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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 3: Die Etappe   (Forts.)
Oberstleutnant Karl Schroeder

2. Das Wesen und die Arbeit der Etappe bei Kriegsbeginn.

Worin bestand nun die Tätigkeit der Etappe? Wie war sie organisiert? Und was hat sie geleistet?

Das Etappenwesen hat im Lauf des Krieges so mannigfache Veränderungen und teilweise grundlegende Umgestaltung erfahren, daß die Etappe von 1914 und die Etappe von 1918 grundverschiedene Dinge sind. Die Vorschriften, die bei Ausbruch des Krieges als Richtschnur für Organisation und Gliederung, für Verwendung und Tätigkeit der Etappenformationen dienten, waren nach den Erfahrungen früherer Kriege hauptsächlich auf den Bewegungskrieg zugeschnitten.

Der Etappe erwuchsen hiernach folgende hauptsächliche Aufgaben:

  • Sicherstellung der Heeresbedürfnisse durch Anforderung bei den heimischen Behörden und durch Sammeln und Vorschieben der Vorräte und Mittel des Etappengebiets.

  • Übernahme und Rückbeförderung alles dessen, was das Feldheer abgibt; Fürsorge für Verwundete und Kranke.

  • Regelung des Verkehrs und des Nachrichtenwesens auf den Etappenverbindungen und innerhalb des Etappengebiets, sowie Unterhaltung, Wiederherstellung und Neubau von Verkehrswegen und Nachrichtenverbindungen, soweit dies nicht Aufgabe der Militäreisenbahnbehörden ist.

  • Unterbringung, Verpflegung und Überwachung der vom Feldheer kommenden und zum Feldheer gehenden Personen und Pferde; Verwaltung der durch das Etappengebiet gehenden Kriegsbedürfnisse, solange sie sich in diesem befinden.

  • Militärische und polizeiliche Sicherung des Etappengebiets, namentlich der Etappenverbindungen. Verwaltung von feindlichen Landesteilen, die zum Etappengebiet gehören.

Der Nachschub auf den Landstraßen, auf der jeder Armee zugeteilten Etappenlinie, bildete also nach der Vorschrift die Hauptsache; und so war es auch bei dem ersten raschen Vormarsch nach Belgien und Frankreich hinein, und ähnlich wurde es immer wieder, wo der Bewegungskrieg die deutschen Heere siegreich vordringen ließ: in Rußland und Serbien, in Rumänien und Italien. Völliges Umlernen und doch dabei Anpassen an die bewährten Formen for- [203] derten aber die gänzlich veränderten Verhältnisse des Stellungskriegs und der lang andauernden Besetzung großer feindlicher Gebiete, die immer mehr hervortretende Wichtigkeit der Technik, die immer größere Bedeutung des Materials in den "Übermaterialschlachten" bei der immer geringer werdenden Beschaffungsmöglichkeit von Rohstoffen für das von der Welt abgeschnittene Deutschland.

Nach den geltenden Vorschriften hatte die Leitung des ganzen Etappenwesens der dem Chef des Generalstabs des Feldheeres unmittelbar untergeordnete Generalquartiermeister, dem ursprünglich der Chef des Feldmunitionswesens, der Generalintendant des Feldheeres, der Chef des Feldsanitätswesens, der Chef des Feldeisenbahnwesens, der Chef der Feldtelegraphie und der Feldoberpostmeister unterstellt sein sollten. Jedoch waren oder wurden im Lauf des Krieges diese Behörden mit Ausnahme des Generalintendanten und Feldoberpostmeisters selbständig unmittelbar unter den Chef des Generalstabs des Feldheeres gestellt. Dies bot durch die Möglichkeit unmittelbaren Vortrags für die genannten Behörden unzweifelhaft große Vorteile, wenn es auch naturgemäß den Nachteil mit sich brachte, daß keine einzelne Persönlichkeit mehr für den gesamten Nachschub verantwortlich war und ausgleichend zwischen den Anforderungen der einzelnen Abteilungen wirken konnte.

Dem Generalquartiermeister verblieb aber mit der eigentlichen Leitung des Etappenwesens immer noch ein reichliches Feld der Tätigkeit. Der Generalintendant bearbeitete unter seiner Leitung speziell das gesamte Feldverpflegungswesen, sowie alle Kassen- und Rechnungsangelegenheiten des Feldheeres, bis 1. Januar 1917 auch die wirtschaftliche Ausnutzung der besetzten Gebiete. Während der Generalquartiermeister die Vorschriften und allgemeinen Weisungen für den Etappendienst erließ und den Ausgleich innerhalb der Armeen regelte, unterstand die Etappe jeder Armee in allen Einzelfragen unmittelbar dem ihr vorgesetzten Armee-Oberkommando, bei dem der Oberquartiermeister die Etappenangelegenheiten bearbeitete. Für die Sonderfragen auf dem Gebiet des Sanitätswesens, Veterinärwesens und der Intendantur waren die betreffenden Etappenabteilungschefs auf den unmittelbaren Dienstweg im Verkehr mit Armeearzt, Armeeveterinär und Armeeintendant hingewiesen. Im allgemeinen ergaben sich aus der doppelten Unterstellung der Etappeninspektionen unter Generalquartiermeister und Armee-Oberkommandos keinerlei Reibungen, und auch die Sonderdienstwege der Ärzte usw. störten nicht, wenn der Chef des Generalstabs der Etappeninspektion sich den nötigen Einfluß auch auf alle Sonderabteilungen zu wahren wußte.

Die eigentlichen Träger des Etappendienstes waren die Etappeninspektionen, deren jede Armee eine besaß. Bei kleineren Armeen traten an ihre Stelle sogenannte Etappenkommandos, bei denen die Stellen des Inspekteurs und des Chefs des Generalstabs in der Hand eines älteren Generalstabsoffi- [204] ziers als Kommandeur vereinigt waren und im übrigen die gleichen Behörden in verkleinertem Maßstabe auftraten. Aufgabe der Etappeninspektionen war es, die Verbindung zwischen Heimat und fechtender Truppe herzustellen und für die von ihnen zu versorgende Armee und das von ihnen zu verwaltende Gebiet im Benehmen mit den heimischen Behörden (Kriegsministerium, stellvertretende Generalkommandos, stellvertretende Intendanturen usw.), den obersten Feldbehörden (Generalquartiermeister, Generalintendant usw.) und dem betreffenden Armee-Oberkommando die schon aufgeführten Pflichten der Etappe zu erfüllen, nämlich: Zuführung von Heeresbedürfnissen aller Art aus der Heimat an das Feldheer; Rückführung alles beim Feldheer entbehrlichen Materials und Personals einschließlich Verwundeter und Gefangener in die Heimat; Unterbringung und Verpflegung der zum Heere gehenden, von ihm kommenden oder hinter ihm in Ruhe befindlichen Truppenteile, Behörden, sowie von einzelnen Personen und Pferden; Verwaltung und Sicherung des Landes hinter der fechtenden Truppe, namentlich Sicherung der rückwärtigen Verbindungen des Feldheeres; schließlich wirtschaftliche Ausnutzung der Vorräte des besetzten feindlichen Gebietes für das Feldheer und die Heimat.

An der Spitze jeder Etappeninspektion stand als Etappeninspekteur ein General mit den Gebührnissen eines Divisionskommandeurs und den gerichtlichen und disziplinaren Befugnissen eines Kommandierenden Generals. Ihm unterstand ein Stab und eine Anzahl Etappenbehörden.

Zum Stabe gehörten: Der Chef des Generalstabs, 2 Generalstabsoffiziere (Ia und Ib), ein Adjutant, dessen wichtigste Tätigkeit die Bearbeitung der Personalien bildete, ein Hauptmann der Artillerie, der alle Waffen-, Munitions- und Pferdeangelegenheiten bearbeitete, ein Hauptmann des Ingenieur- und Pionierkorps für alle technischen und Transportangelegenheiten, ein Kommandeur der Feldgendarmerietrupps, ein Beauftragter des Chefs des Feldeisenbahnwesens (Bba) und ein Zahlmeister. Die dem Etappeninspekteur unterstehenden Etappenbehörden und ihre Arbeiten seien kurz gekennzeichnet, um in knappen Umrissen ein Bild der großen Organisation zu geben.

Der Kommandeur des Etappenmunitionswesens hatte den Nachschub von Munition, von Maschinengewehr-, Feldartillerie- und Fußartilleriegerät und von Sprengmunition durch Anforderung der nötigen Bestände beim Chef des Feldmunitionswesens und rechtzeitige Heranführung an die Munitionsausladestellen zu regeln. Ihm unterstanden:

Die Etappenmunitionsverwaltung, die die eintreffenden Munitionszüge übernahm, Munitions- und Gerätedepots und Munitionsausgabestellen anlegte, mit Personal ausstattete und verwaltete und die Ausgabe an die Munitionskolonnen bewirkte.

[205] Der Kommandeur der Etappenmunitionskolonnenabteilung, der mit den ihm unterstellten Etappenmunitionskolonnen den Landtransport von Munition innerhalb des Etappengebiets bewerkstelligte. In dringenden Fällen führten diese Kolonnen auch Munition bis unmittelbar zur fechtenden Truppe vor. Wenn nötig standen auch Kraftwagenkolonnen und Etappenfuhrparkkolonnen zum Munitionstransport zur Verfügung.

Die Zahl der Kolonnen war je nach der Größe der Armee verschieden. So verfügte die Etappeninspektion 4 im Jahre 1914 über sechs, die Etappeninspektion 6 im Jahre 1917 infolge vieler notwendig gewordenen Abgaben, trotz ähnlicher Größe der zu versorgenden Armee, nur über drei Etappenmunitionskolonnen.

Der Kommandeur des Etappentrains mit:

Etappenfuhrparkkolonnen, die bei der Mobilmachung aus in der Heimat ausgehobenen Pferden und Fahrzeugen zusammengestellt, mit den dazugehörigen Trainmannschaften besetzt und beladen den Etappeninspektionen überwiesen wurden und zum Landtransport von Verpflegungsmitteln zur Armee dienten.

Magazinfuhrparkkolonnen, die im Versammlungsgebiet der Armee oder in Feindesland ausgehoben und bespannt und mit dem Personal der Etappentraineskadrons bemannt wurden. Sie dienten zunächst zur Füllung und Verlegung von Magazinen, sodann zum Fortschaffen von Personal und Backmaterial der Bäckereikolonnen und endlich gleichen Zwecken wie die Etappenfuhrparkkolonnen.

Die Zahl auch dieser Kolonnen war verschieden. Es hatte die Etappeninspektion 4 im Herbst 1915 12 Etappenfuhrparkkolonnen und 2 Magazinfuhrparkkolonnen, davon eine in doppelter Stärke einer normalen. Der Etappeninspektion 6 gehörten im Juni 1918 9 Etappenfuhrparkkolonnen und 7 Magazinfuhrparkkolonnen, von denen aber 3 Etappen- und 2 Magazinfuhrparkkolonnen der Etappe zeitweilig genommen waren und im Operationsgebiet Verwendung fanden.

Etappenbäckereikolonnen (in der Regel eine) und Hilfsbäckereikolonnen zur Versorgung der Etappentruppen und der Etappentransporte mit Brot, und Unterstützung der Feldbäckereikolonnen der Feldtruppen.

Etappenpferdedepots zur Aufnahme der von der Armee abgeschobenen kranken und überzähligen Pferde und zum Sammeln brauchbarer Pferde des Etappengebiets.

Die Trainkolonne des Etappensanitätsdepots zum Befördern des in diesem enthaltenen Sanitätsgeräts zu den verschiedenen Lazaretten. Der Kommandeur der Kraftfahrtruppen mit den Etappenkraftwagenkolonnen und leichten Kraftwagenkolonnen zur Nachführung von Heeresbedürfnissen aller Art, besonders von Munition und Verpflegung, hauptsäch- [206] lich wo schnelle Aushilfe bei plötzlich eintretendem Bedarf notwendig wurde. Auch zum Transport von Verwundeten sollten sie verwandt werden. Die Kavalleriekraftwagenkolonnen sollten besonders die Bedürfnisse der Kavalleriedivisionen diesen möglichst weit nach vorn zuführen. Die Zahl der Kraftwagenkolonnen war z. B. bei der Etappeninspektion 4 zu Beginn des Krieges 11 Etappenkraftwagenkolonnen, 3 leichte Kraftwagenkolonnen und 1 Kavalleriekraftwagenkolonne.

Der Etappenkraftwagenpark, unter Ausbau geeigneter Fabriken angelegt, hielt Kraftfahrpersonal, Ersatzwagen aller Art und ein Lager von Betriebsstoffen (Tanklager), Werkzeug und Ersatzteile bereit, führte die Instandsetzungsarbeiten aus und sammelte die im Operations- und Etappengebiet beschlagnahmten Kraftwagen und Betriebsstoffe.

Der Führer des Etappenflugzeugparks, zum Ersatz von Personal und Gerät der Fliegerabteilungen der Armee.

Dem Etappenintendant, dem in erster Linie die Weiterbeförderung der in seinen Bereich übergegangenen, zur Verpflegung der Armee bestimmten Vorräte und Ausnützung der Hilfsmittel des Etappengebietes für die Verpflegung der Armee und der Etappe oblag (s. S. 218ff.).

Der Etappenarzt zur Leitung des Sanitätsdienstes im Etappengebiet. Er sorgte für ärztliche Behandlung, Unterbringung, Pflege, Ernährung und Zurückführung von Verwundeten und Kranken des Feldheeres durch Ablösung der Feldlazarette, Einrichtung einer ständigen Krankenpflege im Etappengebiet, Überführung der Kranken in die Heimat, ferner Personalersatz und Nachschub von Sanitätsausrüstung. Der ihm beigegebene "beratende Hygieniker" leistete in erster Linie Hilfe bei Bekämpfung übertragbarer Krankheiten.

Der Etappenveterinär als fachwissenschaftlicher Berater der Etappeninspektion in allen Veterinärangelegenheiten und Leiter des Veterinärdienstes im Etappengebiet (s. Abschnitt "Feldveterinärwesen").

Der Etappenkriegsgerichtsrat zur Bearbeitung der sehr umfangreichen gerichtlichen Angelegenheiten.

Der Armeepostdirektor, dem die Herstellung und Erhaltung der Postverbindung zwischen Armee und Heimat oblag (s. Abschnitt "Feldpost und Etappentelegraphie").

Der Etappentelegraphendirektor, dem die Erhaltung, Wiederherstellung und Neueinrichtung von Telegraphen- und Fernsprechleitungen im Etappengebiet, insbesondere zwischen dem heimischen Netz und den Feldlinien oblag.

Die Baudirektion zur Erhaltung und Verbesserung der Verkehrswege im Etappengebiet, einschließlich der Wasserstraßen in Feindesland.

Der höhere Zivilverwaltungsbeamte mit dem nötigen Personal zur Verwaltung des besetzten feindlichen Gebiets.

[207] Für die einzelnen Bezirke der vielfach recht umfangreichen Gebiete unterstanden der Etappeninspektion Etappenkommandanturen und, nach Bedarf für die Wasserstraßen, Hafenkommandanturen. Als ausführende Kräfte für die mannigfachen Aufgaben waren dem Inspekteur Etappentruppen zugeteilt.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte