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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

[98] Kapitel 2: Die Heeresversorgung
mit Bekleidung und Ausrüstung

Generalmajor Erich v. Flotow, unter Mitwirkung von Generalleutnant Hans v. Feldmann

1. Einleitung.

Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten sind von stärkstem, u. U. bestimmendem Einfluß auf seine Leistungsfähigkeit, die von zweckmäßiger Ausgestaltung und Zusammenstellung der einzelnen Stücke abhängt.

Die Bekleidung soll den Soldaten vor der Kälte des Winters und der Nacht schützen, im Sommer und bei den Anstrengungen des Marsches aber nicht überhitzen. Eisiger Wind soll nicht von außen nach innen dringen, die Ausdünstung der Haut aber durch die Kleidung von innen nach außen austreten können. Regen soll den Soldaten nicht sofort bis auf die Haut durchnässen; wenn aber die naß gewordene Kleidung nicht gewechselt werden kann, soll sie schnell trocknen, ohne daß die beim Trocknen entstehende Verdunstungskälte zu stark auf den Körper einwirkt und die Gesundheit schädigt. Die Bekleidung soll nicht zu dick und nicht zu schwer sein, um den Soldaten nicht mehr als nötig zu belasten; sie soll aber dauerhaft und haltbar sein, beim Tragen von Waffen, Tornister und Ausrüstung, beim Knien, Liegen und Kriechen, beim Durchschreiten von Gestrüpp und beim Überwinden von Hindernissen nicht gleich sich durchscheuern oder reißen.

Im Schnitt und Sitz soll die Bekleidung die freie Bewegung des Soldaten nicht hemmen. In ihr muß der Mann seine Waffe frei gebrauchen, leicht sich bewegen, laufen, kriechen, klettern und Hindernisse überwinden können. Der Soldat soll im Gelände so wenig wie möglich gesehen werden. Leuchtende Farben im Grundtuch oder in regelmäßiger Anordnung bei Kragen, Besätzen, Aufschlägen oder Schulterklappen erleichtern dem Feinde das Erkennen, Zielen und Treffen - sie sind dem Träger schädlich. Sichtbare Unterscheidungszeichen sind aber zur Erhaltung der Mannszucht nötig. Erkennbarkeit der Dienstgrade auf gewissen Entfernungen erleichtern die Führung und Befehlsgebung. Die Möglichkeit, Freund und Feind sicher unterscheiden zu können, vermindert die Gefahr des Beschießens eigener Truppen.

Alles, was der Soldat im Felde braucht, muß er bei sich führen, sonst fehlt es ihm im entscheidenden Augenblick. Durchnäßt muß er in der Lage sein, [99] im Quartier oder in der Ruhe andere Kleidung anzuziehen. Er muß die Unterkleidung wechseln können, um sie zu waschen. Dazu muß er von ihr eine zweite Ausstattung bei sich führen. Die Belastung mit zu vielen Stücken beeinträchtigt aber wieder die Marschfähigkeit und Marschleistung von Mann und Pferd. Eine Beschränkung der Ausstattung mit mehreren Stücken ist also geboten, zumal Waffen, Munition und sonstige Ausrüstung Mann und Pferd schon stark belasten.

Die Anforderungen, die an die militärische Bekleidung und Ausrüstung gestellt werden, sind mithin recht mannigfach und oft einander entgegengesetzt. Diese Gegensätze auszugleichen und die richtige Mitte zu halten, ist eine schwierige Aufgabe, die eine genaue Kenntnis der Bedürfnisse des Soldaten und der Waffengattungen, eine eingehende Kenntnis und richtige Einschätzung der Kriegserfahrungen, und auch Fachkenntnisse sowie Erfahrungen in den verschiedenen Zweigen des Bekleidungsgewerbes erfordern.

Die Bekleidung und Ausrüstung des Soldaten hat im Lauf der Jahre manche Wandlungen durchgemacht. Sie hat sich allmählich entwickelt. Bestimmte Grundsätze hatten sich herausgebildet. Die Art der Kriegführung, Fechtweise und Bewaffnung übten einen Einfluß auf Bekleidung und Ausrüstung aus. Beide mußten sich den durch Waffentechnik und Taktik veränderten Anforderungen anpassen. Fortschritte in der Technik der Bekleidungsgewerbe mußten der militärischen Bekleidung und Ausrüstung dienstbar gemacht und auch aus volkswirtschaftlichen Gründen ausgenutzt werden. Fortgesetzt wurde an Verbesserungen gearbeitet. Ganz besonders aber war dies der Fall in dem letzten Jahrzehnt vor dem Kriege, weil die Einführung des rauchschwachen Pulvers und der weittragenden Feuerwaffen neue Anforderungen an die Bekleidung des Soldaten stellten. In den Zeiten, als die Waffen noch nicht entfernt so weit trugen wie heute und Pulverdampf das Schlachtfeld einhüllte, war bunte Bekleidung nicht schädlich, vielmehr zum Erkennen von Freund und Feind sogar nützlich. Aber das rauchschwache Pulver, die Maschinengewehre und noch mehr die weittragenden, den Winken von Fliegern gehorchenden Kanonen boten dem Heere von vornherein einen gewaltigen Vorteil, dessen Bekleidung sich am wenigsten vom Erdboden unterschied. An die Stelle der farbenprächtigen Bekleidung trat die unscheinbare feldgraue. Wenn auch hierbei noch nicht die Folgerung bis zum letzten gezogen, vielmehr mancher blinkende und weithin sichtbare Teil von der blauen Bekleidung auf die feldgraue übernommen worden war, hatte das deutsche Heer beim Ausbruch des Weltkrieges doch einen Vorsprung vor anderen, z. B. vor den Franzosen, die 1914 zum größten Teil noch in ihrer bunten Bekleidung und mit weit sichtbaren roten Hosen ins Feld zogen, weil in Frankreich die Bereitstellung der bereits vorgesehenen feldblauen Bekleidung noch nicht weit genug vorbereitet war.

Derartige Änderungen ließen sich nicht in kurzer Zeit durchführen; die alten Bestände mußten erst aufgebraucht werden. Da nur das Friedensheer, [100] das viel schwächer als das Kriegsheer war, die vorhandenen Bestände aufbrauchte, vergingen naturgemäß Jahre, bis die alten Uniformen aus den Beständen verschwunden waren. Es kam also darauf an, alle Vorbereitungen so frühzeitig wie möglich einzuleiten und weit vorausschauend zu treffen. Die deutsche Heeresverwaltung hatte hierin viel getan. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, einmal einer ganzen Welt von Feinden gegenüberzustehen und von fremden Hilfs- und Bezugsquellen abgeschnitten zu werden. Auf einen Weltkrieg war sie nicht vorbereitet. Daraus erklären sich viele Schwierigkeiten, die während des Krieges zu überwinden blieben.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte