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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

[338] Kapitel 5: Feldpost und Etappentelegraphie
Oberpostrat Hermann Senger

A. Die Feldpost.

1. Einleitung.

Als im August 1914 der Krieg ausbrach und Tausende und Abertausende von ihren Lieben Abschied nahmen und zu den Fahnen eilten, kam allen die bange Frage auf die Lippen: Werden wir wenigstens schriftlich in Verbindung bleiben können, wann kannst du schreiben? Über die Möglichkeit bestanden nur unklare Vorstellungen. Die felsenfeste Zuversicht, daß Deutschlands Heer in allem auf das beste gerüstet war, gab indes den bekümmerten Gemütern das Vertrauen, daß Generalstab und Post auch in dieser Beziehung alle Vorkehrungen getroffen haben würden. Man erinnerte sich der Feldpost von 1870 und sah bald mit freudiger Genugtuung, daß sie auch diesmal in der allgemeinen Mobilmachung nicht vergessen war. Wie hätte auch bei dem Riesenkampfe, der das ganze Volk in bisher ungeahntem Maße in Mitleidenschaft zog, deutsche Heeres- und Marinetruppen in fast alle Länder Europas und nach Asien führte, alle Kolonien, alle Meere umfaßte, wie hätte das um das Leben seiner Kämpfer bangende Volk und das schließlich viele Millionen zählende Heer die jahrelange Trennung ertragen können, wenn die Feldpost gefehlt hätte?

Tatsächlich war nach bestem Wissen vorgesorgt. Für jedes Armeekorps, jede Division war eine besondere Feldpostanstalt, für jede Armee eine besondere Feldpostverwaltungsbehörde vorgesehen. Die ungeahnte Ausdehnung des Schriftwechsels zwang sehr bald zur erheblichen Verstärkung des Personals dieser Anstalten und die im Verlauf des Krieges fortdauernd steigende Aufstellung neuer Truppenkörper zur Bildung immer neuer Feldpostanstalten.

Mit 42 Feldpostämtern für die Armeekorps und 101 Feldpostexpeditionen für die Divisionen ist die Feldpost ins Feld gerückt; 52 Feldpostämter, 244 Feldpostexpeditionen und 517 Feldpoststationen zählte sie Ende Oktober 1918.

2627 Beamte und Postillione wurden 1914 mobil gemacht, 7968 waren am Ende des Krieges im Feldpostdienst tätig. Dabei sind die zugeteilten Militärpersonen nicht eingerechnet, die 1914 nur 856, Ende 1918 aber 4785 Köpfe zählten.

[339] Nach mehrfachen, sorgfältigen, eintägigen Zählungen sind an Feldpostsendungen beim Heere im Durchschnitt täglich eingegangen:

      im Januar 1915 7,9 Millionen, im März 1918 11,1 Millionen;

beim Heere täglich aufgeliefert:

      im Mai 1915 5,8 Millionen, im März 1918 7,9 Millionen.

Innerhalb des Heeres selbst, von Vater zu Sohn, von Bruder zu Bruder oder Schwester, von Freund zu Freund sind im Juli 1917 täglich 1,2 Millionen Sendungen ausgewechselt worden.

Welche Anstrengungen erforderlich waren, um diesen Riesenverkehr zu bewältigen und wie die Feldpost ihrer Aufgabe gerecht geworden ist, soll in den nachstehenden Zeilen in großen Zügen geschildert werden.


2. Die Mobilmachung der Feldpost, ihre Organisation und ihre Aufgaben.

Durch die Mobilmachung am 1. August 1914 wurde die Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung gezwungen, ihre Verwaltung und den Betrieb sofort auf die veränderten Kriegsverhältnisse umzustellen, gleichzeitig aber einen erheblichen Teil ihres Personals, rund 25% der Beamten und 40% der Unterbeamten, an das Heer und die Marine, sowie zur Aufstellung der Feldpost und der Etappentelegraphie abzugeben. Dabei wuchs der Brief- und Telegrammverkehr der Behörden und des Publikums plötzlich ins Unermeßliche, während der regelmäßige Eisenbahnzugverkehr nach den Friedensfahrplänen vollständig aufhörte. An seine Stelle traten Militärtransportzüge mit besonderem Fahrplan und Militärlokalzüge. Eine fieberhafte Tätigkeit setzte, wie bei allen Behörden, auch bei der Post- und Telegraphenverwaltung ein. Tag und Nacht mußte gearbeitet werden. Die sorgfältig vorbereiteten Umleitungsarbeiten gingen planmäßig von statten, und auch die Mobilmachung der Feldpost und der Etappentelegraphie wickelte sich ohne wesentliche Stockungen ab.

Die Organisation der Feldpost war zwischen der Post- und der Heeresverwaltung verabredet und in der Feldpostdienstordnung von 1907 festgelegt. Ministerialdirektor Kobelt vom Reichspostamt übernahm die Aufgabe, die Feldpost aufzubauen. Im Reichspostamt wurde unter Leitung des Geh. Oberpostrats Jacobs eine besondere Feldpostabteilung gebildet, und auf dem Kriegsschauplatz übernahm Geh. Oberpostrat Domizlaff, der Leiter des Oberpostdirektionsbezirks Leipzig, die oberste Leitung als Feldoberpostmeister. Er gehörte zum Großen Hauptquartier und war dem Generalquartiermeister zugeteilt. Mehrere höhere Beamte wurden ihm als Feldoberpostinspektoren beigegeben und das wichtige Feldpostamt des Großen Hauptquartiers seiner unmittelbaren Beaufsichtigung unterstellt. Dem Reichspostamt war vorbehalten, nach Bedürfnis besondere Kommissare zu bestimmen, die den Feldpostdienst an Ort und Stelle zu überwachen hatten.

[340] Dem Feldoberpostmeister waren alle Feldpostbehörden und -anstalten unterstellt. Jeder Armee war ein Postrat als Armeepostdirektor mit einem Stammpersonal von 3 Armeepostinspektoren, 30 Feldpostsekretären und 20 Feldpostschaffnern, jedem Generalkommando ein Oberpostinspektor als Feldpostmeister und Leiter eines Feldpostamts, jedem Divisionsstabe ein Oberpostsekretär als Leiter einer Feldpostexpedition zugewiesen. Die Armee-Oberkommandos hatten eine besondere Feldpostexpedition. Zu dem Beamtenpersonal dieser Anstalten, je 4 Feldpostsekretären und 3 - 5 Feldpostschaffnern, kamen noch Feldpostillione und Trainsoldaten.

Die Armeepostdirektoren hatten die Verbindungen mit der Heimat und mit den übrigen Armeen auf dem gleichen Kriegsschauplatz aufrechtzuerhalten, die Feldpostanstalten zu überwachen und im Armee- und Etappengebiet nach Bedarf Feldpoststationen für solche Behörden und Formationen einzurichten, die (wie die Etappeninspektionen und Ortskommandanturen) eine eigene Feldpostanstalt nicht besaßen. Sie verfügten über ein besonderes Postpferde- und -wagendepot von 30 Wagen und 90 Pferden für die Verbindungen auf den Etappenstraßen. Auch die Postverwaltungen von Bayern und Württemberg waren an diesen Einrichtungen anteilmäßig beteiligt. Bayern hat im Laufe des Krieges 2 Armeepostdirektionen, Württemberg 1 Armeepostdirektion aufgestellt.

Die Feldpostanstalten sollten die Veränderungen in den taktischen Verbänden und ihre täglichen Stand- und Marschquartiere dem Armeepostdirektor melden. Dieser unterhielt unmittelbare Verbindung mit dem Armee-Oberkommando und der Etappeninspektion der Armee und meldete die Veränderungen an das Reichspostamt und an den Feldoberpostmeister weiter. Das Reichspostamt, das seinerseits in dauernder Verbindung mit den militärischen Zentralbehörden im Reiche stand, traf danach die nötigen Anweisungen an die Feldpost und an die heimischen Postanstalten.

Das Dienstverhältnis der Feldpostanstalten und ihrer Beamten war zweifacher Art. In posttechnischer Beziehung standen sie unter dem Reichspostamt, in den nichtposttechnischen Beziehungen waren die Feldpostexpeditionen der Divisionen dem Divisionskommandeur, beim Armee-Oberkommando dem Oberquartiermeister, die Feldpostämter dem Chef des Stabes des Armeekorps, die Armeepostdirektoren dem Etappeninspekteur unterstellt. Die Feldpostanstalten richteten sich für gewöhnlich im Hauptquartier des Truppenbefehlshabers ein.

Die Oberpostdirektionen hatten bereits im Frieden einen besonderen Mobilmachungs- und Ausrüstungsplan auszuarbeiten und die Beamten für die Feldpost zu bestimmen. Diese waren also auf ihre Verwendung vorbereitet, und ihre Einberufung machte keine Schwierigkeit. Die bisher geheimnisvoll verschlossenen Feldpostkammern öffneten sich, und es begann die Ausstattung der Feldposten mit allem Feldgerät, während gleichzeitig die Unterbeamten [341] aus den Beständen des für jede Feldpostanstalt bestimmten Ersatztruppenteils ausgerüstet wurden. Sämtliche Feldpostanstalten wurden rechtzeitig mobil und konnten planmäßig nach ihren Sammelpunkten abbefördert werden.

Die Besoldung und Verpflegung des Personals übernahm die Militärverwaltung nach der Kriegsbesoldungs- und der Kriegsverpflegungsvorschrift. Die blaue Friedensuniform wurde zunächst beibehalten. Als sich aber daraus Unzuträglichkeiten ergaben, indem einzelne Beamte und Postillione sogar von der eigenen Truppe für feindliche Reiter gehalten und beschossen wurden, wurde auch die Feldpost feldgrau eingekleidet.

Der Wirkungskreis der Feldpost umfaßte, wie an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden muß, in erster Linie die Beförderung der Sendungen in Militärdienstangelegenheiten, wobei gewöhnliche und eingeschriebene Briefe und Postkarten, Geld- und Wertsendungen, gewöhnliche und eingeschriebene Pakete und Postanweisungen bis 800 Mark zugelassen waren. Bei den Paketen waren aber Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände für Truppenteile und deren Angehörige ausgeschlossen, da sie grundsätzlich von den Ersatztruppenteilen durch Vermittlung der Etappenbehörden nach dem Kriegsschauplatz befördert werden sollten. In Privatangelegenheiten der Angehörigen des Heeres und der Marine, wozu auch das Personal der freiwilligen Krankenpflege gezählt wurde, bestanden gegenüber den für den Militärdienst zugelassenen Sendungen wesentliche Einschränkungen.1 Die den Heeresangehörigen gewährte Portofreiheit in Privatangelegenheiten ist im Lauf des Krieges in demselben Umfange allen für die Zwecke der deutschen Armee auf den Kriegsschauplätzen tätigen Personen zugestanden worden. Marketender- und sonstige Geschäftsbetriebe im Heere durften für den Postverkehr von und nach der Heimat für Postkarten, offene Briefe und in der Richtung nach der Heimat auch für Postanweisungen die Feldpost benutzen, mußten aber die Gebühren nach der Inlandstaxe entrichten.

Die Beförderung von Privatpäckereien durch die Feldpost war in den Bestimmungen zunächst nicht vorgesehen. Ausrüstung und Umfang waren auch [342] nicht darauf berechnet, daß dieser Dienstzweig übernommen werden konnte. Man befürchtete eine allzu schwere Belastung der Etappenstraßen zum Schaden der Munitions- und Verpflegungstransporte.

Wie gestaltete sich nun der Feldpostdienst in der Heimat und im Felde?

Den Postanstalten in der Heimat fiel die Aufgabe zu, die Sendungen so vorzubereiten, daß sie bei der Frontpostanstalt ohne Aufenthalt an die Truppenteile ausgegeben werden konnten. Dazu war eine besondere Organisation erforderlich. Es wurden im Anschluß an bestehende große Postämter 18 "Postsammelstellen", deren Zahl sich auf 23 erhöhte, geschaffen, denen die Postanstalten des gleichen Verkehrs-, Landes- oder Provinzgebiets die bei ihnen aufgelieferten Feldpostsendungen für mobile Truppen zur Bearbeitung zuführen mußten. Bei diesen Sammelstellen wurden die Sendungen durch sinnreich ausgeprobtes mehrfaches Sortieren nach den Aufschriften in kürzester Zeit so weit gesichtet, daß für jeden Stab, jedes Infanteriebataillon, jede Batterie und Eskadron und jede sonstige selbständige Formation besondere Briefbunde gefertigt werden konnten, die zu vollen Beuteln für jede Feldpostanstalt vereinigt und mindestens täglich einmal mit den Bahnposten an die Grenze gesandt wurden.

Bei jeder Postsammelstelle war zahlreiches Aushilfspersonal erforderlich, da beim Sortieren sämtliche Truppeneinheiten zu berücksichtigen waren, deren Zahl im Lauf des Krieges auf über 20 000 anwuchs.

An der Hand der "Feldpostübersicht" wurde festgestellt, welchem taktischen Verbande der einzelne Truppenteil angehörte und auf welche Feldpostanstalt dementsprechend die Briefbeutel zu leiten waren. Die Feldpostübersicht nahm mit der fortschreitenden Aufstellung neuer Formationen und mit der unerwarteten Länge des Krieges einen erheblichen Umfang an und mußte von Anfang an in Zeiträumen von 3 - 4 Tagen immer wieder vollständig neu aufgelegt werden. Für die Kriegsbesatzungen und die Ersatzformationen in der Heimat, deren Sendungen als "stabile" im Gegensatz zu den "mobilen" der Heerestruppen bezeichnet wurden, bestand ein besonderer umfangreicher Leitbehelf. Um die Eintragungen in der Feldpostübersicht im Interesse der Landesverteidigung unbedingt geheimzuhalten, verblieb die Feldpostübersicht bei den Postsammelstellen in der Hand weniger Beamten mit besonderer Verantwortlichkeit, während die einzelnen Dienststellen nur Auszüge erhielten. Naturgemäß ergaben sich aus diesem unvermeidlichen Verfahren Verzögerungen, die trotz aller Bestrebungen der Post, die ihr anvertrauten Feldpostsendungen so rasch zu befördern, wie sie es im Frieden gewohnt war, nicht immer beseitigt werden konnten.

Bei größeren deutschen Postanstalten nahe der Grenze wurden "Leitpunkte" eingerichtet, denen die Feldpostsendungen für das Heer von der Postsammelstelle mit den Bahnposten zuzuführen waren. Jede Armee hatte ihren [343] besonderen Leitpunkt. Von ihm aus wurde nach den Anträgen des Armeepostdirektors die Post für die Armee in besonderen, regelmäßigen, geschlossenen Transporten auf den Etappenlinien und -straßen, möglichst mit der Eisenbahn so weit vorgeführt, wie es nach der militärischen Lage und der Lage der Unterkunftsorte der Feldpostanstalten angängig und geboten erschien. An diesen Endpunkten entstanden umfangreiche Umschlagstellen. Hier wurden die Transporte aufgelöst, die Briefbeutel verteilt und je nach der Zweckmäßigkeit den Feldpostanstalten entweder zugeführt oder von ihnen abgeholt. Eine Bestellung der Briefe durch die Feldpost selbst kam nur für die Angehörigen der Stäbe der Armee-Oberkommandos, der Armeekorps und der Divisionen in beschränktem Umfange in Frage. Im allgemeinen mußten die Sendungen mit Einschluß der Postanweisungen bataillonsweise abgeholt werden. Die Auszahlung der Postanweisungen an die Empfänger erfolgte nicht durch die Feldpostanstalten, sondern durch die Feldkriegs- und sonstigen Truppenkassen. Die Kommandeure der Truppenteile waren verpflichtet, zur Abholung der Postsendungen bestimmte, zuverlässige Truppenangehörige ("Postabholer") abzuordnen und die abgeholten Sendungen ohne Verzug an die einzelnen Empfänger verteilen zu lassen.

Einen langen Weg hatten also die Feldpostsendungen zurückzulegen, ehe sie aus dem Heimatort in den Besitz der Empfänger gelangten. Durch viele fleißige und geschickte Hände mußten sie wandern, viele gefährliche Klippen auf ihrer Bahn umfahren.

Alle Anstrengungen und Einrichtungen der Postverwaltung konnten aber nichts nutzen, wenn der Briefschreiber nicht seine Mitwirkung lieh und in den Aufschriften das Armeekorps, die Division, das Regiment, das Bataillon usw. des Empfängers undeutlich, unrichtig oder mangelhaft angab.

Die nach der Heimat gerichteten Briefe und Postkarten lieferten die Heeresangehörigen bei ihrem Truppenteil ab, der sie in der Regel den Postabholern zur Einlieferung bei der Feldpostanstalt mitgab, nachdem sie mit dem Soldatenbriefstempel des Truppenteils versehen worden waren. Bei der Feldpostanstalt wurden die Sendungen mit dem Postaufgabestempel bedruckt, dann zunächst die Heeresbriefe, das sind die Briefe, die auf dem Kriegsschauplatz verblieben, herausgesucht und die übrigen Sendungen soweit vorsortiert, wie es bis zum Abgang des nächsten Rücktransports nach der Heimat möglich war. Eine für jede Armee bezeichnete, nahe der Grenze auf deutschem Boden belegene Postanstalt, die "Postverteilungsstelle", hatte die Aufgabe, die von der Armee kommende Heimatpost nach Einzelorten und Provinzen weiter zu verteilen und die neu gefertigten Bunde auf bestimmte Postanstalten jeder Provinz, die "Sortierstellen", weiterzuleiten.

So war alles vorbereitet, um von Anfang an eine glatte Abwicklung des Verkehrs sicherzustellen. Aber schon die ersten Tage des Aufmarsches brachten [344] eine Enttäuschung. Auf Anordnung der Obersten Heeresleitung mußte vom Reichspostamt zu Beginn des Krieges an die Postsammelstellen die Anweisung ergehen, daß alle aus der Heimat mit militärischer Adresse abgesandten Privatbriefschaften angehalten werden sollten. Eine gleiche Bestimmung war für die auf den Transporten bei den Truppen eingesammelten Privatbriefsendungen erlassen. Der Bevölkerung und den Truppen waren diese durch die Kriegsnotwendigkeit erzwungene Beschränkung des Postverkehrs und ihre Gründe aber leider nicht mitgeteilt worden. Das Ausbleiben von Nachrichten schuf deshalb in der Heimat und im Heere eine sich täglich steigernde Beunruhigung und eine Flut neuer Briefe, die ihr Ziel ebenfalls nicht erreichten. Die Erregung war um so begreiflicher, als viele Offiziere und Soldaten, besonders der Friedensformationen, vor dem Abtransport zur Grenze keine Gelegenheit gefunden hatten, sich von ihren Angehörigen zu verabschieden und mit ihnen die allernotwendigsten Angelegenheiten zu ordnen.

Die Erregung über das anscheinende Versagen der Feldpost bildete ein schmerzliches Gegenstück zu der allgemeinen Begeisterung, die im Heere und in der Heimat herrschte. Sie hätte keinen so großen Umfang annehmen können, wenn bei der Mobilmachung, wie es in Österreich-Ungarn geschah, öffentlich darauf hingewiesen worden wäre, daß ein privater Feldpostverkehr wegen der Geheimhaltung der Aufmarschbewegungen zunächst nicht gestattet werden könnte. Auch die Heeresorgane hätten wesentlich zur Beruhigung beitragen können, wenn sie die Soldaten schon im Frieden, spätestens aber bei der Mobilmachung, über das Wesen der Feldpost, ihre Bedeutung und Benutzung, aber auch über die Notwendigkeit zeitweiliger Sperren und scharfer Kontrollen im Interesse der Landesverteidigung unterrichtet hätten.

Auch die Feldpostbeamten wußten nichts Bestimmtes. Sie waren zur Untätigkeit gezwungen und konnten höchstens bei den Grenzpostanstalten, deren Personal sehr zusammengeschmolzen war und bei denen Hochbetrieb herrschte, Aushilfe leisten, bis sie den eigenen Betrieb aufnehmen konnten.

Lange warteten sie vergebens. Die meisten Feldpostanstalten auf dem westlichen Kriegsschauplatz mußten mit den Truppen den Vormarsch über die Grenze antreten, ohne die erste Post aus der Heimat empfangen zu haben. Die Stimmung der Beamten wurde immer kleinmütiger; immer vorwurfsvoller schallte ihnen von den Truppen der Ruf entgegen "Wo bleibt die Feldpost?" - Es kam zu bitteren Anklagen, sogar zu Beleidigungen der Beamten, die keine Auskunft geben konnten, vielfach nicht einmal den Umfang und die Gliederung der Armee, selbst der Armeekorps oder der Divisionen kannten, denen sie zugeteilt waren und für die sie sorgen sollten. Die Feldpostübersicht, die von dem Reichspostamt erst am 13. August herausgegeben werden konnte und die ihnen Aufklärung hätte geben können, fehlte noch; sie enthielt im allgemeinen auch nur die Friedensformationen, und die militärischen Dienststellen schwiegen sich aus.

[345] Dazu kam, daß - entgegen allen Bestimmungen - bei den Postanstalten an der Grenze große Mengen dienstlicher und privater Päckereien mit Ausrüstungsgegenständen usw. an Truppenformationen und Heeresangehörige eingingen, deren Empfänger nicht zu erreichen waren und sich auch nicht meldeten. Die Feldpostanstalten sollten diese Pakete übernehmen und wußten doch nicht, wie sie diese Mengen mit ihren beschränkten Beförderungsmitteln weiter befördern sollten. Die Postpferde- und -wagendepots der Armeepostdirektoren waren teilweise noch nicht zur Stelle; ihr Transport zur Grenze wurde sogar trotz mehrfacher Anträge der Armeepostdirektoren als nicht dringend hinausgeschoben.

Man wird sich vorstellen können, welche Freude es unter solchen Umständen bei den Feldpostanstalten auslöste, als endlich am 18. August die ersten Briefbeutel im Felde anlangten. Als aber in wenigen Tagen die Flut der Beutel höher und höher stieg, kam die Feldpost in die höchste Bedrängnis.


1 [1/341]Es waren nur zugelassen: gewöhnliche Briefe bis zum Gewicht von 250 g, gewöhnliche Postkarten, Geldbriefe mit einem angegebenen Werte bis 1500 Mk. und bis zum Gewicht von 250 g, Postanweisungen über Beträge bis 800 Mk. vom Feldheer nach der Heimat und bis 100 Mk. von der Heimat an die Heeresangehörigen; ferner Zeitungen unter Erhebung der gewöhnlichen Zeitungsgelder und einer Gebühr für die Verpackung, die für jeden Bezieher in besonderem Briefumschlage erfolgte. Die Bestellung auf die Zeitungen konnte sowohl bei den Feldpostanstalten als auch in der Heimat bei den Postanstalten bewirkt werden. Postkarten und gewöhnliche Briefe bis 50 g, Geldbriefe bis 50 g und bis 150 Mk. Wertangabe und Postanweisungen nach der Heimat genossen Portofreiheit, Briefe über 50 g kosteten zunächst 20 Pf., von September 1914 ab 10 Pf., Postanweisungen nach dem Felde 10 Pf., Geldbriefe über 50 g bis 150 Mk. Wertangabe 20 Pf., mit höherer Wertangabe bis 300 Mk. 20 Pf., bis 1500 Mk. 40 Pf. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte