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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 3: Die Etappe   (Forts.)
Oberstleutnant Karl Schroeder

4. Bahn- und Grenzschutz.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Etappe blieb während des ganzen Krieges der Bahn- und Grenzschutz. Hierzu dienten in erster Linie Landsturmbataillone und berittene und unberittene Landsturmeskadrons. Die Bearbeitung lag meist in den Händen des ersten Generalstabsoffiziers (Ia); doch erwies es sich als praktisch, zur unmittelbaren Abwicklung laufender Geschäfte und Überwachung der getroffenen Anordnungen einen besonderen älteren Offizier zu bestimmen. So entstanden fast überall die Landsturminspektionen, eine Dienststelle, zu der nichteingesetzte Etappenkommandanten oder Kom- [215] mandeure von Landsturmbataillonen ernannt wurden. Gegen Ende des Krieges wurde bei jeder Etappeninspektion ein Landsturm- und Gefangeneninspekteur etatsmäßig aufgestellt. Die Vereinigung dieser beiden Funktionen erwies sich als unpraktisch, da die Aufgaben der im Bahn- und Grenzschutz stehenden von denen der zur Gefangenenbewachung verwendeten Bataillone wesentlich verschieden waren. Das Amt des Gefangeneninspekteurs hätte sich vielleicht eher mit dem des Kommandeurs der Militärgefangenenkompagnien vereinigen lassen.

Der Bahnschutz wurde so geregelt, daß die wichtigsten Kunstbauten durch Posten gesichert und auf der freien Strecke Patrouillengang unterhalten wurde. Allmählich wurden durch die Ausdehnung des zu sichernden Gebiets und die mannigfachen, sonst an den Landsturm herantretenden Aufgaben die zum Bahnschutz verfügbaren Kräfte immer geringer, so daß nur die besonders wichtigen Kunstbauten noch dauernd bewacht bleiben konnten und der Patrouillengang je nach der Wichtigkeit der Strecken bis zur äußersten Grenze der Sicherheit vermindert werden mußte. Auf den wenigst wichtigen Strecken gingen teilweise nur 1 - 2 Patrouillen in 24 Stunden, deren Zweck also nur sein konnte, der feindlichen Bevölkerung überhaupt die Anwesenheit von Truppen anzudeuten. Der Bahnbewachungsdienst war äußerst anstrengend; die Truppenteile lagen weit verzettelt, so daß jede Zufuhr äußerst erschwert war; die Landsturmleute konnten oft wochenlang nicht von Wache abgelöst werden, so daß es häufig vorkam, daß ältere Leute sich zur Front meldeten, da ihnen der Etappendienst zu anstrengend sei. Es war auch wahrlich keine Kleinigkeit für die über 40jährigen oder kranken Leute, von denen viele an Fußverletzungen, Rheumatismus oder nicht mehr ganz intakter Lunge litten, täglich vier-, mindestens aber dreimal4 (davon den größten Teil des Jahres zweimal in der Dunkelheit) je 10 km, das sind 40 (30) km als Patrouille zu laufen, in Wind und Wetter, ohne Sonn- und Feiertage, ohne eine wachtfreie Nacht, wochen-, ja monatelang ohne Ablösung, ohne nur einmal Gelegenheit zu haben, vom einsamen Wachtlokal ins nächste Dorf zu gehen. Sehr groß war hierbei auch der Verlust an Leuten, die namentlich in stürmischen und regnerischen Nächten trotz immer wiederholten Hinweises auf die auch bei den größten Anstrengungen nicht außer Acht zu lassende Vorsicht von den Zügen erfaßt und getötet wurden. Bei fast allen Armeen übten die Etappentruppen den Bahnschutz auch im Operationsgebiet, teilweise bis zu den vordersten Endpunkten der Bahn aus, wodurch natürlich auch Verluste durch feindliches Artilleriefeuer eintraten.

Beim Grenzschutz waren ähnliche Aufgaben zu lösen, die, besonders an der holländischen Grenze, wegen der dauernden Versuche der Grenzüberschreitung durch Schmuggler, Spione, Überläufer und wehrpflichtige Landes- [216] einwohner, die ins feindliche Heer eintreten wollten, ständigen anstrengenden Dienst erforderten. Durch technische Hilfsmittel, wie Scheinwerfer und mit elektrischer Hochspannung geladene Drahtzäune, wurde diesem Dienst eine wesentliche Hilfe geleistet, wenn auch durch Unachtsamkeit einige tödliche Unglücksfälle für eigene Soldaten5 vorkamen. Für Anlage, Betrieb und Unterhaltung des 80 km langen Zauns verwendete die Etappeninspektion 4 ein Kommando von 4 Unteroffizieren, 29 Mann (Ingenieure, Elektrotechniker, Monteure). Zum Grenzschutz wurde zeitweise außer Landsturm auch aktive Kavallerie den Etappeninspektionen zugeteilt, so bei der 4. Armee an der holländischen Grenze längere Zeit die Gardekavalleriedivision.

Da an der holländischen Grenze mit einer taktischen Verwendung der Etappentruppen im Falle einer Neutralitätsverletzung durch die Entente gerechnet werden mußte, wurde diese seitens der hier liegenden Etappeninspektion 4 sorgfältig vorbereitet; die der Inspektion unterstellten Landsturmtruppen wurden in ihrer wenigen freien Zeit zur Verwendung als Kampftruppe fleißig ausgebildet. Überhaupt wurde überall, wo es die Verhältnisse zuließen, die Kampfausbildung der Landsturmleute gefördert.


4 [1/215]Man hatte die Wachen häufig mit vierfacher statt der normalen dreifachen Ablösung der Posten und Patrouillen besetzt, dafür aber auf Ablösung der Wache ganz verzichtet. ...zurück...

5 [1/216]Einmal auch für zwei holländische Soldaten, von denen einer sich einen unter dem Drahtzaun liegenden Apfel holen, der andere seinen verunglückten Kameraden retten wollte. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte