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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

[569] Kapitel 9: Das Militärveterinärwesen
Stabsveterinär Dr. Kurt Schulze und Oberstabsveterinär Dr. Wilhelm Otto

1. Einleitung.

Von jeher ist dem Militärveterinärwesen von der Heeresverwaltung zu wenig Bedeutung beigelegt worden. Während der Offizier im Frieden systematisch zur Selbständigkeit und damit zur Verantwortungsfreudigkeit und Entschlußfähigkeit erzogen wurde, nahm man dem Veterinäroffizier jede Selbständigkeit nach Möglichkeit ab. Das ging sogar soweit, daß der Eskadron- usw. -Chef die Entscheidung darüber hatte, ob ein Pferd krank und durch den Veterinäroffizier zu behandeln war oder nicht.

Für einen Krieg fehlte überhaupt jede veterinäre Organisation. Auf die wiederholten Hinweise erfahrener Veterinäroffiziere erfolgte wenig. Die Geringschätzung der Bedeutung des Militärveterinärwesens für einen Feldzug mag seinen Grund mit darin gehabt haben, daß man mit einem länger als einige Monate dauernden Krieg kaum rechnete und für diesen Zeitraum genügend Pferde- und Viehersatz zu haben glaubte, und daß man an die riesengroße Gefahr nicht dachte, die durch Einschleppung von Tierseuchen im Kriege dem heimatlichen Viehbestande auch für die Zukunft drohen konnte. Es sei nur auf die ernste Gefährdung der Pferdezucht durch die vor dem Kriege in Deutschland unbekannte, jetzt ziemlich verbreitete ansteckende Blutarmut der Pferde hingewiesen. Die Voraussicht der Veterinäroffiziere, daß in einem Kriege die Hauptaufgabe des Militärveterinärwesens nicht in der Behandlung verwundeter, kolikkranker usw. Pferde, sondern in der Verhütung und Bekämpfung der bekanntlich in jedem Feldzug auftretenden Kriegstierseuchen und somit in der Erhaltung der Operationsfähigkeit der Truppen und in der Ernährungsmöglichkeit des Heeres und der Heimat liegen mußte, drang nicht durch.

Wie war es möglich, daß ein so großes, sonst so gut organisiertes Heer ohne Pferdelazarette ins Feld zog? Und daß für ein so umfangreiches Gebiet, wie das der Veterinärmedizin, nicht schon im Frieden genügend Spezialisten (Chirurgen, Bakteriologen, Serologen usw.) ausgebildet waren, um den so mannigfachen Anforderungen des Krieges, insbesondere auch den in anderen Ländern herrschenden, in Deutschland so gut wie unbekannten Tierseuchen, mit den neusten Erfahrungen auf den Spezialgebieten begegnen zu können? Daß bis zum Kriegs- [570] beginn an der Spitze des Militärveterinärwesens ein Frontoffizier stand, dient zur Vervollständigung dieses Bildes.

Diese Tatsachen müssen festgestellt werden, um die völlig unzulängliche Organisation dieses in seiner Wichtigkeit nicht erkannten Teils des Heerwesens zu kennzeichnen. Man darf sich ihnen nicht verschließen, wenn man die trotzdem vollbrachten gewaltigen Leistungen dieses wissenschaftlichen Zweiges der Kriegführung richtig einschätzen will.


2. Die Kriegstierseuchen.

Die Wochen des schnellen Vormarsches im Westen schienen den Stellen recht zu geben, die geglaubt hatten, ohne ein gut organisiertes Veterinärwesen auskommen zu können. Kranke Pferde wurden, oft ohne Rücksicht auf ihre Heilbarkeit, von Laien erschossen. Unersetzliche volkswirtschaftliche Werte gingen dabei verloren. Ersatz wurde durch Beitreibung beschafft. Seuchen kamen nur vereinzelt vor (Brustseuche, Druse). Dieser Zustand änderte sich jedoch nach dem ersten Vorstoß der deutschen Truppen im Oktober 1914 nach Rußland, bei dem die Pferde Gelegenheit hatten, sich in den verseuchten Stallungen der von den russischen Truppen verlassenen Orte zu infizieren.


Die Rotzkrankheit der Pferde.

Bald flackerte als erste Kriegstierseuche im Osten die Rotzkrankheit der Pferde auf und hatte bereits Ende 1914 eine solche Ausbreitung gewonnen, daß eine Dezimierung der Pferdebestände zu befürchten war. Bei einem Kavallerieregiment mußten z. B. schon Anfang Dezember 1914 wegen Rotz 130 Pferde getötet werden.

Die Tilgung des Rotzes, der wegen seiner Unheilbarkeit, schweren Erkennbarkeit ("verborgener Rotz") und seiner leichten Übertragungsmöglichkeit mit tödlichem Ausgang auf den Menschen eine der gefürchtetsten Seuchen ist, mußte daher mit allen Mitteln betrieben werden, sollte die Operationsfähigkeit der berittenen Truppen nicht gefährdet werden.

Zur Ermittlung der äußerlich oft nicht als rotzkrank anzusprechenden Pferde, die die Seuche aber immer weiter verbreiten, mußten umfangreiche Blutuntersuchungen nach den neueren spezifischen Methoden eingeleitet werden. Die einzige militärische Stelle, bei der solche Blutuntersuchungen ausgeführt werden konnten, war die Militärveterinärakademie in Berlin. Diese kam aber wegen der großen Entfernung für die Untersuchung der im Felde entnommenen Blutproben nicht in Frage und wäre auch den gewaltigen Anforderungen nicht gewachsen gewesen. Es mußte daher nicht nur schleunigst eine größere Anzahl von Blutuntersuchungsstellen eingerichtet, sondern auch eine ganze Reihe von Veterinäroffizieren mit der schwierigen Ausführung der einzelnen Blutuntersuchungs- [571] methoden vertraut gemacht werden. Schon im ersten Halbjahr 1915 gelang es durch die rege Tätigkeit der Militärveterinärakademie, 17 Tierblutuntersuchungsstellen mit allen Neuerungen der Technik einzurichten und 60 Veterinäroffiziere auszubilden. Diese Untersuchungsstellen wurden in stark verseuchte oder besonders gefährdete, mit der Bahn leicht erreichbare Gegenden gelegt. Ein Teil war beweglich - auf Feldwagen verpackt - eingerichtet, um den schnellen Vormärschen, besonders im Osten, folgen zu können. Gerade diese Einrichtungen haben sich besonders bewährt; sie konnten je nach Bedarf von einer Armee zur anderen verschoben werden und somit näher an die jeweiligen Rotzherde herangehen.

Dank dieser umfangreichen, großzügigen Einrichtungen der Blutuntersuchungsstellen und der aufopfernden Tätigkeit der leitenden sowie der Truppenveterinäroffiziere gelang es, zuerst in Belgien in kurzer Zeit den Rotz völlig zu bekämpfen und ihn auf dem westlichen Kriegsschauplatz ganz erheblich einzudämmen. Auf dem östlichen, durch immer wieder frisch einsetzende Infektionen besonders gefährdeten Kriegsschauplatz führte die Blutuntersuchung zur Aufdeckung zahlreicher Rotzherde; sehr bald begann sie aber auch hier ihren günstigen Einfluß geltend zu machen.

Während bei der damaligen Heeresgruppe Hindenburg vom 16. März bis 15. Mai 1915 nicht weniger als 3493 Pferde von 369 Formationen wegen Rotz getötet werden mußten, waren es in der Zeit vom 16. August bis 15. September 1915 nur noch 213 Pferde bei 87 Formationen. Diese Zahlen wurden im weiteren Verlauf des Krieges noch erheblich heruntergedrückt.

Schon Mitte 1915 war es klar, daß es ohne Blutuntersuchungen nicht gelungen wäre, den Rotz in so erträglichen Grenzen zu halten, daß die Truppen stets marsch- und operationsfähig blieben. Dort, wo die Vornahme der Blutuntersuchung aus taktischen oder anderen Gründen nicht möglich war, wurden die Pferdebestände mit Hilfe der Malleïn-Augenprobe auf Rotz untersucht. Entsprechend dem Umfang der Rotzverbreitung waren Anfang 1916 auf dem westlichen Kriegsschauplatz 4 feststehende, auf dem östlichen 7 feststehende und 6 fahrbare, auf dem südöstlichen 1 fahrbare, auf dem serbischen 2 fahrbare und für das Heimatheer 5 feststehende Blutuntersuchungsstellen tätig, in Summe 25.

Die Arbeit der Blutuntersuchungsstellen des Ostens nahm in dem Augenblick einen gewaltigen Umfang an, als in den umfangreichen Etappengebieten systematisch die Seuchenbekämpfung auch unter dem Einwohnervieh durch den "Chefveterinär Ost" (d. h. Chefveterinär beim Oberbefehlshaber Ost) veranlaßt wurde, um die Infektionsmöglichkeit für die Truppen nach Möglichkeit zu verhindern und um bei den Aushebungen möglichst gesunde Requisitionspferde zu bekommen. Im Gebiet Bialystock - Grodno z. B. wurde der gesamte Bestand von über 80 000 Einwohner-Pferden der Blutuntersuchung unterzogen. Eine solche systematische Gesamtuntersuchung ziviler Pferdebestände ist bis heute noch [572] in keinem Lande der Welt vorgenommen. Der Erfolg war, daß von 12 000 in diesem Gebiet später ausgehobenen Pferden nur ein einziges rotzkrank war.

Einige Zahlen werden die umfangreiche Tätigkeit der Blutuntersuchungsstellen am besten beweisen. Im Jahre 1915 arbeiteten 22 Untersuchungsstellen, darunter 9 fahrbare. Untersucht wurden 2 125 590 Blutproben, davon waren rotzig 9139 = 0,43%. Durchschnittlich erledigte eine feststehende Blutuntersuchungsstelle im Monat 16 949 Proben und eine fahrbare 5286.

    1916: Anzahl der Blutproben 3 900 297; davon waren rotzig 8 489 = 0,22  %;
    1917:      "       "         " 4 733 496;       "       "         " 6 432 = 0,135%;
    1918:      "       "         " 4 809 658;       "       "         " 11 888 = 0,247%.

Gewaltige Leistungen!

Die Zahlen des Jahres 1918 wären bedeutend geringer, wenn man die Pferde herausnimmt, die als Ankaufspferde aus Polen, Ukraine, Krim stammten, in denen irgendwelche Seuchenbekämpfungsmaßregeln selbstverständlich fehlten; denn gerade diese Pferde lieferten den Hauptanteil der rotzkranken Pferde.

Doch mit der Blutuntersuchung und Malleïn-Augenprobe allein konnte die Seuchenunterdrückung keinen vollen Erfolg haben, da dieses Verfahren nur zur Aufdeckung der Seuchenherde diente. Die eigentliche Bekämpfung war Aufgabe der Truppe. Zu diesem Zweck mußten die in der Seuchenvorschrift der Militärveterinärordnung gegebenen Bestimmungen den Feldverhältnissen angepaßt und die Truppen durch Merkblätter auf die Gefahren der Rotzkrankheit aufmerksam gemacht werden. Da eine Behandlung der als rotzkrank ermittelten Pferde nicht in Betracht kam, vielmehr alle rotzkranken Pferde nach den gesetzlichen Bestimmungen getötet werden, so mußte das Hauptaugenmerk auf die Vorbeuge gerichtet werden.

Die durch die Blutuntersuchung als rotzverdächtig ermittelten Pferde ohne klinische Erscheinungen mußten an die Rotzbeobachtungsstationen zwecks weiterer Untersuchung abgegeben werden, da sie für die kämpfende oder marschierende Truppe eine ständige Gefahr bildeten. Die Rotzbeobachtungsstationen waren wirtschaftlich den Pferdelazaretten angegliedert. Durch diese Maßnahme wurde die Truppe sehr entlastet. Für die Pferdelazarette und -depots, als Durchgangsstelle für zahlreiche Pferde, mußten ganz besonders strenge Maßnahmen angeordnet werden, weil von hier aus eine verhängnisvolle gleichzeitige Seuchenverschleppung auf zahlreiche Truppenteile möglich war.

Im Heimatheer waren besonders die Ersatzpferdedepots und Ersatztruppenteile mit ihrem starken Durchgangspferdeverkehr eine dauernde, erhöhte Seuchengefahr. Auch hier mußten strenge Vorbeugemaßnahmen getroffen werden, da die Aufrechterhaltung eines regelmäßigen Nachschubs seuchenfreier Pferde von weittragendster Bedeutung für die Operationsfähigkeit der Truppen war. - Im Generalgouvernement Warschau und im Bereich des Etappengebiets Oberost [573] wurden größere Quarantänestationen errichtet, in die alle im Lande für Militärzwecke angekauften Pferde eingeliefert werden mußten. Dort blieben sie so lange, bis ihre Seuchenfreiheit festgestellt war. Dies war unbedingt nötig, weil der Rotz unter den Zivilpferden in Polen sehr stark verbreitet war.

Da die Zahl der wegen Rotz zu tötenden Pferde sehr erheblich war, wurde auf den Vorschlag eines Veterinäroffiziers, eine Heilung des Rotzes zu versuchen, im April 1915 zuerst die Militärveterinärakademie beauftragt, im Einvernehmen mit der Berliner Tierärztlichen Hochschule Immunisierungs- und Heilversuche bei Rotz vorzunehmen. Mangels geeigneter Räumlichkeiten und wegen der großen Gefahr der Verschleppung im Inland wurde im August 1915 ein Lazarett zur Heilung rotzkranker Pferde im Grenzgebiet Rußlands in Pojeziory aufgestellt, das später die Bezeichnung "Tierseuchenforschungsstelle Ost" erhielt. Ein umfangreiches und mustergültiges Laboratorium wurde zur Verfügung gestellt und besonders tüchtige, spezialistisch vorgebildete Veterinäroffiziere mit den Versuchen beauftragt.

Trotz der mannigfachsten Versuche an beinahe 400 rotzkranken Pferden konnte die Frage der Heilung des Rotzes durch chemische Mittel, Serum- und Bakterienpräparate nicht abschließend beantwortet werden. Die umfangreichen Untersuchungen lösten aber eine große Menge wichtiger Fragen, die in Friedenszeiten bei dem geringen verfügbaren Material und den beschränkten Mitteln der Institute nie hätten beantwortet werden können.

Der Rotz unter den Truppenpferden auf dem östlichen Kriegsschauplatz bewegte sich etwa in folgenden Kurven:

    1915 1916 1917 1918

    Zahl
    der rotz-
    kranken
    Pferde
    %
    der
     Iststärke 
    Zahl
    der rotz-
    kranken
    Pferde
    %
    der
     Iststärke 
    Zahl
    der rotz-
    kranken
    Pferde
    %
    der
     Iststärke 
    Zahl
    der rotz-
    kranken
    Pferde
    %
    der
     Iststärke 

    Januar 587 0,15  58 0,01   40 0,01
    Februar 657 0,13  54 0,01   53 0,02
    März 490 0,12  56 0,01   23 0,01
    April 18921 0,64 356 0,08  26 0,005 56 0,03
    Mai 1603  0,57 265 0,07  13 0,003 133   0,06
    Juni 1285  0,44 192 0,06  34 0,006 98 0,06
    Juli 557 0,20 108 0,02  34 0,006 148   0,05
    August 341 0,15   84  0,017 14 0,003 125   0,04
    September   203 0,07   92  0,017 17 0,003 123   0,03
    Oktober 240 0,06   80  0,015 17 0,003
    November 373 0,10   71  0,014 20 0,004
    Dezember 500 0,13   38  0,008 17 0,004

[574] Der Anstieg der Zahlen von Januar 1918 ab war auf folgenden Umstand zurückzuführen: Als der Pferdeersatz immer schwieriger wurde, entschloß man sich, trotz der enormen Transportschwierigkeiten, zu großen Pferdeaushebungen in der Ukraine. Dort war der Rotz stark verbreitet. Wegen des dringenden Bedarfs an der Front und wegen der Unmöglichkeit, für die vielen Zehntausende von Pferden Quarantänestationen in ausreichender Menge einzurichten, war eine abgeschlossene Durchprüfung dieser Pferde nur zum Teil möglich. Soweit als durchführbar, wurden die Transporte noch durch die Quarantänestationen des Ostheeres und des Generalgouvernements Warschau geleitet, um dort untersucht zu werden. Ein großer Teil kam jedoch unvollständig blutuntersucht zur Truppe und schleppte an vielen Stellen den Rotz neu ein. Von den in der Ukraine und in der Krim an Ort und Stelle blutuntersuchten Pferden waren 9,54% rotzkrank.

Leider ist neben pflichttreuen Pferdepflegern auch eine Anzahl von Veterinäroffizieren der Rotzinfektion zum Opfer gefallen, darunter der Korpsveterinär beim XXII. Reservekorps, Oberstabsveterinär Rakette, der trotz klarer Erkenntnis der Natur seiner tödlichen Infektion seine eigene Krankengeschichte bis kurz vor dem sicheren Tode niederschrieb. Daß die von der Heeresverwaltung getroffenen Rotzbekämpfungsmaßnahmen richtig waren, dafür spricht am besten die Tatsache, daß nach erfolgter Organisation des Veterinärdienstes während des ganzen Krieges der Rotz trotz der dauernden Truppenverschiebungen - mit ihrer vermehrten Ansteckungsmöglichkeit - in keinem Fall die Truppe operationsunfähig gemacht hat.


Räude.

Auch die Räude nahm ihren Weg von Osten nach Westen. Die ersten Räudefälle traten Anfang 1915 auf dem östlichen Kriegsschauplatz auf. Die Erkennung der ersten Fälle wurde durch die mit ähnlichen Anfangserscheinungen (Juckgefühl usw.) einhergehende stark verbreitete Läuseplage erschwert. Hinzu kam, daß die Räude in Deutschland im Frieden so gut wie unbekannt war, so daß nur wenige Veterinäre2 die Räude kannten. Auch diese Ansteckung geschah in den von den russischen Truppen infizierten Ställen. Denn die Räude war nicht nur bei den russischen Truppen stark verbreitet, sondern auch bei den Pferden der russischen Bauern heimisch.

Die Behandlung der einzelnen Räudefälle an sich gelang den Veterinären so lange ohne Schwierigkeiten, als die nötigen Arzneimittel, besonders Öle und Fette, in genügenden Mengen vorhanden waren, und solange sie nicht epidemieartig auftrat. Die Seuche nahm aber im Lauf des Krieges, begünstigt durch das mit dem fortwährenden Verschieben der Truppen zusammenhängende Ver- [575] seuchen der Unterkünfte und Eisenbahnwagen eine immer größere Ausdehnung an. Ende 1915 mußten z. B. zwei Kavalleriedivisionen im Osten nach längerem Bewegungskrieg wegen starker Räudeausbreitung aus der Front herausgezogen werden. Mehrere Monate waren sie dadurch nicht verwendungsfähig.

Schon die ersten Krankheitsfälle veranlaßten das Kriegsministerium, die Truppen durch Merkblätter auf die Gefahr der Räude, die Art ihrer Verbreitung, ihre Behandlung und Vorbeuge hinzuweisen, sowie auf die durch die Verheimlichung der ersten Fälle bedingten schweren Folgen aufmerksam zu machen. Wenn auch die für das Heer gültige Seuchenvorschrift3 Maßnahmen zur Bekämpfung der Räude enthielt, so waren sie doch nicht ohne weiteres auf die Feldverhältnisse anwendbar. Es mußten daher Seuchenbestimmungen für den Bewegungskrieg und für den Stellungskrieg erlassen werden. So wurden durch den Chefveterinär Ost, Generaloberveterinär Grammlich, im April 1915 umfassende Seuchenmaßnahmen festgelegt und ebenfalls durch Chefveterinär West, Generaloberveterinär Ludewig, im Juli1915. Für die Pferdedepots und -lazarette, als Durchgangsstellen, mußten, wie bei Rotz, besonders strenge Sondermaßnahmen angeordnet werden. Die frühzeitige Erkennung und sofortige Absonderung der kranken Pferde waren entscheidend für die Gesunderhaltung des ganzen Bestandes. Dringend mußte dauernd vor Unterschätzung der ersten Anfänge gewarnt werden. Der unaufhörliche Juckreiz der erkrankten Tiere führte, besonders bei gleichzeitigen Anstrengungen und schlechter Ernährung, sehr schnell zu rascher Abmagerung, zu Kräfteverfall und zum Tode.

Leider haben nicht alle Truppenführer für die große Gefahr der Räude volles Verständnis gehabt; sie versuchten in menschlich zu verstehender Weise die Meldung über den Ausbruch der Räude hinauszuschieben, um ihr gutes Pferdematerial zu behalten. Sie fürchteten, daß sie ihre guten Pferde nach Abgabe in die Pferdelazarette - die von einzelnen Generalkommandos usw. schon damals richtigerweise angeordnet war - nicht wieder sehen würden. Dadurch wurde aber die Seuche unter dem eigenen Bestande schnell verbreitet, besonders bei den Formationen ohne ständige veterinäre Aufsicht. Auch die vielen Neuaufstellungen von Formationen, für deren Bespannung Pferde aus allen möglichen Stellen zusammenkamen, trugen zur Räudeverbreitung bei.

Mit der ständigen Zunahme erforderte die Räude außerordentliche Opfer, besonders im Winter. Denn zwecks radikaler Behandlung mußten die Pferde geschoren werden. Für die geschorenen und eingeriebenen Pferde waren aber die meisten Ställe im Winter zu kalt, zumal es an warmer Einstreu mangelte. Hinzu kam, daß die Pferde infolge der immer schlechter werdenden Futterverhältnisse in ihrem Nährzustande dauernd zurückgingen, während von ihnen bei den unglaublichsten Wegeverhältnissen, besonders im Osten, die größten [576] Anstrengungen gefordert werden mußten. Ähnlich gestalteten sich die Wegeverhältnisse im Westen durch das ständige feindliche Feuer und die Zerstörung aller Wege durch den eigenen Nachschub (Kraftwagen). So gingen zahlreiche Räudepferde im Winter zugrunde. Auf Anregung der leitenden Veterinäre wurden daher die Ställe nach Möglichkeit ausgebaut, um warme Unterkünfte zu schaffen. Die Räudezahl stieg deshalb in jedem Winter so enorm an, weil die Erkennung der Räude durch das lange, dichte Haarkleid sehr erschwert ist; auch tritt der Juckreiz bei Kälte nicht so in die Erscheinung wie bei Wärme. Ehe ein Pferd als räudekrank erkannt wurde, vergingen oft Wochen; die Ansteckung ging weiter, und so blieb die Kette der Ansteckung ohne Ende.

Da die Truppen die dauernden Hinweise nicht genügend würdigten, und da sich immer mehr zeigte, daß die Heilerfolge wesentlich von der sachgemäßen Unterbringung abhängen, wurde zur schnelleren Unterdrückung der Seuche auf das strengste befohlen, daß alle räudekranken Pferde in Pferdelazarette abgegeben werden mußten. Eine Räudebehandlung bei der Truppe sollte nicht mehr stattfinden. Dadurch waren die Pferdelazarette bald überfüllt und die Heeresleitung (Generalquartiermeister) gezwungen, räudekranke Pferde in Massen an die Heimat abzuschieben. Hier hatte das Kriegsministerium eine größere Zahl von Räudelazaretten einrichten lassen, weil durch den regen Pferdewechsel zwischen Feldheer und Heimat, durch die Aushebungen und Ankäufe auch in den Ersatztruppenteilen die Räude dauernd anstieg. Dazu kam, daß trotz strenger Anweisung von seiten des damaligen Ministers der öffentlichen Arbeiten und des Feldeisenbahnchefs, alle Eisenbahnwagen, in denen Pferde befördert waren, verschärft zu desinfizieren, bei den meist schleunigen Verladungen die Desinfektion unterblieb und oft infizierte Wagen benutzt werden mußten.

Ein nicht unbedeutender Teil der Heimatpferde war in der Hauptsache wegen Räude nicht ausgabefähig. Die Pferdeversorgung des Feldheeres begegnete zunehmenden Schwierigkeiten. Die bei der Behandlung bewährten Räudemittel waren bald erschöpft. Eine große Zahl von Ersatzpräparaten wurde von den einzelnen Dienststellen mit unendlichen Mühen nachgeprüft und mit mehr oder weniger großem Erfolge verwendet. Petroleum wurde schließlich das Hauptmittel und hat sich trotz erheblicher Nachteile gut bewährt.

Trotz aller Mühen hatte die Räude in den Wintermonaten 1917/18 wieder eine außerordentliche Zunahme erfahren. Im Westheer war z. B. die Räudezahl von 18 000 im Oktober 1917 auf 58 000 im Februar 1918 gestiegen, d. h. von 2,82% auf 6,71% der Pferdestärke. Die von allen Dienststellen, besonders aber von den Veterinären, gemachten Anstrengungen, um der Räude Herr zu werden, waren ungeheuer und erforderten unendliche Geduld, zähe Energie und Fleiß, und trotz alledem blieb die geleistete Arbeit eine Sisyphusarbeit. Immerhin war durch die systematische Räudebekämpfung doch so viel erreicht, daß die größeren Truppenverbände (Divisionen) nicht mehr marschunfähig wurden. In den [577] Sommermonaten wurde immer wieder darauf gedrückt, daß die Pferde vier Wochen lang biwakieren sollten. Denn durch exakte Versuche in der Tierseuchenforschungsstelle Ost war festgestellt worden, daß in leeren Ställen die Räudemilben in zwei bis drei Wochen ohne jede Desinfektion zugrunde gehen. Einen wie großen Einfluß tatsächlich das Leerstehenlassen der Ställe auf die Herabsetzung der Räudeziffern ausübte, ist aus folgendem ersichtlich. Eine Armee des Westens ließ in den Monaten Mai und Juni 1917 sämtliche Pferde rücksichtslos biwakieren. Die Folge war, daß dadurch die Zahl der Räudepferde bei dieser Armee um 41% zurückging. Weiterhin wurden im Westheer bei sämtlichen Ortskommandanturen "Desinfektionskommandos" eingerichtet, die jedesmal nach dem Abzug einer mit Pferden versehenen Formation die verdächtigen Ställe zu reinigen und zu desinfizieren hatten.

Zwecks Erschließung neuer Behandlungsmethoden wurde der Tierseuchenforschungsstelle Ost eine besondere Abteilung für Räudeforschung angegliedert, nachdem vorher an der Militärveterinärakademie und am Kaiser-Wilhelm-Institut in Dahlem die ersten Behandlungsversuche mit giftigen Gasen, besonders mit Blausäure, ergebnislos verlaufen waren. Dem Leiter der Abteilung, Oberveterinär d. R. Dr. Nöller, gelang es, in der Ausarbeitung und Einführung der Behandlung der Räude mit einem Gas, dem Schwefelsäureanhydrid (SO2), einen Wendepunkt in der Räudebehandlung zu schaffen. Durch diese Gasbehandlung wird nicht nur eine frühzeitige Heilung (statt früher vier Monate jetzt vier Wochen) erreicht, sondern die kranken Pferde werden auch in ihrem Allgemeinzustand gar nicht angegriffen, während alle anderen Heilmittel den Körper mehr oder weniger schwächen.

Alle Pferdelazarette des Feldheeres und der Heimat wurden daraufhin mit Gaszellenanlagen versehen. Für die beweglichen Pferdelazarette wurden transportable Gaszellen angefertigt. Das Kriegsministerium richtete bei der Militärveterinärakademie eine Gasabteilung ein, die mit der in Frage kommenden Industrie Verbesserungen der Gaszellen vornahm und die gesamte Beschaffung und den Nachschub des Gases und der sonstigen Materialien zur Aufgabe hatte. Sämtliche Leiter der Pferdelazarette wurden in dreitägigen Kursen bei dieser Gasabteilung oder im Ostheer in der Versuchsstation Suwalki mit den Einzelheiten des Verfahrens vertraut gemacht.

Wenn auch der Gasbehandlung noch der Mangel anhaftet, daß der Kopf des Pferdes der Einwirkung des Gases nicht ausgesetzt werden kann, sondern nach den bisherigen Methoden behandelt werden muß, so sind doch glänzende Erfolge mit ihr erzielt worden. Ihr ist es zu verdanken, daß eine allgemeine Verseuchung des Pferdebestandes des Inlandes nach dem Zusammenbruch vermieden wurde. Wäre es der Tierheilkunde vergönnt gewesen, schon früher diese hervorragende Behandlungsmethode anzuwenden, so hätten Zehntausende von Pferden am Leben erhalten werden können.

[578] Nachstehende Übersicht kennzeichnet in den Zahlen der erkrankten Pferde den Zug der Räude:

    Osten     Westen     Südosten   Gesamtzahl
    1915:
    Oktober/November   2 000 —     —     2 000  
    Dezember 5 000 1 000  —     6 000  

    1916:
    Januar 25 000 4 000  —     29 000  
    Februar 27 000 8 000  —     35 000  
    März 38 000 8 000  9 000   55 000  
    April 29 000 12 000  9 000   50 000  
    Mai 23 000 16 000  9 000   48 000  
    Juni 17 000 16 000  7 000   40 000  
    Juli 25 000 16 000  8 000   49 000  
    August 18 000 8 000  2 000   28 000  
    September 13 000 7 000  500   20 500  
    Oktober 9 000 4 000  1 000   14 000  
    November 11 000 6 000  2 000   19 000  
    Dezember 25 000 11 000  6 000   42 000  

    1917:
    Januar 38 000 18 000  14 000   70 000  
    Februar 37 000 27 000  17 000   81 000  
    März 31 000 30 000  16 000   77 000  
    April 29 000 32 000  16 000   77 000  
    Mai 25 000 33 000  12 000   70 000  
    Juni 22 000 36 000  11 000   69 000  
    Juli 19 000 31 000  11 000   61 000  
    August 12 000 27 000  8 000   47 000  
    September 8 000 22 000  6 000   36 000  
    Oktober 7 000 19 000  5 000   31 000  
    November 6 000 22 000  5 000   33 000  
    Dezember 11 000 30 000  5 000   46 000  

    1918:
    Januar 15 000 46 000  9 000   70 000  
    Februar 14 000 58 000  11 000   83 000  
    März 14 000 56 000  11 000   81 000  
    April 14 000 56 000  9 000   79 000  
    Mai 14 000 56 000  6 000   76 000  
    Juni 15 000 60 000  6 000   81 000  
    Juli 16 000 48 000  4 000   68 000  
    August 7 000 39 000  3 000   49 000  

Da die räudekranken Pferde sich meist - vor Einführung der SO2-Behandlung stets - monatelang in den Pferdelazaretten aufhielten, sind in den Ziffern dieselben Pferde mehrfach gezählt.


[579] Pferdemalaria.

Im September 1916 wurde bei den Pferden einer deutschen Infanteriedivision und bei einigen deutschen Truppenteilen der 1. bulgarischen Armee in Mazedonien die Pferdemalaria (Piroplasmose) festgestellt. Hierdurch bestand die Gefahr, daß die Überträger dieser Krankheit, die Zecken, auf den nach der Heimat überführten Pferden nach Deutschland verschleppt wurden und die Piroplasmose unter den Pferden Deutschlands verbreiteten. Bei der hohen Sterblichkeitsziffer der Piroplasmose (51%) war daher die einheimische Pferdezucht in hohem Maße gefährdet. Deshalb wurde angeordnet, sämtliche von Mazedonien in die Heimat zu überführenden Pferde in den Etappenpferdelazaretten von den Zecken zu säubern und sie darauf Waschungen mit zeckentötenden Mitteln zu unterwerfen. Sämtliche für die Heimat bestimmten Pferde (Maultiere, Maulesel und Esel) der deutschen Truppen an der mazedonischen Front durften nur an zwei bestimmte Heimatpferdelazarette geleitet werden, in denen sie einer nochmaligen Behandlung unterlagen und vor ihrer Abgabe an der rechten Halsseite ein Brandzeichen M (d. h. Malaria) erhielten, damit später seitens der Zivilbehörde eine Kontrolle über die Pferde ausgeübt werden konnte. Mit dem Landwirtschaftsministerium wurde vereinbart, solche als d. u. (d. h. dienstunbrauchbar) abgegebenen Pferde in Gegenden zu leiten, die als zeckenfrei bekannt sind, und den Käufern der Pferde zu verbieten, sie auf die Weide zu bringen oder zur Waldarbeit zu verwenden.

Außerdem wurde ein Laboratorium mit den nötigen wissenschaftlichen Hilfskräften und Hilfsmitteln an die mazedonische Front entsandt, das bei der Bekämpfung der Seuche wesentliche Dienste geleistet hat.

Auch in Rumänien, wo die Pferdemalaria stationär war, hatte sich diese Seuche unter den deutschen Pferden ausgebreitet. Alle angewandten Arzneimittel haben versagt. Die Hauptmaßnahmen im Kampfe gegen die Seuche blieben daher: rechtzeitige Erkennung durch tägliche Temperaturmessungen gefährdeter und verseuchter Bestände, möglichste Entfernung der Pferde aus den gefährdeten Gegenden, ausgiebige Ernährung, rechtzeitige strenge Absonderung der kranken und verdächtigen Pferde und Beseitigung der Zecken. - Die ergriffenen Maßnahmen haben ihren Zweck voll erreicht.


Brüsseler Krankheit.

Auch zur Bekämpfung der im Westen aufgetretenen "Brüsseler oder Genter Krankheit" (belgischer oder flandrischer Pferdetyphus) mußten besondere Unterdrückungsmaßnahmen vorgeschrieben werden, da die bisher wenig bekannte Krankheit in einzelnen Pferdedepots im Westheere nicht unerhebliche Verluste zeitigte. Die Krankheit ist nach Aussage französischer und belgischer Tierärzte als schleichende Stallseuche in Nordfrankreich und Belgien bekannt. [580] Sie ist ein ansteckender Bronchialkatarrh, an den sich nicht selten eine Lungenentzündung anschließt. Die Krankheit wurde mit frisch ausgehobenen belgischen Pferden eingeschleppt und brach bei diesen aus, sobald ein eingreifender Wechsel in den Lebensbedingungen eintrat. Es ist gelungen, die Seuche auf einzelne Stellen zu beschränken.


Ansteckende Blutarmut.

Anfang 1917 wurde zum ersten Male durch die Tierseuchenforschungsstelle Ost in einem Pferdelazarett im Osten eine neue, bisher in Deutschland nur an wenigen Stellen der Westgrenze beobachtete Seuche, die ansteckende Blutarmut (Anämie) des Pferdes, festgestellt. Sehr bald wurden auch im Westen und in zwei Korpsbezirken der Heimat solche Krankheitsfälle bekannt. Diese Seuche hatte im Russisch-Japanischen Kriege große Opfer gefordert. Ihre Sterblichkeitsziffer beträgt nahezu 100%. Die ansteckende Blutarmut bildete somit eine sehr ernste Gefahr für den Pferdebestand und machte die Durchführung strengster Maßnahmen erforderlich. Neben dem bakteriologischen Laboratorium der Militärveterinärakademie betätigte sich auch hierbei wieder äußerst segensreich die Tierseuchenforschungsstelle Ost. Da sich diese Seuche im Westheere an einer Stelle zu einem großen Pferdesterben auswuchs, - in einem Pferdedepot waren von 1800 Pferden 900 erkrankt und davon 500 gestorben oder notgeschlachtet - wurde eigens zur Erforschung dieser Krankheit eine Tierseuchenforschungsstelle West eingerichtet.

Ferner wurde eine Anzahl erfahrener Veterinäroffiziere mit den Erscheinungen und den hauptsächlichsten Untersuchungsmethoden vertraut gemacht, um jedem Armee-Oberkommando des Westens einen Seuchenkommissar für die ansteckende Blutarmut beigeben zu können. - Wie wichtig die Tätigkeit der Seuchenkommissare zur Aufdeckung der Anämieherde in den Truppen war, ergibt sich aus folgendem: kurz vor Einsatz der Seuchenkommissare am 31. Dezember 1917 waren als verseucht gemeldet 21 Formationen mit 861 Kranken. Nach einigen Monaten waren bereits 89 Formationen mit 2773 Kranken ermittelt. Umfangreiche Heilversuche mit allen erdenklichen Mitteln führten zu keinem Ergebnis. Durch weitere Untersuchungen in der Tierseuchenforschungsstelle Ost wurde der Verdacht bestätigt, daß die ansteckende Blutarmut durch die Hohlnadel bei der Blutentnahme zur Untersuchung auf Rotz sehr leicht übertragen werden konnte. Wenn man bedenkt, daß zur Bekämpfung des Rotzes jedes Pferd im Jahre mindestens zweimal der Blutuntersuchung unterzogen wurde, so kann man ermessen, welche große Gefahr jetzt in den Vordergrund rückte. Es mußten daher schleunigst sämtliche Veterinäre mit kleinen handlichen Sterilisationsapparaten ausgerüstet werden, in denen die zur Blutentnahme benötigten Hohlnadeln vor jedesmaligem Gebrauch ausgekocht werden mußten. Trotz der nicht ermittelten Art des Ansteckungsstoffes und trotz der noch nicht [581] genügend geklärten Art der natürlichen Übertragung der Seuche und trotz des Fehlens eines Heilmittels haben die getroffenen umfangreichen und strengen Maßnahmen doch vermocht, die Seuche einzudämmen. Im Monat Oktober 1918 betrug der Bestand an anämiekranken und -verdächtigen Pferden etwa 1300 im Westheer.

Bei der ordnungslosen, gewaltsamen Demobilmachung und infolge der schweren Seuchenfeststellung im Einzelfalle ist leider eine Anzahl solcher Virus- (Gift-) Träger der ansteckenden Blutarmut mit ins Inland gekommen, obwohl angeordnet war, daß sämtliche anämiekranken Pferde getötet werden sollten.


Tollwut.

Als Mitte 1916 die Tollwut der Hunde besonders in den besetzten östlichen Gebieten eine merkliche Zunahme erfuhr, mußte einer Verschleppung nach der Heimat vorgebeugt werden. Zu diesem Zweck wurden unter anderem sämtliche frei umherlaufenden Hunde und Katzen getötet (im Stadtkreis Wilna z. B. in der Zeit vom 1. Oktober 1915 bis 31. Dezember 1916 annähernd 10 000). Interessant war die Feststellung einer hohen Zahl tollwutkranker Füchse, besonders in Kurland.

Durch die angewandten Maßnahmen ist es gelungen, die Tollwut - von Einzelfällen abgesehen - von der Heimat fernzuhalten.


Rinderpest.

Mit der Gefahr des Ausbruchs der Rinderpest war zu rechnen, als bekannt wurde, daß die russische Regierung im Interesse der Heeresversorgung auf ihre asiatischen Rindviehbestände zurückgreifen mußte. Auch durch die Verwendung von Rindergespannen bei den in Rumänien operierenden türkischen Truppen und durch weiteren Nachschub türkischen Viehes (Rinder, Schafe, Ziegen) rückte bei der ständigen größeren Ausbreitung der Rinderpest in der asiatischen Türkei die Gefahr der Einschleppung der Rinderpest auch von Rumänien aus nach den Ländern der verbündeten Staaten in greifbare Nähe. Es wurden deshalb mit den österreichisch-ungarischen, türkischen und bulgarischen Ministerien Richtlinien für die Bekämpfung festgelegt und vor allem umfangreiche Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung durchgeführt. Die Rinderpest hat Deutschland dank der getroffenen Vorsichtsmaßregeln verschont!

Diese kurze Übersicht gibt ein Bild über die gewaltigen Leistungen allein auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung. Daß trotz der durch den unglücklichen Ausgang verursachten Disziplinlosigkeit der Truppen und dem allgemeinen Chaos nicht eine Verseuchung des gesamten Tierbestandes des Inlandes eingetreten ist, ist der straff organisierten Tierseuchenbekämpfung und den mit ihrer Durchführung beauftragten Organen, den Veterinäroffizieren, zu danken! Kurz sei noch angeführt, daß die im Frieden so gefürchtete Brustseuche der Pferde im Kriege nur eine untergeordnete Bedeutung gehabt hat.

[582] Der sonst aufgetretenen, in ihrer Wirkung unbedeutenden Seuchen ist keine Erwähnung getan; auch ist davon Abstand genommen worden, in dieser Abhandlung eine vollständige Statistik über die Seuchen, sowie über alle anderen bei den Pferden und Viehbeständen des Heeres vorgekommenen Erkrankungen zu geben.


1 [1/573]Einsetzen einer zentralen veterinären Leitung. ...zurück...

2 [1/574]Unter "Veterinären" sind im folgenden zu verstehen: Veterinäroffiziere, Unterveterinäre, Feldunter- und Feldhilfsveterinäre. ...zurück...

3 [1/575]Anhang II zur Militärveterinärordnung. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte