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Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung, Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im Heere

[1] Kapitel 1: Die deutsche Verwaltung
des Generalgouvernements in Belgien 1914-1918

Generalleutnant Hans v. Winterfeld

1. Das Königreich Belgien, Land und Leute.

Von den rauhen Hochflächen der Ardennen südlich der Maas bis zur klimatisch milderen Nordseeküste in Flandern zieht sich in einer Ausdehnung von je etwa 250 km nach der Länge und Breite das Land hin, welches vor dem Weltkriege dem Namen nach neutral war und sich während des Krieges und nachher als einer der haßerfülltesten Gegner Deutschlands erwies.

Gleich einem Keil ist Belgien von Norden her zwischen Deutschland und Frankreich eingeschlagen, mit beiden durch zahllose wirtschaftliche Beziehungen verbunden, bis zum Kriege auch mit beiden in durchaus freundschaftlicher Weise verkehrend. Erst der Krieg schuf eine Änderung. Belgien mußte in deutsche Verwaltung genommen werden und unterstand ihr während eines Zeitraumes von über vier Jahren, in denen Freund und Feind Gelegenheit hatte, sich davon zu überzeugen, was sie unter den schwierigsten Verhältnissen zu leisten imstande sei.

Zur Beurteilung der deutschen Verwaltung in Belgien ist eine kurze Beschreibung des Landes und seiner Bewohner unerläßlich.

Belgien wird von der Maas und der Schelde mit ihren Zuflüssen im allgemeinen in der Richtung von Südwesten nach Nordosten durchströmt. Die Maas in tief eingerissenem, oft steilwandigem Bette rasch dahineilend, die Schelde bis weit ins Inland hinein den Gezeiten des Meeres unterliegend und träge durch flaches Land dahinschleichend. Beide durch ein ausgedehntes Kanalnetz verbunden.

Das Land südlich der Maas und ihres linken Nebenflusses, der Sambre, wird von den Ardennen und ihren Ausläufern eingenommen, einem flachrückigen Waldgebirge, welches sich besonders für Weidewirtschaft, in seinem nördlicheren Teile auch für den Ackerbau eignet.

Von der Maas bis zum Meere ist das Land meist eben, eignet sich vortrefflich zum Acker-, in seiner westlichen Hälfte wegen seines fetten Bodens und [2] feuchten, milden Seeklimas im besonderen für den die üppigsten Erträge liefernden Gartenbau. Nur der nordöstlichste, an Holland angrenzende Teil, die Kampine, ist ein weniger fruchtbares Land, an die großen Heideflächen in Nordwestdeutschland erinnernd.

Die Zucht der schweren belgischen Pferderasse und sehr günstige Bedingungen für die Rindviehzucht bilden eine Besonderheit des belgischen Bodens. Bedeutendes wird hierin geleistet.

Die etwa 7½ Millionen Menschen zählende Bevölkerung zerfällt in zwei streng unterschiedene Rassen, die Flamen im Norden, die Wallonen im Süden. Beide trennt etwa die gleichzeitig eine scharfe Sprachgrenze bildende Linie Visé - Wawre - Menin. Die Hauptstadt Brüssel ist in der Mehrheit ihrer Bevölkerung flämisch, nur die Oberschicht wallonisch-französisch.

Die Flamen, welche im ganzen die Mehrheit der Bevölkerung bilden, sind ein rein germanischer Stamm, ihre Schriftsprache ist das Holländische. Sie sind schwerfällig, mißtrauisch und genossen im Königreich nicht diejenige Stellung, die ihnen durch ihre Zahl gebührt hätte. Ihre nur dünne Oberschicht, einschließlich des größten Teils der sehr einflußreichen Geistlichkeit war in der Mehrheit französischen Einflüssen unterlegen. In Verbindung mit der wallonischen Minderheit, die romanischen Stammes, lebhaft und leicht beweglich ist, hatte sich die Regierung ganz in deren Sinne entwickelt, das flämische Element vollständig unterdrückend.

Wirtschaftliche Betriebsamkeit erfüllt beide Volksstämme etwa gleichmäßig; sie ist aber doch nicht so hoch entwickelt wie in allen Teilen des Deutschen Reiches. Tiefe Unwissenheit und mangelnde Kultur in den unteren Volksschichten steht in krassem Gegensatz zu der verfeinerten Lebenshaltung der höheren Bevölkerungsklassen. Ein ausgesprochener Hang zum Wohlleben und zur Bequemlichkeit ist ein sehr bezeichnender Charakterzug des Belgiers.

Militärisch brauchbar ist die Bevölkerung nicht; von der allgemeinen Dienstpflicht wußte sie bis kurz vor dem Kriege nur von Hörensagen; offener Widerstand gegen die deutsche Besetzung lag ihr daher nach Erledigung der ersten Franktireurkämpfe gänzlich fern.

Dabei fehlte es aber nicht an Patriotismus in sämtlichen Bevölkerungsschichten, welcher sich mit allen geheimen Mitteln gegen die deutsche Besetzung wendete und in der oft hinterlistigen und wenig offenen Wesensart des Volkes eine treffliche Unterstützung fand. Auch die germanischen Flamen wollten mit ganz geringen Ausnahmen von Deutschland nichts wissen. Sie wollten Flamen sein, höchstens vielleicht noch Holländer, aber niemals Deutsche, ein Umstand, der in Deutschland oft übersehen wird.

Belgien ist ein reiches Land. Zwar kann die große Menge seiner Bewohner mit Lebensmitteln, besonders mit Brotgetreide, nur für einen Teil des Jahres aus eigenem Boden versorgt werden. Aber die mineralischen Bodenschätze, [3] ausgenutzt zur Fabrikation hochwertiger Erzeugnisse aus eingeführten Rohstoffen und gefördert durch einen umfangreichen Handel mit den Grenzländern, besonders Deutschland und Frankreich, und mit Übersee, verschafften dem Lande ein großes Maß materiellen Gedeihens.

Die sehr starke Industrie folgt in ihrer Lage im allgemeinen dem Vorkommen an Kohle in den drei großen Becken von Lüttich, Charleroi und Mons. So hat sich an der Maas und ihren Zuflüssen, der Ourthe und Sambre, eine großartige Metallbearbeitungs- und chemische Industrie entwickelt, und umfangreiche Steinbruchsanlagen sind in allen dem Maasgebiet zugehörenden Flußtälern zu finden. Bei Verviers ist eine bedeutende Wollspinnerei und -weberei und an der Lys in Flandern die Flachs- und Leinenbearbeitung und Baumwollspinnerei sowie die Spitzenindustrie zu Hause. Auch Brüssel und Antwerpen sind industrielle Mittelpunkte.

Der Haupthandelsplatz, besonders für den Überseehandel, ist Antwerpen. Der größte Teil des hier betriebenen Umschlages bezog sich in Friedenszeiten auf die nach und von Deutschland, Nordfrankreich und der Schweiz gehenden und kommenden Güter. Mit der großen Kolonie des Kongobeckens herrschte reger Verkehr, und zahlreiche belgische Industrie- und Handelsinteressen bestanden mit Südamerika und Ostasien, wo große belgische Kapitalien arbeiteten. Dabei wurde der bei weitem größte Teil dieses Handels durch englische und in immer steigendem Maße durch deutsche Schiffahrtslinien besorgt, während die belgische Handelsflotte nur recht bescheiden war.


2. Die erste Einrichtung des Generalgouvernements bis zum Abschluß der Einmarschkämpfe.

Die politischen Beziehungen Belgiens vor dem Kriege zu behandeln, ist hier nicht der Ort; sie werden an anderer Stelle erörtert werden. Auch die ersten kriegerischen Ereignisse auf belgischem Boden gehören nicht in den Rahmen der folgenden Darstellung.

Als die deutschen Heere, im besonderen die 1. - 4. Armee, im August 1914 Belgien im Fluge durcheilten und große Strecken besetzten Landes hinter ihrer Front ließen, ergab sich die Notwendigkeit, diese Teile in geordnete Verwaltung zu nehmen.

Nach dem Vorbilde der Jahre 1870/71 und auf Grund der Bestimmungen der Kriegsetappenordnung wurde vom Chef des Generalstabs des Feldheeres die Bildung des Generalgouvernements in Belgien vorgeschlagen und durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 26. August 1914 angeordnet. Die entsprechenden Vorfragen waren bereits früher geklärt, so daß der neu ernannte Generalgouverneur, Generalfeldmarschall Freiherr v. d. Goltz, mit kleinem Stabe [4] bereits am 26. August in Lüttich eintreffen konnte. Am selben Tage wurde ihm in der Person des preußischen Regierungspräsidenten von Aachen, Freiherrn v. Sandt, ein Chef der einzurichtenden Zivilverwaltung beigeordnet.

Vorläufig waren die Verhältnisse zwar noch wenig geklärt, aber auch zunächst rein militärischer Art.

Bei weitem noch nicht das ganze Gebiet des späteren Generalgouvernements war im Besitz der deutschen Truppen. Die auf ihrem rechten Flügel marschierende 1. Armee hatte mit den nördlichsten Teilen über Tongern - Diest - Aerschot - nördlich Brüssel vorbei - Lessines gerade die belgisch-französische Grenze überschritten. Die belgische Armee war nach der Zentralfestung Antwerpen zurückgedrückt; ihr gegenüber stand das III. Reservekorps als Rückensicherung der deutschen Armeen und ihrer rückwärtigen Verbindungen. Andere deutsche Verbände, Teile der in Lüttich und Namur zurückgelassenen Etappentruppen, unter ihnen besonders die gemischte 26. und 37. Landwehrbrigade und die 1. Reserve-Ersatzbrigade, deckten gegen die Provinz Limburg und gegen die Scheldelinie, hinter welcher die Verhältnisse beim Feinde gänzlich ungeklärt lagen. Man mußte dort erhebliche Teile des belgischen Feldheeres und englische Truppen von unbekannter Stärke vermuten.

Südlich und südöstlich der vom äußersten rechten deutschen Flügel durchzogenen Linie hatte der Kampf aufgehört, auch der Franktireurkrieg. Die scharfen deutschen Maßnahmen hatten der Bevölkerung eine heilsame Lehre erteilt. Das ganze Land war angefüllt mit deutschen Truppen und Formationen aller Art, welche die vorwärtseilenden Heere zu erreichen strebten, und mit den Teilen des XI. Armeekorps und des Garde-Reservekorps, die von der Westfront nach dem Osten gezogen wurden.

So war denn für wichtigere zivile Verwaltungsanordnungen vorläufig noch kein Raum; das gesamte Land war noch Etappen- und Operationsgebiet.

Es handelte sich zunächst um Abrechnung mit dem in der rechten Flanke und im Rücken stehenden Feinde. Da vermutet werden mußte, daß die große Festung Antwerpen englischen Truppen, welche zur See anlangen konnten, als Operationsbasis dienen würde, ordnete die Oberste Heeresleitung am 9. September die Wegnahme der Festung an, und unterstellte die dafür bestimmte Angriffsarmee dem General der Infanterie v. Beseler. Sein III. Reservekorps bildete ihren Kern; außerdem traten zu ihr die Marinedivision, später die 4. Ersatzdivision, das durch den Fall von Maubeuge frei gewordene Belagerungsgerät und große Teile der Truppen des Generalgouvernements.

Einige schwere Krisen, welche vor diesem Tage durch Ausfälle der Belgier aus Antwerpen entstanden waren, konnten mit Hilfe des auf dem Durchmarsch befindlichen IX. Reservekorps und durch zeitweise Ausladung von Truppen der 7. Armee behoben werden, welche auf dem Transport vom Elsaß nach Nordfrankreich begriffen waren.

[5] Die Festung fiel durch abgekürzten Angriff am 9./10. Oktober. Große Teile der Truppen des Generalgouvernements hatten an den zum Teil sehr verlustreichen Kämpfen ruhmvoll teilgenommen. Unmittelbar anschließend wurde die Verfolgung des zum größten Teil aus Antwerpen entkommenen belgischen Heeres sofort aufgenommen.

Die Angriffsarmee war zeitweise dem Armee-Oberkommando 7, dann dem Generalgouverneur unterstellt worden, und der Generalfeldmarschall hatte sich fast täglich von seinem Amtssitze Brüssel aus auf die Gefechtsfelder begeben und an den Kämpfen teilgenommen.

Die sofort in der Richtung auf die flandrische Küste unternommene Verfolgung traf nicht mehr auf stärkeren Widerstand. Gent wurde am 12., Brügge am 14., Ostende am 15. Oktober erreicht.

Die inzwischen aus den neuformierten XXII., XXIII., XXVI., XXVII. und dem III. Reservekorps umgebildete 4. Armee war gefolgt und an der Yser bei Ypern auf die durch Franzosen und Engländer verstärkten Belgier gestoßen. Am 18. Oktober begann die Schlacht an der Yser. Bis zum deutschen Zusammenbruch kam hier die Front mit geringen Schwankungen zum Stehen.

Ganz Belgien, soweit es überhaupt in deutscher Hand gewesen ist, war nunmehr von feindlichen Truppen gesäubert.

Es konnte jetzt an die Einrichtung der deutschen Verwaltung gegangen werden.


3. Die organisatorischen Grundlagen.

Die Grundlage der Verwaltung war bestimmungsmäßig die vielgenannte Haager Landkriegsordnung, besonders ihr § 43. Nach ihren Bestimmungen sollten alle Anordnungen getroffen werden. Bei der Dehnbarkeit dieser nicht einmal von allen Kulturnationen angenommenen völkerrechtlichen Vereinbarungen war es natürlich, daß sogar zwischen den verschiedenen deutschen Behörden Unterschiede in der Auffassung vorkamen. Um wieviel mehr mußte dies geschehen, wenn Regierungsmaßregeln den Belgiern oder im weiteren Sinne den feindlichen Regierungen oder sogar den neutralen irgendwie störend vorkamen.

Indessen ist es jedenfalls Tatsache, daß die deutsche Verwaltung in Belgien zu jeder Zeit von dem Bestreben geleitet wurde, den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung nachzukommen und in ihrem Sinne zu handeln, wenn für neue Verhältnisse Bestimmungen fehlten.

Daß sie damit nicht immer den Beifall der feindlichen oder neutralen Regierungen, Parteien und Presse fanden, mußte ertragen werden. Fand doch sogar zuweilen die deutsche Öffentlichkeit Vorwürfe und Verständnislosigkeit für die Okkupationsregierung.

[6] Die Gesichtspunkte, auf welche alle Anordnungen des Generalgouverneurs hinzielen mußten, kann man kurz in den drei folgenden zusammenfassen.

1. Das Land mußte derartig in Ruhe und Ordnung gehalten werden, daß die deutschen Westheere ihre Kampfhandlungen ohne Rücksicht auf das, was in ihrem Rücken sich ereignete, führen konnten.

2. Die Hilfsmittel, welche Belgien für die deutsche Kriegführung liefern konnte, mußten mindestens so ausgenutzt werden, wie dies in der Heimat geschah; diese sollte dadurch möglichst entlastet werden.

3. Unter Berücksichtigung des letzteren Umstandes waren die Lebens- und wirtschaftlichen Bedingungen der Bevölkerung erträglich zu gestalten, Landwirtschaft, Handel und Industrie mußten wieder belebt werden.

Dabei war es oft nicht einfach, die richtige Mitte zu finden zwischen den Anforderungen, welche von den verschiedenen Seiten an das Generalgouvernement herantraten.

Durch die Einsetzungsorder vom 26. August 1914 war das Generalgouvernement niemand unterstellt als Seiner Majestät dem Kaiser allein; weder der Reichskanzler noch die Oberste Heeresleitung in der Person des Chefs des Generalstabs des Feldheeres, noch der Kriegsminister waren Vorgesetzte des Generalgouverneurs. Wohl hatte Seine Majestät der Kaiser dem Chef des Generalstabs die Befugnis gegeben, in seinem Namen Befehle operativer Art zu erteilen; auch hatte natürlich der Kriegsminister die Berechtigung, Anordnungen wirtschaftlicher Art für die deutschen Truppen zu geben; und der Reichskanzler und seine Organe blieben oder wurden vorgesetzte Behörden der Beamten der Zivilverwaltung. Aber für alles, was außer in operativer Beziehung anzuordnen war, blieb der Generalgouverneur allein dem Kaiser gegenüber verantwortlich. Ihm war in seiner Instruktion "unumschränkte Vollmacht" gegeben worden. Davon konnte ihn auch nicht entlasten, daß in den vier Jahren deutscher Verwaltung von allen Seiten Aufforderungen, Bitten, Klagen, Insinuationen usw. an das Generalgouvernement gelangten, welche in diesem oder jenem Sinne und meist sehr energisch Erlaß oder Aufhebung irgendwelcher Anordnungen verlangten. Es war eben nicht möglich, es jedem recht zu machen.

Zweifellos wäre es richtiger gewesen, von vornherein die ganze Organisation anders einzurichten und das Generalgouvernement der Obersten Heeresleitung in allen Dingen zu unterstellen, so wie es im weiteren Verlauf des Krieges mit Rumänien geschah, wo auch Raum für ein Generalgouvernement vorhanden war, aber dennoch nur eine reine Militärverwaltung eingerichtet wurde. Viele Unklarheiten und Reibungen wären dann vermieden worden.

Die Verwaltung des Generalgouvernements entwickelte sich eben als erste ihrer Art ganz allmählich je nach den eintretenden, meist gar nicht vorauszusehenden Bedürfnissen, ohne Anlehnung an einen passenden Vorgang und wurde schließlich zwangsläufig ein ziemlich kompliziertes Gebilde.

[7] Einrichtungen, die sich manchmal im späteren Verlauf als weniger zweckmäßig herausstellten, konnten dann nicht immer abgeschafft oder grundlegend verändert werden, weil die Zeit oder die sachlichen, besonders aber die persönlichen Mittel dazu fehlten. Der in der Heimat sich bald einstellende Menschenmangel trat auch in Belgiens Verwaltung störend in die Erscheinung. Oft mußte mit den Reichsbehörden um einzelne Persönlichkeiten gefeilscht werden, welche im Generalgouvernement unbedingt gebraucht wurden.

Die Verhältnisse brachten es mit sich, daß die Tätigkeit der militärischen Dienststellen sich oft auf Gebiete erstrecken mußte, deren Bewirtschaftung wohl eigentlich der Zivilverwaltung obgelegen hätte, wie sich im Laufe des langdauernden Krieges herausstellte, oder daß der Zivilverwaltung Aufgaben erwuchsen, die sie ohne die militärischen Hilfsmittel nicht erfüllen konnte. Beide waren häufig aufeinander angewiesen.

Daß die Verhältnisse in vieler Beziehung unklar waren und unklar bleiben mußten, unterliegt somit keinem Zweifel. Daß dadurch Gelegenheit zu Reibungen aller Art gegeben war, ist natürlich, und nur dem gegenseitigen Verständnis und Takt der beteiligten Persönlichkeiten ist es zu danken, daß schwere Konflikte auch mit außerhalb des Generalgouvernements stehenden Behörden ausblieben oder schnell ausgeglichen wurden.

Ein Umstand, welcher eine große Wichtigkeit für die Regierung Belgiens hatte, ist die Tatsache, daß die deutsche Verwaltung in gewissem Sinne als vorübergehende Nachfolgerin der belgischen Regierung angesehen wurde. Sie war es ja insofern, als sie erklärt hatte und auch tatsächlich bestrebt war, gemäß den bestehenden belgischen Gesetzen und, wo es möglich war, auch mit den belgischen Beamten regieren zu wollen.

Daß dieser Standpunkt auch vom Gegner und den Neutralen angenommen war, wird dadurch bewiesen, daß die beim König der Belgier beglaubigten neutralen Gesandten und der päpstliche Nuntius nach einigem Zweifel in Brüssel blieben oder ihre Vertreter beließen, mit denen der Generalgouverneur in durchaus korrekte geschäftliche Beziehungen trat. Im Lauf des Krieges schieden ja die Vertreter der neu auf den Kampfplatz tretenden Mächte, so namentlich derjenige der Vereinigten Staaten von Nordamerika, aus. Aber die übrigen, in erster Linie der spanische und der Vertreter des holländischen Gesandten, blieben dauernd anwesend.

Auch die mit Deutschland verbündeten Länder, Österreich-Ungarn, die Türkei und Bulgarien, hatten ständige Vertreter als Kommissare beim Generalgouverneur.

So konnte er in Belgien die ihm übertragene Gewalt ausüben fast als ein absoluter Herrscher, ohne Volksvertretung und mit den ihm allein verantwortlichen Gehilfen, wenn man so will, seinen Ministern.

[8] Aber eine gewisse Kontrolle bestand doch. Für die Geldgebarung, die von der deutschen Verwaltung für belgische Zwecke aus belgischen Fonds betätigt wurde, blieb der belgische Rechnungshof bestehen, und für die gleichartige deutsche wurde ein Kommissar des Rechnungshofes des Deutschen Reichs eingesetzt.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte