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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 5: Feldpost und Etappentelegraphie   (Forts.)
Oberpostrat Hermann Senger

A. Die Feldpost.   Forts.

3. Der Feldpostbetrieb in der ersten Kriegszeit, Schwierigkeiten und Hemmungen.

Vormarsch im Westen.

Die Posten kamen mit den Militärtransportzügen, unterwegs häufig festgehalten oder umgeleitet, in geschlossenen Güterwagen ohne Regelmäßigkeit zur Grenze, alte Post vielfach später als neue, und bald häuften sich an den Umschlag- und Verteilungsstellen Berge von Feldpostsäcken. Die Armeepostdirektoren waren inzwischen mit den Etappeninspektionen der Armeen über die Grenzen vorgerückt. Die kümmerlichen Unterkünfte in Feindesland erschwerten die ordnungsmäßige Lagerung und das Sortieren der Beutel. Die Eisenbahnen in Frankreich und Belgien waren noch zerstört; die Weiterbeförderung der Feldpostsendungen mußte also ausschließlich auf der Landstraße erfolgen. Dazu reichte der Bestand an Wagen und Pferden nicht aus. Einige Truppenstäbe stellten auf die Klagen der Feldpostanstalten zur Abholung der Feldpost von den rückliegenden Verteilungsstellen der Armeepostdirektoren Personen- oder Lastkraftwagen wenigstens vorübergehend zur Verfügung, andere aber lehnten diese Hilfe ab. Und die Etappeninspektionen, die für den schnellen Nachschub von Munition und Verpflegung, Heeres- und Straßenbaumaterial hauptsächlich auf Lastkraftwagen angewiesen waren und selbst daran Mangel litten, zögerten gleichfalls, den Armeepostdirektoren mit Kraftwagen zu Hilfe zu kommen. In dieser Not gelang es dem Feldoberpostmeister, bei den militärischen Zentralstellen den Befehl auszuwirken, daß die Stäbe und Etappeninspektionen die allernötigsten Lastkraftwagen überwiesen. Die Gestellung der Wagenführer verursachte aber noch besondere Mühe, weil sie zum großen Teil erst aus der Heimat herangeholt werden mußten. Wesentliche Förderung fand damals die Feldpost in ihren Bestrebungen bei dem Kaiser, [346] der als einer der ersten die Notwendigkeit der Gestellung von Kraftwagen für die Feldpost erkannte.

So gelang es vom 20. August ab, wenigstens nach und nach die Feldpostsendungen den schnell vorrückenden Truppen, die oft 80 - 150 km voraus waren, zuzuführen und auf den Rückfahrten die von den Truppen aufgelieferten Sendungen abzuholen. Mit den Lastkraftwagen entwickelte sich eine lebhafte Suche nach den Feldpostanstalten, deren Standort dauernd wechselte. Die von Sekretären und Schaffnern begleiteten Transporte mußten sich den Weg an die Front unter den mannigfaltigsten Hindernissen suchen und bei jeder neuen Fahrt neue Schwierigkeiten überwinden. Die Instandsetzung der Wagen litt unter dem Mangel an Ersatzteilen und Monteuren; Nachricht von den Feldpostanstalten blieb aus, und die Etappenstraßen waren unsicher.

Die Transporte wurden vom Feinde wiederholt beschossen, die Wagen zerstört und das Begleitpersonal verwundet oder getötet. Fast in allen Fällen gelang es jedoch, die Post zu retten. Hier schon zeigte sich die während des ganzen Krieges beobachtete Gewissenhaftigkeit und Treue der Postbeamten - ein Beweis für die im Frieden bewährte Disziplin in der Postverwaltung und für das Verantwortungsgefühl ihrer Angehörigen. Die Beamten dachten in der Gefahr zuletzt an sich. Die ihnen anvertraute Post zu retten oder mit ihr zugrunde zu gehen, war selbstverständliche Pflicht. Im Granatfeuer wurde weiter sortiert, wenn die Post bis zum Abgang des Transports fertiggestellt werden mußte, und auf den Bahnhöfen der Gefahr kreisender Flieger getrotzt, weil die Post in Sicherheit zu bringen war. Schwerverwundeten hat man die Briefbeutel aus den zusammengepreßten Händen winden müssen; kamen sie zur Besinnung, war ihre erste Frage: Wo ist die Post geblieben?

Nicht anders handelte der Soldat als Postabholer. Auf dem Wege zum Graben, durch Sperrfeuer, von Trichter zu Trichter schleppte er gewissenhaft den schweren Postsack und entäußerte sich in höchster Gefahr eher des Gepäcks und Kochgeschirrs, als der ihm anvertrauten Post.

Bei den schlechten, ausgefahrenen und mit zerstörtem Kriegsgerät aller Art verstopften Wegen in gebirgigem Gelände, zerstörten Brücken und Orten waren Umwege, Irrfahrten und Pannen an der Tagesordnung. Galt es, die Straße für einen eiligen Militärtransport, eine Truppe frei zu machen, so endeten die Kraftwagen, zum Teil schwere Omnibusse aus den Großstädten, oft im Chausseegraben, und Artilleriebespannungen und Hunderte von Soldaten mußten aufgeboten werden, sie wieder flottzumachen. Vielfach waren die Transporte mehrere Tage unterwegs; und wenn sie für die Nacht nicht den Anschluß an eine Kolonne erreichen konnten, mußten sie sich in abgelegenem Gehöft oder im Walde verstecken. Hatten sie ihre Post endlich angebracht, so kehrten sie oft mit 40 - 60 Verwundeten zurück, die sie unterwegs aufgenommen hatten, was ihre Rückkehr natürlich wiederum verzögerte.

[347] Häufig wurden alle Kraftwagen der Post zu militärischen Zwecken entzogen, wenn Munition und Brot befördert und Verwundete abgeholt werden mußten; häufig fehlte auch Benzin.

Das gerade aus der Heimat eingetroffene Postpferde- und -wagendepot des Armeepostdirektors mußte überall sofort in voller Stärke eingesetzt werden. Noch immer aber war keine Abnahme des Zustroms aus der Heimat zu bemerken. Nun wurden ganze Kolonnen von Bauern- und Leiterwagen zusammengestellt, die tagelang marschierten, um die Feldpostanstalten an der Front zu erreichen. Diesen war es fast unmöglich, die neuen Ladungen abzunehmen und so lange mitzuführen, bis die Bearbeitung und Aushändigung an die Truppe erfolgen konnte. Sie litten gleichfalls unter schlechter Unterkunft, mußten oft im Freien ohne Schutz und Zelt übernachten, tagsüber marschieren und konnten wegen mangelnder Beleuchtung die Abend- und Nachtstunden für die Bearbeitung der Post nicht ausnutzen.

Schlimm stand es am rechten Flügel des Heeres bei der 1. und 2. Armee, die, in gewaltigen Märschen weit ausholend, durch Belgien und Nordfrankreich in der Richtung auf Paris vorrückte, und besonders bei den Kavalleriedivisionen der Westfront. Die Feldpostanstalten dieser Divisionen waren oft weit von der eigenen Truppe entfernt, die sich in ununterbrochener Bewegung befand und bald dieser, bald jener Armee zugeteilt war. Sie hatten keine Möglichkeit, den Armeepostdirektoren ihren Verbleib zu melden und Post auszuwechseln. So hat die Feldpostexpedition der Gardekavalleriedivision die erste Post aus der Heimat erst am 31. August erhalten, nachdem sie tagelang mit einem ihr vom Stabe überlassenen, eroberten französischen Panzerauto in langen Fahrten von fast 200 km durch Nordfrankreich und Belgien vergeblich nach ihrer Post gesucht hatte.

Das Reichspostamt hatte inzwischen eine größere Menge von Kraftwagen in der Heimat gesammelt und den Armeepostdirektoren nach und nach überwiesen, so daß etwa von Anfang September ab der erste notwendigste Bedarf an der Westfront vorhanden war. Die gleichzeitig vorschreitende Herstellung der Eisenbahnen im besetzten Gebiet gab auch die Möglichkeit, teilweise die Post mit der Bahn vorzubringen, doch war auch diese Beförderung zu Beginn recht unsicher. Die zerstörten Bahnhöfe hatten keine geeigneten Ladestellen, und das Ein- und Ausladen mußte häufig wegen des Zugverkehrs und wegen der Instandsetzungsarbeiten unterbrochen werden. Ob und wann Züge fuhren, wurde auf den Stationen meist erst im letzten Augenblick bekannt, die Züge fuhren langsam und unregelmäßig, weil die Signale und Weichenanlagen noch nicht wiederhergestellt waren. Oft mußten die Postwagen unterwegs abgehängt werden.

Gegen die Postverwaltung ist häufig der Vorwurf erhoben worden, daß sie die Schwierigkeiten der Feldpost verschuldet hätte, weil sie nicht schon im [348] Frieden für Kraftwagen vorgesorgt hätte. Aus den vorstehenden Schilderungen ist wohl zu erkennen, daß der Gründe viele waren, die die Entwicklung der Feldpost hemmten. Die Frage, ob die Feldpostanstalten schon bei der Mobilmachung Kraftwagen erhalten mußten, ist zweifellos von der Postverwaltung, dem Kriegsministerium und dem Generalstab nicht übersehen worden. Die Postverwaltung war in ihren Vorbereitungen für den Krieg auf die Weisungen und die Zustimmung der Militärbehörden angewiesen. Sie rechnete auch auf einen Feldpostverkehr, der alle Erfahrungen aus früheren Kriegen weit übertreffen würde. Ob aber die Berechnungen eine so erhebliche Vermehrung des Kraftwagentrosses rechtfertigten, wie sie die Ausstattung aller Feldpostanstalten mit sich gebracht hätte, konnte nur von der Militärverwaltung entschieden werden.

Die tatsächliche Entwicklung hat selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen.

In der Heimat hatten infolge der Verminderung des Personals die Dienststunden, Briefbestellungen usw. eingeschränkt, in einzelnen Provinzen wegen der Nähe der Grenze der Postverkehr, besonders der Postanweisungen, zeitweise sogar aufgehoben werden müssen. Das Aushilfspersonal, zum Heeresdienst ungeeignete, durch den Krieg zum Teil ihrer Existenz beraubte alte und ganz junge Angehörige aller Stände, Pensionäre und Frauen, war unerprobt und ungeübt. Das im Frieden ausgebaute Bahnpostnetz war durch die Mobilmachung plötzlich zerrissen. Die Eisenbahn mußte alles daransetzen, den Aufmarsch der Armeen und die Versorgung der Truppe mit den notwendigsten Kriegsbedürfnissen sicherzustellen; alle wirtschaftlichen Aufgaben der Heimat mußten daher zurückstehen. Der Güterverkehr hörte bereits am 1. August auf.

Erst von Anfang September ab konnte der Friedensfahrplan zum Teil wieder eingeführt werden, nachdem auf den Hauptstrecken als erste Verbesserung vom 21. August ab einzelne schnellfahrende Züge eingestellt worden waren. Diese Verhältnisse beeinträchtigten naturgemäß auch den Feldpostbetrieb. Wie im Frieden vorgesehen, war aus militärischen Gründen die Versendung der für das Heer bestimmten Feldpost bei Beginn des Krieges zwei Wochen, in Bayern sogar drei Wochen gänzlich unterbunden. Der damit beabsichtigte Zweck, den Aufmarsch und die ersten Bewegungen der deutschen Heere zu verschleiern, wurde glücklich erreicht. Der Generalquartiermeister v. Stein konnte dies am 6. September mit folgenden Worten bekanntgeben:

      "Aus Papieren, die in unsere Hände gefallen sind, geht hervor, daß der Feind durch das Vorgehen der Armeen der Generalobersten v. Kluck und v. Bülow nördlich der belgischen Maas völlig überrascht worden ist. Noch am 17. August nahm er dort nur deutsche Kavallerie an. Die Kavallerie dieses Flügels unter Führung des Generals von der Marwitz hat also die Armeebewegungen vorzüglich verschleiert. Trotzdem würden diese Bewegungen dem Feinde nicht unbekannt geblieben sein, wenn nicht zu Beginn des Aufmarsches und Vormarsches die Feldpostsendungen zurückgehalten worden wären."

[349] Die Allgemeinheit konnte aus dieser Veröffentlichung ersehen, daß ein wesentlicher Teil der der Feldpost zur Last gelegten Mängel auf Gründe zurückzuführen war, die außerhalb der Verwaltung lagen.

Die Klagen über Verzögerungen und Verluste hörten aber nicht auf. Es wurde im Publikum nicht bedacht, von welchen Zwischenfällen, abgesehen von den hier geschilderten, durch die Zeitungen allmählich bekanntgewordenen Hemmungen und Schwierigkeiten, die pünktliche Überkunft der Feldpostsendungen sonst noch abhängig war. Ganze Eisenbahngüterwagen und Lastkraftwagen mit Postladung verbrannten unterwegs, weil in den Sendungen feuergefährliche Gegenstände verpackt waren oder die Begleiter fahrlässig mit dem Feuer umgingen.

Die Operationen auf dem westlichen Kriegsschauplatz machten sehr bald Umgruppierungen der Truppen innerhalb derselben Armee oder von Armee zu Armee erforderlich, die zur Geheimhaltung der Bewegungen vor dem Feinde der Öffentlichkeit und den Truppen selbst solange als irgend möglich verborgen bleiben mußten. Den Heeresangehörigen war die Pflicht auferlegt, über ihnen bekannt gewordene militärische Maßnahmen, Standort oder neuen Bestimmungsort, Zusammenstellung oder Verwendung der Truppe in mündlichem oder schriftlichem Verkehr die größte Verschwiegenheit zu beobachten. Die Oberste Heeresleitung nahm für sich das Recht in Anspruch, den Briefverkehr im Heere in größerem oder geringerem Umfange dauernd durch die Dienstvorgesetzten oder durch besondere Überwachungsoffiziere zu kontrollieren, und in den Grenzprovinzen waren besondere militärische Postüberwachungsstellen eingerichtet, denen die Postsendungen der Bevölkerung von den Postanstalten nach besonderer Anweisung zur Nachprüfung zugeführt werden mußten. Diese Überwachungsstellen konnten aber aus Personalmangel nur mit dauernden Verzögerungen arbeiten.

Auf Anweisung der Obersten Heeresleitung wurden bei den Truppen auch später insgeheim Briefsperren für die Privatsendungen nach der Heimat angeordnet, die von den Feldpostanstalten durch Anhalten der Sendungen unbedingt zu bewirken waren und natürlich zu erheblichen Verzögerungen in der Überkunft der Sendungen führen mußten, ohne daß die Postverwaltung die Möglichkeit hatte, die Gründe dafür darzulegen. So traten beispielsweise beim Transport der 6. Armee von Elsaß-Lothringen in die Gegend von St. Quentin Verzögerungen von drei Wochen auf.

Besondere Vorkehrungen erforderte die Leitung der Sendungen an das Große Hauptquartier, dessen Sitz geheimgehalten werden sollte, sowohl in der Heimat, wo der Weg über die Postsammelstellen und die Postüberwachungsstellen ausgeschaltet werden sollte, als auch im Felde. Von Armee zu Armee und zwischen den Armee-Oberkommandos und dem Großen Hauptquartier [350] mußten deshalb besondere, schnelle und regelmäßige Querverbindungen geschaffen werden.

Zahlreichen Fährnissen war die Post selbst dann noch ausgesetzt, wenn sie sich bereits in den Händen der Truppen befand. Vielfach konnte sie nur nachts mit den Feldküchentransporten nach vorn befördert werden; ihre Träger waren dem feindlichen Feuer ausgesetzt, im Schützengraben wanderten dann die Briefe von Hand zu Hand. Viele zerbrochene, beschmutzte, durchnäßte, unbestellbare Sendungen blieben zurück. Verluste waren unausbleiblich. Bevor Sendungen an inzwischen Vermißte, Verwundete oder Gefallene vom Truppenteil an die Feldpostanstalt zur Nachsendung oder Rücksendung in die Heimat zurückgegeben wurden, verging vielfach längere Zeit, weil die Truppen Ermittelungen anstellen mußten oder während der Märsche und Kampfhandlungen keine Gelegenheit fanden, sich mit den Sendungen zu beschäftigen.

In der Heimat und im Felde arbeitete man unermüdlich daran, die Verhältnisse zu bessern. Das Personal wurde verstärkt, die Überwachung verschärft und die Zahl der Lastkraftwagen soweit vermehrt, daß schließlich Ende Februar 1915 700 Stück, zum Teil mit eingebauten Sortiereinrichtungen, zur Verfügung standen.

Das größte Hindernis für die gedeihliche Entwicklung blieb aber die Unzulänglichkeit der Aufschriften auf den Feldpostsendungen und die vielfach mangelhafte Verpackung. Von den Millionen Sendungen ins Feld kam ein nicht geringer Teil über die Postsammelstellen kaum hinaus. Die richtige Adressierung bereitete bei der großen Zahl und Mannigfaltigkeit der Truppeneinheiten selbst gebildeten und schreibgewandten Leuten Schwierigkeiten.

Bei der Angabe der geläufigsten Truppeneinheit, des Bataillons, kamen allein gegen 20 Sonderbezeichnungen in Frage; es gab I. - IV. Bataillone, Grenadier-, Füsilier-, Reserve-, Garde-Reserve-, Ersatz-, kombinierte Ersatz-, Garde-Ersatz-, Reserve-Ersatz-, Brigade-Ersatz-, Garde-Brigade-Ersatz-, Reserve-Brigade-Ersatz-, mobile Ersatz-, Landwehr-, Landwehr-Ersatz-, Landwehr-Brigade-Ersatz-, Landsturm-, Landsturm-Ersatz-Bataillone, die auseinanderzuhalten für die Briefschreiber um so schwieriger war, als zahlreiche Reservisten aktiven Regimentern, aktive Mannschaften dagegen Reserveformationen zugeteilt waren. - Truppenteile waren aufgestellt, deren Namen man im Frieden niemals gehört hatte. Es gab zahlreiche preußische und bayerische Regimenter mit der gleichen Nummer. Die Kriegslazarette, die mobilen Etappenkommandanturen und die zahlreichen Kolonnen trugen zu Beginn des Krieges die Bezeichnung der Armeekorps, bei denen sie zusammengestellt worden waren; sie wurden aber vielfach anderen Armeekorps und anderen Armeen zugeteilt. Die Angehörigen aufgelöster und zur Bildung neuer Formationen auseinandergezogener Truppenteile wandten in ihren Briefen törichterweise noch wochenlang die alten Bezeichnungen an. Wurden die Anschriften von den Soldaten [351] undeutlich, unrichtig oder unvollständig nach der Heimat mitgeteilt, so entstand daraus ein Wirrwarr, den zu beseitigen auch den gewandtesten Beamten der Sammelstellen nicht gelingen konnte. Eine kleine Blütenlese solcher Aufschriften, bei denen zuweilen ein unfreiwilliger Humor zutage trat, sei hier mitgeteilt:

  • Rabbiner-Regiment = Karabinier-Regiment;
  • Pionier Versüßkompagnie = Pionier-Versuchskompagnie;
  • Marinewerfer Abteilung = Minenwerferabteilung;
  • Balkon-Abwehrkanonenabteilung = Ballon-Abwehrkanonenabteilung;
  • Invanterü Reschimend 173 Sangta Vholdt = St. Avold;
  • Komponiertes Batallon = Kombiniertes Bataillon;
  • Alarmierungs Bataillon = Armierungsbataillon;
  • Zeugenlazarett = Seuchenlazarett;
  • Marschierende Gewehrabteilung = Maschinengewehrabteilung;
  • Pritsche Michel = Przemysl;
  • Klabaden oder Klabraten = Karpathen;
  • Autogehende Schneiderkolonne = Autogene Unterwasserschneidekolonne;
  • Koffersprech Abteilung = Korpsfernsprechabteilung;
  • Halb schleichendes Bataillon = Halbbataillon Schleicher;
  • Fußartillerie Brikett = Fußartillerie-Brigade-Kommando;
  • An Werner Beck Schwäre Kohr Artillerie? 1 m Kontrolle Nr. 2 = leichte Munitionskolonne Nr. 2;
  • An den Musketier Franz Müller Nebenmann von Pitter Weitzer Kronprinzenarmee;
  • An den Landsturmmann Hermann Schmidt V in Gent;
  • An den Soldaten Philipp Meier aus x-heim, 16. Armeekorps, Erkennungsmarke 115 (hat früher zusammen mit Schorsch Kühne in Metz gedient).

Die Postverwaltung mußte durch die Postanstalten, die Zeitungen und in den Schulen für Aufklärung sorgen. Zahlreiche Kriegsschreibstuben und Feldpostverpackungsstellen wurden ins Leben gerufen und seit Oktober 1914 ein Merkblatt für Feldpostsendungen herausgegeben, das bei sämtlichen Postanstalten aushing und kostenfrei an das Publikum abgegeben wurde. - Bei der Truppe wurden den Soldaten bei jeder sich darbietenden Gelegenheit die genaue Bezeichnung des Truppenteils und die eigene Adresse eingeschärft und ihnen zur Pflicht gemacht, Sendungen, die unrichtig zugegangen waren oder die den Empfängern aus irgendeinem Grunde nicht sofort zugestellt werden konnten, an die Feldpostanstalt zurückzugeben.

Wie bereits im Frieden sich die Gepflogenheit in Deutschland verbreitet hatte, größere Behörden, Gesellschaften und Veranstaltungen in abgekürzter Form mit dem Anfangsbuchstaben zu bezeichnen, so fühlten sich zahlreiche Truppenkörper nach dem Vorbild des G. H. Q. (Großes Hauptquartier) und [352] des A. O. K. (Armeeoberkommando), bis auf die kleinsten Einheiten herunter berechtigt, sich im mündlichen, telephonischen und telegraphischen, bald auch im schriftlichen Verkehr, einer abgekürzten Adresse zu bedienen. Offiziere und Soldaten übertrugen diese Abkürzungen aus Gedankenlosigkeit oder Geheimnistuerei auf ihren Privatbriefverkehr und richteten damit große Verwirrung an. Der Unfug dauerte trotz aller Vorstellungen während des ganzen Krieges an. Die Beteiligten wollten sich vielfach nicht überzeugen lassen, daß Abkürzungen wie z. B. TBA für Textilbeschaffungsamt, BAW für Belagerungsartilleriewerkstatt, MBA für Militärbauamt, KBA für Kanalbetriebsamt oder Apipa für Armeepionierpark zu Verwechslungen führen müssen. Letzten Endes hatte die Aufklärungsarbeit der Postverwaltung gegen den Mißbrauch, die vom Publikum einsichtsvoll unterstützt wurde, aber doch Erfolg.

Mit der fortschreitenden Regelung und Verstärkung des Eisenbahnzugverkehrs besserten sich auch die Beförderungsverhältnisse. Die Leitpunkte und Verteilungsstellen an den Grenzen wurden ausgebaut; den Armeepostdirektoren lag nun die Pflicht ob, in ihrem Gebiet den Betrieb in feste Formen zu bringen. Die ersten Feldschaffnerbahnposten und -landpostkurse entstanden; an den End- und Knotenpunkten der Eisenbahnen wurden ständige Umschlag- und Verteilungsstellen eingerichtet, und am Sitz der Etappeninspektionen übernahm eine größere Feldpoststation unter der Aufsicht des Armeepostdirektors die Postversorgung der Etappenbehörden und der auf das ganze Etappengebiet verteilten Etappen- und Fuhrparkkolonnen, Magazine, Lager- und Ausgabestellen, mobilen Etappenkommandanturen und der Kriegslazarette. Diese Station hatte als Heeresbriefstelle auch die im Armeegebiet aufkommenden Dienst- und Privatpostsendungen, die in der Armee verblieben oder nach anderen Armeen bestimmt waren, die "Heeresbriefe" und die unbestellbaren Briefe zu bearbeiten.

In Elsaß-Lothringen, auf heimatlichem Boden, war schon unmittelbar nach der Schlacht bei Saarburg eine gewisse Regelmäßigkeit in der Zuführung der Post erreicht worden, weil die Bahnposten die Feldpost bis zu den Punkten vorbringen konnten, von denen ab sie den Feldpostanstalten der Truppen zuzuführen waren. Im September 1914 erlitt die Entwicklung der Feldpost für die ganze Westfront noch einmal eine empfindliche Hemmung, als die Kämpfe an der Marne und Aisne entbrannten, die gewaltige Verschiebung und Umformung der Armeen einsetzte und die 7. und nach ihr auch die 6. Armee von Lothringen über Belgien nach Nordfrankreich überführt wurden.

Mit Eintritt des Stellungskrieges, nach dem Fall von Antwerpen und nach Aufstellung der neuen 4. Armee in Belgien, bot sich dann für die ganze bis zur Nordsee verlängerte Westfront die Möglichkeit, den Feldpostdienst gründlich auszubauen und besonders hinsichtlich der Postbeförderung auf eine Höhe zu bringen, daß er allen gerechten Ansprüchen genügen mußte.


[353] Vormarsch im Osten.

Wesentlich ungünstiger gestaltete sich der Aufbau der Feldpost auf dem östlichen Kriegsschauplatz. Die militärischen Operationen beschränkten sich zunächst auf den Grenzschutz, es kam zu kleinen Gefechten an der ostpreußischen und polnischen Grenze. Zunächst sicherte nur eine einzige (8.) Armee die lange Front. Aber die Maßnahmen der Russen zwangen sofort zur Aufstellung neuer Truppenverbände, für die Feldpostanstalten erst geschaffen werden mußten. Der Armeepostdirektor 8 hatte hiermit gerade begonnen. Da zwang der Einfall der Russen in Ostpreußen zur Rücknahme der Armee; die Zufuhr der Feldpost hörte auf. Zwei Drittel der Provinz Ostpreußen fielen in die Hände der Feinde. Die Flucht der Bevölkerung nach dem Westen begann. Die Beamtenschaft, auch die Postbeamten, hielt tapfer aus, war doch die Erfüllung des Dienstes nun doppelt wichtig. Mit vielen anderen Beamten, Förstern, Gendarmen usw. sind auch zahlreiche Postbeamten in die Hände der Feinde gefallen, verschleppt, ausgepeitscht und in anderer Weise mißhandelt worden. Acht Unterbeamte und vier Postagenten, darunter eine Frau, wurden erschossen, lediglich, weil sie ihre Pflicht als Beamte treu erfüllten. Das vorbildliche Verhalten dieser Braven bildet ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Post, und die Erinnerung daran wird nicht erlöschen.

Fast überall gelang es der beispiellosen Aufopferung der Beamten, die Post zurückzuführen, so daß größere Verluste nicht zu beklagen waren.

Nach der Schlacht bei Tannenberg setzte der Feldpostbetrieb wenigstens vorübergehend wieder ein. Es folgten aber wochenlange Schlachten und Märsche, Verschiebungen, Vor- und Rückmärsche, Umgruppierungen, neue Schlachten, Neuaufstellungen - immer mußten neue Feldpostanstalten in größter Eile ausgerüstet werden. Diese Schwierigkeiten dauerten bis zum September 1915 an.

Am 1. September 1914 waren die ersten Lastkraftwagen für die Feldpost auf dem Plan, und nun wurde mit allen Kräften daran gearbeitet, den zum Teil schon in Feindesland vordringenden Truppen die alte und neue Feldpost nachzuführen. - Alle Schwierigkeiten, die sich im Westen dem Feldpostbetriebe nach dem Überschreiten der Grenze entgegengestellt hatten, traten in dem von den Russen zerstörten Gebiete doppelt hervor. Regen, Kälte und Schnee setzten früh ein. Die geringe Besiedelung des Landes, die weiten Entfernungen von Ort zu Ort, der Mangel an Eisenbahnen und festen Straßen machten sich überall in übelstem Maße fühlbar. Die Arbeit von Mensch und Pferd ging bis zur völligen Erschöpfung. Wo es angängig war, wurden mit Pferden betriebene Förderbahnen mitbenutzt; eilige Post geringeren Umfangs mußte sogar vielfach durch einzelne Reiter vorwärtsgebracht werden. Überall war die Unterkunft mangelhaft, und an der Eisenbahn lagen nicht nur die Bahnhöfe, sondern auch alle Gebäude im näheren Umkreis in Trümmern. Wochenlang in bitterster [354] Winterkälte waren zerschossene Eisenbahngüterwagen für die Feldpost der Unterschlupf. Die aufgeweichten Straßen schienen unüberwindlich. Noch im Februar 1915 gebrauchte die Feldpost einer Landwehrdivision in zäher Arbeit 12 Stunden, um eine nur 4 km lange Wegestrecke zu überwinden. Anfang Februar mußte überdies aus militärischen Gründen eine längere Briefsperre durchgeführt werden.

Von der im September 1914 erfolgten Bildung einer 9. Armee in Südpolen erhielt die Reichspostverwaltung erst Kenntnis, nachdem die Armee gebildet war. Postkraftwagen und sonstige Fahrzeuge waren daher nicht bereit. Alle verfügbaren Wagen wurden von den Munitions- und Proviantmagazinen mit Beschlag belegt; die Eisenbahnen waren nicht betriebsfähig. So konnte auf dem Vormarsch bis in Höhe von Kielce den Feldpostanstalten nur vereinzelt Post zugeführt werden. Die Folge war eine ungeheure Anhäufung der Post im Rücken der Armee und eine Verzögerung von Tagen und Wochen in der Überkunft an die Truppen. Von 15 000 Beuteln, die sich binnen kurzem angesammelt hatten, konnten schließlich vom 15. - 21. Oktober 1914 den über Kielce wieder zurückgehenden Truppen 10 000 Sack überbracht werden, die dabei teilweise bis zu 100 km landeinwärts zu befördern waren; der Rest mußte auf Umwegen nach Petrikau geleitet werden, wo mittlerweile auch über Czenstochau neue umfangreiche Post zusammengekommen war, deren Weiterleitung an die Feldpostanstalten erst in den letzten Tagen des Oktober gelang.

Nach der Rücknahme der Armee auf die Linie Sieradz - Czenstochau und südlich begannen dann Anfang November erhebliche Umgruppierungen an der Eisenbahnstrecke Tarnowitz - Kempen - Gnesen - Thorn, die auch die Feldpost stark in Mitleidenschaft zogen. Neue Schwierigkeiten ergaben sich Mitte November, als mehrere Divisionen plötzlich mit unbekanntem Ziel in südöstlicher Richtung abmarschierten. Nun ging zwischen den Umladestellen und den Feldpostanstalten die Fühlung tagelang verloren, zumal die Telegraphenleitungen überlastet und die Fernsprecher ausschließlich für militärische Zwecke beschlagnahmt waren.

Zwischen dem deutschen Grenzbahnhof Stralkowo und Kolo entstand ein Pendelbetrieb von Postfuhrwerken. Die Menge der so nach Kolo vorgebrachten Post war oft so stark, daß für 1 Division an einem Tage häufig bis zu 27 Fahrzeuge eingesetzt werden mußten. Als Ausgang November die Feldpostanstalten weiter auf Lodz vorrückten, mußte der Kurs Stralkowo - Kolo sogar bis Lendzyca auf 132 km verlängert werden. Am 6. Dezember wurde zwar die Bahn Thorn - Wloclawek fertig, sie konnte für die Post aber nicht sofort frei gemacht werden. Die Transporte waren also auf die grundlosen Straßen neben der Bahn angewiesen. Zwischen Wloclawek und Kutno hatten die Russen zudem über den Weg große Gräben gezogen, oft mehrere hintereinander, die bis obenhin mit Schlamm gefüllt waren. Für die Lastkraftwagen waren die Wege in diesem [355] Zustande völlig unpassierbar, und für die Pferdefuhrwerke mußte Vorspann gestellt werden, auch nachdem die gänzlich unpassierbaren Wegestellen mit Steinen, Balken, Brettern und Knüppelholz notdürftig überbrückt worden waren. Ein schnelles Vorwärtskommen war ausgeschlossen. Eine Feldpost mühte sich volle 5 Tage, um beim Vormarsch von Wloclawek bis Kutno eine Strecke von 55 km zu bewältigen.

Auf den übrigen Zuführungslinien des Ostens waren die Verhältnisse kaum besser. Die Post blieb zuweilen tagelang aus. Den angestrengtesten Bemühungen aller Dienststellen, deren Leitung der Geh. Oberpostrat Stenger als Sonderkommissar des Reichspostamts übernommen hatte, gelang es endlich, Anfang Januar 1915, die Postzuführung einigermaßen regelmäßig zu gestalten; aber auch später noch war der Feldpostbetrieb wiederholt schweren Stockungen ausgesetzt. Die Truppen fanden zum Teil wochenlang keine Gelegenheit, die unanbringlichen Sendungen an die Feldpostanstalten zurückzugeben, und nun strömte eine schier unübersehbare Menge solcher Sendungen der Feldausgleichstelle zu, die mittlerweile in Lodz geschaffen war. Bei der 10. Armee brachte ein Bataillon an einem Tage unbestellbare Post von vier Monaten zurück. Viele Sendungen mußten ohne weiteres nach der Heimat zurückgeleitet werden, weil der Versuch ihrer Zustellung an den Adressaten gänzlich zwecklos war.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte