Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 2: Die
Heeresversorgung
mit Bekleidung und Ausrüstung
(Forts.)
Generalmajor Erich v. Flotow, unter
Mitwirkung von Generalleutnant Hans v.
Feldmann
4. Durchbildung von Bekleidung und
Ausrüstung.
Ersatzstoffe und Ersatzstücke.
Um den Soldaten mit Bekleidung und Ausrüstung für seinen Dienst
zweckmäßig auszustatten, mußte für jedes einzelne
Stück die beste Form, der beste Stoff und die beste Machart festgesetzt
sein. Das Mittel, dessen sich die Heeresverwaltung bediente, um möglichst
gleichwertige Stücke bei den Lieferungen zu erhalten, war seit langen
Jahren die Ausgabe von Proben, Beschreibungen und Abnahmevorschriften. Der
gesteigerte Massenbedarf und die Abschnürung Deutschlands vom
Weltverkehr und den Rohstoffländern zwang zum sparsamsten Haushalten
mit Stoffen und Rohstoffen. Neue Proben, Beschreibungen und
Abnahmevorschriften folgten sich wiederholt und schnell
aufeinan- [168] der. Und doch war es
nicht immer möglich, sie so schnell auszugeben, wie die Lage es erforderte.
War plötzlich ein großer Mehrbedarf zu decken, wie zu Beginn des
Krieges, oder traten überraschend neue Bedürfnisse auf, wie die an
Gebirgsbekleidung, als Rumänien offen auf die Seite der Feinde trat, da
konnten den Kriegsbekleidungsämtern nur allgemein gehaltene
Anweisungen, was erreicht werden sollte, gegeben werden. Ihnen mußte in
der Ausführung solcher Richtlinien freie Hand gelassen und
überlassen werden, in den angedeuteten Grenzen das Richtige zu treffen.
Die Anfertigung von Proben und die Abfassung der Beschreibungen und
Abnahmevorschriften in ihrer Kleinarbeit hätten zu lange gedauert.
Indessen durfte dieser Zustand, die probelose Zeit, nicht zum Dauerzustand
werden, wenn nicht die Heeresverwaltung Gefahr laufen wollte, die
Führung im Bekleidungswesen und in der Rohstoffwirtschaft zu verlieren.
Der Zustand mußte stets so schnell wie möglich beseitigt werden.
Proben, Beschreibungen und Abnahmevorschriften, die der Rohstofflage
Rechnung trugen, mußten nachträglich bald ausgegeben werden. Die
Kriegsbekleidungsämter brauchten klare Anordnungen, um das Heer
einheitlich zu versorgen, und die Hersteller, um bei der Anfertigung einheitlich
nach der Rohstofflage verfahren zu können. Auch konnte nur auf diese
Weise ein ungesunder Wettbewerb in der Geschäftswelt hintangehalten
werden. Denn es hätten sich immer unlautere Verkäufer gefunden,
die um des mühelosen Verdienstes willen Freiheiten der Richtlinien
selbstsüchtig zu ihrem Vorteil ausnutzten. Damit hätte das Heer dann
wieder nicht die nach der Lage beste und kriegsbrauchbare Ware erhalten, die es
brauchte.
Es kann hier nicht auf die unzähligen Proben usw., die im Kriege
ausgegeben wurden, und auf die Gründe, die sie veranlaßten, im
einzelnen eingegangen werden. Es muß genügen, ein allgemeines
Bild dieser Wandlungen zu geben.
Die Breite des Militärtuches von 142 cm erforderte Webstühle, die
über 2 m breit waren, da das Tuch beim Walken erheblich an Breite
einbüßt. Die Webstühle besaßen aber nicht alle diese
Breite. Es mußten daher auch Tuche in geringerer Breite zugelassen werden,
um die Leistungsfähigkeit aller Webereien nutzbar zu machen. Die
Beschreibungen und Abnahmevorschriften wurden hiernach erweitert. Dies gab
einen bedeutenden Zuwachs, der aber nicht ausreichte, den Bedarf auf die Dauer
zu decken. - Der nächste Schritt war eine Mischung der
verschiedenen Wollsorten bei der Herstellung des Garnes und Gewebes, aus der
sich wieder ein einheitliches Tuch ergab. Als die Wollbestände sich
erschöpften, mußte auf ihre Streckung durch Zusatz von Kunstwolle
Bedacht genommen werden. Kunstwolle ist nicht etwa eine Nachahmung von
Wolle, sondern Wolle, die aus unbrauchbaren Kleidungsstücken und aus
Lumpen wieder gewonnen wird. Die Lumpen werden gerissen und zerfasert und
die daraus gewonnenen Wollhaare wieder versponnen. Wenn auch die
Kunst- [169] wolle nicht den hohen
Wert der Rohwolle hatte, so ließen sich aus ihr doch haltbare und
brauchbare Stoffe herstellen. Durch Zusatz von Kunstwolle zur Wolle, zuerst in
kleineren, später in größeren Mengen wurde die rohe Wolle
immer mehr gestreckt; zuletzt bestanden die Militärtuche aus
30 v. H. roher Wolle und 70 v. H. Kunstwolle.
Die Zwangswirtschaft erleichterte technische Verbesserungen, die im Frieden auf
größere Schwierigkeiten gestoßen wären. Das Zwirnen
der Garne konnte von den Streichgarnwebereien im Frieden noch nicht gefordert
werden, weil viele von ihnen keine Zwirnereien besaßen, sich die
Maschinen erst hätten beschaffen müssen und staatliche Beihilfen
dazu, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, beansprucht hätten. In der
Zwangswirtschaft war es aber möglich, auch den Streichgarnwebereien
gezwirnte Garne zu überweisen, so daß es zur Einführung des
sogenannten Kriegszwirntuches kam. Das Zwirnen gab dem Webefaden eine
größere Haltbarkeit. Dadurch wurde der geringere Wert der
Kunstwolle ausgeglichen. In ähnlicher Weise, wie für Tuche
geschildert, wurde bei den übrigen Stoffen verfahren.
Von großer Bedeutung wurde die Spinnerei und Weberei von Papiergarnen,
die aus Fichten- und Tannen-, seltener aus Kiefernholz hergestellt wurden. Mit
Ätznatron aufgeschlossene Holzfasern, "der Zellstoff", ergaben ein
hochbewertetes, zähes und weiches Spinnpapier; mit schwefliger
Säure aufgeschlossener Zellstoff lieferte dagegen ein weniger weiches,
zähes und im Preise niedriger stehendes Spinnpapier. Man unterschied
Papierrund-, Zellulon-, Textilose-, Textilit- und Depagarn, sowie Depazwirn.
Papierrund und Zellulongarne bestanden aus reinem Holzzellstoff ohne
Beimischung von Baumwolle oder Flachs. Papierrundgarne wurden aus schmalen
Spinnpapierstreifen zu einem festen runden Faden zusammengedreht,
Zellulongarne unmittelbar aus dem Zellstoffbrei zu einem fadenartigen Gebilde
zusammengerollt.
Textilosegarne wurden dagegen aus Streifen von Spinnpapier, auf denen ein
Baumwollfaserflor aufgetragen und mit Klebstoff befestigt wurde, hergestellt.
Textilit- und Depagarne entstanden dadurch, daß in den Papierstreifen des
Papierrundgarnes ein Vorgarnfaden aus Flachsfaser oder ein fertiger Flachsfaden
eingedreht wurde. Depazwirn erhielt man durch Zusammenzwirnen eines fertigen
Papierfadens mit einem fertigen Flachsfaden.
Textilosegarne mit der rauhen faserigen Oberfläche ließen sich leicht
wasserdicht machen. Textilitgarne, die fester als
Papierrund-, Zellulon- und Textilosegarne waren, eigneten sich zu stark
beanspruchten Geweben, wie Segeltuchen. Gewebe aus Depagarn und Depazwirn
ließen sich wegen ihrer noch größeren Haltbarkeit selbst zu
Oberbekleidungsstücken verarbeiten.
Unterkleider aus Papiergarnen waren weniger brauchbar. Sie drückten, wo
sie Falten bildeten und scheuerten leicht wund; sie saugten Feuchtigkeit,
Schweiß und Regen, gierig auf, trockneten aber schwer. Naß
geworden litt [170] der Träger daher
infolge der Verdunstungskälte unter einem Kältegefühl. Das
Waschen solcher Kleider war nicht einfach. Sie widerstanden Seife und Soda
zwar verhältnismäßig lange, vertrugen aber in nassem
Zustande kein Reiben und Bürsten.
Aus Papiergarnen wurden viele Gurte und Bänder hergestellt. Geflochtene
Bänder wurden für Wäschestücke des
Kasernen- und Lazaretthaushalts und auch für Bekleidungszwecke
verwendet; gewebte Bänder wurden für
Stiefel- und Schnürschuhstrippen, für Hosenträger,
Wickelgamaschen und Eckenband eingeführt.
Ein großer Nachteil aller Webwaren aus Papiergarnen war, daß sie
sich schlecht nähen ließen. Traf die Nadel einen Papierfaden, so
zerstach sie ihn. Zum Nähen waren deshalb weite Stiche und dünne
Nadeln erforderlich.
Papiernähgarne konnten nur zum Heften und bei der
Strohsacknäherei verwendet werden.
In welchem Umfange an Webstoffen gespart werden mußte, wird
erkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Jahre 1913
Deutschland 193 905 t Wolle, 486 171 t Baumwolle
und 54 096 t Flachs für sich verbrauchte, aber nur
11 600 t Wolle, keine Baumwolle und nur 3 580 t
Flachs selbst erzeugte.
Seinen Lederbedarf mußte Deutschland zu 75 v. H. aus dem Ausland
decken; nur 25 v. H. bezog es aus dem Inland. Für Leder war
die Ausgabe von Proben nicht am Platze. Die tierische Haut gehört zu den
allereigenartigsten Naturerzeugnissen, die es gibt. Während aus den
einzelnen Wollhaaren des Schafes das Garn und daraus wieder der Stoff, also ein
völlig neues Gebilde, geschaffen wird, gibt die Rohhaut den Rohstoff im
ganzen Stück her, der durch die Gerbung in Leder verwandelt wird. Bei der
Verschiedenheit der Häute unter sich und der verschiedenen Beschaffenheit
der einzelnen Teile jeder Haut läßt sich ein einheitliches Musterbild
für Leder nicht festlegen. Abgesehen von Veränderungen im
Gefüge, die durch die Unterernährung des Viehs bedingt wurden, trat
eine Veränderung des Rohstoffs und damit auch des Leders in seiner
natürlichen Beschaffenheit nicht ein. Es wurden nur Änderungen in
den Vorschriften über die Gerbart und die Verwendung von Gerbmitteln
nötig. Bei Gerbung mit Eichenlohe betrug die Mindestgerbdauer für
Fahlleder je nach Stärke 4 bis 6, für Brandsohlleder
6 - 9 und für Sohlleder
15 - 18 Monate. Der Massenbedarf forderte Abkürzung der
Gerbdauer. Auch die Eichenschälwaldungen konnten den Bedarf an
Eichenrinde nicht decken. Gemischte Gerbverfahren, die in kürzerer Zeit
ein brauchbares Leder lieferten, wurden ausgenutzt, Chromgerbung wurde
zugelassen, die Herstellung von Anhydatleder gefördert.
Als die Mengen an Rohhäuten immer kleiner wurden, machte die
Ersatzfrage starkes Kopfzerbrechen. Mit Kunstleder und Ledertuch war nicht
geholfen; denn es war für Schuhzeug nicht geeignet. Es konnte nur
für Waren verwendet [171] werden, an die nicht
solche Ansprüche, wie an die Fußbekleidung, gestellt werden, die den
Einwirkungen jeder Bodenart, holprigen und durchfurchten Wegen, sandiger und
harter, staubiger und nasser Landstraße, Stoppelfeldern, Sturzacker und
Steingeröll widerstehen sollte. Im übrigen besteht Ledertuch aus
Baumwolle, die durch eine Deckenschicht ein lederartiges Aussehen erhält.
An Baumwolle bestand aber ebenfalls schon lange Mangel. Hier konnte nur
dadurch geholfen werden, daß der Verbrauch an Leder für andere
Zwecke, für die Ausrüstung von Mann und Pferd,
eingeschränkt wurde. Trotzdem wurde aber auch am Leder für das
Schuhzeug gespart. Das Besatzungsheer mußte mit geflicktem Schuhzeug
auskommen. Die Bekleidungs-Instandsetzungsämter wurden angehalten,
bei garnisonbrauchbarem Schuhzeug mehr als bisher Riester und Sohlenflecke
anzuwenden und neue ganze Sohlen dabei zu sparen, um bei feldbrauchbarem
Schuhzeug damit nicht in Verlegenheit zu geraten. Später wurden zum
Besohlen garnisonbrauchbaren Schuhzeugs keine Sohlen aus neuem Leder mehr
verwendet, sondern Ersatzsohlen, die aus kleinen Lederteilchen in mehreren
Lagen übereinander zusammengesetzt waren. Die Kriegsgefangenen
erhielten, soweit angängig, Holzschuhe. Weiter wurden Versuche mit
starkem Papiergarnstoff als Ersatz für Oberleder angestellt und dieser
schließlich für das Schuhzeug der Kriegsgefangenen vorgeschrieben.
Für solche Kriegsgefangenen, die in der Landwirtschaft Verwendung
fanden, war jedoch Schuhzeug aus Papiergarnstoff nicht zu brauchen.
Für Baumwoll- und Leinenzeuge waren Papiergarn- und andere
Ersatzfaserstoffe schon längere Zeit als Ersatz versucht und verwendet
worden. Für Tornister wurde Papiergarnstoff an Stelle von Segeltuch
verwendet; Arbeits- und Schutzanzüge wurden aus Papiergarnstoff
gefertigt; es waren sogar Versuche mit Hemden und Unterhosen im Gange, bei
denen der aus Holz gewonnene Zellstoff Verwendung fand.
Die militärischen Stellen wurden in all diesen Fragen von der Industrie auf
das vortrefflichste unterstützt. Was die Industrie dabei geleistet hat, das
wurde viel zu wenig gewürdigt. Allgemein war nur die Klage über
die Minderwertigkeit der Ersatzstoffe, und doch waren aus wenig wertvollen
Rohstoffen hochwertige Erzeugnisse geschaffen worden.
Neben den Änderungen, die die Verschlechterung der Rohstofflage
bewirkte, trat, wie schon erwähnt, wiederholt das Bedürfnis nach
neuen Stücken auf: Gebirgsausstattung, Tropenausstattung,
Schneebekleidung usw. Alle diese Stücke erforderten die Ausgabe
von Proben, Beschreibungen und Abnahmevorschriften, die es vorher nicht gab.
Es war eine Unsumme von aufreibender Kleinarbeit. Die Festsetzung aller dieser
Einzelheiten gehörte im Frieden zu den Obliegenheiten der
Bekleidungsabteilung, der für technische Vorarbeiten und Einzelheiten nur
das Bekleidungsamt des Gardekorps zur Verfügung stand. Die Bearbeitung
beanspruchte aber im Kriege und infolge [172] des Massenbedarfs so
viel Zeit und Kräfte, daß die Bekleidungsabteilung und das
Bekleidungsamt des Gardekorps sie allein nicht mehr bewältigen konnten.
Die Bekleidungsabteilung hätte sich zu sehr mit Einzelheiten abgeben
müssen und den Überblick über die ihr obliegenden
größeren Aufgaben verloren. Das Bekleidungsamt des Gardekorps
konnte nur Fragen der Herstellung aus Halbware zum fertigen Stück, nicht
aber Fragen der Herstellung von Halbware und besonders nicht solche bearbeiten,
die auf die Rohstoffwirtschaft von Einfluß waren, da ihm die Unterlagen
hierzu fehlten. Die Ermittelung der notwendigen Änderungen unter
Berücksichtigung der Rohstofflage und die Vorschläge
darüber wurden daher dem Bekleidungsbeschaffungsamt übertragen,
während der Bekleidungsabteilung die Nachprüfung der
Vorschläge und die Anbahnung neuer Wege, dem Kriegsministerium aber
die Entscheidung verblieb. Die Vereinigung der Aufgaben der Durchbildung mit
denen der Beschaffung vertrug sich im Bekleidungswesen ganz gut, weil die
Beschaffungsmöglichkeit einen guten Überblick über die
Rohstofflage bot und die Durchbildungsbehörde ein zutreffendes Bild
über die Grenzen gewann, die der Durchbildung gezogen waren.
Als aber die Beschaffungen und Arbeiterangelegenheiten im Kriegsamt
zusammengefaßt wurden und das Bekleidungsbeschaffungsamt unter die
Kriegsrohstoffabteilung trat, mußte die Durchbildungsbehörde von
ihm abgezweigt werden. Die Durchbildung gehörte zum
Geschäftsbereich des Armeeverwaltungsdepartements, das den
bestimmenden Einfluß auf die Gestaltung kriegsbrauchbarer Bekleidung
und Ausrüstung behalten mußte. Die neue
Durchbildungsbehörde erhielt die Bezeichnung
"Bekleidungsprüfungskommission". Ihr gehörten außer
Offizieren auch Beamte von Fachschulen an. Nicht in gänzlicher
Abgeschlossenheit konnte der Offizier die ihm zufallende Aufgabe lösen,
aber ebensowenig konnte dies der Beamte der Fachschule allein. Letzten Endes
gaben nicht gewerbliche Fachkenntnisse, sondern militärische den
Ausschlag. Denn es handelte sich bei der Entscheidung nicht um die Frage, ob der
Ersatz überhaupt möglich, sondern ob er kriegsbrauchbar war. Wie
weit in der Ersatzfrage gegangen werden konnte, welche Verbesserungen beim
Nachgeben nach einer Richtung in anderer Beziehung gefordert werden
mußten, das konnte nur der Soldat, nur der Offizier entscheiden. Ein
gedeihliches Zusammenwirken von militärischem und gewerblichem
Fachmann war aber nur dann möglich, wenn auch der Offizier bis zu einem
gewissen Grade gewerbliche Fachkenntnis besaß. In dieser
Zusammensetzung leisteten Bekleidungsbeschaffungsamt und
Bekleidungsprüfungskommission Vortreffliches. Sie hat sich ausgezeichnet
bewährt.
Mit der Festsetzung von Proben für Bekleidungsstücke und der
Durchbildung von Bekleidung befaßten sich neben dem
Armeeverwaltungsdepartement (Bekleidungsabteilung) einschließlich
Bekleidungsbeschaffungsamt und [173]
Bekleidungsprüfungskommission noch andere Dienststellen, z. B.
die Fürsorgeabteilung mit Proben von Bekleidungsstücken für
Militärgefangene, die beiden Verpflegungsabteilungen mit Proben von
Bekleidungsstücken für Bäcker und Schlächter bei
Garnison- und Feldbäckereien,
Garnison- und Feldschlächtereien, die
Eisenbahn-, Verkehrs-, Flieger- und Luftfahrabteilung mit Proben von
Sonderbekleidungsstücken ihrer technischen Truppen, das
Sanitätsdepartement mit Proben von
Flecktyphusanzügen usw.
Die Ursache dieser Zersplitterung lag darin, daß Bekleidungsstücke
für Militärgefangene, Bäcker usw. im Frieden nicht aus
dem Haushaltskapitel Bekleidung, sondern aus anderen Haushaltskapiteln,
z. B. für das Militärgefängniswesen, für
Militärbäcker und -schlächter, für Ausbildung im
Feldpionierdienst, für den Lazaretthaushalt usw. bestritten wurden.
Im allgemeinen hielten sich diese Dienststellen an bestehende Proben, die vom
Armeeverwaltungsdepartement ausgegeben waren, oder sie beteiligten die
Bekleidungsabteilung bei der Durchbildung und Festsetzung neuer Proben. Bei
der Schnelligkeit, mit der im Kriege neue Proben oft nötig wurden, waren
aber auch solche Muster ausgegeben worden, die unnötige Abweichungen
enthielten. Im Drange der Geschäfte wurde eine nachträgliche
Regelung leicht übersehen. Dadurch wurde aber oft in empfindlicher Weise
in die Rohstoffwirtschaft eingegriffen. Man hielt an hochwertigen Stoffen fest, wo
nach der Rohstofflage an ihnen hätte gespart werden müssen und ihr
Zweck dies auch zuließ. Ein Teil dieser Sonderbekleidungsstücke
konnte fortfallen, wenn andere bereits festgelegte Bekleidungsstücke
denselben Zweck erfüllten; ein Teil konnte vereinfacht werden. Soweit das
Armeeverwaltungsdepartement von abweichenden Festsetzungen erfuhr, wirkte es
auf Beseitigung, auf Einheitlichkeit, auf Vereinfachung, auf Sparsamkeit mit Geld
und Rohstoffen hin.
Der Stahlhelm.
Die im Kriege sich dauernd ändernden Kampfformen und Kampfmittel
führten zur Einführung eines Ausrüstungsstücks
völlig neuer Art, dessen Herstellung in der für den Krieg
gebrauchsfähigen Art nur durch die hochentwickelte Technik, hier des
veredelten Stahls, möglich wurde. Wohl war Frankreich schon vor dem
Kriege in Versuche mit einem Metallhelm, der gegen Geschoßwirkungen
schützen sollte, eingetreten. Die preußische Heeresverwaltung hatte
diese Frage aber nicht aufgegriffen, weil ein wirklich Schutz bietender Helm ihr
zu schwer erschien und weil im Frieden keine Erfahrungen dafür vorlagen,
wieweit oder wogegen ein solcher Helm schützen sollte. Von Bedeutung
war daher eine Anregung des Marinegeneralarztes, Geh. Medizinalrats und
Professors Dr. Bier vom August 1915. In seiner Stellung als beratender
Chirurg beim XVIII. Armeekorps hatte er sich ein Urteil über das
Vorkommen der Gehirnverletzungen und ihre verschiedenen Ursachen gebildet.
Nach seinen [174] Erfahrungen traten im
Stellungskriege und dem damit verbundenen vorwiegenden Artilleriekampf
Verletzungen durch Kleingewehrgeschosse und Schrapnellkugeln in den
Hintergrund. Auch hätte gegen sie der Schutzhelm so stark gemacht werden
müssen, daß er zu schwer wurde. Es war vielmehr die
verhältnismäßig hohe Zahl der durch Granatsplitter
verursachten Gehirnverletzungen aufgefallen,
die - häufig sehr schwerer Art - durch bemerkenswert kleine
Granatsplitter veranlaßt waren. Dabei stand die Kleinheit dieser Splitter im
Mißverhältnis zu ihrer Durchschlagskraft. Etwa 80 v. H.
der in Lazaretten behandelten Kopfverletzungen rührten von ganz kleinen
Granatsplittern, nur etwa 20 v. H. von Gewehrgeschossen und
anderen her. Die Heilung der Verletzungen gerade durch kleine Splitter war
schwierig und zweifelhaft. Geheimrat Bier hielt einen Schutz gegen so
häufige und schreckliche Verletzungen für höchst
bedeutungsvoll und fügte hinzu, daß sich ein Hauptmann der
Landwehr, Professor Schwerd, dahin geäußert habe, daß ein
genügend starker und leichter Schutzhelm gegen Granatsplitter leicht zu
beschaffen sei. Auch sei nach Ansicht des Professors Schwerd ein so zähes
Metallmaterial zu finden, daß durchschlagende Gewehrgeschosse keine
wesentlichen Metallteile des Helms als mittelbare Geschosse mit in den
Schädel rissen.
Die zu lösende Aufgabe war hierdurch klar umschrieben. Also kein Schutz
gegen die Geschosse selbst oder gegen größere Geschoßsplitter,
sondern nur gegen kleinere und kleinste Splitter und deren mächtige
Durchschlagskraft. Der Schwerpunkt lag mithin mehr in der Zähigkeit des
zu verwendenden Metalls, als in dessen Stärke.
Die Bekleidungsabteilung setzte sich sofort mit Professor Schwerd in Verbindung,
der den Geheimrat Dr. Bier durch Einrichtung des Operationssaales
für Gehirnverletzungen unterstützt, dabei die Art der Verletzungen
kennen gelernt und den Gedanken eines dagegen schützenden Helms
gefaßt hatte. Professor Schwerd, der Erfinder des Stahlhelms,
übernahm nunmehr auch die weitere Bearbeitung der Angelegenheit in der
Bekleidungsabteilung des Kriegsministeriums.
Für die Form des Schutzhelms waren folgende Gesichtspunkte
maßgebend. Der Schädel mußte von allen Seiten bis in den
Nacken und von dort herum bis zur Nasenspitze geschützt werden. Es
waren Vorder-, Seiten- und Hinterschirm erforderlich. Der Träger durfte
beim Vorstürmen im Sehen nicht behindert werden und mußte auch
beim Hinlegen sofort schießen können. Der Vorderschirm
mußte hochgebogen werden. Der Gesichts- und Schläfenschutz durfte
die Verwendung des Gewehrs nicht beeinträchtigen, der Nackenschutz
mußte vom Hinterkopf abstehen. Professor Schwerd verwarf den sonst
naheliegenden Gedanken eines hochschlagbaren Visiers, weil die
Augenlöcher hätten zu groß werden müssen und der
Gesichtsschutz sich auch durch einen entsprechend durchgebildeten festen
Stirnschirm erreichen ließ.
[175] Das Stahlblech durfte
auf dem Schädel nicht unmittelbar aufliegen, damit Beulen, die
Granatsplitter oder Schrapnellkugeln in den Helm drückten, ohne ihn zu
durchlöchern, den Schädel nicht zertrümmerten. Wegen der
Erschütterung, der der Kopf des Trägers bei Abwehr eines
Sprengstücks ausgesetzt war, mußte auf eine federnde Helmeinlage
Bedacht genommen werden. Als Polstermittel wurde Filz verworfen, weil seine
Federkraft schon nach 24stündiger Belastung fast völlig
verlorenging, andere Füllmittel (Holzwolle, Schweinsborsten, Seegras,
Indiafaser usw.), weil sie nur wenig besser waren oder
Beschaffungsschwierigkeiten machten. Am besten in der Federkraft
(Elastizität) erwies sich Roßhaar.
Bei der ungleichen und oft nicht ebenmäßigen Form des
menschlichen Schädels mußte für einen dennoch
einwandfreien, festen und trotzdem angenehmen Sitz des Helms gesorgt werden.
Dieser Forderung entsprach eine Abstützung auf den drei stärksten
Schädelknochen, den Stirn- und beiden Hinterhauptknochen. Wo diese
lagen, wurden drei Roßhaarkissen angebracht, die an einem im Innern des
Helms umlaufenden Tragering aus Leder aufgehängt wurden. Zwischen den
drei Kissen blieben drei Lücken frei, die zusammen mit zwei seitlichen
Durchbohrungen des Helms und der Aufhängebolzen für den
Stirnschild eine stärkere Durchlüftung schufen wie beim
Lederhelm.
Den festen Sitz bewirkte der Kinnriemen, der aus Sparsamkeitsrücksichten
vom Lederhelm übernommen wurde. Er wurde jedoch nicht am Helmkopf,
sondern am Seitenschirm befestigt, um zu vermeiden, daß Einbeulungen die
Befestigungsteile in den Schädel drängten.
Der Anstrich mußte unauffällig sein. Ein mattes Feldgrau war
gegeben.
Das geeignetste Material war ein Chromnickelstahl, für dessen
Zusammensetzung den Stahlwerken ein bestimmter Anhalt gegeben wurde. Wenn
der Helm dauernd, d. h. als Ersatz des Lederhelms, getragen werden sollte,
mußte mit der Stärke der Stahlbleche und mit der schützenden
Oberfläche auf ein Mindestmaß heruntergegangen werden. Mehr als
1000 g durfte der Stahlschutzhelm nicht wiegen.
Einen gegen Infanteriegeschosse sicheren Schutz konnte bei der geringen
Stärke der Kopfwand der Helm allein nicht gewähren. Hierzu war ein
aufsetzbarer Stirnschild mit einer Wandstärke von
5 - 6 mm erforderlich. Dies ergab jedoch bereits ein Gewicht
des Stirnschildes von 2000 g. Wegen des Übergewichts, das er dem
Helm nach vorn gab, und wegen der erhöhten Kopfbelastung im ganzen
konnte er nur kurze Zeit getragen werden. An Stirnschilden wurden etwa
10 - 20 v. H. der Helme vorgesehen.
Professor Schwerd setzte sich nun zwecks Festlegung des geeigneten Materials,
der Gestalt des Helms und des Fertigungsganges mit verschiedenen Firmen in
Verbindung. Die Siemenswerke (Direktor Jungheim) und das
Eisenhüttenwerk Thale (Direktor Brennecke) trugen zur Lösung
dieser Fragen in [176] hervorragender Weise
bei. In Thale wurde der erste Stahlhelm hergestellt und auch andere Firmen in
bereitwilligster Weise in der Herstellung unterwiesen.
Die Durchbildung des den gestellten medizinischen, militärischen und
technischen Anforderungen entsprechenden Stahlschutzhelms mit ihren
vielseitigen Vorarbeiten und die Fertigung von Versuchsmustern war dank der
rastlosen Mitwirkung aller hinzugezogenen Stellen in der unglaublich kurzen Zeit
von zwei Monaten so weit gefördert worden, daß am 20. November
1915 bereits 400 Helme einem Beschußversuche unterzogen werden
konnten. Das Ergebnis, das in verschiedener Hinsicht eingehend und
sorgfältig begutachtet wurde, entsprach den Erwartungen. Generalarzt
Professor Dr. Bier hielt die Probe, der der Helm beim Beschuß
unterworfen worden war, für sehr scharf und war überzeugt,
daß der fertiggestellte Helm gegen die beobachteten
Schußverletzungen unbedingt gut sei. Die Aufgabe der Durchbildung
konnte als gelöst angesehen werden.
Mit der Herstellung in größeren Mengen, auf die die zunächst
in Frage kommenden Werke sich inzwischen hatten vorbereiten können,
konnte begonnen werden, nachdem mit Vertretern dieser Werke das Verfahren der
Herstellung noch einmal in Thale bei Vorführungen in allen seinen
Einzelheiten besprochen worden war. Anfang 1916 gingen die ersten
30 000 Stahlschutzhelme an die Westfront. Es war das gleichzeitig der
erste Trageversuch, in dem festzustellen war, wie sich die Helme im Gefecht
bewährten.
Bei den Armee-Oberkommandos, denen die Helme zum Trageversuch
überwiesen wurden, fanden Vorträge statt, in denen Aufgabe und
Zweck der Helme auseinandergesetzt wurden. Das war nötig, um
übertriebenen Erwartungen von vornherein vorzubeugen. Trotzdem wurden
die Helme von der Truppe verschieden aufgenommen. Die Urteile schwankten
zwischen sehr günstigen, und völlig ablehnenden. Die
Bemängelungen waren zum Teil unbegründet; es war doch nicht
überall erfaßt worden, was der Helm leisten sollte. Auch
Nebenumstände wurden zur Ablehnung herangezogen. Der Helm
drücke unerträglich, der Nackenschutz sei zu lang und störe
beim Schießen, der Helm sei wegen seines Gewichts als Marschhelm nicht
geeignet. Druck trat aber nur ein, wenn der Träger eine zu kleine Nummer,
die seiner Kopfgröße nicht entsprach, erhalten hatte oder die Polster
zu voll gestopft waren. Die Auswahl der richtigen Größe war Sache
des Verpassens und lag der Truppe ob. Die Polster federnd (elastisch) zu erhalten,
war eine Neuheit, die gelernt sein wollte. Die Polster mußten von Zeit zu
Zeit geöffnet und das Roßhaar darin passend verteilt werden. Aus zu
vollen Polstern mußte etwas Roßhaar entfernt werden.
Der Nackenschutz war wichtig, weil die Granaten auch nach
rückwärts wirkten und der Schutz des Kleingehirns nicht
vernachlässigt werden durfte. Mit der Verkürzung des
Nackenschirms wäre der Wert des Schutzhelms ganz [177] bedeutend
herabgemindert worden. Die Truppe mußte daher auf den richtigen Sitz des
Gepäcks besonders achten. Mit dem Hinterschirm des Lederhelms hatte
sich die Truppe auch abgefunden.
Das größere Gewicht gegenüber dem Lederhelm wurde durch
die gute Polsterung und die vorzügliche Lüftung ausgeglichen.
Allerdings hatte in dem Gewicht etwas über 1000 g hinausgegangen
werden müssen, um einen ausreichenden Schutz zu erzielen. Der Helm mit
Innenausstattung, Kinnriemen, aber ohne Stirnschild, wog je nach
Größe 950 - 1300 g, die am meisten
vorkommenden mittleren Größen
1200 - 1250 g, während der Lederhelm nur etwa
400 g und der Metallhelm der Kürassiere etwa 1000 g
gewogen hatte. Aus Berichten ging aber hervor, daß eine Reihe von
Truppen im Felde den Helm auf kleineren und größeren
Märschen ohne Beschwerden getragen hatte, obwohl die notwendige
Gewöhnung und Anpassung der Halsmuskeln an das erhöhte
Gewicht noch nicht einmal vorhanden war. Früher (1870/71) hatten die
Truppen einen annähernd gleich schweren, aber erheblich schlechter
gelüfteten und ungepolsterten Helm auch ohne Beschwerden getragen. Nie
hatten Kürassiere, Jäger zu Pferde oder Stabsordonnanzen
über das Gewicht ihres Metallhelms geklagt. Ebensowenig war von den
Truppen, die einen Busch oder Paradeadler (Garde du Corps) getragen
hatten, wegen des Gewichts dieser Stücke deren Abschaffung beantragt
worden. Es war daher zu hoffen, daß die Truppen das Mehrgewicht des
Stahlschutzhelms gern in den Kauf nehmen würden, wenn sie den Schutz,
den der Helm ihnen gewährte, erst voll und richtig erkannt
hätten.
Andrerseits waren die anerkennenden Urteile so zahlreich, daß von
Änderungen abgesehen werden konnte; vielmehr wurde die vermehrte
Ausstattung der Truppen betrieben, damit sie ihn kennenlernten und nach
Trageversuchen in größerem Umfange weitere Urteile eingingen. Im
April 1916 wurde die Beschaffung von 1,2 Millionen Stahlhelmen
angeordnet.
Wenn dieselben Bemängelungen nach der ersten Ausstattung von
Truppenteilen auch immer wiederkehrten, so änderten die Truppen doch
nach längerem Gebrauch meist früher abgegebene Urteile. Die
Erfahrungen vor Verdun und an der Somme lehrten, daß schwächere
Geschosse am Stahlhelm wirkungslos abprallten. Mit großer Wucht
auftreffende wurden häufig aus ihrer Richtung so abgelenkt, daß sie
keine oder nur geringe Verletzungen hervorriefen, oder sie durchschlugen den
Helm, hatten dann aber keine Kraft mehr, den Schädel zu
zertrümmern, und verletzten nur die Kopfhaut. Zum Teil waren die
Geschoß- und Helmsplitter in der Kopfhaut unmittelbar unter der
durchschlagenen Stelle des Helms gefunden worden und hatten sich leicht
entfernen lassen. Der Stahlhelm hemmte auch ohne Stirnschild
Infanteriegeschosse in ihrer Wucht und lenkte nicht senkrecht auftreffende so aus
der Richtung ab, daß die Verletzungen weniger schwer waren.
[178] Der Stahlhelm wurde
unentbehrlich; er übte eine segensreiche Wirkung aus. Er schützte
manchen Kämpfer vor Verwundung und bewahrte manchen vor
tödlicher Verletzung. In der Truppe setzte sich die Gewißheit durch,
daß der Stahlhelm, wenn auch nicht unbedingt, so doch in vielen
Fällen vor tödlicher Verwundung schützte. Das Gefühl
der Sicherheit für den Träger übte eine große seelische
Wirkung aus.
Nur die Aufgabe der Stirnschilde wurde noch vielfach verkannt. Ihr Wert wurde
überschätzt. Man wünschte oft eine reichlichere Ausstattung.
Der Stirnschild konnte infolge seines großen Gewichts und der einseitigen
Belastung des Kopfes zweifellos nur kurze Zeit getragen werden. Er war nur
für Beobachter und zum Kampfe im Schützengraben bestimmt. Es
fragte sich daher nur, wie stark er sein mußte, um im
Schützengrabenkrieg auch gegen Stahlmantelgeschosse zu schützen,
und auf welche Weise er dem mit seinem Kopf aus der Deckung
hervortauchenden Schützen zur Hand sein sollte. Entscheidend war hier die
Austauschbarkeit. Da jeder Stirnschild auf jeden Helm, ob klein oder groß,
paßte, so genügte es, den Schützengraben mit einer Anzahl
solcher Stirnschilde auszustatten und es den Truppen zu überlassen, ob und
wie sie ihn beim Vorgehen aus dem Schützengraben mitnehmen wollten.
Der Stirnschild kam also nicht als Ausrüstungsstück des Mannes in
Betracht. Er war ein Nahkampfmittel und gehörte zur Ausstattung des
Schützengrabens. Wie bei Ablösungen usw. zu verfahren war,
wie Ordnung und Aufsicht darüber zu sichern waren, das zu regeln, war
Sache der Truppe.
In späterer Zeit machte sich eine Abneigung gegen den Stirnschild
bemerkbar. Er wurde weniger benutzt. Darin lag eine Anerkennung der Tatsache,
daß senkrecht auftreffende Gewehrgeschosse
verhältnismäßig selten waren. Die Anfertigung der Stirnschilde
wurde Anfang 1918 eingestellt und das hochwertige Material für andere
wichtigere Zwecke erspart.
Bereits im Juli 1916 wurde die zweite Million Stahlhelme in Auftrag gegeben und
im Oktober 1916 die Beschaffung von vorläufig insgesamt 5 Millionen
einschließlich der bisherigen Bestellungen festgesetzt.
Um die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Werke (Stahlwerke,
Walzwerke, Ziehwerke) auszunutzen, wurde folgendes Beschaffungsverfahren
gewählt. Stahlwerke lieferten den hochwertigen Stahl, der durch ein
Abnahmekommando geprüft und dann in Walzwerken zu Blechen
ausgewalzt wurde; die fertig beschnittenen Bleche gingen an verschiedene
Ziehwerke; dort wurden aus ihnen die Helme kalt gezogen, geschnitten,
gebörtelt, gelocht, vergütet, d. h. wieder gehärtet und im
Stäubverfahren feldgrau gestrichen. Hierauf wurde jeder Helm durch eine
Fallhammerprobe auf die Zähigkeit des Materials geprüft und aus
Losen von 101 Stück je ein Helm einer Beschußprobe durch ein
Abnahmekommando unterzogen. Getrennt hiervon wurden die Beschlagteile an
Werke, die auf Massenherstellung kleinerer Metallgegenstände
ein- [179] gerichtet waren, und
die ledernen Innenausstattungen an das
Sattler- usw. Gewerbe vergeben. Diese lieferten sie an die Ziehwerke, die
die Helme damit ausstatteten. Zum Schluß prüften die
Abnahmekommandos jeden einzelnen Helm in seiner äußeren
Beschaffenheit auf Abmessungen, Gewicht, Lackierung usw.
Bei der Preisfestsetzung wurde davon ausgegangen, daß mit der
zunehmenden Höhe des Auftrags eine Ermäßigung der
allgemeinen Unkosten und Abschreibungen auf die erste
verhältnismäßig teure Einrichtung eintrat. Die ersten Helme
kosteten das Stück etwa 20 Mark, spätere trotz der wesentlich
gestiegenen Materialpreise und Löhne nur etwa 16 Mark.
Um Einzelerfahrungen, besonders in wärmerer Jahreszeit, zu sammeln,
wurden auch Ersatzbataillone in Berlin mit einer Anzahl von Stahlhelmen
ausgestattet. Hierzu wurden, um dem Feldheere keine Stahlhelme zu entziehen,
Ausschußhelme verwendet. Eine weitere Ausstattung der Heimat mit
Übungshelmen war jedoch nicht angängig. Die Ausstattung des
Feldheeres wäre sonst geschädigt worden. Unbrauchbare und
Ausschußhelme wurden nämlich wieder eingeschmolzen und zur
Anfertigung neuer verwendet. Auch wurde alles verfügbare Leder für
die Innenausstattungen der Helme gebraucht, so daß die Anfertigung von
Übungshelmen nicht möglich war. Es war ferner bedenklich, mehr
Ausschußhelme als unbedingt nötig auszugeben. Wurden sie ins Feld
mitgenommen, was zwar ausdrücklich verboten war, aber doch im Bereich
der Möglichkeit lag, so hätten sie die guten Helme leicht in Verruf
bringen können.
Die Ersatzbataillone erprobten den Stahlhelm auch auf Märschen. Er zeigte
sich dabei trotz seines Gewichts dem Lederhelm überlegen und war wegen
der vorzüglichen Durchlüftung auch bei Hitze angenehmer als dieser,
so daß sogar die in Mazedonien und Kleinasien fechtenden Truppen mit
ihm ausgestattet wurden. Der Stahlhelm schickte sich in seinem Siegeslauf an,
den Tropenhelm zu verdrängen. Die Vorteile des Stahlhelms wurden im
Felde immer mehr erkannt. Die bisherigen Klagen verstummten, dagegen traten
im Laufe der Zeit verschieden neue auf.
Der Helm glänzte trotz seines matt gehaltenen Anstrichs bei
Sonnen- und Mondschein und in nassem Zustande. Er verriet dadurch den
Träger. Die Befestigung der Kinnriemen war nicht sicher; sie lösten
sich leicht vom Helm, der dann beim Laufen und Bücken verloren wurde.
Die Metallösen der Kinnriemen gingen häufig zu leicht oder zu
schwer über die Halterosetten; Rosetten brachen aus. Der Helm saß
nicht fest, weil die Kinnriemen zu weit von den Wangen entfernt waren.
Der Helm beeinträchtigte das Hören. Dieser Vorwurf war der
schwerwiegendste. Wurde er nicht beseitigt, so konnte er den Helm völlig
in Verruf bringen, weil die Träger des Helms, um besser hören und
herankommenden Geschossen rechtzeitig ausweichen zu können,
häufig gerade in heiklen Augen- [180] blicken den Helm
abnahmen und sich seines Schutzes entäußerten. Hier konnte nur eine
Änderung am Helm das Übel abstellen. Die Lösung war
jedoch nicht so einfach, weil die Meinungen über die Ursache
auseinandergingen. Sie wurde in den Lüftungslöchern, in den
scharfen Kanten des Helms und in der Form des Seitenschirms gesucht. Die einen
meinten, in den Lüftungslöchern der Aufhängebolzen
für den Stirnschild fange sich der Wind, wodurch ein pfeifendes
Nebengeräusch entstehe; andere glaubten, der Wind breche sich an dem
scharfkantigen Übergangsrande des Vorderschirms zum Seitenschirm und
verursache dadurch das Nebengeräusch; noch andere sahen die Ursache
darin, daß der Seitenschirm das Ohr und den Gehörgang
überrage und dadurch auch bei Windstille ein geringes Sausen entstehe, das
sie mit Muschelgeräusch bezeichneten.
Die Bekleidungsabteilung legte das Hauptgewicht auf die Beseitigung des
sogenannten Muschelgeräusches, die am sichersten durch die Freilegung
des Gehörgangs zu erreichen war. Dazu mußte der Seitenschirm
entweder ganz oder teilweise beseitigt werden. Bei der Wichtigkeit des
Schläfenschutzes wurde von der gänzlichen Beseitigung abgesehen;
der Schläfenschutz durfte nur dann aufgegeben werden, wenn eine
Besserung der Hörfähigkeit auf anderem Wege nicht zu erreichen
war. Die Bekleidungsabteilung hoffte, durch einen halbrunden Ausschnitt im
Seitenschirm über den Ohren das Übel zu beseitigen und damit den
Seitenschirm über der Schläfe zu erhalten. Der Ausschnitt
verminderte zwar den Schutz der Schläfe und nahm dem Helm etwas von
seiner Formenschönheit. Beides war aber zu opfern, wenn damit die
Beeinträchtigung der Hörfähigkeit verschwand. Die
Anbringung von Löchern im Seitenschirm erhielt ihn zwar, beseitigte aber
schon nach den Versuchen in der Forschungsstätte das
Muschelgeräusch nicht völlig. Trotzdem sollte auch diese
Lösung nicht unversucht bleiben. Denn nur beim Gebrauch im Felde konnte
festgestellt werden, ob und welche Änderung ihren Zweck wirklich
erfüllte. Es wurden daher zwei Arten von Versuchshelmen, nämlich
solche mit Durchlöcherung und solche mit einem Ausschnitt im
Seitenschirm hergestellt.
Um gleichzeitig die beiden anderen angeblichen Ursachen auf ihre richtige
Bewertung zu prüfen, wurden bei anderen Helmen an den Bunden der
Innenausstattung befestigte keilförmige Lederpfropfen angebracht, mit
denen die Lüftungsöffnungen zeitweilig von innen verschlossen
werden konnten, und wieder anderen Helmen abnehmbare Lederpolster
beigegeben, die zwischen Helmrand und Schläfe gelegt werden sollten, um
die scharfe Kante des Helms gewissermaßen zu brechen oder den Ohren
störende Geräusche, die durch das Brechen des Windes an den
Helmrändern entstünden, fernzuhalten.
Der Anstrich wurde durch Zusatz von Sand rauher gehalten. Daneben wurden
Versuche mit einem festen Überzug von Wollstaub eingeleitet. Von der
Einführung loser Helmüberzüge, wie sie beim Lederhelm in
Gebrauch [181] waren, wurde
abgesehen, da
Leinen- und Baumwollstoffe knapp und für die Unterkleidung wichtiger
waren. Außerdem begünstigten sie durch das Festhalten der
Feuchtigkeit die Bildung von Rost und gefährdeten die
Widerstandsfähigkeit des Helms.
Um die Mängel des Kinnriemens zu beseitigen, wurden zwei neue Arten
von Kinnriemen zum Versuch ausgegeben. Die Versuche mit den Kinnriemen
sind im Kriege nicht mehr zum Abschluß gekommen.
Der stoffartige Anstrich, der durch eine Mischung des Lacks mit Wollstaub
erreicht wurde, fand nahezu einstimmig Anerkennung. Er war besser als der
Sandanstrich.
Die Versuche zur Verbesserung der Hörfähigkeit führten
ebenso zu einer Klärung. Die Lederpolster als Schalldämpfer fanden
nur wenig Beifall und führten ein kurzes Dasein. Sie drückten auf die
Schläfe und gingen leicht verloren. Die Träger legten auf sie wenig
Wert. Auch die Lederpfropfen zum Verschluß der
Lüftungsöffnungen erfreuten sich keiner großen Beliebtheit;
sie erschienen überflüssig und behelfsmäßige
Verschlußmittel ausreichend. Die Durchlöcherung des Seitenschirms
beseitigte, wie vermutet, das Muschelgeräusch nicht. Es war unwirksam
und bildete nach dem Urteil verschiedener Truppenteile nur eine neue Quelle
sausender Geräusche. Dagegen fand der halbrunde Ausschnitt im
Seitenschirm Anklang. Übereinstimmend wurde bestätigt, daß
der das Ohr freilegende Ausschnitt das Muschelgeräusch beseitige und die
wirksamste Abhilfe des Mißstandes sei, der in der Beeinträchtigung
der Hörfähigkeit läge.
Mit der fortschreitenden Ausstattung des Feldheeres mehrte sich die Zahl der
beschädigten Helme. Um kleinere Schäden wieder ausbessern zu
können, wurden Stahlhelminstandsetzungswerkstätten eingerichtet.
Durchgeschossene und verbeulte Helme wurden als Schrott behandelt, wieder
eingeschmolzen und neue Helme daraus gefertigt.
Im ganzen sind während des Krieges rund 7,5 Millionen Stahlhelme und
50 000 Stirnschilde gefertigt worden. An
Österreich-Ungarn wurden 486 000 Stahlhelme, an Bulgarien
170 000, an die Türkei 5400 geliefert.
Im letzten Kriegsjahre stellte sich die Notwendigkeit des Buntfarbenanstrichs
heraus. Die wissenschaftlichen Untersuchungen über den
zweckmäßigsten Anstrich kamen aber nicht mehr zum
Abschluß.
Der Vollständigkeit halber sei noch angeführt, daß der
Bekleidungsabteilung von Außenstehenden und von Truppen Anträge
auf Anbringung von Beschlägen, von Adlern und Helmspitzen, Abzeichen
und Zierat zugingen. Ganz abgesehen davon, daß Durchlöcherungen
zur Anbringung von Spitzen, Adlern usw. den Helm geschwächt
hätten, mußten auch die angeführten
Schönheitsgründe zurückgestellt werden. Der Helm wirkte
durch seine einfache Form und geschmackvolle Linienführung allein. Die
vollendete Schmucklosigkeit gab ihm [182] das Gepräge. Er
stand jedem Träger gut. Jeder Zierat an ihm mußte das Bild
stören und konnte seinem Aussehen nur schaden.
Und vor allem - er hat Tausende vor Tod, Verwundung und Siechtum bewahrt.
Selbstredend trat die gleiche Notwendigkeit und die gleiche Schutzwaffe auch bei
den Gegnern auf; ihre Erzeugnisse haben aber weder an Güte noch an
einfacher Schönheit den deutschen Stahlhelm erreicht.
Änderungen von Bekleidung und
Ausrüstung.
Obgleich die feldgraue Bekleidung wegen der geringeren Sichtbarkeit
eingeführt wurde, waren entgegen den Anträgen der
Bekleidungsabteilung noch manche blinkenden und weithin sichtbaren Teile
bestehen geblieben, die das feindliche Feuer auf sich lenken mußten. Die
Ansichten über das, was zu beseitigen und was beizubehalten war, gingen
vielfach auseinander. Kriegserfahrung allein konnte lehren, was notwendig war.
Bereits im August 1914 wurde bestimmt, daß zur Felduniform im Gefecht
Adjutantenschärpen und Feldbinden mit einem grauen Überzug zu
versehen oder mangels eines solchen ganz abzulegen waren. An Stelle der
Feldbinde sollte dann ein lederner Gurt treten. Ordensschnallen und Orden sollten
im Gefecht nicht angelegt, alle im Sonnenlicht glänzenden
Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke abgeblendet, die roten
Regimentsnummern auf den Helm- usw. Überzügen bei
Offizieren und Mannschaften entfernt werden. Was im Frieden nicht
durchzusetzen war, erzwang der Krieg.
Diese Anordnung konnte nicht als eine Regelung dieser Fragen gelten.
Dafür war sie zu allgemein gehalten, es fehlten bei Beginn des Krieges
noch ausreichende Erfahrungen. Auch konnte die Truppe im Bewegungskriege
fern von Bezugsquellen nur behelfsmäßige Änderungen
vornehmen. Es war natürlich, daß diese Anordnung sehr verschieden,
zum Teil sehr weitgehend ausgelegt wurde. Es entstanden eigenmächtige
Änderungen; Abzeichen und anderes wurden selbständig geschaffen.
Es hatte das sein Gutes, weil es die Ansichten klärte. Der Zustand barg aber
auch ernste Gefahren in sich, wenngleich dank des im Heere herrschenden
vortrefflichen Geistes Schwierigkeiten nicht entstanden. Die Mannszucht und das
Ansehen des Heeres forderten aber, daß Bestimmungen diese noch offenen
Fragen bald regelten. Neue Bekleidungsvorschriften waren dringend
nötig.
Die Verschiedenheiten in der Feldbekleidung, die Fülle der
Unterscheidungszeichen, die bestimmten Truppenteilen zugesprochenen
Abweichungen, auf die jeder Truppenteil stolz war, hatten noch andere Nachteile,
an denen man nicht achtlos vorübergehen durfte. Wurde ein Mann im
Frieden von einem Truppenteil zum anderen versetzt, so wurde er beim neuen
Truppenteil in dessen Uniform eingekleidet. Seine bisherige Bekleidung ging an
den früheren Truppenteil zurück. Die Feldtruppenteile hatten keine
Bestände, um an- [183] kommende
Ersatztransporte oder Versetzte neu einzukleiden. Jeder behielt die Bekleidung,
die er mitbrachte. So entstand innerhalb der Truppenteile ein buntes Vielerlei. Am
auffälligsten war das bei der Kavallerie. Dort fanden sich mit der Zeit in
einer Eskadron Kürassier-, Husaren-, Jäger zu
Pferde- usw. Uniformen. In einer Kompagnie trafen Röcke mit
gelben und weißen Knöpfen, brandenburgischen und schwedischen
Aufschlägen, mit und ohne Litzen usw. zusammen. Dies war
durchaus unerwünscht, mußte aber zunächst in Kauf
genommen werden; es war wichtiger, daß die Truppe überhaupt
Mannschaftsersatz erhielt, als woher dieser kam und welche Bekleidung er trug.
Die Verschiedenheiten zerstörten aber die Gleichmäßigkeit
und Einheitlichkeit der Truppenteile im Anzuge; man wurde gleichgültig
dagegen, man hielt auf den Anzug weniger, man gab eins von den vielen Mitteln,
mit denen man auf die Mannszucht einzuwirken gewohnt war, preis, und zwar ein
sehr wichtiges Mittel.
Gewiß war die Vielseitigkeit der Uniform nicht allein die Ursache für
die im Kriege eintretende Nachsicht im Anzuge, gewiß gab es auch noch
andere Mittel zur Erhaltung der Mannszucht. Bei den zersetzenden
Einflüssen des Krieges mußte man aber darauf bedacht sein,
daß die Truppe im Kriege nichts von dem abzustreifen brauchte, was sie im
Frieden erlernt hatte. War eine größere Einheitlichkeit in der
Ausgestaltung der Uniform, war die Beseitigung entbehrlicher
Unterscheidungszeichen nicht auch von diesem Gesichtspunkte aus
erstrebenswert? Waren die Unterscheidungszeichen weißer und gelber
Knöpfe, der verschiedenen Ärmelaufschläge, der
Schulterklappenfarben für die einzelnen Armeekorps und anderes wirklich
notwendig? War man in dieser Vielseitigkeit nicht zu weit gegangen und hatte
damit unbewußt nicht eine krankhafte Sucht nach Sonderheiten groß
gezogen? Das Kriegsministerium hatte dem stets Widerstand entgegengesetzt und
mußte es sich nun erneut angelegen sein lassen, die
Bekleidungsbestimmungen daraufhin zu prüfen.
Es handelte sich aber nicht allein um die Kriegsbekleidung. Auch über die
Friedensbekleidung mußte eine Entscheidung getroffen werden. Sie durfte
nicht länger hinausgeschoben werden, vielleicht gar dem Frieden
vorbehalten bleiben, sie mußte während des Krieges fallen. Der Krieg
hatte die Truppenkammern völlig geleert; selbst die Paradegarnituren waren
im täglichen Gebrauch, Bestände an blauen und sonstigen Tuchen
alter Art waren so gut wie nicht mehr vorhanden. Es war an der Zeit,
endgültig zu derjenigen Bekleidung und Ausrüstung
überzugehen, die als die zweckmäßigste erkannt war, damit bei
Kriegsende diejenige Bekleidung vorhanden war, die bestehen bleiben sollte; auch
den zahlreichen im Kriege zu Offizieren Beförderten durften keine
unnötigen Ausgaben erwachsen.
Auch für die Industrie war diese Entscheidung von einschneidender
Bedeutung. Sie mußte wissen, worauf sie sich einzurichten hatte. Begann
sie [184] wieder Tuche zu
fertigen, die später abgeschafft wurden, so hatte sie dafür keine
Verwendung. Die Heeresverwaltung würde sie billigerweise abnehmen
müssen, woraus sich eine lange Übergangszeit ergeben hätte.
Ebenso hätte der Handel Vorräte an veralteten Offiziertuchen und
solchen Stoffen, die zu eigenen Sachen der Mannschaften verwendet wurden,
nicht mehr absetzen können, weil sofort nach Bekanntwerden der
Änderungen keine Sachen aus diesen Tuchen mehr bestellt worden
wären. Um den Handel nicht zu schädigen, hätte die
Anfertigung von Bekleidung aus neuen Stoffen noch eine Zeitlang verboten
werden müssen. Das war aber ebensowenig erwünscht wie wirksam,
während der Krieg Gelegenheit bot, etwa noch vorhandene Bestände
für Besatzungstruppen und Kriegsgefangene zu verarbeiten und
aufzubrauchen.
Aus allen diesen Gründen und Massenwirkungen lag für solche
einschneidenden Änderungen der günstigste Augenblick in der Zeit
bald nach Ausbruch des Krieges. Die Heeresverwaltung zögerte daher
nicht, die Uniformfrage der Entscheidung zuzuführen, wenn auch hierbei
manche erheblichen Schwierigkeiten zu überwinden waren.
Von der Tuchbekleidung ließen sich Mütze, Mantel und Hose den
Erfordernissen von Krieg und Frieden unschwer anpassen, nicht aber der Rock;
die Forderungen, die an einen Friedens- und an einen Kriegsrock gestellt wurden,
gingen zu sehr auseinander. Der Friedensrock, in dem sich der Soldat auf der
Straße, im Verkehr, bei der Parade und bei feierlichen Gelegenheiten zeigte,
mußte sich den Körperformen des einzelnen anschmiegen, tadellos
sitzen und schmuck sein; der Feldrock dagegen sollte bequem und weit sein, das
Unterziehen wollener Unterkleidung gestatten und die freie Bewegung in keiner
Weise hemmen, dabei in seiner Aufmachung so einfach und unscheinbar wie
möglich sein. Die hieraus sich ergebende Notwendigkeit von zwei ganz
verschiedenen Röcken für den Soldaten deckte sich mit den
Gewohnheiten und Erfahrungen des täglichen Lebens; auch da trägt,
wer schwere körperliche Arbeit zu leisten hat, dazu einen besonderen
Arbeitsrock, und nicht seinen Ausgehrock.
Hier setzten die Gegner von Feldgrau ein und behaupteten, daß man den
blauen Friedensrock beibehalten könne, wenn doch zwei verschiedene
Röcke unentbehrlich seien. Sie übersahen aber, daß gerade
darin wesentliche wirtschaftliche Vorteile lagen, wenn man durch einfache und
leicht ausführbare Änderungen von Kragen,
Aufschlägen usw. den Friedensrock nötigenfalls in einen
Kriegsrock verwandeln konnte. Der Soldat, dessen Unterhalt durch die Steuern
des Bürgers aufgebracht werden mußte, konnte sich nicht den Luxus
des Bürgers gestatten, der von dem Auftragen dieses oder jenes
Gesellschaftskleides, z. B. des Frackes, Abstand nimmt. Außerdem
hatte der Krieg eben erst einen schlagenden Beweis für den Nachteil von
zwei verschiedenfarbigen Röcken geliefert. Wie ungünstig war es,
daß neben der feldgrauen Bekleidung die "blaue" Friedensbekleidung
vorhanden war! Das machte sich bei der Ein- [185] kleidung der
Neuformationen und Ersatztransporte, besonders in den ersten Monaten des
Krieges, geltend, ehe die Anfertigung neuer Bekleidung in vollen Gang gebracht
sein konnte. Blaue Bekleidung, die ihrer Güte nach
feldverwendungsfähig war, war vorhanden; sie mußte aber ihrer
Farbe wegen ungenutzt liegenbleiben und konnte für Feldtruppen nicht
verwendet werden. Wieviel leichter und schneller hätten die Riesenmengen
an Feldbekleidung beschafft werden können, wenn an feldgrauen
Friedensröcken nur Kragen und Aufschlage hätten geändert zu
werden brauchen.
Feld- und Friedensbekleidung mußten also von demselben Grundtuch sein.
Dieses konnte, da die Forderungen des Ernstfalles in erster Reihe
berücksichtigt werden mußten, nur feldgrau sein. Es durfte auch nicht
übersehen werden, daß mangels geeigneter Rohwollen nach
Friedensschluß nicht sofort mit der Herstellung blauer Tuche hätte
begonnen werden können, sondern erst geraume Zeit vergehen
müsse, ehe die großen Mengen roher Wolle, die für einen
solchen Luxus nötig waren, wieder eingeführt sein würden.
Auch mußte die von Millionen angetragene Feldbekleidung in dem
Friedensheere, das so sehr viel kleiner war als das Kriegsheer, erst aufgebraucht
sein, ehe neue feldgraue oder blaue Bekleidungsstücke wieder in Gebrauch
genommen werden konnten.
Da alle derartigen Einwände leicht zu entkräften waren, wurde nicht
zuletzt auch die geschichtliche Überlieferung ins Feld geführt. Die
Schaffung einer Bekleidung aus feldgrauem Grundtuch, einheitlich für
Kriegs- und Friedensgebrauch, einheitlich für alle Truppen und
Waffengattungen, beseitigte die vielgestaltige militärische Bekleidung; sie
brach also völlig mit einem Teil der Überlieferung, in der zweifellos
viel Unwägbares liegt. Die Heeresverwaltung war deshalb bisher gegen
diesen Schritt gewesen, sie entschloß sich aber jetzt doch für ihn. Die
veränderte Lage nahm ihm das Bedenkliche, rechtfertigte, ja forderte
ihn.
Noch im Frühjahr 1914 bevorzugte jeder Mann die besondere blaue
Uniform seines Regiments und war stolz darauf, sich von dem Kameraden eines
anderen Truppenteils zu unterscheiden. Feldgrau war unbeliebt in Volk und Heer.
Im Kriege aber wollte niemand mehr den bunten Rock
tragen - die Felduniform war volkstümlich im weitesten Sinne des
Wortes geworden. Und das mit Recht; denn sie hatte wesentlich teil an dem, was
das Heer, was die Truppe hatte leisten können; sie gewährte dem
Soldaten einen nicht zu unterschätzenden Vorteil gegen alle Gegner, ganz
besonders gegen die bei Kriegsbeginn noch nach alter Weise gekleideten Belgier
und Franzosen.
Es war auch nicht das erstemal, daß das preußische Heer solche
Wandlungen durchmachte. - Unter dem
Großen Kurfürsten
war die Grundfarbe der militärischen Bekleidung im allgemeinen blau; die
Reiterei trug gelblederne Kollette oder Westen und darüber meistens graue
Mäntel oder Röcke, seltener blaue. Nur die Dragoner hatten
Röcke von derselben blauen Farbe wie die Infanterie.
[186] 1714 erhielten
Kavallerie und Dragoner Röcke von weißem Kirsey, die
Kürassiere 1735 aus gelbem Kirsey und erst später weiße
Röcke. Den Koller der Kürassiere gab es erst seit 1842, und der
hellblaue Rock der Dragoner wurde erst zwischen 1742 und 1746
eingeführt, da im Ersten schlesischen Kriege der weiße Rock der
Dragoner zu Verwechslungen mit österreichischen Kürassieren
geführt hatte. Die 1721 errichteten Husaren trugen Dolman und Pelz nach
dem Vorbilde der ungarischen Nationalkavallerie, ihr Attila wurde erst 1853/54
eingeführt. Die 1807 aus den Towarczys entstandenen Ulanen erhielten die
zu damaliger Zeit allgemein üblichen Röcke mit kurzer Taille und
frackartigen Schößen von dunkelblauer Farbe; man vermied mit
Absicht jeden Anklang an polnische Bekleidung; die Ulanka mit dem polnischen
Einschlag entstand erst 1853.
Ursprünglich war die Bekleidung des preußischen Heeres also
ziemlich einheitlich; die Verschiedenheiten in Farbe und Schnitt waren
jüngeren Ursprungs und sind obendrein zum großen Teil Gebilde aus
Zeiten tiefsten Friedens. Vergleicht man die Uniformen vor dem Weltkriege mit
denen aus der Zeit Friedrichs
des Großen, so war ihnen, soweit die Truppen
schon damals bestanden, nicht einmal durchweg die Grundfarbe geblieben; im
übrigen hatten sie mit jenen ebensowenig gemein, wie die
Ausrüstung und Bewaffnung beider Zeiten.
Kriege brachten in der Bekleidung zeitgemäße Fortschritte; nach dem
Kriege geriet manche Erfahrung wieder in Vergessenheit. Liebhaberei und
persönlicher Geschmack wirkten im Frieden mehrfach
rückläufig und suchten den Rückschritt mit dem Mantel
geheiligter Überlieferung zuzudecken. Dabei wurden
Friedensrücksichten höher als die Art der Kriegführung,
Bewaffnung und Fechtweise bewertet. Verdiente der Weltkrieg, in dem zum
ersten Male Millionenheere miteinander fochten, in dem Deutschland sich einer
Welt von Feinden zu erwehren hatte, in dem deutsche Truppen Taten von noch
nie dagewesener Größe vollbrachten, nicht höher bewertet zu
werden als frühere Kriegserinnerungen, geschweige denn als
Friedensrücksichten? Hatte der Weltkrieg kein Bedürfnis zum
Festhalten seiner Überlieferung ausgelöst? War er nicht selbst
Überlieferung?
Die alten Grundfarben hatten ihre Daseinsberechtigung verloren, da der Soldat in
ihnen nicht mehr ins Feld ziehen konnte. Deutsches Feldgrau war berechtigt,
Preußisch-Blau zu verdrängen.
So wurde als zukünftiger Ausgeh- und Friedensrock des Soldaten der
bisherige Waffenrock bestimmt und die bisherige Ulanka mit den altbekannten
farbigen Besätzen, aber von feldgrauem Grundtuch. Die Jäger
erhielten statt des dunkelgrünen Grundtuches graugrünes und statt
der roten Besätze hellgrüne. Der weiße Koller der
Kürassiere und der bunte Attila der Husaren fielen fort, sie wurden durch
einen feldgrauen Waffenrock und Attila ersetzt. Der Jäger zu Pferde behielt
seinen graugrünen Waffenrock. Die besonderen [187] Uniformen der
Maschinengewehrabteilungen und der Stabsordonnanzen wurden aus
wirtschaftlichen Gründen abgeschafft; die kleinen
Maschinengewehrabteilungen hatten in der Bekleidungswirtschaft dauernd
Beihilfen nötig, sie konnten nicht so sparsam wirtschaften wie ein
Truppenverband mit größerer Kopfstärke. Sie sollten fortan
das Kleid desjenigen Truppenteils tragen, dem sie wirtschaftlich angegliedert oder
dem sie entnommen waren. In der Beibehaltung von Attila und Ulanka, die sich
zu einer Bluse nicht umändern ließen, und in der Erhaltung der
graugrünen Farbe für Jäger und Jäger zu Pferde lag
noch ein dem Kriegsministerium befohlenes Zugeständnis an die alte
Zeit.
Arbeits- und Kriegsrock wurde fortab die Bluse, einheitlich im Schnitt für
die ganze Armee, für Jäger und Jäger zu Pferde
graugrün, sonst feldgrau. In Schnitt und Ausstattung der Bluse wurden alle
mit dem Feldrock, der alten Litewka der Offiziere und Mannschaften, gemachten
Erfahrungen verwertet; von jedem war das Beste ihr eigen. Die Einführung
dieses Einheitsstücks als Hauptstück der Kriegsbekleidung bedeutete
einen ganz wesentlichen Fortschritt sowohl in taktischer Hinsicht, als auch
für die Ausstattung neuer Formationen, für den Nachschub und die
Ergänzung der Bekleidung im Kriege; denn nun bedurfte es zur Ausstattung
von Mannschaften verschiedener Waffen- und Truppengattungen nicht mehr
ebenso vieler Röcke verschiedener Machart und Ausstattung, sondern es
genügte ein Vorrat an Blusen und Abzeichen.
Ohne Abzeichen ging es natürlich nicht. Die Waffen- und
Truppengattungen mußten zu erkennen sein. Einfachheit und Klarheit waren
bei ihrer Schaffung Haupterfordernis. Die Unterscheidungszeichen der
Kriegsbekleidung mußten sich auch an der Friedenskleidung befinden, sonst
wäre nicht durchzufinden gewesen. Der Grundsatz, jede Waffe durch eine
besondere Farbe kenntlich zu machen, schlug durch und ist auch in der Uniform
des neuen Reichsheeres erhalten. In der Übergangszeit waren dabei infolge
der grundlegenden Umgestaltung Verwechslungen der Unterscheidungszeichen
des bisherigen und neuen Aufbaues nicht ausgeschlossen; bei den vielgestaltigen
früheren Abzeichen war eine neue Planmäßigkeit nicht zu
erreichen, ohne das alte Gefüge zu durchbrechen. Solche Verwechslungen
waren im Kriege weniger bedenklich; sie hatten sogar den Vorteil, daß der
Feind leicht irregeführt werden konnte. Auch war die Übergangszeit
kürzer als im Frieden. Auffallende Abzeichen wurden zur Feldbekleidung
nicht angelegt; an die Stelle der Unteroffiziertressen traten an der Bluse graue
Borten, die für die ganze Armee einheitlich waren.
Mit der Einführung eines Kriegs- und eines Friedensrockes war etwas
Neues geschaffen. - Für den Krieg war alles so einfach wie
möglich gestaltet. Je mehr die Bluse im Heere bekannt wurde und nach
Neuanschaffungen in Gebrauch kam, desto mehr wuchs die Zahl der Stimmen, die
sie gerade wegen ihrer Einfachheit und Form hübsch, kleidsam und
ansprechend fanden. Für [188] den Frieden war auf
gutes Aussehen und Kleidsamkeit, aber auch auf Zweckmäßigkeit,
namentlich vom Standpunkt der Bekleidungswirtschaft der Truppe und des
Kostenpunkts für die Offiziere betrachtet, besonderer Wert gelegt worden.
Wenn auch mit dem Preußisch-Blau, dem weißen Koller und dem
bunten Attila ein gut Stück Überlieferung dahinging, im Schnitt und
in den farbigen Besätzen blieb das die einzelnen Waffen Kennzeichnende
noch erhalten. An die Stelle alter Überlieferung war eine neuere und
mächtigere getreten. Sicherlich hatte auch der Straßenanzug und das
Kleid für feierliche Gelegenheiten an gutem und gefälligem
Aussehen keine Einbuße erlitten.
An Tuchhosen gab es bisher zur Friedensuniform dunkelblaumelierte und
für die Jäger zu Pferde graugrüne, als Reithosen weiße
für die Kürassiere, graugrüne für die Jäger zu
Pferde, für die Mannschaften der übrigen berittenen Waffen
schwarze, für Offiziere aber blaue. Demgegenüber wurden für
die ganze Armee nur graue Hosen eingeführt. Da sie sowohl zu feldgrau,
wie zu graugrün und in der Übergangszeit zu blauen und
grünen Waffenröcken, zu den verschiedenfarbigen
Attilas usw. passen sollten, mußte ein völlig neutrales Grau
gewählt werden. Auch für spätere Zeit, wenn der
Übergang von Blau zu Feldgrau überwunden war, wenn auch die
blauen Überröcke und die Interimsattilas verschwunden waren, war
es von wesentlicher Bedeutung, daß Rock und Hose nicht gleichfarbig
waren. Die Hose trägt sich schneller ab als der Rock. Beim Tragen
verändern alle Stücke ihre Farbe. Es ist nicht nur das Sonnenlicht,
das die Farbe bleicht und die Änderung des Farbtons bewirkt. Im Gebrauch
bei jedem Wetter, durch Staub und Regen treten Änderungen in der Farbe
durch Verschmutzen ein. Zu einem älteren, in der Farbe wenn auch nur
wenig verschlissenen Rock findet sich schwer ein Stück Tuch, aus dem sich
eine Hose von völlig gleichem Farbton herstellen läßt. Und
selbst, wenn das ausnahmsweise glückt, wird die Freude daran nur kurz
sein, weil nach einer gewissen Zeit die Hose doch wieder im Farbton vom Rock
abweichen wird. Für Massenanfertigungen aber, die für die Truppe
nötig sind, wäre eine solche feine Wahl gar nicht
durchführbar. Von jeher sind deshalb auch bei der blauen Uniform Rock
und Hose verschiedenfarbig gewesen. Wo von diesem Grundsatz abgewichen
wurde, wie z. B. in Bayern, sprechen die Erfahrungen nicht dafür,
diese Abweichung zur Regel werden zu lassen und lang bewährte alte
Grundsätze über den Haufen zu werfen. Wirtschaftliche
Gründe sprechen dagegen.
Der unter dem Drängen nach Entlastung des Infanteristen eingeführte
Mantel der Fußtruppen hatte sich als zu leicht erwiesen, da er nicht
gefüttert war, der der berittenen als zu lang und zu schwer. Der neue Mantel
war ein Mittelding von beiden und einheitlich für die ganze Armee. Da der
Mantel während eines erheblichen Teils des Jahres infolge des
Stellungskampfes zum Gefechtskleid geworden war, erhielt auch er die feldgraue
Farbe. Die Spiegel am Mantelkragen mußten im Kriege abgetrennt werden.
Sie blieben [189] dauernd beseitigt. Der
Mantel erhielt, wie die Bluse, einen zwar feldgrauen, aber doch vom Grundtuch
abweichenden Kragen, was ebenso kleidsam wie praktisch war.
Die Feldmütze blieb, wie bisher, feldgrau mit bunten Besatzstreifen. Die
Schirmmütze wurde im Grundtuch feldgrau, behielt aber die bunten
Besatzstreifen. Den Kürassieren, Husaren und Dragonern wurden ihre
bisherigen bunten Schirmmützen belassen. Erst einer späteren Zeit
war die Beseitigung der bunten Besatzstreifen an der Feldmütze
vorbehalten. Sie wurden durch Besatzstreifen von feldgrauem Abzeichentuch
einheitlich für alle Waffengattungen ersetzt. An die Stelle des Halstuchs
und der schwarzen Halsbinde trat eine graue Halsbinde von verbessertem Schnitt.
Das Schuhzeug der berittenen Waffen wurde vereinfacht durch Einführung
eines Einheitskavalleriestiefels statt der bisherigen schwarzen Stulpstiefel der
Kürassiere, der braunen für Jäger zu Pferde, der
Kavalleriestiefel und der Husarenstiefel. Also auch hier eine Art statt deren vier.
Das gesamte Schuhzeug sollte fortan schwarz sein, weil es im Gebrauch doch
schwarz wird, ebenso das Lederzeug, das bisher schwarz, weiß oder braun
war. Für die gesamte Armee wurde ein einheitlicher Leibriemen mit dem
bisherigen Koppelschloß der Fußtruppen eingeführt statt der
Leibriemen, Überschnallkoppel,
Säbelüberschnall- und Säbelunterschnallkoppel mit zwei
verschiedenen Arten von Schlössern.
Bandelier und Kartusche für Unteroffiziere und Mannschaften sowie die
Leibbinde der Ulanen wurden abgeschafft. Für Zeltbahn und Brotbeutel
wurde die graue Farbe statt der bisher braunen eingeführt.
In der Offizierausstattung hatte der Krieg als richtig bestätigt, daß sie
sich möglichst eng an die der Mannschaften anpassen muß, damit der
Offizier nicht weithin als Führer erkannt und abgeschossen wird; dann aber
auch, weil er in der Ergänzung seiner Ausstattung im Felde meist auf
Mannschaftsstücke angewiesen war. Andrerseits mußte der Offizier
aus disziplinaren Gründen auf gewisser Entfernung als Vorgesetzter leicht
erkennbar sein. Bei Nachprüfung der Friedensausstattung wurde angestrebt,
die Zahl der vorgeschriebenen Stücke zu verringern. Aus diesen
Grundsätzen ergab sich enge Anlehnung von Waffenrock (Attila, Ulanka),
Bluse, Mantel und Hosen an die Probe dieser Stücke für
Mannschaften. Für Friedensröcke wurde ein feineres Tuch gestattet,
für Bluse und Mantel dagegen ausdrücklich vorgeschrieben,
daß ihr Tuch im Aussehen völlig dem der Mannschaften gleichen
mußte. An den Friedensröcken wurden die Stickereien beibehalten.
Auch der Offizierfriedensattila behielt silbernen oder goldenen Schnurbesatz. An
der Bluse blieben die Stickereien in ähnlicher Weise wie vorher am
Feldrock ersetzt.
Da die Bluse, ebenso wie bei den Mannschaften, für alle
Waffen- und Truppengattungen das gleiche Stück war, waren zur
Kennzeichnung der Waffen- [190] und Truppengattungen
an den Achselstücken dieselben Grundsätze der Waffenfarben wie an
den Schulterklappen durchzuführen. Die Tuchunterlage entsprach also der
Farbe der Schulterklappen. Hatte diese einen Vorstoß, so trat er auch auf der
Tuchunterlage des Achselstücks als "Randstreifen" in die Erscheinung. Das
blanke silberne Achselstück war nicht feldbrauchbar. Es wurde deshalb ein
besonderes Feldachselstück eingeführt. Dafür wurden die
Epauletten abgeschafft.
Der bisherige zweireihige Paletot wurde durch einen einreihigen feldgrauen
Mantel ersetzt. Der Umhang durfte wie bisher, so auch fernerhin im Gefecht nicht
getragen werden, da er den Offizier zu sehr kennzeichnete. Ihn ganz abzuschaffen,
erschien noch nicht ausreichend begründet, da er für manche
Gelegenheiten seine Vorzüge hatte. Damit aber der Offizier nicht mehr zur
Anschaffung eines Umhangs gezwungen werden konnte, wurde er in die Reihe
der "gestatteten" Stücke übergeführt. Er war fortan auch
feldgrau und erhielt hinten einen Reitschlitz.
Überrock, Interimsattila und Litewka wurden abgeschafft. An ihre Stelle
trat der "kleine Rock", der im Schnitt der grauen Litewka nachgebildet, aber
feldgrau war. Die Kragenpatten, landläufig "Spiegel" genannt, entsprachen
in Farbe und Vorstößen den Schulterklappen, also auch den
Unterlagen der Achselstücke. Die
Sanitäts- und Veterinäroffiziere behielten ihre bisherigen
Kragenpatten. Die Vorstöße des kleinen Rockes vorn herunter, um
den Kragen und die Aufschläge wurden für alle Offiziere ponceaurot,
für alle Beamten kornblumenblau, während sie bisher ganz
verschieden waren. Offiziere des Beurlaubtenstandes brauchten diesen
Friedensrock nicht zu besitzen.
An die Stelle der silbernen Feldbinde trat ein ledernes Feldkoppel; die
Adjutantenschärpe gehörte nicht mehr zum Feldanzug.
Da für das Schuhzeug der Mannschaften die schwarze Farbe
vorgeschrieben war, wurden auch die Schnürschuhe und Gamaschen der
Offiziere schwarz. Eine wesentliche Vereinfachung und Verbilligung bedeutete
es, daß Schnürschuhe und Gamaschen fortan den hohen Stiefeln
gleichgestellt waren, also auch zum Paradeanzug getragen werden durften.
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß die breite
Ordensschnalle, die im Felde zu sehr leuchtete, durch eine schmale ersetzt wurde
und daß für den Offizier der Fußtruppen zur Feldausstattung
Brotbeutel, Feldflasche und Trinkbecher hinzutraten.
Im ganzen waren die neuen Bestimmungen eine so durchgreifende
Änderung der Ausstattung des Heeres, wie seine Geschichte sie noch nie
sah. Sie machte auch eine Umstellung des Mannes in der Sorge für die
Erhaltung und Instandsetzung seiner Bekleidung und Ausrüstung notig. Im
Kriege traten diese Neuheiten noch nicht so scharf in die Erscheinung, wie sich
das im Frieden zeigen mußte und auch in der Reichswehr noch zeigen wird.
Das tägliche Putzen [191] blanker Teile, das
Weißen von Litzen, von Kürassierkollern und Kürassierhosen
und manches andere fiel fort. Im Kriege war dazu meist keine Zeit. Ihr Fortfall ist
aber nicht bedauerlich. Auch ist der Verlust als eines wirkungsvollen
Erziehungsmittels nicht zu beklagen. Die Bedürfnisse einer neuen Zeit
fordern neue Wege. Welche Zeit wurde mit dem Putzen von
Knöpfen usw. verbraucht, die bei den gesteigerten Anforderungen in
der Ausbildung nutzbringender zu verwenden war. Das Putzen der Knöpfe,
das täglich notwendig war, war schnell zu erlernen und leicht zu
überwachen. Es war aber doch nicht das Wichtigste in der Sorge für
die Bekleidung, in deren Reinigung und Instandhaltung. Ein Nachteil für
die Bekleidung trat jedenfalls nicht ein, wenn es unterblieb. Andere Arbeiten
waren nützlicher, auch wenn sie seltener nötig waren. Es sei nur
erinnert an den festen Sitz der Knöpfe, der Kragenhaken und Ösen,
an den guten Sitz des Helms, auch des Stahlhelms, den im Kriege zu lernen und
zu lehren keine Zeit blieb, an verbeulte Mützen, an das Schmieren des
Schuhzeugs, das für die Erhaltung des Schuhzeugs überaus wichtig
ist, an das Verpassen der Fußbekleidung und anderes mehr. Alles das will
gelernt sein. Seine richtige Überwachung ist nicht so einfach, wie die des
Knopfputzens. Es gibt also nach dem Fortfall dieser kleinen Erziehungsmittel
andere in reichem Maße. Man muß sie nur kennen und richtig
anwenden. Fallen entbehrliche Verrichtungen fort, so kann das bei der
Vielseitigkeit dessen, was der Soldat und der Vorgesetzte im Bekleidungswesen
zu leisten hat, nur von Vorteil sein. Die bestehen bleibenden und wichtigeren
können dann um so gründlicher geübt werden; die Erziehung
und Ausbildung darin kann vertieft werden. Das wird dem Bekleidungswesen nur
nützlich sein.
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