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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

[1] Kapitel 1: Die Heeresverpflegung
Ministerialrat Konrad Lau

Die 'Gulaschkanone'.
Die "Gulaschkanone".      [Vergrößern]
Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 2, S. 64.
1. Einleitung.

"In allen Kriegen bildet die Sicherung des Lebensunterhalts der Heeres eine Vorbedingung des Erfolges."

Dieser Satz leitete die Anleitung ein, die im Frieden für die Verpflegung des deutschen Heeres in einem künftigen Kriege gegeben war. Kürzer und zugleich treffender kann die außerordentliche Bedeutung der Heeresverpflegung für die Kriegführung nicht gekennzeichnet werden. Der Satz ist auf den Lehren der Kriegsgeschichte gegründet, die überreich ist an Beispielen für den lähmenden Einfluß mangelnder Ernährung auf die Leistungen eines vortrefflichen Heeres.

Wohl an keiner Stelle in der deutschen Armee ist die Wichtigkeit der ausreichenden Versorgung des Feldheeres mit Verpflegung verkannt worden; trotzdem aber war das Interesse, das in militärischen Kreisen vor dem Kriege dem Feldverpflegungsdienst entgegengebracht wurde, nicht so allgemein und lebhaft, wie es der Bedeutung des Gegenstandes entsprochen hätte. Er galt als trocken und als Sonderangelegenheit Weniger, die den Verpflegungsdienst dereinst im Felde leiten sollten. Unentbehrliche technische Einzelheiten und Zahlen schreckten ab.

Die über Feldverpflegung vorhandene Literatur war äußerst dürftig. Erst im Jahre 1913 hatte der Große Generalstab eine Studie über Heeresverpflegung in den Kriegen seit der Napoleonischen Zeit herausgegeben. Sie behandelt fast ausschließlich die militärische Seite, streift die wirtschaftliche kaum.

Diese eingehend zu behandeln, lag auch wenig Veranlassung vor. Eine wirtschaftliche Kriegführung hatte es noch nicht gegeben. Die Lebensführung der deutschen Heimat war in den letzten Kriegen durch die Verpflegung der im Felde stehenden Heere nicht wesentlich mehr als durch ein gewisses Steigen der Preise beeinträchtigt worden. Kein Wunder, daß noch weniger, als im Heere selbst, in nichtmilitärischen Kreisen die Frage interessierte, wie die Verpflegung des Heeres in einem künftigen Kriege zu bewerkstelligen sei.

Heute, zurückblickend auf den großen Krieg, zeigt die bittere Erfahrung, daß es anders hätte sein müssen. Durch die barbarische Hungerblockade von der [2] Lebensmittelzufuhr abgeschnitten, waren in ihm Feldheer und Heimat auf die innerhalb des Blockadegürtels vorhandenen und erzeugten Lebensmittel angewiesen. Die Heimat darbte, um den Unterhalt des Feldheeres zu ermöglichen, und dieses mußte sich aufs äußerste einschränken, um der Heimat das Darben zu erleichtern. Die großen Entbehrungen an allen Stellen waren Veranlassung zu vielen, oft schweren gegenseitigen Vorwürfen. Gerade deshalb müssen auch heute noch alle Kreise des deutschen Volkes ein Interesse daran haben, zu erfahren, was in dieser Lage beim Feldheer geschehen ist, das Heer ausreichend zu ernähren und doch der Heimat das Durchhalten zu ermöglichen.

Wer auch immer sich mit der Geschichte dieses Krieges befaßt, wer den Ereignissen auf den verschiedenen, weit voneinander getrennt gelegenen Kriegsschauplätzen, dem Hin- und Herwerfen der Truppenverbände von einem zu andern folgt, wer die gewaltigen Stärkeziffern der auf engstem Raum monate-, ja jahrelang vereinigten Heeresmassen liest und wer dabei zurückdenkt, wie von Monat zu Monat sich in der heimischen Verpflegungslage das eiserne Band fühlbarer machte, das dem deutschen Volke den Hungertod bringen sollte, der kann die staunende Frage nicht unterdrücken, wie es überhaupt möglich war, in dieser geradezu verzweifelten Lage stets rechtzeitig am rechten Ort Verpflegung für Mann und Pferd bereitzustellen.

In den bisher erschienenen Schilderungen aus dem Kriege ist diese Frage nur flüchtig berührt. Sie kann gemeinverständlich nicht behandelt werden, ohne kurz die allzuwenig bekannten technischen Einrichtungen zu schildern. Dazu ist in allgemeinen Darstellungen der Kriegsereignisse kein Platz. Auch in nachstehendem kann nur in großen Zügen Aufschluß gegeben werden über das zähe Ringen mit immer neuen und stets wachsenden, schließlich unüberwindbar erscheinenden Schwierigkeiten der Heeresverpflegung. Die Ausführungen können aber vielleicht eine Vorstellung davon geben, wie Gewaltiges auch auf dem Gebiete der Heeresverpflegung von Heer und Heimat im Kriege geleistet ist. Sie zeigen, daß es trotz aller Not gelungen ist, unter Anspannung aller Kräfte das deutsche Feldheer bis zum Kriegsende zu ernähren. Daß jeder in der Heimat dazu beigetragen hat, möge jeden deutschen Leser mit Stolz erfüllen; es möge ihn aber auch stets daran erinnern, welche Entbehrungen entschlossener Wille zu meistern vermag.


2. Friedensvorbereitungen.

Wenn heute viel - und doch von deutscher Seite bei weitem nicht genug - die Frage der Schuld am Kriege erörtert wird und wenn dabei zufolge der vortrefflichen feindlichen Propaganda nicht nur in den Feindbundländern Deutschland ein planmäßiges Hinarbeiten auf den Krieg nachgesagt wird, so sollte man in Deutschland laut und unermüdlich auf den gänzlichen Mangel an wirtschaftlichen Vorbereitungen für den Krieg hinweisen. Wäre der Deutsche Kaiser, [3] wäre die Deutsche Regierung von jenen Machtgelüsten beherrscht gewesen, die ihnen die böswilligen Verleumder andichten, wäre das deutsche Volk so kriegslustig gewesen, wie es noch heute von seinen Feinden geschildert wird, ja hätte seine Mehrheit nur erkannt, daß der Tag kommen mußte, wo es mit dem Schwerte nicht nur seine Heimat, sondern sein Fortbestehen zu verteidigen haben würde - dann wären zweifellos auch Wege gefunden worden, die deutsche Volkswirtschaft darauf einzurichten, das deutsche Volk wenigstens in seiner Ernährung während eines Krieges unabhängig vom Ausland zu machen. Hätte aber der Große Generalstab als "Militärpartei", wie es ihm von seinen Feinden im In- und Auslande nachgesagt wird, tatsächlich auf einen Krieg hingearbeitet, so hätte er sich nicht mit der Ablehnung zufrieden gegeben, die er erfuhr, als er im Interesse der Landesverteidigung eine solche wirtschaftliche Mobilmachungsvorbereitung anregte. Tatsächlich war auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft, wie der Verlauf der Dinge bewiesen hat, nichts vorbereitet. Die wirtschaftlichen Vorbereitungen aber, die die Heeresverwaltung allein für die Heeresverpflegung treffen konnte, ohne die gesamte deutsche Ernährungswirtschaft zu beteiligen, konnten nur gering sein. Sie sind infolge der Blockade nicht einmal voll zur Wirkung gekommen.

In den militärischen Vorbereitungen waren alle Erfahrungen aus den seit 1866 geführten Feldzügen berücksichtigt. Sie hatten übereinstimmend gezeigt, daß der Verpflegungsdienst eines im Felde stehenden Heeres einheitlich von einer Stelle geleitet werden muß; andernfalls entstehen aus dem Durcheinander- und Gegeneinanderarbeiten von Stellen, die über der durchaus verständlichen Sorge um das Wohl ihres Verbandes allzu leicht das Gesamtinteresse aus dem Auge verlieren, unheilvolle Reibungen. Da die Verpflegungsmaßnahmen immer erst nach geraumer Zeit wirksam werden können, so hatte sich weiter die Notwendigkeit ergeben, die Leitung des Verpflegungsdienstes mit der Leitung der Operationen an einer Stelle zu vereinigen, damit die für die Durchführung der Operationen unerläßlichen Verpflegungsanordnungen rechtzeitig getroffen werden konnten.

Der für die Organisation des Feldverpflegungsdienstes des deutschen Heeres im Frieden aufgestellte Plan legte deshalb dem mit der Leitung der Operationen betrauten Chef des Generalstabs des Feldheeres auch die Leitung des Verpflegungsdienstes in höchster Instanz auf. Auch bei den Truppenverbänden (Armeen, Korps, Divisionen) und Etappeninspektionen (Generalgouvernements) wies er diese Aufgabe den Kommandostellen zu und stellte ihnen zur Durchführung Feldverwaltungsbehörden (Armeeintendanturen, Etappenintendanturen, Korpsintendanturen, Divisionsintendanturen, Intendanturen der Militäreisenbahndirektionen mit Proviantämtern) zur Seite.

An der Spitze aller Feldverwaltungsbehörden sollte ein Generalintendant des Feldheeres im Großen Hauptquartier stehen, der nach den Weisungen der [4] Obersten Heeresleitung (Chef des Generalstabs des Feldheeres) die auch für die Kommandobehörden bindenden allgemeinen Verpflegungsanordnungen zu treffen hatte. Zwar war er einem, dem Chef des Generalstabs des Feldheeres zur Leitung der gesamten Heeresversorgung (Munitionswesen, Verpflegungswesen, Feldsanitätswesen usw.) unterstellten Generalquartiermeister untergeordnet; doch hatte dieser für die einzelnen Gebiete der Heeresversorgung nur insoweit Anordnungen zutreffen, als Reibungen vermieden werden mußten, die sich aus dem Ineinandergreifen der verschiedenen Arbeitsgebiete ergeben konnten. Außerdem waren ihm hinsichtlich des Etappenwesens bestimmt abgegrenzte Sonderaufgaben gestellt.

War es notwendig, für die einheitliche Gestaltung der allgemeinen Verpflegungsanordnungen, insbesondere auch für die Regelung des Nachschubs, den Feldverwaltungsbehörden eine Spitze im Generalintendanten zu geben, so ließen die Dienstvorschriften doch den Armee-Oberkommandos (Armeeintendanten) in der Verpflegung ihrer Armeen Selbständigkeit. Sie wurden für eine ausreichende Versorgung der ihnen unterstellten Truppen voll verantwortlich gemacht. Die Durchführung des Nachschubs nach ihren Weisungen wurde den Etappeninspektionen (Etappenintendanten) übertragen.

Die Generalkommandos (Korpsintendanten) und Divisionen (Divisionsintendanten) sollten die Truppenverpflegung im einzelnen regeln, die Anordnungen für die Bewegung der Verpflegungskolonnen und der Truppenverpflegungsfahrzeuge, die Anlage von Magazinen und den Betrieb der Bäckereien treffen.

Dadurch, daß die in Verwaltungssachen erfahrenen Beamten (Intendanten), deren Unentbehrlichkeit insbesondere der Feldzug 1866 dargetan hatte, in die Stäbe der Kommandobehörden eingegliedert wurden, wurde angestrebt, daß die von ihnen zu bearbeitenden Verwaltungsanordnungen mit den militärischen Maßnahmen in Einklang stünden und daß hierdurch die schweren Übelstände vermieden würden, die sich in früheren Kriegen aus einem Nebeneinanderarbeiten von Kommando- und Verwaltungsstellen ergeben hatten.

Für den Verpflegungsdienst bei der Truppe wurden besondere Verpflegungsoffiziere in Aussicht genommen, die nach den Weisungen der Kommandeure unter Unterstützung der Zahlmeister zu arbeiten hatten.

Der Wirkungskreis der Feldstellen auf dem Gebiet des Verpflegungswesens war von dem der heimischen Dienststellen scharf abgegrenzt dahin, daß diesen die Aufbringung und Bereitstellung der für den Nachschub an das Feldheer notwendigen Verpflegungsmittel obliegen sollte, jenen die Vorführung von den Proviantdepots der Sammelstationen in der Heimat und Zuführung an die Verbraucher. Auch mit dieser Maßnahme war ungünstigen Erfahrungen aus früheren Kriegen Rechnung getragen, in denen sich aus dem Fehlen solcher klaren Abgrenzung recht empfindliche Reibungen im Verpflegungsnachschub ergeben hatten.

[5] Für die Ausstattung der Feldverwaltungsbehörden mit Personal standen die felddienstfähigen Intendantur- und Proviantamtsbeamten des Friedensstandes zur Verfügung, insoweit sie nicht aus besonderen Gründen bei den heimischen Behörden verbleiben mußten. Für die Besetzung der Stellen bei den Feldproviantämtern und Bäckereien mit Proviantamtsbeamten war auch ein Beurlaubtenstand herangebildet. Anfänglich waren durch ihren Zivilberuf dazu geeignete Persönlichkeiten durch mehrfache Übungen bei den Proviantämtern ausgebildet; seit dem Jahre 1903 war die Einrichtung getroffen, daß derartige Persönlichkeiten, die als Einjährig-Freiwillige dienten, das zweite Halbjahr und die späteren Übungen bei einem Proviantamt ableisten konnten. Auf Heranbildung irgendeines Ersatzes für die Intendanturbeamten hatte man leider aus Mangel an Mitteln und wegen dauernder Überlastung der Intendanturen infolge zu knapper Ausstattung mit Personal verzichten müssen.

Besondere Sorgfalt war auf die Ausbildung der Beamten für den Dienst im Felde verwandt. Die Proviantamtsbeamten konnten bei den großen Herbstübungen, insbesondere bei den Kaisermanövern, gute Erfahrungen für den Krieg sammeln; durch theoretische Übungen wurden sie, wie auch die Intendantursekretäre, die zu den Herbstübungen zur Verwendung im Feldmagazindienst herangezogen wurden, in die Bestimmungen der Kriegsvorschriften eingeführt. Die höheren Intendanturbeamten fanden neben theoretischer Fortbildung bei Kriegsspielen und Winterarbeiten bei den großen Truppenübungen eine ihrer Feldverwendung entsprechende Betätigung in den Divisions- und Generalkommandostäben. Hierbei und auf Generalstabsreisen und besonderen Verwaltungs-Generalstabsreisen lernten sie u. a. den Betrieb in den höheren Kommandostäben und die Mittel der Befehlsführung kennen und gewöhnten sich an die schnelle, klare und formgerechte Abfassung militärischer Befehle. Daß größter Wert auf Reitfertigkeit aller für Feldstellen in Aussicht genommenen Beamten gelegt wurde, soweit es die geringen zur Verfügung stehenden Geldmittel gestatteten, kann nicht unerwähnt bleiben, weil auch damit Mängel beseitigt wurden, die in früheren Kriegen überaus störend hervorgetreten waren.

Zur Ausbildung der Verpflegungsoffiziere boten die großen Herbstübungen Gelegenheit; für die Generalstabsoffiziere war durch die bereits erwähnten Verwaltungs-Generalstabsreisen vermehrte Möglichkeit gegeben, sich mit den Anforderungen des Verpflegungsdienstes vertraut zu machen. So waren der Aufbau der Organe des Verpflegungsdienstes, ihre Ausstattung mit Personal und deren Ausbildung gedacht.

Für die Aufbringung der Verpflegung war mit zwei Quellen gerechnet: dem Kriegsschauplatz selbst und der Heimat. Für die Ausnutzung des Kriegsschauplatzes konnten nach den bisherigen Kriegserfahrungen nur allgemeine Anweisungen gegeben werden, die von der Annahme ausgingen, daß die Landes- [6] einwohner weiter wie im Frieden wirtschaften würden und daß das besetzende Heer allein darauf Bedacht zu nehmen hätte, die Erzeugung zu fördern und das Erzeugte auf die einfachste Art dem Heere zuzuführen. Daß das Heer einmal weite Flächen selbst bebauen, daß ein großer Teil der Landwirtschaft auf dem Kriegsschauplatz in Staatsbetrieb übernommen werden würde, konnte nicht vorausgesehen werden. Darauf konnten sich deshalb auch die Friedensvorbereitungen nicht erstrecken.

Für den Nachschub aus der Heimat aber war ein eingehender Plan aufgestellt. Er muß mit seinen technischen Einzelheiten besprochen werden, weil er den ganzen Krieg hindurch grundlegend für den Nachschub geblieben ist:

Die von den heimischen Dienststellen beschafften Verpflegungsmittel sollten in Proviantdepots der Sammelstationen so bereitgestellt werden, daß ein jedes Proviantdepot, das seinerseits aus bestimmten Ersatzmagazinen (im allgemeinen Friedensproviantämtern) aufzufüllen war, acht Tagessätze von je 200 000 Portionen und 60 000 Rationen enthielt. Der Generalintendant hatte - je nach der Verpflegungsstärke der Armeen - ihnen ein oder mehrere derartiger Proviantdepots im Einvernehmen mit dem Chef des Feldeisenbahnwesens zuzuteilen; Sache der Armee- und Etappenintendanten war es, im Zusammenwirken mit dem Beauftragten des Feldeisenbahnchefs beim Armee-Oberkommando die Vorführung der erforderlichen Verpflegungszüge auf der Eisenbahnetappenlinie der Armee anzuordnen. Durch dieses Zusammenwirken von Feldverwaltungs- und Eisenbahnbehörden hoffte man unheilvolle Bahnverstopfungen, die in früheren Kriegen an der Tagesordnung gewesen waren, zu vermeiden. Die Beladung der Züge hatten die Armeeintendanten den Bedürfnissen der Armee entsprechend vorzuschreiben. Allein für die erste Zeit, insbesondere während des Aufmarsches bis zur Einrichtung der Proviantdepots (also bis 15. - 25. Mobilmachungstag), wo den Armeen der Nachschub unmittelbar von den heimischen Aufbringungsstellen aus zugeführt werden mußte, war eine Normalbeladung der Züge bestimmt. Bei einem Ladegewicht von 250 - 300 t konnten für ein Armeekorps fassen:

  • der Verpflegungs(V)zug Portionen (dabei statt Brot Backmatenal) und Haferrationen für 2 Tage,
  • der Mehl(M)zug Backmaterial für rund 10 Tage,
  • der Hafer(H)zug Haferrationen für rund 3 Tage.

Diese Beladung war auch für Züge vorgeschrieben, die für den Generalintendanten bereitgestellt wurden zur Aushilfegewährung bei besonderem Bedarf (bewegliche Verpflegungsreserve des Generalintendanten, enthaltend den etwa dreitägigen Bedarf für das Feldheer).

Von den Proviantdepots sollten die Nachschubzüge in die Etappengebiete zur Füllung der Etappenmagazine geleitet werden, wenn sie nicht sogleich bis zu den Verbrauchern vorgeschoben würden. Zur Überführung der Verpfle- [7] gungsmittel von den Entladestellen zu den Etappenmagazinen waren den Etappeninspektionen Etappenfuhrparkkolonnen, Magazinfuhrparkkolonnen und Etappenkraftwagenkolonnen zu überweisen mit durchschnittlich je 50 - 60 t Ladefähigkeit.

Zur Verbindung der Etappenmagazine mit den für die Versorgung der Truppen bestimmten Feldmagazinen der Armeekorps und Divisionen sollten die Armeekorps, Reservekorps und selbständigen Reservedivisionen mit Proviant-(Reserve-Proviant-)Kolonnen und Fuhrpark-(Reserve-Fuhrpark-)Kolonnen dergestalt ausgestattet werden, daß die Kolonnen eines Armeekorps im ganzen ungefähr einen viertägigen Vorrat an Mundverpflegung und einen dreitägigen Hafervorrat für das Armeekorps und eine halbe Kavalleriedivision mitführen konnten, die der Reservekorps und selbständigen Reservedivisionen den viertägigen Verpflegungsbedarf ihres Verbandes.

In den Feldmagazinen hatten die Truppen die Verpflegung durch ihre Lebensmittel- und Futterwagen zu empfangen. Die Lebensmittelwagen konnten den zweitägigen Bedarf an Mundverpflegung fassen; bei den Fußtruppen, die keine Futterwagen hatten, daneben auch den zweitägigen Haferbedarf; die Futterwagen der Kavallerie und der fahrenden Batterien etwa 1½, die der reitenden Batterien 1 Haferration für jedes Pferd.

Außerdem dienten diese Fahrzeuge noch zur Fortschaffung eines Teils der eisernen Portionen (Konserven und Zwieback) und Haferrationen des von den Truppen dauernd zu unterhaltenden und unmittelbar mitzuführenden Verpflegungsvorrats, der zum Teil von Mann und Pferd zu tragen, zum Teil auf Feldküchen und Verpflegungsfahrzeugen zu fahren war.

Alle Kolonnen (außer den Magazinfuhrparkkolonnen, die in der Hauptmenge im Versammlungsgebiet ausgehoben werden sollten) und Verpflegungsfahrzeuge der Truppen sollten den Aufstellungs- oder Standort beladen verlassen. Die Beladungspläne waren bis ins einzelne im Frieden aufgestellt. Alle Kolonnen (auch die Magazinfuhrparkkolonnen) und Verpflegungsfahrzeuge waren mit militärischem Personal zu besetzen.

Zur Herstellung der Speisen waren die Kompagnien der Fußtruppen und die Batterien der schweren Artillerie mit je einer zweispännigen Feldküche ausgestattet, deren Kessel eine Tagesportion faßten und auf der außerdem die eine der mitgeführten eisernen Portionen verladen war.

Deutsche Feldbäckerei.
Deutsche Feldbäckerei.      [Vergrößern]
Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 2, S. 65.


Deutsche Feldbäckerei.
Deutsche Feldbäckerei.      [Vergrößern]
Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 2, S. 65.


Deutsche Feldmetzgerei.
Deutsche Feldmetzgerei.      [Vergrößern]
Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 2, S. 65.
Das Brot sollte unmittelbar hinter der Truppe von den Feldbäckereien gebacken werden. Jedes Armeekorps verfügte dazu über zwei fahrbare Feldbäckereikolonnen, von denen jede in 24 Stunden 23 000 Portionen herstellen konnte. Sie genügten also zusammen dem Bedarf des Armeekorps, wenn sie dauernd in Betrieb bleiben konnten; ihre Leistungsfähigkeit wurde aber durch die eigenen Märsche eingeschränkt. Soweit die Truppe den dadurch entstehenden Ausfall nicht aus dem Lande decken konnte, war sie auf Aushilfe durch die [8] Etappenbäckereien angewiesen, die allerdings nur mit alten, nichtfahrbaren Peyerschen Backöfen ausgestattet werden konnten. Erst für eine Etappeninspektion waren zwei fahrbare Kolonnen vorhanden.

Immerhin bedeutete diese Ausstattung einen gewaltigen Fortschritt, wenn man dem gegenüberstellt, daß das preußische Heer noch 1870 mit insgesamt nur 18 eisernen Backöfen ins Feld rückte, die in ihrer Verwendbarkeit nicht erheblich von den eisernen Bügelöfen Friedrichs des Großen abwichen.

Die Beschaffung des frischen Fleisches war der Truppe ohne Mitwirkung der Feldverwaltungsbehörden überlassen. Um das aus dem Lande beigetriebene Vieh schlachten zu können, war die Truppe mit Schlächtereigerät versehen. Die Einrichtung von Schlächtereien durch die Verwaltung war nicht vorbereitet; falls sie zu Zeiten längeren Stillstandes nötig werden sollte, sollten Arbeitskräfte und Ausstattung aus der Truppe entnommen werden. Nur die Etappenbäckereikolonnen waren zugleich für den Schlächtereibetrieb für den Bedarf der Etappe eingerichtet. Vorkehrungen zum Nachschub von Schlachtvieh aus der Heimat waren zwar getroffen (Ersatzviehdepots); in der Hauptsache sollten aber nur Dauerfleisch (Speck, Schinken, Rauchfleisch, Pökelfleisch, Wurst usw.) und Konserven nachgeführt werden zur Ergänzung der dem Lande entnommenen Versorgung mit frischem Fleisch.


3. Mobilmachung und Aufmarsch.

Nach diesem nur flüchtig skizzierten Plan waren die Vorbereitungen für den Verpflegungsdienst im Mobilmachungsfalle bis ins einzelne getroffen, soweit die Verhältnisse mit einiger Sicherheit zu übersehen waren. Und als sich am 1. August 1914 die Geheimschränke mit den Mobilmachungsvorarbeiten öffneten und sich die Mobilmachungsmaschine mit ihrem weitverzweigten, vieltausendfachen, feinen Räderwerk in Gang setzte, da begann auch bei den Intendanturen und Proviantämtern ein lebhaftes Summen und Surren.

Bei den Korpsintendanturen trennten sich die Feldintendanturen alsbald von den in der Heimat verbleibenden stellvertretenden Intendanturen. Diesen lag in Verbindung mit den Proviantämtern zunächst ob, die während des Aufmarsches in die Truppentransporte einzuschiebenden und die für den Generalintendanten als Reserve bereitzustellenden Verpflegungs-, Mehl- und Haferzüge beladen zu lassen, die in ihrem Verwaltungsbereich geplanten Kriegsverpflegungsanstalten und Proviantdepots der Sammelstationen betriebsfähig zu machen und die Aufbringung und Bereitstellung der ersten Nachschubvorräte einzuleiten (Füllung der Ersatzmagazine, Herstellung von Zwieback für Ergänzung der eisernen Portionen, Heranziehung der Privatindustrie zur Lieferung von zubereiteten Lebensmitteln usw.). Die Feldintendanturen hatten nur für das mobile Armeekorps zu sorgen.

[9] Unter ihrer Leitung wurden die Proviant- und Fuhrparkkolonnen nach den Beladungsplänen beladen und die Truppen für das Ausrücken ausgestattet.1 Die zur Ausstattung erforderlichen Verpflegungsmittel wurden aus den stets mit einem entsprechenden Mindestsollbestande versehenen Proviantämtern (ein kleiner Teil aus den Truppenküchen) empfangen oder sie waren (an Orten ohne Proviantämter) bei Unternehmern im Frieden vertraglich sichergestellt. Bei manchem dieser Unternehmer gab es ein erstauntes Gesicht, als er auf Grund eines vergilbten Vertrages an seine Lieferungspflicht erinnert wurde; mancher konnte ihr auch nicht nachkommen, im allgemeinen aber gingen die Beschaffungen glatt vonstatten. Die allseitige Begeisterung und Hilfsbereitschaft halfen Schwierigkeiten schnell überwinden, sie erleichterten auch die Durchführung der Quartierverpflegung derjenigen neu aufgestellten Formationen und ausgehobenen Vermehrungsmannschaften in den Mobilmachungsstandorten, die nicht aus gemeinsamen Küchen nach Art der Friedenseinrichtung verpflegt werden konnten.

Zur Verpflegung der Eisenbahntransporte waren an allen für den Aufmarsch des Heeres in Betracht kommenden Bahnlinien Kriegsverpflegungsanstalten in solcher Zahl und Leistungsfähigkeit eingerichtet, daß innerhalb 24 Stunden jeder Transport zweimal warme Kost und außerdem noch wenigstens einmal Kaffee und kalte Kost erhalten konnte. Mit den Anstalten waren auch Vorkehrungen zum Tränken der Pferde verbunden.

Da ihre Erbauung im Frieden bis ins einzelne vorbereitet war, einzelne Teile, wie Kesselanlagen, sogar fertiggestellt waren, konnten die Kriegsverpflegungsanstalten schon am 4. Mobilmachungstage betriebsfertig sein. Sie haben sich vollauf bewährt und sind in ihrer zweckmäßigen Einrichtung, die gestattete, die Transporte in unmittelbarer Nähe der Züge schnell mit kräftigem, warmem Essen zu verpflegen, den ganzen Krieg hindurch beibehalten. Bei den fortdauernden zahlreichen Transporten von einem Kriegsschauplatz zu dem andern haben allein sie deren ausreichende Verpflegung ermöglicht. Der Ausdehnung des im Militärbetrieb befindlichen Eisenbahnnetzes in das besetzte feindliche Gebiet hinein folgte deshalb auch stets die Anlage solcher Verpflegungsanstalten an den Hauptknotenpunkten usw. durch die Feldintendanturen der Militäreisenbahndirektionen.

Vor den großen Aufmarschtransporten wurden von allen Armee-Oberkommandos, Etappeninspektionen, Armee- und Reservekorps Generalstabsoffiziere, Sanitätsoffiziere und Beamte der Feldverwaltungsbehörden in das Versammlungsgebiet vorausbefördert zur Vorbereitung der Unterbringung der Truppen und ersten Einrichtung des Verpflegungsdienstes. Aus einem mit [10] den Mobilmachungsvorarbeiten aufgestellten Hefte "Friedensvorbereitungen" ersahen sie, welche Vorbereitungen im Frieden für die Verpflegung im Versammlungsgebiet vom Generalstab im Zusammenwirken mit den Kriegsministerien getroffen waren: Abgrenzung der Unterkunftsbezirke, Ergebnis der Erkundung von Plätzen zur Einrichtung von Magazinen und Feldbäckereien, Eintreffezeiten der Feldbäckereikolonnen und der zur Verfügung der Intendanten stehenden Verpflegungszüge, die Verpflegungsstärken an den einzelnen Aufmarschtagen usw. War auch in erster Linie Quartierverpflegung in Aussicht genommen, so war doch planmäßig Vorsorge getroffen, daß die aufmarschierende Armee 20 Tage im Versammlungsgebiet aus Nachschubvorräten leben konnte, so daß ihre Verpflegung während des Aufmarsches auf jeden Fall gesichert war.

Die Arbeit dieses vorausgesandten Personals wurde durch das Entgegenkommen der Bevölkerung und der Behörden wesentlich erleichtert. In vielen ländlichen Gemeinden hatten sich die Lehrer, soweit sie noch nicht zur Fahne geeilt waren, den Ortsvorstehern als Bureauhilfskraft zur Verfügung gestellt; an den Fernsprechern war ein freiwilliger Nachtdienst eingerichtet; Erhebungen über die Leistungsfähigkeit der Gemeinden in der Hergabe von Verpflegung waren angestellt. Überall begeisterte Mitarbeit an der Erreichung des einen Ziels, den Aufmarsch des Heeres reibungslos vor sich gehen zu lassen! Wieweit Quartierverpflegung gegeben werden konnte, war entsprechend der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse durchaus verschieden; überall mußte aber mit Brot und Hafer aus Heeresbeständen ausgeholfen werden. Die frühzeitige Inbetriebsetzung der Etappenhilfsbäckereien (Bäckereikolonnen, die in örtlichen Bäckereien oder an mitgeführten nichtfahrbaren Peyerschen Öfen arbeiteten) und der am Anfang der Aufmarschbewegung eintreffenden Feldbäckereikolonnen, für deren Versorgung mit Backmaterial aus Mehlzügen planmäßig gesorgt war, sicherten eine hinreichende Brotversorgung, und auch der Hafer konnte aus Nachschubzügen rechtzeitig geliefert werden. So bereitete die Verpflegung der aufmarschierenden Armeen dank der vortrefflichen Vorbereitungen keine Schwierigkeit; ein großer Teil der Verpflegungszüge blieb beladen für den Vormarsch verfügbar.

Nicht ganz so programmäßig verliefen die Vorbereitungen für den Vormarsch. Sie wurden gestört zum Teil durch den plötzlichen Beginn der Kampftätigkeit im Osten und bei der 7. Armee (XIV. und XV. Armeekorps bei Mülhausen) und den Beginn des Vormarsches sofort nach oder gar vor vollendetem Aufmarsch, wie beim IV. Reservekorps. Das erschwerte vor allem die Umbeladung der Proviant- und Fuhrparkkolonnen, die im Versammlungsgebiet ihr Backmaterial gegen Brot austauschen mußten. Das zur Beladung der Kolonnen bestimmte, von den Feldbäckereien gebackene Brot lag in solchen Fällen in Gegenden, die die Kolonnen gar nicht mehr berührten; und bis die schleunigst verschobenen Feldbäckereikolonnen Brot gebacken hatten, verging [11] einige Zeit, indessen es schon in großen Märschen vorwärts ging. Nur vorausschauende und wohldurchdachte Anordnungen für die Kolonnenbewegung und rechtzeitiges Heranschaffen des Brotes an die Vormarschstraßen der Kolonnen konnten helfen.

Die für die Verpflegung während des ersten Aufmarsches getroffenen Maßnahmen wurden in ihren Grundzügen auch bei späteren Aufmärschen und bei Truppenverschiebungen wiederholt: Ausstattung der Truppe von der absendenden Stelle für die Eisenbahnfahrt mit Verpflegung neben der Verpflegung aus Kriegsverpflegungsanstalten, desgleichen für den ersten Tag oder auch mehrere Tage nach dem Eintreffen am Bestimmungsort, volles Beladen aller Verpflegungskolonnen am Absendeort, Voraussenden von Personal zur Vorbereitung der Verpflegung am neuen Verwendungsort, Vorausbefördern der Feldbäckereikolonnen mit Mehl zur sofortigen Eröffnung des Betriebes, Einschieben von Verpflegungszügen in die Aufmarschbewegung zur Sicherstellung der Verpflegung, bis die neue Etappe die Versorgung übernehmen konnte. Damit wurde stets der Erfolg erzielt, daß die Truppen nach ihrem Eintreffen voll verpflegt werden und die Operationen unabhängig von Verpflegungssorgen sogleich nach beendetem Aufmarsch beginnen konnten. Wo aber ausnahmsweise auch nur zum Teil von den Grundsätzen abgewichen ist, haben sich außerordentliche Schwierigkeiten ergeben.


1 [1/9]Mit eisernen Portionen und Haferrationen, 2 Portionen und 1 - 2 Haferrationen für die Lebensmittel- und Futterwagen, für die Eisenbahnfahrt Brot und Hafer auf 2 - 3 Tage sowie Heu für 1 Tag, und 1 Portion und 1 Haferration für den ersten Tag im Versammlungsgebiet. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte