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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 3: Die Etappe   (Forts.)
Oberstleutnant Karl Schroeder

5. Regelung des Nachschubs.

Ebenso wie die Aufgaben des Bahn- und Grenzschutzes verblieben während des ganzen Krieges unverändert der Etappe die Aufgaben des Nachschubs an Munition und Gerät, an Verpflegung für Mann und Pferd, an Bekleidung und Material aller Art. Die Munitions- und Geräteversorgung wurde jedoch organisatorisch wesentlich verändert.

Die Instandsetzung des Geräts übernahmen (s. S. 212) die Armee-Oberkommandos selbst; der Kommandeur der Munitionskolonnenabteilungen fiel aus Ersparnisrücksichten weg. Die Kolonnen wurden dem Kommandeur der Trains unterstellt, während gleichzeitig eine große Zahl der Munitionskolonnen der Etappe überhaupt genommen wurde, um bei neu formierten Truppenverbänden Verwendung zu finden oder im Operationsgebiet für Zwecke des Armee-Oberkommandos oder einzelner Korps benutzt zu werden. Daß diese Maßregel für die Etappe mannigfache Nachteile mit sich brachte, ist schon besprochen worden.

Durchaus zweckmäßig war dagegen der Wegfall der Etappenmunitionsverwaltung. Dieses Zwischenglied zwischen dem Munitionswesen und den unterstellten Depots und Ausgabestellen hatte sich als zwecklos und sogar als schädlich herausgestellt, da es sonst verwendbares Personal unnötig verbrauchte, [217] vor allem aber die Weitergabe der Befehle naturgemäß verzögerte. Die dem Kommandeur der Munitionsverwaltung zugedachte Aufgabe der praktischen Beaufsichtigung der stehenden Depots war unter der Schreibarbeit zu kurz gekommen und konnte von dem Kommandeur des Munitionswesens mit übernommen werden. Schließlich fiel sie ganz weg, da die vorgeschobenen Depots und Ausgabestellen den Generalkommandos unterstellt wurden.

Trotzdem blieb für die Etappenmunitions- und Geräteverwaltung, wie die aus Munitionswesen und Munitionsverwaltung vereinigte Behörde nunmehr hieß, noch ein reichliches Arbeitsfeld übrig. Sie bearbeitete:

  1. Den Munitionsnachschub, der bei den sich immer mehr ins ungeheure steigernden Munitionsmassen und der immer mehr bei der Artillerie (und später auch bei der Infanterie) auftretenden Zahl von Geschoßarten und Spezialsorten, sowie dem dauernden Wechsel der Artilleriearten an den einzelnen Fronten große Anforderungen an Kenntnisse und Arbeitskraft des Personals stellte, wenn immer die nötige Zahl und Art der Munition an jeder einzelnen Stelle sein sollte.
  2. Gerätenachschub, d. h. Ersatz und Nachschub von:
    1. Geschützen, einzelnen Rohren, Lafetten und Protzen, Fahrzeugen, Geschütz- und Wagenzubehör, Schanzzeug, Handhabungsgerät, Vorratssachen, Beobachtungs-, Schallmeß- und Lichtbildgerät für Feld- und Fußartillerie;
    2. eigentliche Maschinengewehrfahrzeuge, Zubehör, Schanzzeug und Vorratssachen für Maschinengewehrformationen;
    3. Geschirr- und Stallsachen für Feld- und Fußartillerie, Maschinengewehr- und Verkehrsformationen;
    4. Beobachtungsgerät für höhere Stäbe und Fußtruppen, ausgenommen Minenwerfer.
    5. Nachschub von Fahrrädern und Fahrradbestandteilen.
    6. Waffennachschub, und zwar:
            - von Ersatzteilen zu Handfeuerwaffen;
            - von Waffenmeistergerät für Infanterie;
            - von Ausrüstungsstücken für Infanterie;
            - Ausgabe von Offizierpistolen.

Alle diese Dinge wurden mit der Eisenbahn herangeschafft, in großen Lagern in der Nähe des Etappenhauptorts und weiter vorn niedergelegt und von da entweder von den Truppen abgeholt oder mit Lastkraftwagen zu den Depots und Ausgabestellen der Fronttruppen vorgeschafft. Die Lager mußten natürlich erst zweckmäßig ausgebaut, Eisenbahnanschlüsse neu hergestellt und vor allem durch Verteilung und unauffälligen Ausbau die Gefahr der Fliegerangriffe vermindert werden. Sehr störend machte sich geltend der Mangel an geschultem Feuerwerkspersonal und zum Schluß die dauernde Verschlechterung der Arbeitskräfte, als den Artillerieparkkompagnien nur [218] noch av.- oder gv.-Heimat6-Leute zugeteilt wurden, die die körperlich so sehr anstrengende Arbeit mit dem schweren Gerät nicht bewältigen konnten. Wurden doch sogar Leute mit kaum geheilten Armbrüchen, mit verkrüppelten Händen und Rückenmarksleidende als arbeitsverwendungsfähig den Artillerieparkkompagnien überwiesen. Auch nach Ansicht der Ersatzbehörden in der Heimat war für die Etappe eben alles gut genug.

Auch der Nachschub der Verpflegung blieb eine der Hauptaufgaben der Etappe. Hauptquelle der Verpflegung der Feldarmee blieb die Heimat. Die Etappenintendantur7 besorgte in Gemeinschaft mit dem Bahnbeauftragten das Heranziehen der Verpflegungszüge und ihre Verteilung. Soweit es irgend ging, wurden die Züge auf den Verteilungsbahnhöfen der Armee auseinanderrangiert und die Bedürfnisse der fechtenden Truppe sofort den Korpsmagazinen zugeführt. Dem Verlangen der Eisenbahnbehörden, möglichst bis zu den vordersten mit der Bahn zu erreichenden Ausgabestellen bestimmte Züge zusammenzustellen, um ein Rangieren vorwärts des Verteilungsbahnhofes zu vermeiden, konnte wegen des dauernden Wechsels der Bedürfnisse nicht entsprochen werden. In den Etappenmagazinen wurden nur die Bedürfnisse der Etappentruppen, der im Etappengebiet liegenden Armeetruppen und der in Reserve liegenden Divisionen niedergelegt. Die Zahl der von der Etappeninspektion auf diese Art unmittelbar zu verpflegenden Truppen war allerdings manchmal recht erheblich, z. B. bei der 6. Armee allein im Sommer 1918 über 120 000 Mann, und zwar:

    Von Etappentruppen etwa 45 000 Mann,
    zugeteilte Fronttruppen etwa 70 000     "
    Kriegs- und Zivilgefangene etwa 6 000     "
    mit insgesamt etwa 30 000 Pferden.

Außer dem Nachschub von Verpflegung bearbeitete die Intendantur auch die Verwertung der Ernte des besetzten Gebiets und der sonstigen Landesvorräte, besonders Vieh, Eier, Wein und Spirituosen für das Heer - eine sehr komplizierte Arbeit, da für die einzelnen Okkupationsgebiete infolge der internationalen Abmachungen ganz verschiedene Bestimmungen darüber galten, inwieweit die Landesvorräte dem deutschen Heere nutzbar gemacht werden durften. Amerika und Spanien hatten (s. S.  236) die Versorgung der infolge Absperrung von Überseezufuhr durch die Engländer notleidenden Bevölkerung des von den Deutschen besetzten Gebiets übernommen und sich dabei durch Verträge dagegen gesichert, daß von den von ihnen eingeführten Lebensmitteln den deutschen Truppen etwas abgegeben wurde, und auch daß die deutsche Verwaltung bei den Landeseinwohnern mehr Lebensmittel beschlagnahmte, [219] als für die Verpflegung der in dem betreffenden Gebiet liegenden Truppen, für die nach der Haager Landkriegsordnung das Land aufkommen muß, nötig war. Diese Verträge waren aber andere für das Gebiet der Generalgouvernements und somit auch für die vom Generalgouvernement in Belgien später an die verschiedenen Etappeninspektionen abgetretenen Gebiete, für die von Anfang an zur Etappe gehörigen Bezirke in Belgien (Flandern) und für das Etappengebiet in Frankreich.8 So mußten viele Etappeninspektionen im Westen nach zwei oder gar drei verschiedenen Bestimmungen bei Erfassung dieser Vorräte arbeiten.

Außer für das Heer war auch für die Kriegsgefangenen, Zivilgefangenen und zwangsweise beschäftigten Arbeiter zu sorgen.

Fliegende Wirtschaft bei Marketenderwagen.
Fliegende Wirtschaft bei
Marketenderwagen.      [Vergrößern]

Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 2, S. 64.
Auch die Anlage von Bäckereien, Schlächtereien, Pferdeschlächtereien, Beschaffung von Marketenderwaren und Viehversorgung gehörte zu den Aufgaben der Intendantur. Ferner die Anlage von Kadaververwertungsanstalten, die gegen Ende des Krieges immer wichtiger wurden, je mehr sich der Mangel an auf andere Weise gewonnenen Schmiermitteln geltend machte. Außer Fett wurden auch Knochen, Hörner, Hufe zu mannigfacher Verwendung, sowie Blutmehl, Tierkörpermehl und Pansenfutter für Pferdefütterung hier gewonnen.9

Eine besonders schwierige Aufgabe war beim Westheer die Futterversorgung. Der Mangel an Hartfutter machte sich sehr bald empfindlich bemerkbar. An Stelle von Hafer wurden sofort allerhand Ersatzfuttermittel erprobt. Die mit Roggen, Weizen, Mais und Zuckerfütterung gemachten Erfahrungen waren gut, wenn das notwendige Maß beobachtet wurde. Preßfutterkuchen boten vollgültigen Haferersatz, verlangten aber sehr sorgfältige Aufbewahrung, da sie sonst verschimmelten. Auch Laubheukuchen wurde gewonnen. Zu einer allgemeinen Laubheufütterung kam es nicht, da es an Arbeitskräften zu dessen Gewinnung fehlte. Besonders erwähnenswert sind die Versuche der Strohaufschließung, an denen die Etappeninspektionen in hervorragender Weise sich beteiligten.9 Etappeninspektion 4 in Gent, 3 in Sedan (wo täglich 120 Zentner Stroh aufgeschlossen wurden) gingen auf der Westfront damit voran; auch im Osten wurden Strohaufschließungsanstalten gebaut, z. B. zehn Stück von der Etappeninspektion Bug. Die Erfahrung lehrte, daß ein Teil des Hafers durch aufgeschlossenes Stroh ersetzt werden, daß aber hierdurch allein, ohne Zugabe von Hafer, der Ernährungszustand der Pferde nicht erhalten werden kann. Die Rauhfutterbeschaffung war nicht ganz so schwierig, wie die von Hartfutter; zu manchen Zeiten trat aber auch hier empfindlicher Mangel ein, wenn die Eisenbahntransportschwierigkeiten den geregelten Nachschub von Heu und Stroh verboten. Sache der Etappeninspektion war es, für diese Zeiten durch [220] Gewinnung von Heu im besetzten Gebiet, häufig durch in den Bereich anderer Armeen geschickte Kommandos, und seine Stapelung für Zeiten der Not zu sorgen. Im übrigen mußten in den geeigneten Monaten die Truppen auf möglichst reichliche Benutzung des Weideganges hingewiesen werden. Sehr erschwerend hierfür war es, daß in Belgien nach den Abmachungen mit dem spanisch-amerikanischen Komitee die ganzen Futtermittel den Einwohnern verbleiben sollten, so daß man bei Ermietung von Weideplätzen gänzlich von dem guten Willen der Belgier abhängig war. Auch die Anlage von Viehdepots für das aus der Heimat zugeführte Schlachtvieh war Sache der Intendantur, die hier im engen Einvernehmen mit dem Etappenveterinär und dem landwirtschaftlichen Sachverständigen arbeiten mußte. Zuchtvieh und teilweise Milchvieh wurde in Viehdepots gehalten in den Gegenden, in denen eine Viehhaltung durch die Einwohner ausgeschlossen war oder allein nicht genügte.10

Die Materialiendepots der Etappe versorgten die Truppen mit Materialien aller Art, insbesondere Papier, Schreibzeug und Bureaumaterial, Eß- und Kochgeschirre für Quartiere, Küchen- und Zimmereinrichtungen (Bettstellen, Lampen, Besen, Bürsten, Handtücher, Kohlenschippen usw.), Farben, Stoffe für Signal- und Fliegerzwecke, Schreibmaschinen, Feuerlöscher, Strohsäcke, Matratzen, Füllmaterial (Roßhaar, Stroh, Seegras), Streumittel (besonders Torf, Hobelspäne, Sägemehl) und tausenderlei Kleinigkeiten, z. B. Rasierapparate und die sehr wichtigen Mausefallen. Ferner waren dort vorhanden alle Werkzeuge für Schuster, Schneider, Sattler, Schmiede, Schlosser, Glaser, Mechaniker, Zimmerleute, Schreiner, Anstreicher, Maurer usw. in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit; dann Karbid, Öle, Holz- und Schmiedekohlen, Kochbadflüssigkeit für Feldküchen und sonstige Schmier- und Betriebsstoffe. So waren bei der Etappeninspektion 6 in den Materialiendepots bei Kriegsende 1918 außer anderem vorhanden an:

    Schützengrabenöfen etwa 20 000
    Haferquetschmaschinen   " 5
    Häckselmaschinen " 15
    Kochkisten " 50
    große Kochkessel " 60
    Wringmaschinen " 100
    Speiseträger11 " 2 000

und 2 Millionen Hufeisen mit den zugehörigen Nägeln und Stollen. Die Ausstattung der Truppen mit Quartier- und Schützengrabenöfen benötigte Riesen- [221] mengen, die teilweise aus der Heimat nachgeschoben, teilweise in Gießereien des besetzten Gebietes hergestellt wurden. Die Versorgung der Truppen vorderster Linie mit Hartspiritus zum Kochen mußte aus Mangel auf die im Großkampf befindlichen Truppen beschränkt werden und wurde vom Generalintendanten einheitlich für das ganze Feldheer geregelt. Auch der Nachschub von Geschirr- und Stallsachen, planmäßigen Fahrzeugen und Ersatzteilen an Trainfeldgerät für alle Truppen mit Ausnahme der Artillerie (für die die Munition- und Geräteverwaltung zuständig war) gehörten zu den Obliegenheiten der Etappenintendantur. Der Mangel an Leder machte sich zum Schluß des Krieges sehr fühlbar, und die von der Heimat gelieferten Geschirre aus Ersatzstoffen (Papierzügel usw.) erwiesen sich als nicht genügend haltbar und vor allem fast gar nicht widerstandsfähig gegen Regen.

Die Intendantur leitete außerdem das gesamte Geld- und Rechnungswesen, beaufsichtigte die Kassen, bearbeitete Gebühren und Lohnfragen der Truppen, Gefangenen und Zivilarbeiter, Finder- und Bergelöhne, Verrechnung der Landesernte, Festsetzung von Marktpreisen, Bereitstellung von Landesmitteln, Beitreibungswesen, Entschädigungsansprüche und Quartierleistungsfragen.

Der Nachschub an Bekleidung und Ausrüstung12 lag anfangs auch in Händen der Etappenintendantur. Später wurde hierfür bei jeder Etappeninspektion ein sachverständiger Bekleidungsoffizier vom Kriegsministerium ernannt. Außer der Bestellung des Bedarfs bei Bekleidungsämtern in der Heimat, bei der oft das richtige taktische Verständnis des Bekleidungsoffiziers das erst in Zukunft für seine Armee Notwendige vorausahnen mußte, seiner Vorführung in Gemeinschaft mit dem Bahnbeauftragten, der Einlagerung in Magazinen, soweit nötig, und der richtigen Verteilung an die Truppen, sollte dieser auch auf Sparsamkeit im Verbrauch hinwirken, je nach Dringlichkeit die Reihenfolge der Ausgabe bestimmen und die Werkstätten der Truppen überwachen, eine sehr schwierige und undankbare Tätigkeit, da bei vielen Kommandeuren die Notlage der Stoffversorgung nicht genügend gewürdigt wurde, und in dem an sich lobenswerten Bestreben, die Truppen möglichst gut zu kleiden und auszurüsten, Forderungen gestellt wurden, die mit der Notlage Deutschlands keineswegs in Einklang standen. Selbst höhere Führer zeigten in diesen Fragen oft großen Mangel an Verständnis. Bezeichnend hierfür ist das Schicksal eines Kompagnieführers, der sich mit rastlosem Eifer Mühe gab, durch dauernde Sorge für die Wiederherstellung der stark mitgenommenen Bekleidungsstücke diese brauchbar zu erhalten und dafür schließlich von seinem Divisionskommandeur - kräftig angepfiffen wurde, da seine Leute doch lange nicht so gut gekleidet seien, wie die der Nachbarkompagnie. Diese hatte nämlich einfach immer [222] neue Sachen angefordert. Die Truppenwerkstätten erwiesen sich oft als sinnlose Verschwender von Material. Bei den Mannschaften war Sparsamkeit natürlich erst recht nicht zu finden, - die hatten es bald entdeckt, daß einen neuen Rock anzufordern bequemer ist, als einen Riß zu flicken - und die jungen Kompagniechefs verstanden es nicht, die Leute entsprechend anzuleiten. Kam es doch sogar vor, daß junge Offiziere ihren Mannschaften die Erlaubnis gaben, die unersetzlichen Zeltbahnen zur Herstellung der unnötigen, aber bei den Feldstutzern als hochmodern sehr geschätzten Wickelgamaschen zu zerschneiden. Im Etappengebiet wurden Armeebekleidungsdepots eingerichtet, die eilige Anforderungen der Truppen unmittelbar, ohne auf Nachschub aus der Heimat zu warten, befriedigen konnten. Die Menge der in einem solchen Depot lagernden Bekleidungsstücke ging natürlich auch in die Tausende. Dabei muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß hier (wie auch bei allen anderen Gegenständen, für die die Etappe zu sorgen hatte) keineswegs unnötige Schätze aufgesammelt wurden, auf daß sie die Motten und der Rost fressen; nein, im Fall eines plötzlich ausbrechenden Großkampfes bei einer Armee reichten die Vorräte oft nicht einmal, so daß die Nachbararmeen aushelfen mußten. Fahrbare Schuhmacherwerkstätten wurden zu den Divisionen vorgeschoben, um im großen Ausbesserung des Schuhzeugs vornehmen zu können. Eine solche konnte 150 - 200 Paar Schuhe an einem Tage ausbessern.13

Der Armeepostdirektor14 mit seinem der deutschen Postverwaltung entnommenen Personal sorgte für Beförderung von Feldpostbriefen und Karten, sowie Päckchen aus und nach der Heimat. Seine Aufgabe wuchs ins Riesenhafte, da die Schreiblust bei den deutschen Soldaten allmählich ungeahnte Dimensionen annahm und die Portofreiheit manchen zu einem früher nie von ihm gepflegten Briefverkehr verleitete. Das etatsmäßige Postpersonal reichte daher bei weitem nicht aus und mußte durch Kommandierungen aus der Truppe verstärkt werden. An Paketen zum und vom Feldheer (abgesehen von den Feldpostpäckchen) waren anfangs nur Dienstsendungen zugelassen. Zunächst machte deren richtige Leitung große Schwierigkeit, und die vorausgesandten zweiten Generalstabsoffiziere der Etappeninspektion (Ib) mußten hier kräftig eingreifen, um Ordnung zu schaffen. Der Feldeisenbahnchef richtete daher besondere Eisenbahnpaketämter ein. Später übernahmen Eisenbahnverkehrsämter (wie im Frieden) mit ihren Organen (Güterabfertigungen) die Leitung dieses Verkehrs, der in Richtung vom Heer zur Heimat auch auf Privatsendungen ausgedehnt wurde.

Dem Kommandeur des Etappentrains unterstanden zur Bewältigung der auf die Landstraße angewiesenen Transporte aller Art die in den Aufstellungsorten fertig formierten Etappenfuhrparkkolonnen, sowie die Magazinfuhrpark- [223] kolonnen mit im Aufmarschgebiet oder im besetzten Gebiet beigetriebenen Fahrzeugen und Pferden, besetzt durch Mannschaften der Etappentraineskadrons. Etappenbäckereikolonnen boten die Möglichkeit, bei dauerndem Wechsel überall Brot backen zu können. Bei längerem Verweilen an einem Orte wurden die fahrbaren Feldbacköfen in Reserve gestellt und vorgefundene, nach Bedarf umgebaute Backanstalten benutzt. Mit Eintritt des Stellungskrieges und Beförderung alles Nachschubs mit der Eisenbahn wurde der Bedarf an Kolonnen im Etappengebiet geringer. Die meisten Etappen- und Magazinfuhrparkkolonnen wurden daher den Korps zur Verfügung gestellt und dafür zur Etappeninspektion schonungsbedürftige Truppenkolonnen kommandiert. Es gab das anfangs Anlaß zu mancherlei Reibungen, da verschiedene Kommandierende Generale in dem naturgemäßen Bestreben, ihre eigenen Kolonnen möglichst zu schonen, die Etappenkolonnen besonders scharf ausnutzten und so den Inspektionen berechtigten Anlaß zu Klagen über Herunterwirtschaften des Menschen - und Pferdematerials gaben. Dies änderte sich erst, als solche Etappenkolonnen dauernd den Korps überwiesen wurden und diese, solange sie die Kolonne bei sich hatten, auch für den inneren Dienst und die Aufrechterhaltung der Verwendungsfähigkeit die volle Verantwortung übernahmen. Obwohl die Etappenkolonnen jetzt denselben Dienst taten wie die Truppenkolonnen, wurde ihre Bezeichnung als Etappenkolonnen nicht aufgegeben und sie in bezug auf Ersatz an Mannschaften und Pferden den Frontkolonnen nicht gleichgestellt. Sie mußten vielmehr mit weniger leistungsfähigem Ersatz gleiches leisten, wie die Fronttruppen und wurden zum Dank dafür - mochten sie noch so weit vorne im feindlichen Feuer ihren Dienst tun - von den "Frontsoldaten" geringer eingeschätzt. Gegen Schluß des Krieges wurde ein Teil der Rechte des Etappeninspekteurs über seine Kolonnen auf den Kommandeur der Munitionskolonnen und Trains bei der Armee übertragen und dadurch auch für den Etappentrain ein doppeltes Unterstellungsverhältnis geschaffen, eine Maßregel, die man wohl besser vermieden hätte.

Die der Etappe verbleibenden "schonungsbedürftigen" Kolonnen wurden außer ihrem Dienst für den Nachschub - hauptsächlich für Etappenintendant und Munitions- und Geräteverwaltung -, im Forstbetrieb und in der Landwirtschaft beschäftigt. Bei letzterer leisteten die Kolonnen in den Gebieten, in denen die Einwohner nicht zur selbständigen Feldbearbeitung herangezogen werden konnten, nicht nur Gespanndienste, sondern ihr Personal war oft Träger des gesamten Landwirtschaftsbetriebs. Da für diese vielen Aufgaben die wenigen schonungsbedürftigen Kolonnen nicht genügten, besonders wenn aus dem Stellungskrieg infolge einer Offensive oder eines Rückzugs sich wieder der Bewegungskrieg entwickelte, so schufen sich die Etappeninspektionen aus Einwohnerwagen, mit ausgehobenen Pferden oder Ochsen bespannt und mit einheimischen Führern unter nur geringem deutschen Aufsichtspersonal besetzt, [224] besondere Einwohnerkolonnen. Eine solche Kolonne bestand meist aus 1 Unteroffizier und 1 Gefreiten (beritten), 31 Landeseinwohnern, 62 Zugtieren, davon 1 Reservegespann und 30 Fahrzeugen. Bei manchen Inspektionen waren aus ausgehobenen Zuchtstuten Sonderkolonnen gebildet, denen nur leichte Arbeit zugewiesen wurde, um dieses wertvolle Material zu schonen und vor Verschleuderung zu bewahren; ebenso aus abgeheilten Räudepferden Räudekolonnen, die sowohl eine Quarantäne, als auch Schonung während der Erholungszeit gewährleisteten.

Die Etappenpferdedepots, ursprünglich gedacht nur zur Aufnahme von einigen Reservepferden zur Ergänzung der Etappenformationen, wuchsen sich sehr bald zu großen Sammelstellen für den Pferdeersatz der Armeen aus.15 Das etatsmäßige Personal reichte natürlich bei weitem nicht aus. Es mußten mehr Offiziere hinzukommandiert und als Pfleger Gefangene und Landeseinwohner in großer Zahl eingestellt werden. Die Durchführung gelang ohne größere Nachteile trotz der anfänglichen Bedenken, diesen das wertvolle Pferdematerial anzuvertrauen. Als gegen Schluß des Krieges größere Pferdetransporte aus dem Osten an der Westfront ankamen und dort ohne genügende Zeit zur Vorbereitung in stark zerstreuten Stallungen der Dörfer untergebracht werden mußten, war man sogar gezwungen, unberittene Landsturmeskadrons dem militärischen Dienst zu entziehen und als Pferdepfleger in den Etappenpferdedepots zu verwenden. Die Depots, anfangs meist geschlossen untergebracht, wurden bei den meisten Armeen bald zur besseren Ausnutzung der Stallungen und der Weideplätze in örtlich getrennte Zweigstellen (bei der 6. Armee z. B. sieben) gegliedert. Man konnte hierbei auch eine sachliche Gliederung des Pferdematerials vornehmen, indem in den einzelnen Stellen untergebracht wurden:

    Aus der Heimat nachgeschobene,
    aus dem Land ausgehobene,
    vom Osten herangeführte,
    aus den Lazaretten und von Truppen abgegebene schonungsbedürftige,
    und an die Truppe ausgabefähige Pferde.

Die Durchschnittszahl der Pferde im Depot betrug z. B. bei der Etappeninspektion 6 2000 - 3500 Pferde, vor Großkämpfen zeitweise bedeutend mehr. Wenn vor solchen Perioden plötzlich aus dem Osten mehrere hundert Pferde ankamen, für die weder Stallungen, noch Futter, noch Pferdepfleger vorhanden waren (die mitgekommenen Begleiter mußten sofort zur Übernahme neuer Transporte zurückgeschickt werden), die aber dafür ihre Halfter unterwegs aufgefressen hatten, so daß sie nach dem - durch Tücke des Schicksals meist [225] auch noch nachts erfolgten - Ausladen nur als Herde über Land getrieben werden konnten, wenn diese dann in zwei bis drei Dörfern, deren jedes aus Dutzenden von weit auseinander liegenden Einzelgehöften bestand, verteilt, mit Futter versehen, tierärztlich untersucht und in spätestens zwei Tagen den Fronttruppen zugeführt werden mußten, so ergab sich hieraus für Offiziere, Veterinäre und Mannschaften des Pferdedepots eine Zeit, in der sie das von Fernerstehenden als so ruhig geschätzte Etappenleben mit manchem kernigen Soldatenfluch belegten. Aber geschafft wurde die schier unmögliche Aufgabe doch!

Für die bei den Truppen anfallenden Fohlen richtete die Etappe besondere Fohlenhöfe, für tragende Stuten und solche mit noch nicht absatzfähigen Fohlen Abfohlstationen ein. Für die Aushebungen im besetzten Gebiet wurden Musterungen abgehalten und genaue Listen aller Einwohnerpferde geführt. Den Einwohnern war das Decken kriegsbrauchbarer Stuten, um diese nicht dem Arbeitsdienst und der Aushebung zu entziehen, verboten. Um hierüber eine Kontrolle ausüben zu können, wurden zum Decken kriegsunbrauchbarer Stuten Deckstationen mit einheimischen Hengsten unter militärischer Leitung eingerichtet.

Sehr bald trat an der Westfront ein empfindlicher Mangel an Pferden durch Gefechtsverluste, Überanstrengungen, Unterernährung und Seuchen ein. Heimat und besetztes Gebiet konnten nur in beschränktem Maße nachschieben. Die Hauptquelle des Nachschubs wurde so der pferdereiche Osten. Das deutsche mittelschwere Pferd wurde immer mehr durch die kleinen Russen ersetzt. Schwierigkeiten in der Verwendung traten dadurch ein, daß für schwere Belgier und russische Panjepferdchen natürlich verschiedenartige Gespanne und Fahrzeuge notwendig waren, so daß die Ausrüstung von Kolonnen und der Nachschub von Ersatzmaterial für sie immer umständlicher wurden. Die Einwohner wurden mit gutem Erfolg auf die Verwendung von Rindvieh als Spannvieh hingewiesen. Die anfangs als Pferdeersatz verwendeten Esel und Maultiere wurden später für die Gebirgskämpfe im Südosten benötigt und ebenfalls ausgehoben.

Zur Schonung des wertvollen Pferdematerials wurden sehr bald einschneidende Verfügungen erlassen, z. B. Verbot des Aufsitzens von Leuten außer dem Kutscher, Verbot des Trabfahrens außer zu taktischen Zwecken. Ihre Durchführung stellte hohe Anforderungen an die Polizeiorgane der Etappe, da bei vielen Leuten das Verständnis für ihre Notwendigkeit fehlte und besonders die im Etappengebiet liegenden Fronttruppen jedes Eingreifen gegen Übertretungen als unberechtigte Schikane empfanden.

Da die deutschen Fahrzeuge auf den schlechten Wegen des Ostens sich als zu schwer erwiesen, wurden sie zum großen Teil durch leichte, in den dortigen Gegenden übliche Fahrzeuge, von den deutschen Soldaten "Panjewagen" [226] genannt, ersetzt. Auch im Westen zwang der Ersatz deutscher Pferde durch die kleineren Russenpferde zur Einführung solcher Fahrzeuge. Geschirr- und Wagendepots dienten sowohl zur Lagerung von aus der Heimat nachgeschobenen Fahrzeugen, Fahrzeugteilen, Zubehör und Pferdegeschirr, ferner zur Reparatur aller dieser Dinge, wodurch sie sich schon zu umfangreichen Werkstätten auswuchsen, als auch zur Neubeschaffung von Fahrzeugen. Besonders zur Herstellung von Panjewagen besaßen einige Armeen recht große Fabriken. Unter den auszubessernden Fahrzeugen nahmen die Feldküchen einen sehr gewichtigen Platz ein, teils eine auffallend große Menge von zerschossenen, vielleicht weil die Truppen sie ohne Rücksicht möglichst weit nach vorn mitnahmen, teils auch infolge unvorsichtiger Behandlung mit durchgebrannten Kesseln. Besonders arbeitsreich gestaltete sich jedoch das Sortieren und Ausbessern von auf dem Schlachtfeld aufgelesenen Geschirren; und es war erstaunlich, wenn man sah, was aus einem ein ganzes Magazin füllenden wüsten Haufen von Lederzeug wieder für schöne brauchbare Geschirre gemacht werden konnten.


6 [1/218]D. h. arbeitsverwendungsfähige oder nur in der Heimat garnisonbrauchbare. ...zurück...

7 [2/218]S. auch Abschnitt: "Die Heeresverpflegung". ...zurück...

8 [1/219]S. auch Abschnitt: "Die Verwaltung Belgiens", Band [8]. ...zurück...

9 [2/219]S. auch Abschnitt: "Veterinärwesen", Band [7]. ...zurück...

10 [1/220]Vgl. hierzu die Abschnitte: "Heeresverpflegung" und "Veterinärwesen". ...zurück...

11 [2/220]Eine Art Tragekiepen, in denen das hinter den Stellungen zubereitete Essen den Leuten der vordersten Linie von Kameraden auf dem Rücken zugetragen wurde. Es gab verschiedene Konstruktionen aus Holz und Metall. ...zurück...

12 [1/221]Vgl. hierzu auch den Abschnitt: "Die Heeresversorgung mit Bekleidung und Ausrüstung". ...zurück...

13 [1/222]Vgl. Abschnitt: "Bekleidung und Ausrüstung". ...zurück...

14 [2/222]Vgl. Abschnitt: "Feldpostwesen". ...zurück...

15 [1/224]Vgl. hierzu auch Band [6], Abschnitt "Versorgung des Heeres mit Pferden" und Band [7], Abschnitt "Veterinärwesen". ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte