Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 2: Die
Heeresversorgung
mit Bekleidung und Ausrüstung
(Forts.)
Generalmajor Erich v. Flotow, unter
Mitwirkung von Generalleutnant Hans v.
Feldmann
2. Ausstattung der Truppen mit
Bekleidung.
Einkleidung bei Kriegsausbruch.
Die Einkleidung der bei der Mobilmachung planmäßig aufgestellten
Kriegsformationen vollzog sich ohne Reibungen. Für jeden Kopf aller
"planmäßig" aufzustellenden Formationen lag im Frieden eine volle
Ausstattung an Bekleidung und Ausrüstung, im einzelnen durch die
Bekleidungs- und Ausrüstungsnachweisung geregelt, bereit. An Stelle der
blauen Bekleidung war, wie erwähnt, schon seit mehreren Jahren vor
Kriegsbeginn nur feldgraue Bekleidung gefertigt worden, so daß das
Feldheer ausnahmslos feldgrau eingekleidet werden konnte, während das
Besatzungsheer sich im allgemeinen noch mit blauen Stücken
begnügen mußte.
Im übrigen war für alle zu mobiler Verwendung in Aussicht
genommenen Formationen feldbrauchbare Bekleidung und Ausrüstung
bereit gestellt; es fehlte nichts.
Die Ersatztruppen der Feldregimenter sollten mit feldbrauchbarer, die immobilen
Formationen mit garnisonbrauchbarer Bekleidung und Ausrüstung
ausgestattet werden. Auch diese war für die planmäßig
vorgesehenen Formationen vorhanden.
Als feldbrauchbar galten zwar nicht nur neue Stücke, sondern auch solche,
die bereits gebraucht waren, aber noch einen Wert von mindestens drei
Fünftel des Neuwertes besaßen. Tatsächlich ist aber das
Feldheer ausnahmslos in feldgraue neue Stücke eingekleidet worden. Dies
mag mit dazu beigetragen haben, daß sowohl Neuformationen bei ihrer
Einkleidung, wie Truppen im Felde als Bekleidungsersatz
wiederholt - auch noch in späteren
Kriegsjahren - nur neue Stücke verlangten und schon getragene, aber
noch feldbrauchbare zurückwiesen.
Schwierigkeiten in der Einkleidung ergaben sich bei der Mobilmachung nur dort,
wo infolge des Zustroms von Kriegsfreiwilligen die planmäßigen
Stärken überschritten oder nicht vorgesehene Formationen
überplanmäßig aufgestellt wurden.
Überschießende Bestände, die es früher gab, waren,
wenn überhaupt, nur in bescheidenen Grenzen, im allgemeinen aber nicht
mehr vorhanden.
[101] Die Mittel, die im
Heereshaushalt für die Unterhaltung von Bekleidung und Ausrüstung
bereit gestellt wurden, waren seit einer Reihe von Jahren unzureichend gewesen.
Die Erhöhung dieser Geldmittel, die vom Kriegsministerium seit langer
Zeit für notwendig gehalten und wiederholt beantragt worden war, wurde
nur spärlich und langsam bewilligt. Ebenso wurden für die
Bereitstellung der Bekleidung und Ausrüstung von neu aufzustellenden
Kriegsformationen nicht immer die Mittel gewährt, die unbedingt
erforderlich waren. Immer wieder mußten die Truppenteile Ersparnisse und
sogenannte Überschüsse, die aber in Wirklichkeit längst
aufgebraucht waren, hergeben. Diese bis zum äußersten getriebene
Sparsamkeit ging zu weit. Sie rächte sich jetzt bitter.
Bekleidung und Ausrüstung, die vorweg für Neuformationen oder
überplanmäßige Stärken entnommen wurde,
mußte für Ergänzungsmannschaften, die
planmäßig später eintrafen, fehlen. Hier machte sich geltend,
daß es keine Zusammenstellung über den
Korps- und Heeresbedarf und über den
Korps- und Heeresbestand an Bekleidung, mithin auch keine Übersicht
über die Überschüsse gab. Wohl waren derartige
Zusammenstellungen bei den Truppenteilen, nicht aber bei den
Generalkommandos (Intendanturen) und beim Kriegsministerium vorhanden. Ein
Überblick war aber unentbehrlich; ohne diesen konnte die Bekleidungslage
von den entscheidenden Stellen nur sehr unzureichend beurteilt und nachgewiesen
werden. Entscheidungen, die jetzt zu treffen waren, und Entschlüsse, die
die führenden Stellen fassen mußten, wurden erschwert und trugen
infolgedessen vielfach den Stempel der Unsicherheit. Abhilfen konnten nicht klar
genug angeordnet werden, ihre Durchführung litt darunter. Hätten die
Generalkommandos (Intendanturen) solche Zusammenstellungen besessen, so
hätten sie bei der Aufstellung überplanmäßiger
Neuformationen sofort gewußt, ob und wieviel Bekleidung für sie in
ihrem Bereich überzählig war, bei welchen Truppenteilen sie lag und
welche Bekleidung fehlte. Sie hätten mit Sicherheit anordnen
können, welche Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke die
einzelnen Truppenteile herzugeben und was ihr Bekleidungsamt neu zu fertigen
und zu beschaffen hatte. So aber tappten sie im Dunkeln und erbaten beim
Kriegsministerium Aushilfen von anderen Korps, obgleich bei diesen die Lage
nicht anders war. Soweit sich eine Gelegenheit hierzu bot, warnte das
Kriegsministerium vor einer Überschätzung der
Überschüsse und wies darauf hin, daß die
planmäßigen Stärken nur überschritten und
Neuformationen nur aufgestellt werden dürften, wenn für diese
außer Waffen und Gerät auch Bekleidung und Ausrüstung
ausreichend vorhanden sei. Beschränkung war geboten.
Andrerseits forderte der Zustrom von Kriegsfreiwilligen dazu auf, diese
Bewegung nutzbar zu machen und in planvoll geregelte Bahnen zu leiten. Die
Aufstellung mehrerer Armeekorps wurde angeordnet.
[102] Einkleidung
von Neuformationen und Ersatztransporten.
Aus den bei der Mobilmachung sich meldenden Freiwilligen sollten in
Preußen fünf neue Armeekorps gebildet werden und bis Ende
September marschbereit sein. Bekleidung und Ausrüstung war für sie
so gut wie gar nicht vorhanden; denn die blauen Bestände, die für sie
ausgereicht hätten, konnten für Feldtruppen nicht verwendet werden.
Bekleidung und Ausrüstung mußte bis zu diesem Zeitpunkt
vollkommen neu beschafft werden. Bei diesen fünf Korps handelte es sich
um die Einkleidung von rund 165 000 Köpfen. Die
Kriegsbekleidungsämter des
Garde-, I. - XI., XIV., XV. und XVII. Armeekorps wurden daher
unter dem 14. August 1914 angewiesen, für je
10 000 - 12 000, Bekleidungsamt XVI für
1000 - 1200 Köpfe Bekleidung bereitzustellen, außer
dem vorgesehenen Bedarf zur Füllung der Armeebekleidungsdepots, zur
Ausstattung der Ersatztransporte und außer den Mengen, die als
Ersatzbedarf für abgenutzte Bekleidung und Ausrüstung schon jetzt
beschafft werden mußten, auch wenn ihre Ausgabe erst späterer Zeit
vorbehalten war.
Außer der Aufstellung dieser und anderer Neuformationen verlangte die
Kriegslage im Westen und Osten aber auch die beschleunigte mobile Verwendung
immobiler Formationen, die von Blau in Feldgrau umgekleidet werden
mußten, die frühzeitige Einberufung und Verwendung des
Landsturms und stärkere Gestellung von Ersatzmannschaften, als
vorgesehen war, und damit die Bereitstellung ganz erheblicher Mengen an
Bekleidung und Ausrüstung über die Zahl von 165 000
Köpfen hinaus. Der Bedarf für diese wurde nicht, wie der für
die neuen Korps, nach Fristen voraus bekanntgegeben, sondern mußte oft
überraschend in kürzester Zeit hergegeben werden. So kam es,
daß plötzlich abzusendende Landsturmtruppenteile die Bekleidung
und Ausrüstung beanspruchten, die für die neuen Korps gefertigt
war, und daß dadurch die Ausstattung dieser Korps benachteiligt wurde.
Anlage 1 (S.
195) gibt eine Übersicht über die Zahl der
Mannschaften, die - nach Einkleidung der bei der Mobilmachung
"planmäßig" aufzustellenden
Formationen - mit Bekleidung und Ausrüstung völlig neu
ausgestattet wurden.
Ein Vergleich ergibt, daß in zwölf Monaten des Jahres 1915 nur
doppelt soviel Mannschaften von Neuformationen eingekleidet worden sind, wie
in vier Monaten des Jahres 1914.
Die Aufstellung dieser Neuformationen war im Frieden nicht vorgesehen. Ihre
Einkleidung mußte Schwierigkeiten bereiten, und zwar um so
größere, in je kürzerer Zeit sie verlangt wurde. Die
Anfertigung von Bekleidung und Ausrüstung brauchte Zeit. Der Bedarf
mußte frühzeitig bekanntgegeben werden, sonst war seine
rechtzeitige Deckung in Frage gestellt. Es war daher kein Wunder, daß im
Herbst 1914 Schwierigkeiten für die Einkleidung eintraten. 800 000
Mann in vier Monaten ohne jede Friedensvorbereitung einzukleiden, blieb
trotzdem immer eine beachtenswerte Leistung.
[103] Wäre der
Bekleidungsabteilung im Frieden aufgegeben worden, sich darauf einzurichten,
außer den planmäßigen Kriegsformationen alle dann noch
verfügbaren ausgebildeten Mannschaften (z. B. 300 000
Mann) binnen acht Wochen auszustatten, so wäre dies ebenso vorbereitet
worden, wie die Einkleidung für die planmäßige
Mobilmachung. Die entstandenen Schwierigkeiten wären vermieden
worden. Auf die sofortige Ausnutzung der ganzen Volkskraft wurde aber, leider,
verzichtet.
Die Mengen an Bekleidung und Ausrüstung, die die
Kriegsbekleidungsämter fertigten und fertig kauften, wurden bei der
gewaltigen Zahl neu einzukleidender Mannschaften von den Truppen, die neue
Formationen aufstellten, anfangs sofort wieder ausgegeben. Immer wieder
forderten die stellvertretenden Generalkommandos vom Kriegsministerium
Aushilfen. Um den berechtigten Wünschen nachkommen zu können,
war das Kriegsministerium gezwungen, sich in kurzen Zwischenräumen
von den Bekleidungsämtern drahtlich melden zu lassen, was sie gefertigt
und beschafft, im Korpsbereich aber nicht ausgegeben hatten, mit anderen
Worten, welche Bestände sie an einzelnen Stücken noch hatten. Es
zeigte sich wieder die Notwendigkeit von
Korps- und Heeresbestandsübersichten als Unterlagen für die
ausgleichende Zentralstelle. Nur wenn man die Bestände kannte, konnte
angeordnet werden, woher die Aushilfen zu nehmen waren.
Nach Aufstellung der neuen Armeekorps im September 1914 konnten die
größten Schwierigkeiten in der Ausstattung der Neuformationen und
Ersatztransporte mit Bekleidung und Ausrüstung als überwunden
angesehen werden. Bekleidungsämter und Gewerbe hatten sich inzwischen
auf Kriegsbetrieb umgestellt; sie schafften die erforderlichen Mengen zwar nicht
mühelos, aber ausreichend und rechtzeitig. Wenn sich bei der Einkleidung
der im Dezember 1914 aufgestellten Korps noch Schwierigkeiten ergaben, so lag
das weniger an einem Mangel an Beständen, als daran, daß
Bestandsübersichten fehlten und die aufstellenden Dienststellen den
Kriegsbekleidungsämtern nur unzureichend angeben konnten, welche
Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke nach Art und Menge an die
Einkleidestellen zu senden waren. Auch die stellvertretenden Generalkommandos
(Intendanturen) waren mangels solcher Übersichten nicht in der Lage, die
Zuführung von Bekleidung und Ausrüstung an die Bedarfsstellen in
allen Fällen klar zu regeln, weil sie nicht einwandfrei übersahen,
welche Bestände im einzelnen vorhanden, wo und mit welchen
Stücken sie zu ergänzen waren. Ein solcher Überblick war
deshalb besonders nötig, weil
es - wie bei der Mobilmachung, so auch
später - nur geringe Überschüsse gab und der im
Korpsbereich vorhandene Bestand gerade für die Einkleidung ausreichte,
also sehr sorgfältig verteilt werden mußte. So kam es, daß
Bestände falsch geleitet wurden, unterwegs waren, beim Abrücken
der neu aufgestellten Truppenteile in ihren Unterkünften, weil
überzählig, zurückblieben und dort erst wieder für
andere Truppenteile gesammelt werden mußten.
[104] Auch die Zahlen der
neu eingekleideten Ersatzmannschaften der Zusammenstellung in
Anlage 1 (S. 195)
sind lehrreich. Vorgesehen war, daß die
Bekleidung und Ausrüstung für rund 400 000 Köpfe in
einem halben Jahre beschafft werden sollte. Bis zum 1. März 1915 haben
aber infolge der starken Abgänge bei den Truppen an Ersatztransporten
1 233 041 Köpfe, also dreimal soviel, ausgestattet werden
müssen. Dreimal so hoch hielt sich diese Menge das ganze Jahr 1915
über, 1916 blieb sie etwas darunter; erst 1917 fiel sie auf das Zweifache
und 1918 auf das Anderthalbfache des Vorgesehenen. Sie ist also bis zum
Schluß des Krieges höher geblieben, als vorgesehen war.
In den Zahlen dieser Übersicht ist der Ersatzbedarf für das Feldheer
nicht enthalten. Wenn auch im Jahre 1914 von den Truppen aus dem Felde kaum
oder nur in geringem Maße Bekleidungsersatz angefordert wurde, die
Anforderungen vielmehr erst im Jahre 1915 einsetzten, so mußte der
Bekleidungsersatz für die Feldtruppen doch schon
1914 - neben dem Bedarf für Einkleidung von Neuformationen und
Ersatztransporte - beschafft und bereit gestellt werden, damit er 1915 bereit
lag. Freilich konnte zunächst auf die als Ersatzbedarf vorgesehene Menge
zurückgegriffen werden. Sie mußte aber doch sofort und somit fast
gleichzeitig wieder ersetzt werden. Es beweisen also auch diese Zahlen, wie
wenig und unzureichend die Heeresverwaltung auf diesen Krieg vorbereitet war
und mit welchen Anstrengungen das Versäumte nachgeholt werden
mußte. Die Zahlen sind daher trotz aller entstandenen Schwierigkeiten ein
glänzendes Zeugnis für die gewaltigen Leistungen der
Kriegsbekleidungsämter und der Industrie, besonders in der Zeit zu Beginn
des Krieges, wo Ämter und Industrie sich erst auf den Krieg einstellen
mußten.
Änderungen der Ausstattung.
Die Truppen wurden im August mobil, d. h. für den Sommer
ausgestattet.
Für eine Mobilmachung in den Wintermonaten (1. Oktober bis 31.
März) sollten die Mannschaften mit warmer, wollener Unterkleidung
ausgestattet werden, und zwar
- jeder Mann mit einem Wollhemde oder einer wollenen Unterjacke,
einem Kopfschützer oder einem Paar Ohrenklappen und zwei Paar
wollenen Socken, ferner
- jeder Mann der Infanterie, der Jäger und Schützen, der
Fußartillerie, der Pioniere, der Feldbäckereikolonnen, der
Sanitätskolonnen und Feldlazarette mit einer wollenen Leibbinde und
einem Paar Pulswärmer, außerdem
- jeder Mann, der nach der Bekleidungs- und Ausrüstungsnachweisung
nur mit einer (Köper-)Unterhose ausgestattet war, mit einer Unterhose aus
Woll- oder Baumwollstoff.
[105] Als weitere
Winterbekleidung waren nach eingehenden Versuchen, die in früheren
Jahren angestellt waren, vorgesehen
- ein Pelz (langer Pelz in der Form des Mantels von Schaffellen ohne
Tuchbezug mit Pelzkragen) und ein Paar Filzschuhe (nach Art der bei den
Truppen gebräuchlichen Postenschuhe) für jeden Fahrer vom
Bock,
- 50 Pelze und 50 Paar Filzschuhe für Posten (Wach- und
Sicherheitsdienst) als Vorrat bei jedem Bataillon,
- ein Paar an den Steigbügeln zu befestigender, pelzgefütterter
Fußschutzkappen für die halbe Kriegsstärke der Kavallerie,
Feldartillerie und Maschinengewehrabteilungen, sowie für ein Drittel der
Kriegsstärke an berittenen Mannschaften der Fußartillerie, des Trains,
der Verkehrstruppen und der Maschinengewehrkompagnien.
Proben für Pelze und Filzschuhe waren nicht ausgegeben, die Festsetzung
eines Musters jedoch bereits im Frieden den Generalkommandos empfohlen.
In den abgehaltenen Versuchen hatte sich ergeben, daß die Ausstattung
jedes Mannes mit einem Pelz nicht zweckmäßig war, da er
den Mann auf dem Marsche und im Gefecht außerordentlich behinderte. Die
starke Erwärmung in der Bewegung veranlaßte häufig
Erkältungen in der darauffolgenden Ruhe. Kurze Pelzjacken wurden nicht
nur für die Fußtruppen, sondern auch für Radfahrer und
Berittene verworfen, weil sie bei starker Kälte den Unterleib nicht
genügend erwärmten und bei nicht starker Kälte ebenso
lästig waren, wie die langen Pelze. Eine andere Fortschaffung als am Mann
bereitete Schwierigkeiten. Jeder Truppenverband hätte hierzu besondere
Fahrzeuge gebraucht, die die Kolonnen bedeutend verlängert hätten.
Das Bedürfnis nach Pelzen und Filzschuhen war nur für diejenigen
Mannschaften anerkannt worden, deren Bewegungsmöglichkeit
beschränkt war, für Fahrer vom Bock und für Posten. Als
Vorrat für Posten hatte die Truppe 50 Pelze und 50 Paar Filzschuhe
für jedes Bataillon für ausreichend gehalten. Diese Menge konnte auf
den Patronenwagen mitgeführt werden. Bei den Versuchen waren Pelze
und Filzschuhe auf den kriegsmäßig beladenen Patronenwagen
festgebunden worden; ihre Fortschaffung hatte auch in ungünstigem
Gelände und auf schlechten Wegen keine Schwierigkeiten bereitet.
Im Bewegungskriege fehlte es bei der Unterbringung der Massen oft an
Unterkunft für die Pferde. Es blieb auch für sie nichts anderes
übrig, als zu biwakieren. Darunter litten die Pferde, namentlich bei Regen.
Für sie wurden wasserdichte Decken nötig; ihre Ausstattung damit
wurde angeordnet.
In Sumpfgegenden wurde im Sommer die Mückenplage drückend,
unter der die Beobachtungstätigkeit von Posten aller Art litt. Sie erhielten
Mückenschleier. Die Ausstattung trat zuerst für den russischen
Kriegsschauplatz ein, während im Westen, wo der Bewegungskrieg
frühzeitig in den Stellungskrieg überging, mit Maßnahmen zur
Beseitigung der Brut vorgegangen wurde. [106] Mückenschleier
wurden nach dem Westen erst von der Zeit des Großkampfes in Flandern ab
geliefert.
Beim Eintritt Rumäniens in den Krieg machte der bevorstehende Kampf im
Hochgebirge die Ausstattung der dort eingesetzten Truppen mit besonderer
Gebirgskleidung nötig. Die Truppen, denen diese zugebilligt wurde,
erhielten Bergschuhe und Stiefelhosen mit Lederbesatz am Gesäß
und auf den Knien, außerdem
Knie- oder Wadenstrümpfe, Wickelgamaschen und Eissporen. Auf 10 vom
Hundert der Kopfstärke wurde für Patrouillen je ein Schneemantel
und eine Schneehaube vorgesehen.
Bei schneebedeckter Erde genügte die gewöhnliche
Truppenausstattung allein nicht. Es waren
Schneeanzüge - auf der einen Seite weiß, auf der anderen
feldgrau - rechts und links zu tragen, nötig, um den Mann im
Gelände zu verbergen; aus leichtem wasserdichten Stoff boten sie
gleichzeitig Schutz gegen Regen und Wind. Schneeanzüge brauchten
Patrouillen, Posten, Schneeschuhläufer und Schneeschuhtruppen. Zu ihnen
gehörten Schneejacke, Schneehose, ein weißer Überzug
für die Kopfbedeckung und ein weißer Rucksacküberzug.
Schneeschuhläufer und Schneeschuhtruppen brauchten ferner wasserdichte
Schnürschuhe mit breiten Sohlen. Hierzu eigneten sich die Bergschuhe. Um
ihren guten Sitz zu verbürgen, wurde die Ausstattung mit
Überziehsocken aus Ziegenhaar gefordert, sogenannten Walksocken, die
über das gewöhnliche Strumpfpaar gezogen wurden. Später
wurde den Schneeschuhtruppen und Gebirgstruppen die doppelte Zahl von
wollenen Strümpfen gegeben, damit sie in der Lage waren, zwei Paar
Strümpfe übereinanderzuziehen. In den Bergschuhen erhielten sie
zuerst Waden- oder Kniestrümpfe, später Wickelgamaschen aus
glattem oder wenig rauhem Stoff, da rauher Stoff das Ansetzen von Eiskrusten
begünstigte. Ledergamaschen, die auf der Innenseite zum Ansetzen von
Feuchtigkeit neigen, waren unvorteilhaft. Zum wollenen Unterzeug trat ein
wollenes Halstuch, das auf Rasten über der Kleidung angelegt wurde.
Die Sturmtruppen beanspruchten eine Sonderausstattung mit Bergschuhen,
Gebirgshosen (Stiefelhosen mit Lederbesatz am Gesäß und Knie) und
Wickelgamaschen. Bei dem Ledermangel mußten Bergschuhe aber auf die
Gebirgstruppen beschränkt bleiben. Auch konnte die
Sturmtruppenausstattung nur den planmäßigen Sturmtruppen
zugebilligt werden, um eine Änderung der Ausstattung sämtlicher
Fußtruppen, die schließlich doch sämtlich Sturmtruppen
werden sollten, zu vermeiden.
Für den Großkampf in Flandern wurden Wickelgamaschen und
Schnürschuhe statt der Infanteriestiefel verlangt, weil der schwere Boden
den Kämpfern die Infanteriestiefel geradezu auszog und das Wasser in der
Trichterstellung von oben in die Stiefel lief. Da schließlich alle Truppen in
Flandern Verwendung finden konnten, hätte das Zugeständnis auch
wieder die gänzlich neue Aus- [107] stattung
sämtlicher Fußtruppen bedeutet, nicht nur mit Wickelgamaschen,
sondern auch mit einem zweiten Paar Schnürschuhe an Stelle der
Infanteriestiefel. Das konnte die Heeresverwaltung bei den knappen
Lederbeständen und bei dem Mangel, den bereits die bürgerliche
Bevölkerung an Schuhzeug und Unterkleidung litt, nicht zugeben. Der
Infanteriestiefel hatte sich außerdem durchaus bewährt. Die
Wickelgamasche verdankte ihre Bevorzugung dem Stellungskriege. Auf den
Bewegungskrieg hoffte im Westen jeder. Auch aus diesem Grunde war es nicht
vertretbar, wenn man sich in der Fußbekleidung allein auf den
Stellungskrieg einstellte.
Mit der Unterstützung der Türkei wurde die Ausstattung der dorthin
gesandten Mannschaften und Truppen mit Bekleidung und Ausrüstung
nötig, die den Anforderungen des kleinasiatischen Kriegsschauplatzes
genügte und kurz mit Tropenausstattung bezeichnet wurde.
Jeder Offizier und Mann erhielt neben einer vollen Winterausstattung eine
Sommerausstattung. Die Winterausstattung bestand im allgemeinen aus den
gleichen Bekleidungsstücken wie beim übrigen Feldheere. In der
Sommerausstattung traten an Stelle der Tuchbekleidung zwei Khakianzüge;
außerdem wurden Moskitostiefel, Mückenschleier, reichlichere und
feinere Unterkleidung (Leibwäsche) geliefert. An
Ausrüstungsstücken erhielt jeder einen Tropenhelm statt des
Lederhelms, einen Rucksack statt des Tornisters, zwei wollene Decken, zwei
Feldflaschen, zwei Zeltausrüstungen, ein engmaschiges Moskitonetz gegen
Sandfliegen, eine Schutzbrille gegen Sonne und Sand. Sonst entsprach auch die
Ausstattung mit Ausrüstungsstücken der der übrigen
Soldaten.
Sobald die Sommerbekleidung in Gebrauch genommen wurde, wurden die
entbehrlichen Stücke der Winterbekleidung den Mannschaften
abgenommen und an das Bekleidungsdepot zur Aufbewahrung und
Instandsetzung zurückgesandt. In gleicher Weise wurde mit der
Sommerbekleidung verfahren, sobald die wieder angeforderte Winterbekleidung
in Gebrauch genommen wurde. Nur so konnte der durch die gesamten
Verhältnisse erzwungenen äußersten Sparsamkeit und
Schonung der vorhandenen Bestände Rechnung getragen
werden. - Auch alle ausgetragenen Stücke wurden an das
Bekleidungsdepot abgeliefert.
Die Ausstattung mit hochwertigen Stücken sprach sich natürlich bald
herum und erweckte die Begehrlichkeit, ebenso ausgestattet zu werden.
Namentlich vom Kriegsschauplatz in Mazedonien gingen wiederholt
Anträge auf Ausstattung mit Khakianzügen ein, die mit der dort im
Sommer herrschenden Hitze begründet wurden. Bei dem Mangel an
Rohstoffen, der zur größten Sparsamkeit zwang, war es nicht
möglich, diesem Wunsche zu entsprechen. Der Drilchanzug, mit dem jeder
Mann dort ausgestattet war, mußte genügen.
Auf die Anforderungen, die entferntere Kriegsschauplätze,
Rumänien, Mazedonien und Türkei, stellten, hatte sich die
Heeresverwaltung naturgemäß [108] nicht vorbereiten
können. Sieht man von der Ergänzung der Ausstattung für den
Kampf in diesen Gegenden ab, so waren die Änderungen, die der Krieg
forderte, verschwindend gering. Auch ihrer Bedeutung nach fallen sie nicht
schwer in die Wagschale. Die Ausstattung, die im Frieden erprobt war, hat sich
auch im Kriege bewährt. Das bewiesen auch die nach dem Kriege
eingeforderten Berichte, die sich im großen und ganzen in demselben Sinne
aussprachen und nur unbedeutende Änderungen forderten.
Wenn nur so geringfügige Änderungen für nötig
gehalten wurden, wird den Dienststellen, die für Festsetzung der
Ausstattung zuständig waren, ein vortreffliches Zeugnis ausgestellt. Denn
auch im Bekleidungswesen gilt der Grundsatz, daß richtig gearbeitet
worden ist, wenn im Kriege nichts von dem wieder abgestreift werden muß,
worauf sich die Truppe im Frieden eingerichtet hat.
Bekleidungsnachschub.
Das Nachschubwesen war ein Gebiet, das im Kriege viele Klagen veranlaßt,
manche Wandlungen durchgemacht hat und trotz angestrengter Arbeit aller daran
beteiligten Stellen bis zum Schluß des Krieges nicht zur vollen
Befriedigung der Feldtruppe geregelt worden ist.
Nach den Bestimmungen, die auf früheren Kriegserfahrungen fußten,
sollte jeder Truppenteil im Felde den Bekleidungsersatz durch Vermittlung der
stellvertretenden Intendantur von seinem Wirtschaftstruppenteil, d. h. von
dem Ersatzbataillon desjenigen Friedenstruppenteils, der ihn aufgestellt hatte,
beziehen. Außerdem wurde für jede Armee ein
Armeebekleidungsdepot errichtet, um in möglichster Nähe des
Feldheeres geringe Vorräte an Bekleidungsstücken für
besondere Ausnahmen bereit zu halten.
Die Versorgung durch den Wirtschaftstruppenteil stammte aus einer Zeit, in der
die Truppenteile ihre Bekleidung selbst fertigten und beschafften. Da war es
natürlich, daß der Truppe als Beschaffungsstelle auch die Absendung
oblag. Dieses Verfahren paßte aber nicht mehr in die Zeit der
Massenanfertigung und Massenbeschaffung durch die Bekleidungsämter;
diese mußten jetzt Absendestelle werden. Die erste Änderung im
Bekleidungsnachschub brachte aber noch keine wesentliche Besserung. Anstatt
auf die Ersatztruppenteile, wurden die Feldformationen nunmehr auf das
Bekleidungsamt ihres heimatlichen Armeekorps angewiesen. Der Weg, den die
nachzusendende Bekleidung dabei durchlaufen mußte, war lang, wenn das
Bekleidungsamt in Posen lag, der zu versorgende Feldtruppenteil aber in
Frankreich stand oder württembergische Truppenteile gegen Rußland
verwendet wurden. Der weite Weg verzögerte das Eintreffen der Sendung
und belastete die Bahn sehr stark. Die Truppe bestellte die Bekleidung dorthin, wo
sie sich zur Zeit der Bestellung befand; sie war aber, wenn die Bekleidung ankam,
häufig nicht mehr dort, sondern [109] bereits an anderer
Stelle eingesetzt. Die Umleitung der Sendungen war nicht ausführbar, weil
der Besteller bei anderer Verwendung niemals wußte, wohin er ging, wohin
also die Sendung umzuleiten war. Er konnte sie auch nicht aufhalten, weil weder
er noch das Bekleidungsamt wußte, welchen Weg die bereits abgesandte
Bekleidung lief und wo sie sich gerade befand. Für die Auskunftsstelle war
die Nachsendung ebenfalls schwierig; auch bei ihr wußte man meist nicht,
wohin der Empfänger gegangen war und wo er sich neuerdings befand. Der
Verwendung einer Sendung durch andere Truppenteile standen Hemmnisse im
Wege, weil die Abzeichen und Unterscheidungszeichen für sie nicht
paßten. Husaren und Ulanen sträubten sich, sich in
Waffenröcken zu zeigen und dergleichen mehr. Die Sendung irrte nun
umher und erreichte den Besteller, der sehnlichst darauf wartete, nicht. War auch
der lange Beförderungsweg nicht die einzige Ursache solcher
Irrläufer, so vermehrte er doch ihre Zahl; er mußte abgekürzt
werden.
Die Quelle, aus der die Truppen im Felde Bekleidung und Ausrüstung zu
schöpfen hatten, konnte nicht mehr das Bekleidungsamt des heimatlichen
Korpsbezirks bleiben. Sie mußte ein Bekleidungsamt werden, das
möglichst in der Nähe der Feldtruppe lag. Wurde die Truppe im
Osten verwendet, mußte sie aus einem an der Ostgrenze liegenden
Bekleidungsamt versorgt werden, bei Verwendung im Westen aus einem an der
Westgrenze liegenden. Jede Armee wurde nunmehr auf ein Kriegsbekleidungsamt
angewiesen.
Wenn auch in erster Linie diese Bekleidungsämter an der Grenze mit der
Versorgung je einer Armee beauftragt wurden, so mußten doch auch die in
der Mitte des Reichs hierzu herangezogen werden, da nahe der Grenze nicht so
viele Ämter lagen, wie es Armeen gab. Mehr wie eine Armee konnte ein
Bekleidungsamt nicht versorgen. Überschritt die Stärke der Armee
ein bestimmtes Maß, mußten sich zwei Ämter in die
Versorgung teilen.
Die Umstellung auf die neue Versorgungsart vollzog sich unter erheblichen
Schwierigkeiten. Die Bekleidungsämter hatten bisher nur die Bekleidung
und Ausrüstung gefertigt und beschafft, die die Truppenteile ihres eigenen
Armeekorps brauchten. Jetzt mußten sie bald diesen, bald jenen Truppenteil
ausstatten, weil die Verbände in ihrer Zugehörigkeit zu den Armeen
wechselten. Preußische Bekleidungsämter mußten Bekleidung
und Ausrüstung auch für bayerische, sächsische und
württembergische Truppenteile liefern, bayerische, sächsische und
württembergische Ämter für preußische Truppenteile.
Sie brauchten bald Röcke mit Litzen, bald solche ohne Litzen, sie
mußten auf die verschiedenen Ärmelaufschläge und
Schulterklappen Bedacht nehmen; andere Hoheitsabzeichen und
Unterscheidungszeichen als bisher wurden nötig; Ämter, die bisher
keine Husarenregimenter versorgten, brauchten plötzlich Attilas. Die
Vorstöße an Ulankas und Waffenröcken der Kavallerie
stimmten nicht und anderes mehr.
[110] Zunächst
mußten die Bekleidungsämter sich untereinander in Verbindung
setzen und die abweichenden Stücke, soweit sie sie brauchten, gegenseitig
zusenden. Dieser Austausch mußte aber zur Entlastung von Eisenbahn und
Post eingeschränkt und beseitigt werden. Durchgreifend konnte Wandel nur
durch Festsetzung neuer und einheitlicher Proben geschaffen
werden.
Die schon häufig erörterte, aber leider nicht durchgesetzte
Notwendigkeit größerer Einheitlichkeit in der Ausstattung des
gesamten Heeres mit Bekleidung trat gebieterisch in den Vordergrund. Die
Erfahrungen im Nachschub hatten neben anderen Kriegserfahrungen manchen,
wenn auch nicht allen, Gegnern der Vereinheitlichung der Uniform die Augen
geöffnet und ihren Widerstand dagegen beseitigt. Die
Uniformänderungen, die die A. K. O. vom 21. September
1915 brachte, waren ein bedeutender Schritt vorwärts auf dem Wege zur
Einheitlichkeit. Nicht nur Beschaffung und Bereitstellung, sondern auch der
Nachschub wurden dadurch ganz wesentlich vereinfacht.
Trotz dieser durchgreifenden Verbesserung ließen die Klagen der
Feldtruppen über unzulänglichen Bekleidungsnachschub nicht nach.
Es wurden nach wie vor Vorwürfe gegen die heimatlichen Dienststellen,
namentlich gegen die Bekleidungsämter, erhoben, obgleich diese, wie alle
Stellen in der Heimat, stets auf dem Standpunkt standen, daß der
Schwerpunkt ihrer ganzen Tätigkeit in der guten Versorgung des
Feldheeres lag, und obgleich alle ihr ganzes Können und ihre ganze Kraft
daransetzten, dieses Ziel zu erreichen. Von den heimatlichen Stellen und von den
Bekleidungsämtern allein konnte nicht alles verlangt werden. Im
Nachschub spielte auch die Bestellung eine Rolle.
Der Verbraucher, die Truppe, mußte als Empfänger und Besteller
berücksichtigen, daß der Nachschub Zeit brauchte. Die Bestellung
durfte daher nicht erst im Augenblick des Bedarfs, sondern mußte so lange
vorher ergehen, wie die Beförderung der Bestellung in die Heimat, das
Verpacken, das Anrollen zur Bahn, das Einladen, die Eisenbahnfahrt
einschließlich des Umladens an Umschlagstellen und die Abfuhr vom
Eisenbahnzielpunkt zur Truppe Zeit brauchten. Das war für die Truppe im
Felde etwas Neues, worin sie vom Frieden her nicht geübt war. Sie lernte es
aber mit der Zeit, wenn auch erst allmählich, weil sie Bekleidung und
Ausrüstung nicht, wie Munition und Verpflegung, täglich brauchte,
sondern nur von Zeit zu Zeit. Auf verspätete Bestellung ist trotzdem bis in
die letzte Zeit manche unzureichende Versorgung
zurückzuführen.
Ferner war die Bestellung von Bekleidung und Ausrüstung eine ins
kleinliche gehende Arbeit. Die Truppe konnte zwar damit verschont werden, die
Größenmaße in der Bestellung anzugeben, weil die
Bekleidungsämter aus der Friedensanfertigung und Friedensbeschaffung
wußten, in welchem Verhältnis die Truppe die einzelnen
Größen brauchte. Nicht erspart werden konnte ihr aber die Angabe,
welche Stücke sie im einzelnen brauchte. Mit der
summa- [111] rischen Angabe:
Bekleidung und Ausrüstung für soundso viel Köpfe allein war
es nicht immer getan. Denn dann wurden ihr auch Stücke zugesandt, die
nicht verbraucht waren und nicht ersetzt werden mußten. Um die Angabe,
wieviel Stücke von jeder Art gebraucht wurden, kam die Truppe nicht
herum. Auch war die Benennung der Stücke der Truppe nicht immer
geläufig. Sie gebrauchte oft Bezeichnungen, die zu Zweifeln Anlaß
gaben, was sie haben wollte, Rückfragen veranlaßte und
Verzögerungen verursachte. Alles das erschien zwar als Kleinigkeit, war
aber doch wichtig, weil pünktliche, genaue und befriedigende
Ausführung der Bestellung davon abhing. Wer sich darüber
hinwegsetzte, konnte sich nicht wundern, wenn der Nachschub sich nicht glatt
abwickelte.
Die Armeebekleidungsdepots waren nur eine Aushilfe für Ausnahmen. In
nächster Nähe des Feldheeres ließ sich nur ein
beschränkter Vorrat an Bekleidung und Ausrüstung bereitstellen.
Bekleidung und Ausrüstung war eine sperrige Ware, die viel Lagerraum
beanspruchte. Dieser war dicht hinter der Front nicht verfügbar.
Außerdem sollten die Armeebekleidungsdepots beweglich sein. Sie sollten
beim Vormarsch der Armee folgen und mußten bei
rückwärtigen Bewegungen voraus zurückgeführt
werden können. Je mehr Vorräte in den Armeebekleidungsdepots
aufgespeichert wurden, desto zeitraubender wurde das
Ein- und Ausladen, desto schwerer waren die Depots zu bewegen,
vor- oder zurückzuführen. Bei rückgängigen
Bewegungen in Frankreich im Herbst 1914 waren die den Armeen
nachgeführten Armeebekleidungsdepots häufig lästig. Mit
dem Beginn des Stellungskriegs wurden die Armeebekleidungsdepots mit den
Materialiendepots, den Sammelsanitätsdepots usw. weit
zurückgezogen und Sammelstationen eingerichtet. Die Zusammenlegung
dieser Depots, ihre Anhäufung an einem Orte erhöhte den Bedarf an
Lagerraum in einer Weise, daß die Armeebekleidungsdepots häufig
in den Sammelstationen keinen Platz mehr fanden, sondern aus ihnen
herausverlegt werden mußten. Bei dem großen Bedarf an zahlreichen
Depots, die alle ausgedehnte Lagerräume erforderten, war der Weg, die
Armeebekleidungsdepots zu vergrößern, nicht gangbar. Im
übrigen lagen viele Armeebekleidungsdepots seit dieser Zeit so weit
rückwärts, daß der Weg vom Bekleidungsamt zur Armee kaum
oder nur wenig weiter war. In Fällen der Not schnell Aushilfe zu
gewähren, waren sie somit tatsächlich kaum in der Lage.
Die Auffrischung der Bekleidung bei abgekämpften
Truppenverbänden, die schnell vor sich gehen mußte, erforderte
besondere Maßnahmen; denn die Truppe wußte nicht, wann sie
abgelöst wurde und wohin sie zurückgezogen werden würde.
Sie konnte nicht selbst für die Bereitstellung der Bekleidung in ihrer neuen
Unterkunft sorgen. Das mußte durch die vorgesetzten Dienststellen
rechtzeitig vorbereitet werden. Wo dies geschah, ist die Truppe mit Bekleidung
und Ausrüstung nicht in Verlegenheit geraten.
[112] Die Massenversorgung
zwang dazu, der Truppe nicht allein die Sorge für ihren Bekleidungsersatz
zu überlassen, wie das infolge der
Selbst- und Truppenwirtschaft bisher üblich war. Aus der
Truppenversorgung war Divisions-, Korps-, Armee- und Heeresversorgung
geworden.
Für die in Kleinasien fechtenden deutschen Truppen wurde der Nachschub
an Bekleidung und Ausrüstung von vornherein auf das Bekleidungsdepot
gestellt, das von der Heimat gespeist wurde. Bei der Entfernung dieses
Kriegsschauplatzes von der Heimat und den schwierigen
Verkehrs- und Beförderungsverhältnissen, die dadurch bedingt
waren, daß nur eine Bahnlinie mit beschränktem Verkehr zur
Verfügung stand, und bei der besonderen, vom übrigen Heere
abweichenden Ausstattung lagen die Verhältnisse anders wie auf den
übrigen Kriegsschauplätzen und rechtfertigten die Ausnahme.
Außerdem handelte es sich um bedeutend geringere Stärken, die von
diesem Depot zu versorgen waren. Es war keine Massenversorgung.
Für die in den Karpathen, in Rumänien, Serbien und Mazedonien
fechtenden Truppen konnte das gleiche nicht zugestanden werden, da
Unterbringungsschwierigkeiten und Mangel an Lagerraum dies nicht
zuließen. Indessen wurde für Mazedonien von dem
Armeebekleidungsdepot ein Bekleidungsnebendepot weit vorgeschoben, weil die
Beförderung des Bekleidungsersatzes auf der einzigen nur zur
Verfügung stehenden Bahnlinie auf Schwierigkeiten stieß, der
Nachschub der jedesmaligen Beförderungslage angepaßt und in der
gebirgigen Gegend weite Beförderung auf Fahrzeugen vermieden werden
mußte.
Zur aushilfsweisen Einkleidung beurlaubter und sonstiger einzeln reisender
Mannschaften wurde ferner in Wien und Budapest eine deutsche
Einkleidungsstelle eingerichtet, die ebenfalls als ein von einem anderen
Armeebekleidungsdepot vorgeschobenes Bekleidungsnebendepot anzusehen
war.
Mit der Nachsendung der Winterausstattung an die Feldtruppen im Herbst 1914
hatte zum ersten Male der Nachschub großer Bekleidungsmassen eingesetzt.
Da der Krieg im August begann, war die Truppe ohne Winterausstattung
ausgerückt. Beschaffung und Nachschub drängten sich auf kurze Zeit
zusammen. Da die Bekleidungsämter Beschaffungsstelle waren, wurden sie
auch mit der Absendung unmittelbar ins Feld beauftragt und die
Wirtschaftstruppenteile von dieser Aufgabe befreit. Die Bekleidungsämter
hatten aber noch alle im Korpsbereich aufgestellten Formationen zu versorgen.
Sie besaßen jedoch noch keine Kriegsgliederungen und wußten noch
nicht, bei welchen Armeen sich einzelne Truppenteile befanden; die Regelung der
Zusendung bis zum Etappenanfangsort wurde deshalb in die Hand der
stellvertretenden Generalkommandos gelegt und die weitere Vorführung
den Armee-Oberkommandos überlassen. Da auch den stellvertretenden
Generalkommandos nicht alle Änderungen in der Kriegsgliederung
bekanntgeworden waren und die Kriegslage manche schnelle
Truppenverschiebung - namentlich im Bewegungskriege im [113] Osten - forderte,
waren Fehlleitungen nicht zu vermeiden. Teilweise erhielten die Feldtruppen die
für sie bestimmten Sendungen recht spät.
Bereits 1915 wurden Wollzüge zusammengestellt und diese den Divisionen
zugeführt, die für weitere Verteilung zu sorgen hatten. Die
Zusendung der Winterausstattung unmittelbar an die Truppenteile wurde
aufgegeben. In späteren Jahren erleichterten die allgemeinen
Änderungen im Bekleidungsnachschub auch die Zusendung der
Winterausstattung, weil jedes Bekleidungsamt nur mit einer Armee zu tun
hatte.
In der Versorgung der Truppen mit Winterausstattung hat die Tätigkeit des
zum Roten Kreuz zugehörigen "Kriegsausschusses für warme
Unterkleidung" der Bekleidungsabteilung viel Verdrießlichkeiten bereitet,
wenn das auch nicht seine Absicht gewesen ist. Die Bekleidungsabteilung hat die
Beteiligung anderer Stellen an der Versorgung des Heeres mit warmer
Unterkleidung von Anfang des Krieges an
grundsätzlich - lange Zeit aber
erfolglos - bekämpft. Die Versorgung des Heeres mit warmer
Unterkleidung war ebenso Aufgabe der Heeresverwaltung, wie die Versorgung
mit Bekleidung und Ausrüstung überhaupt. Es war deshalb
überflüssig, daß eine andere Stelle sich derselben Aufgabe
unterzog.
Die Sammeltätigkeit des Roten Kreuzes entzog der Heeresverwaltung
Rohstoffe, die zu Beginn des Krieges zwar von ihr noch nicht beansprucht
wurden, die aber, wenn Knappheit eintrat, den letzten Rückhalt
bildeten. - Aus den schon 1914 in der Bekleidungsabteilung angestellten
Bestandsermittelungen ergab sich, daß die Vorräte an Rohstoffen
für Web- und Wirkwaren nicht allzulange reichen würden. Die
Notwendigkeit sparsamer Wirtschaft und der Vermeidung vorzeitiger Ausgabe
der letzten Hilfsmittel lag schon frühzeitig vor. Damit aber stand die auf
Wollsachen jeder Art gerichtete Sammeltätigkeit des Roten Kreuzes,
einschließlich der von ihm veranlaßten Reichswollwoche, und die
Überschüttung der Front mit überflüssiger und nicht
immer zweckmäßiger warmer Unterkleidung in Widerspruch. Wie
mancher bedauerte später, in der Reichswollwoche geopfert zu haben, was
er, als die Knappheit fühlbar wurde, gut für sich oder seine
Angehörigen hätte verwenden können.
Die häufige und an manchen Stellen oft überreichliche Zuwendung
wollenen Unterzeuges durch den "Kriegsausschuß für warme
Unterkleidung" verwöhnte den Mann im Felde, der nun glaubte, mit diesen
Stücken weniger haushalten zu müssen. So wurden noch brauchbare
Kleidungsstücke fortgeworfen und, um reichlichen Ersatz zu erhalten,
bürgerlichen Personen und Mitgliedern des Roten Kreuzes Summen von
fehlendem Unterzeug angegeben, die den Anschein erweckten, als ob die
Heeresverwaltung überhaupt keine Vorsorge getroffen hätte. Das
Rote Kreuz führte wiederholt solche Briefe, die für den Fachmann
den Stempel der Übertreibung an der Stirn trugen, als Beweis für die
Notwendigkeit seiner Aushilfe an. Der Sache wäre mehr gedient worden,
wenn solche Briefschreiber entlarvt und an den Pranger gestellt worden
wären.
[114] Die Leichtigkeit, mit
der die Truppe auf diesem Wege wollene Unterkleidung erhielt, verführte
auch die Kompagnieführer, die nach den starken Verlusten oft recht junge
Offiziere waren, dazu, den bequemeren Weg der Bitte beim Roten Kreuz zu
gehen, anstatt die dienstliche Versorgung, wo sie einmal versagte,
durchzudrücken. Solche Briefe glaubte das Rote Kreuz nun erst recht
für die Berechtigung der Aushilfe mit wollener Unterkleidung
anführen zu sollen, übersah aber dabei die Unerfahrenheit jener
jungen Offiziere. Dort, wohin die dienstliche Versorgung nicht reichte, kam die
außerdienstliche erst recht nicht hin; denn diese Stellen waren nur mit
dienstlicher Hilfe zu erreichen.
So segensreich das Rote Kreuz an anderer Stelle gewirkt hat, und so
anerkennenswert die Einrichtung sonst war,
diese - sicherlich gut gemeinte - aushelfende Tätigkeit war
und blieb überflüssig, bedenklich und schädlich.
In späteren Jahren haben sich Truppenvorgesetzte über die
Überflutung mit überflüssigen Stücken aufgehalten. Sie
hätten sich vor Kopfschützern und Pulswärmern nicht retten
können, sie wären mit Rücken- und Lungenwärmern
überschüttet worden, während brauchbare gestrickte
Unterjacken mit Ärmeln eine Seltenheit gewesen wären. Die
Erklärung war einfach. Kopfschützer und Pulswärmer waren
Schlauchgewebe einfachster Art; Rücken- und Lungenwärmer hatten
eine viereckige Form; sie waren von ungeübten Frauen leicht herzustellen,
während Fingerhandschuhe, Unterjacken mit Ärmeln und
Strümpfe schwerer zu stricken waren. Um solche Arbeit suchten viele
herumzukommen. So wurde wiederholt von Damen, die in der
Arbeitslosenfürsorge wirkten und Heimarbeiterinnen Arbeiten zuwenden
wollten, allen Ernstes angeregt, Strümpfe ohne Hacken stricken zu lassen,
weil die Anfertigung leichter sei. In solchen Ungetümen wollte man den
Infanteristen marschieren lassen.
Brust- und Rückenwärmer, Lungenschützer, die für den
Soldaten nicht zweckmäßig waren, wurden bei der
Rückführung nicht mehr tragfähiger Bekleidung an die
Bekleidungsämter in großer Zahl zurückgeschickt, wo sich auf
diese Weise erhebliche Mengen gar nicht oder nur bedingt brauchbarer
Stücke ansammelten. Diese mußten wieder aufgeräufelt
werden, um die kostbare Wolle für brauchbare Stücke auszunutzen.
Welche Vergeudung an Rohstoff und Arbeitskraft!
In dem Kampf gegen diese überflüssige Tätigkeit des Roten
Kreuzes war zunächst nur zu erreichen, daß Wollsachen in die Reihe
der Liebesgaben übergeführt und auf diese Weise ihre
Zuführung eingeschränkt wurde. Erst in späterer Zeit, als die
Allgemeinheit die Rohstoffknappheit zu fühlen begann, gelang es, das
wollene Unterzeug auch in der Liste der Liebesgaben zu streichen.
Als Tücke des Schicksals mag es erscheinen, daß dem Roten Kreuz
mit der Zeit die Strickwolle ausging. Es konnte seine
Strick- usw. Stuben nicht mehr beschäftigen und mußte nun
die Heeresverwaltung um Lieferung von Strickwolle angehen. Die
Bekleidungsabteilung sorgte für Lieferung, forderte aber [115] gleichzeitig
Herstellung probemäßiger Strümpfe und Abnahme durch die
Kriegsbekleidungsämter.
Strick- und Nähstuben, die sich diesen Forderungen nicht unterwarfen,
wurden nicht beliefert. Die Bekleidungsabteilung und die
Bekleidungsämter gewannen dadurch endlich den nötigen
Einfluß auf die Strick- usw. Stuben. Das wilde, sich der
Überwachung entziehende Strick- und Nähwesen und die dort
getriebene Rohstoffvergeudung wurden beseitigt.
Trotz der Reibungen in diesem Punkte hat zwischen dem Roten Kreuz und der
Bekleidungsabteilung im übrigen ein gutes Einvernehmen geherrscht, und
in verständnisvollem Zusammenarbeiten ist manche andere Schwierigkeit
leicht und schnell überwunden worden. Das muß betont werden, um
nicht eine andere Auffassung aufkommen zu lassen.
Ausstattung des Offiziers und Beamten.
Die Versorgung mit Bekleidung und Ausrüstung, soweit sie bis jetzt
besprochen ist, bezog sich auf die Ausstattung des Mannes, dem die Bekleidung
dienstlich geliefert wurde. Der Offizier, Sanitätsoffizier,
Veterinäroffizier, Beamte und die Unteroffiziere, die
Gehaltsempfänger waren, hatten für ihre Bekleidung selbst zu
sorgen.
Zur Sicherstellung des Nachschubs an Bekleidungs- und
Ausrüstungsstücken für Offiziere usw. konnten Lieferer
an den Sammelstationen und Etappenhauptorten außerhalb der Lager der
Heeresverwaltung auf eigene Gefahr und mit eigenem Personal Verkaufsstellen
einrichten. Die Genehmigung dazu erteilten in Feindesland die
Generalgouvernements oder Etappeninspektionen.
Bei plötzlich eintretendem Bedarf und, wenn der Nachschub aus der
Heimat nicht rechtzeitig möglich war, durften Offiziere usw.
Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke nach der Probe für
Mannschaften aus Beständen der Truppenteile oder der
Armeebekleidungsdepots gegen Kostenerstattung entnehmen und diese
Stücke später gegen Rückempfang des
Abschätzungswertes an den Truppenteil zurückgeben.
Von dieser Ermächtigung wurde verschieden Gebrauch gemacht. Wo diese
Bestimmung bekannt war, wurde sie erst zurückhaltend, später
reichlich ausgenutzt. Wo sie nicht bekannt war, machte die Erneuerung der
Bekleidung und Ausrüstung den Offizieren usw. oft große
Sorge. Je mehr die Stoffe und Rohstoffe abnahmen, je mehr die Heeresverwaltung
auf alle Bestände Beschlag legte, um die Mannschaft dienstlich ausstatten
zu können, hatten die Schneider-, Schuhzeug- und
Militäreffektengeschäfte Mühe und Not, Bekleidung und
Ausrüstung zu liefern. Das Kriegsministerium durfte nicht zaudern, auch
hier eine Regelung vorzunehmen. Die Hauptschwierigkeit lag in der kopfweisen
Zuteilung.
[116] Das Vorbild gab die
Brotkarte. Der Plan der Kleiderkarte war gegeben. Auf welche Stücke sie
sich erstrecken mußte, ergaben die
Bekleidungs- und Ausrüstungsnachweisungen, die die Ausstattung des
Mannes regelten. Neu war nur die Menge, die jedem zuzubilligen war.
Feld- und Besatzungsheer konnten nicht unterschiedlich behandelt werden, da
zwischen beiden ein dauernder Austausch stattfand. Die Gewährung
verschiedener Kleiderkarten scheiterte an der Unmöglichkeit, sie rechtzeitig
auszutauschen und Abhebungen der einen Karte bei Ausgabe einer anderen richtig
zu berücksichtigen. Andrerseits mußte die Kleiderkarte so weit
gehen, daß derjenige, der zum Offizier usw. befördert wurde
und aus der Mannschaftsversorgung ausschied, durch Abhebung der ganzen Karte
ausreichend ausgestattet war. Die Notwendigkeit, mit Stoffen zu sparen, zwang
dagegen wieder zu Beschränkungen. Auf Ausnahmen konnte die
Kleiderkarte, da sie eine Massenkarte war, nicht zugeschnitten werden;
Ausnahmen mußten also besonders geregelt werden. In den Bestimmungen
über die Kleiderkarte war das vorgesehen. Verloren Offiziere usw.
ohne eigenes Verschulden ihre Bekleidung oder einen Teil, und wurde der Verlust
nach dem Ermessen des Disziplinarvorgesetzten durch die vorhandene
Kleiderkarte nicht ausreichend gedeckt, so konnte die nächstvorgesetzte,
mit einer Intendantur versehene Kommandobehörde bestimmen, in
welchem Umfange der Offizier usw. Stücke aus
Heeresbeständen gegen Bezahlung über die Kleiderkarte hinaus
beziehen durfte. In eiligen Fällen konnte der Disziplinarvorgesetzte
zunächst selbständig entscheiden; die Genehmigung der
zuständigen Kommandobehörde war dann nachträglich
einzuholen. Damit war allen besonders gearteten Fällen Rechnung getragen.
Die Grenzen waren allerdings sehr weit gezogen. Das war im Hinblick auf die
Wechselfälle des Krieges nötig, barg aber natürlich die Gefahr
in sich, daß weitgehend davon Gebrauch gemacht wurde. In der
Verantwortlichkeit des Disziplinarvorgesetzten und der entscheidenden
Kommandobehörde lag aber die Gewähr, daß nur die
Fälle Berücksichtigung fanden, in denen eine Notlage vorlag. Das
Kriegsministerium behielt sich vor, die Entscheidungen der
Kommandobehörden nachzuprüfen. In allen zu seiner Kenntnis
kommenden Fällen legte es einen strengen Maßstab an.
In den Kriegsbekleidungsämtern war die Herstellung von
Bekleidungsstücken nur nach der Probe und dem Schnitt für
Mannschaften möglich. Auf Anfertigung nach Maß, auf
Anproben usw. konnten sie sich nicht einlassen. Wer mit Stücken
nach der Probe für Mannschaften nicht zufrieden war, konnte Stoffe und
Zuschnitte aus den Kriegsbekleidungsämtern beziehen und sich daraus, wo
er wollte, die Stücke so fertigen lassen, wie er es wünschte.
Anfangs wurden noch feinere Stoffe, z. B. Offiziertuche, geliefert. Später
mußte die Anfertigung solcher Stoffe, die besonders gute Rohstoffe und
eine größere Menge von roher Wolle verlangten, eingestellt werden,
weil Rohstoffe hierfür nicht mehr langten. Das war bedauerlich, aber leider
nicht zu ändern.
[117] Die Offiziere konnten
Stücke und Stoffe je nach Wunsch von ihrem Truppenteil, von den
Kriegsbekleidungsämtern oder von Geschäften beziehen. Die
Geschäfte vermittelten gegen Ablieferung des Kleiderkartenabschnitts den
Bezug der Stoffe. Der Bezug vom Truppenteil fand weniger Anklang, obgleich er
die Gefahr des Verlustes oder der Beraubung einer Sendung für den
Empfänger ausschloß. Der Besteller brauchte dem Truppenteil den
Kleiderkartenabschnitt erst beim Empfang der Ware abzugeben, während er
dem Geschäft oder dem Kriegsbekleidungsamt den Kleiderkartenabschnitt
schon bei der Bestellung einsenden mußte.
Die Zivilbeamten des Heeres erhielten keine Kleiderkarte, da die
Heeresverwaltung nur über Uniformstoffe, nicht aber über Zivilstoffe
verfügte und daher die Versorgung dieser Beamten nicht übernehmen
konnte. Dies führte dazu, daß den Zivilbeamten des Heeres mit der
Zeit auch eine militärische Uniform beigelegt wurde. Ein Teil
sträubte sich zwar dagegen. Die Not der Zeit zwang aber zur Aufgabe
dieses Standpunkts. Die Zusammengehörigkeit im Heere kam auch in der
äußerlichen Erscheinung immer mehr zum Ausdruck und fand eine
stärkere Betonung.
Aushilfe an Verbündete.
Um die Schlagfertigkeit der Verbündeten zu heben, mußte
Deutschland ihnen - außer mit
Kriegsmaterial - auch mit Bekleidung, Ausrüstung und Stoffen zu
Hilfe kommen. Die Verbündeten hatten anfangs mit deutschen Lieferern
unmittelbar Verbindung aufgenommen; auch waren deutsche Firmen mit
Lieferungsangeboten an sie herangetreten. Bei den immer knapper werdenden
Rohstoffen und bei dem großen eigenen Bedarf mußte das
Kriegsministerium eine Übersicht über die Lieferungen und
über die Leistungen der einzelnen Industrien behalten. Mit den
verbündeten Heeresverwaltungen wurde daher vereinbart, daß sie ihre
Bestellungen in Deutschland nur durch das preußische Kriegsministerium
bewirkten.
Alle Bedarfsanmeldungen wurden auf ihre militärische Notwendigkeit
geprüft. Große Anforderungen mußten mit Rücksicht auf
den ungeheuren Eigenbedarf abgelehnt werden, da jede Abgabe eine
Schwächung der eigenen begrenzten Vorräte bedeutete. Welche
Mengen an den wichtigsten Stücken und Stoffen den einzelnen Staaten
geliefert worden sind und welchen Wert sie hatten, ergibt die Anlage 2 (S. 196). Rund eine
Million Röcke, Hosen, Mäntel und drei Millionen Paar Schuhzeug
waren erhebliche Mengen, die Deutschland stark belasteten.
Um die Türkei zur besseren Ausnutzung ihrer eigenen Rohstoffe (Wolle
und Leder) zu befähigen und die deutsche Heeresverwaltung in der Abgabe
fertiger Stücke zu entlasten, wurde ferner im Jahre 1916 die
Vergrößerung [118] und wirtschaftliche
Ausgestaltung einiger türkischer Fabriken, deren Einrichtungen mit
Maschinen den erhöhten Kriegsansprüchen nicht genügten,
eingeleitet. Nach ihrer Besichtigung und der Feststellung der notwendigen
Anlagen wurde der angemeldete Bedarf an Maschinen, Zubehör und
Ersatzteilen bei deutschen Firmen bestellt, die Fertigung überwacht, die
Maschinen usw. gemeinsam abgenommen und für ihre
Beförderung und sachgemäße Aufstellung gesorgt. Für
eine Gerberei und Schuhfabrik wurden Gerbereimaschinen,
Schuhmachermaschinen, eine elektrische Kraftanlage (Dampfkessel,
Dampfmaschinen mit Drehstromdynamos, vollständige
Rohrleitungs- und Schalttafelanlage, Elektromotoren) und Hilfseinrichtungen
(Heizung, Staubabsaugung, Aufzüge) beschafft. In einer Tuchfabrik wurde
der ältere Teil, der gänzlich veraltete und leistungsunfähige
Maschinen enthielt, mit Maschinen zur Wollwäsche, Selfaktoren,
Webstühlen, Appreturmaschinen, Rohrleitungen und Elektromotoren zum
Antrieb vollständig neu eingerichtet. Außerdem wurde die gesamte
elektrische Ausrüstung mit Elektromotoren,
Schalt- und Kabelanlage für die ganze Fabrik geliefert, da in der anderen
Hälfte neu aufgestellte Textilmaschinen zwar vorhanden waren, für
sie aber der Antrieb fehlte. Für eine Instandsetzungswerkstatt wurden
Werkzeugmaschinen und Werkzeuge geliefert. Zwei kleinere Werkstätten,
die neu gelieferte Maschinen, aber noch keinen Kraftantrieb besaßen,
erhielten Elektromotoren.
Die gesamten Kosten für diese Anlagen betrugen 1 800 000 Mark. Sie
treten zu denen in der Anlage 2
(S. 196) hinzu.
Bekleidungswirtschaft.
Die Bekleidungswirtschaft war im Frieden nur auf Truppenwirtschaft eingestellt.
Ursprünglich waren die Kompagnien usw. darin selbständig.
Sie erhielten die Bekleidungsgelder, aus denen sie Bekleidung und
Ausrüstung ihrer Mannschaften beschaffen, unterhalten und ergänzen
mußten. Später, als die Beschaffung in den Regimentern
zusammengefaßt wurde, ging auch die Bekleidungswirtschaft zum Teil auf
die Regimenter, die die Bekleidungsgelder erhielten, über. Den
Kompagnien, Eskadrons und Batterien blieb die Unterhaltung der im Gebrauch
befindlichen Garnituren. Die Regimenter beschafften und ergänzten die
Bekleidung, ordneten neu beschaffte ein und herunter und übten dadurch
mittelbar einen Einfluß auf Verbrauch und Unterhaltung aus.
Eine Eigentümlichkeit jeder Massenwirtschaft ist es, daß sie zu
Ausgleichen zwingt und ausgleichend wirkt. Die selbständige
Truppenwirtschaft hatte sich gegen jeden Ausgleich und Eingriff von außen
oder oben gewehrt; sie sah darin eine Beschränkung ihrer
Selbständigkeit und hielt darauf, daß jeder Truppenteil seine einmal
erworbenen Bestände behielt. Die höheren Dienststellen wirkten
[119] deshalb bisher regelnd
nur insoweit, als sie eine annähernd gleichmäßige oder der
zuständigen Geldabfindung entsprechende Belastung der einzelnen
Truppenteile anstrebten; im übrigen aber enthielten sie sich
möglichst jedes Ausgleichs und sahen auch davon ab, festzustellen und zu
verfolgen, wie groß die Bestände der
Gesamtheit - des Heeres - und der einzelnen Truppenverbände
waren. In welche üble Lage die Generalkommandos und das
Kriegsministerium dadurch gerieten, daß sie die Bestände der Korps
und des Heeres zahlenmäßig nicht kannten, ist bereits gezeigt
worden. Die Folge war die Einführung von Bestandsübersichten.
Zunächst reichten nur die Kriegsbekleidungsämter sie ein.
Später wurde die Meldepflicht ausgedehnt. Die Bestandsübersichten
wurden auch von Truppenteilen usw. in der Heimat gefordert. Anfangs
begnügte man sich mit summarischen Angaben und faßte dabei
gleichartige Stücke, z. B. Waffenröcke, Attilas, Ulankas in
einer Summe zusammen. Das reichte zunächst für einen groben
Ausgleich aus. Auf die Dauer genügten diese Angaben jedoch nicht; wollte
man planmäßig wirtschaften, so mußte man die Mengen der
einzelnen Unterarten gleichartiger Stücke kennen, um die Stücke
älterer Probe vor denen neuerer Probe aufzubrauchen, um der Truppe im
Felde die ihr zukommenden Stücke zuzuführen, um die richtigen
Bestände dazu auszunutzen und um auszugleichen. Die Form der
Übersichten wurde verbessert. Die Bewirtschaftung wurde feiner; sie ging
damit auch in Einzelheiten mehr auf die höheren Dienststellen
über.
Die Übersichten gaben den Überblick über das, was im
einzelnen vorhanden war und wo es lagerte. Anträge auf Aushilfen konnten
geprüft und beurteilt werden. Waren sie sehr zurückhaltend, konnten
reichlichere Zuwendungen zugebilligt werden; waren sie ungerechtfertigt, konnten
sie beweiskräftig abgewiesen werden. Die Bestandsübersichten
wurden das kaufmännische Hauptbuch der Bekleidungswirtschaft, und es
entstand allmählich neben der Truppenwirtschaft die
Korps- und Heereswirtschaft.
Die Truppenteile sträubten sich zwar weiter gegen die ihnen zugemuteten
Abgaben, sahen aber ein, daß unabweisbare Gründe sie rechtfertigten.
Die Wirtschaftstruppenteile erkannten auch mit der Zeit, daß die Ausgleiche
ein Mittel waren, mit dem sie selbst auf die Wirtschaftsführung und
Sparsamkeit der ihnen in der Heimat zugeteilten Truppenteile Einfluß
gewannen. Worin sie diesen freie Hand lassen durften, und wieweit sie auf diese
einwirken mußten, wurde ihnen nach dem Vorbild der stellvertretenden
Generalkommandos, die ihnen selbst ihre Selbständigkeit und Freiheit
ließen und trotzdem führend auf sie einwirkten, immer klarer.
Die Selbstwirtschaft der Truppen im Bekleidungswesen war auf der
Geldwirtschaft der Regimenter (Ersatzbataillone) aufgebaut, auf die die
Massenwirtschaft des Krieges nicht ohne Einfluß blieb. Die
Wirtschaftstruppenteile erhielten zur Unterhaltung und Ergänzung der
ihnen bei ihrer Aufstellung [120] zugewiesenen
Bestände an Bekleidung und Ausrüstung die
Verbrauchsentschädigung.
Das Wirtschaftsverfahren war schon im Frieden nicht einfach sondern
umständlich, so daß wiederholt angestrebt wurde, es zu vereinfachen.
Die Änderungen, die im Laufe der Jahre eingeführt worden waren,
brachten aber keine wesentliche Erleichterung. Im Weltkriege wurde das
umständliche Verfahren der Geldwirtschaft infolge der großen
Massen und der Verwendung der einzelnen Mannschaften bald hier, bald dort, die
bei der Ausdehnung und Zahl der Kriegsschauplätze viel mehr als in
früheren Kriegen wechselte, völlig unhaltbar.
Einzelne Truppenteile, die stark im Feuer gestanden hatten, hatten in
kürzester Zeit ihren Mannschaftsbestand nicht nur einmal, sondern
mehrmals erneuert, während andere weniger unter Verlusten zu leiden
gehabt hatten. Da die Kriegsverbrauchsentschädigung für die
planmäßige Kriegsstärke der von einem Wirtschaftstruppenteil
versorgten Formationen gewährt wurde, hätten die Truppenteile mit
geringeren Mannschaftsverlusten wirtschaftlich besser gestanden, als die mit
starken Verlusten. Das wäre ungerecht gewesen und hätte gerade die
besten Truppenteile wirtschaftlich geschädigt.
Kranke und Verwundete kehrten nicht zu ihrem Ersatztruppenteil zurück.
In welches Lazarett sie kamen, erfuhr der Feldtruppenteil in den seltensten
Fällen oder sehr spät; er konnte sie daher dem Ersatztruppenteil
überhaupt nicht oder nur verspätet überweisen. In
ähnlicher Weise ging es mit den Abgaben von Mannschaften. Der im Felde
eintreffende Mannschaftsersatz wurde nicht immer dem Truppenteil
zugeführt, für den er bestimmt war. Er wurde dort eingesetzt, wo es
die Kampflage forderte. Die Feldtruppen stellten Abgaben für
Neuformationen; wohin diese gingen, blieb ihnen unbekannt. Die
Ersatztruppenteile konnten davon nicht immer in Kenntnis gesetzt werden.
Über den Verbleib des Ersatzes herrschten viele Zweifel. Die
Feldrekrutendepots, die hierfür eine Vermittlungsstelle werden sollten,
wurden erst später eingerichtet.
Die Geldwirtschaft war nicht mehr aufrechtzuerhalten; sie fiel und an ihre Stelle
trat die Naturalwirtschaft. Das war etwas ganz Neues. Verblüffend einfach
aber war es, daß ein Mann, der früher nur von seinem Truppenteil
neu eingekleidet werden konnte, jetzt beim nächsten, also bei jedem
Truppenteil Bekleidung und Ausrüstung erhalten
konnte - gleichgültig, ob er Infanterist, Kavallerist,
Artillerist usw. war, und gleichgültig, ob er aus diesem oder jenem
Korpsbereich stammte, ob er Preuße, Bayer, Sachse oder
Württemberger war. Diese Vereinfachung fand schnell ungeteilten
Beifall.
Welche Pflichten aber hierdurch für die Bekleidungswirtschaft
erhöhte Bedeutung erlangten, wie diese zu erfüllen waren, wie die
Bekleidung zu erhalten, zu pflegen und zu schonen war, das sprang nicht sofort
klar in die Augen und [121] wurde daher von vielen
Stellen zunächst nicht erkannt. Wohl wurde den Neueinzukleidenden mit
der Ausgabe anderer Bekleidung die bisherige abgenommen; ob sie aber
vollzählig abgenommen wurde, das wurde nicht immer geprüft. Das
aber war Sache der Einzelwirtschaft, der Truppenwirtschaft. Das konnte niemals
Aufgabe der Korps- oder gar Heereswirtschaft werden. Es blieb notwendig,
daß die Truppenteile, zu denen Mannschaften von anderen Truppenteilen
übertraten oder denen Mannschaften zur Versorgung mit Bekleidung
zugeteilt wurden, die Verbindung mit denen aufnahmen, die früher
für die Bekleidung dieser Mannschaften sorgten. Das war
umständlich und unterblieb daher häufig. Hätte jeder Mann ein
Bekleidungsbuch wie das Soldbuch gehabt, dann wäre diese
Überwachung nicht allzu schwer gewesen. Die Mannschaften machten sich
diese Schwäche der Truppenteile und des Verfahrens zunutze, verloren
Stücke, ließen sie achtlos liegen, warfen sie fort oder veruntreuten
sie - mit der Zeit in steigendem Umfange, je mehr die sittliche Auffassung
sank und die Bekleidungsnot der bürgerlichen Bevölkerung und ihrer
Angehörigen zur Aneignung reizte. Das Sicherheitsgeld1 wurde erst nach dem Kriege, als diese
Zustände noch übler geworden waren, eingeführt. Und doch
war sein Entstehen auch auf den Krieg zurückzuführen.
Vor dem Kriege war in der Truppe die Auffassung vorherrschend, daß der
Soldat als Verbraucher für die ihm dienstlich überwiesene
Bekleidung und Ausrüstung geldlich nicht haftbar gemacht, sondern nur
bestraft werden dürfe. Dies hatte darin seinen Grund, daß man eine
Schädigung der Ausbildung befürchtete. Der Mann würde sich
nicht auf jeden Boden rücksichtslos hinwerfen, wenn er für
Beschädigungen seiner Bekleidung aufkommen müßte. Es war
aber doch zu unterscheiden zwischen Beschädigungen, die der Dienst
forderte, an denen also der Mann schuldlos war, und solchen, die eine schuldhafte
Vernachlässigung der Pflichten des Soldaten darstellten, wie bei Verlusten
und Veruntreuungen. Es wurde daher mit der bis dahin herrschenden Auffassung
gebrochen. Die Mannschaften wurden für schuldhafte
Beschädigungen mit ihrem Geldbeutel haftbar gemacht. Die Truppe machte
hiervon anfangs nur zögernd Gebrauch, gewöhnte sich aber mit der
Zeit daran und regte den Gedanken des Sicherheitsgeldes selbst an. Das
Bekleidungsbuch wäre die Ergänzung des Sicherheitsgeldes
gewesen. Ohne diese Voraussetzung blieb das Sicherheitsgeld eine halbe
Maßnahme. Beide gehören untrennbar zusammen. Daß es beide
im Kriege nicht gab, war ein Nachteil. Warum wurden sie im Kriege nicht
[122]
eingeführt? - Das Bekleidungsbuch mußte einfach sein, auf
alle Verhältnisse passen, in seiner Form und Anwendung für das
ganze Heer einheitlich sein. Das waren Anforderungen, die bei der
Ein- und Durchführung eine sehr eingehende Prüfung der
Einzelheiten verlangten. Zu solcher zeitraubenden Arbeit hatten aber weder die
Behörden, noch die Truppe während des Krieges, wo alle in dauernd
höchster Anspannung tätig waren, die nötige Zeit und
Muße. Immer aber bleiben beide eine Schlußfolgerung aus den
Erfahrungen nicht nur des Krieges, sondern auch der Massenwirtschaft.
|