Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
[38]
Kapitel 2: Die Versorgung des
Heeres mit Pferden
Generalmajor Hans Föst
1. Einleitung.
Der ungeheuren Ausdehnung des Heeres entsprachen naturgemäß
auch die Ansprüche an Pferden aller Art.
Niemals zuvor wurden die in Deutschland gezüchteten oder dahin
eingeführten Pferde in solchem Maße und in so unvermittelter Weise
ganz und gar veränderten Verhältnissen des Klimas, des Bodens, der
Witterung, der Ernährung, der Unterkunft und der Wartung und Pflege
ausgesetzt, niemals solchen grenzenlosen Anstrengungen und einer von allen
Seiten drohenden Seuchengefahr preisgegeben.
Daß unter diesen Verhältnissen die Pferde viel zu leiden hatten und
bald Abgänge in großer Zahl eintraten, braucht nicht
wunderzunehmen. Am besten hielten noch die Pferde durch, die nach Aufzucht
und Rasse den meisten Nerv besaßen.
Die anfänglich geringe Widerstandskraft der deutschen Pferde gegen die
Einwirkung der vollständig veränderten Kriegsverhältnisse
war in der Hauptsache auf die verweichlichende Stallaufzucht, wie sie in
Deutschland fast durchweg üblich, zurückzuführen. Je
wetterharter die Pferde aufgezogen und bei späterer Verwendung gehalten
waren, um so kriegsbrauchbarer erwiesen sie sich.
Die früher gerade beim Heere im Frieden gestellte Forderung, daß die
Pferde den ganzen Winter hindurch mehr oder minder kurzes glattes Haar haben
sollten, bedingte aber gerade das Gegenteil von wetterharter Gewöhnung,
nämlich einen warmen Stall und Hütung vor Zugluft. Daß bei
dieser verweichlichenden Stallaufzucht und Stallpflege
verhältnismäßig wenig Rückschläge
vorgekommen sind, lag nur daran, daß der Krieg in der warmen Jahreszeit
begann und die Pferde bis zum Eintritt der kalten Witterung zwangsweise bereits
wieder etwas mehr zu einer natürlichen Lebensweise zurückgekehrt
waren. Auch die ausschließliche Haferfütterung war nicht angebracht;
es bedurfte erst allmählicher Gewöhnung an die verschiedenen
Ersatzfuttermittel, um auch hier Rückschläge möglichst zu
verhüten. Die Friedensremontierung hat sich im allgemeinen im Kriege
ausgezeichnet bewährt. Die für die Auswahl der Remonten für
die einzelnen Waffen gegebenen Gesichtspunkte haben sich als durchaus richtig
erwiesen.
[39] Richtig war vor allem
der Grundsatz, den Pferden erst mit 6 Jahren volle Arbeitsleistungen zuzumuten.
Nur ein Teil der Pferde unter 6 Jahren hat durchgehalten und sich bewährt;
der größte Teil hat sich schnell verbraucht oder ist Krankheiten
erlegen.
Je besser im Frieden die Reit- und Zugausbildung der Pferde gewesen war, um so
besser hielten sich auch die Pferde im Kriege. Es war augenscheinlich, daß
da, wo Mängel hierin vorgekommen, die Pferde auch im Kriege
versagten.
Die Art des Pferdeersatzes für das Friedensheer und die Ausbildung der
Pferde für Kriegszwecke hat sich also in den richtigen Bahnen bewegt.
Leider war aber der Friedensbestand an Pferden im Vergleich zum
Mobilmachungsbedarf viel zu gering, so daß die den ausgehobenen Pferden
in der verschiedensten Hinsicht naturgemäß anhaftenden
Mängel in Kauf genommen werden mußten. Nur dadurch, daß
diese mit Sachverständnis Berücksichtigung bei der Einteilung und
Verwendung der Pferde im allgemeinen fanden, ist es erreicht worden, daß
die im Laufe des Krieges sich mehr und mehr steigernden Anforderungen trotz
des Sinkens der Zahl und der Leistungsfähigkeit der Pferde fast durchweg
erfüllt sind.
2. Der Pferdeersatz des Friedensheeres.
Vorbereitende Maßnahmen für den
Mobilmachungsfall.
Im Frieden fand die Versorgung des Heeres mit Ersatzpferden allgemein für
alle Waffen durch Remontierung statt, d. h. die Remonten,
militärdiensttauglich befundene Pferde im allgemeinen im Alter von 3
Jahren, wurden durch die Remontierungskommissionen aufgekauft und ein Jahr in
den Remontedepots aufgestellt. Von diesen gelangten die Remonten im Alter von
4 oder auch 5 Jahren alljährlich, in der Regel in den Monaten Juni und Juli,
in der von der Remonte-Inspektion festzusetzenden Zahl und Art an die zum
Empfange berechtigten Truppen zur Überweisung. Die schweren Zugpferde
für die Fußartillerie usw. wurden jedoch in der Regel
volljährig unmittelbar vom Beschaffungsorte an die Truppe
überwiesen.
Außerordentliche Beschaffungen von volljährigen Pferden fanden nur
statt aus Anlaß der Neuaufstellung von Truppenteilen, für
Expeditionszwecke und waren für den Fall einer Mobilmachung
vorgesehen.
Der Friedenstärke der einzelnen Truppenteile entsprechend war die
Ausstattung mit Reit- und Zugpferden so, daß die Ausbildung der Truppe
und deren kriegsmäßige Verwendung im Frieden im allgemeinen
ohne Verstärkung des Pferdeetats gesichert war. Nur zu
größeren Truppenübungen, Kaisermanövern usw.,
bei Aufstellung von im Frieden nicht vorhandenen Formationen, wie
Brückentrains, Gefechts- und großen Bagagen, Kolonnen für
Nachschubzwecke usw. war die Ermietung der dazu benötigten
Pferde oder Gestellung durch die Zivilbehörden erforderlich. Wenn auch
hier die Truppe im kleinen die Schwierig- [40] keiten kennen lernte, die
ihr durch Verwendung von nicht für den militärischen Dienst
ausgebildeten Pferden erwuchsen, so waren die Schwierigkeiten bei der
Mobilmachung doch bei weitem größere. Zur Aufstellung der
mobilen Formationen reichte der Friedensbestand an Pferden auch nicht
annähernd aus.
Nur die aktiven Kavallerie-Regimenter konnten durch Verteilung der Pferde der
fünften Eskadron (Ersatzeskadron) auf die mobil werdenden anderen vier in
ziemlich ausreichendem Maße mit durchgerittenen Pferden ausgestattet
werden. Bei den übrigen Truppen war dies nicht der Fall. Die dort
vorhandenen Reitpferde deckten nur in ganz geringem Umfange den Bedarf,
während ein solcher an Zugpferden in der Hauptsache durch ausgehobene
Pferde gedeckt werden mußte. Zahlreiche bei der Mobilmachung
aufgestellte Formationen, wie z. B. die Kolonnen und Trains,
ergänzten sich fast ausschließlich aus Mobilmachungspferden. Um
diese sicherzustellen, waren nach dem Gesetz über die Kriegsleistungen zur
Beschaffung und Erhaltung des kriegsmäßigen Pferdebedarfs der
Armee alle Pferdebesitzer gesetzlich verpflichtet, ihre zum Kriegsdienst für
tauglich erklärten Pferde gegen Ersatz des vollen, von
Sachverständigen unter Zugrundelegung der Friedenspreise endgültig
festzustellenden Wertes an die Militärbehörde zu
überlassen.
Die aus dem Zwange der schnellen Mobilmachung hervorgehenden
Schwierigkeiten erforderten naturgemäß besondere Vorbereitungen.
Zur Gewinnung einer zuverlässigen Übersicht über den
Pferdebestand des Landes und zur Beschleunigung der Pferdeaushebung im
Mobilmachungsfall fanden im Frieden Vormusterungen statt, deren Ergebnis in
fortgesetzt richtig zu haltenden Listen niedergelegt war. Die Vormusterungen
wurden durch militärische
Pferde-Vormusterungskommissare abgehalten; im Laufe von 18 Monaten hatten
sie sämtliche Pferde ihres Bezirks einmal zu mustern. Die Abgrenzung der
Vormusterungsbezirke war durch Vereinbarung der Generalkommandos mit den
Oberpräsidenten festgelegt. Zu den Vormusterungen war jeder
Pferdebesitzer verpflichtet, seine sämtlichen Pferde zu gestellen mit
Ausnahme der in der Pferde-Aushebungsvorschrift besonders vorgesehenen
Fälle. Die vorgeführten Pferde wurden durch die Kommissare
gemustert und in kriegsbrauchbare, vorübergehend (zeitig)
kriegsunbrauchbare und dauernd kriegsunbrauchbare geschieden.
Bei der Auswahl mußte aber stets berücksichtigt werden, daß
die bei den Vormusterungen vorgeführten Pferde größtenteils
zu ländlichen oder anderen schweren Arbeiten benutzt worden sind. Sie
werden daher vielfach mager, schlecht im Haar und in der Pflege
vernachlässigt sein. Hierzu kommt auf dem Lande schlechte oder gar keine
Hufpflege und minderwertiger Beschlag. Von diesen
Äußerlichkeiten, die bei späterer guter Pflege bald schwinden,
mußte natürlich abgesehen werden; maßgebend für die
Beurteilung blieb immer das Gebäude und das Gangwerk des Pferdes.
Pferde mit schlechten Gängen dagegen, die zum Streichen führten,
mußten möglichst ausgeschaltet werden. Tiefgerippte, geschlossene
[41] Pferde, selbst wenn sie
zur Zeit überarbeitet sind, konnten doch mit Nutzen für
Mobilmachungsformationen zu verwenden sein.
Im allgemeinen war bei der Auswahl der Pferde der Grundsatz zu beachten,
daß sie dem beabsichtigten Gebrauch möglichst entsprechen
mußten, und daß ein unwesentlicher Fehler, der für
Friedenszwecke das Pferd von der Annahme ausschließen würde,
für Mobilmachungszwecke nur selten einen Grund zur
Zurückstellung geben konnte. Hinsichtlich der Größe, die mit
dem Bandmaße zu messen war, durfte im allgemeinen nur bis 1,55 m
heruntergegangen werden. Die Auswahl der später in so großer Zahl
eingestellten Kleinpferde (Panjepferde) war also vorerst ausgeschlossen.
Hinsichtlich des Alters galten die Pferde warmblütiger Schlage zwischen 6
und 14 Jahren am geeignetsten für den Kriegsdienst.
Nach den "Gesichtspunkten für Auswahl der Mobilmachungspferde"
wurden die Pferde bei diesen Vormusterungen in Klassen eingeteilt, und zwar in
Reitpferde I und II, Zugpferde I und II, schwere Zugpferde I
und II. Auf Grund der letzten Vormusterung verteilten die Generalkommandos im
Einvernehmen mit den Oberpräsidenten den Gesamtbedarf an
Mobilmachungspferden auf die einzelnen Kreise. Durch Übersichten war
festgesetzt, wieviel Pferde in den einzelnen Aushebungsorten täglich zur
Aushebung zu gelangen hatten, für welche Truppenteile dieselben bestimmt
waren und in welcher Weise sie ihren Bestimmungsort erreichen sollten. Im
allgemeinen war an einem Tage die Aushebung von nicht mehr als 200 Pferden
für einen Aushebungsort vorgesehen.
Durch umfassende Maßnahmen war also schon im Frieden die Deckung des
Bedarfs an Pferden für den Mobilmachungsfall vorbereitet. Hinsichtlich der
allgemeinen Beschaffenheit der Pferde mußten natürlich die an die
Tauglichkeit für militärische Zwecke gestellten Ansprüche
wesentlich eingeschränkt werden; andernfalls wäre die Beschaffung
der in so großer Zahl schon bei Beginn des Krieges benötigten Pferde
nicht durchführbar gewesen.
Nach erfolgter Mobilmachung und Auffüllung der Pferdebestände
der Ersatzformationen der berittenen Truppenteile verblieben in der Heimat nur
noch wenige voll-kriegsbrauchbare Pferde in den Händen der
Zivilbevölkerung. Diese befand sich also bereits zu Beginn des Krieges
wirtschaftlich in einer gewissen Notlage. Besonders der landwirtschaftliche
Betrieb wurde durch Abgabe der militärtauglichen Pferde wesentlich
beeinflußt. Nur wenige Besitzer konnten den Abgang durch Ankauf von
Pferden von außerhalb zu schwindelhaften Preisen decken; vielfach wurden
als Ersatz Ochsen und Kühe eingespannt. Die älteren und wegen
Fehler nicht für kriegstauglich erachteten Pferde mußten wegen
Verringerung der Anspannung über Gebühr zur Arbeit herangezogen
werden, die jungen, noch nicht volljährigen Pferde mußten vorzeitig
aushelfen. Viel zur Zucht geeignetes Pferdematerial hatte gleichfalls ausgehoben
werden müssen. So sind z. B. im Gebiete des Verbandes der
Pferdezüchter in den holsteinischen Marschen durch Aushebung
ungefähr 30% der vor dem Kriege eingetragenen Stuten [42] der Zucht
verlorengegangen. Die unausbleibliche Folge war, daß sowohl die
Remontierung der Ersatztruppenteile, als auch der aus der Heimat gelieferte
Nachersatz an Pferden im Laufe des Krieges von Jahr zu Jahr immer schlechter
und zahlenmäßig geringer wurden.
Von ungünstigem Einfluß auf die allgemeine Beschaffenheit des
Pferdeersatzes war ferner die Herabsetzung der Futterrationen in der Heimat, die
leider durch die teilweisen Mißernten an Hafer und Heu, sowie durch die
Unterbindung der Zufuhr von Futtermitteln aus dem Auslande erforderlich
wurde.
Um so höher muß es bewertet werden, daß trotz all der
Hemmnisse seitens der Heeresverwaltung und der Heimatbehörden immer
wieder Mittel und Wege gefunden wurden, das Feldheer durch Zuführung
frischer Pferde leistungsfähig zu erhalten. Führung und Truppe haben
es verstanden, durch sachgemäße Behandlung und Pflege, sowie
durch sachgemäßen Ausgleich an Pferden die zu Ende des Krieges
immer brennender werdende Pferdefrage nach Möglichkeit zu
lösen.
Die Pferde selbst haben unter den schwierigsten Verhältnissen, ohne
Ruhepausen, bei dürftigster Ernährung und Unterkunft, bei den
schlechtesten Wege- und Witterungsverhältnissen, im schweren feindlichen
Feuer gleichfalls ihr Letztes hergeben müssen, um die gestellten
Anforderungen zu erfüllen. Daß dies geschehen, ist gleichfalls ein
Ruhmesblatt in der Geschichte des verflossenen Weltkrieges. An den
großen Erfolgen der deutschen Waffen haben auch die Pferde ihr gut Teil
mitgewirkt; sie sind den deutschen Soldaten stets treue Kameraden in Not und
Tod gewesen.
3. Der Pferdeersatz bei der
Mobilmachung.
Die Herausgabe des Mobilmachungsbefehls hatte gleichzeitig ein
Pferdeausfuhrverbot zur Folge, so daß sämtliche im Inlande
vorhandenen Pferde voll zur Beschaffung und Erhaltung des
kriegsmäßigen Pferdebedarfs der Armee zur Verfügung
standen.
Jeder Pferdebesitzer war nach erhaltener Aufforderung verpflichtet, seine Pferde
zu der bestimmten Zeit und an den bestimmten Ort vorzuführen. In Frage
kamen sämtliche bei der letzten Vormusterung bereits als kriegstauglich
bezeichneten und dementsprechend klassifizierten Pferde, ferner die bei der
letzten Musterung als "vorübergehend kriegsunbrauchbar" bezeichneten
Pferde, sowie sämtliche seit der letzten Musterung in Zugang gekommenen
Pferde. Händler, Tattersalls usw. waren verpflichtet, ihre
sämtlichen Pferde vorzuführen. Die Gemeindevorsteher usw.
waren für die vollzählige und rechtzeitige Gestellung der Pferde
verantwortlich und verpflichtet, persönlich bei der Aushebung zu
erscheinen.
Durch diese Anordnungen war erreicht, daß sämtliche Pferde, die
überhaupt für militärische Zwecke in Frage kamen, auch
tatsächlich den Aushebungskommissionen, die für jeden
Aushebungsbezirk gebildet waren, vorgestellt wurden. Die [43] Kommissionen waren
hinsichtlich der Auswahl, Einteilung und Verteilung an die
listenmäßig festgelegten Ergebnisse der Vormusterung nicht
gebunden; dieselben gaben jedoch einen wesentlichen Anhalt, und nur hierdurch
war es ermöglicht, daß die Aushebung, Auswahl und Verteilung in
der kurz bemessenen Zeit im allgemeinen glatt vonstatten gingen. Durch die in
jeder Weise als vertrauenswürdig gewählten Sachverständigen
war auch die Gewähr geboten, daß die Pferdebesitzer für ihre
an die Heeresverwaltung abgetretenen Pferde nach ihrem derzeitigen Werte
ausreichend entschädigt wurden.
Nach erfolgter Abschätzung wurden die Pferde den Transportkommandos
übergeben und nach Maßgabe der bereits im Frieden aufgestellten
Marschübersichten nach den Mobilmachungsorten der Truppen
transportiert.
Nach Beendigung der Auswahl stellten die Aushebungskommissionen fest,
wieviel weitere kriegsbrauchbare Pferde der einzelnen Klassen im
Aushebungsbezirk noch vorhanden waren. Das Ergebnis wurde dem
Generalkommando und dem Oberpräsidenten nach Schluß des
Aushebungsgeschäftes umgehend gemeldet.
Die zuständigen Heimatbehörden erhielten hierdurch einen
Überblick, wieviel kriegsbrauchbare Pferde nach beendigter Mobilmachung
für Ersatzzwecke noch in der Heimat vorhanden waren. Erhöht
wurde dieser Bestand durch den Nachwuchs der zur Zeit noch nicht
volljährigen Pferde und Fohlen, welche hauptsächlich für die
während des Kriegszustandes beibehaltene Remontierung in Frage kamen.
Die bei der Truppe vorhandenen Pferde des Friedensstandes wurden, soweit sie
voll kriegsbrauchbar, als Stamm auf die einzelnen mobilen Formationen verteilt;
die bei den aktiven Kavallerie-Regimentern vorgesehene, hiervon abweichende
Pferdeverteilung ist bereits erwähnt. Durch diese Maßnahme standen
den einzelnen Formationen bereits vor Eintreffen der ausgehobenen Pferde
für Arbeitsdienst, Ordonnanzdienst usw.
Reit- und Zugpferde während der ersten Tage der Mobilmachung zur
Verfügung. Der verbliebene Rest des Friedensbestandes ging auf die
Ersatztruppenteile über.
Mit der Lieferung der Pferde für die beschleunigt mobil werdenden
Formationen waren einzelne, den betreffenden Mobilmachungsorten
nahegelegene Gemeinden oder jene selbst schon im Frieden beauftragt. Die
hierfür bestimmten Pferde waren hierzu bereits abgeschätzt und die
Besitzer zur unmittelbaren Ablieferung an die Truppe verpflichtet. Auf das
Eintreffen der von den Aushebungskommissionen in Marsch gesetzten
Mobilmachungspferde konnten die am 2. und 3. Mobilmachungstage bereits
marschbereit sein sollenden Formationen nicht warten. Solchen Formationen
wurde gewöhnlich auch eine größere Pferdezahl des
Friedensstandes als Stamm überwiesen, so daß die
zweckmäßige Einteilung der Ergänzungspferde und deren
Einkleidung sich in kurzfristiger Zeit ausführen ließ.
Die einzelnen Pferdetransporte wurden bei den Truppenteilen durch eine
Abnahmekommission abgenommen. Diese war im allgemeinen bereits im Frieden
[44] durch die
Mobilmachungsvorarbeiten bestimmt und für ihren verantwortlichen Dienst
vorbereitet. Namentlich bei der Artillerie und dem Train, welche bei den
zahlreichen aufzustellenden mobilen Formationen wohl die meisten
Ergänzungspferde brauchten, häuften sich die an den einzelnen
Mobilmachungstagen eintreffenden Pferdetransporte derart, daß nur durch
die unermüdliche Tätigkeit der Kommissionen die rechtzeitige und
sachgemäße Verteilung möglich war. Ein Verschieben auf die
folgenden Mobilmachungstage, an denen bereits wieder neue Transporte in
großer Zahl eintrafen, hätte zu schweren, ja die ganze Mobilmachung
schädigenden Reibungen führen können.
Die Kommissionen waren an die den einzelnen Pferden zuteilgewordene
Klassifizierung nicht gebunden; sie waren befugt, gebotene Ausgleiche
vorzunehmen.
Bei Zuteilung der Ergänzungspferde war neben dem Verwendungszweck zu
berücksichtigen, wann die einzelnen Formationen die letzten
Mobilmachungspferde spätestens erhalten mußten. Auch dann
verblieb den einzelnen Formationen gewöhnlich nur ein Zeitraum von
wenigen Tagen, um die Pferde je nach ihrem Gebäude, Gangwerk und
Temperament als Reit-, Stangen- und Vorderpferde einzuteilen, einzukleiden und
auf ihre Geeignetheit hin auszuprobieren. Ein Austausch ungeeigneter Pferde war
in den wenigsten Fällen noch möglich, die Formationen
mußten sich vielmehr in sich selbst zu helfen wissen.
Durch zweckentsprechende Maßnahmen ist dies auch im allgemeinen
gelungen; wohl durchweg sind die Formationen mit einer guten Pferdeausstattung
ins Feld gerückt. Die Pferde gewöhnten sich bald an die zum Teil
ungewohnte Anspannung, Beschirrung und Ausrüstung. Nur an
durchgerittenen und gängigen Reitpferden war durchweg Mangel; erst im
Laufe der Zeit konnten solche wenigstens einigermaßen in einer für
das Aufsichtspersonal ausreichenden Zahl ausgebildet werden.
Dem Mangel an Reitpferden für Offiziere und Beamte wurde in geringem
Umfange wenigstens dadurch begegnet, daß die im Besitze derselben
befindlichen eigenen Reitpferde gegen den Abschätzungswert vom Staat
übernommen wurden. Diese Pferde verblieben dann nach der
Mobilmachung gewöhnlich den früheren Besitzern als
Reitpferde.
Wie schon erwähnt, verblieb nach der Beendigung der ersten Aushebung
für Ersatzzwecke nur eine geringe Zahl kriegstauglicher Pferde in der
Heimat zurück, so daß die Ausstattung der schon zu Anfang des
Krieges aufgestellten vielen Neuformationen mit brauchbaren Pferden bald auf
Schwierigkeiten stieß.
Die für die Ersatzgestellung während eines Krieges erlassenen
wohlerwogenen Bestimmungen reichten bald nicht mehr aus. Die gewaltige
Ausdehnung, die der Krieg nach und nach nahm, und der im Verlauf desselben
sich mehr und mehr steigernde Verbrauch von Pferden bei immer
größerem Bedarf infolge Anwachsens der Heeresmassen machten
schon nach kurzer Zeit Abweichungen von den bisher [45] als ausreichend
gehaltenen Bestimmungen erforderlich. Neben deren Änderungen
mußte man in weitestgehendem Umfange die besetzten Gebiete zu
Pferdelieferungen heranziehen, da die versuchten Ankäufe im neutralen
Ausland nur eine geringe Ausbeute ergaben.
Zur späteren Deckung des Ersatzbedarfs an Pferden für die
Kommandobehörden und Fußtruppen der mobilen Armeekorps
standen jedem zwei Pferdedepots zur Verfügung. Diese sollten durch
Ankauf, Beitreibung und Beutepferde vollzählig erhalten werden.
Ließ sich auf diese Weise der Bedarf nicht decken, so hatten die
Generalkommandos die Nachsendung von Ersatzpferden aus der Heimat zu
veranlassen. Falls bei den Truppenteilen Pferde der Militärverwaltung
überzählig wurden, z B. durch
Beute- oder beigetriebene Pferde, so konnten sie mit dem zu ihrer Pflege
nötigen Personal einem Pferdedepot zugeteilt werden.
Überschießende Pferde, die Eigentum von Offizieren oder Beamten
waren, konnten gleichfalls gegen Erstattung des Abschätzungswertes an ein
Pferdedepot abgegeben werden, ebenso Pferde, deren Besitzer tot oder durch
Verwundung, Krankheit usw. dem Dienst im Felde auf lange Zeit entzogen
waren. Die Sollstärke der Pferdedepots an Pferden und Pflegepersonal
durfte überschritten werden.
Im allgemeinen sollten sich in den Pferdedepots nur ausgabefähige Pferde
befinden. Pferde, die voraussichtlich lange Zeit krank waren, waren dem
Etappen-Pferdedepot zu überweisen. Dieses Verfahren erfuhr nach im
Laufe des Krieges erfolgter Aufstellung der Pferdelazarette, welche bei der
Mobilmachung anfänglich nicht vorgesehen war, natürlich eine
Änderung. In Zukunft gelangten die kranken Pferde in diese zur
Einlieferung. Bei starkem Anwachsen der Pferdedepots war ein Abschub gesunder
Pferde an die Etappen-Pferdedepots statthaft.
Über die Reihenfolge der Ausgabe von Pferden an die Truppenteile
entschied das Generalkommando.
Bei der Mobilmachung wurden für das anfängliche Feldheer im
ganzen 54 Pferdedepots aufgestellt. In den folgenden Kriegsjahren mußte
bei dem sich mehr und mehr steigernden Pferdebedarf und der nunmehrigen
Anordnung, daß der Pferdeersatz für sämtliche Truppen des
Feldheeres im allgemeinen nur durch die Pferdedepots zu erfolgen hatte, eine
wesentliche Erhöhung ihrer Zahl eintreten. Nach und nach wurden bis zu
Ende des Krieges 118 Pferdedepots neu aufgestellt.
Für die mobilen berittenen Truppen, Kavallerie-, Artillerie- und
Trainformationen, hatten deren Ersatztruppenteile den im Felde benötigten
Ersatz an Pferden zu gestellen. Die Ersatzformationen ergänzten wiederum
ihren Pferdebestand durch Ankauf oder Aushebung nach Anordnung des
stellvertretenden Generalkommandos oder durch Remontierung, die
vorläufig in vollem Umfange aufrechterhalten wurde. Die schon
erwähnten Etappen-Pferdedepots, welche zur Aufnahme kranker und
überzähliger Pferde bestimmt waren, wurden auf den
Etappenstraßen der Armeen nach Bedarf errichtet. Bald erwies sich eine
Vereini- [46] gung kranker und
überzähliger, im allgemeinen für Ersatzzwecke vorgesehener
Pferde unratsam; eine scharfe Trennung der gesunden Pferde ließ sich nicht
durchführen. Man half sich daher vorläufig bis zur Aufstellung der
Pferdelazarette durch Einrichtung von besonderen Krankenabteilungen bei den
Etappen-Pferdedepots und innerhalb jener durch getrennte Seuchenabteilungen.
Im Operationsgebiet wurden Krankensammelstellen und
behelfsmäßige Pferdelazarette für kranke und längere
Zeit dienstuntaugliche Pferde eingerichtet. Die
Etappen-Pferdedepots bildeten später die hauptsächlichsten
Sammelstellen für die zum Ersatz für das Feldheer auf die
verschiedenste Weise zusammengebrachten Pferde. In den Kriegsjahren
1914-18 wurden im ganzen 47
Etappen-Pferdedepots aufgestellt.
Außerdem dienten die Etappen-Pferdedepots zur vorläufigen
Aufnahme der von den Feldtruppen als "dienstunbrauchbar" abgeschobenen
Pferde und der bei der Truppe geborenen Fohlen. Von den
Etappen-Pferdedepots wurden die dort gesammelten Transporte
dienstunbrauchbarer Pferde in die Heimatbezirke abgeschoben. Dort gelangten sie
durch Vermittlung der Landwirtschaftskammern wieder in die Hände der
Zivilbevölkerung, welche sich mehr und mehr mit solchen Pferden behelfen
mußte.
Um zu verhüten, daß die bei den Truppen im Felde als
dienstuntauglich ausgemusterten und in die Heimat abgeschobenen Pferde dort
nicht wieder zum Ankauf gelangten, wurde bestimmt, daß diese Pferde
schon bei der Truppe mit einem Kreuz auf der linken Halsseite zu brennen waren.
Die Ausführung dieser Anordnung war zu Anfang des Krieges im Felde
mehrfach versäumt. Hierauf ist es zurückzuführen, daß
ausgemusterte Pferde den Ankaufskommissionen wieder vorgestellt wurden.
Solche Pferde hatten sich inzwischen vielleicht wieder einigermaßen erholt,
teilweise waren sie auch künstlich, z. B. durch Beigabe von Arsenik
hochgefüttert. Den Kommissionen, welche bald infolge des großen
Pferdebedarfs die Ansprüche an die Diensttauglichkeit wesentlich
herabsetzen mußten, ist daher kaum ein Vorwurf wegen des Ankaufs
solcher Pferde zu machen, wohl aber ein schwerer den gewissenlosen
Händlern, die rasche Bereicherung durch mühelosen Verdienst
über die vaterländischen Interessen stellten. Die Truppe im Felde
hatte es dann zu büßen, indem diese Pferde wieder rasch in der
Leistungsfähigkeit nachließen und schließlich nach kurzer Zeit
ganz zusammenbrachen.
Die in der Heimat bei der Mobilmachung aufgestellten
Ersatz-Pferdedepots sollten unvorhergesehenen Ausfall an Pferden innerhalb des
Armeekorps, auch schon während der Mobilmachung, decken und weiteren
Anforderungen schnell nachkommen. Neben diesen Zwecken sollten sie noch
Unteroffiziere und Mannschaften im Traindienst so ausbilden, daß diese als
Ersatz für Feld- und Neuformationen verwendet werden konnten. Durch
diese Maßnahme wurde gleichzeitig eine Ausbildung der für
Ersatzzwecke bestimmten Pferde und systematische Gewöhnung derselben
an anstrengende Leistungen durch allmählich sich steigernde
kriegsmäßige [47] Übungen erreicht.
Den Feldtruppen konnten auf diese Weise einigermaßen durchgerittene
Reitpferde und eingefahrene Zugpferde überwiesen werden. Jeder Abgang
im Ersatz-Pferdedepot wurde sobald als möglich wieder ergänzt.
Ferner wurden bei einzelnen Armeekorps noch
Zentral-Pferdedepots, für die ein sehr hoher Pferdebestand
planmäßig vorgesehen war, aufgestellt. Diese wurden durch den
Ankauf und durch Abgabe des Überschusses der
Ersatz-Pferdedepots unterhalten. Sie sollten zur Aushilfe herangezogen werden,
wenn die Ersatz-Pferdedepots nicht in der Lage waren, den bei ihren Armeekorps
entstehenden Ausfall zu decken. Sie traten nach beendigter Mobilmachung unter
den Befehl des Remonte-Inspekteurs. Für die gesamte deutsche Armee
gelangten bei der Mobilmachung 4 Zentral-Pferdedepots zur Aufstellung.
Der Ersatz an Pferden beim Besatzungsheer geschah durch Fortgang der
Friedensremontierung, durch Ankauf oder durch erneute Aushebung. Der Ankauf
nach Abschluß der Mobilmachung konnte freihändig oder durch
Händler erfolgen. Wünschenswert war es, daß solange als
möglich während des mobilen Zustandes felddienstbrauchbare
Pferde aus dem Auslande herangezogen wurden.
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