Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 3: Die Etappe
(Forts.)
Oberstleutnant Karl Schroeder
3. Die ersten organisatorischen Änderungen
und neue Aufgaben.
Sehr bald erwiesen sich die Etats des Stabes und der Behörden als viel zu
gering. Der persönliche Dienst des Adjutanten beim Inspekteur und die
Offizierangelegenheiten beanspruchten den Adjutanten ganz; die
Mannschaftspersonalien erforderten einen zweiten Adjutanten um so mehr, als bei
der wiederholten Verschiebung der Etappengrenzen auch stets ein starker
Personalwechsel eintrat. Die gleiche Folge hatte das wiederholte Herausziehen
von Mannschaften der Etappe für die Front und die Heimarbeit. Für
die laufenden Geschäfte, Befehlsausgabe, Journalführung,
Unterstützung der Generalstabsoffiziere im Dechiffrieren, Abschreiben von
Geheimverfügungen erwies sich weiterhin ein Bureauoffizier als unbedingt
erforderlich. Der Mangel eines Kommandanten des Stabsquartiers1 erwies sich gleichfalls als unhaltbar.
Alle diese Stellen mußten aber mit Offizieren aus den unterstellten
Landsturmtruppen und Wirtschaftskompagnien besetzt werden. Ein Offizier war
dauernd beschäftigt mit Zurechtweisen der vielen Urlauber,
Lazarettentlassenen und kleinen Kommandos, die ihre Truppenteile suchten und
diesen oft wochenlang von Armee zu Armee nachreisten.
Gegen Ende des Feldzuges kam hinzu, daß viele Drückeberger dieses
Nachreisen zu ihrem Lebenszweck erkoren hatten. Erst sehr spät
entschloß man sich, besondere Auskunftsstellen bei den
Armee-Oberkommandos und Heeresgruppen einzurichten, die, unter eigens
hierfür bestimmten Offizieren, reichlich mit Personal ausgestattet, diese
Weiterleitung Versprengter in geregelte Bahnen lenken sollten. Die wichtigste
Auskunftsstelle wäre allerdings die Etappeninspektion gewesen; denn die
meisten versprengten Leute strömten immer am Etappenhauptort
zusammen und nicht an dem meist ziemlich unbekannten Sitz einer Heeresgruppe.
Der Etappe wurde jedoch überlassen, aus kommandiertem Personal sich die
notwendige Auskunftsstelle notdürftig zu schaffen. Die Wichtigkeit dieser
Tätigkeit ergibt sich daraus, daß schließlich ein Mehrfaches
von zehntausenden solcher Versprengten unterwegs waren und der fechtenden
Truppe verlorengingen.
Eine besondere Vermehrung des Personals wurde bald nötig durch eine
Menge von neuen Aufgaben, an die man zu Anfang des Krieges nicht gedacht
[208] hatte. Andererseits
wurden der Etappeninspektion bald manche ihrer ursprünglichen Aufgaben
genommen.
Zuerst veränderten sich sehr bald die Etappentruppen. Die gemischten
Landwehrbrigaden, die ursprünglich den Etappen überwiesen waren,
verschwanden schon September 1914 in die vorderste Linie; an ihre Stelle traten
Landsturmbataillone und -eskadrons, von denen ein Teil unberitten war. Diese
genügten auch für ihre Aufgaben vollkommen und haben sich
durchaus bewährt; nur daß ihre Zahl infolge der immer
größer werdenden Ausdehnung der besetzten Gebiete bei der
einzelnen Inspektion immer kleiner, ihre Aufgaben aber durch die immer
stärker notwendigen Kommandierungen zu Wirtschaftsbetrieben dauernd
größer wurden, führte schließlich dazu, daß nicht
alle Aufgaben befriedigend gelöst werden konnten. Als Beispiel für
den Umfang der Verringerung mag dienen, daß die
Etappeninspektion 4 im Jahre 1915 über 15 Landsturmbataillone und
6 Landsturmeskadrons (davon 2 unberitten) verfügte, während der
gleich großen Etappeninspektion 6 in den Jahren 1917/18 nur 6
Bataillone und 3 unberittene Eskadrons zur Verfügung standen.
Bald wurde aus dem Bewegungskrieg fast überall der Stellungskrieg; die
Etappenstraßen verloren an Bedeutung, da der Nachschub bis weit nach
vorn mit der Bahn geleitet werden konnte. Der Nachschub wurde damit einfacher.
Andrerseits aber nahm die Verwaltung und Ausnutzung des besetzten Landes an
Bedeutung und Umfang zu. Vor allem wurden die
Armee-Oberkommandos seßhaft und fanden dadurch Zeit, vieles selbst in
ihre Hand zu nehmen, was sie während des Bewegungskrieges gern den
Etappeninspektionen überlassen hatten. Die immer mehr in den
Vordergrund tretende Technik brachte eine Menge Spezialressorts hervor, die alle
danach strebten, unmittelbar den Armee-Oberkommandos zu unterstehen oder zu
ihnen als Referenten zu gehören. So wurden eine Menge der
ursprünglich der Etappe zugewiesenen Aufgaben unmittelbar den
Armee-Oberkommandos übertragen.
Der Kommandeur der Kraftfahrtruppen mit den Etappenkraftwagenkolonnen hatte
im Bewegungskrieg hervorragende Dienste geleistet, besonders durch
Heranschaffen von Munition, als nach den ersten Schlachten der Verbrauch alle
Berechnungen weit übertraf und die Bahn natürlich nicht schnell
genug mit ihrem Betrieb den rasch voranschreitenden Truppen folgen konnte. Nur
durch die rastlose Tätigkeit der weit vorauseilenden Organe der Etappe
(Generalstabsoffizier Ib, Chef der Munitionsverwaltung,
Etappenkraftwagenkolonnen) gelang es in dieser Zeit, den Truppen die so bitter
nötige Munition zuzuführen. Als diese Verhältnisse stetiger
wurden, wuchsen sich die Etappenkraftwagenparks, besonders in
größeren Städten, wo sie die nötigen Räume und
Werkzeuge vorfanden, zu mächtigen, musterhaft geleiteten
Reparaturwerkstätten aus, die den hauptsächlich im Operationsgebiet
eingesetzten Kraftwagenkolonnen die Möglichkeit steter Erneuerung boten.
Jetzt wurden die [209] Kraftfahrtruppen der
Etappe weggenommen und ihr nur die für ihren eigenen Dienst
nötigen Kolonnen belassen, die aber in technischer Beziehung dem
Kommandeur der Kraftfahrtruppen beim
Armee-Oberkommando unterstellt wurden.
Der Etappenflugzeugpark wurde mit der schnellen und großen
Ausgestaltung des Flugwesens bald dem Kommandeur der Flieger beim
Armee-Oberkommando unterstellt.
Die Etappentelegraphendirektion2 wurde
vollständig umgewandelt. Sie setzte sich planmäßig zusammen
aus Beamten der Postverwaltung mit einem höheren Telegraphenbeamten
an der Spitze. Jetzt wurde sie aufgelöst und an ihre Stelle rein
militärische Truppen (Fernsprechabteilungen) gesetzt. Nur beim
Großen Hauptquartier verblieben die Telegraphenbeamten im Amt. Die
Umänderung war ohne Zweifel zweckmäßig, da sie an Stelle
der Beamten Unteroffiziere und Mannschaften setzte, die sich besser den
militärischen Befehlsverhältnissen einpaßten. Daß
gleichzeitig damit das Ausscheiden der Fernsprecher aus der Etappe und ihre
Unterstellung unter den Kommandeur der Nachrichtentruppen beim
Armee-Oberkommando verbunden war, erwies sich wegen der einheitlichen
Leitung als praktisch; der Nachteil für die Etappe, daß fortab
natürlich die Fronttruppen bei der Zuteilung von Personal und Material
für Leitungen stark bevorzugt wurden, mußte mit in den Kauf
genommen werden. Was die Fernsprecher auch in der Etappe geleistet haben, Tag
und Nacht am Klappenschrank, dauernd im Umbau von Leitungen tätig, bei
den häufigen Fliegerangriffen und der gegen Ende des Krieges auch
einsetzenden Beschießung der vordersten Etappenorte durch weittragende
Geschütze - ohne Deckung suchen zu dürfen,
heldenmütig auf ihrem Posten
ausharrend - verdient alles Lob.
Mit der Etappentelegraphendirektion schied naturgemäß auch das
Etappenfernsprechdepot aus. Auch dieser an sich nur kleine Zweig des
Etappendienstes verdient Beachtung. Abgesehen von der
zweckmäßigen Lagerung und Ausgabe aus der Heimat nachgesandter
Apparate und Baustoffe verlangte vor allem das Aussondern, Wiederherstellen
und Ausgabefähigmachen des auf dem Schlachtfeld gesammelten
Fernsprechgeräts aller Art große Sachkenntnis, Umsicht und
Arbeitsfreude. Oft war erstaunlich, wenn man sah, wie ein wüster Haufen
anscheinend unbrauchbaren und fast unentwirrbaren Krams sich in kurzer Zeit
unter kundiger, fleißiger Hand wieder in tadellos geordnetes,
zweckmäßig gestapeltes und sofort brauchbares
Fernsprechgerät verwandelte.
Ein sehr wichtiges Glied der Etappeninspektionen, das erst Ende 1917 von ihnen
abgetrennt wurde, bildete die Baudirektion, der die Erhaltung und Verbesserung
der Verkehrswege im Etappengebiet und außerdem die Ausführung
aller dort notwendigen Bauten oblag. Zwar wurde vom
Feldbahn- [210] bau, der
ursprünglichen Hauptaufgabe der Baudirektion,
verhältnismäßig wenig, im Westen fast gar kein Gebrauch
gemacht; aber um so wichtiger erwies sich die Wiederherstellung, Unterhaltung
und Neuanlage von Straßen einschließlich der in ihrem Zuge
vorkommenden Brücken jeder Größe. An Stelle der
ursprünglich vorgesehenen Eisenbahntruppen wurden deshalb den
Baudirektionen neu aufgestellte Straßenbaukompagnien unterstellt. Diese
arbeiteten sowohl im Etappen- als auch im Operationsgebiet und waren dort sehr
häufig feindlichem Artilleriefeuer ausgesetzt.
Als Beispiel für den Umfang dieser Arbeiten sei angeführt, daß
allein die Etappeninspektion Bug vom 1. April bis 30. September 1917 für
Wegebauten verbrauchte:
23 777 |
lfd. m (4 847 cbm) Schotter, |
7 190 |
qm Steinpflaster, |
6 445 |
qm Holzpflaster, |
1 070 |
lfd. m Knüppelung. |
Ferner wurden 14,3 km Landweg geknüppelt und dabei die Summe von
100 000 Knüppeln verbraucht.
Auch Hochbauten aller Art kamen, als der Krieg sich zum Stellungskrieg
ausbildete, in ganz ungeahnter Zahl vor, da Magazine, Werkstätten,
Unterkunft für Mann und Pferd überall in riesenhafter Menge aus
vorhandenen Gebäuden ausgebaut oder neu hergestellt werden
mußten. Dazu kam die Versorgung der Front mit Schotter, Kies, Zement,
Ziegelsteinen, Eisen, Holz, Dachpappe, Bauwerkzeugen, Gerät und
Maschinen.
Bei einigen Armeen spielte schon bald auch die Nutzbarmachung der
Wasserstraßen und Einrichtung eines Betriebs auf ihnen eine große
Rolle. So besonders bei der 4. Armee, bei der das reich gegliederte Kanalnetz
Flanderns natürlich sofort zur Hilfe herangezogen wurde. Unterhaltung der
Kanäle, der Brücken und Schleusen, Aufstellung eines Schiffsparks
von Schleppern und Kähnen, Reparaturwerften, Bootsbauanstalten,
Kanalbetriebs- und Hafenämter zur Leitung und Überwachung des
Schiffsverkehrs in technischer, wirtschaftlicher und polizeilicher Beziehung
machten dort einen bald nach Hunderten von Köpfen zählenden
Verwaltungsapparat notwendig.
Dazu kamen technische Betriebe aller Art, z. B. bei der 4. Armee der Bau der nur
aus Balken, Brettern und Dachpappe bestehenden Genter
Unterkunftshütten. Sie wurden benötigt, da die meist
zerstörten Wohnstätten der Kampfzone den hinter der vordersten
Linie ruhenden Truppen nicht genügend Unterkunft boten. Ende 1914
begann daher die Baudirektion 4 mit dem Hüttenbau zunächst
nur für die 4. Armee, konnte aber bald auch an andere Armeen
Unterkunftshütten abgeben. Von diesen waren bis Ende Juli 1918
50 000 hergestellt, die Unterkunft für zwei Millionen Menschen und
eine halbe Million Pferde gewährten, außerdem
Küchenhäuser, Munitionsschuppen,
Flugzeug- [211] hallen usw. Bei
der gleichen Inspektion wurden 1915 täglich 15 000 Hurden zur
Befestigung von Schützengräben durch ein besonderes Kommando
von Landsturmleuten (keine Pioniere, die gab es nicht in der Etappe) und
belgischen Zivilarbeitern unter einem Pionierhauptmann hergestellt. Das Personal
der Baudirektion 4 betrug schließlich statt der
planmäßigen 11 Offiziere und Beamte und 21 Unteroffiziere und
Mannschaften 70 Offiziere und Beamte und (einschließlich
Straßenbaukompagnie und Brückenabteilungen) 6000 Unteroffiziere
und Mannschaften und über 30 000 belgische Zivilarbeiter.
Die Unterhaltung der Wasserstraßen und der Betrieb auf ihnen wurden im
Westen Ende 1916 den Etappeninspektionen abgenommen und für die
gesamte Westfront eine Militärkanaldirektion in Brüssel
gegründet, die dem Feldeisenbahnchef unterstellt war. So schmerzlich dies
auch für die Etappeninspektionen war, die diesen Dienstzweig mit viel
Mühe und Liebe ausgebaut hatten, so war es doch im Interesse der
einheitlichen Leitung der ganzen Wassertransporte wohl
zweckmäßig. Ende 1917 traten dann die Baudirektionen
überhaupt unmittelbar unter die
Armee-Oberkommandos, da die Straßenbaukompagnien, als meist im
Operationsgebiet beschäftigt, gewissermaßen Fronttruppen geworden
waren. Die Etappeninspektionen halfen sich meist, da für ihre Zwecke,
d. h. für Instandhaltung der bestehenden und den Neubau
notwendiger Straßen, sowie für die sich immer steigernden
Anforderungen am Ausbau von Unterkunftsräumen und technischen
Anlagen in der Zuweisung von Personal jetzt gar zu stiefmütterlich gesorgt
wurde, mit Improvisation von Etappenbauämtern und aus Kommandierten
zusammengestellten Baukompagnien.
Auch der Bahnbeauftragte wechselte von der Etappeninspektion zum
Armee-Oberkommando, da er dort in unmittelbarem Verkehr mit
Oberquartiermeister und Armeeintendanten die Bahntransporte regeln konnte. Im
allgemeinen erwies sich diese Maßregel nicht als zweckmäßig.
Solange man überhaupt die Etappeninspektionen als verantwortliche
Behörde für den Nachschub bestehen ließ, war für sie
die unmittelbare enge Fühlung mit den Eisenbahnbehörden
unbedingte Notwendigkeit.
Auch die anfangs dem Etappenmunitionswesen unterstellten
Artilleriebelagerungswerkstätten hatten großartige Leistungen
aufzuweisen. Sie entlasteten durch Übernahme einer großen Anzahl
von Reparaturen die überbürdeten Artilleriewerkstätten der
Heimat, brachten die Geschütze durch Fortfall des Wegs von und nach
Deutschland schneller wieder zur Truppe und ersparten der Eisenbahn die sonst
nötige Wagengestellung. Außer umfangreichen Reparaturen leisteten
sie auch Neuanfertigungen verschiedener Art: behelfsmäßige
Minenwerfer (Genter Ladungswerfer, Albrechtsmörser) usw. Ihre
Betriebsleiter erwiesen sich als Konstrukteure von erfinderischem Geist und
halfen durch zweckmäßige Aushilfen über manche
Lücke hinweg, die durch neu [212] auftretende
kampftechnische Bedürfnisse entstand, bis die Heimat den
ordnungsmäßigen Ersatz, der natürlich genau durchdacht und
dann planmäßig in Massen fabriziert werden mußte, ins Feld
senden konnte. Allerdings wurde die Neigung, sich eigene Werkstätten zu
gründen, bald zu stark; außer den Hauptwerkstätten der
Etappeninspektionen und ihren vorgeschobenen Zweigstellen richteten auch
Gruppen, Divisionen, ja Regimenter und Batterien eigene
Artilleriewerkstätten ein, so daß 1917 der Generalquartiermeister die
Zahl der Werkstätten beschränken und ihre Belieferung mit Material,
sowie die Verteilung der Arbeiten auf sie durch den Beauftragten des
Generalquartiermeisters für den Westen (B. d. G. West)
regeln mußte. Bei jeder Armee wurde eine Hauptwerkstätte der
Belagerungsartillerie3 am Etappenhauptort oder in einer
anderen Stadt des Etappengebiets mit geeigneten Maschinenfabrikanlagen
und 3 - 5 Zweig-Instandsetzungswerkstätten
8 - 10 km hinter der Front eingerichtet. Die
Artilleriewerkstätten wurden später meist den
Armee-Oberkommandos unterstellt, wohl hauptsächlich aus
äußeren Gründen; denn die enge Zusammenarbeit mit den
Munitions- und Geräteverwaltungen der Etappe, die die Ersatzteile aus der
Heimat beschaffen mußten, und die Lage im Etappengebiet hätten
das Verbleiben unter dem Befehl der Etappeninspektion als das
Naturgemäße erscheinen lassen. Als Maßstab für den
Umfang dieser Arbeiten seien von zwei Armeen Durchschnittszahlen von
fünf Monaten des Jahres 1917 angeführt:
Werkstätten der Belagerungsartillerie der |
7. Armee |
8. Armee |
Beschäftigte Leute |
etwa 830 |
etwa 500 |
Monatlich eingehende beschädigte Geschütze |
" 600 |
" 320 |
Monatlich zur Heimat gesandte Geschütze |
" 78 (31) |
" 50 (12) |
Monatlich instand gesetzte Geschütze |
" 520 |
" 270 |
Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die im Oktober 1917 heimgesandten
Geschütze; sie zeigen durch ihre geringe Größe im
Verhältnis zum Durchschnitt, wie die Werkstätten es
allmählich verstanden, Bahn und Heimat zu entlasten. Bei der 4. Armee ist
während der großen Flandernschlacht die Zahl der instandgesetzten
Geschütze bei 2500 Arbeitskräften monatlich bis zu 1500
gestiegen.
Weitere Veränderungen im Etappendienst im Lauf des Krieges vollzogen
sich, indem auch verschiedenes, was die Etappen sich zunächst
behelfsmäßig selbst schufen, mit der Schaffung einer eigenen
Organisation auf die Armee-Oberkommandos überging. So vor allem die
Flugabwehr, die anfangs mit gänzlich unzureichenden Mitteln geleistet
wurde - mußten doch 1914/15 ein- [213] zelne
Maschinengewehre, von Offizieren und Mannschaften der Landsturmtruppen oder
auch der Trainkolonnen bedient, die wichtigsten Munitionsbahnhöfe
schützen. Auch die Einrichtung der Flugwachen und die Organisation des
Flugmeldedienstes waren anfangs Sache der Etappeninspektionen; die Gestellung
der nötigen Mannschaften blieb es bis zuletzt. Die Unterstellung des
Fliegerschutzes unmittelbar unter die Armee ist sicher zweckmäßig;
jedoch war die ungenügende Zuteilung von Flugabwehr an die Etappe, die
später bei den gerade auf die zahlreich im Etappengebiet angelegten
wichtigen Munitionslager, Magazine und Bahnhöfe gerichteten, in dauernd
steigender Zahl erfolgenden Fliegerangriffen manches Opfer im
rückwärtigen Gebiet forderte, sehr bedauerlich.
Sehr bald wurden infolge der Inbetriebnahme einer Menge von Fabriken und
Werkstätten mit elektrischem Antrieb, sowie des Bedürfnisses
elektrischer Beleuchtung - da andere Leuchtmittel, vor allem Petroleum, so
gut wie nicht zu haben waren - umfangreiche elektrische Anlagen
notwendig. Übernahme, Ausbau und Betrieb von Starkstromleitungen
wurden zunächst von jeder Etappeninspektion nach eigenem
Gutdünken mit dem gerade zur Hand befindlichen Personal und Material in
die Wege geleitet und hier bei dem schon anfangs großen und immer mehr
steigenden Bedarf an Licht und Kraft hervorragendes geleistet. Erst 1917 wurden
Starkstromtruppen gegründet und den
Armee-Oberkommandos unterstellt. Selbstverständlich wurde ein Teil auch
zum Dienst im Etappengebiet verwendet und arbeitete nach Weisung der
Etappenbehörden, ebenso wie dies auch nach ihrer Unterstellung unter das
Armee-Oberkommando mit Teilen der Kraftfahrtruppen, Fernsprechern und
Baudirektionen der Fall war.
Auch die anfänglich der Etappeninspektion unterstehenden
"Sammelkompagnien" traten 1917 unmittelbar unter das
Armee-Oberkommando. Sie hatten eine doppelte Aufgabe: einerseits
liegengebliebenes Heeresgut der eigenen Truppen und erbeutetes Material vom
Feinde, also besonders Waffen, Munition,
Artillerie-, Pionier- und Traingerät zu sammeln, andererseits im
Etappen- und Operationsgebiet für die deutsche Kriegswirtschaft wichtige
Rohstoffe des feindlichen Landes (Chemikalien, Textilwaren,
Eisenhalbfabrikate usw.) zu bergen, wozu sie den
Wirtschaftsausschüssen der Etappe zugeteilt wurden. Zu ersterem Zweck
wurde einem Teil von ihnen Feuerwerkspersonal zugeteilt; sie unterstanden
besonderen Beutesammeloffizieren. Diese wurden später in
Waffensammeloffiziere umbenannt, mit dem Auftrage, nur Waffen und Munition
zu bergen. Als dann schließlich die Sammeltätigkeit, weil die Truppe
nicht mehr im Vorgehen das Schlachtfeld frei machte, sich immer mehr an die
Front verlegte, wurde das Sammeln auf dem Gefechtsfeld von der Etappe
abgetrennt, bei den Armee-Oberkommandos ein Stabsoffizier mit Stab als
Sammeloffizier aufgestellt und diesem die Sammelkompagnien unterstellt.
[214] Die Etappe sah sich
nun genötigt, für ihre Zwecke besondere Formationen
(Sammeltrupps, Bergetrupps, Ausbaukommandos oder ähnlich genannt)
aus ihren Landsturmtruppen und Wirtschaftskompagnien zu bilden.
Auch das Brieftaubenwesen des feindlichen Landes wurde zunächst von
den Etappeninspektionen nutzbar gemacht. Dies war besonders in Belgien eine
sehr lohnende und wichtige Aufgabe, da sich infolge des beliebten
Brieftaubensports dort in jeder Stadt Hunderte von wertvollen Brieftauben
befanden und kaum ein Dorf ohne Brieftaubenschlag zu finden war. Später,
als das Trommelfeuer drahtlose Verbindung auch in vorderster Linie besonders
wichtig und die Brieftaube zu einem hervorragenden Nachrichtenmittel aller
Truppen machte, wurde auch der Brieftaubendienst überall einheitlich
geregelt und dem Kommandeur der Nachrichtentruppen der
Armee-Oberkommandos unterstellt.
Eine große Umgestaltung erlebte bei fast allen Inspektionen die
Tätigkeit des zweiten Generalstabsoffiziers (Ib). Anfangs wurde er als
Verbindungsoffizier beim Armee-Oberkommando eingesetzt und hatte hier
während des Bewegungskrieges besonders für das Heranschaffen der
Munition zu sorgen, wobei er oft selbständig disponieren mußte, da
eigentlich immer Mangel an Munition war und die Lage eine jedesmalige Anfrage
bei der Etappeninspektion nicht zuließ. Auch zu Beginn des
Stellungskrieges war noch viel, sogar bis in die vordersten Linien, zu tun, da eine
Menge Geräte und Vorräte aller Art, z. B. Feldküchen,
Gas für Luftschiffer, Pioniergerät, Liebesgaben bei dem damals mit
ganz unzureichenden Kräften unter den schwierigsten Verhältnissen
aufrecht erhaltenen Bahnbetrieb an den falschen Bahnhof gelangte und von dort
sofort ohne lange Schreiberei und weitere Bahntransporte dem Truppenteil
zugeführt werden mußte, der die betreffende Sache benötigte.
Als alles in geordnete Bahnen kam, wurde die Tätigkeit dieses Offiziers
beim Armee-Oberkommando überflüssig, so daß er wohl
überall zur Inspektion selbst zurückgenommen wurde, wo ja auch
infolge Überlastung des ersten Generalstabsoffiziers ein reiches Feld der
Tätigkeit auf ihn wartete.
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