächlichen Friedenszustandes
am 10. Januar 1920.
Mit diesem Augenblick ändert sich auch räumlich das
Besetzungsgebiet. Beim Einmarsch der alliierten Truppen umfaßte es
gemäß Art. V des Waffenstillstandsvertrags alles deutsche Land auf
der westlichen Rheinseite zwischen der
elsaß-lothringischen, luxemburgischen, belgischen und
niederländischen Grenze; auf der östlichen Rheinseite
außerdem 3 Brückenköpfe von je 30 km Halbmesser bei Mainz,
Koblenz und Köln. Bei der zweiten Erneuerung des Waffenstillstandes
forderte und erhielt Foch am 15. Januar 1919 einen vierten Brückenkopf im
badischen Land um Kehl zum Schutz der Festung Straßburg. Das gesamte
nunmehr besetzte Gebiet hatte einen Flächeninhalt von 32 100 qkm mit rund
6 Millionen Einwohnern. Nach dem 10. Januar 1920 schied der an Belgien
überwiesene Bezirk
Eupen-Malmedy-St. Vith aus, sowie das unter die
Treuhänderschaft des
Völkerbundes gestellte Saargebiet
(1930 qkm).
Vor dem besetzten Land schuf man auf der rechten Rheinseite zwischen der
schweizerischen und holländischen Grenze eine neutrale Schutzzone. Sie
war zunächst nach Art. V des Waffenstillstandsvertrages auf 10 km Breite
beschränkt. Am 10. Januar 1920 dehnte sie sich auf 50 km Breite aus. Dieser
ostrheinische Streifen hat, von den 4 Brückenköpfen abgesehen,
weder alliierte noch deutsche Garnisonen. Er soll nach Art. 42 und
43 des
Versailler Diktates auch in
Zukunft niemals wieder deutsche Befestigungsanlagen
und deutsche Truppenkörper tragen; ebensowenig wie das linksrheinische
Gebiet. Beide zusammen bilden die entmilitarisierte Rheinlandzone, aus der
[111] die Militärhoheit des Reiches für
ewige Zeiten einseitig ausgeschaltet ist. Hingegen haben die Alliierten selbst in
dem außerhalb der Brückenköpfe liegenden Teil zwar nicht von
der Besatzung aus, aber durch ihre Militärkommission in Berlin bis zum 31.
Januar 1927 militärische Kontrolle ausüben können. Sie
dürfen sie heute noch mittelbar durch das Nachspürungsrecht des
Völkerbundsrates geltend machen. Die geschichtliche Darstellung wird
zeigen, daß es zum mindesten das Bestreben der Franzosen gewesen ist, den
rechtsrheinischen Abschnitt der entmilitarisierten Zone in die
Einflußsphäre der Besatzung hineinzuziehen.
Der erste Zeitabschnitt der Besetzung wurde beherrscht von den Bestimmungen
des Waffenstillstandes. Diese Vorschriften waren in einen einzigen Satz
hineingepreßt: "Die Gebiete auf dem linken Rheinufer werden durch die
örtlichen Behörden unter Aufsicht der Besatzungstruppen verwaltet."
Die Erfahrung lehrte, daß damit das Kriegsrecht gemeint war, das
Belagerungszustand bedeutete. Der zweite Zeitabschnitt der Besetzung seit dem
10. Januar 1920 steht unter den Bedingungen des Versailler Vertrages. Das
besetzte Gebiet wird als Pfand für die Erfüllung der
Friedensbedingungen bezeichnet. "Als Sicherheit für die Ausführung
des vorliegenden Vertrages durch das Deutsche Reich", heißt es in Art. 428,
"werden die deutschen Gebiete westlich des Rheins einschließlich der
Brückenköpfe durch die Truppen der alliierten und assoziierten
Mächte während des Zeitraums von 15 Jahren besetzt, der mit dem
Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages beginnt". Dem Pfandcharakter
entspricht es, daß im Eingang des Art. 429
eine frühere zonenweise
Befreiung des besetzten Gebietes in Zeiträumen von 5 zu 5 Jahren in
Aussicht gestellt wird, "wenn die Bedingungen des gegenwärtigen Vertrages
vom Deutschen Reiche getreulich erfüllt werden". Art. 431
geht noch
darüber hinaus, indem er die sofortige Zurückziehung der Besatzung
verspricht, "wenn das Deutsche Reich vor dem Ablauf des Zeitraumes von 15
Jahren alle Verpflichtungen erfüllt". Auch das am 28. Juni 1928
unterzeichnete
Rheinland-Abkommen kennzeichnet in seinem Art. 1 die Besetzung als eine
"Bürgschaft für die Ausführung des Friedensvertrages". Unter
dem Waffenstillstand ist sie eine Sicherung gegen die Wiederaufnahme der
Feindseligkeiten; nach dem 10. Januar 1920 eine zeitliche Bürgschaft
für die neue Friedensordnung. Demgemäß tritt seitdem die
Militärgewalt hinter die Autorität einer interalliierten
Zivilbehörde zurück.
Freilich besteht dieser Wechsel in Wirklichkeit nur dem Namen nach. Allerdings
ist der Belagerungszustand nicht mehr eine Dauereinrichtung. Aber er lauert noch
immer im Hintergrunde. Art. 15 des Rheinlandabkommens behält der
interalliierten Zivilbehörde das Recht vor, den Belagerungszustand für
das gesamte Gebiet oder [112] einen Teil anzuordnen. Er gibt sogar den
örtlichen Militärbehörden die Befugnis, in dringenden
Fällen in ihren Bezirken "einstweilige Maßnahmen zu treffen". In
solchen Augenblicken (während des Ruhrkampfes und Separatistenputsches
1923 überschritten sie die Dauer eines Jahres) war kein Unterschied
gegenüber dem militärischen Regiment vor dem 10. Januar 1920 zu
erkennen. Die Behandlung der rheinischen Bevölkerung war damals ebenso
scharf, wenn nicht schärfer als unter der Herrschaft des Kriegsrechtes
während des Waffenstillstandes.
Vor allem aber zeigte sich im Blick auf die politischen Ziele nach dem 10. Januar
1920 keine andere Richtung als vorher. Das kann nicht wundernehmen, da ja die
Träger der Besetzungspolitik vor wie nach diesem Zeitpunkt dieselben
waren. Hinter der interalliierten Zivilbehörde am Rhein war der
militärische Gedanke der Rheinlandbeherrschung versteckt. In Paris war bei
wechselnden Regierungen und sich ablösenden Methoden ständig die
letzte Absicht, die französische Machtstellung am Rhein zu verewigen. Im
Auf und Ab der Ereignisse gab es immer wieder Augenblicke, wo die
militärischen Persönlichkeiten in Paris wie auf dem linken Rheinufer
mit Ellenbogengewalt in den Vordergrund drängten. In der interalliierten
Zivilbehörde waren freilich neben dem französischen auch noch ein
belgischer, ein englischer und, bis 1923 wenigstens, als Beobachter der
amerikanische Vertreter vorhanden. Aber der französische Wille war auch in
dieser interalliierten Zivilbehörde maßgebend. Nicht nur, weil Herr
Tirard, der französische Oberkommissar und Präsident der
interalliierten Zivilbehörde, stets den Belgier auf seiner Seite hatte und
durch seine ausschlaggebende Präsidialstimme die Entscheidung
fällte. Sondern, weil Tirard eine Persönlichkeit ist, die durch
diplomatische Gewandtheit und Zielbewußtsein, sowie durch zähe
Beharrlichkeit seinen alliierten Kollegen meist überlegen war. Und weil das
politische Interesse des am Kanal, im Mittelmeer und im nahen Orient immer
wieder auf das französische Wohlwollen angewiesenen britischen
Imperiums darauf bedacht war, durch Nachgiebigkeit am Rhein die Schale der
Weltinteressen im Gleichgewicht zu halten.
Herr Tirard aber war und ist der französische General in diplomatischem
Zivil.
Wie war der Hergang? Die Besetzung des linken Rheinufers ist entstanden aus der
Sehnsucht Frankreichs nach der Rheingrenze. Am 12. Januar 1917 hatte
Ministerpräsident Briand an den französischen Botschafter in London
Paul Cambon geschrieben: "Nach unserer Auffassung darf Deutschland mit
keinem Fuß mehr diesseits des Rheins stehen. Die Organisation dieses
Gebietes, seine Neutrali- [113] tät, seine vorläufige Besetzung
müssen bei dem Gedankenaustausch unter den Alliierten erörtert
werden." In einer Note an den Botschafter Paléologue in Petersburg vom 14.
Februar 1917 forderte er mindestens die Grenze des früheren Herzogtums
Lothringen für Frankreich, und zwar nach strategischen Notwendigkeiten,
die politische und wirtschaftliche Abtrennung der übrigen linksrheinischen
Gebiete und deren Organisierung als autonomes und neutrales Staatswesen, sowie
ihre Besetzung durch französische (nicht etwa alliierte) Truppen, bis zur
völligen Erfüllung der Friedensbedingungen. Also, vermutlich
für unabsehbare Zeiten. Marschall Foch ging in der Siegesstimmung des
Novembers 1918 noch weiter. In einem Schreiben vom 27. an den
Ministerpräsidenten Clemenceau versicherte er: "Auf dem linken Rheinufer
kann es keine neutralen Staaten geben"; man müsse dort
"verhältnismäßig unabhängige" Staaten bilden, deren
Truppen "im Kriegsfalle verläßlich gegen Deutschland
verwendbar sind". In einer Note vom 10. Januar 1919 besteht er darauf, daß
der Rhein die militärische Westgrenze der deutschen Völker bilde,
daß die linksrheinischen Gebiete "vielleicht durch eine
militärisch-neutrale Zone geschützt", daß sie "mit den
übrigen Weststaaten durch ein gemeinsames Zollsystem verbunden" und in
"unabhängigen Staaten" organisiert werden. Die Besetzung soll zwar
alliierten Charakter haben; aber von einer zeitlichen Begrenzung ist keine Rede.
Kurz und gut: Fochs damaliges Ideal sind linksrheinische Pufferstaaten unter
dauernder militärischer Fremdherrschaft mit Eingliederung in das
französische Zollsystem. Schon im Dezember 1918 war auch das Thema
Ruhrbesetzung berührt worden. Bei der erstmaligen Erneuerung des
Waffenstillstandes am 13. Dezember in Trier wurde die Erklärung
abgegeben: "Das Oberkommando der Alliierten (d. i. Marschall Foch) behält
sich vor, um sich eine neue Sicherheit zu
verschaffen - wenn es das für angebracht
hält - die neutrale Zone auf dem rechten Rheinufer nördlich des
Kölner Brückenkopfes bis zur holländischen Grenze zu
besetzen." Bei der dritten Verlängerung des Waffenstillstandes setzten sich
Loucheur und Tardieu für eine etwaige Besetzung des Essener
Industriegebietes ein.
Die Ausdehnung der Besetzung scheiterte am Widerstand der Alliierten. Sie
widersetzten sich auch der Abtrennung des linken Rheinufers vom Reiche, sowie
der Bildung von Pufferstaaten und begrenzten die Besetzung auf 15 Jahre. Poincaré, damals Präsident der französischen Republik, war bis in die
tiefste Seele empört. Aber Clemenceau beschwichtigte ihn in einer
Kabinettssitzung am 25. April 1919: "Herr Präsident! Sie sind viel
jünger als ich. In 15 Jahren werde ich nicht mehr am Leben sein. Nach 15
Jahren werden die Deutschen noch nicht alle Vertragsbedingungen erfüllt
haben. Wenn [114] Sie mir nach 15 Jahren die Ehre erweisen
wollen, mich an meinem Grabe zu besuchen, dann werden Sie nach meiner vollen
Überzeugung zu mir sagen: Wir stehen am Rhein, und wir bleiben am
Rhein." Poincaré hat diese prophetische Mahnung nicht vergessen. Als er selbst
wieder Ministerpräsident geworden war, teilte er am 26. Juni 1922 seine
vertraulichen Gedanken französischen Pressevertretern mit: "Wir gehen
ganz einfach (und ich fühle mich sehr wohl dabei) der dauernden Besetzung
des linken Rheinufers entgegen. Mir für meinen Teil würde es wehe
tun, wenn Deutschland zahlte. Dann müßten wir das Rheinland
räumen.... Darum werden Sie es verstehen,.... daß das einzige Mittel,
den Versailler Vertrag zu retten, darin besteht, es zu arrangieren, daß unsere
Gegner, die Besiegten, ihn nicht einhalten können." Die Besetzung ist auch
nach 1920 für Frankreich nur der Übergang zur Dauerherrschaft am
Rhein. "Der Frieden", sagte Clemenceau in der französischen Kammer, "ist
Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln".
Wie sich die französische Besetzungspolitik das Verhältnis des
besetzten Gebietes zu Frankreich dachte, das sagt mit größter
Offenheit General Mordacq in seinem Buche Die deutsche Geistesverfassung. 5
Jahre Kommando am Rhein.
"Als Chef des Militärkabinetts unter
Clemenceau", schreibt er, "hatte ich die Grundlagen für die Neuorganisation
der Armee festzulegen. Mein Gedanke wurde angenommen, die Eroberung
Marokkos mit Deutschen zu beenden, den Schutz am Rhein aber den Marokkanern
anzuvertrauen. Mit anderen Worten: es sollte eine Division der Fremdenlegion aus
Deutschen gebildet und über ganz Marokko verteilt werden, umgekehrt
sollten an den Rhein Regimenter der kriegslustigen Marokkaner geschickt werden.
Nach meinem Austritt aus der Regierung wurde die Idee weiter ausgeführt
und vollendet. Ein marokkanisches Regiment, das 63., wurde nach dem Rhein
befördert, und Marschall Pétain setzte es durch, daß
3 - 4 Regimenter nach dem Rhein kamen, dort 1½ bis 2 Jahre blieben und
ausgebildet wurden".
Marokko und das Rheinland stehen in der
Wertschätzung des französischen Generals auf gleicher Stufe. Der
General hat dann, als er im Januar 1920 das Kommando des 30. Armeekorps in
Wiesbaden übernahm, das Seinige getan, damit er seine Idee, die rheinische
Bevölkerung nach kolonialer Methode zu behandeln, verwirkliche. "Am 28.
Oktober (1923)", so schreibt er weiter, "erhielt ich endlich das verlangte
Spahi-Regiment. Ich ließ es sofort durch das ganze Land streifen nach dem
bewährten kolonialen Grundsatz: Zeige deine Macht, damit du sie nicht
anzuwenden brauchst".
In ihnen allen, ob Zivil oder Militär, ob Präsident der Republik oder
Ministerpräsident,
Wirtschafts- oder Außenpolitiker, Marschall oder General, in Paris oder am
Rhein ist der Geist lebendig, der [115] der Rheinpolitik Frankreichs von Richelieu und
von Melac über die Bourbonen und Napoleonen, von der ersten bis zur
dritten Republik die bestimmte Richtung und ihre ständig wechselnden
Schlagworte und Methoden gegeben hat.
Barrès hat in seinen Schriften Génie du
Rhin und Politique Rhénane im Jahre 1921 für die
französischen
Hoffnungen auf den Rhein die vorläufige Formel gefunden. Er rief die
Erinnerung an das Zwischenreich der Lotharingier wach, sicher, daß ein
autonomer Pufferstaat auf dem linken Rheinufer seine Selbständigkeit nicht
lange werde behaupten können und an den mächtigen westlichen
Nachbarn fallen werde. Nach dem Inkrafttreten des Versailler Friedens wie vorher
zur Zeit des Waffenstillstandes ist die mythische Lehre Barrès' der Leitgedanke der
französischen Rheinpolitik gewesen. Es ist nicht immer möglich, den
Anteil der einzelnen festzustellen. Bald kommt der Anstoß von Paris, das
eine Mal von militärischer, dann von außenpolitischer, auch von
wirtschaftlicher Seite, bald springt der Impuls aus den Besatzungsbehörden
am Rhein heraus. Aber nur, wenn er der Duldung der Hauptstadt oder des
Zivilvertreters der Pariser Machthaber, des Herrn Tirard in Koblenz, gewiß
ist.
Ursprünglich war es die Absicht des Marschalls Foch, 50 Divisionen in das
besetzte Gebiet zu legen. Auf Erzbergers Einwurf, daß die
Friedensstärke des ganzen deutschen Heeres nur 50 Divisionen betragen
habe und daß auf der linken Rheinseite außerhalb
Elsaß-Lothringens nicht mehr als 2½ Armeekorps gestanden hätten,
daß mithin auf dem linken Rheinufer für 50 Divisionen keine
Unterkunft vorhanden wäre, bezeichnete Foch die von ihm angegebene
Ziffer als Höchstzahl. In der Tat kam nach dem Einmarsch der Alliierten auf
je 10 Einwohner 1 feindlicher Soldat. Entsprechend der Teilnahme an der
Besetzung war das Okkupationsgebiet in 4 Zonen an Franzosen, Amerikaner,
Engländer und Belgier verteilt. Der Süden gehörte den
Franzosen, und zwar stand die 8. Armee unter General Gérard in der Pfalz, die 10.
unter General Mangin von Mainz abwärts bis an den Koblenzer
Brückenkopf. Die Amerikaner hielten mit ihrer dritten Armee unter General
Ligget die Mosellinie von Trier bis zur Mündung und den Koblenzer
Brückenkopf, sowie die südliche Eifel besetzt. In späterer Zeit
schränkten die Amerikaner ihre Truppenzahl und ihren Machtbereich ein.
Die Engländer nahmen den Kölner Brückenkopf für sich.
Die Belgier mußten sich mit französischen Divisionen in den Norden
des besetzten Gebietes um Aachen teilen. Foch selber residierte in Luxemburg als
interalliierter Oberbefehlshaber.
In einer Proklamation beim Einmarsch der alliierten Truppen hatte [116] er verkündet: "Die
Militärbehörde nimmt das Kommando des Landes in ihre
Hände... Die zur Zeit der Okkupation bestehenden Gesetze und Vorschriften
werden von uns garantiert werden, so weit sie unser Recht und unsere Sicherheit
nicht beeinträchtigen... Die Zivilbehörden werden unter Leitung und
Aufsicht der Militärbehörden ihre Tätigkeit fortsetzen." Damit
war der militärische Charakter der neuen Ordnung gekennzeichnet. Er kam
in zwei einschneidenden Maßnahmen zum Ausdruck: in der Erklärung
des Belagerungszustandes und in der Fortsetzung der Blockade. Alle Waffen, auch
die harmlosen, mußten abgeliefert werden. Die Beitreibungen griffen scharf
selbst in den Privatbesitz ein. Die Fahnen und anfangs selbst die Offiziere
mußten gegrüßt werden; später wurde dieser Zwang auf
deutsche Beamte in Uniform beschränkt. Militärpolizei und
Kriegsgericht verhängten gegen Verfehlungen, die dem deutschen
Staatsbürger zum Teil unbekannt waren, drakonische Strafen. Spitzel
verleiteten harmlose, die zahllosen Verfügungen und Verbote nicht
kennende Geschäftsleute zu unbewußten Übertretungen.
Das öffentliche Leben wurde in drückender Weise gehemmt. Jeder
mehr als 12 Jahre alte Rheinländer mußte einen polizeilichen Ausweis
haben, der alle 3 Monate zu erneuern war. Ansammlungen auf der Straße
waren verboten. Versammlungen, überhaupt Zusammenkünfte und
Veranstaltungen, auch gesellige und künstlerische, bedurften der
Genehmigung. Die Presse stand unter Vorzensur. Die Einführung von
Zeitungen und anfangs auch von Büchern aus dem unbesetzten Deutschland
war untersagt. Selbst den Briefverkehr überwachte der Zensor.
Ferngespräche waren nur für geschäftliche Angelegenheiten
zugelassen. Der Bezug von
Lebens- oder Genußmitteln aus den Beständen der Truppen war unter
Strafe gestellt. Der Kauf von ein paar Zigaretten aus der Hand eines
Besatzungsangehörigen konnte ins Gefängnis führen. Von der
Truppen nicht verbrauchte
Brot- und Fleischreste wurden vergraben, statt an hungernde Kinder verschenkt.
Denn auch die Bevölkerung des besetzten Gebietes war von den
Blockade-Unbilden während der Waffenstillstandszeit nicht ausgenommen.
Aus der Fortdauer des Blockadezustandes folgte aber auch die Abschneidung der
Warenausfuhr aus dem besetzten ins unbesetzte Deutschland. Von dort wieder
durften nur Rohstoffe und Lebensmittel auf das linke Rheinufer gebracht werden.
Jeder andere Warenverkehr mußte jedesmal ausdrücklich von der
Militärbehörde genehmigt werden. Der Personenverkehr war auf das
linke Rheinufer beschränkt. Die Personenzüge machten an der
Vorpostenlinie halt. Das Militär regelte mit den mannigfachsten
Begründungen selbst die natürlichsten Geschäfte des
Privatlebens. Nicht einmal das Dungfahren der Landwirte blieb davon verschont.
Aus gesundheitlichen Gründen mußte sich in einem Bezirk jeder
Er- [117] wachsene mit einer Fliegenklappe bewaffnen,
um ständig zur Tötung leicht beschwingten Ungeziefers
gerüstet zu sein.
Vor allem aber: Das Militär dünkte sich im Besitz des Hoheitsrechtes.
Es setzte Beamte ab und wies sie aus. Marschall Foch hatte nur "die zur Zeit der
Okkupation geltenden Gesetze und Vorschriften" verbürgt. Alle nach dem
11. November 1918 entstandenen Reichsgesetze bedurften der Billigung der
Militärinstanz. Darin lag der Idee nach eine Herauslösung des
Besatzungsgebietes aus der Reichssouveränität. Sie führte bei
militärischen Persönlichkeiten, die sich ihrer Autorität im
Siegergefühl bewußt waren, ohne starke seelische Hemmung zu dem
Wunsch und dem Entschluß, die mehr als halbwegs vorhandene
wirtschaftliche und politische Ausschaltung des besetzten Rheinlandes aus dem
Reichskörper auch
staats- und völkerrechtlich zu einer vollendeten Tatsache zu machen. Am
28. November 1918, also knapp vor dem Einmarsch in das zu besetzende Land,
hatte General Gérard als künftiger Oberbefehlshaber der Pfalz in einem
pathetischen Armeebefehl seine Soldaten angeredet: "Der Sieg hat euren
Heldentaten den Lorbeer aufgedrückt. Ihr werdet jetzt die Erde betreten, auf
der vor kaum einem Jahrhundert dank unserer großen Vorfahren unsere
Trikolore flatterte. Ihr Werk werdet ihr fortsetzen. Einem unter eine
hundertjährige Tyrannei gebeugten Volk werdet ihr zeigen, was eine ihrer
Macht und ihres ehrlichen Rechts bewußte Nation kann und was sie
will."
Erinnerungen flackern auf: contre nous est la tyrannie! Die Marseillaise! Der
Freiheitsbaum, um den zur Zeit der großen Revolution in rheinischen Orten
getanzt worden war! Der überhebliche Glaube an die Überlegenheit
der französischen Kultur! "Im Gegensatz zu dem System, das die Kultur
verworfen hat, werdet ihr weder die Sicherheit noch das Eigentum
gefährden." Als General Gérard das seinen Truppen zurief, begann im Reich
der scheinbare Zersetzungsprozeß, den Spartakisten und Bolschewisten zur
Vernichtung des Privateigentums auszunützen gedachten. Adolf Hoffmann
entfaltete in Preußen als Kultusminister religionsfeindliche Gesinnungen.
Der französische Militarismus in der Pfalz hielt es an der Zeit,
gegenüber der rückständigen Bochekultur die Segnungen der
französischen Bildung den Eingeborenen durch unentgeltliche Kurse zur
Erlernung der französischen Sprache zugänglich zu machen. Im
Februar 1919 wurde damit begonnen. Neugier und billige Gelegenheit, Kenntnisse
zu erwerben, brachten zunächst eine Anzahl Teilnehmer. Das starke
Nationalgefühl bei der großen Mehrzahl der Pfälzer und die
natürliche Bequemlichkeit der Gleichgültigen zwangen die
Erziehungsbestrebungen der französischen Kulturträger bald zum
Erliegen. Auch General Mordacq muß aus seinen späteren
Erfahrungen bekennen, daß die Pfälzer nichts an und in sich hatten,
[118] was auch nur im geringsten an
französische Sitten und Gedanken erinnere. Der Versuch, mit der
pénétration pacifique wie in Marrokko Eroberungen zu machen, war
fehlgeschlagen.
Aber General Gérard war noch entfernt davon, sich zu seinem Mißerfolg zu
bekennen. Am 20. April 1919 eröffnete er in Zweibrücken eine
französische Kunstausstellung. Er pries sie den zu der Feier kommandierten
Deutschen mit französischem Elan:
"Das hauptsächlichste und
eigentliche Ziel der Ausstellung ist, dem Pfälzer Land den Geist Frankreichs
zu übermitteln. Der Geist unseres Landes ist weder tyrannisch noch
herrschsüchtig. Wir sind hergekommen als Sieger. Wir befinden uns hier als
die Schützer der Ordnung, von Hab und Gut, Leib und Leben... solange es
unsere Sicherheit und die der Pfälzer gebietet. Wir werden uns am Rhein
bestimmte militärische Garantien sichern, um uns gegen die über kurz
oder lang erfolgende aggressive Wiederkehr des preußischen Militarismus zu
schützen.... Mehr als Dinge, Ideen sind es, die hier ausgestellt sind, Ideen
von einer einzig dastehenden Größe. Die Pfälzer, deren
Vorfahren vom Sturm der großen Revolution mitgerissen wurden, und die
sich unter der Fahne der Freiheit, schlugen, sind herrlich vorbereitet, um all das zu
verstehen."
Das sonderbare Gemisch von Kunstbegeisterung, Siegerpose,
politischer Geschäftsanpreisung, Beschimpfungen und französischen
Zukunftsplänen auf rheinischem Boden verlockte nicht zum Eingehen auf
die von General Gérard gewiesenen Gedankengänge.
Gewiß, im Augenblick, als der Anmarsch der alliierten Truppen erwartet
wurde, war hier und da am linken Rheinufer die Hoffnung aufgetaucht, man
könne der gefürchteten Einverleibung in den französischen
Staat vielleicht entgehen, wenn man nach dem Wilsonschen
Selbstbestimmungsrecht greife und für das Rheinland den Anspruch auf
Autonomie erhebe. Es scheint, als sei dieser Gedankengang aus der Schweiz
herübergetragen worden und dort möglicherweise auf
französischen Anstoß zurückzuführen. In wenigen
romantischen Seelen flammte auch der Gedanke an eine Renaissance des
ehemaligen Lotharingierreiches als Mittelstücks längs des ganzen
Rheinlaufs zwischen dem französischen und deutschen Staate auf. Aber der
trügerische Nebel umhüllte die Geister nur für einen Abend.
Schon der nächste Morgen verscheuchte sie mit dem demokratischen
Hoffnungsstrahl eines großdeutschen Reiches durch die
Anschlußerklärung
Österreichs. Zweifellos gab es
einige kleinlich Ängstliche, die sich vor der ungeheuren
Kriegsentschädigung fürchteten und glaubten, ihrem Anteil durch
staatliche Verselbständigung des Rheinlandes entgehen zu können.
Aber überwältigend war die Zahl der Andersdenkenden, die
entschlossen waren, rheinauf, rheinab, das deutsche Volk in seiner ärgsten
Not nicht [119] im Stiche zu lassen, sondern mit ihm das
unabwendbar gewordene Schicksal zu teilen.
General Gérard entbehrte des psychologischen Verständnisses für die
Regungen des Vaterlandsgefühls eines besiegten Volkes. Er meinte in einem
Runderlaß an seine Armee vom 16. März 1919, der linksrheinischen
Bevölkerung die Trennung vom rechten Ufer durch "eine Versicherung
gegen die Anarchie" und durch den großen Gedanken der Freiheit
annehmbar machen zu können. Er berief am 31. März einen
Notabeln-Rat. Sein Bemühen, ihn für den
Selbständigkeitsgedanken zu gewinnen, war jedoch zwecklos; nur die kleine
Gruppe um den politisch bisher bedeutungslosen Chemiker Dr. Haas aus Landau
hielt zu ihm. Haas riet ihm, sich des angesehenen Regierungspräsidenten
von Winterstein zu vergewissern. Aber Winterstein lehnte ab, er berief sich auf die
Notwendigkeit des verfassungsmäßigen Verfahrens. Eine große
Versammlung politisch und beruflich führender Persönlichkeiten
unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten betonte dann am 18. Mai "die
unlösliche Zugehörigkeit der Pfalz zu Deutschland. Die Pfälzer
werden gerade in dieser schwersten Stunde der deutschen Geschichte ihrem
geliebten deutschen Vaterland unverbrüchliche Treue halten".
Gérard tat das, was ihm die Eile gebot. In Versailles drängte die
Friedenskonferenz ihrem Ende entgegen. Noch schien es möglich, dem
Verlangen Wilsons und Lloyd Georges, daß das Rheinland dem Reich
verbleibe, durch die Gründung selbständiger Staaten auf dem linken
Rheinufer den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Die Bahn schien
frei für die Proklamierung der autonomen Pfalzrepublik. Haas erklärte
am 1. Juni unter dem Schutze französischer Soldaten im
Regierungsgebäude in Speyer dem stellvertretenden
Regierungspräsidenten, daß er die autonome freie Republik Pfalz
ausrufe unter Trennung von Bayern und vom Reich.
Auf dem Wege zu seiner Staatsaktion war er aber bereits von Arbeitermassen
verprügelt worden. Unter diesen Schlägen ging sein und Gérards Plan
einer pfälzischen Republik in Scherben, noch bevor er seine separatistische
Proklamation im Regierungsgebäude von sich gegeben hatte. Er
führte noch ein kümmerliches Dasein in der Zeitung Freie Pfalz.
Den Präsidenten Wilson und Lloyd George vermochte aber dies
klägliche Schauspiel in Speyer nicht mehr umzustimmen.
Ebenso peinlich mißglückte der Putsch, den der frühere
Staatsanwalt Dr. Dorten am selben 1. Juni in Wiesbaden unter dem Schutz des
Generals Mangin wagte. Auch dieser Armeebefehlshaber hatte es in seinem
Mainzer Befehlsbereich mit der "friedlichen Durchdringung" versucht, die er als
Kolonialsoldat in Tunis und Morokko [120] kennen gelernt hatte. Erfolg war ihm ebenso
versagt, wie seinem Kameraden in der Pfalz. Mangin packte die Autonomiefrage
dann fast noch energischer an als Gérard. Dorten stand unter dem Ehrgeiz seiner
vermögenden Frau. Er glaubte auch weitreichende Verbindungen mit
rheinischen Politikern zu haben. Aber er täuschte sich über die
Tragweite seiner Beziehungen. An einflußreicher Stelle war man nirgends
geneigt, ihm auf dem Wege der Gewalt und des Einverständnisses mit den
Franzosen zu seiner "rheinischen Republik im Rahmen des Deutschen Reiches" zu
folgen. Es war den Einsichtsvollen klar, daß die rheinische Republik unter
den gegebenen Verhältnissen bald aus dem Rahmen des Reiches in die
Arme Frankreichs fallen werde. Als Dorten seine Schar am Tage des Putsches
übersah, mußte auch er erkennen, daß seine Gefolgschaft winzig
und dem Werte nach unbedeutend war.
Mangin hatte zunächst beabsichtigt, die Putschbewegung nicht in seinem
Befehlsreich, sondern am Sitz des rheinischen Oberpräsidiums und im
Brückenkopf der Amerikaner, in Koblenz, vor sich gehen zu lassen. Am
22. Mai 1919 erschien ein Oberst seines Stabes beim amerikanischen General Ligget,
um zu erforschen, wie die amerikanische "Haltung bei einer politischen Revolution
auf dem westlichen Rheinufer zur Errichtung einer unabhängigen
Rheinlandrepublik sein werde". Wir sind über den Sinn dieser
Ausforschung durch einen Brief unterrichtet, den Wilson an Clemenceau gerichtet
hat: "General Ligget lehnte es sofort ab, diesen Vorschlag auch nur in
Erwägung zu ziehen.... Er hat Befehl erlassen, den Eintritt von Agitatoren in
den amerikanischen Sektor nicht zu gestatten." Dieser Befehl ist treulich
ausgeführt worden. Als Dorten die Keckheit hatte, in einem Automobil in
der Koblenzer Zone zu erscheinen, wurde eifrig nach ihm gesucht. Ligget
berichtete an den amerikanischen Oberbefehlshaber Pershing und dieser an Wilson.
Der amerikanische Staatspräsident rügte "mit ernster Sorge" in dem
Brief an den französischen Ministerpräsidenten das Vorhaben
Mangins und hielt sich überzeugt, daß Liggets Anordnungen
Clemenceaus Beifall finden würden.
Trotzdem nahm die Putschkomödie ihren Fortgang. Am 1. Juni, am selben
Tage, als Gérard der Proklamation des Dr. Haas in Speyer seinen Segen
angedeihen ließ, schlüpfte Dorten in das Wiesbadener
Regierungsgebäude und ließ durch Maueranschläge
verkünden, daß sich das rheinische Volk von Preußen losgesagt
und die "Rheinische Republik" gegründet habe. Von Mainz bis Koblenz
brauste die Erregung auf und machte sich am 2. Juni in einem Generalstreik Luft.
Die Amerikaner duldeten in ihrem Abschnitt die Gegenbewegung der
empörten Bevölkerung in dem mit Rücksicht auf ihre
französischen Alliierten zulässigen Maß und mit unverhohlener
Schadenfreude. Der [121] deutsche Friedensunterhändler in
Versailles, der Außenminister Graf
Brockdorff-Rantzau, bat die Friedenskonferenz um Schutz. Die Politik des
französischen Militärs hatte die Wirkung, daß Lloyd George
sogar gegen die Zulassung der 15jährigen Besetzung des Rheinlandes aufs
Neue bedenklich wurde. Und General Weygand, der Generalstabschef des
Marschalls Foch, rang sich zur Erkenntnis durch, daß "der Galopp" auf dem
holperigen Gelände der Rheinpolitik denn doch nicht die richtige Gangart
sei. "In diesem Augenblick", hatte der englische Ministerpräsident
erklärt, "arbeiten Ihre Generale daran, eine rheinische Republik zu machen.
Das ist das wahre Mittel ihre Entstehung zu verhindern." Dem französischen
Militarismus am Rhein wurden vorübergehend Zügel angelegt. Die
beiden durch ihren Erfahrungsmangel diskreditierten Generale blieben nur noch
kurze Zeit auf ihrem Posten. Als nach der Unterzeichnung des Versailler Diktates
die Besatzungungstruppen vermindert wurden, schieden auch die beiden
Generäle aus ihrem Kommando. Vielleicht war es doch kein Zufall gewesen,
daß beide am selben Tage in ihrem Befehlsbereich die Putschisten zu einem
Experiment hatten kommen lassen, das freilich mißglückte. Und
vielleicht war es auch nicht von Ohngefähr, daß die Putschabsichten
an das Tageslicht traten, gleich nachdem Marschall Foch am 6. Mai in der
Vollsitzung der interalliierten Friedenskonferenz einen letzten, aber vergeblichen
Versuch gemacht hatte, die zeitlich unbegrenzte Besetzung
durchzudrücken.
"Auf Grund des Friedensvertrages übernimmt die Interalliierte
Rheinlandkommission von heute ab die oberste Vertretung der alliierten
Regierungen im besetzten Gebiet." Mit diesem Satz leitete die bei der
Unterzeichnung des Friedensvertrages in Aussicht genommene interalliierte
Zivilbehörde am 10. Januar ihren Aufruf an die Bevölkerung des
besetzten Gebietes ein. Es war eine Art Thronrede der
Rheinlandkommission.
Sie war gesättigt mit Wohlwollen für die Einwohner des anvertrauten
Landes, nicht frei von jener zum überstiegenen Selbstlob neigenden
Rhetorik, die dem Charakter der französischen Nation eigentümlich
ist und auf die Urheberschaft der Proklamation einen naheliegenden Schluß
zuläßt. Auch spielte ein leiser Klang hinein der schier
unersättlichen, verbissenen Freude Clemenceaus an der Kriegsanklage, mit
der er in seiner Mantelnote
vom 16. Juni 1919 Deutschland moralisch zu
erdrücken versucht hatte.
"Entsprechend den Weisungen der alliierten
Regierungen", so ließ sich die Rheinlandkommission hören,
"wünscht sie die Lasten der Besatzung für die rheinische
Bevölkerung so leicht wie möglich zu machen unter [122] der einzigen Bedingung, daß sich die
deutsche Regierung bemüht, die schuldigen Reparationen an die vom Kriege
heimgesuchten Völker zu zahlen. Die Oberkommission verbürgt sich
der rheinischen Bevölkerung dafür, daß das
Rheinlandabkommen, dessen besonders freiheitlicher Inhalt ohne Beispiel in
der Geschichte ist, seinem Geist und seinem Wortlaut nach
durchgeführt wird. Sie wird andererseits im Einvernehmen mit dem
Oberbefehlshaber der Truppen darüber wachen, daß die Sicherheit der
Truppen nicht beeinträchtigt wird.... In ihrer Verantwortung für die
öffentliche Ordnung, deren Aufrechterhaltung zuletzt den
Besatzungstruppen obliegt, beabsichtigt sie, der Bevölkerung die
Gerechtigkeit, die Ausübung ihrer öffentlichen Freiheiten und die
Entwicklung ihrer berechtigten Wünsche und ihres Wohlergehens zu
gewährleisten".
Die Truppenzahl war immer noch mehr als doppelt so groß wie in der
deutschen Vorkriegszeit. 1921 zählte die französische Rheinarmee
annähernd 90 000 Mann, darunter fast 19 480 braune, gelbe und schwarze
Eingeborene außereuropäischer Erdteile. 1922 wurde die
französische Besatzung sogar auf mehr als 100 000 Köpfe
erhöht. Dazu kamen noch 30 000 Belgier, 10 000 Engländer und 3000
Amerikaner. Insgesamt also fast 150 000 Mann. Die Zahl der deutschen Kasernen
reichte bei weitem nicht aus. Es wurden Schulen, Hotels und gewerbliche
Räume beschlagnahmt. Offiziere und Unteroffiziere mit ihren Familien
wurden zu Tausenden in den deutschen Wohnungen einquartiert, die deutschen
Besitzer in Hinterstuben und Dachkammern verdrängt. Ganze Stadtviertel,
so in Koblenz und anderen Orten, schossen auf Befehl der
Besatzungsbehörden für die Unterbringung der fremden Familien aus
dem Boden. Tennis- und Spielplätze mußten eingerichtet, selbst Bordelle mit
deutschem Menschenmaterial eröffnet werden. Jagdreviere wurden
beansprucht. Der Landwirtschaft wurden weite Flächen Ackerlands ohne
Rücksicht auf ihren Wert entzogen zur Herrichtung von
Flug-, Schieß- und Übungsplätzen. Die Anlage eines
Exerzier- und Schießplatzes von 3000 ha bei Ludwigswinkel allein belastete
das Reich mit 12 Millionen Goldmark. Alljährlich mußten die
vorhandenen Kraftwagen, Motorräder, Zugtiere und Wagen von ihren
deutschen Besitzern französischen Kommissionen zur Musterung
vorgeführt werden. Diese Anordnung wurde deutscherseits als besonders
entwürdigend empfunden, weil die Vorführung als Vorbereitung einer
etwaigen Mobilmachung gegen das deutsche Vaterland gedacht war. Das linke
Rheinufer war für die Franzosen auch im Frieden das Aufmarschgebiet
gegen das rechtsrheinische Deutschland. Militärisch hatte sich nichts
gegenüber der Waffenstillstandszeit geändert. Die Gesinnung der
Fremden war nicht freundlicher, die materielle Last und [123] der seelische Druck für jeden einzelnen
Bewohner des besetzten Gebietes nur noch erregender geworden, weil die
Fremdherrschaft mit der Wiederkehr des Friedens in schreiendem Widerspruch
stand.
Es war Fremdherrschaft. Die Autorität der
Reichs- und Staatsregierungen bestand dem Namen nach fort. In Wirklichkeit war
sie ausgeschaltet. Die maßgebende Gewalt war an die interalliierte
Rheinlandkommission übergegangen. Ihre Verfassung war im
Rheinlandabkommen enthalten, das am 28. Juni 1919 zugleich mit dem
Friedensvertrag unterzeichnet worden war, aber ebensowenig wie dieser
Vertragscharakter hatte und dem Diktatinstrument von Versailles als vierter Teil
eingefügt war. In ihrer Thronrede vom 10. Januar hatte die
Rheinlandkommission die Wirklichkeit treffend geschildert, wenn sie darauf
hinwies, daß sie die Verantwortung für die öffentliche Ordnung
habe, und daß deren Aufrechterhaltung zu guter Letzt Sache der
Besatzungstruppen sei. Immer noch ist der Besitz der militärischen Macht
das Kennzeichen der wirklichen Herrschaft. Das Deutsche Reich darf am Rhein
keine Truppen halten, nur Polizei. Aber Art. 13 des Rheinlandabkommens behielt
die letzte polizeiliche Befugnis im gesamten besetzten Gebiet mit dem Recht, den
Belagerungszustand zu verhängen, der Rheinlandkommission vor; in
dringenden Fällen sogar den örtlichen Militärbehörden.
Es ist Militärdiktatur, die sich in Zivilkleidung (und auch das noch nicht
einmal immer und überall) gesteckt hat. Nach Art. 5 des
Rheinlandabkommens bleibt zwar die Zivilverwaltung der Provinzen,
Regierungsbezirke,
Stadt- und Landkreise und Gemeinden in der Hand der deutschen Behörden.
Die deutsche Gesetzgebung besteht weiter unter der Leitung der deutschen
Zentralregierung. Ein Communiqué der Rheinlandkommission, das am 4.
Dezember 1924 durch die Presse amtlich verbreitet wurde, gab bekannt, daß
deutsche Gesetze und Verordnungen künftig "in fast allen Fällen" im
besetzten Gebiet zur nämlichen Zeit in Kraft treten dürfen wie im
übrigen Deutschland. In Wahrheit prüft die Rheinlandkommission die
deutschen Gesetze auf ihre Zulassung, genehmigt sie oder versagt ihre
Zustimmung. Das geschah erstmalig am 26. Juni 1920 dem Art. 4a des deutschen
Gesetzes über Wohnungsmangel (vom 11. Mai desselben Jahres).
Der letzte und höchste Gesetzgeber, Verwalter und Gerichtsherr im
besetzten Gebiet ist die Rheinlandkommission. Art. 3 des Rheinlandabkommens
gibt ihr freilich nur das Recht, "Verordnungen zu erlassen, soweit dies für
die Gewährleistung des Unterhaltes, der Sicherheit und der
Bedürfnisse der Streitkräfte der assoziierten Mächte
nötig ist". Aber die Kommission hat dies ihr zugesprochene Recht aus
eigener Machtvollkommenheit, besonders in der Ruhrkampfzeit, ausgebaut. Sie
erweiterte die Rechtsgrundlage, indem sie zur Sicherheit der Besatzung auch deren
"Würde" als schutzbedürftig [124] hinzufügte. Damit ließ sich so
ziemlich alles decken, was zu verfügen sie sich erkühnte. Sie dehnte
ihre Verordnungsbefugnis auf alle Gebiete des öffentlichen, politischen und
wirtschaftlichen, auch des privaten Lebens aus. Ihre "Verordnungen", sagt Art. 3,
"haben Gesetzeskraft und werden mit ihrer Veröffentlichung als solche von
dem alliierten und assoziierten Militär, sowie von den deutschen
Zivilbehörden anerkannt". Die Verordnungen der Rheinlandkommission
erscheinen als "Ordonnanzen"; ihre Zahl ist bisher auf 316 gestiegen. Nach Art. 4
sind die deutschen Behörden, auch im unbesetzten Deutschland, verpflichtet,
jede Person, die eines Verbrechens oder Vergehens gegen Personen oder Eigentum
der alliierten Streitkräfte angeklagt ist, zu verhaften und dem nächsten
Militärbefehlshaber zu übergeben. Die Begriffe "Sicherheit,
Unterhalt, Bedürfnisse und Würde" der alliierten Truppen schufen den
weitesten Spielraum für die Ausbreitung der französischen und
belgischen Militärgerichtsbarkeit auch gegenüber deutschen
Privatpersonen. Nach Ordonnanz 29 vom 13. Juli 1920 (später durch die
Verordnung 286 ersetzt) behält sich die Rheinlandkommission die
Zustimmung zur Ernennung deutscher Beamter vor: ebenso auch das Recht der
Absetzung und Ausweisung. Die Verdrängung mißliebiger Personen
ist freilich eine Maßnahme, die sich nicht nur gegen Beamte richtete. Sie
wurde auch gegen Private angewandt. Häufig und besonders im
Ruhrkampfjahr auf eine bloße Anzeige hin.
Das besetzte Gebiet war entgegen dem
Wilson-Programm und dem Vorfrieden zuwider zum Objekt der
französischen Politik herabgewürdigt. Die interalliierte
Kommission aber war den Deutschen am Rhein gegenüber die
Verkörperung der unbeschränkten Willkürherrschaft. Keine
parlamentarische Vertretung, kein Beirat aus der Einwohnerschaft
beschränkte ihre Entschließungen. Sie streckte ihre Fühler
durch das System der Delegierten bei den Regierungspräsidenten,
Landräten und Oberbürgermeistern in alle deutschen
Verwaltungszweige. Die Delegierten waren meist aktive Offiziere, die für
die Zivilverwaltung beurlaubt waren. Sie hatten kein selbständiges
Verfügungsrecht mehr wie während des Waffenstillstandes. Sie waren
Verbindungsleute zwischen der Rheinlandkommission und der deutschen
Verwaltung. Aber die Wirklichkeit sah meist anders aus und zeigte sie als
eigenwillige Nebenregenten. So drang die Geistigkeit des französischen
Militarismus bis in die feinsten Kanäle der deutschen Verwaltung. Es kam
hinzu, daß der französische Oberbefehlshaber durch seine alleinige
Zuständigkeit für Beitreibungen und durch seine Befehlsgewalt
gegenüber der Eisenbahn, Post und Schiffahrt, vor allem aber durch die ihm
unterstellte französische Gendarmerie und Sûreté
(Geheim- und Kriminalpolizei) bis in die entlegensten Orte und bis in alle
Verwaltungsstellen des [125] wirtschaftlichen und politischen Lebens seinen
Einfluß ergießen konnte. Alle Methoden der Waffenstillstandszeit:
Verbote von Zeitungen, Büchern, Filmen, vaterländischen
Gesängen, reichsdeutscher Flagge, Versammlungen und Vereinen, wurden
in die Friedenszeit hinübergeschleppt. Der deutsche Reichskommissar in
Koblenz, zuerst der frühere Regierungspräsident in Köln, Herr
von Starck, nach dessen von Tirard erzwungenem Rücktritt seit Juni 1921
Fürst
Hatzfeld-Wildenburg, konnte der französischen Allmacht nichts
entgegensetzen als schriftliche oder mündliche Einsprüche. Der
Reichskommissar, den das Rheinlandabkommen nicht kennt, ist nur der geduldete
diplomatische Vertreter des Reiches bei der Rheinlandkommission.
Der französische Oberkommissar in Koblenz, Tirard, übrigens auch in
Marokko verwaltungstechnisch geschult, hat vom 10. Januar 1920 an bis zum
heutigen Tage den Vorsitz in der interalliierten Rheinlandkommission. Unter erst
vier und, nach dem Januar 1923, drei Mitgliedern der Kommission ist er, da der
belgische Vertreter fast ausnahmslos auf seiner Seite steht, der tatsächliche
Herrscher des besetzten Gebietes. Es ist die Eigentümlichkeit einer
Regierung, die die Form einer Kommission hat, daß nach außen die
Verantwortlichkeit namenlos ist. Um so schlimmer für die regierte
Bevölkerung. Was Frankreich bei Stimmengleichheit durch die
ausschlaggebende Stimme seines Vorsitzenden Vertreters in der Kommission
erzwingt, fällt nur zum Teil auf das Konto der französischen Politik.
Es muß von Belgien und England mitgetragen werden. Die Ungreifbarkeit
der verflüssigten Verantwortlichkeit, ihre Namenlosigkeit erschwert es der
ohne ihr Mittun regierten Bevölkerung, die Selbstherrschaft des
französischen Machtwillens am Rhein vor den Richterstuhl des
Weltgewissens zu ziehen. Das ist eine Zuständlichkeit, die Frankreich,
nachdem es ihm in Versailles nicht gelungen war, die anerkannte Vorherrschaft am
Rhein zu erringen, mit großem Geschick für seine niemals
aufgegebenen Sonderziele auszunützen verstand. Mit dem
feinfühligen Tastsinn des Politikers, der die Maskierung für ein
starkes Erfolgmittel der Diplomatie hält, hatte schon Briand 1917 in seinen
Noten an Cambon und Paléologue die Namenlosigkeit des französischen
Einflusses in scheinbar selbständigen Staatsgebilden als das politisch
Vorteilhafteste bezeichnet. Er ist dieser Vorliebe für getarnte Machtstellung
bis zu seiner Forderung der Versöhnungskommission in der Gegenwart treu
geblieben.
Das Versteckspiel gehörte auch unter der scheinbaren Friedensordnung des
Rheinlandabkommens zu den Kunststücken
der pénétration pacifique. Tirard
gründete in Koblenz das französische Nachrichtenblatt in deutscher
Sprache. Angeblich zur bloßen Richtigstellung deutscher Falschmeldungen
bestimmt, erging sich das Presse- [126] organ in Wirklichkeit in Lobpreisungen
Frankreichs und französischen Wesens. Trotzdem es in Massen unbestellt
und umsonst überallhin verschickt wurde, fand es kaum irgendwo
Beachtung. Frankreich arbeitete weiter mit Kunstdarbietungen, so 1921 mit einer
Ausstellung in Wiesbaden, mit
Theater- und Konzertreisen. Es übte sich auch in Wohltätigkeit,
eröffnete in Biebrich und Höchst Kindergärten mit Schokolode.
Und erntete wieder keinen Erfolg.
Da griff man aufs neue zu dem schon einmal ohne Glück erprobten
Separatismus. Man unterstützte die von Dorten in Koblenz ausgehaltenen
beiden Blätter Rheinischer Herold und Der Rheinländer. Aber die
deutschen Bezieher blieben immer nur vereinzelt. Schien Dorten ein Versager zu
sein, so konnte vielleicht der Kölner Smeets zum Träger des Erfolges
werden. Er stammte aus Arbeiterkreisen, gründete eine "rheinische
republikanische Unabhängigkeitspartei" und die dazu nötige Zeitung
Die rheinsche Republik. Aber auch die Spekulation auf die
Arbeiterschaft erwies sich als trügerisch. Tirard hatte sich ziemlich weit
vorgewagt, als er am 10. Januar 1920 durch eine Verordnung aus der Zeit des
Waffenstillstandes, die politische Kundgebungen verbot, seine schützende
Hand über Haas und Dorten ausstreckte. Als dieser verunglückte
Putschist des 1. Juni 1919 am 24. Juli 1920 von Frankfurter Polizisten wegen
Hochverrats verhaftet und ins unbesetzte Gebiet gebracht wurde, erzwang Tirard
seine Freilassung. Mordacq gab Dorten eine
sauve-garde und legte einen Offizier als ständigen Schutzengel in seine
Wohnung. Tirard aber tat ein übriges. Durch die Ordonnanz 90 vom 16. Juni
1921 machte er die Rheinlandkommission zum Beschützer aller, die "den
alliierten Besatzungsbehörden Dienste geleistet oder mit ihnen in Beziehung
gestanden" hatten. Als Smeets im Dezember 1921 in Köln wegen
Pressebeleidigung deutscher Beamten in Untersuchungshaft geriet, dehnte Tirard
die Unverletzlichkeit dieses Schützlings noch weiter aus. Die Kölner
Strafkammer verurteilte Smeets wegen Beleidigung in 4 Fällen zu 9
Monaten Gefängnis. Die Rheinlandkommission untersagte am 7. Oktober
1922 die Vollstreckung des Urteils. Smeets wußte, was er seinem Helfer
schuldig war. Im Dezember 1922 berief er seine
rheinisch-republikanische Volkspartei zu einer Versammlung nach Bonn und
forderte: einen rheinischen Vertreter als Reichskommissar in Koblenz (er
mochte an sich selber denken); die Ausweisung der preußischen Beamten
und der Mitarbeiter des Heimatdienstes (die er in jeder deutschen Redaktion am
Rhein argwöhnte); Einführung eines Rheinfranken statt der Mark!
Tirard hätte zufrieden sein können, wenn der gute Wille seines
Handlangers genügt hätte, dem Separatismus zum Siege zu
verhelfen.
[127] Mit dem Blick auf den Rhein standen die
französischen
Militär- und die Wirtschaftspolitiker in Ideengemeinschaft und
Interessenverwandtschaft Seite an Seite. Auf imperialistischer Grundlage.
Die Absicht war, das linke Rheinufer zum Ausfalltor der französischen
Festlandspolitik in das Zentrum Europas, zugleich auch zum Absatzmarkt der
französischen Erzeugnisse zu machen. Verkehrssperre des besetzten
Gebietes gegen das deutsche Mutterland, das war ein Gedanke, der die
französischen Rheininteressenten vom Augenblick des Waffenstillstandes an
und seitdem in mehrfacher Wiederkehr beherrscht hat. Der andere: Einbruch der
französischen Waren durch das "Loch im Westen", das Art. 68 des
Versailler Diktats für 5 Jahre dem zollfreien Eintritt
elsaß-lothringischer und damit auch altfranzösischer Rohstoffe und
Fabrikate offen hielt. Das übrige tat der Schmuggel der von Zollabgaben
nicht betroffenen Besatzungsangehörigen. Hinter diesen Einbrüchen
französischer Erzeugnisse lauerte der Gedanke Fochs vom 10. Januar 1919:
Einbeziehung in das Zollsystem Frankreichs.
Als zweite Etappe hatte der französische
Militär- und Wirtschaftsimperialismus das 50 km breite entmilitarisierte
Vorgelände auf dem rechten Rheinufer ins Auge gefaßt. Von hier
führten die Wege nach dem Innern Deutschlands. Hier lagen die
Kohlenschätze der Ruhr, die, in der Vorkriegszeit mit der lothringischen
Minette verbunden, durch das Versailler Diktat vom lothringischen Erz
weggerissen worden waren. Über den militärischen und
wirtschaftlichen Hoffnungen schwebte das romantische Traumgesicht Richelieus:
die Sprengung der staatlichen Organisation des deutschen Nachbarn.
Zu jener Zeit war Degoutte Oberbefehlshaber der Rheinarmee. Im Frühjahr
1920 drangen deutsche Truppen zur Niederwerfung des
Kommunisten-Aufstandes in das westdeutsche Industriegebiet, also in die
entmilitarisierte Zone. Die Reichsregierung suchte um die erforderliche
Genehmigung der Alliierten nach. Ministerpräsident Millerand verweigerte
sie, und General Mordacq erhielt von Degoutte den Befehl, von Wiesbaden aus
Frankfurt a. M. zu besetzen. Von Sanktions wegen. Das wurde nun innerhalb des
besetzten Gebietes das selbst im Kleinverkehr gegenüber Privatpersonen
übliche Wort, mit dem fortan Frankreich seine Angriffsmaßnahmen
begründete. Am 6. April 1920 war Frankfurt erobert. Als es am Morgen aus
dem Schlaf erwachte, sah es sich zu seinem Erstaunen in das besetzte Gebiet
einbezogen. Ebenso erging es Darmstadt, Hanau, Homburg v. d. H. und
Limburg an der Lahn. Die Belgier hatten sich kameradschaftlich an der
ungefährlichen Expedition beteiligt.
Nicht jedoch die Engländer. Lloyd George teilte die Überraschung der
Frankfurter. Er war nicht gewillt, sein mühsam auf dem Versailler
Besetzungskompromis errichtetes Gleichgewichtssystem durch [128] den französischen Marsch an den Main,
die alte Scheidelinie zwischen
Nord- und Süddeutschland, zertreten zu lassen. Der Fortbestand des Reiches
gehörte trotz der britischen Abneigung gegen die deutsche Machtgeltung zu
den Momenten, mit denen der englische Ministerpräsident die Schale der
Festlandspolitik in der Schwebe zu halten suchte. Am 1. Mai 1920 mußte das
neu besetzte Gebiet wieder geräumt werden.
Der französische Imperialismus richtete seine Augen nunmehr nach dem
Norden. Was am Main nicht geglückt war, konnte an der Ruhr gelingen. Der
Vorstoß nach Frankfurt hatte etwas zu stark den militärischen
Angriffsgeist entlarvt. Man schickte Geldleute voran und hatte den Erfolg, diesmal
Englands Zustimmung zu finden. Auf der Londoner Konferenz des Jahres 1921
wurden dem Reiche als Reparationssumme 226 Milliarden Mark genannt. Ein
Ultimatum drohte im Falle der Weigerung mit der Besetzung von
Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort, außerdem mit der Beschlagnahme
der Zölle an der Westgrenze und mit der Errichtung einer Zollinie an der
Ostgrenze des besetzten Gebietes. Am 7. März lief das Ultimatum ab. Am 8.
rückten Franzosen und Belgier in Düsseldorf ein und an die
Ruhrmündung vor. Ein Protest der Reichsregierung beim
Völkerbundsrat hatte keinen Erfolg.
Durch Verordnung 77 vom 8. März stellte die Rheinlandkommission die
gesamte deutsche Zollverwaltung im besetzten Gebiet unter ihren Befehl. Damit
entzog sie zum erstenmal einen Dienstzweig der angestammten Staatsgewalt.
Durch die Ordonnanz 81 vom 8. April errichtete sie an der Ostgrenze des besetzten
Gebietes die neue Zollgrenze. In Bad Ems wurde ein besonderes
Ein- und Ausfuhramt eingesetzt, zwar mit deutschen Beamten, aber unter der
Oberleitung eines besonderen interalliierten Komitees. Das Emser Amt
mußte die Einfuhr aus dem unbesetzten Deutschland nach Möglichkeit
erschweren, gestattete sie hingegen westlichen Waren in freiester Weise.
Besonders das Eindringen französischer Parfüms und Branntweine
wurde begünstigt. Das Ziel schien erreicht: die wirtschaftliche Absperrung
der besetzten Gebiete vom deutschen Stammlande durchgeführt. Man
konnte mit dem Reich wieder in Verbindung treten, um den Reparationsstrom
auszuschöpfen.
Eine neue Londoner Konferenz setzte im Mai die Reparationssumme auf fast die
Hälfte herab. Am 11. Mai gab der Reichstag seine Zustimmung. Aber erst
am 21. September 1921 wurde die
Zoll- und Branntweinmonopol-Verwaltung dem Reich zurückgegeben; die
Binnenzollgrenze verschwand. Das Emser
Ein- und Ausfuhramt blieb und war der Rheinlandkommission auch weiter
unterstellt. Düsseldorf und die Ruhrmündungsstädte wurden
nicht zurückgegeben. Frankreich hielt die Tore offen für den Marsch
in das west- [129] deutsche Industriegebiet. Der Weg in die
norddeutsche Tiefebene bis an die Nordseehäfen stand frei, wenn Frankreich
wollte.
Es wollte. Den Vorwand bot wieder die Entschädigungsfrage.
Poincaré war nach Ablauf seiner Präsidentschaft über den Vorsitz der
Reparationskommission am 15. Januar 1922 in die Kabinettsleitung
hinübergewechselt. Ihm war die Wiedergewinnung
Elsaß-Lothringens Ziel seines politischen Strebens gewesen. Er hatte sich
für die Dauerbesetzung des Rheinlandes eingesetzt. Er war auch jetzt nicht
gewillt, an eine Freigabe des linken Rheinufers auch nur zu denken. In einer
Kammerrede am 23. November 1923 erklärte er: "Die
Räumungsfristen haben noch nicht zu laufen begonnen." Damit setzte er sich
allerdings in Widerspruch zu seinem eigenen Rechtsinstrument, dem Versailler
Diktat. Denn dort war als Anfang der Besetzungsdauer klipp und klar das
Inkrafttreten des Vertrages bestimmt. Aber der französische Regierungsleiter
hatte, als er jene Erklärung vom 23. November abgab, schon reichlich
Beispiele geliefert, daß es ihm auf die genaue Beobachtung der
Vertragsbestimmungen nicht ankam, wenn sie seinem Vorhaben im Wege
standen.
Er wollte die Ruhrindustrie. Auch auf dem Sanktionsweg. Der Vorsitzende der
Finanzkommission der französischen Kammer, Adrian Dariac, hatte sich
dorthin auf Kundschaft begeben. In seinem Bericht vom 28. Mai 1922, also kurze
Zeit nach der Übernahme der Regierung durch Poincaré, hatte er die
Besetzung der Ruhr empfohlen, weil das "ein Pfand von höchster
Bedeutung" sei. Der Ministerpräsident nahm das Wort auf und baute es aus.
Auch die Besetzung des linken Rheinufers war als Pfand gedacht gewesen. Als
Bürgschaft für die Erfüllung der Friedensbedingungen. Die
Besitzergreifung der Ruhr sollte mehr, sollte die Grundlage des wirtschaftlichen
Imperialismus werden. Das Wort "Sanktion" genügte diesmal nicht; der
Ministerpräsident wollte mehr als eine Drohung, die Deutschland zur
Erfüllung anhielt und mit der Erfüllung verschwand. Er begehrte die
Ruhrkohle für die lothringischen Minette und die Herrschaft über den
westdeutschen Stahl, mit dem vereinigt der französische jede Konkurrenz
aus dem Felde schlagen würde. So schuf er die "produktiven Pfänder"
und übertrug die Kontrolle der
Kohlen- und Koksverteilung an der Ruhr einer nur "industriellen
Ruhrkommission".
Das Reich war im Jahre 1922 bei Reparationsleistungen von 1480 Millionen
Goldmark mit nur 1,5 Millionen Tonnen Kohlen und 200 000 Festmetern Holz im
Rückstand geblieben. Die Reparationskommission stellte am 26. Dezember
1922 gegen die englische Stimme fest, daß eine vorsätzliche
Nichterfüllung des Versailler Vertrages vorliege. Poincaré bemühte
sich, auf einer Konferenz vom 2. bis 4. Januar 1923 den englischen
Ministerpräsidenten Bonar Law um- [130] zustimmen. Der Engländer lehnte die
Beteiligung an der Ruhrexpedition ab, erklärte aber seine Neutralität.
Am 10. Januar kündigte Poincaré der Reichsregierung seine Absicht an,
"eine aus Ingenieuren bestehende und mit den erforderlichen Vollmachten zur
Beaufsichtigung der Tätigkeit des Kohlensyndikats versehene
Kontrollmission ins Ruhrrevier zu entsenden.... Sie läßt ins Ruhrgebiet
nur die zum Schutze der Mission und zur Sicherstellung ihres Auftrages
erforderlichen Truppen einrücken".
Es waren unter Degouttes Oberbefehl 6 kriegsstarke Divisionen,
50 - 60 000 Franzosen und Belgier, deren die
Ingenieur-Mission bedurfte. Sie rückte über Essen bis Bochum und
Dortmund vor. Die Mission interalliiée de controle des usines et mines, besser
bekannt unter dem abgekürzten Namen Micum, begann alsbald ihre
Tätigkeit mit der Beschlagnahme der Reparationskohle an der
Förderstelle und auf Anordnung Degouttes vom 18. Januar 1923 mit der
Einziehung der deutschen Kohlensteuer.
Die Rheinlandkommission blieb nicht hinter ihren Kollegen vom Einbruchsgebiet
zurück. Sie schritt zu einer ganzen Reihe "produktiver" Beschlagnahmen im
altbesetzten Gebiet. Dazu gehörten außer der Kohlensteuer die
Zölle, die Ein- und Ausfuhrabgaben, die Forsten- und
Domänen-Einkünfte. Tirard mußte, um dem Vorwurf der
Überschreitung seiner verfassungsmäßigen und
völkerrechtlichen Grundlage zu entgehen, mit juristischer Spitzfindigkeit
Seitenwege aufspüren. Er stand in der interalliierten Rheinlandkommission
mit seinem belgischen Kollegen allein. Der englische war in Opposition oder
wählte die Neutralität der Stimmenthaltung. Amerika hatte seinen
Vertreter herausgezogen und zum Zeichen des Protestes gegen die Ruhrbesetzung
am 24. Januar 1923 mittags 12 Uhr die amerikanische Flagge auf dem
Ehrenbreitstein niedergeholt. Die Vereinigten Staaten riefen ihre Truppen nach
Hause; sie waren aus der Reihe der Besatzungsmächte ausgeschieden. Die
Beschlagnahme der Kohlensteuer und der anderen
Reichs- und Staatseinkünfte hatte mit der Sicherheit und Würde der
Besatzung verzweifelt wenig Zusammenhang. Also stützten sich Tirard und
sein belgischer Kollege auf "die Weisungen, welche gewisse Oberkommissare von
ihren Regierungen wegen der Verfehlungen Deutschlands bekommen haben", und
nannten ihre ungesetzlichen Ausnahmeverordnungen "Spezialordonnanzen der
hohen interalliierten Rheinlandkommission".
Die hohe Strafandrohung änderte nichts an der Widerrechtlichkeit der
Spezialordonnanzen. Sie war wie der Eingriff der Micum in die Privatwirtschaft
strafbarer Rechtsbruch. Aber sie erfüllte ihren Zweck. Sie warf Tausende
von deutschgesinnten Rheinländern in die Gefängnisse oder aus ihrer
Heimat, aus Haus und Hof, Beruf und Amt. 40 000 Haushaltungsvorstände
mit 110 000 Familienangehörigen wur- [131] den verjagt. Die Ausweisung war damals fast
der einzige Weg, um aus dem besetzten ins freie Deutschland zu kommen. Sonst
wurde die Absperrung durch Paßkontrolle und Paßzwang aufs
schärfste durchgeführt. Die
Binnenzoll-Linie an der Ostgrenze war neu erstanden: Sie wurde durch die
Besetzung der zwischen den Brückenköpfen liegenden
"Flaschenhälse" zur Erleichterung der Überwachung begradigt. Der
Verkehr kam zum Erliegen. Die Besatzungsbehörden hatten die
Eisenbahnen mit Beschlag belegt und in eigene Verwaltung genommen. Kein
Deutschgesinnter benutzte die Regiebahn. Nur die Schiffe dienten noch als
Transportmittel für den
Personen- und Güterverkehr. Privatautos war selbst die Mitnahme von
Bekannten, die nicht zur Familie des Besitzers gehörten, verboten. Der
Fernsprechverkehr war für die meisten Orte monatelang unterbrochen.
Denn Beamtenschaft und Bevölkerung befanden sich aus ungeheurer
Erregung heraus in passivem Widerstand gegen alle Maßnahmen, die nicht
durch das Rheinlandabkommen gerechtfertigt waren. Der
Reichsaußenminister hatte schon am 12. Januar die Einstellung der
Reparationsleistungen angekündigt. Am 19. wurde die Beamtenschaft
angewiesen, "Anordnungen der besetzenden Mächte keinerlei Folge zu
leisten", im altbesetzten Gebiet, soweit sie im "Widerspruch zu den Bestimmungen
des Rheinlandabkommens stehen". Es entstand der eigenartige Kampf einer
waffenlosen Zivilbevölkerung mit der stärksten Militärmacht
der Welt. Dieser Widerstand trug seine Kraft in sich wegen der entschlossenen
Einigkeit aller Klassen der Bevölkerung; Parteistreit und konfessioneller
Hader waren vergessen. Es gab nur ein Gefühl: die Treue zum Vaterland. So
war es im alt-, so war es im neubesetzten Gebiet. Die Zechenbesitzer weigerten sich, Kohlen
an die Franzosen zu liefern. Die Eindringlinge nahmen die Brennstoffe von den
Halden und aus den Kokereien. Bei Verweigerung der Kohlensteuer wurde das
gesamte Vermögen der Zechen oder ihrer Inhaber gepfändet. Aber
niemand kaufte die gepfändeten Sachen. Drei Zechen wurden ihren
Besitzern enteignet und von der Micum in Betrieb genommen. Die Arbeiter in den
Fabriken legten die Arbeit nieder, sobald Franzosen zur Beschlagnahme
eindrangen. Am Palmsonntag, am 31. März, schoß eine
französische Maschinengewehrabteilung bei einer Requisition in der
Kruppschen
Fabrik in Essen. 14 deutsche Arbeiter wurden getötet; Krupp
von Bohlen wegen Komplotts gegen die Sicherheit der französischen Armee
zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 23. Mai wurde Schlageter, ein
Bekenner zum aktiven Widerstand, wegen Sabotage auf das Todesurteil eines
französischen Kriegsgerichtes hin in der Golzheimer Heide erschossen.
Napoleonische Zeiten, Erinnerungen an Palm kehrten wieder.
[132] Aber 10 Millionen Rheinländer wehrten
sich gegen ihre wirtschaftliche Versklavung, wehrten sich gegen ihre
Losreißung vom Deutschen Reich. Denn das war zuletzt doch die Hoffnung
des französischen Durchschnittspolitikers, daß es, um endlich zum
Genuß der Friedensbeute zu kommen, nötig sei, das Reich in Fetzen
zu zerlegen. Mochte der französische General Denvignes, der Beistand
Degouttes, auch mehr die strategischen Vorteile der
Rhein- und Ruhrstellung, ihre Marschrichtung längs des Mittellandkanals in
das Herz des Festlandes im Auge haben, die wahre Meinung politisierender
Stammtisch-Bourgeois wurde am 9. Februar
1923 in der Action française mit
überraschender Offenheit wiedergegeben. Sie hatte geschrieben:
"Solange
die Auflösung des deutschen Staates nicht in Berlin ausgesprochen ist, wird
es schwer, wenn nicht unmöglich sein, im Rheinland Besonderes zu
erreichen... Das Ruhrgebiet könnte eine Förderation von
Arbeiterrepubliken bilden. Wiesbaden und Nassau könnten von heute auf
morgen einen Fürsten aus dem Hause Luxemburg berufen. Hannover... All
dies kann jedoch nur geschehen durch Auflösung des Reiches, und die wird
nur mit Gewalt erfolgen. Die Macht haben wir in den Händen. Werden wir
sie gebrauchen?"
Die Bevölkerung des alt- und neubesetzten Gebietes besaß dagegen
nur die Macht ihres unbeugsamen Trotzes, ihrer seelischen Auflehnung gegen den
angedrohten nationalen Untergang. Sie hatte nicht einmal die Genugtuung, in
Versammlungen und öffentlichen Kundgebungen, in Zeitungen und
Vereinen dem würgenden Grimm Luft machen zu dürfen. Kritik und
Presse, Versammlungen und Kundgebungen waren unterdrückt. Nur in
geringer Zahl konnten Gleichgesinnte heimlich zusammenschleichen. Auf allen
aber lastete die Unsicherheit der persönlichen Zukunft, über ihnen
schwebte der schwarze Schatten des
Inflations-Unheils. Und endlich, als die Zahl der Erwerbslosen infolge der
Stillegung der Betriebe und des Verkehrs ins Ungemessene gewachsen war, kam,
was man zu fürchten schon lange sich gewöhnt hatte. Hilfe vom
Ausland, außer der warmen Liebestätigkeit der dortigen Deutschen,
blieb aus. Zwar hatte der englische Außenminister Lord Curzon in einer Note
vom 14. August 1923 noch einmal die Rechtmäßigkeit des Einbruchs
ins Ruhrgebiet bestritten. Aber praktische Hilfe wollte sich nirgends zeigen. Am
26. September 1923 erklärte das Kabinett Stresemann den passiven
Widerstand für beendet.
Poincaré fühlte sich dadurch in seiner Haltung nicht beeinflußt. Alle
Zwangs- und Sperrmaßnahmen blieben bestehen. Die rheinische
Bevölkerung sah sich, ihrer Führer durch Ausweisungen und
Verhaftungen beraubt, auf sich selber angewiesen. Sie hatte bald die
Ge- [133] legenheit, ihre durch 5jährige Abwehr
gestählte Widerstandskraft aufs neue zu beweisen.
Für die französische Rheinpolitik schien in einem Augenblick, da der
Dollar mit einer Billion Papiermark bewertet, das besetzte Gebiet vom Mutterland
abgeschnürt, die Wirtschaft zu Boden gestampft war, die Zeit gekommen, in
der das Ziel Briands und Fochs, der Pufferstaat, und jetzt nicht nur mehr auf dem
linken Rheinufer, zu erreichen war. Smeets freilich war durch einen
Kopfschuß bei einem Attentat am 17. März 1923 aus der Reihe der
Separatistenführer in die Krankenstube befördert worden. Aber an
seine Stelle war neben Dorten ein süddeutscher
Revolutions- und Revolverjournalist Josef Matthes getreten. Er war deutschen
Gerichten nicht unbekannt; er hatte eine längere Freiheitsstrafe zu
verbüßen, war in die schützende Umgebung des Generals
Degoutte geflohen und fand zunächst Unterschlupf bei dem
neugegründeten Nachrichtendienst, dem Düsseldorfer
Gegenstück zu dem Koblenzer Nachrichtenblatt.
Matthes betätigte sich in der Mitte eines ihm ähnlichen Gesindels, das
aus aller Welt auf den Schauplatz rheinischer Abenteuer strömte. Er war
behilflich, daraus eine separatistische Schutztruppe zu schaffen. Am 25. September
1923 stand sie mit dem Namen "Rheinlandschutz" fertig da unter dem
"kommandierenden Generalstabschef Leidner" in Koblenz, einem Anstreicher aus
Duisburg, der Führer im
Kommunisten-Aufruhr des Jahres 1920 gewesen war. Am 30. September
veranstaltete das "Generalkommando" mit Befehl von Koblenz aus eine Parade in
Düsseldorf. Es kamen etwa 500 Mann des Stoßtrupps zusammen,
dazu etwa ebensoviel Frauen und Kinder. Die deutsche Polizei mußte sich
auf französische Anordnung zurückhalten. Sie wurde aber von den
Separatisten mit Schüssen angegriffen und trieb nun in einem Feuergefecht
die Rebellen auseinander. Mit dem Erfolg, daß 30 deutsche Polizisten von
den Franzosen ins Gefängnis geworfen und wegen Totschlags zu
mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Auch Tirard tat das Seinige, um den Sieg der Separatisten sicherzustellen. Durch
Beschluß der Rheinlandkommission wurde die gegenseitige
Unterstützung der Polizei verschiedener Orte verboten. Am 21. Oktober,
einem Sonntag, brach der Aufruhr in Aachen los. Dem anfänglichen Erfolg
wurde aber bald ein Ende gemacht; denn es kam zu Straßenkämpfen
mit der deutschfreundlichen Bevölkerung Aachens. Der britische Konsul
beschwerte sich überdies über die Unzuträglichkeiten der
Separatistenherrschaft und deren duldsame Unterstützung durch die Belgier.
So wurden diese gezwungen, dem Sonderbündlertreiben am 2. November
ein Ende zu machen. In
München-Gladbach wurden die Separatisten rasch vom Volke
ver- [134] trieben. Köln, wo die britische Besatzung
lag, blieb von Unruhen verschont. Aber von Bonn bis in die Pfalz schwelten
überall die separatistischen Flammen, genährt, wenn nicht angefacht,
so doch geschützt durch französisches Militär. Überall
leistete die einheimische Bevölkerung kraftvollen Widerstand, bis die
französische Hand jedesmal die deutsche Gegenwehr unterdrückte.
Bei Honnef kam es zu einem richtigen Treffen, es floß viel Blut. In
Wiesbaden drohte der Oberdelegierte Lillers am 22. Oktober der Polizei mit
Ausweisung, wenn sie nicht bereit sei, "sich schriftlich zu verpflichten, ihren
Dienst gemäß der öffentlichen Stimmung zu versehen, ohne die
Anhänger des neuen Staates zu belästigen". Von General
Mordacq wissen wir aus seiner eigenen Schilderung, daß er in der Pfalz
durch persönliche Anwesenheit bemüht war, der Revolte zum
Durchbruch zu verhelfen.
Der "neue Staat" - das war die "unabhängige rheinische Republik".
Schon Ende Juli hatte Dorten in der Koblenzer Festhalle den bisher festgehaltenen
"Rahmen des Deutschen Reiches" gesprengt. Als die Rebellion zur Gewalt griff,
war er mit Matthes völlig eines Sinnes. In fast gleichlautenden Aufrufen
vom 26. Oktober erklärten in Matthes' Namen in Koblenz der dortige
Weinhändler Oehmen, ein geborener Schlesier, als Bezirkskommissar und
Dorten im Nassauischen:
"Die unabhängige rheinische Republik ist
erklärt, die provisorische Regierung gebildet... Die Regierung ist mit den
Besatzungsbehörden in Verbindung getreten... Der Präsident der
hohen interalliierten Rheinlandkommission hat als französischer
Oberkommissar die Regierung empfangen und sie benachrichtigt, daß er sie
als tatsächliche Inhaberin der Gewalt anerkennt, wo sie diese Gewalt
ausübt."
Dorten faßte diesen Satz ein wenig anders, gab aber den Sinn
in gleicher Weise wieder. Tirards Rolle beim Versuch der Losreißung des
Rheinlandes war damit festgelegt. Um keine Unklarheit zu lassen, waren vor dem
Koblenzer Schloß, dem separatistischen Hauptquartier, französische
Wachtposten aufgestellt.
Matthes war die stärkere Autorität. Dorten war auf Nassau
beschränkt; sein Mitregent herrschte im großen Rest des besetzten
Gebietes. Zwischen beiden kam es bald zu Uneinigkeiten. Die Finanznot tat ein
übriges, um die separatistische Herrlichkeit zu erschüttern. Zwar
wurde Notgeld geschaffen und, trotzdem ein Münzverbrechen vorlag, vom
französischen Delegierten anerkannt. Aber die Bevölkerung lehnte
das wertlose Papiergeld ab. Darauf wurden von den Aufrührern
Reichsbankgelder geraubt. Aber die Löhnung der Separatistensöldner
und der Druck der Erwerbslosigkeit verlangten höhere Summen. Die
Regierung der selbständigen Pfalz wollte die Erwerbslosenfürsorge
mit Zwangsabgaben und einer Kopfsteuer [135] befriedigen. Tirard trieb seine Parteinahme so
weit, daß er am 2. Januar 1924 die beiden separatistischen Steuergesetze in
das Register der deutschen Gesetze in Koblenz eintragen ließ. Das war dem
britischen Oberkommissar Lord Kilmarnock zuwider. Auf seine Veranlassung
legte die englische Regierung gegen die offizielle Anerkennung und Registrierung
der Separatistengesetze ihr Veto ein. Sie entsandte ihren Münchener
Generalkonsul Clive nach der Pfalz.
In der "Ministerliste" der rheinischen Republik vom 29. Oktober stand neben dem
schon genannten Oehmen und dem anrüchigen ehemaligen Geistlichen Dr.
Kremers-Koblenz, neben dem eigenbrötlerischen Amtsgerichtsrat Dr.
Liebing-Mainz, dem belgischen Gutsbesitzer
Grand-Ry in Aachen auch Heinz Orbis, ein pfälzischer Landwirt. Er war der
"Präsident" der autonomen Pfalz. Am 9. Januar 1924 fiel er in Speyer im
"Wittelsbacher Hof" beim Abendessen unter den Schüssen deutscher
Rächer. 5 Tage später trat Konsul Clive seine Informationsreise in der
Pfalz an. Sein Eindruck war, "daß sich die pfälzische
Bevölkerung auch unter den fürchterlichsten Drangsalen der
Gewaltherrschaft der sog. separatistischen Regierung, dieser Horde landfremder,
sittlich unterwertiger Elemente niemals beugen wird". Auch Clive stellte in einem
Telegramm an seine Regierung vom 21. Januar fest: "Diese Regierung hätte
niemals ohne die französische Unterstützung auftauchen
können und würde sofort vertrieben werden, wenn die
französische Unterstützung aufhörte." Der Beschützer
des pfälzischen Separatismus war General de Metz.
Am 12. Februar 1924 machte die Bevölkerung von Pirmasens die Ansicht
Clives zur Wahrheit. Sie stürmte das Bezirksamt, die Höhle der
Sonderbündler; 16 Separatisten fielen dem gerechten Zorn zum Opfer. Die
Pirmasenser selbst hatten 6 Tote und 12 Verwundete.
Damit hatte der Separatistengreuel auch in der Pfalz sein Ende erreicht. Im
übrigen Rheinland war er schon fast lautlos an innerer Schwäche
gestorben. In der Pfalz wurde sein Ableben durch den pfälzischen Kreistag
der Rheinlandkommission attestiert: die Separatistenherrschaft hört Sonntag,
den 17. Februar 8 Uhr morgens auf. Der Kreisausschuß stellte die Ordnung
wieder her.
Dorten und Matthes verschwanden nach Frankreich. Ihnen folgte General de Metz,
den die Spuren Gérards und Mangins nicht geschreckt hatten.
Nur Tirard überdauerte allen Wechsel, dem selbst ein Poincaré den Tribut
zahlen mußte. Frankreich hatte aus dem
Ruhr-Abenteuer für seine Finanzen und seine Währung schwere
Wunden davongetragen. Die "produktiven" Pflaster hatten sie nicht
schließen kön- [136] nen. Der Ausfall der deutschen Reparationen
wurde schmerzhaft empfunden. Man spürte den Druck der Weltmeinung.
Dem Unmut der Bevölkerung fiel der Mann der Ruhr bei den Wahlen vom
11. Mai 1924 zum Opfer. Sein linksgerichteter Nachfolger Herriot traf sich im
August 1924 auf der Londoner Konferenz unter dem Vorsitz des aus der
Arbeiterpartei hervorgegangenen Ministerpräsidenten Ramsay Macdonald
mit dem Reichskanzler Marx, dem Außenminister Stresemann und dem
Reichsfinanzminister Luther zur Neuregelung der Zahlungen auf der Grundlage
des Dawesplanes. Am 1. September 1924 konnte das Londoner Protokoll in Kraft
treten. Es minderte die Finanzsouveränität und belastete die
Reichs- und Privatwirtschaft. Herriot und Theunis, der belgische
Ministerpräsident, verpflichteten sich dagegen, das gesamte Einbruchsgebiet
an der Ruhr und die Sanktionsstädte Düsseldorf und
Duisburg-Ruhrort bis Mitte August 1925 zu räumen. Auch alle sonst in der
Ruhrkampfzeit besetzten Landesteile sollten befreit werden. So kehrten die
französischen Truppen am 2. September 1924 aus Appenweier und
Offenburg in den Kehler Brückenkopf zurück. Am 21. Oktober wurde
Limburg frei; am 6. November die Flaschenhälse zwischen den
Brückenköpfen und ein Darmstädter Zipfel; Dortmund
ebenfalls am 31. Oktober; das übrige Ruhrgebiet sowie Duisburg und
Düsseldorf erst im August 1925.
Mit dem Inkrafttreten des Dawespaktes, in der ersten Septemberwoche 1924,
kehrte alles, auch das altbesetzte Gebiet auf dem linken Rheinufer in die
Wirtschafts- und Verwaltungseinheit des Reiches und der Länder
zurück. Die Verkehrsabschnürung war zu Ende, die Binnenzollinie an
der Ostgrenze des Okkupationsgebietes fiel. Eine allgemeine Begnadigung
befreite die deutschen Gefangenen und gab den noch nicht zurückgelassenen
Ausgewiesenen die Heimkehrerlaubnis. Freilich genossen auch die Separatisten
Straferlaß. Aber der offenen Begünstigung der Rebellen durch die
Franzosen war fortan eine Schranke gesetzt. Im Londoner Schlußprotokoll
wurde die Bewegungsfreiheit der deutschen Rechtspflege gegenüber
Hochverratsbestrebungen ausdrücklich von sämtlichen
Unterzeichnern verbürgt. Sie steht seitdem unter dem deutschen Anrecht auf
Schiedsgerichtsbarkeit. Die Rheinlandkommission mußte sich zur
Aufhebung der Ordonnanz 90 und damit zur Aufgabe der Separatistenprotektion
bequemen. Es ist zu irgendwelchen beachtenswerten oder gar gefährlichen
Sonderbündler-Regungen nicht wieder gekommen. Sonderwünsche
wagten sich nur noch journalistisch z. B. in der Wiesbadener Menschheit
unter ständiger Lobpreisung des Franzosentums und Beschimpfung alles
Deutschtums hervor und hüllten sich gegen Preußen in ein
föderalistisch-pazifistisches Gewand.
[137] Das Versailler Diktat hatte dem Reiche die
Verpflichtung auferlegt, die Besatzungskosten zu tragen. Sie wurden nicht auf die
Reparationen angerechnet. Dadurch wurde bei den Besatzungsbehörden
eine unsinnige Verschwendung großgezüchtet. Mit der Londoner
Reparationsregelung wurde der Besatzungsaufwand auf 250 Millionen Goldmark
jährlich beschränkt und auf den jährlichen
Reparationszahlungen abgeschrieben.
Ein wesentliches Ergebnis des Londoner
Dawes-Abkommens war eine freilich immer noch begrenzte Sicherung gegen eine
Wiederkehr der Sanktionsbesetzungen. Der Dawespakt hatte für die
Feststellung einer deutschen Reparationsverfehlung den "amerikanischen
Bürger" mit Stimmberechtigung in die Reparationskommission
hineingeschoben. Es galt zwar Stimmenmehrheit, aber die überstimmte
Partei - und dasselbe Recht wurde Deutschland
zugestanden - konnte die Entscheidung dem
Dawes-Schiedsgericht übertragen. Durch den Ruhrkampf war das
Weltgewissen zweifellos zugunsten Deutschlands geschärft. Freilich
besaß Frankreich in den Art. 429 und
430 des Versailler Diktats noch eine
starke Handhabe für Sanktionsandrohungen. Allerdings nicht gegen
deutsches Land außerhalb des vom Diktat begrenzten Okkupationsgebietes.
In beiden Fällen war aber die
Wieder- oder Weiterbesetzung geräumter Zonen auf dem linken Rheinufer
erlaubt. Art. 429
wurde gleich nach dem gütlichen
Dawes-Abkommen herangezogen, um die fällige Räumung der
Kölner Zone zu verschleppen.
Die französische Regierung wagte es nicht mehr, den Lauf der
Befreiungsfristen zu leugnen. Die These, die der damalige Ministerpräsident
Millerand am 6. Februar 1920 in der Kammer aufgestellt und Poincaré als sein
Nachfolger im Amt am selben Ort am 23. November 1923 wiederholt hatte, war
stillschweigend begraben worden. So hätte die erste, die Kölner Zone,
fristgemäß nach Ablauf der vom Diktat vorgesehenen 5 Jahre
geräumt werden müssen. Aber die Regierung selbst eines angeblich
versöhnlichen Herriot bekundete dazu keine Neigung. Auch in ihm war der
Wunsch noch immer rege, das linke Rheinufer möglichst lange in der Hand
zu behalten. Seine Meinung war schon in dem ihm in London abgerungenen
Verzicht auf die Ruhr erkennbar geworden. Denn wenn er die Aufhebung der
über den Rhein vorgeschobenen Okkupation erst für den August 1925
zugestand, so konnte er nicht an die fristgerechte Befreiung des linksrheinischen
Köln im Januar 1925 denken.
Die Alliierten griffen nach Art. 429. Er
bestimmt: "Wenn die Bedingungen des
gegenwärtigen Vertrages (des Versailler Diktats) getreulich erfüllt
werden, so soll die im Art. 428
vorgesehene Besetzung nach und nach in folgender
Weise eingeschränkt werden": [138] in der Kölner Zone nach 5 Jahren; in der
Koblenzer Zone mit Aachen nach 10 und in der Mainzer Zone (mit Trier und der
Pfalz) sowie im Kehler Brückenkopf nach 15 Jahren. Art.
429 fährt
fort: "Wenn zu diesem Zeitpunkt die Sicherheiten gegen einen nicht
herausgeforderten Angriff Deutschlands von den alliierten und assoziierten
Regierungen nicht als ausreichend betrachtet werden, so kann die Entfernung der
Besatzungstruppen in dem Maße aufgeschoben werden, als das zur
Erreichung der genannten Bürgschaften für nötig erachtet
wird."
In einer Kollektivnote vom 15. Januar 1925, also 5 Tage vor dem
vertragsmäßigen Räumungstermin, behaupteten Frankreich,
England, Italien, Belgien und Japan, "daß Deutschland die in Art. 429
vorgesehene Bedingung noch nicht erfüllt hat... Die von der interalliierten
Militärkontrollkommission gesammelten Nachrichten über den Stand
der Ausführung der militärischen Bestimmungen sind hinreichend,
um diese Entscheidung der alliierten Regierungen zu begründen". In einer
energischen Note vom folgenden Tage kritisierte Stresemann: "die alliierten
Regierungen... beschränken sich einstweilen darauf, die Verfehlungen
allgemein anzudeuten". Er forderte, "daß die angekündigte weitere
Mitteilung aufs äußerste beschleunigt wird". Sie kam erst 5 Monate
später, in einer Kollektivnote vom 4. Juni 1925.
Inzwischen hatte Außenminister Stresemann den Weg über Locarno
eingeschlagen.
Die Erinnerung an die Ruhrbesetzung und die Separatistenbegünstigung
wurzelte im deutschen Volk noch zu tief, um ein Gefühl völliger
Sicherheit gegenüber den französischen
Losreißungsgelüsten aufkommen zu lassen. Der Wunsch, wenigstens
die in Versailles zwischen Frankreich und Deutschland festgelegte Grenze gegen
neue Angriffe zu sichern, ließ den Gedanken nach einer stärkeren
Bürgschaft entstehen. Diese Idee wurde englischerseits genährt. In
London wollte man sich dem erneuten Drängen Frankreichs entziehen, die
Versailler Gebietsverteilung, also auch den
deutsch-polnischen Korridor,
durch einen Garantiepakt im Völkerbund zu
festigen. In Deutschland wiederum hatte man aus Genf lockende Töne
gehört. Macdonald schauderte in der Völkerbundversammlung vor
dem unbesetzten Stuhl Deutschlands. Seine Phantasie erkannte Bankos Gespenst.
Auch Herriot war dem Eintritt des Reiches in die Genfer Völkergesellschaft
nicht mehr abgeneigt. Man war gütig. Aber Deutschland fürchtete als
Durchgangsland bei Völkerbundshilfe für ein von Rußland
angegriffenes Polen zum Kriegsschauplatz zu werden. Die am 12. Dezember 1924
erbetene Aufklärung ließ lange auf sich warten. So ergriff Stresemann
die Initiative.
[139] In einem Memorandum vom 5. Februar 1925
nahm er frühere Vorschläge des Reichskanzlers Cuno wieder auf: die
am Rhein interessierten Mächte sollten sich verpflichten, keinen Krieg
gegeneinander zu führen, und "mit einem solchen Pakt einen weitgehenden
Schiedsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich" verbinden. "Es
wäre," so fügte der deutsche Außenminister hinzu, "auch ein
Pakt annehmbar, der ausdrücklich den gegenwärtigen Bestand am
Rhein garantiert.... In gleichem Sinne könnten die Vertragsstaaten... die
Erfüllung der Verpflichtung zur Entmilitarisierung des Rheinlandes
garantieren, die Deutschland in den Artikeln 42
und 43 des Versailler Vertrages
übernommen hat". Auch dieser Pakt könne unter Schiedsverfahren
gestellt werden. Im Verlauf des Notenwechsels, in dem Frankreich vor allem die
Unabänderlichkeit der polnischen Grenze und den Ausschluß
Österreichs aus dem Reich im Auge hatte, hielt Stresemann an der
völkerbundsrechtlichen Möglichkeit fest, "bestehende Verträge
auf dem Wege friedlichen Übereinkommens zu gegebener Zeit
veränderten Verhältnissen anzupassen". Er gab zugleich der Hoffnung
Ausdruck, "daß das Zustandekommen eines Sicherheitspaktes... nicht ohne
Rückwirkung auf die Verhältnisse in den besetzten Gebieten und
überhaupt auf die Fragen der Besetzung bleiben dürfte". Zum
erstenmal erschien das seitdem unheilvoll bedenklich gewordene Wort:
Rückwirkung.
Am 16. Oktober 1925 lag in Locarno der Westpakt vor; am 1. Dezember wurde er
in London unterzeichnet. Deutschland, Frankreich, Belgien, England und Italien
unterschrieben ihn. Gegen den Preis diesmal freiwilligen Verzichts auf gewaltsame
Wiedergewinnung
Elsaß-Lothringens und Eupen-Malmedys und gegen die nochmalige
Anerkennung der Entmilitarisierung beider Rheinufer erhielt das Reich die
Bürgschaft Englands und Italiens für seine Westgrenze. Zweck des
Abkommens war die Verhütung eines unprovozierten Angriffskrieges
zwischen dem Reich und Frankreich oder Belgien. Rechtsstreitigkeiten (darin
waren naturgemäß auch Meinungsverschiedenheiten über die
Räumungstermine und die Methoden des Besetzungsregimes einbegriffen)
sollten durch Schiedsrichter, alle anderen Fragen durch eine ständige
Vergleichskommission mit neutralem Vorsitz ausgeräumt werden.
Beschwerden über Verstöße gegen den Rheinpakt oder gegen
die Entmilitarisierung des Rheinlandes kommen unmittelbar vor den
Völkerbundsrat. Auf die Mitteilung eines positiven
Untersuchungsergebnisses tritt an England und Italien die Beistandspflicht
für den geschädigten Paktpartner heran.
Am 31. Januar 1926 läuteten die Kölner Domglocken die Freiheit der
ersten Zone ein. Die englische Besatzung zog nach Wiesbaden, die belgische
Garnison von Krefeld, Neuß und Kleve nach Aachen. [140] Das Jahr 1925, das von der erhebenden Feier der
tausendjährigen Zugehörigkeit des Rheinlandes zum Deutschen Reich
getragen gewesen war, schien in die Ära der Erlösung
hinübergeleitet zu haben. Bald folgte die Enttäuschung. Schon die
Befreiung der Kölner Zone war doch nicht allein das Werk des anfangs zum
Überdruß gepriesenen und bald bespöttelten
Versöhnungs-"Geistes von Locarno". Die schwere Gefährdung der
französischen Machtstellung am
Süd- und am Ostgestade des Mittelmeeres hatten den Entschluß
gezeitigt, die Truppen von der Ruhr und aus der ersten Besatzungszone gegen die
syrischen und marokkanischen Rebellen bereit zu stellen. Worauf aber das besetzt
bleibende Rheinland seine ganz besondere Hoffnung gesetzt hatte, die
"Rückwirkung" von Locarno, die Briand mit seiner Unterschrift unter einen
Brief der Botschafterkonferenz am 14. November 1925 in Aussicht gestellt hatte,
blieb aus. Oder ging nur kümmerlich in Erfüllung. Zwar wurden die
Bezirks- und Kreisdelegierten mit ihrem Willkürsystem entfernt. Zwar
wurde in dem Madrider Botschafter Langwerth von Simmern ein neuer
Reichskommissar in Koblenz zugelassen, der Rundfunk gestattet und die Luftfahrt,
das Flaggen erleichtert. Der Düsseldorfer Nachrichtendienst verschwand
mit dem Abruf der dortigen Sanktionsbesatzung; das Koblenzer Nachrichtenblatt
entschlummerte lautlos. Aber zu der durchgreifenden Reform des
Ordonnanzenrechtes, die versprochen worden war, kam es nicht. Der Entwurf, der
nach zweijähriger Arbeit von der Rheinlandkommission dem Reiche
vorgelegt wurde, ließ im Ziel und in der Methode alles beim Alten. Er
begnügte sich mit einer Textkürzung. Und die Herabsetzung der
Besatzung auf die "Normalziffer" der Vorkriegszeit ließ warten. Die
Verminderung betrug schließlich etwa 10 000 Mann. Noch zu Anfang des
Jahres 1929 standen 67 000, davon 55 000 Franzosen, auf rheinischem Boden. Von
einer Erleichterung der Quartierlast war wenig zu merken. Am schwersten blieb
neben den großen Waffenplätzen Trier, Koblenz und Mainz die
gesamte Pfalz betroffen.
Am 10. September 1926, nach verletzendem Antichambrieren während der
Ratstagung im März, wurde Deutschland die Tür der
Völkerbundsversammlung geöffnet. Eine Woche später, am 17.
machten Briand und Stresemann einen Ausflug nach Thoiry. Man spitzte die
Ohren, man munkelte, man glaubte schließlich zu wissen, Briand sei
einverstanden, die beiden noch besetzten Zonen sofort zu räumen, wenn das
Reich die Eisenbahnobligationen des Dawespaktes auf den Markt bringe und durch
solche Mobilisierung einen Teil der Reparationsschuld kommerzialisiere. Der
Gedanke soll in Paris im Dezember 1925 geboren, und dort soll einem deutschen
Journa- [141] listen die Patenschaft angetragen worden sein.
Aber in Paris wurde diese Idee auch erdrosselt. Poincaré war seit dem Juli 1926
wieder am Staatsruder. Als Finanzminister hatte er allein das Vertrauen des
französischen Volkes, den schwer leidenden Franken noch retten zu
können. In Thoiry meinte Briand, durch den Finanzminister Poincaré den
Ministerpräsidenten besiegen, ihn für eine vorzeitige Räumung
gewinnen zu können. Der Ministerpräsident Poincaré war
stärker als der Finanzminister. Der Frank wurde auch ohne mobilisierte
Obligationen stabil. Der "Zauberhut von Thoiry", aus dem Briand keinen
deutsch-französischen Ausgleich hatte hervorholen können,
verschwand in der Versenkung.
Und heraus stieg in die dicke Luft der Poincaréschen Sonntagspredigten gegen das
kriegsbeschuldigte Deutschland der schwergerüstete Wille des
französischen Generalissimus, den Rhein zu halten. Der Kampf um die
Räumung begann mit einem Geplänkel auf publizistischem Felde.
Am 5. Januar 1927 hielt das Echo de Paris eine Umfrage bei den Militärs.
Die Summe der Ansichten war: wir sind am Rhein, wir bleiben am Rhein. Zum
mindesten, bis die Heeresreorganisation, die Militarisierung beider Geschlechter,
alt und jung, vollendet und die große
Ostgrenz-Befestigung ausgebaut sei. Das Glacis der Eifel und des Hunsrücks
sei für das
Ostfestungs-System unentbehrlich. Es war, als ob es keine französische
Unterschrift des Versailler Diktats gäbe. Die deutsche Abwehr war so
verhältnismäßig leicht. Der Unbekümmertheit des
französischen Militärs um Vertragsverbindlichkeiten wurde in
journalistischer Offensive das Schlußprotokoll von Locarno entgegengesetzt,
in dem die Pflicht der Signatarmächte zur aufrichtigen Mitwirkung an
beschleunigter Entwaffnung festgelegt war. So formulierte sich die Forderung,
daß die Abrüstung der Alliierten da beginne, wo nach dem
Sicherheitspakt von Locarno angesichts der Autorität des
Völkerbundes und im Hinblick auf das entwaffnete Deutschland die
Rüstung der Gegenseite am ehesten entbehrlich sei: am Rhein.
Inzwischen war von uns im Dezember 1925 für die Öffentlichkeit in
Wilsons Denkwürdigkeiten eine von dem amerikanischen
Präsidenten, von Lloyd George und Clemenceau unterzeichnete feierliche
"Erklärung" vom 16. Juni 1919 entdeckt worden. Der entscheidende Satz
lautet: "Wenn Deutschland zu einem früheren Zeitpunkt (als nach 15 Jahren)
Beweise seines guten Willens und befriedigende Garantien gegeben hat, die
Erfüllung seiner Verpflichtungen zu sichern, so werden die alliierten und
assoziierten Mächte bereit sein, untereinander zu einem Abkommen
über eine frühere Beendigung der Besetzungszeit zu gelangen." Es hat
der zähen Aufklärungsarbeit eines ganzen Jahres in der
in- und ausländischen Presse bedurft, um [142] einen Widerhall in der französischen zu
wecken. Erst im Dezember 1926 wies der Hauptschriftleiter des Homme libre,
der Abg. Lautier, auf das
Wilson-Dokument hin, und am 9. Januar 1927 nahm Pertinax, der Leitartikler des
Echo de Paris, davon Notiz. Natürlich, da sein Blatt gerade damals den
Pressefeldzug der französischen Generalität für die Behauptung
des rheinischen Bollwerks eröffnet hatte, in abschwächendem Sinn.
Das Dokument, meinte er, sei nur für Frankreich und England
gegeneinander, nicht Deutschland gegenüber verbindlich. Aber das
Wilson-Dokument ist eine sachverständige Auslegung des Art. 431, der
besagt: "Wenn Deutschland vor dem Ablauf des Zeitraumes von 15 Jahren alle
Verpflichtungen erfüllt ("satisfait" im maßgebenden
französischen Text), die ihm aus dem gegenwärtigen Vertrage
erwachsen, so werden die Besatzungstruppen sofort zurückgezogen." Es ist
eine maßgebliche Auslegung der sachverständigsten Beurteiler, der 3
Urheber des Versailler Diktats. Eine moralische Verpflichtung und ein Ehrenwort,
das die amtlichen Vertreter Frankreichs und Englands abgegeben und das ihre
Länder einzulösen haben. Lloyd George selber hat keinen Anstand
genommen, noch am 25. Juni 1927 in einem Aufsatz der Neuen. Fr. Pr. die
Bindung einer "sinngetreuen und großmütigen" Auslegung
anzuerkennen. Auch Lautier konnte sich der Wucht des
Wilson-Dokumentes nicht entziehen. "Die drei großen
Verantwortlichen", sagte er, "wollten wahrscheinlich beweisen, daß sie
über die Idee einer früheren Rheinlandräumung sehr reiflich
nachgedacht haben. Deutschland befindet sich danach auf keinem schlechten
Terrain". Lautier ist es auch, der mitteilt, daß Clemenceau als
Präsident der Friedenskonferenz dem deutschen Außenminister Graf
Brockdorff-Rantzau brieflich die Auslegung des
Wilson-Dokuments mitteilte. Und schließlich entdeckte man, daß das
Dokument französischerseits dadurch eine amtliche Beglaubigung erhalten
hat, daß es auf Seite 24 des französischen Gelbbuches von 1922 als
Protokoll vom "17. Juni abends" unter dem Titel "Accord sur l'occupation militaire
des territoires rhénans" wiedergegeben wurde.
Das Wilson-Dokument erhielt seine volle Bedeutung durch das
Locarno-Abkommen. Nun war ersichtlich, daß das Deutsche Reich den
für die vorzeitige Räumung geforderten "guten Willen" einwandfrei
bewies. Es hatte die ihm abgeforderten Gebiete abgetreten. Es war allen
Anforderungen nach Sachauslieferungen nachgekommen. Es galt als völlig
entwaffnet; die Alliierten selber hatten das mit der Räumung Kölns
zugegeben, die sie von der Beseitigung der letzten Bedenken der interalliierten
Militärkommission abhängig gemacht hatten. Das Reich hatte seine
Reparationspflichten durch den Dawespakt geregelt. Und es hatte in Locarno sowie
durch seinen [143] Eintritt in den Völkerbund die im
Schlußabsatz des Art. 429
erwarteten Bürgschaften für die
Sicherheit der Alliierten gegeben.
Das Pfand für die Erfüllung des Friedensvertrages, die Besetzung, war
verfallen.
Trotzdem gab Frankreich die Partie nicht auf. Die Glacistheorie der
Generäle freilich hatte sich als unbrauchbar erwiesen. Man besann sich auf
die Gültigkeit des Vertrages. Aber mit der advokatorischen Dialektik, die
das Erbgut der französischen Nation ist. Ihr Wortführer war Graf
d'Ormesson. Im Juliheft der Revue de Paris vom Jahre 1927 setzte er sich mit dem
deutschen Räumungsverlangen auseinander. Er entfaltete Charme und
Esprit. Er war entgegenkommend, indem er dem Sicherheitsbedürfnis seines
Volkes nach Locarno nicht mehr den früheren Spielraum gestattete. Aber er
war hartnäckig mit der Behauptung, daß Deutschland seine Tribute
noch nicht ausgezahlt habe, und daß darum Art. 430
rechtskräftig
bleibe: "Falls die Wiedergutmachungskommission während der Besetzung
oder nach Ablauf der im Vorhergehenden genannten 15 Jahre feststellt, daß
Deutschland sich weigert, die Gesamtheit oder einzelne der ihm nach dem
gegenwärtigen Vertrage obliegenden Wiedergutmachungsverpflichtungen zu
erfüllen, so werden die in Art. 429
genannten Gebiete (die Kölner,
Koblenzer und Mainzer Zone) ganz oder teilweise sofort von Neuem durch die
alliierten und assoziierten Truppen besetzt." Nun weigerte sich das Deutsche Reich
keinesfalls, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Es wollte nur die
untragbaren Dawes-Lasten prüfen lassen. Würde es sich einmal weigern, Tribute
zu zahlen, so könnten die geräumten Gebiete jederzeit neubesetzt
werden. D'Ormesson dagegen sagte: Deutschland betrachtet den Dawespakt nur als
vorläufige Regelung. Erst wenn die endgültige zustande gekommen
sei, könne von Erfüllung des Friedensvertrages die Rede sein. Bis
dahin müsse das Pfand der Besetzung für die Ausführung des
Vertrages weiter bestehen.
Briand ließ in seiner Senatsrede vom 2. Februar 1928 seine innerliche
Verwandtschaft mit d'Ormessons Theorie erkennen. Der englische
Außenminister Chamberlain nahm sie im Unterhaus am 3. Dezember
desselben Jahres an. Bestände die These zu Recht, so wäre die
logische Folge aus dem Pfandcharakter, daß die Besetzung auch nach einer
endgültigen Regelung der Reparationsfrage bis zur Zahlung des letzten
Franken und Schilling fortdauern müßte. Denn die Besorgnis
läßt sich immer neu erzeugen, daß Deutschland bis zur
völligen Abgeltung seiner Schuldsumme jeden Augenblick seine Zahlungen
einstellen könne. Die Besetzung müßte danach über 1935
hinaus, bis zum letzten Tributtermine, verlängert werden. Das ist aber ein
logischer Unsinn gegenüber Art. 429, der
die letzte Zone [144] im Jahre 1935 befreit. Gewiß, sagt die
Gegenseite; aber sie fügt hinzu, Art. 429
besagt, daß nur
geräumt wird: "wenn die Bedingungen des gegenwärtigen Vertrages
von Deutschland getreulich erfüllt werden".
Wir befanden uns damit in einem unheilvollen, man weiß nicht, ob von den
Vätern des Diktats gewollten oder unvorhergesehenen Zirkel der
Widersprüche. Wir waren aber imstande, das Gewebe der alliierten
Dialektik mit Hilfe des Art. 431 und
dessen authentischer Auslegung durch
Clemenceau, Lloyd George und Wilson aufzutrennen. Es genügt danach,
daß Deutschland alle Verpflichtungen erfüllt. Es ist nicht gefordert,
daß es erfüllt hat. Eine Wahrheit, die auch Gauthier im Pariser Croix
im Sommer 1927 schon erkannte: "Wohlgemerkt", sagte er, "es heißt,
daß Deutschland Genüge leistet, in der Gegenwart, und nicht, wenn es
Genüge geleistet hat". Das
Wilson-Dokument verlangt nur "Beweise des guten Willens". Kein anderer als
Clemenceau muß als Kronzeuge auftreten, daß diese Beweise geliefert
worden sind. Im Abschnitt VI der Mantelnote zum Friedensvertrag, die er am 16.
Juni 1919 mit seiner Unterschrift versah, sagt er: "Die alliierten und assoziierten
Mächte glauben, daß, wenn das deutsche Volk durch Handlungen
beweist, daß es die Absicht hat, die Friedensbedingungen zu erfüllen,...
es möglich sein wird, bald den Völkerbund durch die Aufnahme
Deutschlands zu vervollständigen." Deutschland ist aufgenommen worden.
Also hat es durch Handlungen bewiesen, daß es die Friedensbedingungen
erfüllen will. Das genügt nach den drei großen
Verantwortlichen für die vorzeitige Räumung. Deren Fortdauer
nannte Lloyd George in der N. Fr. Pr.
einen Vertrauensbruch. Es handelte sich aber
um einen Vertragsbruch. Dieser gehörte nach Art. 3 des Rheinpakts von
Locarno vor das Schiedsgericht. Und nach dessen Entscheidung oder auf Weisung
des Völkerbundsrats in die Exekutive der Bürgen England und Italien.
Er konnte auch nach der Völkerbundssatzung (Art. 13) dem
Schiedsverfahren überwiesen werden. Denn "zu den Streitpunkten, die sich
im allgemeinen für ein Schiedsverfahren eignen, gehören Streitfragen,
die sich auf die Auslegung eines Vertrags... beziehen".
In der deutschen Publizistik aus verschiedenen Parteien ist nach uns der Appell an
das Haager Schiedsgericht gefordert worden. Die deutsche Reichsregierung
versagte sich einer Räumungsklage. Aber sie ließ in der
Septembertagung 1928 in Genf durch den Reichskanzler Hermann Müller
endlich das Wilson-Dokument auf den Tisch legen. Man erzählte, Briand habe sich
durch seine Erregung hinreißen lassen, das Schriftstück, das die
Unterschrift der Versailler Diktatoren trägt, einen Fetzen Papier zu nennen.
Aber die Reichsregierung behauptete den moralischen und juristischen Anspruch
[145] auf sofortige Räumung. Der Reichstag
schloß sich am 15. Dezember desselben Jahres dieser Rechtsauffassung an
und ersuchte die Regierung, "bei den Verhandlungen über vorzeitige
Räumung des besetzten Gebietes keine weiteren Belastungen des Reiches
auf politischem oder finanziellem Gebiet aufzunehmen".
Dem Programm d'Ormessons war der positive Wille des deutschen Volkes nach
"sofortiger Räumung ohne Gegenleistung" begegnet. Der Graf hatte im Juli
1927 vorgeschlagen, Deutschland solle mit Frankreich auf zwei interalliierte
Konferenzen gehen. Auf der einen solle die
Reparations-, auf der anderen die Frage der interalliierten Schulden von Amerika
erörtert werden. Nach der Lösung beider könne gleichlaufend
zu den deutschen Zahlungen das besetzte Gebiet in Teilstücken
geräumt werden. Aber es müsse einer ständigen und
örtlichen Militärkontrolle unterstellt werden. Die deutsche
Öffentlichkeit erwiderte:
Reparationskonferenz - einverstanden. Die Schuldenkonferenz ist von
Amerika abhängig. Jedenfalls erst: sofortige Räumung. Und keine
Kontrolle am Rhein, außer derjenigen, die für ganz Deutschland
gilt.
Der französische Anspruch erstreckte die
Sonder-Kontrolle auf das ganze entmilitarisierte Gebiet, also auch auf den
50 km-Streifen des rechten Rheinufers. Er kristallisierte sich aus der Geschichte der
sogenannten éléments stables. Nach der Beseitigung der interalliierten
Militärkontroll-Komission in Berlin fiel das Recht, in Deutschland
angebliche militärische Verfehlungen zu untersuchen, laut Art. 213
dem Völkerbundsrat zu, der die Untersuchung (Investigation) durch
Mehrheitsbeschluß anordnen kann. Der Rat setzte einen ständigen
Untersuchungsausschuß unter französischem Vorsitz ein. Aber
nirgends im Versailler Diktat, auch nicht in den die Entmilitarisierung
behandelnden Art.
42-44 und 180 ist
irgendeine ständige und örtliche Sonderkontrolle
am Rhein vorgesehen. Trotzdem hatte sich der Völkerbundsrat am 27.
September 1924 verleiten lassen, dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses
die Befugnis beizulegen, mit Mehrheitszustimmung des Rates "an solchen Punkten
der entmilitarisierten Zone, an denen die Kontinuität der Untersuchung sich
als notwendig erweisen sollte, gewisse ständige Elemente einzurichten".
Damit war das entmilitarisierte Rheinland in die Hand des französischen
Vorsitzenden des Ausschusses gegeben.
Gleich nach seinem Eintritt in den Völkerbund erwirkte das Deutsche Reich
am 11. Dezember 1926 vom Völkerbundsrat eine neue Entscheidung: "In
der entmilitarisierten Rheinlandzone können derartige besondere, nicht im
Art. 213
vorgesehene Elemente nur [146] durch ein Abkommen zwischen den beteiligten
Regierungen eingerichtet werden." Also nicht ohne deutsche Zustimmung. Es war
aber damals schon zweifellos, daß Frankreich nunmehr seine
Bemühungen darauf lenken werde, die Einwilligung des Reiches zu
erwirken.
Das Jahr 1927 verging zunächst ohne Entscheidungen. In Frankreich wie in
Deutschland standen Wahlen bevor. Um der künftigen Regierung
Frankreichs den Entschluß baldiger Räumung zu erleichtern, machte
Minister Stresemann in der Reichstagssitzung vom 30. Januar 1928 das
Zugeständnis, man werde "eine Beobachtung im Grenzgebiet bis zur
Beendigung der für die Besetzung des Rheinlandes in Aussicht
genommenen Zeit" erörtern. Also Kontrolle bis zum 10. Januar 1935. Und
sicherlich nur im Raum der noch besetzten Zonen. Der belgische Minister Hymans
sah freilich am 21. Februar 1928 im Senat in Stresemanns Worten eine
Dauerkontrolle im ganzen entmilitarisierten Rheinland. Und dahin ging nun das
Bestreben Briands, als auf der Septembertagung 1928 in Genf der Reichskanzler
Hermann Müller die Räumung zur Erörterung stellte.
Im Sinne d'Ormessons zielte der französische Minister auf eine
Verkuppelung der Reparationsregelung und der Räumungsaussprache.
Deutschland betonte sein Recht auf die Freiheit des Rheins und bestritt die
Verbundenheit, das "Junktim" der beiden Angelegenheiten. Man einigte sich
schließlich am 16. September 1. "über die Eröffnung einer
offiziellen Verhandlung über die... Forderung der vorzeitigen
Rheinlandräumung"; 2. über die Notwendigkeit, zur
endgültigen Regelung des Reparationsproblems eine Kommission von
Sachverständigen einzusetzen und 3. über den Grundsatz der
Einsetzung einer
"Feststellungs- und Vergleichskommission". Damit war die Kontrolle gemeint,
nach deutscher Auffassung nur bis 1935 und nur in der dritten Zone; nach
französischer eine
Dauer- und Ortskontrolle im ganzen entmilitarisierten Rheinland. Doch sollten
über Zusammensetzung, Funktionieren, Gegenstand und Dauer der
Kommission noch Verhandlungen zwischen den Regierungen stattfinden.
Stresemann warf das Problem der Räumung schon im Dezember
während der Tagung des Völkerbundsrates in Lugano auf. Er erzielte
kein Ergebnis, behauptete aber seinen Standpunkt.
Inzwischen hatte Briand seine Taktik, aber nicht sein Ziel geändert. Er sagte
am 4. Dezember 1928 in der Kammer: die Kontrollkommission am Rhein bestehe
schon; sie sei im Locarnopakt in der "Vergleichskommission" vorgesehen. Was
Briand mit der Identifizierung der
Vergleichs- mit der Feststellungskommission wollte, war offensichtlich. Er wollte
die Weltmeinung täuschen, als setze sich Deutschland mit seinem
Widerstand gegen die örtliche Dauerkontrolle am Rhein in Widerspruch
zum Locarnopakt. Unter dem Druck [147] der geblendeten Weltmeinung sollte das Reich
aus der Öffentlichkeit des Untersuchungsverfahrens vor dem
Völkerbundsrat in die Dunkelkammer einer kleinen Kommission
gedrängt werden. Wenn die Kontrollkommission im Gewande der
Versöhnungskommission von Locarno erschien, so war die Ewigkeitsdauer
der vertraglich anerkannten Spionage am Rhein gesichert. Denn der Locarnopakt
findet sein Ende erst, wenn es der Völkerbundsrat mit Zweidrittelmehrheit
beschließt. Frankreich wäre fertig mit seiner Autorität, wenn es
diese Mehrheit mit Hilfe seiner Freunde und Vasallen einmal nicht mehr
verhindern könnte.
Im wesentlichen hat der französische Außenminister, der nach dem
Rücktritt des erkrankten Poincaré auch die Ministerpräsidentschaft
übernommen hatte, sein in die mildere Form der Vergleichskommission
gehülltes Ziel erreicht. Die Kontrollfrage stand während des ganzen
Frühjahrs 1929 lautlos in den Kulissen der Pariser
Sachverständigenkonferenz, die die Reparationsregelung beriet und mit dem
Youngplan
endigte. In Deutschland beging man den Fehler, die französische
Wendung vom Verlangen nach einer besonderen Kontrollkommission zum
Wunsch nach erweiterter Befugnis der
Locarno-Kommission vor der Öffentlichkeit amtlich nicht rechtzeitig
aufzudecken. Der Außenminister lehnte noch in seiner Rede vom 24. Juni
einzig und allein eine dauernde Sonderkontrolle ab. So konnte ein Scheinerfolg der
deutschen Delegation im Haag herausgeputzt werden, daß das
entmilitarisierte Rheinland nicht einer ständigen Sonderkommission mit
Ortsinstanzen unterstellt wurde. In Wirklichkeit aber erreichte Briand sein am 4.
Dezember 1928 angedeutetes Ziel. Es wird erwidert, daß es strittig war, ob
die Locarno-Schiedskommission schon für die Entmilitarisierungsartikel 42 bis
43 des
Versailler Diktats zuständig war. Aber gerade darin hätte die
Aufgabe der deutschen Delegation liegen müssen, das strittige Recht
zugunsten der deutschen Auffassung, wie sie in dem Sachverständigenkreis
um den Zentrumsführer Kaas herrschend war, zur vertraglichen
Anerkennung zu bringen. Statt dessen wurde die Meinung Briands von den
Reichsvertretern als rechtskräftig gebilligt. Nach dem Haager Abkommen
vom 30. August gehen nunmehr alle Beschwerden über
Verstöße gegen die Entmilitarisierungsbestimmungen unmittelbar an
die Locarno-Schiedskommission. Damit wird deren Zuständigkeit auch
für das rechte Rheinufer, insgesamt für ein Viertel der
Reichsbevölkerung zugelassen. Freilich haben in dem Ausschuß neben
den beiden Parteivertretern auch 3 Neutrale Sitz und Stimme. Aber es wird den
Franzosen ein Leichtes sein, die von ihnen gewünschte Kontrolle in Gang zu
setzen, indem sie den militärischen Charakter einer beanstandeten
Maßnahme oder Einrichtung behaupten. Läuft die Untersuchung, so
hat der französische [148] Vertreter die ersehnte Gelegenheit zur
Auskundschaftung vor allem der rheinischen Wirtschaft. Denn nach Art. 14 des
Schiedsabkommens im Locarnopakt ist Deutschland verpflichtet, für die
Untersuchung "alle zweckdienlichen Urkunden und Auskünfte zu liefern,
sowie die ihm zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um... die Vorladung und
Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, sowie die Einnahme des
Augenscheins zu ermöglichen". Das ist das, was Frankreich sich
wünschte. Die von ihm begehrte Kontrolle im entmilitarisierten Rheinland
wird auch dadurch nicht behindert, daß das Reich das Recht hat, sich einer
Verhandlung vor der Schiedskommission durch Anrufung des
Völkerbundsrats zu entziehen. Denn einmal wird es von diesem Fluchtrecht
nicht gern Gebrauch machen, um nicht die Neutralen in der Kommission der
Parteilichkeit zu verdächtigen und um sich nicht selbst dem Vorwurf der
Verschleppung auszusetzen. Ferner wird, wenn die
Locarno-Kommission schon in Tätigkeit war, das französische
Ausschußmitglied bereits soviel erkundschaftet haben, als es von der
rheinischen Wirtschaft zu wissen wünscht.
Denn um die Wirtschaft geht es. Die Wochen nach der Haager Konferenz haben
gezeigt, daß der militärische Trieb nach dem Rhein auch heute noch in
den französischen Parteien weit verbreitet ist. Aber Briand hat längst
die Wandlung von seiner einstigen Sehnsucht nach der militärischen zu der
nach wirtschaftlicher Vormachtstellung am Rhein vollzogen. Vom Rhein sieht er
nach der Donaukonföderation über ein geschwächtes
Deutschland im Kranz der "Vereinigten Staaten Europas". Für
wirtschaftliche Behauptung auf beiden Rheinufern bietet die
Spionagemöglichkeit in der
Locarno-Schiedskommission vorzügliche Handhaben. Man darf nicht
vergessen, daß die Behinderung der rheinischen Wirtschaft, wie sie durch die
Art. 42 bis
43 des
Diktats und durch den Locarnopakt ermöglicht wird, in
den Servituten, die in Versailles der deutschen Flußhoheit im
Rheinstromgebiet auferlegt worden sind, ihre Ergänzung findet. Die
jüngsten Bahnzerstörungen und die Einschränkung des
rheinischen Bahnbauprogramms für 12 Jahre sind Auswirkungen der
Entmilitarisierungsartikel. Die Bestimmungen über Kanalpläne,
über Duldung französischer und belgischer Bauarbeiten im
reichsdeutschen Rheinstromgebiet und ähnliches sind Einschnürungen
der deutschen Flußhoheit. Die vor der Haager Konferenz versprochene
"Gesamtliquidierung des Krieges" ist am Rhein ausgeblieben. Die deutsche
Souveränität bleibt auch nach der Räumung Stückwerk.
Die sichtbare Fessel verschwindet, die weniger ins Auge fallende ist
unverändert. Nicht nur in militärischer Hinsicht, auch auf dem
Verkehrs- und Wirtschaftsgebiet.
Die Locarno-Kontrolle ist ständig, und sie ist dauerhaft. Sie ist, [149] wie Diplomaticus Rhenanus sagt, der
Interventionshebel, mit dem Frankreich das Reich am Korridor unter Druck
hält. Mit dem es Deutschland zum Verzicht auf den Anschluß
Österreichs pressen und in eine Front gegen Sowjetrußland werfen
möchte, wenn es die Lust dazu anwandelt. Von Marschall Foch ging
während der Versailler Friedenskonferenz die Sage, ihn gelüste der
Marsch nach Moskau trotz des napoleonischen Schreckens. Dafür war ihm
der Besitz der rheinischen Operationsbasis eine natürliche
Voraussetzung.
Die Tradition ist stärker als das Schlagwort. Sie kann es nicht entbehren. Es
ist ihr Diener. Die politische Tradition Frankreichs ist: die gleichzeitige Herrschaft
über Rhein und Rhone, über jene tiefe Querfurche, die den Westen
Europas zwischen der Nordsee als dem Welthafen der Atlantik und dem
Mittelmeer als dem Verbindungsglied zweier Ozeane vom Rumpf des Festlandes
absperrt. Aus den Seitentälern und auf dem dichtmaschigen Kanalnetz
führt der Weg vom Rhein in den slavischen Osten, längs der nahen
Donau nach dem Schwarzmeer. Horchposten in einer französisch
bestimmten Kontrolle würden auf dem rechten Rheinufer zum Vortrupp
französischer Festlandsherren werden. Eine Aussicht, die sowohl der
britischen Sorge um das Gleichgewicht, wie dem amerikanischen Wunsch nach
Wirtschaftsfreiheit gleichermaßen zuwider sein müßte.
Man ist leicht geneigt, den Abwehrkampf des Rheinlandes unter dem
Gesichtspunkt des Mitleids zu betrachten. Die Rheinländer wissen, was sie
für das deutsche Volk erduldeten, wissen, daß der Ruhrkampf der
Wendepunkt in der Nachkriegsgeschichte geworden ist. Ihr Selbstgefühl
verlangt, daß man im unbesetzten Deutschland für ihre Leistungen
Verständnis hat. Gewiß: sie erwarten die Gegenleistung des
Mitempfindens. Aber sie wünschen sie vor allem darum, weil sich darin das
Gegenseitigkeitsgefühl der Volkszusammengehörigkeit
ausdrückt. Ihrer Führer beraubt, haben sie aus natürlichem
Gemeinschaftsinstinkt den Kampf für ihre deutsche Reichs- und ihre
preußische Staatszugehörigkeit gegen Franzosen und Separatisten
durchgefochten. Aus ihrem Deutschbewußtsein sind sie hineingewachsen in
die Erkenntnis der Verbundenheit des
west- und ostdeutschen Schicksals, in den Willen zur Verwirklichung des
großdeutschen Volksstaates. Die Jahrtausendfeier, der Jubel, der das
Frohlocken der rheinischen Glocken bei der Befreiung der beiden Zonen begleitete,
gaben Zeugnis dafür, was in der rheinischen Bevölkerung lebendig ist.
Tausendfach und immer wieder ist seitdem das Bekenntnis laut geworden, aus
allen Schichten in stets neuer Fassung: Wir verlangen die Befreiung von der
Fremdherrschaft als unser Recht; aber lieber wollen wir die Fessel der Besetzung
weiter tragen, als daß unsere Freiheit mit neuen Lasten von Reich und Volk
erkauft wird.
[150] Nun wird das Rheinland frei. Sein
Freiheitskampf will unter europäischen, unter weltpolitischen Blickpunkten
gesehen werden. Die Franzosen haben in der lotharingischen Idee ein Haar
gefunden. Ihr Elsaß könnte durch Autonomie in Gefahr kommen,
wenn der rheinische Pufferstaat an seine Grenzen stößt. Sie sehen
ihren Vorteil in der verschleierten Machtstellung am Rhein, in der
völkerrechtlich verbürgten Dauerkontrolle. Ist es ihnen ernst mit der
Versöhnung, bedeutet ihnen die Befreiung Europas etwas, dann ist es leicht,
der lotharingischen Idee eine zeitgemäße Form zu geben. Wenn sie
den entmilitarisierten Streifen glauben zu ihrer Sicherheit nicht entbehren zu
können, dann sollten sie im Namen der in der Völkerbundssatzung
verheißenen Gleichberechtigung auf ihrem eigenen Boden ebenfalls die
Grenze entmilitarisieren. Wie es die Vereinigten Staaten und Kanada in
vorbildlicher Gegenseitigkeit durchgeführt haben. Und sie sollten, im
Interesse gerade des Zusammenschlusses Europas im freien Verkehr, zur
Internationalisierung des Rheinstroms die der Rhone fügen. Zumal sie
gerade jetzt an dem Projekt arbeiten, das die Schiffbarkeit der internationalen
Rhone bis ins Schweizer Gebiet erstrecken soll. Eine Einseitigkeit der Belastung des
Rheinlandes mit militärischen, mit
Verkehrs- und Wirtschaftshypotheken fügt sich schlecht in eine Zeit, die
politische Sittlichkeit aus der Schiedsgerechtigkeit und dem Vertrauen formt. In
der der Kellogpakt den Militarismus moralisch geächtet hat. Die
Menschenwürde aber wurde verunehrt und der göttliche
Gemeinschaftstrieb, der in der Volkspersönlichkeit verkörpert ist, mit
Dornen gepeinigt, als ein Volksteil ohne Sonderschuld als Sündenbock 10,
12 Jahre hinter einem Gitter von Bajonetten abgesperrt und zum willenlosen
Objekt entmündigt war. Aus dem Privatrecht ist die Schuldhaft
ausgeschieden. Sache des Völkerrechts ist es, freies Menschentum
künftig vor der Verpfändung zu bewahren. Dann hat das Rheinland
nicht umsonst gelitten.
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