Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 2: Die
Heeresversorgung
mit Bekleidung und Ausrüstung
(Forts.)
Generalmajor Erich v. Flotow, unter
Mitwirkung von Generalleutnant Hans v.
Feldmann
3. Beschaffung von Bekleidung und
Ausrüstung.
Aufbau der Beschaffung.
Die Beschaffung von Bekleidung und Ausrüstung für die dauernd
steigende Kämpferzahl war schwer und wurde es von Woche zu Woche
mehr, je stärker sich die Blockade und die Absperrung Deutschlands von
den Weltrohstoffen fühlbar machten. Diese Hindernisse bedingten
schließlich eine völlige Umkehr von der Beschaffungsform im
Frieden, die aber auch in den letzten Jahren schon in tiefgreifender Weise
umgestaltet worden war.
Bei der Beschaffung muß die Fertigung von Bekleidung und der Einkauf
fertiger Bekleidung, Ausrüstung und der Halbware (Leder, Stoffe,
Näh- und Hilfsmittel), aus und mit denen Bekleidungsstücke
gefertigt wurden, auseinandergehalten werden. Die Beschaffungsstellen für
Bekleidung und Ausrüstung des Heeres waren die Bekleidungsämter.
Sie fertigten Bekleidung an und kauften fertige Stücke. Sie unterhielten
daher einmal eigene Werkstätten und waren in dieser Beziehung
gewerbliche (industrielle) Großbetriebe. Andrerseits kauften sie
Bekleidung, Ausrüstung und Halbware ein und waren sonach auch
Großankaufsstellen.
Es gab bei Ausbruch des Krieges große und kleine Ämter. In den
Armeekorps mit kleinen Ämtern bestanden neben dem Bekleidungsamt
noch die Regimentshandwerkstätten (nur
Schneider-, keine Schuhmacherwerkstätten), während in den Korps
mit großen Ämtern es bei den Truppen überhaupt keine
Handwerkstätten mehr gab. In den Kompagnien usw. wurde zwar
auch handwerksmäßig gearbeitet; man nannte diese
Arbeitsstätte zum Unterschied von der Regimentshandwerkstätte
aber nicht Werkstatt, sondern Flickstube. Auch die wenigen
Ökonomiehandwerker, die man in den Korps mit großen
Ämtern den Truppenteilen mit selbständiger Bekleidungswirtschaft
noch gelassen hatte, waren nicht zur Neuanfertigung bestimmt; ihnen lagen
vielmehr solche Instandsetzungs-, Änderungs- und Flickarbeiten ob, die
Fachkenntnisse erforderten. Ihre Arbeitsstätte konnte also auch nur als
Flickstube - und zwar im Gegensatz zu den
Kompagnie- usw. Flickstuben - als Regimentsflickstube angesehen
werden.
[123] Die Umwandlung der
kleinen Ämter in große war allmählich vor sich gegangen und
noch nicht restlos durchgeführt. Im Bereich der preußischen
Heeresverwaltung bestanden große Ämter im
Garde-, I., V., VI., VII., VIII., IX., X., XV. und XVII. Armeekorps, kleine im II.,
III., IV., XI., XIV. und XVI. Armeekorps. - Im XVIII., XX. und XXI.
Armeekorps gab es vor dem Kriege überhaupt noch keine
Bekleidungsämter. Das Bekleidungsamt XVIII war zwar im Bau;
zunächst aber wurden die Truppen dieses Armeekorps durch das Amt XI
und die Truppen- (Schneider-) Handwerkstätten des XVIII. Armeekorps
versorgt. Amt XI unterschied sich mithin von den übrigen kleinen dadurch,
daß es etwas größer war. Es mußte aber trotzdem den
kleinen Ämtern zugezählt werden, weil sein Betrieb infolge der
Beteiligung von Truppenhandwerkstätten nicht dem eines großen
Amtes entsprach. Die Truppen des XX. Armeekorps wurden vom Bekleidungsamt
I. und XVII. Armeekorps, die des XXI. Armeekorps vom Bekleidungsamt VIII.
und XV. Armeekorps versorgt. Jedem Amt waren bestimmte Truppenteile dieser
Armeekorps zugewiesen.
Ein anderer Unterschied in den Bekleidungsämtern bestand darin, daß
ein Teil der Ämter (sämtliche kleinen und Amt VII) mit
Ökonomiehandwerkern, die übrigen mit Zivilhandwerkern
arbeiteten. Der Werkstattbetrieb war in
Schuhmacher- und Schneiderwerkstätten getrennt; jedes Bekleidungsamt
hatte eine Schuhmacher- und eine Schneiderwerkstatt.
Das Schuhzeug, Stiefel und Schnürschuhe, wurde ausnahmslos in den
Schuhmacherwerkstätten der Bekleidungsämter hergestellt. Eine
Vergebung der Schuhzeuganfertigung an das
Groß- und Kleingewerbe fand nicht statt. Die übrige Bekleidung
wurde in den Schneiderwerkstätten der Bekleidungsämter und auf
den Truppenhandwerkstätten, soweit solche noch vorhanden waren, selbst
hergestellt oder zur Anfertigung nach außerhalb an
Festungsgefängnisse, Zivilstraf- und Gefangenenanstalten,
Gefängnisse, an Handwerkergenossenschaften und Innungen, an
selbständige Handwerksmeister, Nähvereine und Nähfrauen
vergeben.
Was die Truppen, bei denen noch Regimentshandwerkstätten bestanden,
nicht selbst fertigen konnten, bestellten sie beim Bekleidungsamt, die Truppen
ohne Regimentshandwerkstätten alles beim Bekleidungsamt. Arbeit an
Anfertigungsstellen außerhalb vergaben nicht die Truppen, sondern nur die
Bekleidungsämter.
In den Bekleidungsämtern selbst, einschließlich der noch
vorhandenen Truppenhandwerkstätten, wurden im allgemeinen die
wichtigsten und schwieriger anzufertigenden Stücke, wie Röcke,
Reithosen, Mäntel usw. hergestellt. Nach außerhalb wurden
solche Stücke seltener vergeben, meist nur dann, wenn bei gesteigertem
Bedarf die Heereswerkstätten die ganze Anfertigung nicht selbst
bewältigen konnten. Weniger wichtige und leichter herzustellende
Stücke, wie [124] Mützen,
Drilchröcke, Drilchjacken, Drilchhosen, Kalikohemden,
Kalikounterhosen usw., wurden in der Regel an Anfertigungsstellen
außerhalb vergeben und in den Werkstätten der
Bekleidungsämter nur angefertigt, wenn diese Betriebe mit den
übrigen Stücken nicht vollbeschäftigt waren, man ein eigenes
Urteil über Machart, Anfertigungszeit, Arbeitsleistung und ähnliches
gewinnen mußte oder dergleichen. Die fertiggestellten Stücke
lieferten die Anfertigungsstellen außerhalb wieder an die
Bekleidungsämter zurück, die sie nach Prüfung der Arbeit
abnahmen.
Nach den Bestimmungen sollten die Bekleidungsämter die Stoffe nicht in
Ballen oder Stücken, sondern grundsätzlich in Zuschnitten ausgeben.
Bei Überlastung des Zuschneidebetriebs in den Ämtern
überließ man aber auch den Anfertigungsstellen außerhalb das
Zuschneiden der Futterstoffe. Nur Schirmmützen, Halsbinden,
Trikothemden und Trikotunterhosen wurden grundsätzlich fertig,
d. h. unter Lieferung des Stoffes, der Zutaten und Nähmittel, vom
Hersteller bezogen. Schirmmützen wurden an Mützenmacher,
Halsbinden an das Kleingewerbe, Trikothemden und Trikotunterhosen, deren
Stoff auf besonderen Maschinen (Wirkstühlen) hergestellt wurde, an das
Großgewerbe vergeben. Die Beschaffung dieser Stücke gehörte
mithin nicht zum Werkstatt-, sondern zum Kaufbetrieb.
Sattlerwerkstätten gab es in den Bekleidungsämtern nicht. Der
jährliche Ergänzungsbedarf war nicht erheblich, die Einrichtung
solcher Werkstätten nicht lohnend. Die Ausrüstungsstücke aus
Leder und aus wasserdichten Leinen- und Baumwollstoffen mit Lederteilen
wurden daher ausnahmslos vom Großgewerbe bezogen.
Klempnerwerkstätten gab es ebenfalls in den Bekleidungsämtern
nicht. Die Ausrüstungsstücke aus Metall, die
Signal- und Musikinstrumente lieferte das Großgewerbe. Die Beschaffung
der Ausrüstungsstücke war daher ausschließlich Kaufbetrieb.
Schlosserwerkstätten hatten die Bekleidungsämter nur zur
Unterhaltung und Instandsetzung ihrer Maschinen usw., Tischlerwerkstätten zur Anfertigung von Kisten usw. für den
eigenen Bedarf.
Für den Krieg war eine Vergrößerung der
Friedensbekleidungsämter zu Kriegsbekleidungsämtern, mit
größeren Werkstätten,
Beschaffungs- und Abnahmestellen und eine vermehrte Inanspruchnahme des
Gewerbes vorgesehen, um den vorauszusehenden gesteigerten Anforderungen
nachkommen zu können.
Umstellung des Werkstattbetriebes.
Die erste Umstellung erfolgte auch im Sinne dieser Absicht.
In den Armeekorps, die noch Regiments- (Schneider-) Handwerkstätten
besaßen, gingen diese Werkstätten ein; die dadurch frei werdenden
Handwerks- (Schneider-) Meister und Handwerker (Schneider) traten zu dem
Bekleidungs- [125] amt ihres Armeekorps
über. Damit wurde die Verschiedenheit der großen und kleinen
Ämter beseitigt. Außerdem wurden Handwerker des
Beurlaubtenstandes (Schneider, Mützenmacher, Kürschner,
Schuhmacher, Riemer, Sattler, Gerber, Lederzurichter und Maschinenschlosser)
zu allen Ämtern einberufen.
Im Frieden betrug die Zahl der Handwerker bei kleinen Ämtern rund 100,
bei Amt XI rund 150, bei großen Ämtern rund 200 Köpfe.
Für die Kriegsbekleidungsämter war eine Arbeiterzahl von je rund
3000 Köpfen vorgesehen. Nur Amt XVI in Metz wurde von rund 100 auf
nur rund 250 Handwerker gebracht. Die Erweiterung betrug mithin etwa das
fünfzehnfache bei großen und das dreißigfache bei kleinen
Ämtern.
Für eine solche Erweiterung reichten natürlich die bestehenden
Friedenswerkstätten nicht aus. Sie mußten durch Baracken und
Einrichtung geeigneter Räume in der Umgebung, von
Exerzier- und Wagenhäusern, Reitbahnen, Ställen,
Mietsräumen usw. bedeutend vergrößert werden.
Für diese Bauten und Umbauten, für die Herrichtung der inneren
Einrichtung, für die Ausstattung mit Geräten usw. war rund
ein Monat vorgesehen. Eine kurze Zeit und eine Fülle von
Arbeit! - Bei der Nachprüfung stiegen im Frieden manchmal Zweifel
auf, ob alles glatt gehen und die Zeit würde eingehalten werden. Wie aber
für die Überführung des Heeres auf den Kriegsfuß alles
gründlich durchdacht und vorbereitet war, so hatten auch hier Offiziere,
Beamte und Meister der Bekleidungsämter, Beamte der
Militärbauämter und der Intendanturen mit Fleiß und
Gründlichkeit die Vorbereitungen getroffen. Die Einrichtungen erfolgten
planmäßig und nahmen, wie vorgesehen, ihren Fortgang.
Entsprechend der fortschreitenden baulichen Erweiterung wurden die
Ergänzungsmannschaften (Ökonomiehandwerker) staffelweise
einberufen. Am 1. September 1914 war der Kriegsbetrieb bei allen
Bekleidungsämtern aufgenommen.
Bei der Umstellung auf den Kriegsbetrieb konnte keine Rede davon sein,
daß im August 1914 wesentliche Mengen gefertigt wurden, da der
Friedensstand der Ämter mehr als im Frieden nicht leisten konnte und
außerdem durch die Einrichtung der Kriegswerkstätten, durch die
Vorbereitung und Anleitung der eintreffenden Handwerker (Schneider,
Schuhmacher usw.) vollauf in Anspruch genommen war. Der Betrieb der
Kriegsbekleidungsämter konnte erst am 1. September beginnen.
Das Schuhzeug sollte, wie im Frieden, nur in den Kriegsbekleidungsämtern
hergestellt, Schneiderarbeit dagegen auch nach außerhalb vergeben werden.
Von den Anfertigungsstellen außerhalb war im ersten und zweiten Monat
auch noch nicht viel zu erwarten. Sie konnten mit der Arbeit erst beginnen, wenn
sie vom Amt die Zuschnitte erhalten hatten. An einen gesteigerten Zuschnitt war
aber gleichfalls vor dem 1. September nicht zu denken, da vermehrte
Zuschneidesäle erst hergestellt und eingerichtet werden, die Schneider erst
eintreffen mußten, dann anzuleiten und aus ihnen die Zuschneider
auszu- [126] suchen waren.
Außerdem konnten auswärtige Stellen nicht so schnell Fertiges
liefern wie die Ämter selbst, weil die Handwerker der im Frieden
eingespielten Stellen häufig zum Heeresdienst eingezogen waren, neue
Stellen erst ausfindig gemacht und eingearbeitet werden mußten. Vor dem
dritten Monat war auf eine ins Gewicht fallende Leistung auswärtiger
Anfertigungsstellen nicht zu rechnen.
Die Bedarfsermittlung war die Grundlage für die Arbeits- und
Beschaffungspläne. Die Truppe hatte bereits im Frieden die Bedarfsmengen
nach den in den Dienstvorschriften enthaltenen Erfahrungssätzen errechnet
und bei den Bekleidungsämtern angemeldet. Es war dies
- der Bedarf zur Füllung der Armeebekleidungsdepots, der
binnen zehn Wochen eingeliefert werden sollte,
- der Bedarf zur Ausstattung der Ersatztransporte in Höhe von 20 v. H.
der planmäßigen Stärke des mobilen Truppenteils und der
zugeteilten Formationen des Feldheeres - unter Anrechnung der im Frieden
bereits vorrätig zu haltenden Stücke,
- der sechsmonatige Ersatzbedarf für die zum Wirtschaftsbereich des
Ersatzbataillons gehörigen Formationen des Feldheeres, berechnet nach
Kriegstragezeiten der einzelnen Stücke,
- der sechsmonatige Ersatzbedarf für die zum Wirtschaftsbereich des
Ersatzbataillons gehörigen Formationen des Besatzungsheeres, berechnet
nach Friedenstragezeiten der einzelnen Stücke.
Der Gesamtbedarf der in den ersten sechs Monaten von den preußischen
Kriegsbekleidungsämtern zu liefernden wichtigsten
Bekleidungsstücke war hierdurch errechnet worden auf
2 707 686 |
Paar |
Stiefel (Infanterie- und Kavalleriestiefel), |
1 649 019 |
" |
Schnürschuhe, |
1 610 531 |
" |
Röcke (Feldröcke, Attilas, Ulankas usw.), |
298 116 |
" |
Reit- und Stiefelhosen, |
1 095 740 |
" |
Mäntel. |
Auf diese Bedarfsanmeldung hin hatten die Bekleidungsämter festgestellt,
welche Mengen sie in den eigenen Werkstätten anfertigen konnten und
welche sie nach außerhalb zu vergeben hatten. Gleichzeitig ermittelten sie
den Bedarf an Stoffen, Zutaten, Näh- und Hilfsmitteln für die
Anfertigung in ihren Werkstätten und in den Anfertigungsstellen
außerhalb. Für die erste Übergangszeit waren
Kriegsvorräte an Leder, Tuch, Leinen- und Baumwollstoffen, Zutaten,
Näh- und Hilfsmitteln bei den Bekleidungsämtern niedergelegt. Ihre
Menge mußte bis zu der Zeit reichen, wo die Einlieferungen aus
Kriegsaufträgen einsetzten. Sie war danach berechnet.
[127] Planmäßig
war vorgesehen, daß in Preußen fertiggestellt werden sollten:
Lfd.
Nr. |
|
|
|
Inf.-
und Kav.-
Stiefel
Paar |
|
Schnür-
schuhe
Paar |
|
Waffen-
röcke
(Attilas,
Ulankas
usw.) |
|
Reit-
und
Stiefel-
hosen |
|
Mäntel |
|
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
|
|
A. in den Kriegsbekleidungs-
ämtern |
|
|
|
|
|
1 |
im 1. Monat |
132 646 |
72 217 |
64 469 |
10 251 |
21 031 |
2 |
" 2. " |
475 033 |
247 561 |
265 753 |
31 673 |
45 993 |
3 |
" 3. " |
524 776 |
279 655 |
292 349 |
41 892 |
56 092 |
4 |
" 4. " |
537 153 |
292 889 |
305 605 |
50 480 |
56 096 |
5 |
" 5. " |
536 340 |
290 942 |
314 956 |
38 686 |
55 443 |
6 |
" 6. " |
536 086 |
294 388 |
322 956 |
36 507 |
55 647 |
|
7 |
Summe A |
2 742 034 |
1 477 652 |
1 566 088 |
209 589 |
290 235 |
|
B. in Anfertigungsstellen
außerhalb |
|
|
|
|
|
8 |
In Schuhfabriken, bei Innungen und kleinen Meistern als ausnahmsweise
Aushilfe |
|
172 034 |
|
|
|
9 |
in Strafanstalten |
|
|
10 008 |
47 865 |
154 410 |
10 |
bei Innungen usw. |
|
|
46 611 |
43 176 |
651 275 |
|
11 |
Summe B |
|
172 034 |
56 619 |
91 041 |
805 685 |
|
12 |
Summe A/B |
2 742 034 |
1 649 686 |
1 622 707 |
300 630 |
1 095 920 |
13 |
während der
Bedarf betrug |
2 707 686 |
1 649 111 |
1 601 531 |
298 116 |
1 095 740 |
Es war also ein geringes Mehr sichergestellt.
Die sofort notwendig werdende Aufstellung überplanmäßiger
Verbände aus Reservisten, die Einstellung von Kriegsfreiwilligen
über die planmäßigen Stärken hinaus, die Aufstellung
von Neuformationen, die beschleunigte mobile Verwendung immobil aufgestellter
Verbände, die frühzeitige Einberufung des Landsturms und die
unerwartet großen Ersatztransporte steigerten den Bedarf um ein
Mehrfaches des Vorgesehenen. Infolgedessen mußte die Leistung der
Kriegsbekleidungsämter und Anfertigungsstellen außerhalb erheblich
vermehrt werden.
Die bereits im Frieden bestehende Schwierigkeit, durch ein Bekleidungsamt mehr
als ein Armeekorps mit Bekleidung und Ausrüstung zu versorgen, trat im
Kriege infolge der höheren Kriegsstärken und der hinzugetretenen
Kriegsformationen trotz Erweiterung der Friedensämter zu
Kriegsbekleidungsämtern, wie vorausgesehen, bedeutend schärfer in
die Erscheinung. Es bestätigte sich, daß es ein Mangel im Aufbau
war, wenn nicht jedes Armeekorps ein eigenes [128] Bekleidungsamt
besaß. Dieser Mißstand war längst erkannt, seine Beseitigung,
die seit Jahren versucht war, aber stets an der Finanzlage des Reichs oder
vielmehr am Sparsamkeitswahn des Reichsschatzamts und des Reichstags
gescheitert.
Das Bekleidungsamt des XVIII. Armeekorps wurde mit aller Beschleunigung
fertiggestellt und bereits am 1. Dezember 1914 in Friedensstärke in Betrieb
gesetzt. Die Erweiterung auf ein vollzähliges Kriegsbekleidungsamt mit
rund 3000 Köpfen wurde im Frühjahr 1915 erreicht.
Außerdem wurden die Vorarbeiten für je ein Amt für das XX.
und XXI. Armeekorps aufgenommen und mit Nachdruck betrieben. Nach der
Kriegslage im Osten im Herbst 1914 mußte davon abgesehen werden, das
Amt XX im Korpsbereich zu errichten. Auch für das XXI. Armeekorps
erschien die Errichtung in dem Grenzgebiet nicht zweckmäßig, weil
die Belastung der Bahnen so groß war, daß der
An- und Abtransport der Güter des Bekleidungsamts nach den bisher
gemachten Erfahrungen erhebliche Schwierigkeiten voraussehen ließ. Die
Wahl fiel daher auf Frankfurt a. O. für das Bekleidungsamt
das XX. Armeekorps, auf Hanau für das XXI. Armeekorps.
In Frankfurt a. O. ließen sich die Arbeiten so fördern, daß das
Amt XX Ende August 1915 seinen Betrieb aufnehmen konnte. In Hanau war das
nicht so schnell zu erreichen. Dieses Amt wurde erst im Mai 1916 fertig. Beide
Ämter, in Größe eines erweiterten Friedensamts, und Amt
XVIII erhielten zum Unterschied von den anderen
Kriegsbekleidungsämtern die Bezeichnung Reservebekleidungsamt des
XVIII., XX. und XXI. Armeekorps, weil sie im Friedenshaushalt nicht vorgesehen
und nur eine Kriegsschöpfung waren. Sie übernahmen nach und nach
die Versorgung bestimmter Truppenverbände.
Die Vermehrung der Bekleidungsämter um drei konnte erst in
späterer Zeit wirksam werden. Es kam aber darauf an, den Mehrbedarf an
Bekleidung und Ausrüstung der Truppe schon im Herbst 1914 rechtzeitig
zu liefern. Den Kriegsbekleidungsämtern wurde daher aufgegeben, ihren
Betrieb durch Einstellung von Arbeitskräften über die vorgesehenen
Stärkenachweisungen hinaus in die vorhandenen Betriebsabteilungen oder
durch Aufstellung weiterer Betriebskompagnien (Abteilungen) mit dem
notwendigen Aufsichtspersonal noch mehr zu erweitern. Dies geschah, soweit
Arbeitskräfte gewonnen werden konnten und die Räumlichkeiten
deren Anstellung gestatteten. Man kann aber nicht behaupten, daß diese
Erweiterungen wesentlich waren, so daß durch sie eine erhebliche
Steigerung der Anfertigungen eingetreten wäre. Das hätte man nur
erwarten können, wenn bei der Erweiterung vom Friedensbetrieb zum
Kriegsbetrieb gleich von vornherein auf die Möglichkeit eines noch
größeren Umfangs Bedacht genommen wäre. Das aber war
nach dem errechneten planmäßigen Bedarf bedenklich, weil nicht zu
übersehen war, ob die dann vorgesehene Größe dauernd oder
wenigstens für längere Zeit nötig gewesen wäre.
[129] Es war gut, daß
man diesen Bedenken den ausschlaggebenden Wert beigemessen hatte. Denn
schon nach einiger Dauer des Krieges wurden die eigenen Werkstätten der
Ämter, wie später noch ausgeführt werden wird, wieder
verkleinert.
Der Schwerpunkt wurde daher auf eine stärkere Heranziehung von
Betrieben des freien Gewerbes gelegt. Ihre Beteiligung war, wie aus der
Verteilung der Anfertigungen (Seite 127) hervorgeht, schon in starkem
Maße in Aussicht genommen, aber trotzdem noch erheblich mehr
möglich. Es ging dies daraus hervor, daß die Bekleidungsämter
in sehr verschiedenem Umfange die Leistungen der Anfertigungsstellen
außerhalb in ihre Vorarbeiten eingestellt hatten. Die Gründe
dafür waren mannigfacher Art. Das Gewerbe war nicht
gleichmäßig über das ganze Reich verteilt. In den einzelnen
Ländern und Provinzen hatte es sich verschieden entwickelt, da die
Erzeugungsbedingungen der Gegenden verschieden waren. So gab es z. B.
eine stark entwickelte Schuhindustrie in Breslau und Neustadt in Oberschlesien,
in Burg und Weißenfels, Erfurt, Dresden und vielen kleinen Städten
Sachsens, in der Gegend von Offenbach und Pirmasens, in Burgkundstadt,
Nürnberg und Schweinfurt in Bayern, in Tuttlingen und in mehreren Orten
Württembergs, in Dettweiler im Elsaß, während z. B. in
Ost- und Westpreußen, in Posen und Brandenburg eine ausgesprochene
Schuhindustrie nicht oder nur mäßig vorhanden war.
Es wurde daher damit gebrochen, das Schuhzeug nur in den Werkstätten
der Kriegsbekleidungsämter herstellen zu lassen; Fabriken, Innungen und
kleine Meister, Groß- und Kleingewerbe erhielten Aufträge. Dieses
Verfahren wurde während des ganzen Krieges beibehalten und ausgebaut.
Es hat sich vollauf bewährt.
Da aber auch die Lieferungen des Gewerbes erst nach Anfertigung der Ware
eingehen konnten, mußten in der ersten Zeit greifbare Vorräte, soweit
sie brauchbar waren, auch wenn die Stücke der Probe nicht ganz
entsprachen, angekauft werden. Der Kaufbetrieb mußte
vorübergehend aushelfen. Bei der Schnelligkeit, mit der die Beschaffung
vor sich gehen mußte, ist manches minderwertige Schuhzeug abgenommen
worden. Bei dem ungeheuren plötzlichen Mehrbedarf konnte man nicht
sehr wählerisch sein. Man mußte nicht nur Abweichungen in der
Form und im Aussehen zulassen, sondern auch die hohen Anforderungen an
Güte, die man im Frieden zu stellen gewohnt war, zurückschrauben.
Wenn dabei hier und da zu weit gegangen wurde, so erklärt sich das daraus,
daß man das Verhältnis zwischen Bedarf und geeigneten
Vorräten nicht genügend übersah und die ausführenden
Stellen in der Beurteilung der Lage nur nach Schätzung ohne Unterlage und
ohne Erfahrung handeln konnten.
Es mag dabei auch an Übung im Erkennen von Mängeln gefehlt
haben, weil solche Ankäufe im Frieden nicht üblich und die
für solche Abnahmen beim Kauf nach Probe nötigen Erfahrungen
nicht gemacht waren. Vorsicht war gerade deshalb um so mehr geboten, als der
Kreis der Lieferer erheblich er- [130] weitert werden
mußte, und sich infolgedessen an die Bekleidungsämter auch
zahlreiche unlautere Verkäufer herandrängten, denen es nur darauf
ankam, möglichst schnell Geld zu verdienen.
Die Bekleidungsämter lernten aber aus diesen Erfahrungen und haben bei
späteren Ankäufen ähnliche Fehler vermieden. Das haben sie
im Ankauf von Schuhzeug bewiesen, als sie für den Feldzug gegen
Rumänien Gebirgsschuhzeug, das im Heere bisher nicht
gebräuchlich war, ankaufen mußten. Waren die Mengen auch nicht so
groß, wie im Herbst 1914, so war dies Schuhzeug doch eine nicht allzu weit
verbreitete Abart, auf deren Anfertigung nur wenige Sonderbetriebe eingestellt
waren. Die Bekleidungsämter hielten sich beim Ankauf dieses Schuhzeugs
nur an denjenigen Zweig des Gewerbes, der die Anfertigung dieser Art betrieb,
und erreichten die Bedarfsdeckung unter Vermeidung der früher
aufgetretenen Mißstände. Die beauftragten Ankaufsstellen, die
Bekleidungsämter, hätten die Wiederholung der
Mißstände kaum vermeiden können, wenn sie nicht in ihren
Offizieren und Handwerksmeistern eigene, vom Gewerbe unabhängige
Sachverständige besessen hätten, die durch Ausbildung in eigenen
Werkstätten sich die Fähigkeit erworben hatten, auch bei diesem
Ankauf richtig zu urteilen.
Mit den Schneiderarbeiten stand es etwas anders als mit der
Schuhzeuganfertigung. In Schneiderarbeiten hatte sich die Heeresverwaltung im
großen nicht den staatlichen Alleinbetrieb vorbehalten, sondern schon im
Frieden gewerbliche Betriebe beteiligt. Es war aber nicht üblich, von jeder
Stückart einen Teil in den Schneiderwerkstätten der
Bekleidungsämter und den Anfertigungsstellen außerhalb herstellen
zu lassen. Wirtschaftliche Gründe hatten, wie das Gewerbe, so auch die
Bekleidungsämter veranlaßt, durch zweckmäßige
Arbeitsgliederung wirkungsvollere und hochgesteigerte Arbeit zu erzielen. Sie
hatten, wie andere Großbetriebe, das ganze Arbeitsgebiet der Schneiderei
durch Spezialisation, durch Arbeitszerlegung und Abstufung der Handwerker, in
mehrere unabhängig nebeneinander stehende Einzelgebiete (Rockschneider,
Hosenschneider, Mantelschneider) geschaffen.
So hatten sie die Anfertigung der wichtigsten und schwerer herstellbaren
Bekleidungsstücke, wie Röcke (Waffenröcke, Attilas,
Ulankas usw.), Mäntel, Reit- und Stiefelhosen im allgemeinen sich
selbst vorbehalten und die Anfertigung der übrigen, weniger wichtigen und
leichter herstellbaren Bekleidungsstücke den Anfertigungsstellen
außerhalb überlassen. Der staatliche Alleinbetrieb bestand in der
Schneiderei mithin ebenfalls wie in der Schuhmacherei, wenn auch nicht in dem
gleichen Umfange, nicht im großen, sondern nur im kleinen.
Um den gesteigerten nicht vorausgesehenen Mehrbedarf zu decken, mußten
die Bekleidungsämter auch diesen staatlichen Alleinbetrieb aufgeben und
das Gewerbe mit seinen Klein- und Großbetrieben beteiligen. Anfangs
wurden, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nur die Kleinbetriebe des
Gewerbes [131] vermehrt in Anspruch
genommen. Die Großbetriebe kamen erst in späterer Zeit an die
Reihe, als sich bei der Dauer des Krieges auch bei ihnen Arbeitsmangel
einstellte.
Andrerseits mußten die Bekleidungsämter aber auch vom
Alleinbetriebe des Gewerbes abgehen, soweit ein überraschend
aufgetretener Fehlbedarf schnell zu decken war, da die Arbeitsvergebung nach
außerhalb zeitraubender war, als die Herstellung im eigenen Betriebe.
Es betraf das z. B. die Anfertigung der Mäntel, deren Herstellung einzelne
Bekleidungsämter nur in Anfertigungsstellen außerhalb vorgesehen
hatten. Sie mußten die Anfertigung in eigenen Werkstätten
übernehmen, um den ersten großen Mehrbedarf schneller zu
decken.
Innerhalb des eigenen Betriebes wurde das einzelne Stück schon im Frieden
in mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Abschnitten unter mehrere in ihrem
Abschnitt zwar selbständige, sonst aber doch voneinander abhängige
Handwerker (Rückenteil-, Vorderrock-, Rockrumpf-,
Ärmel-, Kragen- usw. Schneider) geteilt. Auf dem Wege dieser
Teilung war eine weitere Steigerung der Arbeitsleistung nach dem Stande der
Arbeitstechnik nicht erreichbar.
Es war nötig, hierauf besonders hinzuweisen, weil von Gegnern der
Bekleidungsämter gern behauptet wurde, daß die Ämter in
ihrer Arbeitsweise rückständig gewesen seien, und weil
Außenstehende und auch die Truppe, die den Betrieb der Ämter nicht
kannten, solchen Ausstreuungen leicht glaubten. Die Bekleidungsämter
waren aber den Fortschritten des Wirtschaftsbetriebes stets gefolgt. Sie hatten jede
nur mögliche Verbesserung auch in ihren Betrieben eingeführt. Sie
standen durchaus auf neuzeitlicher Grundlage.
In der Schneiderei machte die Deckung des Bedarfs
verhältnismäßig die geringsten Schwierigkeiten. Sie wurde
wesentlich erleichtert dadurch, daß staatliche Großbetriebe, die
Werkstätten der Bekleidungsämter, vorhanden waren und daß
schon im Frieden neben ihnen gewerbliche Betriebe zur Mitarbeit herangezogen
worden waren. Es trat hier klar in die Erscheinung, wie vorteilhaft dieses
Zusammenwirken von staatlichen und gewerblichen Betrieben war. Der
Heeresverwaltung gereichte zum Nutzen, daß man sich nicht nur auf den
staatlichen Alleinbetrieb eingestellt hatte, sondern gewohnt war, das Gewerbe zu
beteiligen, dieses dadurch eingespielt und vorbereitet war. Es zeigte sich aber
auch, daß das Bestehen staatlicher Betriebe neben denen des Gewerbes
nötig war und ihr Fehlen nachteilig gewesen wäre.
Trotz den verhältnismäßig geringen Schwierigkeiten darf aber
nicht angenommen werden, daß die rechtzeitige Sicherstellung der
Anfertigung den Ämtern keine Mühe gemacht hätte. Auch hier
gab es Hemmungen und Hindernisse; sie waren aber einfacherer Natur und
leichter zu überwinden. Sie hatten ihren Grund in der Arbeitsteilung und
Arbeitsgliederung. Die Anfertigung von Röcken war der Mehrzahl der
auswärtigen Anfertigungsstellen unbekannt. [132] Die Einstellung neuer
Stellen hierauf wäre einfacher gewesen, wenn eine größere
Zahl von Stellen vorhanden gewesen wäre, die in der Leitung und
Ausführung dieser Arbeit eingespielt gewesen wären, und die
Ämter selbst mehr Erfahrung in der Anleitung hierzu besessen
hätten. Beides wäre durch stärkere Heranziehung des
Gewerbes im Frieden zu erreichen gewesen. Dadurch wären in den
Ämtern Kräfte frei geworden, die z. B. mit der Anfertigung
von Mänteln hätten beschäftigt werden können.
Vergleicht man die in der Übersicht auf Seite
127 enthaltene Zahl der Röcke und Mäntel, die
planmäßig in den Ämtern und außerhalb gefertigt
werden sollten, so fällt auf, daß die Zahl der in den Ämtern
herzustellenden Röcke (1 566 088) sehr groß war
gegenüber der Zahl der außerhalb anzufertigenden (56 619).
Bei Mänteln war das Verhältnis umgekehrt. In den Ämtern
sollten nur 290 235, in Anfertigungsstellen außerhalb aber
805 685 Mäntel hergestellt werden. Die Anfertigung der
Mäntel war eben einfacher und leichter als die der Röcke.
Für die bis Ende September neu aufzustellenden Armeekorps waren, da
jeder Mann mit einem Mantel auszustatten war, allein 165 000
Mäntel erforderlich, die in kürzester Frist vorhanden sein sollten. Die
Anfertigungsstellen außerhalb konnten aber, wie erwähnt, mit
Lieferungen erst im dritten Kriegsmonat, d. h. im Oktober, einsetzen. Es
war also plötzlich ein großer Mehrbedarf eingetreten, den
Privatbetriebe zu decken gar nicht in der Lage waren. Die
Kriegsbekleidungsämter waren daher gezwungen, einen erheblichen
Bruchteil dieses Mehrbedarfs an Mänteln in eigenen Werkstätten
herzustellen. Die Zahl der zu beschaffenden Stücke war in der Regel
abhängig von der Tragezeit. Nach der Friedenstragezeit (Mantel 6½,
Rock 2 Jahre) wurde im allgemeinen auf einen Mantel drei Röcke neu
beschafft. Standen aber Neuformationen in Aussicht, so brauchte jeder Mann
Rock und Mantel. Für 3000 bereits eingekleidete Mannschaften waren als
Ersatz für Abnutzung im Jahre nur 1000 Mäntel, aber 3000
Röcke neu zu fertigen. Für 3000 neu zu den Fahnen Einberufene
waren jedoch zur ersten Einkleidung sofort 3000 Mäntel und auch nur 3000
Röcke nötig. Das Beschaffungssoll an Mänteln stieg mithin
erheblicher als das von Röcken, wenn Neuformationen einzukleiden waren.
Infolgedessen hätte bei all den Stücken, die eine lange Tragezeit
hatten, auf die schnelle Steigerung der Bedarfsdeckung mehr Bedacht genommen
werden müssen, als bei Stücken von kürzerer Tragezeit. Der
Schwerpunkt ihrer Anfertigung hätte also auch im Frieden stärker in
die staatlichen Betriebe gelegt werden sollen, als bei Stücken von
kürzerer Tragezeit. Tatsächlich haben die Bekleidungsämter
auch bei Beginn des Krieges ohne weiteres sich mehr der Anfertigung von
Mänteln unterzogen, als sie planmäßig vorgesehen war, und
dafür Röcke weit mehr, als die plötzliche Bedarfssteigerung
verlangte, zur Anfertigung nach außerhalb vergeben. Es war von Vorteil,
daß die staatlichen Betriebe [133] der
Bekleidungsämter hier helfend eingreifen konnten. Es ergab sich hieraus,
daß bei der Arbeitsteilung zwischen staatlichen und gewerblichen Betrieben
der auf jeden entfallende Anteil nicht allein von der wirtschaftlich besten
Herstellungsmöglichkeit abhängig war, sondern die schnelle und
rechtzeitige Versorgung des Heeres dabei viel mehr den Ausschlag geben
mußte.
Instandsetzung von Bekleidung und Ausrüstung.
Der Mangel an Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken für
Neuformationen und Ersatztransporte zwang schon frühzeitig dazu, auf
Sammlung und Rückführung der Ausrüstung von Gefallenen
und Verwundeten aus dem Felde in die Heimat zu dringen und bei Verwundeten,
die in die heimischen Lazarette zurückgeführt waren, die feldgraue
Bekleidung gegen blaue umzutauschen, um sie bei Ausstattung der
Neuformationen und Ersatztransporte mit zu verwenden. Diese Quelle floß
zuerst spärlich, da die Truppe von selbst kaum daran dachte und die
Anregungen aus der Heimat sich auf dem Dienstwege nur langsam durchsetzten.
Sie war aber immerhin Anlaß, die Reinigung und Wiederherstellung der aus
dem Felde zurückkommenden Bekleidungsstücke von den
Ersatztruppenteilen zu verlangen und den Kriegsbekleidungsämtern
schwierigere Instandsetzungsarbeiten aufzugeben.
Die Kriegsbekleidungsämter mußten zur Einrichtung solcher
Instandsetzungsbetriebe ihre Werkstätten erneut erweitern; das bereitete
ihnen neue Schwierigkeiten, weil sie schon einen Umfang erreicht hatten, der
schwer zu übersehen und zu leiten war. Es wurde daher mehrfach eine
Teilung der Kriegsbekleidungsämter erwogen; sie mußte aber immer
wieder aufgegeben werden, weil entweder nur unwesentliche, nicht umfangreiche
Arbeitsgebiete abgezweigt werden konnten oder weil die Versorgung der
Truppen, die einheitlich von einer Stelle aus bewirkt werden mußte, durch
eine Spaltung verlangsamt worden wäre.
Die Rückführung der Bekleidung aus dem Felde wurde mit der Zeit
jedoch stärker; sie wuchs erheblich von dem Augenblick an, wo der Truppe
neue Bekleidung ins Feld zugeführt wurde, da die Truppe nunmehr auch
die von ihr selbst ausgetragenen Stücke in großen Mengen
zurücksandte. Die Truppe, die nicht wußte, wann sie im Felde auf
Bekleidungsersatz rechnen konnte, hatte beim Eintreffen neuer Bekleidung die
Gelegenheit wahrgenommen, sich gut damit zu versehen, und sich auch besserer,
ihr aber nicht mehr gut genug dünkender Stücke entledigt. Das blieb
Vergeudung, wenn sie auch von der Truppe, die nur im Drange der
Selbsterhaltung handelte, nicht beabsichtigt war. Verschwendung durfte aber die
Heimat, deren Rohstoffe beschränkt waren, nicht treiben. Ihre Aufgabe war
es, zu sparen und der Feldtruppe neben neuer auch feldbrauchbar instandgesetzte
Bekleidung und Ausrüstung wieder zuzuführen. Dazu mußte
die Instandsetzung großzügig in Angriff genommen werden; denn
[134] Ersatztruppenteile und
Bekleidungsämter waren nicht in der Lage, soviel instandzusetzen, wie
dauernd aus dem Felde einging.
Da das heimatliche III. und VII. Armeekorps bei ihrem zahlreichen
Mannschaftsersatz (Berlin und Industriegebiet) mehr als andere Armeekorps zur
Aufstellung neuer Formationen und zur Gestellung von Ersatz herangezogen
wurden, kämpften deren Kriegsbekleidungsämter im Herbst 1914
mehr als andere Ämter mit Schwierigkeiten in der Beschaffung. Die an sie
gestellten Anforderungen überstiegen die Leistungsfähigkeit eines
Bekleidungsamtes.
Die Truppe griff zur Selbsthilfe; und so entstand in Kottbus beim Ersatzbataillon
Infanterieregiments 52 aus kleinen Anfängen heraus eine
Bekleidungs- usw. Beschaffungsstelle, die vom stellvertretenden
Generalkommando und der stellvertretenden Intendantur des III. Armeekorps in
ihren Bestrebungen gefördert wurde. Im Bereich des VII. Armeekorps hatte
das stellvertretende Generalkommando die Errichtung eines zweiten
Bekleidungsamtes in Düsseldorf angeordnet und dasselbe eingerichtet.
Beide Stellen bildeten eine Ergänzung der planmäßigen
Kriegsbekleidungsämter in Spandau und Münster i. W.
Sie ließen sich zunächst die Beschaffung neuer Stücke
angelegen sein. Sobald die zu Kriegsbetrieben erweiterten
Bekleidungsämter ihre volle Tätigkeit entfaltet hatten und auch das
Bekleidungsgewerbe auf die Anfertigung neuer Stücke eingestellt war,
widmeten sich diese beiden Stellen stärker der Wiederherstellung von
getragenen, aber noch nicht ausgetragenen
Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken.
Da aber auch die Kriegsbekleidungsämter in Spandau und Münster i.
W. neue Stücke herstellten und daneben getragene instand setzten, lag der
Gedanke nahe, die Instandsetzung alter Stücke von der Anfertigung neuer
Stücke zu trennen, die Anfertigung neuer Stücke Kottbus und
Düsseldorf zu nehmen und in den beiden Kriegsbekleidungsämtern
Spandau und Münster wieder zusammenzufassen, dafür aber
Spandau und Münster von der Instandsetzung zu entlasten und damit
Kottbus und Düsseldorf zu beauftragen. Der Gedanke der Teilung der
Bekleidungsämter wurde damit wieder aufgenommen. Er kam in die
Bahnen, die seine Durchführbarkeit ermöglichten.
Trotz der Verschiedenheiten zwischen den Betrieben in Kottbus und
Düsseldorf zeigten sie manche Ähnlichkeit, die in der Hauptsache in
der Ausnutzung arbeitslos gewordener Kräfte und in der Heranziehung
weiblicher Hilfskräfte bestand. - Dieser Gedanke war auszubauen.
Ähnliche Einrichtungen mußten auch in anderen Korpsbereichen
geschaffen werden. Um schneller zum Ziele und zu wirksamen,
leistungsfähigen Betrieben zu kommen, wurden die Zivilbehörden
für diesen Gedanken gewonnen. Breslau, Hamburg, Kassel mit
Thüringen, Frankfurt a. M. griffen die Vorschläge
zuerst auf, so daß im Bereich des III., VI., VII., IX., XI. und XVIII.
Armeekorps in und bei diesen Städten 1916 größere
Instandsetzungswerkstätten, denen dann die Bezeichnung
Beklei- [135]
dungs-Instandsetzungsämter beigelegt wurde, unter militärischer
Leitung entstanden.
Da diese sechs Werkstätten aber nicht ausreichten, wurden später
auch beim Garde-, I., II., IV., V., VI., VIII., X., XIV., XV., XVII. und XX.
Armeekorps in Berlin, Königsberg i. Pr., Stettin, Magdeburg,
Liegnitz, Breslau, Koblenz, Hannover-Linden, Karlsruhe,
Straßburg i. E., Danzig und Allenstein ähnliche
Einrichtungen geschaffen. Somit erhielt fast jedes heimatliche Armeekorps neben
seinem Bekleidungsamt ein Bekleidungs-Instandsetzungsamt. Diese
Bekleidungs-Instandsetzungsämter konnten sich aus kleinen
Anfängen naturgemäß nur schrittweise entwickeln. Bei den
Ämtern in Kottbus und Düsseldorf handelte es sich im großen
und ganzen um eine Umstellung. In Cassel wurde die
Desinfektions- und Reinigungsanstalt der Beutesammelstelle des Artilleriedepots,
die von dieser Stelle losgelöst wurde, zum Ausgangspunkt. Im
übrigen wurden die Instandsetzungswerkstätten der
Bekleidungsämter von diesen getrennt, selbständig gemacht und
ausgebaut, dagegen die Flickstuben der Truppenteile nach Aufnahme der
Tätigkeit in den Bekleidungs-Instandsetzungsämtern wieder
eingeschränkt; den Flickstuben verblieb in Zukunft nur noch die laufende
Instandsetzung der den Ersatztruppen zum Gebrauch überwiesenen
Bekleidung und Ausrüstung.
Die Errichtung der Instandsetzungsämter wurde mit Nachdruck in Angriff
genommen; eine Überstürzung in der Zuweisung von Arbeit an sie
war jedoch zu vermeiden, weil ihre Leistungsfähigkeit sich erst
allmählich steigern konnte. Die Einschränkung der Flickstuben
durfte nicht übereilt, das Instandsetzungsgeschäft nicht unterbrochen
werden, wenn die Versorgung des Feldheeres nicht gefährdet werden
sollte.
Es wurde daher in der Weise vorgegangen, daß die bisherigen
Einrichtungen im allgemeinen neben den neuen bestehen blieben. Die
Ersatztruppenteile durften zunächst nur diejenigen Stücke abgeben,
deren Instandsetzung über den Umfang ihrer Einrichtungen hinaus
ging.
Um eine Überhäufung der neuen Ämter in Arbeit und
Lagerräumen zu vermeiden, mußten die
Ersatztruppenteile usw. sie von der Absicht der Zusendung unter Angabe
von Art und Menge der abzugebenden Stücke benachrichtigen. Nach dem
Fortschritt der neuen Einrichtungen, dem Fortgang ihrer Arbeiten und nach der
Reihenfolge der Anmeldungen riefen die Ämter das ab, was sie zur Arbeit
brauchten. Privatbetriebe, die bisher mit der Reinigung und Instandsetzung betraut
waren, das freie Gewerbe, die Konfektion, Handwerkervereinigungen,
Genossenschaften und Innungen, öffentliche und gemeinnützige
Fürsorgestellen wurden nicht ausgeschaltet, ohne anderweit Arbeit
gefunden zu haben. Zum Teil konnten diese eingearbeiteten Arbeitsstellen in
gleicher Weise weiterbeschäftigt werden. Sie wechselten nur ihren
Arbeitgeber. Je mehr die Bekleidungs-Instandsetzungsämter in ihre Arbeit
hineinwuchsen und die neuen [136] die zu ihnen
übertretenden Stellen usw. fest in die Hand bekamen, wurden die
früheren Stellen aufgelöst oder Truppenflickstuben
eingeschränkt.
So einfach diese Schöpfung dem Fernerstehenden erscheinen mag, so
erforderte sie doch nicht nur nachhaltige, sondern auch verständnisvolle
Mitarbeit aller beteiligten Dienststellen. Diesen ist es zu verdanken, daß die
Bekleidungs-Instandsetzungsämter in verhältnismäßig
kurzer Zeit zu leistungsfähigen, der Schlagfertigkeit des Heeres dienenden
Betrieben wurden.
Den Ersatztruppenteilen wurde verboten, Bekleidungs- und
Ausrüstungsstücke unmittelbar an die
Altstoff-Verwertungsanstalten bei den Strafgefängnissen abzugeben.
Truppen, die die Instandsetzungsarbeiten nicht bewältigen konnten, hatten
nämlich dort Hilfe gesucht. Diese Verwertungsanstalten waren schon im
Frieden vom preußischen Justizministerium mit Zustimmung des
preußischen Kriegsministeriums eingerichtet worden. Ihr Wirken war sehr
verdienstvoll. Sie erhielten von den Truppen alle unbrauchbare Bekleidung und
Ausrüstung, sichteten die Stücke, setzten die besten für
Heereszwecke wieder instand und lieferten sie an die Truppen zurück. Die
übrigen Stücke zertrennten sie sachgemäß, gewannen
daraus Flickstoffe für die Truppen, ließen aus den dann noch
brauchbaren Teilen Bekleidungsstücke, die sich zur Arbeit eigneten,
für die bürgerliche Bevölkerung herstellen und verwerteten
den Rest in sonst geeigneter Weise.
Die Ersatztruppenteile hatten im Kriege bei solchen Abgaben nicht nur
militärisch unbrauchbare Stücke, sondern auch noch brauchbare
abgeliefert. Das erschien tadelnswert, war aber leicht erklärlich, wenn man
sich den Zustand vergegenwärtigt, in dem die Sachen häufig aus dem
Felde zurückkamen. Es waren neben den ordnungsmäßigen
Sendungen der Truppen auch solche, die vom Aufräumen des
Schlachtfeldes herrührten. Diese waren meist ein wirrer Haufen aller
möglichen Stücke, ein wildes Durcheinander. Den Stücken
haftete noch der Schmutz des Schützengrabens oder des Schlachtfeldes an.
Wie sie beim Aufräumen des Kampffeldes aufgesammelt waren, so waren
sie verladen. Die Aufräumungstrupps im Felde hatten keine Zeit, diese
Bestände irgendwie zu ordnen. Mengen, die man auf den ersten Blick nur
als Lumpen ansprach, ergaben bei genauerer Prüfung, nach Sichtung und
Reinigung zahlreiche wenig getragene, fast unversehrte und leicht
wiederherzustellende Stücke, die den Truppen entgingen und erst bei den
Altstoffbetrieben entdeckt wurden. Die Anstalten wurden durch die
Wiederherstellung überlastet und ihrer Hauptaufgabe, Altstoffe, also
militärisch unbrauchbare Stücke, zu verwerten, entzogen. Die
Heeresverwaltung mußte Sichtung und Instandsetzung brauchbarer
Stücke in der Hand behalten. Sie konnte es nicht zulassen, daß die
Altstoffbetriebe die Instandsetzung allgemein übernahmen.
Die preußische Justizverwaltung und die ihr unterstehenden
Altstoffverwertungsanstalten fürchteten, daß ihnen das Arbeitsgebiet,
auf das sie sich [137] dankenswerterweise
eingestellt hatten, genommen wurde. Das war aber keineswegs die Absicht der
Heeresverwaltung, die sich bei dem vielen, was sie schon zu leisten hatte, nicht
noch unnötig eine Arbeit aufbürden konnte, die viel besser schon von
anderer Stelle geleistet wurde. Instandsetzung war etwas anderes als
Altstoffverwertung. Nur einmal getragene oder wenig benutzte Stücke
konnten nicht als ausgetragen angesehen werden. Es war auch nicht zu
befürchten, daß der Justizverwaltung weniger Arbeit zufließen
würde. Der Verbrauch an Bekleidung im Kriege war größer als
im Frieden. Die Justizverwaltung konnte mithin auch weiter sicher auf
große Mengen an Altstoffen rechnen.
Die Tätigkeit der Bekleidungs-Instandsetzungsämter bestand in:
Sichtung des Eingangs für Entseuchung und Reinigung; Entseuchung;
Reinigung; Sichtung für die Instandsetzung; Trennerei und Zerlegung;
Zurichtung; Ausgabe an freie Gewerbe (Handwerk, Konfektion,
Genossenschaften, Innungen), Fürsorgestellen usw.; Abnahme;
Lagerung fertiger Bestände; Abgabe an die Truppen usw.;
Aussonderung der für Heereszwecke nicht mehr brauchbaren Stücke
und deren Zuführung an die
Altstoff-Verwertungsstellen.
Die eingehenden Sendungen wurden zunächst nach den verschiedenen
Arten der Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke gesichtet. Dabei
wurde die Zahl der Stücke festgestellt und nach den Versandverzeichnissen
der absendenden Stellen geprüft. Unstimmigkeiten, die sich
gegenüber den Versandverzeichnissen ergaben, wurden im Benehmen mit
den absendenden Stellen aufgeklärt.
Stücke, die nicht in die Bekleidungswirtschaft gehörten, aber sich in
großen Mengen darunter befanden, wie Waffen, Munition, Handgranaten,
Zünder verschiedenster Art, Sandsäcke, Strohsäcke,
Zwiebackbeutel, Drahtscheren, Gasmasken, Sauerstoffapparate usw.,
wurden den zuständigen Stellen zugeführt.
Sodann wurden die Stücke gereinigt und entseucht. Das
Entseuchungs- und Reinigungsverfahren war nach den zu behandelnden Stoffen,
auf deren Empfindlichkeit Rücksicht genommen werden mußte,
verschieden. Da feuchtes Leder keine Hitze verträgt, sondern platzt, durfte
es nicht mit Dampf behandelt und nur in mäßigen
Wärmegraden allmählich getrocknet werden. Bei Stücken, die
mit Leder besetzt waren, mußte hierauf besonders geachtet werden. Wollene
Kleidungsstücke durften nur in lauwarmem Wasser gereinigt werden, da sie
in kochendem filzig werden. Blutflecken mußten erst in kaltem, mit etwas
Salz versetztem Wasser ausgewaschen werden, weil unter der Einwirkung
heißen Wassers braune Flecken entstehen, die sich nicht mehr entfernen
lassen. Waren dies auch wohlbekannte Regeln, so wurde anfangs doch wiederholt
dagegen verstoßen und manches Stück verdorben, das damit der
Bekleidungswirtschaft verloren ging und auch in der Altstoffverwertung kaum
noch zu verwenden war. Die Bekleidungs-Instandsetzungsämter lernten
aber nicht nur aus ihren Fehlern, sondern sie vervollkommneten sich auch in der
Behandlung der Bekleidung. Sah man im Anfang den Bekleidungsstücken,
wenn sie die Reinigung und [138] Entseuchung verlassen
hatten, noch die Spuren des Gebrauchs und der Entseuchung an, machten sie trotz
Reinigung und Instandsetzung immer noch einen vertragenen Eindruck, so gelang
es später, die Kleidungsstücke so sauber aufzufrischen, daß sie
sich oft nur wenig von neuen unterschieden. Dampfbehandlung nahm nach
Entstaubung und Wäsche Kleidungsstücken den letzten Schmutz,
lockerte das Gewebe auf, gab dem fast abgestorbenen Rohstoff neues Leben und
frischte die Wolle so weich wieder auf, daß Röcke und Hosen den
Eindruck machten, als sei der Stoff eben erst aus der Spinnerei und Weberei
gekommen. Wie mancher im flandrischen Lehm infolge Mangels an Fett
knochenhart gewordene, mißgeformte und daher gänzlich
unbrauchbare Stiefel und Schnürschuh ist durch Waschen, langsames
Trocknen, Aufblocken, wiederholtes sachgemäßes Schmieren und
Walken wieder wie neu hergerichtet worden!
Dabei kämpften die Ämter dauernd mit dem Mangel an allen
Hilfsmitteln, die sie für die Entseuchung und Reinigung brauchten. Mit
Seife und Soda mußten sie ebenso sparen, wie jede Hausfrau. Verfahren, zu
denen Karbol, Kresol, Schwefel oder Formalin nötig waren, verbot die
Rohstofflage. Benzol war, soweit es überhaupt zugewiesen wurde, nur zur
Reinigung von Pelzen, Pelzwaren und Kalbfelltornistern gestattet. Die
Flüssigkeiten des Waschbades wurden durch Abtropfen oder
Ausschleudern wieder gewonnen, durch Auslaugen, Filtern oder dergleichen
gereinigt, um erneut nutzbar gemacht zu werden. Beim Schmieren des
Schuhzeugs überlaufendes Fett wurde mit besonderen Einrichtungen wieder
aufgefangen. An allen selten, kostbar und unersetzlich gewordenen Hilfsmitteln
wurde weitgehend gespart. Auf manches wünschenswerte Reinigungsmittel
mußte verzichtet werden, weil es für wichtigere Zwecke gebraucht
wurde.
Entseucht und gereinigt wurde teils in eigenen, teils in vertraglich verpflichteten
Betrieben. Nach der Reinigung gingen die Stücke an die einzelnen
Werkstätten. Es wurden eingerichtet:
- Schneiderwerkstätten für Tuchbekleidung
(Mützen, Röcke, Blusen, Hosen, Mäntel, Tuchhandschuhe,
Decken usw.),
- Schneiderwerkstätten für Drilchzeug und Unterkleidung,
Säbeltroddeln, Armbinden, Helmüberzüge, Lanzenflaggen,
Zeltbahnen, Salzbeutel usw.,
- Schuhmacherwerkstätten (Stiefel, Schnürschuhe, Filzschuhe,
später auch Gebirgsschuhe),
- Helmwerkstätten (Lederhelme, Tschakos, Tschapkas,
Husarenmützen),
- Sattlerwerkstätten (Tornister, Rucksäcke,
Zeltzubehörbeutel, Bekleidungssäcke, Brotbeutel, Koppel, Riemen,
Portepees, Patronentaschen, Pistolentaschen usw.),
- Klempner- und Schlosserwerkstätten (Zeltstöcke
und -pflöcke, Feldflaschen, Labeflaschen, Trinkbecher, Kochgeschirre,
Fettbüchsen usw.),
- Kürschnerwerkstätten (Pelze, Pelzjacken,
Fußschutzkappen usw.).
[139] Die Bekleidungs- und
Ausrüstungsstücke wurden hier gesichtet in solche, die für die
Bekleidungswirtschaft der Truppen und der Kriegsgefangenen noch nutzbar zu
machen waren, und solche, die ausgetragen, mithin auszusondern waren.
Die letzteren wurden nur entseucht und gereinigt. Jedes Zertrennen solcher
Stücke, jedes Herausschneiden einzelner noch besserer Teile, das
Abtrennen von Knöpfen von solchen Stücken unterblieb. Die
Altstoffverwertungsstellen wachten eifersüchtig darüber, weil sie auf
die Ausnutzung dieser minderwertigen Sachen besonders eingestellt waren, und
weil die Stücke für sie sonst noch minderwertiger wurden.
Die für die Bekleidungswirtschaft der Truppen und Kriegsgefangenen
nutzbar zu machenden Stücke wurden nach ihrer Güte gesichtet in
solche, die wiederherzustellen waren, und in solche, die die Instandsetzung nicht
mehr lohnten, aber geeignete Flickstoffe
abgaben. - Stücke, die wiederherzustellen waren, gingen in die
Zurichtung, solche, die die Instandsetzung nicht mehr lohnten aber geeignete
Flickstoffe abgaben, in die Trennerei.
Die zu zertrennenden Stücke wurden in Grundstoffe, Futterstoffe und
Zutaten zerlegt, die voneinander gesondert und innerhalb ihrer Art nach ihrer
Verwendungsmöglichkeit, auch nach Grundfarbe, geschieden und getrennt
gelagert wurden.
In der Zurichtung wurden die wiederherzustellenden Stücke auf die
notwendigen Arbeiten geprüft, diese an ihnen bezeichnet und sie im
einzelnen mit den dazu notwendigen Flickstoffen und Zutaten gebündelt.
Flickstoffe und Zutaten wurden den beim Trennen gewonnenen Beständen
entnommen.
Zur Instandsetzung wurden die Stücke an beschäftigungslose freie
Gewerbe (Handwerkervereinigungen,
Schneider-, Handschuhmacher-, Mützenmacher-,
Kürschner-, Schuhmacher-, Sattler-, Klempner-,
Schlosser-, Tischlerinnungen und Genossenschaften, die Konfektion usw.),
an öffentliche und gemeinnützige Fürsorgestellen,
Wohlfahrtsvereine usw. der Korpsbereiche ausgegeben, die auf das
Bekleidungs-Instandsetzungsamt angewiesen waren.
Kriegsverwendungsfähige Arbeitskräfte durften hierbei nicht
beschäftigt werden.
Instandsetzung in Werkstätten des Amtes trat ein, wenn die Arbeit so
geringfügig war, daß sich die Ausgabe an auswärtige
Arbeitsstellen der Versandkosten wegen nicht lohnte, neuartige Instandsetzungen
nötig wurden, über die vor der Ausgabe nach außerhalb ein
eigenes Urteil über Arbeitszeiten und Arbeitsleistung in auswärtigen
Arbeitsstellen gewonnen werden mußte oder einzelne Arbeiten wegen ihrer
Bedeutung Teilabnahmen und daher militärische Aufsicht erforderten. Die
Instandsetzung in eigenen Wertstätten hielt sich jedoch, um die
Arbeitslosigkeit zu mindern, in engen Grenzen.
Bei der Abnahme wurde die Ausführung geprüft, schlechte Arbeit
verworfen, ihre Verbesserung gefordert. Die Abnahme erfolgte durch
Abnahmeausschüsse, die ihrer Wichtigkeit wegen aus zwei Offizieren
bestanden. Sorgfalt [140] und Genauigkeit war
nötig, weil durch sie auf die Güte der Arbeit eingewirkt wurde. Nach
der Abnahme wurden die Stücke als feldbrauchbar oder garnisonbrauchbar
bewertet, f oder g gestempelt und übersichtlich gelagert. Für den
Versand waren besondere Versandstellen eingerichtet.
Der Schwerpunkt der Instandsetzung war, wie bei der Anfertigung neuer
Bekleidung, in die Heimat gelegt. Das Feldheer mußte von so großen
Betrieben befreit bleiben, weil es durch solche Anhängsel in seiner
Bewegungsfreiheit gehemmt wurde. Trotzdem gab es auch hier Ausnahmen. Die
Instandsetzung der Bekleidung und Ausrüstung der Truppen, die in
Kleinasien verwendet wurden, wurde dem für sie bestimmten
Bekleidungsdepot in Konstantinopel angegliedert und dort eine kleine
Instandsetzungswerkstatt eingerichtet. Sie war aber doch nicht mit einem
Bekleidungs-Instandsetzungsamt zu vergleichen, sondern mehr eine große
Truppenflickstube. Das gleiche war bei den Einkleidungsstellen in Wien und
Budapest der Fall, die ebenfalls einfachere Instandsetzungen vornahmen. Aber
auch sonst trat bei der Truppe immer mehr der Wunsch zutage, den lästigen
Versand zur Instandsetzung in die Heimat einzuschränken und die
Bekleidung auch im Felde besser unterhalten zu können. Die stets
stärker drohende Not hatte im Gegensatz zum Beginn des Krieges auch im
Felde das Streben nach sparsamer Verwaltung ausgelöst. Die Truppen
hatten, wo sie konnten, Flickstuben eingerichtet, in Unterkünften und, wo
es ging, sogar im Schützengraben. In größeren
Unterkünften waren bodenständige größere Flickstuben
entstanden, deren Betrieb sich an einzelnen Stellen sogar zu einem regelrechten
Instandsetzungsbetrieb auswuchs. Die Instandsetzung der im Gebrauch
befindlichen Bekleidung war - im Gegensatz zu der Anfertigung
neuer - nur schwer von der Truppe, von der Stelle des Gebrauchs
loszulösen. Bodenständige Werkstätten waren aber doch nur in
einer gewissen Entfernung hinter der Front möglich, wo sich, wie schon die
Bezeichnung erkennen läßt, ständigere Verhältnisse
herausgebildet hatten. Die Heeresverwaltung durfte sich aber nicht auf die
Erstarrung des Kampfes im Stellungskrieg festlegen. Eine Entscheidung konnte
nur der Bewegungskrieg bringen. Er und seine Bedürfnisse durften nicht
aus den Augen verloren werden. Das durfte auch bei neuen Schöpfungen
für die Instandsetzung nicht vergessen werden. Sollte hier etwas
Brauchbares geschaffen werden, so mußten Werkstätten, die
beweglich waren, ins Leben gerufen werden. So wurde der Gedanke der fahrbaren
Schuhmacherwerkstatt, der schon bald nach Ausbruch des Krieges entstanden
war, in der Durchführung aber Mängel aufwies, wieder aufgegriffen.
Es waren nämlich in Eisenbahnwagen verschiedene
Schuhmachermaschinen eingebaut und diese fahrbaren Werkstätten
einzelnen Armeen zum Versuch überwiesen worden. Ihre Ausnutzung
stieß deshalb auf Schwierigkeiten, weil die Eisenbahnen an den
Schienenweg gebunden waren und daher nicht immer den Weg zur Truppe
fanden. Die Truppe mußte zur Werkstatt kommen. [141] Ein anderer Mangel lag
darin, daß die Truppe das Personal zu stellen hatte. Dieses kannte die
Einrichtung nicht und konnte die Maschinen nicht bedienen. Die Einrichtungen
wurden daher nur wenig benutzt. Sollte der Gedanke nicht untergehen, so
mußten die Maschinen auf Kraftwagen gesetzt und der Werkstatt ein
ständiges Personal, das mit den Maschinen vertraut war, beigegeben
werden.
Da an Kraftfahrzeugen großer Bedarf war, mußte auf Triebwagen
verzichtet werden. Die Maschinen wurden in Kraftwagenanhängern
eingebaut und die neuen fahrbaren Schuhmacherwerkstätten mit einem
Handwerksmeister, einem Schlosser und zwölf Schuhmachern (davon acht
Vorrichter) aus dem Personal der Kriegsbekleidungsämter besetzt. Ehe die
Wertstätten an die Front gingen, wurde das Personal bei dem
Kriegsbekleidungsamt des VIII. Armeekorps, das die Werkstätten
einrichtete, im Gebrauch der Maschinen und in dem Verfahren des Betriebes
unterwiesen. Sobald eine Werkstätte betriebsfertig war, wurde sie einer
Armee zugesandt und deren Etappeninspektion unterstellt. Die fahrbaren
Schuhmacherwerkstätten wurden bis auf weiteres zu ihrer Fortbewegung
noch auf fremde Hilfe (Triebwagen der Kraftwagenkolonnen) angewiesen. Sie
entfalteten im Stellungskriege ihre Tätigkeit hauptsächlich für
am Feinde stehende und für zurückgezogene, abgekämpfte
Verbände; für weiter zurückliegende Verbände kamen
sie weniger in Betracht, weil diese ortsfeste Flickstuben einrichten konnten. Sie
waren aber auch im Bewegungskrieg von Vorteil, wenn sie schnell
vor- und nachgeschoben wurden und man sich ihre Beweglichkeit zunutze
machte.
Täglich konnten in der Werkstatt 150 - 200 Paar Schuhzeug besohlt und
instandgesetzt werden. Wichtig war die Vorrichtung zur Arbeit, die in jedem
beliebigen Raum vorgenommen werden konnte und nicht in den Werkstattwagen
zu verlegen war. In dem Werkstattwagen fand nur die eigentliche Instandsetzung
(Besohlen, Steppen usw.) statt.
Das Schuhzeug mußte durch die Truppen vor der Ablieferung von Schmutz
außen und innen gründlich gereinigt sein, da sonst die Maschinen
beschädigt wurden, Betriebsstörungen eintraten und die
Leistungsfähigkeit geringer wurde.
Das Verfahren schien sich zu bewähren; denn es mehrten sich die
Anträge der Armeen auf Überweisung von fahrbaren
Schuhmacherwerkstätten. Sie konnten nicht so schnell hergestellt werden,
wie es aus dem Felde gewünscht wurde. Die Ausstattung der Armeen
schritt jedoch dauernd vorwärts. Zum Schluß des Krieges
verfügte im allgemeinen jede Armee über eine fahrbare
Schuhmacherwerkstatt. Ihre Ausstattung mit einer zweiten war
wünschenswert und eingeleitet.
Das Bekleidungs-Instandsetzungswesen im Felde befand sich damit erst im
Anfangszustande; es hätte sich mit fahrbaren
Schneider-, Sattler- und Klempnerwerkstätten noch weiter entwickeln
müssen, um einen gleichmäßig ausgestalteten, sich über
das ganze Heer erstreckenden Aufbau zu erreichen.
[142] Umstellung im
Personal der Bekleidungsämter.
Die Kriegsbekleidungsämter mit ihren Werkstätten waren auf
Männerarbeit eingestellt. Der Weltkrieg verlangte aber die Heranziehung
jedes einigermaßen brauchbaren Mannes zum Dienst mit der Waffe. Die
Bekleidungsämter wollten hierin nicht zurückstehen. In erster Linie
drängten ihre Offiziere an die Front. Diesem Wunsche wurde als
selbstverständlich nachgegeben. Das Fehlen der aktiven
Bekleidungsamtsoffiziere machte sich jedoch bald unangenehm bemerkbar.
Die Zahl der Bekleidungsamtsoffiziere des Friedensstandes war gering. Sie betrug
nur 103 Offiziere gegenüber einem Bedarf von rund 1400 Offizieren der
Kriegsbekleidungsämter. Infolge ihrer besonderen technischen Vorbildung
und ihrer militärischen Sachkunde waren die wenigen Offiziere des
Friedensstandes als Stamm der großen Betriebe geradezu unentbehrlich. Zur
Deckung des Bedarfs in der fechtenden Truppe wurden sie trotzdem
zunächst gern zur Verfügung gestellt, während ihre
Verwendung hinter der Front grundsätzlich abgelehnt werden mußte.
Das aktive Offizierskorps der Bekleidungsämter schmolz aber durch
Abgänge und Tod stark zusammen. An das Bekleidungsbeschaffungsamt,
die neuen Bekleidungsämter XVIII, XX, XXI und an verschiedene
Bekleidungs-Instandsetzungsämter mußten zahlreiche Offiziere
abgegeben werden. Es ließ sich daher später die Verwendung auch in
der Front nicht mehr vertreten. Je mehr das übrige
kriegsverwendungsfähige Personal in weitgehendstem Maße
herausgezogen und durch Nichtkriegsverwendungsfähige, später
durch Hilfsdienstpflichtige ersetzt wurde, desto mehr waren die wirtschaftlich
eingearbeiteten Bekleidungsamtsoffiziere des Friedensstandes dringend
notwendig, um in dem umfangreichen Betriebe der Bekleidungsämter die
militärischen Verwaltungsgrundsätze aufrecht zu erhalten. Das
zahlreiche Hilfspersonal aus Handel und Industrie bedurfte trotz aller
Vortrefflichkeit militärischer Führung. Bei der weitverzweigten
Tätigkeit brauchten die Vorstände eine Unterstützung durch
im Frieden eingearbeitete Offiziere. Da nicht alle Bekleidungsamtsoffiziere des
Friedensstandes kriegsverwendungsfähig waren, handelte es sich auch nur
um eine verhältnismäßig geringe Zahl von Offizieren, die dem
Feldheere entzogen wurden. Bei der wirtschaftlichen Bedeutung der
Bekleidungsämter war die Ausnutzung der wirtschaftlichen und
Stoffkenntnisse dieser wenigen Offiziere in der Heimat wichtiger, als ihre
Tätigkeit in der Front.
Das Herausziehen der übrigen eingearbeiteten männlichen
Arbeitskräfte aus den Kriegsbekleidungsämtern usw. war
für den Betrieb sehr störend, zumal es sich um eine nicht
unerhebliche Zahl handelte. Es war aber nicht zu umgehen. Ein günstiger
Umstand aber war es, daß sie nicht mit einem Male abgegeben zu werden
brauchten. So war es möglich, Ersatz heranzuziehen und auszubilden. Es
ließ sich schon bald übersehen, daß hier eine Umstellung in
großem Maßstabe [143] bevorstand; denn mit
dem Zurückbehalten oder der Einstellung vorübergehend nicht
kriegsverwendungsfähiger Männer war der Sache nicht gedient. Es
wurde daher schon frühzeitig die Einstellung von Frauen ins Auge
gefaßt und auch auf die mit Aufträgen bedachten Betriebe des
Bekleidungsgewerbes in weitestem Sinne eingewirkt, an Stelle von
Männern Frauen einzustellen.
Diese Umstellung stieß dort zuerst auf Schwierigkeiten, wo es sich um
Bedienung schwerer Maschinen, wie in der Schuhmacherwerkstatt, und wo es
sich um bisher ausschließliche Männerarbeit, wie bei der Anfertigung
von Röcken und Reithosen, handelte. Doch ließen sich diese
Schwierigkeiten durch Übung überwinden. Die Frauen arbeiteten
sich allmählich ein. Es war oft erstaunlich, wie viele kräftige Frauen
sich fanden, die auch schwere Maschinen zu bedienen lernten. Gleichzeitig
vollzog sich eine Verkleinerung der Schneiderbetriebsabteilungen. Es wurden
Schneiderkompagnien und -abteilungen aufgelöst.
Mit der Zunahme der Beschäftigungslosigkeit im Schneidergewerbe trat als
neuer nicht unberechtigter Bewerber um Schneiderarbeit das
Schneidergroßgewerbe auf. Die Arbeitslosigkeit wurde noch dadurch
vermehrt, daß die Heeresverwaltung, die mit Rücksicht auf eine
sparsame Bewirtschaftung der Rohstoffe Beschlag auf Webwaren gelegt hatte, in
die Beschäftigungsverhältnisse des Schneidergewerbes und ihrer
Arbeiter empfindlich eingegriffen hatte. Sie fühlte sich daher verpflichtet,
dieser Beschäftigungslosigkeit zu steuern. Sie setzte zunächst die
Arbeitszeit in den staatlichen Werkstätten der Bekleidungsämter
und Instandsetzungsämter und in privaten Betrieben herab, um einer
möglichst großen Zahl von Berufsarbeiten Arbeitsgelegenheit zu
geben. Gleichzeitig mußte sich aber die Heeresverwaltung auch
entschließen, den Gefängnissen, militärischen wie
bürgerlichen, den Festungsgefängnissen, den
Zivilstraf- und Gefangenenanstalten und den Zivilgefängnissen, die mit
Militärschneiderei beschäftigt wurden, diese Arbeit zu entziehen. Die
Anstalten legten hiergegen Berufung ein, weil sie Arbeit für die ihnen zur
Strafverbüßung Überwiesenen brauchten und weil leichte
Schneiderarbeit sich hierzu vorzüglich eignete. Wenn aber nur so wenig
Arbeit vorhanden war, daß nicht alle damit versorgt werden konnten, und
man nur die Wahl hatte, ob man Berufsarbeiter, denen es an Arbeit fehlte, oder ob
man Personen, die eine Strafe verbüßten, mit Arbeit versorgen oder
leer ausgehen lassen sollte, so konnte es nicht zweifelhaft sein, daß die
Berufsarbeiter in erster Linie einen Anspruch auf Arbeit hatten.
Es mußte daher neben dem Kleingewerbe auch dem Großgewerbe,
das im Frieden darauf verzichtet hatte, Arbeit zugeführt werden. Damit war
in großen Zügen eine Übereinstimmung in den
Grundsätzen erreicht, nach denen die Schuhzeuganfertigung und die
Schneiderarbeit bewirkt wurde. Auf beiden Gebieten waren
Staatswerkstätten und Privatbetriebe tätig, und die Privatbetriebe
gehörten dem Groß- und Kleingewerbe
an. - Den Gefängnissen und Strafanstalten konnte als Ersatz
für entzogene Arbeit der Neuanfertigung [144] vermehrte Arbeit aus
der Altstoffverwertung überwiesen werden, zumal in den Kreisen der
Berufsarbeiter keine große Neigung für solche Arbeit bestand. Die
Altstoffverwertung nahm infolge von Deutschlands Abgeschlossenheit im Kriege
einen gewaltigen Aufschwung.
Heeresnäharbeit.
Die vorhergehenden Abschnitte haben erkennen lassen, wie unerwartet hoch, wie
ins Ungewisse sich die Bedürfnisse des Heeres steigerten. Die
natürliche Folge war eine außerordentliche Steigerung der
Näharbeit für Heereszwecke. Auf diesem Arbeitsgebiet konnte nur
eine systematische Verteilung der Arbeit und eine gut durchdachte Organisation
der dazu herangezogenen Kräfte die Gewähr für eine
Erfüllung der gewaltigen Ansprüche geben.
Mit der Ausdehnung der dazu herangezogenen Kreise mußte die Verteilung
der Arbeit und das ganze Vergebungsverfahren neu geregelt werden, zumal sich
schon bei der bisherigen Verteilung der Heeresnäharbeiten
Mißstände gezeigt hatten. Die Arbeiten wurden von vielen
verschiedenen Beschaffungsstellen vergeben, die keine Fühlung
miteinander hatten. Einzelne Auftragnehmer, sowohl gewerbliche wie
gemeinnützige, erhielten Aufträge von mehreren Stellen; andere
fanden keine oder nur geringe Beschäftigung. Es fehlten Stellen, die
für eine planmäßige Verteilung der Aufträge unter den
Auftragnehmern Sorge trugen. Einrichtungen für die Feststellung der
Beschäftigungslosigkeit in den verschiedenen Vergebungsbezirken waren
nicht vorhanden. Auch war keinerlei Vorsorge für einen gerechten
Ausgleich zwischen den Vergebungsbezirken nach dem Verhältnis der
Beschäftigungslosigkeit getroffen.
Infolgedessen fehlte es mitunter in einzelnen Bezirken an Beschäftigung,
während sie in anderen reichlich vorhanden war. Diese
Übelstände konnten anfangs ertragen werden, weil damals von
bedrohlicher Arbeitslosigkeit im Groß- oder Kleingewerbe und unter den
Heimarbeiterinnen nicht die Rede war; es genügten die
Ausgleichsanordnungen der Bekleidungsabteilung, daß nach bestimmten,
von Beschäftigungslosigkeit besonders betroffenen Korpsbezirken
Schneiderarbeit aus anderen Korpsbezirken überwiesen wurde. Die
Übelstände drohten jedoch unerträglich zu werden, als die
Beschäftigung nicht nur mit Arbeit aus dem Gebiet der Bekleidung,
sondern auch mit der übrigen Näharbeit für Kleingewerbe und
Heimarbeit und sogar für das Großgewerbe zweifelhaft wurde. Das
Kriegsministerium stellte deshalb im Einvernehmen mit den beteiligten
Behörden - auch der
Bundesstaaten - neue Grundsätze über die Streckung und
Verteilung von Heeresnäharbeiten auf.
Hierbei wurde davon ausgegangen, daß die endgültige Entscheidung
über alle grundsätzlichen, die Streckung und Verteilung der
Heeresnäharbeiten regelnden Fragen, der Ausgleich, die Verteilung und
Vergebung selbst bei der Heeresverwaltung verbleiben mußte und nicht in
die Hand gemeinnütziger [145] Unternehmungen oder
von Vertretungen des Gewerbes gelegt werden konnte; denn bei diesen
Aufträgen waren Heeresrücksichten von entscheidender Bedeutung.
Diese vertrugen keine Gefährdung durch ein etwaiges Versagen privater
Unternehmungen, auf die die Heeresverwaltung keinen unmittelbaren
Einfluß hatte. Der Widerstreit der mannigfachen Ansprüche und
Wünsche der beteiligten Kreise ließ sich erfolgreich nur dann
lösen, wenn die davon unabhängige Heeresverwaltung die
Entscheidung hatte.
Das Gewerbe und die örtlichen gemeinnützigen Unternehmungen
fanden dabei ein reiches Feld der Betätigung, wenn sie an der gerechten
Verteilung mitwirkten und ihre Kräfte dahin vereinigten, sich an den
einzelnen Orten unter Beteiligung jeder unnötigen Zersplitterung zu
Lieferungsvereinigungen zusammenschlossen, wie das mit gutem Erfolge schon
in verschiedenen Staaten, Landesteilen und Städten geschehen war.
Wenn die Streckung der Heeresnäharbeiten voll wirksam werden sollte,
mußten in erster Linie sämtliche Näharbeiten der
Heeresverwaltung einheitlich erfaßt und ausnahmslos in die neue Regelung
einbezogen werden. Leider gelang dies nicht gleich, da die Sandsackfertigung und
einige andere Heeresnäharbeiten ausgeschlossen blieben. Das war
bedauerlich; die Bekleidungsabteilung durfte sich jedoch dadurch nicht aufhalten
lassen, die Maßnahmen einzuleiten, wenn größeren
Mißständen vorgebeugt werden sollte. Sie hoffte mit der Zeit die
dagegen sich erhebenden Widerstände zu überwinden.
Die Streckungsvorschriften trafen eine Auslese der Persönlichkeiten, die
mit Heeresnäharbeiten versorgt werden sollten; sie schränkten den
Kreis dieser Personen ein und hielten alle Arbeitskräfte fern, die
anderweitig beschäftigt werden konnten.
Unmittelbare Beschäftigung von Näherinnen durch
Kriegsbekleidungsämter war nur dann zulässig, wenn sie in
Betriebswerkstätten erfolgte, oder bei Heimarbeiterinnen, die schon vor
dem Kriege von den Ämtern beschäftigt worden waren. Nach
außerhalb durften Auftrage nur an fachkundige, zuverlässige und
leistungsfähige gewerbliche und gemeinnützige Auftragnehmer
vergeben werden, wobei unter Berücksichtigung der örtlichen
Verhältnisse solche Unternehmungen bevorzugt wurden, die
Betriebswerkstätten für die Erledigung der Heeresnäharbeiten
unterhielten. Wenn nötig, waren vor der Auftragserteilung Auskünfte
der Handels- und Handwerkskammern oder sonstiger geeigneter
behördlicher Stellen einzuholen.
Die Auftragnehmer, gewerbliche und gemeinnützige, wurden verpflichtet,
in erster Linie nur gelernte Berufsarbeiter und Berufsarbeiterinnen aus dem
Schneidergewerbe und verwandten Berufen (Gruppe 1) zu
beschäftigen; in zweiter Linie nur solche Frauen und Mädchen, die
auf die Beschäftigung mit Heeresnäharbeiten als einzige
Einnahmequelle angewiesen waren (Gruppe 2) und erst in dritter Linie
solche Frauen und Mädchen, die nur [146] mit Hilfe dieser
Beschäftigung einen den Zeitumständen entsprechenden
bescheidenen Lebensunterhalt erlangen konnten (Gruppe 3).
Heeresnäharbeiten durften also z. B. solche Frauen und Mädchen
nicht erhalten, die voll arbeitsfähig waren, sich in ihren häuslichen
Pflichten vertreten ließen und in jedem anderen Arbeitszweig oder auch an
anderen Arbeitsorten tätig sein konnten, weiter die aus anderen
Einnahmequellen einen bescheidenen Lebensunterhalt bestreiten konnten, oder
die einen Ernährer hatten, dessen Einnahmen zu einem bescheidenen
Lebensunterhalt ausreichten, und jugendliche Personen unter 16 Jahren, es sei
denn, daß ganz besondere Ausnahmeverhältnisse vorlagen.
Aus einer Hausgemeinschaft (Familie) sollten in der Regel nur eine Person,
ausnahmsweise höchstens zwei Personen Heimarbeit aus
Heeresnähaufträgen erhalten. Bei einem Überangebot von
Näherinnen waren diese in folgender Reihenfolge zu
berücksichtigen: zunächst Frauen und Mädchen, die
erwerbsunfähige Kinder oder sonstige erwerbsunfähige
Familienangehörige zu unterhalten oder zu unterstützen hatten; dann
vermindert arbeitsfähige Frauen und Mädchen.
Endlich begrenzten die Streckungsvorschriften die jedem Arbeiter zuzuweisende
Arbeitsmenge einheitlich für Werkstatt- und Heimarbeit. Die
Höchstmenge der Arbeit wurde so bemessen, daß zu ihrer Erledigung
bei Durchschnittsarbeitsleistung wöchentlich nicht mehr als 40 Stunden
erforderlich waren. Maßgebend für diese Bemessung war eine "Tafel
der Durchschnittsarbeitszeiten für alle wichtigeren
Heeresnäharbeiten", die im Auszuge nachstehend wiedergegeben ist.
Tafel der
Durchschnittsarbeitszeiten für Heeresnäharbeiten
sowie der diesen entsprechenden Höchstarbeitsmengen für eine
Woche. |
Lfd.
Nr. |
Bekleidungsstücke |
Durchschnitts-
arbeitszeit
in Minuten |
Höchstarbeitsmenge
(Stückzahl) für eine
Woche bei einer
reinen Arbeitszeit von |
36 |
40 |
Stunden |
7 |
Bluse ohne Litze |
579 |
3,73 |
4,15 |
7a |
Bluse mit Litze |
609 |
3,54 |
4,00 |
8 |
Bluse aus Khakistoff |
203 |
10,64 |
11,82 |
9 |
Tuchhose |
307 |
7,04 |
7,82 |
10 |
Reithose von Tuch |
422 |
5,12 |
5,68 |
12 |
Stiefelhose |
350 |
6,10 |
6,86 |
13 |
Hose für Gefangene |
195 |
11,08 |
12,31 |
14 |
Jacke für Gefangene |
240 |
9,00 |
10,00 |
17 |
Krankenrock, gewöhnlich |
290 |
7,45 |
8,28 |
18 |
Krankenrock mit Barchentfutter |
312 |
6,92 |
7,69 |
19 |
Gewöhnliche Krankenhose |
190 |
11,37 |
12,63 |
[147] Eine
planmäßige Verteilung der Heeresnäharbeiten war nur dann
möglich, wenn die Vergebung der verschiedenen Stellen in einer Hand
vereinigt wurde. - Da als Heeresnäharbeiten überwiegend
Näharbeiten für Bekleidung und Wäsche in Frage kamen, die
in der Hauptsache die Bekleidungsämter vergaben oder vergeben konnten,
so wurde die Vergebung innerhalb der Korpsbezirke den
Bekleidungsämtern übertragen.
Diesen mußten alle Beschaffungsstellen, die bisher neben dem
Bekleidungsamt Heeresnähaufträge vergeben hatten (z. B.
Intendanturen, Garnisonverwaltungen, Instandsetzungsämter,
Truppenteile), ihre Aufträge unter gleichzeitiger Angabe der abnehmenden
Stelle zur Vergebung zuleiten. Dem Bekleidungsamt stand alsdann allein die
Vergebung aller Heeresnähaufträge im Korpsbereich zu.
In den Vergebungsgrundsätzen war die Sicherung des dem Arbeiter
zufallenden Lohnes eingehend geregelt, wobei unter Arbeiter die
ausführende Hand, ohne Unterschied ob männlicher oder weiblicher
Arbeiter, ob Heim- oder Werkstattarbeiter, verstanden wurde. Der Auftragnehmer
haftete dafür, daß seine Unterlieferanten oder Zwischenmeister das
gleiche taten.
Für jede in der Tafel der Durchschnittsarbeitszeit aufgeführte
Einzelnäharbeit mußte das Kriegsbekleidungsamt einen
Stücklohnsatz aufstellen. Dieser war so bemessen, daß die
ausführende letzte Hand bei durchschnittlicher Arbeitsleistung einen
bestimmten Mindestlohn erreichte. Die Auftragnehmer waren verpflichtet, die
Werkstatt- und Heimarbeiter nach den vom Kriegsbekleidungsamt
vorgeschriebenen Lohnsätzen zu entlohnen. Von den durch das Amt
gezahlten Beträgen waren an die Arbeiter unverkürzt zu zahlen: bei
Anfertigung im Stücklohn nicht mehr und nicht weniger als
75 v. H., die bei Anfertigung in Teilarbeit auf die einzelnen
Teilarbeiter entsprechend der von jedem geleisteten Arbeit zu verteilen war; bei
Anfertigung in Zeitlohn wenigstens die ortsüblichen Mindestlöhne
und höchstens soviel, als ihnen bei Anfertigung im Stücklohn
zugestanden haben würde (nicht mehr und nicht weniger als
75 v. H.).
Von diesen den Arbeitern zustehenden Macherlöhnen durften keine
anderen Abzüge gemacht werden als die Selbstkosten der Nähmittel
und die gesetzlich zulässigen Abzüge zur
Kranken- und Invalidenversicherung. Unter allen Umständen war verboten,
die den Arbeitern zustehenden Macherlöhne durch Einschaltung von
Zwischenstellen zwischen Auftragnehmern des Amtes und Arbeitern zu
kürzen.
Von den durch das Bekleidungsamt gezahlten Beträgen standen dem
Auftragnehmer des Amtes 25 v. H. als Unternehmeranteil zu. Wenn
sich zwischen Auftragnehmer des Amtes und letztem Arbeiter eine
Zwischenstelle befand, so standen dem Auftragnehmer des Amtes
höchstens 16,67 v. H. (1/6) und der Zwischenstelle
wenigstens 8,33 v. H. (1/12) der vom
Bekleidungsamt gezahlten
Be- [148] träge zu. Die
Einschaltung mehrerer aufeinanderfolgenden Zwischenstellen zwischen
Auftragnehmer des Amtes und den Arbeitern war verboten.
Den Arbeitern, welche die vom Auftragnehmer an das Amt gelieferten
Gegenstände angefertigt hatten, stand das Recht zu, gegen den
Auftragnehmer auf Zahlung des Unterschieds zwischen dem tatsächlich
erhaltenen und dem im Tarif festgesetzten Lohn zu klagen. Ebenso konnte das
Amt auf Zahlung des Unterschieds an die Arbeiter klagen. Alle Streitigkeiten aus
dem Arbeitsverhältnis, die sich nicht unmittelbar zwischen den Beteiligten
erledigen ließen, waren ausschließlich vor eine zu diesem Zwecke
gebildete "Schlichtungskommission für Heeresnäharbeiten" zu
bringen. Die Entscheidungen der Schlichtungskommission, der Vertreter der
Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Beisitzer angehörten, waren
endgültig.
In jedem Falle der Unterschreitung des Lohntarifs hatte der Unternehmer an das
Amt eine Vertragsstrafe in Höhe des Fünffachen des Unterschieds
zwischen der Gesamtsumme der gezahlten und den nach dem Tarif
zuständigen Löhnen, mindestens aber in Höhe von zwanzig
Mark zu zahlen. Das Amt verwendete die Strafgelder zum Besten der durch
Tarifverstöße geschädigten Arbeiter nach
pflichtmäßigem Ermessen. Der Rechtsweg oder die Anbringung einer
Beschwerde bei der Schlichtungskommission war bei einem Streit über die
Verwendung ausgeschlossen.
Die Anfertigung durfte nur dann weitergegeben werden, wenn die
nächstfolgende Stelle sich schriftlich verpflichtete, auch ihrerseits die
Vertragsbedingungen zu beachten. Die Bekleidungsämter waren berechtigt,
bei allen an der Erledigung des Auftrags beteiligten Stellen oder Personen
jederzeit durch einen Offizier den Betrieb, das Abrechnungsverfahren, die
Buchführung, die Innehaltung der Bestimmungen, der Lohnsätze und
besonderer Vereinbarungen nachzuprüfen und bei Zuwiderhandlungen
jederzeit sofort von ihrem Auftrage zurückzutreten. Auch konnten
Auftragnehmer und Teilnehmer an diesen Zuwiderhandlungen von Leistungen
für die Heeresverwaltung ausgeschlossen werden.
Jede Anfertigungsstelle war verpflichtet, über alle Lohnzahlungen
für Anfertigung von Bekleidungsstücken getrennte
Buchführung einzuführen, aus der besonders die Höhe der
gezahlten Teilstücklöhne ersichtlich war. Bücher und Belege
waren auf Verlangen einzureichen.
Sämtliche Nähmittel waren lediglich von dem Bekleidungsamt, und
zwar beim Empfang des Zuschnitts, in der vom Bekleidungsamt festgesetzten
Menge und zu den festgesetzten Selbstkosten, gegen sofortige Bezahlung zu
entnehmen und genau zu denselben Preisen an die Arbeiter weiterzugeben.
Voraussetzung einer gerechten Verteilung aller Heeresnäharbeiten war ein
gerechter Ausgleich unter den einzelnen Korpsbezirken, ehe die Vergebung
innerhalb des Korpsbezirks erfolgte. Zur Durchführung des Ausgleichs
wurde [149] beim
Armeeverwaltungsdepartement (Bekleidungsabteilung) des preußischen
Kriegsministeriums eine besondere "Ausgleichstelle für
Heeresnäharbeiten" eingerichtet, der je ein Vertreter der bayerischen,
sächsischen und württembergischen Heeresverwaltung
angehörte. Ihre Aufgabe war es, den Gesamtarbeitsbedarf und die dem
gegenüberstehende Gesamtarbeitsmenge an
Heeresnähaufträgen im Deutschen Reiche festzustellen und nach
dem hieraus sich ergebenden Verhältnis die Arbeitsgelegenheit unter den
einzelnen Korpsbezirken gerecht auszugleichen. Damit die Ausgleichstelle einen
gerechten Ausgleich im Sinne dieser Aufgabe vornehmen konnte, mußte sie
einmal einen genauen Überblick über die in jedem Korpsbezirk
vorhandene Menge von Heeresnähaufträgen, "die Arbeitsmenge",
und weiter einen annähernd richtigen Überblick über das in
jedem Korpsbezirk vorhandene Bedürfnis nach Heeresnäharbeiten,
"den Arbeitsbedarf", haben. Hierzu teilten die Bekleidungsämter der
Ausgleichstelle allmonatlich die Heeresnähaufträge mit, die sie
voraussichtlich in den folgenden drei Monaten neu zu vergeben hatten. Eine
gleiche Mitteilung machte die Marineverwaltung hinsichtlich derjenigen
Aufträge, die außerhalb des Befehlsbereichs der Marine verteilt
wurden, unter Angabe des Korpsbezirks, in dem die Arbeiten von ihr vergeben
wurden.
Zur Feststellung des Arbeitsbedarfs wurde ein "Bezirksausschuß für
Heeresnäharbeiten" bei jedem stellvertretenden Generalkommando
geschaffen. Diesem fiel gleichzeitig die Aufgabe zu, die Vergebungsstelle bei der
Verteilung der Aufträge innerhalb des Korpsbezirks zu beraten. Er wurde
von einem Beauftragten des stellvertretenden Generalkommandos, zu dem der
Vorstand des Kriegsbekleidungsamtes oder ein Stellvertreter bestellt wurde,
geleitet und setzte sich im übrigen aus Vertretern der für den
Korpsbereich in Betracht kommenden Behörden, Arbeitgeber und
Arbeitnehmer zusammen.
Zur Erledigung seiner Aufgabe konnte sich der "Bezirksausschuß" der
Mitarbeit von "Ortsausschüssen für Heeresnäharbeiten"
bedienen, die an den verschiedenen, für Zuweisung von
Heeresnäharbeiten hauptsächlich in Betracht kommenden Orten zu
begründen waren. Die Leitung dieser Ortsausschüsse war in der
Regel der Ortsbehörde übertragen, ihre Zusammensetzung den
örtlichen Verhältnissen angepaßt.
Der Bezirksausschuß teilte dem Kriegsbekleidungsamt allmonatlich mit,
wieviel Arbeitsstunden zur Beschäftigung der auf Heeresnäharbeiten
angewiesenen Personen in den folgenden drei Monaten voraussichtlich
nötig waren. Außerdem machte er dem Kriegsbekleidungsamt
allmonatlich Vorschläge über die Verteilung der vom
Kriegsbekleidungsamt endgültig zu vergebenden
Heeresnähaufträge. Das Kriegsbekleidungsamt nahm die Angaben
des Bezirksausschusses über den Arbeitsbedarf in die Nachweisung
über die Arbeitsmenge auf.
Die Ausgleichstelle fertigte nach diesen Nachweisungen eine Zusammenstellung
über die Gesamtarbeitsmenge und den Gesamtarbeitsbedarf, stellte [150] das sich hieraus
ergebende Verhältnis fest und nahm den Ausgleich in der Weise vor,
daß sie den Kriegsbekleidungsämtern, bei denen ein
Überschuß an Arbeitsmenge vorhanden war, die Abgabe von
Heeresnähaufträgen (Arbeitsstunden) an andere
Kriegsbekleidungsämter aufgab. Der Ausgleich strebte an, in erster Linie
der Gruppe 1 Beschäftigung zu geben. Der Befehlsbereich der
Marine blieb außer Betracht. Der Ausgleich wurde den beteiligten
Heeresverwaltungen und dem Reichsmarineamt mitgeteilt.
Erst nachdem die Ausgleichstelle den Kriegsbekleidungsämtern mitgeteilt
hatte, welche Arbeitsmenge ihnen nach dem Ausgleich zur Vergebung zustand,
durften diese zur Verteilung der Arbeitsmenge (Arbeitsstunden) unter den
einzelnen Orten und zur Vergebung der Heeresnähaufträge an die
Auftragnehmer des Korpsbereichs schreiten. In dringlichen Fällen hatten
sie die Anweisung von der Bekleidungsabteilung des preußischen
Kriegsministeriums unter Angabe der in Betracht kommenden Arbeitsstunden
einzuholen.
Den Ausgleich unter den verschiedenen Orten führten die
Kriegsbekleidungsämter unter Anwendung der gleichen Vorschriften durch,
wobei der Bezirksausschuß gutachtlich gehört werden konnte. Stand
die auf jeden Ort entfallende Arbeitsmenge (Arbeitsstunden) fest, so vergab das
Kriegsbekleidungsamt die Aufträge an die einzelnen Auftragnehmer unter
Beobachtung der Vergebungsgrundsätze und unter Berücksichtigung
der verschiedenen örtlichen Verhältnisse (besondere Notlage von
Schneider- und Wäschegeschäften, bisherige
regelmäßige Auftragerteilung an bestimmte und als zuverlässig
erprobte Auftragnehmer).
Es war natürlich, daß die Vorschriften über die Streckung und
Verteilung der Heeresnäharbeiten nicht sofort bis zur äußersten
Schlußfolgerung durchgeführt wurden. Hierzu war Zeit erforderlich.
Der Arbeitsbedarf konnte erst allmählich nach wirklich einheitlichen
Grundsätzen festgestellt werden.
Aus den für den Ausgleich der Heeresnäharbeiten eingereichten
Unterlagen ging hervor, daß der Arbeitsbedarf die verfügbare
Arbeitsmenge wesentlich überstieg. So stand z. B. im November
1916 einem Arbeitsbedarf von rund 52 Millionen Arbeitsstunden eine
Arbeitsmenge von nur rund 19 Millionen Arbeitsstunden und im Dezember 1916
einem Arbeitsbedarf von rund 87 Millionen Arbeitsstunden eine Arbeitsmenge
von nur rund 20 Millionen Arbeitsstunden gegenüber. Hieraus ergab sich
die zwingende Notwendigkeit, alle Heeresnäharbeiten ohne Ausnahme in
den Ausgleich einzubeziehen. Ausgenommen waren bisher solche
Näharbeiten, die nicht innerhalb der Korpsbezirke, sondern von
Hauptbeschaffungsstellen (Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt, technische
Institute der Infanterie und Artillerie, Traindepot des Gardekorps, Inspektion der
Flieger-, Kraftfahr- und Luftschiffertruppen, Ingenieurkomitee,
Eisenbahnersatzpark, Hauptgasschutzlager, Hauptsanitätsdepot,
Militär-Veterinärakademie usw.) vergeben wurden, wie
Gewehr- [151]
schloßschützer, Patronengurte, Patronentragegurte, Hebegurte
für Geschosse, Patronenüberzüge, Granatschutzkappen,
Kartuschbeutel, Fleisch- und Zwiebacksäcke,
Bekleidungs-, Gepäck- und Wäschesäcke, Futtersäcke,
Sand- und Zementsäcke, Schutzsäcke, Segeltuchtaschen
verschiedener Art, Gasmasken, Pferdemasken,
Sonder- und Arbeitskleidung für technische Truppen, Arbeitskleidung
für Munitionsarbeiter, Schlächter und Bäcker,
Schwimm- und Tauchanzüge, Flaggen- und Fleischtücher,
Operations- und Verbandtücher, Pferdedecken, Satteldecken,
Tränkeimer usw.
Aus der nicht vollständigen Erfassung solcher Näharbeiten hatten
sich erneut zahlreiche Unzuträglichkeiten ergeben. Die Dienststellen, die
die Arbeiterfragen bearbeiteten, die Heeresverwaltungen Bayerns, Sachsens,
Württembergs, Vertreter des Gewerbes und der Heimarbeit wiesen immer
wieder auf die Mißstände und auf die Notwendigkeit ihrer
Beseitigung nachdrücklich hin. Die jetzt vorliegenden, wenn auch noch
nicht völlig einwandfreien Zahlenangaben redeten eine so
erdrückende Sprache, daß es nun gelang, die bisherigen
Widerstände zu überwinden. Die Hauptbeschaffungsstellen wurden
angewiesen, den Kriegsbekleidungsämtern fortlaufend unmittelbar nach
Erteilung der Aufträge mitzuteilen, welche Näharbeiten in den
Korpsbezirk des Bekleidungsamtes vergeben wurden, wieviel Arbeitsstunden
für die Ausführung dieser Näharbeiten erforderlich waren,
welche Anfertigungsstellen mit der Ausführung beauftragt und wie
groß die erteilten Aufträge waren. Die Kriegsbekleidungsämter
sollten diese Arbeitsmengen mit den übrigen Näharbeiten des
Korpsbereichs anmelden und durch Erläuterung kenntlich machen. Eine
Einwirkung auf die Vergebung der Arbeiten selbst wurde den
Kriegsbekleidungsämtern jedoch nicht zugestanden.
Nach den Unterlagen für den Ausgleich der Heeresnäharbeiten wurde
ferner offenbar der Kreis der Personen, der für die Beschäftigung mit
Heeresnäharbeiten in Frage kam, nicht überall
gleichmäßig eng gezogen. Um dies zu erreichen, wurden
Ausweiskarten oder Ausweisbücher, die sich in einzelnen Bezirken bereits
bewährt hatten, allgemein eingeführt.
Es mußte allen Personen eine Ausweiskarte versagt oder entzogen werden,
die der Zuteilung von Heeresnäharbeiten überhaupt nicht bedurften
oder die nach ihren Familien- und körperlichen Verhältnissen in der
Lage waren, Arbeit in anderen Gewerbezweigen auszuführen, und zwar
gleichgültig, ob an ihrem Wohnort oder außerhalb desselben.
Während in anderen Erwerbszweigen, namentlich in der Landwirtschaft,
Arbeitermangel herrschte, stand bei den Heeresnäharbeiten die zu
vergebende Arbeitsmenge in einem großen Mißverhältnis zu
der Zahl der Arbeitsuchenden. Zum Wohl der berufsmäßigen
Schneider und Näherinnen und der auf Heeresnäharbeiten
angewiesenen Arbeitnehmer war eine genaue Prüfung der Anträge
auf Erteilung von Ausweiskarten ebenso geboten, wie es eine
vaterländische Rücksicht war, Arbeitskräfte den anderen
[152] Erwerbszweigen und
besonders der Landwirtschaft zuzuführen. Der Erfolg dieser
Maßnahme zeigte sich in dem Sinken des Arbeitsbedarfs, der im April 1917
noch rund 72 Millionen Arbeitsstunden betrug, im Mai 1917 aber bereits auf rund
38 Millionen Arbeitsstunden fiel.
Die Bestimmungen über Streckung und Verteilung der
Heeresnäharbeiten paßten sich den Bedürfnissen des
Groß- und Kleingewerbes sowie denen der Heimarbeit an. Sie erstreckten
sich auch auf gemeinnützige Vereine, die vor dem Kriege und in der ersten
Zeit des Krieges mehr Wohltätigkeits- als Wohlfahrtseinrichtungen waren.
Sie unterstützten deren Streben und Entwicklung, nicht nur wohlzutun oder
eine Unterstützung für den Augenblick zu gewähren, sondern
der Wohltätigkeit das Wesen des Almosens zu nehmen, erzieherisch zu
wirken, den Bedrängten auf eigene Füße zu stellen und Werte
zu erzeugen. Sie strebten eine gerechte Verteilung der Arbeit an, schalteten
unnötige Zwischenstellen aus und gaben dem letzten Arbeiter wenn auch
nicht übermäßigen, so doch auskömmlichen Lohn.
Der Wirkungskreis der Bekleidungsämter war bedeutend erweitert worden.
Es bahnten sich in ihnen Zentralstellen für Heeresnäharbeit an, in
denen nicht nur die Näharbeit für Bekleidung, sondern alle und jede
Heeresnäharbeit zusammengefaßt wurde. Die Arbeitsteilung auf der
einen Seite bewirkte Arbeitsvereinigung auf der anderen und damit eine
planmäßige Arbeitsgliederung. War die Regelung zunächst nur
als Kriegsmaßnahme gedacht, so war sie bei ihrer Folgerichtigkeit,
Planmäßigkeit und ihrer Bewährung doch von weitgehender
Bedeutung.
Bekleidung der Kriegsgefangenen.
Noch in einer anderen Hinsicht wurde die Heeresverwaltung in ihren
Bekleidungssorgen in einer Weise beansprucht, die man im Frieden
unmöglich hatte voraussehen können, für die also auch
ausreichende Vorbereitungen nicht getroffen waren. Sie wurden durch die alle
Erwartungen übersteigenden Massen der Kriegsgefangenen verursacht. Sie
stellten neue, gewaltige Ansprüche, denen der aus bitterster Not
erwachsende Zwang weitestgehender Schonung der vorhandenen eigenen
Bestände gegenüberstand. Selbstredend hatten das eigene Heer und
sodann die eigene Zivilbevölkerung ersten Anspruch auf ausreichende
Versorgung mit Bekleidung. Aber völkerrechtlich war Deutschland
verpflichtet, auch die Kriegsgefangenen mit Bekleidung zu versehen.
Nach den anfänglichen Erfahrungen hatte man sie vorerst in folgender
Weise geregelt:
Kriegsgefangene Offiziere und Beamte im Offizierrange mußten aus den
ihnen zustehenden Geldgebühren für ihre Bekleidung selbst
sorgen. - Die kriegsgefangenen Unteroffiziere und Mannschaften blieben in
ihren mitgebrachten Anzügen, zu deren Ergänzung und
Instandhaltung zunächst die [153] Bekleidung der mit
dem Tode abgehenden Kriegsgefangenen, sofern sie nicht an ansteckenden
Krankheiten gelitten hatten, zu verwenden
war. - Der weitere Bekleidungsbedarf sollte aus Beutebeständen
entnommen werden. Reichten diese nicht aus, so sollten die stellvertretenden
Generalkommandos die Hergabe aus überschießenden
Beständen der Ersatztruppen anordnen.
Bei dieser Regelung war weder mit den großen Massen an
Kriegsgefangenen, noch mit der Dauer des Krieges, noch mit der
Erschöpfung der "überschießenden" Bestände gerechnet.
Bereits nach der Schlacht von Tannenberg, die eine überraschende Zahl von
Kriegsgefangenen brachte, trafen zahlreiche schlecht bekleidete Kriegsgefangene
ein, die neu zu kleiden waren. Da Überschüsse an deutscher
militärischer Kleidung nicht vorhanden waren, mußte neue
Bekleidung beschafft werden. Hierzu ließ sich in erster Linie alte
ausgetragene blaue Bekleidung verwenden. Da aber nicht soviel ausgetragen war,
wie der Bedarf betrug, war Bekleidung auch aus neuen Stoffen zu fertigen. Die
Auswahl dieser Stoffe war nicht leicht. Die militärischen Stoffe brauchte
das eigene Heer, die übrigen infolge der Absperrung die bürgerliche
Bevölkerung. Für die Kriegsgefangenen blieben also nur Stoffe, die
geringwertiger waren. Sie wurden aber bald zur Arbeit verwendet; die ihnen
gelieferte Bekleidung mußte dafür brauchbar, also
widerstandsfähig und haltbar sein. Infolgedessen geriet die
Heeresverwaltung mit den Ansprüchen der eigenen bürgerlichen
Bevölkerung in Widerstreit, da auch sie auf derbe, widerstandsfähige
und haltbare Ware Wert legte und mit Recht Berücksichtigung vor den
Kriegsgefangenen verlangte. Mit dieser Zwangslage mußte sich die
Heeresverwaltung abfinden und hat es auch getan, wenn auch freilich
Mißgriffe nicht ausblieben, die aber doch zu den Ausnahmen
gehörten.
Die Kriegsgefangenenbekleidung wurde durch die
Bekleidungs-Instandsetzungsämter gefertigt; die Stoffe wurden in erster
Linie aus ausgetragenen, nicht mehr brauchbaren, bei diesen Ämtern
vorhandenen Bekleidungsstücken gewonnen. Die Anfertigungsstellen
derselben waren auf die Machart eingeübt, so daß es einfacher war,
sie auch bei Anfertigung aus neuen Stoffen auszunutzen, als die Arbeit durch die
Kriegsbekleidungsämter an andere Anfertigungsstellen zu vergeben.
Für die neu herzustellende Kriegsgefangenenkleidung konnten die Muster
der feindlichen Heeresbekleidung nicht gewählt werden, weil die
Anfertigung nach verschiedenen Proben erschwert wurde. Eine einheitliche Probe
von einfachster Machart und leicht verpaßbarem Schnitt war vielmehr
vorzuziehen. Ein Kennzeichen, das sich nicht leicht entfernen ließ, aber
auch keine Mißachtung ausdrückte, war notwendig. Hellbraune
Streifen in den Ärmeln und an den Hosen, die nicht aufgenäht waren,
sondern einen Teil des Bekleidungsstückes bildeten, erschienen hierzu
geeignet. Als Grundtuch war jeder tiefdunkle Stoff, gleichgültig ob
schwarz, blau, braun, grün usw. zugelassen.
[154] Umstellung
des Kaufbetriebs der Bekleidungsämter.
Alle von Lieferern zu beziehenden fertigen Stücke, alle Webwaren (Tuche,
Leinen und Baumwollstoffe), Zutaten, Näh- und Hilfsmittel, wurden im
Frieden ursprünglich von den einzelnen Bekleidungsämtern
selbständig verdungen. Dies führte im Laufe der Zeit zu
verschiedener Berücksichtigung der Hersteller. In dem Wettbewerb des
Gewerbes war es natürlich, daß einzelne Hersteller, die gut lieferten,
bevorzugt und mit Aufträgen überhäuft wurden, andere, auch
wenn sie leistungsfähig waren, leer ausgingen.
Die Anhäufung der Aufträge bei einzelnen Firmen und die
Ausschaltung anderer war bedenklich. Sie gefährdete die Rechtzeitigkeit
der Lieferung bei gesteigertem Bedarf und entfremdete die Firmen, die keine
Aufträge erhielten, den Bedürfnissen des Heeres. Dieser
Mißstand konnte nur beseitigt werden, wenn die Aufträge für
alle Ämter von einer Stelle vergeben wurden. Das mußte für
diese Stelle eine gewaltige Mehrarbeit bringen, die eine ausreichende Zahl von
Bearbeitern verlangte. Diese waren in der Bekleidungsabteilung nicht vorhanden.
Dort bearbeitete ein Referent mit einem Expedienten die
Lieferungsangelegenheiten. Diese beiden Arbeitskräfte allein konnten die
Mehrarbeit nicht leisten.
Man kam daher zunächst auf den Ausweg, die Vorarbeiten einem
Bekleidungsamt zu übertragen, die Entscheidung aber der
Bekleidungsabteilung des Kriegsministeriums vorzubehalten. Der
Überlastung der Bekleidungsabteilung wurde dadurch vorgebeugt,
daß man die Verdingungen in Gruppen, die nach Rohstoffen geordnet
waren, vornahm, für jede Gruppe eine andere Frist wählte und so
eine nach der anderen bearbeiten konnte. Die Überlastung der
Bekleidungsämter wurde dadurch vermieden, daß man nicht ein
Bekleidungsamt mit allen Vorarbeiten beauftragte, sondern verschiedenen
Ämtern eine Gruppe von Waren zuwies. Die mit den Vorarbeiten
beauftragten Bekleidungsämter stellten den Bedarf aller
Bekleidungsämter nach Unterart und Lieferungsfrist zusammen, schrieben
den Bedarf aus, forderten die Lieferer zur Abgabe eines Angebots auf, hielten die
Verdingungstage ab und stellten die Angebote nach Gattungen und Preisen
zusammen. Der Bekleidungsabteilung lag die Prüfung der Angebote und
der Zuschlag ob. Die Höhe des Auftrags richtete sich nach der
Leistungsfähigkeit des Unternehmers. Keinem wurde jedoch eine
Auftragsmenge zugeteilt, die eine bestimmte Höchstgrenze
überschritt, selbst wenn er mehr leisten konnte. Die Aufträge, die
Großbetrieben erteilt wurden, blieben sogar zum Wohl kleinerer Betriebe
hinter dieser Höchstgrenze erheblich zurück. Das von einer Stelle aus
geleitete Verfahren hatte sich bewährt. Die Lösung blieb aber immer
noch ein Versuch; das Verfahren mit seiner Arbeitsteilung zwischen
Bekleidungsabteilung und bestimmten Bekleidungsämtern blieb ein
Notbehelf. Man hatte aber bereits im Frieden die Folgerungen gezogen, die sich
aus der Massenbeschaffung ergaben. Dieses Verfahren war der
Vor- [155] läufer einer
Zentralbeschaffungsstelle, die im Frieden auch einmal kommen sollte, sobald
ausreichende Erfahrungen vorlagen. Solange die Zentralbeschaffungsstelle noch
nicht eingerichtet war, mußte in den Vorarbeiten der
Bekleidungsämter die Beschaffung im Kriege noch nach dem
früheren Verfahren - selbständige Beschaffung durch jedes
einzelne Bekleidungsamt - vorbereitet werden; das im Frieden versuchte
zentrale Beschaffungsverfahren ließ sich mit der Arbeitsteilung zwischen
Bekleidungsabteilung und einzelnen Bekleidungsämtern im Kriege nicht
anwenden, da es zu schwerfällig und zu zeitraubend war. Auch konnten bei
der unsicheren wirtschaftlichen Lage im Kriege Ausschreibungen nicht in Frage
kommen. Die Bekleidungsämter hatten daher im Kriege ihren ganzen
Bedarf selbständig in freihändigen Vereinbarungen mit den Lieferern
zu beschaffen und hiernach ihre Vorbereitungen zu treffen.
Der Bedarf an fertigen Stücken war in derselben Weise, wie der von den
Kriegsbekleidungsämtern zu fertigenden Stücke, von den Truppen
für die ersten sechs Monate ermittelt und den Bekleidungsämtern im
Frieden angemeldet worden. Nach den Bedarfsanmeldungen hatten die
Bekleidungsämter ihre Beschaffungsplane aufgestellt und die zu liefernden
Mengen bei den Lieferern sichergestellt.
Im allgemeinen war jedes Bekleidungsamt auf die Lieferer des eigenen
Korpsbezirks angewiesen. Da die Industrie aber nicht gleichmäßig
über das ganze Reich verteilt war, mußte auch ein Übergreifen
auf andere Korpsbezirke zugelassen werden. Um zu vermeiden, daß
Fabriken überlastet wurden, durfte dies nur durch Vermittlung desjenigen
Bekleidungsamtes geschehen, in dessen Bereich ein anderes Amt
übergreifen wollte. Für die Heranziehung der Lieferer mußte
deren Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit maßgebend sein.
Diese schon im Frieden zu prüfen, war Sache des Amtes, in dessen
Korpsbereich sich die Fabrik des Lieferers befand.
In erster Linie standen den Kriegsbekleidungsämtern die ihnen bekannten
Friedenslieferanten zur Verfügung. Da diese zur Deckung des
planmäßig errechneten Bedarfs nicht ausreichten, waren auch solche
Firmen herangezogen worden, die im Frieden nicht Heereslieferanten waren.
Diese knüpften ihre Bereitwilligkeit, im Kriege zu liefern, an die
Bedingung, auch an Friedenslieferungen beteiligt zu werden. Auf diese Forderung
konnte jedoch im allgemeinen nicht eingegangen werden, weil der Umfang der
Friedenslieferungen eine so weitgehende Verteilung nicht zuließ. Bei dem
nicht großen Jahresbedarf des ganzen Heeres wären die auf jeden
entfallenden Anteile zu klein geworden und hätten in keinem
Verhältnis zu den erforderlichen Betriebseinrichtungen mit ihren Kosten
gestanden. Die zu liefernde Ware wäre dadurch wesentlich verteuert
worden.
Trotzdem gelang es, den Bedarf unterzubringen, weil die größeren
Friedenslieferanten im Frieden nicht nur für das Heer, sondern auch
für andere [156] Staatsverwaltungen, an
die Bevölkerung und an das Ausland lieferten. Sie erkannten, daß der
Bedarf der bürgerlichen Bevölkerung eine Verminderung erfahren
und der Auslandsbedarf zum größten Teile fortfallen würde.
Sie waren daher bereit und in der Lage, größere Aufträge als
im Frieden anzunehmen. Auch gelang es, einzelne im Frieden nicht liefernde
Firmen zur Übernahme von Kriegslieferungen zu gewinnen.
Die Vergebung der Kriegslieferungen erfolgte derart, daß auf Grund der
festgestellten Leistungsfähigkeit Vereinbarungen abgeschlossen wurden, in
denen Menge und Stückart, Lieferungszeiten und Erfüllungsorte
angegeben waren. Diese Vereinbarungen bedeuteten nicht eine endgültige
Bestellung. Sie erlangte die Bedeutung erst durch eine nach ausgesprochener
Mobilmachung in Aussicht gestellte Mitteilung. Aufgehoben konnten die
Vereinbarungen nur werden, wenn keine Einigung über den Preis zu
erzielen war. In diesem Falle konnte die Lieferung immer noch auf Grund des
Kriegsleistungsgesetzes in Anspruch genommen werden.
Die Preise für die im Kriege zu liefernde Ware waren im Frieden nicht
vereinbart. Dies war auch nicht möglich, weil die Marktlage schon im
Frieden dauernd wechselte und im Kriege nicht vorauszusehen war. Für die
Zeit des Krieges war nach vorstehendem nur vorbehalten: die Bestätigung
des Auftrags als endgültige Bestellung und die Preisvereinbarung.
Wie im Werkstattbetrieb machte auch im Kaufbetrieb die Beschaffung des
gewaltigen, nicht vorausgesehenen Mehrbedarfs Schwierigkeiten. Bei den
Ausrüstungsstücken aus Leder hatte sich die Heeresverwaltung aus
den oben näher dargelegten Gründen allein auf die Privatbetriebe
verlassen; denn Sattlerwerkstätten gab es bei den Bekleidungsämtern
im Frieden nicht und für den Krieg waren sie ebenfalls nicht
vorgesehen.
Kriegsvorräte an Ausrüstungsstücken über den Bedarf
für die vorgesehenen Kriegsformationen hinaus waren nicht niedergelegt,
weil in die Armeebekleidungsdepots solche nicht eingeliefert werden sollten, und
der übrige Bedarf in dem planmäßig errechneten Umfange
rechtzeitig eingeliefert werden konnte. Der Bedarf für die Ersatztransporte
war an sich nicht sehr groß. Er betrug (siehe Seite 104) nur rund
400 000 Stück von jeder Art. Der Ersatzbedarf für das
Feld- und Besatzungsheer war gleichfalls nicht sehr hoch. Er war für das
Feldheer nach Kriegstragezeiten, die auf den Erfahrungen früherer Kriege
beruhten, und für das Besatzungsheer nach den bekannten
Friedenstragezeiten ermittelt. Die Tragezeiten waren sehr lang bemessen; daraus
erklärt sich die verhältnismäßig geringe Menge des
Ersatzbedarfs.
Militärische Ausrüstungsstücke waren eine Ware, die nur vom
Heere und kaum von jemand anders gebraucht wurde. Die Betriebe, die sich mit
ihrer Herstellung beschäftigten, waren nicht sehr zahlreich. Die geringe
Kriegsleistungsfähigkeit der Betriebe für
Ausrüstungsstücke hatte außerdem darin ihren Grund, [157] daß ein Teil ihres
geschulten Arbeiterpersonals zur Fahne einberufen war. Gerade das
Sattlergewerbe brauchte mehr wie andere Gewerbszweige eingearbeitete
Kräfte, weil die Herstellung dieser Stücke auf Handfertigkeit beruht
und nur in geringem Maße durch maschinelle Einrichtungen bewirkt werden
konnte. Die vorhandenen geschulten Arbeiter waren als Stammpersonal zur
Anlernung und Ausbildung weiterer Kräfte geradezu unentbehrlich. Diese
Industrie befand sich im Herbst 1914, als sie den großen Mehrbedarf
plötzlich decken sollte, in einer sehr üblen Lage. Es war besonders
schwer, auf diesem Gebiete eine Besserung zu erreichen. Sie wäre
erleichtert worden, wenn staatliche Sattlereien in den Bekleidungsämtern
im Frieden vorhanden und ihre Erweiterung, ebenso wie die Erweiterung der
Schuhmacher- und Schneiderwerkstätten, vorgesehen gewesen
wäre.
Hierzu hätte allerdings die Herstellung aller Sattlerwaren
zusammengefaßt sein müssen. Solange die Beschirrung für die
Zugpferde in den technischen Instituten unter Beteiligung der Privatindustrie, die
Reitzeugausrüstung der Reitpferde der Kavallerie in den
Sattlerhandwerkstätten der Kavallerieregimenter (im Frieden) oder der
Ersatzeskadrons (im Kriege), die Reitzeugausrüstung der übrigen
Reitpferde in den technischen Instituten unter Beteiligung der Privatindustrie und
die Ausrüstungsstücke für den Mann in der Privatindustrie
nach Aufträgen der Bekleidungsämter hergestellt wurden, war dieser
Weg nicht gangbar. Die Zusammenfassung und damit verbundene Umstellung
war sehr verwickelt. Die Durchführung hätte Zeit gebraucht und
konnte nur in ruhiger Zeit geschehen. Wäre sie im Kriege vorgenommen
worden, so hätte die Versorgung der Truppe eine Zeitlang gänzlich
ausgesetzt. Das aber mußte unter allen Umständen vermieden
werden. Es blieb nur übrig, das geringere Übel in den Kauf zu
nehmen und von der Errichtung solcher Staatsbetriebe im Kriege abzusehen. Die
grundsätzliche Änderung, die Zusammenfassung der Beschaffung
und Herstellung aller Sattlerwaren, mußte späteren
Erwägungen vorbehalten bleiben.
Um den Fehlbedarf zu decken, wurden vorhandene geeignete Vorräte der
Schutztruppen, Schutzmannschaften, Feuerwehren usw.
übernommen, alle greifbaren und einigermaßen brauchbaren
Bestände der Privatindustrie aufgekauft, dabei Ersatzstoffe und
Ersatzstücke in weitestem Umfange zugelassen und die Anfertigung in
Bekleidungsämtern durch Vermehrung der Werkstatträume und
Handwerker versucht.
Die Steigerung der Anfertigung von Lederhelmen war abhängig von den
vorhandenen Lackieröfen und deren Leistungsfähigkeit. Bedenkt
man, daß der Lederhelm eine Friedenstragezeit von sechs Jahren hatte, so
ergab das für ein Heer von rund 600 000 Mann im Frieden eine
durchschnittlich jährliche Auftragsmenge für die Industrie von noch
nicht 100 000 Lederhelmen, Tschakos und Tschapkas, wobei der Bedarf
für Kürassiere, Jäger zu Pferde und Husaren, [158] die Metallhelme oder
Pelzmützen trugen, noch nicht abgefetzt ist. Verteilt man die Anfertigung
über das ganze Jahr, so waren von der einschlägigen Industrie ganz
Deutschlands im Monat kaum 8000 Lederhelme zu liefern. Eine geringe Menge,
für die wenige Lackieröfen ausreichten; denn auch der Bedarf der
Polizei an Helmen, der Droschkenkutscher usw. an ledernen
Kopfbedeckungen war nicht groß. Auf eine Vermehrung der
Lackieröfen konnte sich die Industrie nur einlassen, wenn ihr eine
Auftragsmenge gewährleistet wurde, durch die sie die Kosten der
Fabrikerweiterung allmählich abschreiben konnte, oder wenn der Staat sich
an diesen Kosten in irgendeiner anderen Form beteiligte. Da der Zukunftsbedarf
sich nicht übersehen ließ, konnte sich die Heeresverwaltung hierauf
nicht einlassen. Die Herstellung der Lederhelme ließ sich daher nur
unbedeutend vermehren. Die Zulassung von Helmen aus Hartpapier und Kork
brachte nur eine geringe Vermehrung in der Herstellung. Der verschiedentlich
angeregte Ersatz durch Helme aus Blech konnte nur als Notbehelf dienen, weil die
Geschoßwirkung unter Umständen durch die Metallsplitter vermehrt
wurde. Gleichwohl sind nicht unerhebliche Mengen solcher Blechhelme auf
Anregung des stellvertretenden Generalkommandos VII. Armeekorps, das die
Angelegenheit mit Nachdruck verfolgte, beschafft worden. Daneben kamen die an
Arbeitslosigkeit leidenden Filzhutfabriken der Heeresverwaltung bedeutend zu
Hilfe und setzten mit der Herstellung großer Mengen von Filzhelmen ein, so
daß der Bedarf damit gedeckt werden konnte. Die Filzhelme
bewährten sich jedoch im Felde nicht. Sie weiteten sich leicht, verloren
bald ihre Form, sie waren nicht widerstandsfähig und dauerhaft genug. Die
Helmfrage kam dann durch die noch zu erörternde Einführung des
Stahlhelms in andere Bahnen.
Der Mehrbedarf an Patronentaschen und Leibriemen der ersten Zeit konnte nur
dadurch gedeckt werden, daß das Besatzungsheer die für dasselbe
bestimmten Patronentaschen und Leibriemen älterer Probe in großem
Umfange abgab und nur den notwendigsten Bedarf für Posten usw.
zurückbehielt. Es mußte in den Kauf genommen werden, daß
die Ausbildung des Ersatzes darunter litt. Außerdem wurde bei
Ankäufen von Patronentaschen von der vorschriftsmäßigen
Form abgesehen und jedes zur Unterbringung von Patronen geeignete Muster
zugelassen; Nähte durften durch Nieten ersetzt werden.
Der Mangel an Tornistern wurde durch Ankauf von Rucksäcken behoben.
Auch wurden wasserdichte starke Baumwollstoffe als Ersatz für Kalbfelle
zugelassen. Da Deutschland eine leistungsfähige Industrie an wasserdichten
Baumwollstoffen besaß, stellte sich diese bald hierauf ein.
An Ausrüstungsstücken aus Metall (Feldflaschen, Labeflaschen,
Trinkbecher, Kochgeschirre) und aus wasserdichten Baumwollstoffen
(Zeltausrüstung, Brotbeutel) herrschte nur anfangs Knappheit. Die
großen Betriebe, in denen diese Stücke angefertigt wurden, konnten
die Herstellung durch Umstellung [159] schneller als
Kleinbetriebe dauernd steigern, so daß die Not bald überwunden
war.
Die wollene Unterkleidung für den Winter wurde im Frieden nicht
vorrätig gehalten, sondern nur ihre Bezugsquellen ermittelt und die
Beschaffung für die Truppen durch Verträge für eine
Mobilmachung im Winter sichergestellt. Bei einer Mobilmachung im Sommer lag
die Beschaffung den Kriegsbekleidungsämtern ob.
Den Ersatztruppenteilen wurde daher bald nach Kriegsausbruch aufgegeben, den
Bedarf für die Truppen ihres Wirtschaftsbereichs unter Angabe der
Größen den Kriegsbekleidungsämtern zu melden und
gleichzeitig anzugeben, welche Bezugsquellen von den Truppenteilen im Frieden
ermittelt waren. Die Kriegsbekleidungsämter sollten diese Bezugsquellen in
erster Linie zur Lieferung heranziehen und für anderweitige Beschaffung
sorgen, wenn diese Lieferungen den Bedarf nicht deckten. Da bestimmte Muster
nicht vorgeschrieben waren, wickelte sich die Beschaffung
verhältnismäßig einfach ab, nachdem an Stelle von
Unterjacken, unter denen gestrickte Jacken mit Ärmeln verstanden wurden,
auch wollene und stärkere baumwollene Hemden zugelassen worden
waren.
Von Anschaffung und Bereithaltung der Pelzbekleidung im Frieden war im
Hinblick auf die Schwierigkeit, sie dauernd zu unterhalten, gegen Mottengefahr
zu schützen und aufzufrischen, Abstand genommen worden. Sie sollten bei
einer Mobilmachung in den Monaten August bis Dezember ohne weiteres, sonst
nur auf Weisung des Armeeverwaltungsdepartements, beschafft werden. Welche
Mengen zur ersten Bedarfsdeckung zu beschaffen waren, zeigt die
Anlage 3 (s. S. 197).
Im Frieden war festgestellt worden, daß die Kürschner auf ihre
Kosten kamen, wenn jeder Pelz mit 45 Mark bezahlt wurde. Der schnell und
gleichzeitig zu beschaffende Gesamtbedarf steigerte die Nachfrage auf dem
Pelzmarkt, so daß die Preise stark anzogen: In wenigen Tagen war der Preis
auf 80 - 90 Mark gestiegen, ohne daß ein Ende abzusehen war.
Mit jedem Tage wuchs der anzulegende Preis. Er kletterte auf 100, 110, 120, 130
Mark hinauf. Dem mußte Einhalt geboten werden. Die
Bekleidungsabteilung befand sich in einer üblen Lage. Die Gesamtmenge
mußte bereitgestellt werden, das stand fest. Wurde der zuzubilligende
Höchstpreis zu niedrig festgesetzt, so war zu befürchten, daß
die nötige Menge nicht zu beschaffen war. 130 Mark erschien aber so
ungeheuerlich, daß die Bekleidungsabteilung die Verantwortung für
diesen Preis dem Reiche gegenüber nicht glaubte tragen zu können.
Auf langwierige Ermittelungen des "angemessenen" Preises konnte sie sich nicht
einlassen. Bei dem täglichen Steigen war keine Zeit zu
verlieren - es mußte schnell gehandelt werden. Sie wies daher die
Kriegsbekleidungsämter kurz entschlossen an, nicht mehr wie
höchstens 90 Mark für den Pelz anzulegen, und für den Fall,
daß der Bedarf dann nicht zu decken sei, als Ersatz für Pelze
Tuchmäntel bereit- [160] zustellen, die mit
einem wärmenden Stoff (Lama, Watteeinlage usw.) gefüttert
waren. Bei dem gleichzeitig herrschenden Tuchmangel war diese Aushilfe unter
Umständen eine zweifelhafte Maßnahme, die nur auf dem Papier
stand. Sie mußte aber gewagt werden. Der Entschluß belohnte sich.
Die Pelze wurden fast ausnahmslos und rechtzeitig beschafft. Die Anfertigung
von dick gefütterten Tuchmänteln war nur in beschränktem
Maße nötig. Die Preissteigerung hörte auf. Es gelang sogar
wiederholt, mit dem Preise unter 90 Mark zu bleiben. Die für einen Pelz
weniger (130 - 90) angelegten 40 Mark machten für
200 000 Pelze die Summe von 8 Millionen Mark aus, die dem Reiche
erspart wurden. Bei einem Durchschnittspreise von 90 Mark bedeutete die
Beschaffung von 233 110 Pelzen immer noch eine Ausgabe von
20 979 900 Mark.
Die für die erste Zeit bei den Bekleidungsämtern niedergelegten
Vorräte an Leder, Tuch, Leinen und Baumwollstoffen, die den Verbrauch
bis zum Eintreffen der Lieferungen aus Kriegsverträgen decken sollten,
wurden durch den frühzeitig einsetzenden Zuschnitt, der dem Mehrbedarf
Rechnung tragen mußte, vorzeitig erschöpft. Kriegslieferungen
konnten erst später einsetzen, auf sie durfte aber nicht gewartet werden. Es
blieb also auch hier nichts anderes übrig, als Behelfsstoffe2 zuzulassen. Es wurden unter anderem
als Tuche feinere Tuche, Offiziertuche, Kammgarnstoffe, teilweise aus Wolle und
Baumwolle hergestellte Stoffe, baumwollene Kordstoffe, Manchester und
dergleichen gestattet und von streng vorschriftsmäßiger Farbe
abgesehen.
Beim Leder wurde von der Forderung der Gerbung vorwiegend mit Eichenlohe
Abstand genommen, vermehrte Ausnutzung der Gerbstoffe, die Anwendung
gemischten Gerbverfahrens und schließlich auch Chromgerbung
zugelassen.
Bei der Beschaffung von Stoffen und fertigen Stücken hatten sich
Schwierigkeiten mannigfachster Art ergeben. Mit den Verpflichtungen, die die
Lieferer übernommen hatten, waren die meisten bis an die
Höchstgrenze ihrer Friedensleistungsfähigkeit gegangen. Daraus
erklärt es sich, daß sie nicht imstande waren, den Mehrbedarf zu
decken. Um höhere Leistungen zu erzielen, mußten sie erst ihre
Betriebe erweitern. Neue Lieferer heranzuziehen, bereitete Schwierigkeiten. Sie
hatten in den seltensten Fällen schon Heeresware gefertigt, mußten
also ihre Betriebe erst daraufhin umstellen und ferner sich auf die ihnen bisher
ungewohnte Ware einstellen. Es war daher, wenn auch bedauerlich, so doch an
sich nicht verwunderlich, daß der dringende Mehrbedarf, der unerwartet
eingetreten war und schleunigst gedeckt werden mußte, große
Schwierigkeiten bereitete. Er zeitigte ein wildes Aufkäufertum, das sich
zwischen die Erzeugung der Ware und ihren Absatz an die Heeresverwaltung
einschob. Massenhaft [161] taten sich Firmen auf,
die ohne jede Warenkenntnis bestimmte Gegenstände in riesigen Mengen
zu Überpreisen zusammenkauften und dann der Heeresverwaltung
anboten.
Durch den unrechtmäßigen Zwischenhandel trat eine unerhörte
und unberechtigte Verteuerung aller Waren ein, an der der Hersteller keinen
Anteil hatte, und die lediglich dem Zwischenhändler als Gewinn in die
Tasche floß. Die erzielten hohen Preise wurden in Berufskreisen bekannt
und übten auf die Preisgestaltung eine nach oben treibende Wirkung aus,
die sich auch die Rohstoffhändler zunutze machten. Die
unbegründete, eigennützige und gewinnsüchtige
Verteuerungspolitik erschwerte den Heereslieferanten die Erzeugung ihrer Ware
von neuem. Gleichzeitig kamen den Lieferern die zahlreichen Beschaffungsstellen
zugute. Sie spielten dieselben gegeneinander aus und gingen von einer Stelle zur
anderen. Jede Stelle lief Gefahr, beim Druck auf die Preise, der trotzdem
überall versucht wurde, ihren Bedarf nicht rechtzeitig hereinzubringen.
Bei Ermittelung der neuen Bezugsquellen, aus denen der außerordentlich
hohe und schnell zu deckende Bedarf beschafft werden mußte, ergab sich
für die beschaffenden Stellen die Schwierigkeit, daß sie nicht
über ausreichende Quellenkenntnis verfügten. Auf die deshalb
erlassenen Anzeigen hin traten Selbsthersteller in ausreichender Zahl nicht an die
Dienststellen heran. Dagegen erschien der Zwischenhandel auf dem Plan und
riß den größten Teil der Geschäfte an sich. Den
Beschaffungsstellen fehlte es bei dem Umfang und der Dringlichkeit der Sache an
Zeit, über die einzelnen Personen und Firmen Erkundigungen einzuziehen.
So kam zweifellos mancher Mißgriff bei der Vergebung vor.
Der Heeresverwaltung sind aus dieser unerfreulichen Entwicklung der Dinge
schwere Vorwürfe gemacht worden. Sie befand sich aber in der gleichen
Lage wie der übrige Handel. Die Erschließung neuer Bezugsquellen
war eben eine Aufgabe, die Zeit forderte und nicht in kurzer Frist gelöst
werden konnte. Hier stand aber die Ausstattung von Truppenteilen mit
Bekleidung und Ausrüstung auf dem Spiele. Es war keine Zeit zu
versäumen. Die Mißstände waren, so sehr sie zu bedauern sind,
das kleinere Übel.
Von den Preistreibereien blieben auch die Arbeitslöhne nicht
unberührt. Da für die fertige Ware höhere Preise gezahlt
werden mußten, konnten auch den Arbeitern höhere Löhne
gezahlt werden. Schon durch die Einberufung zur Fahne waren die
Arbeiterstämme stark gelichtet. Dies machte sich besonders in solchen
Zweigen der Industrie fühlbar, die vornehmlich auf Handarbeit angewiesen
waren und eingearbeitete männliche Kräfte brauchten, weil weder
Frauen die schwere Handarbeit bewältigen, noch maschineller Betrieb die
Handarbeit ersetzen konnte. Die Gewährung höherer Löhne
zur Behebung dieses Mangels hatte eine Abwanderung der Arbeiter zur Folge und
drohte eine Schraube ohne Ende zu werden, zumal die Arbeiter organisiert waren,
während eine Organisation der Arbeitgeber fehlte.
[162] Um dem Unwesen des
Zwischenhandels zu steuern, wurde erneut angeordnet, daß Aufträge
nur an solche Firmen vergeben werden durften, die dem in Betracht kommenden
Warenzweige angehörten, leistungsfähig und zuverlässig
waren, wie dies im Frieden auch der Fall war.
Angebote solcher Firmen, die die Heeresverwaltung aus früherer
Geschäftsverbindung nicht kannte, mußten der für den
Bewerber zuständigen Handels- oder Handwerkskammer eingereicht
werden, die die Gesuche mit einem Zeugnis über den
Geschäftszweig, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
des Anbietenden und darüber, ob er Selbsthersteller war, an die
vergebenden Stellen weiterleiteten. Ehe diese Voraussetzungen nicht erfüllt
wurden, war die Übersendung von Angeboten an die Heeresverwaltung
zwecklos, da nur die von den amtlichen
Handels- oder Handwerksvertretungen mit den erwähnten Zeugnissen
versehenen Angebote in Betracht gezogen wurden.
Hierdurch wurde der unrechtmäßige Zwischenhandel ausgeschaltet.
Der Wettbewerb der Bekleidungsämter unter sich mit seinen nachteiligen
Folgen ließ sich nur durch Einrichtung einer Zentralbeschaffungsstelle
beseitigen. Im November 1914 wurde als solche das Bekleidungsbeschaffungsamt
mit dem Sitz in Berlin errichtet.
Es war dabei wesentlich von Vorteil, daß für die Stellenbesetzung
Offiziere vorhanden waren, die infolge ihrer besonderen Tätigkeit hierin
sachkundig und zur Bewältigung der ihnen zufallenden Aufgaben geeignet
waren. Wie schon früher dargelegt, hatte die Sicherstellung des
Kriegsbedarfs schon im Frieden Schwierigkeiten bereitet. Sie war von den
Bekleidungsämtern gefordert und auch erreicht worden. Die
Bekleidungsabteilung konnte sich aber doch dabei infolge mancher Anzeichen
und Angaben der Bekleidungsämter des Eindrucks nicht erwehren,
daß in dieser Beziehung im Ernstfall nicht alles so glatt sich abspielen
würde, wie nötig war. Bei der Nachprüfung wurde sie in ihren
Zweifeln nur bestärkt. Es erschien fraglich, ob die Verpflichtungen, die
einzelne Lieferer übernommen hatten, auch wirklich würden
eingehalten werden können. Bei den Feststellungen der
Leistungsfähigkeit der verpflichteten Betriebe hatten sich
Widersprüche in den Angaben der Betriebe selbst und mit der Auskunft, die
über sie eingeholt worden war, ergeben. Diese aufzuklären und zu
beseitigen verursachte neue Schwierigkeiten.
Wenn im Kriege Überraschungen erspart bleiben sollten, war eine
eingehende und unparteiische Nachprüfung der Verträge notwendig,
um sie, wo erforderlich, richtigstellen zu können. Unparteiisch mußte
sie sein in bezug auf die Lieferer und auf die Abnehmer. Die Lieferer hatten ein
Interesse an großen Aufträgen, weil sie ihnen Gewinn brachten, die
Bekleidungsämter an großen Lieferungen, um ihren Bedarf zu
decken. Es war daher im Frieden Major Ziegler vom Bekleidungsamt des
Gardekorps damit beauftragt worden, im Namen der Bekleidungsabteilung die
Leistungsfähigkeit der Tuchfabriken festzustellen, die [163] sich zu Lieferungen
verpflichtet hatten. In etwa zwei Jahren hatte er diese Tuchfabriken bereist und
damit einen Überblick über die Leistungsfähigkeit derselben
erhalten. Als sich während seiner Reisen erkennen ließ, daß der
eingeschlagene Weg richtig war und zum Ziele führen würde,
wurden ihm Major Schaefer vom Bekleidungsamt des Gardekorps und Major
Fleck vom Bekleidungsamt des IV. Armeekorps beigegeben, um beide Offiziere
in der Prüfung der Fabrikbetriebe auf ihre Leistungsfähigkeit
anzulernen. Sie sollten sich dabei über das einzuschlagende Verfahren
unterrichten, um die Prüfungen auf anderen Lieferungsgebieten
später selbständig weiter zu betreiben. Waren die Gebiete, die
Fabrikeinrichtungen usw. auch verschieden, der Grundgedanke und das
Verfahren war gleich.
Diese drei Offiziere mit ihrer Kenntnis von Fabrikeinrichtungen und von der
Leistungsfähigkeit bestimmter Lieferungszweige wurden der Stamm des
neuzuerrichtenden Bekleidungsbeschaffungsamts. Infolge ihrer besonderen
Ausbildung konnten sie beim Entstehen des Amtes sofort führend wirken.
Ihre Einarbeitung in die Stelle, die natürlich noch eine Menge Neues
brachte, war erleichtert.
Es ist oft der Vorwurf erhoben worden, daß eine wirtschaftliche
Mobilmachung völlig gefehlt und sich dies im Kriege bitter gerächt
habe. Hier aber sind Ansätze dazu nachweisbar und vorhanden, die
völlig zielbewußt eingeleitet, tatkräftig weitergeführt
und fortgesetzt ausgebaut wurden. Es ist nicht mehr als recht und billig, dies
anzuerkennen. Wieweit auf anderen Gebieten die wirtschaftliche Mobilmachung
in Vorbereitung war, gehört nicht in den Rahmen dieser Abhandlung.
Die zahlreichen Beschaffungsstellen wurden durch die Einrichtung des
Bekleidungsbeschaffungsamts, dem allein die einheitliche Beschaffung der
wichtigsten Stoffe und fertigen Stücke oblag, beseitigt. Dieses Amt
bedurfte aber noch des Ausbaus, da sich in ihm außer den Bundesstaaten,
die sehr bald beitraten, auch die Marine und die Schutztruppen vereinigen
mußten, damit die Heeres- und Marineverwaltung für das ganze
Reich auch tatsächlich als einziger Käufer auftrat. Damit
verschwanden die Preistreibereien zwischen den einzelnen
Beschaffungsstellen.
Hand in Hand mit der Neuordnung des Einkaufs ging eine Organisation des
Verkaufs, weil dieselbe Stelle, die die zahlreichen Abnehmer vereinigte,
unmöglich auch noch mit den zahllosen Lieferanten der verschiedenen
Gebiete verkehren konnte. Der Anfang damit wurde bald gemacht. Es wurden
Lieferungsverbände geschaffen für Tuche und seine Ersatzstoffe im
Kriegstuchverband (Streichgarnware) und im Kriegsweberverband
(Kammgarnstoffe); für Lederausrüstungsstücke zur
Mannschaftsausstattung im Kriegslederausrüstungsverband.
Weitere Lieferungsverbände folgten.
[164] Mit der Bildung von
Lieferungsverbänden wurde gleichzeitig eine Organisation der Arbeitgeber
erreicht, durch die die ungesunde Steigerung der Arbeitslöhne und die
damit zusammenhängende Abwanderung der Arbeiter beseitigt werden
konnte, weil die Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch ihre Organisationen nur
noch Tarife über die zu zahlenden Löhne zu vereinbaren brauchten.
Hieraus ergab sich die Regelung der Lohnfrage fast von selbst.
Um den Preistreibereien nachdrücklich entgegenzutreten, wurde die schon
im Frieden vorhandene Einrichtung der Sachverständigen erweitert. Statt
einzelner Personen standen jetzt kleine sachkundige Ausschüsse dem
Bekleidungsbeschaffungsamt zur Seite und begutachteten, ob die geforderten
Preise der Marktlage entsprachen oder nicht.
Das Bekleidungsbeschaffungsamt sollte die Bekleidungsabteilung entlasten und
mußte dazu Selbständigkeit erhalten. Doch durfte das nicht zur Folge
haben, daß der führende Einfluß der Bekleidungsabteilung als
verantwortlicher Teil des Kriegsministeriums aufhörte. Dem
Kriegsministerium mußte die Überwachung der Beschaffung
verbleiben. Das Kriegsministerium blieb die oberste Vertretung der Besteller, das
Bekleidungsbeschaffungsamt war Lieferer. Im Rahmen dieser ihm zugewiesenen
Aufgabe erhielt es Freiheit und Selbständigkeit. Es war ausführende,
nicht anordnende Stelle. Anordnungen für Beschaffung und Verwaltung
verblieben dem Kriegsministerium.
Die Ausführung dieser Arbeitsteilung ließ sich bei der Errichtung des
Amtes noch nicht in allen Einzelheiten klar umschreiben, sie konnte sich erst in
der gemeinsamen Arbeit ergeben; man mußte den Erfolg der Arbeitsteilung
und des Zusammenwirkens abwarten. Für Erwägungen, die ins
einzelne gingen und langwierig waren, blieb keine Zeit übrig. Das
Bekleidungsbeschaffungsamt mußte möglichst schnell wirksam
werden. Das Amt ist seiner Aufgabe durchaus gerecht geworden und verdankt
dies der unermüdlichen, den Durchschnitt weit überragenden
Arbeitskraft und den hervorragenden Fachkenntnissen seines mehrjährigen
Direktors, des Oberst Ziegler, der bei allen seinen Mitarbeitern vortreffliche
Unterstützung fand. Reibungen, die sich einstellten und einstellen
mußten, wurden mit Geschick überwunden.
Das Bekleidungsbeschaffungsamt übernahm zunächst nur die
Beschaffungen der Bekleidungsämter und hier auch nicht sämtliche,
sondern nur die von Tuchen, Leinen- und Baumwollstoffen, Wirkwaren, von
wichtigeren Ausrüstungsstücken aus Leder, Metall und
wasserdichten Baumwollstoffen, von Pelzen, Tressen, Fransen, Portepees und
Signalinstrumenten. Im wesentlichen waren es die Stoffe und Stücke, die
schon im Frieden im versuchsweise zentralisierten Verfahren (Seite 154 f.) beschafft wurden. Sobald sich
das neue Verfahren eingespielt hatte, führten die guten Erfolge des
Bekleidungsbeschaffungsamts zu weiteren Zusammenfassungen. Zunächst
wurden andere Beschaffungsstellen gleichartiger Waren, besonders von
Webwaren, ausgeschaltet. So ging [165] zuerst die Beschaffung
wollener Decken, die durch die stellvertretende Intendantur des III. Armeekorps
erfolgte, und die Beschaffung von Woilachen für alle Waffen, die die
verschiedensten Stellen beschafften, in das Bekleidungsbeschaffungsamt
über. Später wurden in ihm auch alle Stellen, die
Leinen- und Baumwollstoffe bezogen, vereinigt. Damit wurde der Zustand
beseitigt, daß diese zur Bekleidung (Drilch für Drilchzeug,
weißes Leinen für weißleinene Hosen, Futterstoffe) vom
Bekleidungsbeschaffungsamt, zur Wäsche für den
Kasernen- und Lazaretthaushalt einschließlich für Krankenkleidung
von den Intendanturen, zu Zelten
(Stall-, Magazin-, Brot- und Backzelten) und Plänen für Fahrzeuge
aller Art von den verschiedensten Stellen, zur
Bäcker-, Schlächter- usw. Sonderbekleidung, zur
Arbeiterschutz- usw. Kleidung von den Intendanturen und anderen Stellen
beschafft wurden. Immer wieder stellte es sich heraus, daß diese und jene
Beschaffungsstelle noch nicht erfaßt war und infolgedessen mit dem
Bekleidungsbeschaffungsamt in Wettbewerb trat.
So wurden die Leinen- und Baumwollstoffe zu Verbandmitteln, für
Flugzeuge usw., auch erst später im Bekleidungsbeschaffungsamt
beschafft. Ähnlich wurde auf dem Gebiete der Erzeugnisse aus Wolle, auf
dem bereits die Beschaffung der Tuche, Decken und Woilache
zusammengefaßt war, vorgegangen. Die Kadettenanstalten, die
militärischen Strafanstalten, die Unteroffiziervorschulen, die
militärischen Waisenhäuser usw. wurden einbegriffen. Das
Bekleidungsbeschaffungsamt wuchs sich zu einem Webstoffbeschaffungsamt
aus.
Je mehr die Rohstoffvorräte abnahmen, desto mehr trat noch ein anderer
Gesichtspunkt für die Zusammenfassung in den Vordergrund. Die
Nähgarne traten mit den aus gleichen Rohstoffen hergestellten Webgarnen
in Wettbewerb, so daß ihre Beschaffung nicht mehr anderen Stellen
überlassen werden konnte. Das Beschaffungsgebiet des
Bekleidungsbeschaffungsamts mußte sich in der Richtung des Rohstoffes
erweitern.
Anfangs hatte man die Nebenbedürfnisse wegen ihrer geringeren
Wichtigkeit bei der Zusammenfassung außer acht lassen können und
es mit Absicht getan, um die neue Einrichtung nicht von vornherein zu
überlasten, sondern aus kleinen Anfängen heraus sich
allmählich entwickeln zu lassen. Mit dem zunehmenden Rohstoffmangel
wurden aber auch Nebenbedürfnisse wichtig. Der Zeitpunkt war
gekommen, auch ihre Beschaffung zusammenzufassen.
Die Einkaufstätigkeit der Bekleidungsämter wurde immer geringer;
ihnen blieb nur die Abnahme, die Lagerung und der Versand der Ware. In der
Entwicklung der Einkaufstätigkeit sanken die Bekleidungsämter zum
Lagerhalter und Verfrachter herab, eine Wandlung, die auch in der Entwicklung
des Handels eingetreten ist. Es zeigte sich ferner, daß jeder strafferen
Zusammenfassung eine Arbeitsteilung nach anderer Richtung
gegenübersteht.
Die Zusammenfassung des Einkaufs in den beschaffenden Stellen spaltete den
Einkauf in das eigentliche Kaufgeschäft und die Lagerhaltung. Das
schloß [166] jedoch nicht aus,
daß das Bekleidungsbeschaffungsamt eigene Lager einrichtete, weil einmal
der Lagerraum der Bekleidungsämter nicht ausreichte, andererseits das
Bekleidungsbeschaffungsamt in der Verwaltung mancher Bestände von den
Bekleidungsämtern unabhängig bleiben mußte. Die
fortschreitende rohstoffweise Zusammenfassung rückte die
Loslösung des Bekleidungsbeschaffungsamts und seinen Übergang
in ein Abhängigkeitsverhältnis von der Kriegsrohstoffabteilung
immer näher. Der Zeitpunkt für diesen Übertritt war gegeben,
als die übrigen Beschaffungen und Arbeiterangelegenheiten im Kriegsamt
mit dem Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt zusammengefaßt
wurden.
Notgedrungen vollzog sich hierbei aber auch wieder eine Teilung. Vom
Bekleidungsbeschaffungsamt wurde die Bekleidungsprüfungskommission
abgezweigt. Die Tätigkeit der Konstruktion oder Durchbildung von
Bekleidung und Ausrüstung, die das Bekleidungsbeschaffungsamt bis dahin
nebenamtlich ausübte, wurde selbständig und auf eigene
Füße gestellt. Die Einkaufstätigkeit hatte sich immer klarer
und schärfer herausgearbeitet und von allem Beiwerk befreit.
Auf dem Gebiet der Faserstoffe war im allgemeinen ganze Arbeit getan. Nicht das
Gleiche war der Fall auf dem Gebiet des wichtigen Stoffes Leder. Hier
beschafften die Kriegsbekleidungsämter das Leder für das
Schuhzeug und für Reithosenbesätze, das
Bekleidungsbeschaffungsamt das Leder in fertigen
Ausrüstungsstücken für den Mann, die
Artilleriewerkstätten, die Artillerie- und Traindepots das Leder zu
Geschirren und Reitzeugstücken. Daneben beschafften die Ersatzeskadrons
Leder zu Reitzeugstücken für die Kavallerietruppenteile.
Das Bestehen dieser vier großen Beschaffungsgruppen nebeneinander, die
bei ihrem gewaltigen Bedarf im Bezuge von Leder und Ledererzeugnissen
notgedrungen miteinander in Wettbewerb traten, hatte große Nachteile. Die
Anfertigung von Geschirr- und Reitzeugstücken, die zum Teil bereits in
den Artilleriewerkstätten erfolgte, hätte einheitlich und
vollständig in großen fabrikmäßigen Werkstätten
zusammengefaßt werden müssen. Dann wären die
Anfertigungsstellen, die Leder bezogen, in drei große Gruppen
(Bekleidungsämter für Schuhzeug, Bekleidungsbeschaffungsamt
für Ausrüstungsstücke des Mannes und Werkstätten
für Geschirre und Reitzeugausrüstungsstücke der Pferde)
geteilt gewesen, so daß nur noch übrig geblieben wäre, die
Versorgung dieser Anfertigungsstellen mit Leder und die Vergebung von
Ledererzeugnissen in einer Stelle zu vereinigen. Weshalb hiervon abgesehen
werden mußte, ist schon gesagt.
Der Bedarf an Ausrüstungsstücken für den Mann ging
außerdem nach Aufstellung der Neuformationen im Herbst und Dezember
1914 erheblich zurück. Das Angebot überstieg den Bedarf. An alle
im Kriegslederausrüstungsverband vereinigten Betriebe konnten keine
Aufträge mehr erteilt werden. Der Kriegslederausrüstungsverband
löste sich nach kurzem Bestehen wieder [167] auf. Das war
bedauerlich; denn sein Bestehen hätte die Entwicklung in dem angedeuteten
Sinne gefördert, wenn auch und weil die Errichtung und der Ausbau
staatlicher Sattlerbetriebe nicht eintrat.
Im Sattlergewerbe war die Anfertigung von Ausrüstungsstücken
für Mann und Pferd bereits vereinigt. Der Zusammenschluß dieser
Betriebe hätte sicherlich auch die Zusammenfassung der Vergebung
gefördert. Außerdem hätte gerade in der Verteilung von
Aufträgen, die hinter der Leistungsfähigkeit des Verbandes
zurückblieben, einer äußerst schwierigen Frage, wichtige
Erfahrungen gesammelt werden können. Deshalb trat die
Bekleidungsabteilung die Beschaffung der Reitzeugstücke für die
Kavallerie später an das Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt ab. Sie
konnte sich bei ihrer starken Überlastung nicht dazu entschließen, die
Leitung der Beschaffung von Geschirren und Reitzeugen auf sich zu nehmen. Die
Ausgabe der Proben, Beschreibungen und Abnahmevorschriften war ein zu
umfangreiches Arbeitsgebiet. Die Übernahme durch das
Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt war einfacher, weil dieses schon
Reitzeugstücke für andere Waffen beschaffte und die Einarbeitung
nur auf geringe Abweichungen einzelner Proben nötig war.
Trotzdem drängte die Entwicklung auch hier immer weiter auf eine
einheitliche militärische Großhandelsstelle für den
Ledereinkauf hin. Die Kriegsrohstoffabteilung richtete im letzten Kriegsjahre
Lederzuschneidestellen ein. Ähnlich wie die Zuschnitte an Webstoffen
für die Anfertigung von Bekleidung in den Kriegsbekleidungsämtern
hergestellt wurden, stanzten und schnitten diese Lederzuschneidestellen das Leder
für die Ausrüstungsstücke für Mann und Pferd und
wiesen sie dem Gewerbe zur Anfertigung zu. Damit wurde der Einkauf des
Sattlerleders einheitlich in die Hand der Zuschneidestellen gelegt. Die
Ansätze, den Ledereinkauf einheitlich auszugestalten, waren sichtbar. Bei
der Eigenart der Rohhaut konnte die Entwicklung nur langsamer vor sich gehen,
wie auf dem Gebiete der Faser- und Webstoffe.
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