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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 3: Die Etappe   (Forts.)
Oberstleutnant Karl Schroeder

3. Die ersten organisatorischen Änderungen und neue Aufgaben.

Sehr bald erwiesen sich die Etats des Stabes und der Behörden als viel zu gering. Der persönliche Dienst des Adjutanten beim Inspekteur und die Offizierangelegenheiten beanspruchten den Adjutanten ganz; die Mannschaftspersonalien erforderten einen zweiten Adjutanten um so mehr, als bei der wiederholten Verschiebung der Etappengrenzen auch stets ein starker Personalwechsel eintrat. Die gleiche Folge hatte das wiederholte Herausziehen von Mannschaften der Etappe für die Front und die Heimarbeit. Für die laufenden Geschäfte, Befehlsausgabe, Journalführung, Unterstützung der Generalstabsoffiziere im Dechiffrieren, Abschreiben von Geheimverfügungen erwies sich weiterhin ein Bureauoffizier als unbedingt erforderlich. Der Mangel eines Kommandanten des Stabsquartiers1 erwies sich gleichfalls als unhaltbar. Alle diese Stellen mußten aber mit Offizieren aus den unterstellten Landsturmtruppen und Wirtschaftskompagnien besetzt werden. Ein Offizier war dauernd beschäftigt mit Zurechtweisen der vielen Urlauber, Lazarettentlassenen und kleinen Kommandos, die ihre Truppenteile suchten und diesen oft wochenlang von Armee zu Armee nachreisten.

Gegen Ende des Feldzuges kam hinzu, daß viele Drückeberger dieses Nachreisen zu ihrem Lebenszweck erkoren hatten. Erst sehr spät entschloß man sich, besondere Auskunftsstellen bei den Armee-Oberkommandos und Heeresgruppen einzurichten, die, unter eigens hierfür bestimmten Offizieren, reichlich mit Personal ausgestattet, diese Weiterleitung Versprengter in geregelte Bahnen lenken sollten. Die wichtigste Auskunftsstelle wäre allerdings die Etappeninspektion gewesen; denn die meisten versprengten Leute strömten immer am Etappenhauptort zusammen und nicht an dem meist ziemlich unbekannten Sitz einer Heeresgruppe. Der Etappe wurde jedoch überlassen, aus kommandiertem Personal sich die notwendige Auskunftsstelle notdürftig zu schaffen. Die Wichtigkeit dieser Tätigkeit ergibt sich daraus, daß schließlich ein Mehrfaches von zehntausenden solcher Versprengten unterwegs waren und der fechtenden Truppe verlorengingen.

Eine besondere Vermehrung des Personals wurde bald nötig durch eine Menge von neuen Aufgaben, an die man zu Anfang des Krieges nicht gedacht [208] hatte. Andererseits wurden der Etappeninspektion bald manche ihrer ursprünglichen Aufgaben genommen.

Zuerst veränderten sich sehr bald die Etappentruppen. Die gemischten Landwehrbrigaden, die ursprünglich den Etappen überwiesen waren, verschwanden schon September 1914 in die vorderste Linie; an ihre Stelle traten Landsturmbataillone und -eskadrons, von denen ein Teil unberitten war. Diese genügten auch für ihre Aufgaben vollkommen und haben sich durchaus bewährt; nur daß ihre Zahl infolge der immer größer werdenden Ausdehnung der besetzten Gebiete bei der einzelnen Inspektion immer kleiner, ihre Aufgaben aber durch die immer stärker notwendigen Kommandierungen zu Wirtschaftsbetrieben dauernd größer wurden, führte schließlich dazu, daß nicht alle Aufgaben befriedigend gelöst werden konnten. Als Beispiel für den Umfang der Verringerung mag dienen, daß die Etappeninspektion 4 im Jahre 1915 über 15 Landsturmbataillone und 6 Landsturmeskadrons (davon 2 unberitten) verfügte, während der gleich großen Etappeninspektion 6 in den Jahren 1917/18 nur 6 Bataillone und 3 unberittene Eskadrons zur Verfügung standen.

Bald wurde aus dem Bewegungskrieg fast überall der Stellungskrieg; die Etappenstraßen verloren an Bedeutung, da der Nachschub bis weit nach vorn mit der Bahn geleitet werden konnte. Der Nachschub wurde damit einfacher. Andrerseits aber nahm die Verwaltung und Ausnutzung des besetzten Landes an Bedeutung und Umfang zu. Vor allem wurden die Armee-Oberkommandos seßhaft und fanden dadurch Zeit, vieles selbst in ihre Hand zu nehmen, was sie während des Bewegungskrieges gern den Etappeninspektionen überlassen hatten. Die immer mehr in den Vordergrund tretende Technik brachte eine Menge Spezialressorts hervor, die alle danach strebten, unmittelbar den Armee-Oberkommandos zu unterstehen oder zu ihnen als Referenten zu gehören. So wurden eine Menge der ursprünglich der Etappe zugewiesenen Aufgaben unmittelbar den Armee-Oberkommandos übertragen.

Der Kommandeur der Kraftfahrtruppen mit den Etappenkraftwagenkolonnen hatte im Bewegungskrieg hervorragende Dienste geleistet, besonders durch Heranschaffen von Munition, als nach den ersten Schlachten der Verbrauch alle Berechnungen weit übertraf und die Bahn natürlich nicht schnell genug mit ihrem Betrieb den rasch voranschreitenden Truppen folgen konnte. Nur durch die rastlose Tätigkeit der weit vorauseilenden Organe der Etappe (Generalstabsoffizier Ib, Chef der Munitionsverwaltung, Etappenkraftwagenkolonnen) gelang es in dieser Zeit, den Truppen die so bitter nötige Munition zuzuführen. Als diese Verhältnisse stetiger wurden, wuchsen sich die Etappenkraftwagenparks, besonders in größeren Städten, wo sie die nötigen Räume und Werkzeuge vorfanden, zu mächtigen, musterhaft geleiteten Reparaturwerkstätten aus, die den hauptsächlich im Operationsgebiet eingesetzten Kraftwagenkolonnen die Möglichkeit steter Erneuerung boten. Jetzt wurden die [209] Kraftfahrtruppen der Etappe weggenommen und ihr nur die für ihren eigenen Dienst nötigen Kolonnen belassen, die aber in technischer Beziehung dem Kommandeur der Kraftfahrtruppen beim Armee-Oberkommando unterstellt wurden.

Der Etappenflugzeugpark wurde mit der schnellen und großen Ausgestaltung des Flugwesens bald dem Kommandeur der Flieger beim Armee-Oberkommando unterstellt.

Die Etappentelegraphendirektion2 wurde vollständig umgewandelt. Sie setzte sich planmäßig zusammen aus Beamten der Postverwaltung mit einem höheren Telegraphenbeamten an der Spitze. Jetzt wurde sie aufgelöst und an ihre Stelle rein militärische Truppen (Fernsprechabteilungen) gesetzt. Nur beim Großen Hauptquartier verblieben die Telegraphenbeamten im Amt. Die Umänderung war ohne Zweifel zweckmäßig, da sie an Stelle der Beamten Unteroffiziere und Mannschaften setzte, die sich besser den militärischen Befehlsverhältnissen einpaßten. Daß gleichzeitig damit das Ausscheiden der Fernsprecher aus der Etappe und ihre Unterstellung unter den Kommandeur der Nachrichtentruppen beim Armee-Oberkommando verbunden war, erwies sich wegen der einheitlichen Leitung als praktisch; der Nachteil für die Etappe, daß fortab natürlich die Fronttruppen bei der Zuteilung von Personal und Material für Leitungen stark bevorzugt wurden, mußte mit in den Kauf genommen werden. Was die Fernsprecher auch in der Etappe geleistet haben, Tag und Nacht am Klappenschrank, dauernd im Umbau von Leitungen tätig, bei den häufigen Fliegerangriffen und der gegen Ende des Krieges auch einsetzenden Beschießung der vordersten Etappenorte durch weittragende Geschütze - ohne Deckung suchen zu dürfen, heldenmütig auf ihrem Posten ausharrend - verdient alles Lob.

Mit der Etappentelegraphendirektion schied naturgemäß auch das Etappenfernsprechdepot aus. Auch dieser an sich nur kleine Zweig des Etappendienstes verdient Beachtung. Abgesehen von der zweckmäßigen Lagerung und Ausgabe aus der Heimat nachgesandter Apparate und Baustoffe verlangte vor allem das Aussondern, Wiederherstellen und Ausgabefähigmachen des auf dem Schlachtfeld gesammelten Fernsprechgeräts aller Art große Sachkenntnis, Umsicht und Arbeitsfreude. Oft war erstaunlich, wenn man sah, wie ein wüster Haufen anscheinend unbrauchbaren und fast unentwirrbaren Krams sich in kurzer Zeit unter kundiger, fleißiger Hand wieder in tadellos geordnetes, zweckmäßig gestapeltes und sofort brauchbares Fernsprechgerät verwandelte.

Ein sehr wichtiges Glied der Etappeninspektionen, das erst Ende 1917 von ihnen abgetrennt wurde, bildete die Baudirektion, der die Erhaltung und Verbesserung der Verkehrswege im Etappengebiet und außerdem die Ausführung aller dort notwendigen Bauten oblag. Zwar wurde vom Feldbahn- [210] bau, der ursprünglichen Hauptaufgabe der Baudirektion, verhältnismäßig wenig, im Westen fast gar kein Gebrauch gemacht; aber um so wichtiger erwies sich die Wiederherstellung, Unterhaltung und Neuanlage von Straßen einschließlich der in ihrem Zuge vorkommenden Brücken jeder Größe. An Stelle der ursprünglich vorgesehenen Eisenbahntruppen wurden deshalb den Baudirektionen neu aufgestellte Straßenbaukompagnien unterstellt. Diese arbeiteten sowohl im Etappen- als auch im Operationsgebiet und waren dort sehr häufig feindlichem Artilleriefeuer ausgesetzt.

Als Beispiel für den Umfang dieser Arbeiten sei angeführt, daß allein die Etappeninspektion Bug vom 1. April bis 30. September 1917 für Wegebauten verbrauchte:

    23 777 lfd. m (4 847 cbm) Schotter,
    7 190 qm Steinpflaster,
    6 445 qm Holzpflaster,
    1 070 lfd. m Knüppelung.

Ferner wurden 14,3 km Landweg geknüppelt und dabei die Summe von 100 000 Knüppeln verbraucht.

Auch Hochbauten aller Art kamen, als der Krieg sich zum Stellungskrieg ausbildete, in ganz ungeahnter Zahl vor, da Magazine, Werkstätten, Unterkunft für Mann und Pferd überall in riesenhafter Menge aus vorhandenen Gebäuden ausgebaut oder neu hergestellt werden mußten. Dazu kam die Versorgung der Front mit Schotter, Kies, Zement, Ziegelsteinen, Eisen, Holz, Dachpappe, Bauwerkzeugen, Gerät und Maschinen.

Bei einigen Armeen spielte schon bald auch die Nutzbarmachung der Wasserstraßen und Einrichtung eines Betriebs auf ihnen eine große Rolle. So besonders bei der 4. Armee, bei der das reich gegliederte Kanalnetz Flanderns natürlich sofort zur Hilfe herangezogen wurde. Unterhaltung der Kanäle, der Brücken und Schleusen, Aufstellung eines Schiffsparks von Schleppern und Kähnen, Reparaturwerften, Bootsbauanstalten, Kanalbetriebs- und Hafenämter zur Leitung und Überwachung des Schiffsverkehrs in technischer, wirtschaftlicher und polizeilicher Beziehung machten dort einen bald nach Hunderten von Köpfen zählenden Verwaltungsapparat notwendig.

Dazu kamen technische Betriebe aller Art, z. B. bei der 4. Armee der Bau der nur aus Balken, Brettern und Dachpappe bestehenden Genter Unterkunftshütten. Sie wurden benötigt, da die meist zerstörten Wohnstätten der Kampfzone den hinter der vordersten Linie ruhenden Truppen nicht genügend Unterkunft boten. Ende 1914 begann daher die Baudirektion 4 mit dem Hüttenbau zunächst nur für die 4. Armee, konnte aber bald auch an andere Armeen Unterkunftshütten abgeben. Von diesen waren bis Ende Juli 1918 50 000 hergestellt, die Unterkunft für zwei Millionen Menschen und eine halbe Million Pferde gewährten, außerdem Küchenhäuser, Munitionsschuppen, Flugzeug- [211] hallen usw. Bei der gleichen Inspektion wurden 1915 täglich 15 000 Hurden zur Befestigung von Schützengräben durch ein besonderes Kommando von Landsturmleuten (keine Pioniere, die gab es nicht in der Etappe) und belgischen Zivilarbeitern unter einem Pionierhauptmann hergestellt. Das Personal der Baudirektion 4 betrug schließlich statt der planmäßigen 11 Offiziere und Beamte und 21 Unteroffiziere und Mannschaften 70 Offiziere und Beamte und (einschließlich Straßenbaukompagnie und Brückenabteilungen) 6000 Unteroffiziere und Mannschaften und über 30 000 belgische Zivilarbeiter.

Die Unterhaltung der Wasserstraßen und der Betrieb auf ihnen wurden im Westen Ende 1916 den Etappeninspektionen abgenommen und für die gesamte Westfront eine Militärkanaldirektion in Brüssel gegründet, die dem Feldeisenbahnchef unterstellt war. So schmerzlich dies auch für die Etappeninspektionen war, die diesen Dienstzweig mit viel Mühe und Liebe ausgebaut hatten, so war es doch im Interesse der einheitlichen Leitung der ganzen Wassertransporte wohl zweckmäßig. Ende 1917 traten dann die Baudirektionen überhaupt unmittelbar unter die Armee-Oberkommandos, da die Straßenbaukompagnien, als meist im Operationsgebiet beschäftigt, gewissermaßen Fronttruppen geworden waren. Die Etappeninspektionen halfen sich meist, da für ihre Zwecke, d. h. für Instandhaltung der bestehenden und den Neubau notwendiger Straßen, sowie für die sich immer steigernden Anforderungen am Ausbau von Unterkunftsräumen und technischen Anlagen in der Zuweisung von Personal jetzt gar zu stiefmütterlich gesorgt wurde, mit Improvisation von Etappenbauämtern und aus Kommandierten zusammengestellten Baukompagnien.

Auch der Bahnbeauftragte wechselte von der Etappeninspektion zum Armee-Oberkommando, da er dort in unmittelbarem Verkehr mit Oberquartiermeister und Armeeintendanten die Bahntransporte regeln konnte. Im allgemeinen erwies sich diese Maßregel nicht als zweckmäßig. Solange man überhaupt die Etappeninspektionen als verantwortliche Behörde für den Nachschub bestehen ließ, war für sie die unmittelbare enge Fühlung mit den Eisenbahnbehörden unbedingte Notwendigkeit.

Auch die anfangs dem Etappenmunitionswesen unterstellten Artilleriebelagerungswerkstätten hatten großartige Leistungen aufzuweisen. Sie entlasteten durch Übernahme einer großen Anzahl von Reparaturen die überbürdeten Artilleriewerkstätten der Heimat, brachten die Geschütze durch Fortfall des Wegs von und nach Deutschland schneller wieder zur Truppe und ersparten der Eisenbahn die sonst nötige Wagengestellung. Außer umfangreichen Reparaturen leisteten sie auch Neuanfertigungen verschiedener Art: behelfsmäßige Minenwerfer (Genter Ladungswerfer, Albrechtsmörser) usw. Ihre Betriebsleiter erwiesen sich als Konstrukteure von erfinderischem Geist und halfen durch zweckmäßige Aushilfen über manche Lücke hinweg, die durch neu [212] auftretende kampftechnische Bedürfnisse entstand, bis die Heimat den ordnungsmäßigen Ersatz, der natürlich genau durchdacht und dann planmäßig in Massen fabriziert werden mußte, ins Feld senden konnte. Allerdings wurde die Neigung, sich eigene Werkstätten zu gründen, bald zu stark; außer den Hauptwerkstätten der Etappeninspektionen und ihren vorgeschobenen Zweigstellen richteten auch Gruppen, Divisionen, ja Regimenter und Batterien eigene Artilleriewerkstätten ein, so daß 1917 der Generalquartiermeister die Zahl der Werkstätten beschränken und ihre Belieferung mit Material, sowie die Verteilung der Arbeiten auf sie durch den Beauftragten des Generalquartiermeisters für den Westen (B. d. G. West) regeln mußte. Bei jeder Armee wurde eine Hauptwerkstätte der Belagerungsartillerie3 am Etappenhauptort oder in einer anderen Stadt des Etappengebiets mit geeigneten Maschinenfabrikanlagen und 3 - 5 Zweig-Instandsetzungswerkstätten 8 - 10 km hinter der Front eingerichtet. Die Artilleriewerkstätten wurden später meist den Armee-Oberkommandos unterstellt, wohl hauptsächlich aus äußeren Gründen; denn die enge Zusammenarbeit mit den Munitions- und Geräteverwaltungen der Etappe, die die Ersatzteile aus der Heimat beschaffen mußten, und die Lage im Etappengebiet hätten das Verbleiben unter dem Befehl der Etappeninspektion als das Naturgemäße erscheinen lassen. Als Maßstab für den Umfang dieser Arbeiten seien von zwei Armeen Durchschnittszahlen von fünf Monaten des Jahres 1917 angeführt:

    Werkstätten der Belagerungsartillerie der 7. Armee 8. Armee
    Beschäftigte Leute etwa 830 etwa 500
    Monatlich eingehende beschädigte Geschütze       "   600     "   320
    Monatlich zur Heimat gesandte Geschütze     "     78 (31)       "     50 (12)
    Monatlich instand gesetzte Geschütze     "   520     "   270

Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die im Oktober 1917 heimgesandten Geschütze; sie zeigen durch ihre geringe Größe im Verhältnis zum Durchschnitt, wie die Werkstätten es allmählich verstanden, Bahn und Heimat zu entlasten. Bei der 4. Armee ist während der großen Flandernschlacht die Zahl der instandgesetzten Geschütze bei 2500 Arbeitskräften monatlich bis zu 1500 gestiegen.

Weitere Veränderungen im Etappendienst im Lauf des Krieges vollzogen sich, indem auch verschiedenes, was die Etappen sich zunächst behelfsmäßig selbst schufen, mit der Schaffung einer eigenen Organisation auf die Armee-Oberkommandos überging. So vor allem die Flugabwehr, die anfangs mit gänzlich unzureichenden Mitteln geleistet wurde - mußten doch 1914/15 ein- [213] zelne Maschinengewehre, von Offizieren und Mannschaften der Landsturmtruppen oder auch der Trainkolonnen bedient, die wichtigsten Munitionsbahnhöfe schützen. Auch die Einrichtung der Flugwachen und die Organisation des Flugmeldedienstes waren anfangs Sache der Etappeninspektionen; die Gestellung der nötigen Mannschaften blieb es bis zuletzt. Die Unterstellung des Fliegerschutzes unmittelbar unter die Armee ist sicher zweckmäßig; jedoch war die ungenügende Zuteilung von Flugabwehr an die Etappe, die später bei den gerade auf die zahlreich im Etappengebiet angelegten wichtigen Munitionslager, Magazine und Bahnhöfe gerichteten, in dauernd steigender Zahl erfolgenden Fliegerangriffen manches Opfer im rückwärtigen Gebiet forderte, sehr bedauerlich.

Sehr bald wurden infolge der Inbetriebnahme einer Menge von Fabriken und Werkstätten mit elektrischem Antrieb, sowie des Bedürfnisses elektrischer Beleuchtung - da andere Leuchtmittel, vor allem Petroleum, so gut wie nicht zu haben waren - umfangreiche elektrische Anlagen notwendig. Übernahme, Ausbau und Betrieb von Starkstromleitungen wurden zunächst von jeder Etappeninspektion nach eigenem Gutdünken mit dem gerade zur Hand befindlichen Personal und Material in die Wege geleitet und hier bei dem schon anfangs großen und immer mehr steigenden Bedarf an Licht und Kraft hervorragendes geleistet. Erst 1917 wurden Starkstromtruppen gegründet und den Armee-Oberkommandos unterstellt. Selbstverständlich wurde ein Teil auch zum Dienst im Etappengebiet verwendet und arbeitete nach Weisung der Etappenbehörden, ebenso wie dies auch nach ihrer Unterstellung unter das Armee-Oberkommando mit Teilen der Kraftfahrtruppen, Fernsprechern und Baudirektionen der Fall war.

Auch die anfänglich der Etappeninspektion unterstehenden "Sammelkompagnien" traten 1917 unmittelbar unter das Armee-Oberkommando. Sie hatten eine doppelte Aufgabe: einerseits liegengebliebenes Heeresgut der eigenen Truppen und erbeutetes Material vom Feinde, also besonders Waffen, Munition, Artillerie-, Pionier- und Traingerät zu sammeln, andererseits im Etappen- und Operationsgebiet für die deutsche Kriegswirtschaft wichtige Rohstoffe des feindlichen Landes (Chemikalien, Textilwaren, Eisenhalbfabrikate usw.) zu bergen, wozu sie den Wirtschaftsausschüssen der Etappe zugeteilt wurden. Zu ersterem Zweck wurde einem Teil von ihnen Feuerwerkspersonal zugeteilt; sie unterstanden besonderen Beutesammeloffizieren. Diese wurden später in Waffensammeloffiziere umbenannt, mit dem Auftrage, nur Waffen und Munition zu bergen. Als dann schließlich die Sammeltätigkeit, weil die Truppe nicht mehr im Vorgehen das Schlachtfeld frei machte, sich immer mehr an die Front verlegte, wurde das Sammeln auf dem Gefechtsfeld von der Etappe abgetrennt, bei den Armee-Oberkommandos ein Stabsoffizier mit Stab als Sammeloffizier aufgestellt und diesem die Sammelkompagnien unterstellt. [214] Die Etappe sah sich nun genötigt, für ihre Zwecke besondere Formationen (Sammeltrupps, Bergetrupps, Ausbaukommandos oder ähnlich genannt) aus ihren Landsturmtruppen und Wirtschaftskompagnien zu bilden.

Auch das Brieftaubenwesen des feindlichen Landes wurde zunächst von den Etappeninspektionen nutzbar gemacht. Dies war besonders in Belgien eine sehr lohnende und wichtige Aufgabe, da sich infolge des beliebten Brieftaubensports dort in jeder Stadt Hunderte von wertvollen Brieftauben befanden und kaum ein Dorf ohne Brieftaubenschlag zu finden war. Später, als das Trommelfeuer drahtlose Verbindung auch in vorderster Linie besonders wichtig und die Brieftaube zu einem hervorragenden Nachrichtenmittel aller Truppen machte, wurde auch der Brieftaubendienst überall einheitlich geregelt und dem Kommandeur der Nachrichtentruppen der Armee-Oberkommandos unterstellt.

Eine große Umgestaltung erlebte bei fast allen Inspektionen die Tätigkeit des zweiten Generalstabsoffiziers (Ib). Anfangs wurde er als Verbindungsoffizier beim Armee-Oberkommando eingesetzt und hatte hier während des Bewegungskrieges besonders für das Heranschaffen der Munition zu sorgen, wobei er oft selbständig disponieren mußte, da eigentlich immer Mangel an Munition war und die Lage eine jedesmalige Anfrage bei der Etappeninspektion nicht zuließ. Auch zu Beginn des Stellungskrieges war noch viel, sogar bis in die vordersten Linien, zu tun, da eine Menge Geräte und Vorräte aller Art, z. B. Feldküchen, Gas für Luftschiffer, Pioniergerät, Liebesgaben bei dem damals mit ganz unzureichenden Kräften unter den schwierigsten Verhältnissen aufrecht erhaltenen Bahnbetrieb an den falschen Bahnhof gelangte und von dort sofort ohne lange Schreiberei und weitere Bahntransporte dem Truppenteil zugeführt werden mußte, der die betreffende Sache benötigte. Als alles in geordnete Bahnen kam, wurde die Tätigkeit dieses Offiziers beim Armee-Oberkommando überflüssig, so daß er wohl überall zur Inspektion selbst zurückgenommen wurde, wo ja auch infolge Überlastung des ersten Generalstabsoffiziers ein reiches Feld der Tätigkeit auf ihn wartete.


1 [1/207]Zur Bearbeitung der Angelegenheiten der Schreiber, Burschen, Ordonnanzen, Pferde des Stabes, Unterbringung der Offiziere und Mannschaften, Kasinos, Küchen usw. ...zurück...

2 [1/209]S. auch Abschnitt: "Feldpost und Etappentelegraphie". ...zurück...

3 [1/212]Nur ein aus der im Frieden geplanten Organisation stammender Name; die Werkstätten arbeiteten natürlich für Artillerie jeder Art. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte