Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
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Kapitel 2: Die Heeresversorgung
mit Bekleidung und Ausrüstung
Generalmajor Erich v. Flotow, unter Mitwirkung von Generalleutnant Hans v.
Feldmann
1. Einleitung.
Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten sind von stärkstem, u. U.
bestimmendem Einfluß auf seine Leistungsfähigkeit, die von
zweckmäßiger Ausgestaltung und Zusammenstellung der einzelnen
Stücke abhängt.
Die Bekleidung soll den Soldaten vor der Kälte des Winters und der Nacht
schützen, im Sommer und bei den Anstrengungen des Marsches aber nicht
überhitzen. Eisiger Wind soll nicht von außen nach innen dringen,
die Ausdünstung der Haut aber durch die Kleidung von innen nach
außen austreten können. Regen soll den Soldaten nicht sofort bis auf
die Haut durchnässen; wenn aber die naß gewordene Kleidung nicht
gewechselt werden kann, soll sie schnell trocknen, ohne daß die beim
Trocknen entstehende Verdunstungskälte zu stark auf den Körper
einwirkt und die Gesundheit schädigt. Die Bekleidung soll nicht zu dick
und nicht zu schwer sein, um den Soldaten nicht mehr als nötig zu belasten;
sie soll aber dauerhaft und haltbar sein, beim Tragen von Waffen, Tornister und
Ausrüstung, beim Knien, Liegen und Kriechen, beim Durchschreiten von
Gestrüpp und beim Überwinden von Hindernissen nicht gleich sich
durchscheuern oder reißen.
Im Schnitt und Sitz soll die Bekleidung die freie Bewegung des Soldaten nicht
hemmen. In ihr muß der Mann seine Waffe frei gebrauchen, leicht sich
bewegen, laufen, kriechen, klettern und Hindernisse überwinden
können. Der Soldat soll im Gelände so wenig wie möglich
gesehen werden. Leuchtende Farben im Grundtuch oder in
regelmäßiger Anordnung bei Kragen, Besätzen,
Aufschlägen oder Schulterklappen erleichtern dem Feinde das Erkennen,
Zielen und Treffen - sie sind dem Träger schädlich. Sichtbare
Unterscheidungszeichen sind aber zur Erhaltung der Mannszucht nötig.
Erkennbarkeit der Dienstgrade auf gewissen Entfernungen erleichtern die
Führung und Befehlsgebung. Die Möglichkeit, Freund und Feind
sicher unterscheiden zu können, vermindert die Gefahr des
Beschießens eigener Truppen.
Alles, was der Soldat im Felde braucht, muß er bei sich führen, sonst
fehlt es ihm im entscheidenden Augenblick. Durchnäßt muß er
in der Lage sein, [99] im Quartier oder in der
Ruhe andere Kleidung anzuziehen. Er muß die Unterkleidung wechseln
können, um sie zu waschen. Dazu muß er von ihr eine zweite
Ausstattung bei sich führen. Die Belastung mit zu vielen Stücken
beeinträchtigt aber wieder die Marschfähigkeit und Marschleistung
von Mann und Pferd. Eine Beschränkung der Ausstattung mit mehreren
Stücken ist also geboten, zumal Waffen, Munition und sonstige
Ausrüstung Mann und Pferd schon stark belasten.
Die Anforderungen, die an die militärische Bekleidung und
Ausrüstung gestellt werden, sind mithin recht mannigfach und oft einander
entgegengesetzt. Diese Gegensätze auszugleichen und die richtige Mitte zu
halten, ist eine schwierige Aufgabe, die eine genaue Kenntnis der
Bedürfnisse des Soldaten und der Waffengattungen, eine eingehende
Kenntnis und richtige Einschätzung der Kriegserfahrungen, und auch
Fachkenntnisse sowie Erfahrungen in den verschiedenen Zweigen des
Bekleidungsgewerbes erfordern.
Die Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten hat im Lauf der Jahre manche
Wandlungen durchgemacht. Sie hat sich allmählich entwickelt. Bestimmte
Grundsätze hatten sich herausgebildet. Die Art der Kriegführung,
Fechtweise und Bewaffnung übten einen Einfluß auf Bekleidung und
Ausrüstung aus. Beide mußten sich den durch Waffentechnik und
Taktik veränderten Anforderungen anpassen. Fortschritte in der Technik
der Bekleidungsgewerbe mußten der militärischen Bekleidung und
Ausrüstung dienstbar gemacht und auch aus volkswirtschaftlichen
Gründen ausgenutzt werden. Fortgesetzt wurde an Verbesserungen
gearbeitet. Ganz besonders aber war dies der Fall in dem letzten Jahrzehnt vor
dem Kriege, weil die Einführung des rauchschwachen Pulvers und der
weittragenden Feuerwaffen neue Anforderungen an die Bekleidung des Soldaten
stellten. In den Zeiten, als die Waffen noch nicht entfernt so weit trugen wie heute
und Pulverdampf das Schlachtfeld einhüllte, war bunte Bekleidung nicht
schädlich, vielmehr zum Erkennen von Freund und Feind sogar
nützlich. Aber das rauchschwache Pulver, die Maschinengewehre und noch
mehr die weittragenden, den Winken von Fliegern gehorchenden Kanonen boten
dem Heere von vornherein einen gewaltigen Vorteil, dessen Bekleidung sich am
wenigsten vom Erdboden unterschied. An die Stelle der farbenprächtigen
Bekleidung trat die unscheinbare feldgraue. Wenn auch hierbei noch nicht die
Folgerung bis zum letzten gezogen, vielmehr mancher blinkende und weithin
sichtbare Teil von der blauen Bekleidung auf die feldgraue übernommen
worden war, hatte das deutsche Heer beim Ausbruch des Weltkrieges doch einen
Vorsprung vor anderen, z. B. vor den Franzosen, die 1914 zum
größten Teil noch in ihrer bunten Bekleidung und mit weit sichtbaren
roten Hosen ins Feld zogen, weil in Frankreich die Bereitstellung der bereits
vorgesehenen feldblauen Bekleidung noch nicht weit genug vorbereitet war.
Derartige Änderungen ließen sich nicht in kurzer Zeit
durchführen; die alten Bestände mußten erst aufgebraucht
werden. Da nur das Friedensheer, [100] das viel
schwächer als das Kriegsheer war, die vorhandenen Bestände
aufbrauchte, vergingen naturgemäß Jahre, bis die alten Uniformen
aus den Beständen verschwunden waren. Es kam also darauf an, alle
Vorbereitungen so frühzeitig wie möglich einzuleiten und weit
vorausschauend zu treffen. Die deutsche Heeresverwaltung hatte hierin viel getan.
Sie hatte aber nicht damit gerechnet, einmal einer ganzen Welt von Feinden
gegenüberzustehen und von fremden
Hilfs- und Bezugsquellen abgeschnitten zu werden. Auf einen Weltkrieg war sie
nicht vorbereitet. Daraus erklären sich viele Schwierigkeiten, die
während des Krieges zu überwinden blieben.
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