Das Jahr 1939
(Forts.)
Aus dem Telegramm des Botschafters Sir Nevile
Henderson an den britischen Außenminister Lord Halifax vom 24.
August 1939 über seine Unterredung mit dem
Führer
Er sprach mehrere Male von seinen wiederholten Freundschaftsangeboten an
England und deren unveränderlicher und verächtlicher Abweisung.
Ich verwies auf vorjährige Bemühungen des
Ministerpräsidenten und seinen Wunsch nach Zusammenarbeit mit
Deutschland. Er sagte, er habe damals an Herrn Chamberlains guten Willen
geglaubt, er tue das aber, namentlich seit Einkreisungsbemühungen der
letzten paar Monate, nicht mehr. Ich legte das Fälschliche dieser Ansicht
dar, doch seine Antwort lautete, er sei jetzt endgültig von der Richtigkeit
der ihm früher von andern vorgehaltenen Ansichten überzeugt,
daß England und Deutschland sich nie einigen könnten.
(E: Cmd. 6106. No. 58. - D: Eigene
Übersetzung.)
An dem Tage, an dem der britische Premierminister den Antwortbrief des
Führers in seinen Händen hielt, das heißt am 24. August 1939,
gab er im Unterhaus eine Erklärung ab, in der er die Durchführung
umfassender militärischer Maßnahmen bekanntgab. Die Rede, die
sich im übrigen mit dem inzwischen bekannt gewordenen
deutsch-russischen Nichtangriffspakt
beschäftigte, enthielt nur die Versicherung, daß das an Polen gegebene
Beistandsversprechen unabhängig von den Verhandlungen in
Moskau erteilt worden sei und infolgedessen von dem Zusammenbruch dieser
Verhandlungen und der deutsch-russischen Annäherung nicht berührt
werden könne.
Trotz dieser wenig ermutigenden Rede ließ der Führer am 25. August
1939 den britischen Botschafter Sir Nevile Henderson nochmals zu sich
kommen, um ihm ein letztes, weitreichendes
Freundschaftsangebot mitzuteilen.
Erklärung des Führers
gegenüber dem britischen Botschafter
vom 25. August 1939, mittags
13.30 Uhr
Der Führer erklärte einleitend, daß der Britische Botschafter
am Schluß der letzten Unterredung der Hoffnung Ausdruck gegeben habe,
daß doch noch eine Verständigung zwischen Deutschland und
England möglich sein wird. Er, der Führer, habe sich daraufhin die
Dinge noch einmal durch den Kopf gehen lassen und wolle heute England
gegenüber einen Schritt unternehmen, der genau so entscheidend sei wie
der [213] Schritt Rußland gegenüber, der zu
der kürzlichen Vereinbarung geführt habe.
Auch die gestrige Unterhaussitzung bzw. die Reden Chamberlains und Lord
Halifax' hätten den Führer veranlaßt, noch einmal mit dem
Britischen Botschafter zu sprechen. Die Behauptung, daß Deutschland die
Welt erobern wolle, ist lächerlich. Das Britische Imperium umfaßt
40 000 000 qkm, Rußland
19 000 000 qkm, Amerika
9 500 000 qkm, während Deutschland noch nicht
600 000 qkm umfaßt. Wer also die Welt erobern will, ist
klar.
Der Führer teilte dem Britischen Botschafter folgendes mit:
- Die polnischen Akte der Provokation sind unerträglich
geworden, gleich, wer verantwortlich ist. Wenn die Polnische Regierung die
Verantwortung bestreitet, so beweist dies nur, daß sie selbst keinen
Einfluß mehr auf ihre militärischen Unterorgane besitze. In der
letzten Nacht seien wieder einundzwanzig neue Grenzzwischenfälle erfolgt,
auf deutscher Seite habe man größte Disziplin gewahrt. Alle
Zwischenfälle seien von der polnischen Seite hervorgerufen worden.
Außerdem wurden Verkehrsflugzeuge beschossen. Wenn die Polnische
Regierung erkläre, nicht verantwortlich dafür zu sein, so beweise
dies, daß es ihr nicht mehr möglich sei, ihre eigenen Leute im Zaume
zu halten.
- Deutschland sei unter allen Umständen entschlossen, diese
mazedonischen Zustände an seiner Ostgrenze zu beseitigen, und zwar nicht
nur im Interesse von Ruhe und Ordnung, sondern auch im Interesse des
europäischen Friedens.
- Das Problem Danzig und Korridor müsse gelöst werden. Der
Britische Ministerpräsident habe eine Rede gehalten, die nicht im
geringsten geeignet sei, einen Wandel in der deutschen Einstellung
herbeizuführen. Aus dieser Rede könne höchstens ein blutiger
und unübersehbarer Krieg zwischen Deutschland und England entstehen.
Ein solcher Krieg würde blutiger sein als der von 1914 bis 1918. Im
Unterschied zu dem letzten Krieg würde Deutschland keinen
Zweifrontenkrieg mehr zu führen haben. Das Abkommen mit
Rußland sei bedingungslos und bedeute eine Wende in der
Außenpolitik des Reiches auf längste Zeit. Rußland und
Deutschland würden unter keinen Umständen mehr die Waffen
gegeneinander ergreifen. Davon abgesehen würden die mit Rußland
getroffenen Abmachungen auch wirtschaftlich für eine längste
Kriegsperiode sichern.
Dem Führer habe immer an der
deutsch-englischen Verständigung gelegen. Ein Krieg zwischen England
und Deutschland könne im günstigsten Fall Deutschland einen
Gewinn bringen, England aber überhaupt nicht.
Der Führer erklärt, daß das
deutsch-polnische Problem gelöst werden müsse und gelöst
werden würde. Er ist aber bereit und entschlossen, nach der Lösung
des Problems noch einmal an England mit einem umfassenden großen
Angebot heranzutreten. Er ist ein Mann großer Entschlüsse und wird
auch in diesem Fall zu einer großen [214] Handlung fähig sein. Er bejaht das
Britische Imperium und ist bereit, sich für dessen Bestand persönlich
zu verpflichten und die Kraft des Deutschen Reiches dafür einzusetzen,
wenn
- seine kolonialen Forderungen, die begrenzt sind und auf friedlichem
Wege ausgehandelt werden können, Erfüllung finden, wobei er hier
zu einer weitesten Terminbestimmung bereit ist,
- seine Verpflichtungen Italien gegenüber nicht tangiert werden,
d. h. mit anderen Worten: Er fordert von England nicht die Preisgabe seiner
französischen Verpflichtungen und könnte sich seinerseits auch nicht
von den italienischen Verpflichtungen entfernen.
- Er wünscht ebenso den unverrückbaren Entschluß
Deutschlands zu betonen, nie mehr mit Rußland in einen Konflikt
einzutreten.
Der Führer ist bereit, dann mit England Abmachungen zu treffen, die, wie
schon betont, nicht nur die Existenz des Britischen Weltreichs unter allen
Umständen deutscherseits garantieren würden, sondern auch, wenn
es nötig wäre, dem Britischen Reich die deutsche Hilfe sicherten,
ganz gleich, wo immer eine derartige Hilfe erforderlich sein sollte. Der
Führer würde dann auch bereit sein, eine vernünftige
Begrenzung der Rüstungen zu akzeptieren, die der neuen politischen Lage
entsprächen und wirtschaftlich tragbar wären. Endlich versichert der
Führer erneut, daß er an den westlichen Problemen nicht interessiert
sei und daß eine Grenzkorrektur im Westen außerhalb jeder
Erwägung stehe; der mit Milliarden Kosten errichtete Westwall sei die
endgültige Reichsgrenze nach Westen.
Wenn die Britische Regierung diese Gedanken erwägen würde, so
könnte sich daraus ein Segen für Deutschland und auch für das
Britische Weltreich ergeben. Wenn sie diese Gedanken ablehnt, wird es Krieg
geben. Auf keinen Fall würde Großbritannien aus diesem Krieg
stärker hervorgehen; schon der letzte Krieg habe dies bewiesen.
Der Führer wiederholt, daß er ein Mann großer und ihn selbst
verpflichtender Entschlüsse sei und daß dies sein letzter Vorschlag
wäre. Er werde sofort nach Lösung der
deutsch-polnischen Frage mit einem Angebot an die Britische Regierung
herantreten.
(Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
457.)
In einem Telegramm vom 25. August 1939 hat Sir Nevile Henderson
über seine Unterredung mit dem Führer an den britischen
Außenminister berichtet. Der Bericht schließt mit den
Sätzen:
"Nachdem ich fortgegangen war, sandte Herr von Ribbentrop Dr. Schmidt zur
Botschaft mit dem Text der wörtlichen Erklärung und weiterhin mit
einer Mitteilung von ihm selbst, die dahin ging, daß Herr Hitler immer und
auch jetzt noch ein Abkommen mit England gewünscht habe und daß
er mich bitte, Seiner Majestät Regierung zu veranlassen, daß sie das
Angebot sehr ernst nähme." (Cmd. 6106. No. 69.)
Am Abend des gleichen Tages, an dem der Führer dem britischen [215] Botschafter dieses weitreichende Angebot
gemacht hatte, wurde in London der britisch-polnische Beistandspakt unterzeichnet.
Es ist später von
Unterstaatssekretär Butler im Unterhaus festgestellt
worden, daß sich dieses Abkommen einzig und allein gegen Deutschland
richtete. Die wahren Motive der britischen Politik konnten nicht deutlicher
gekennzeichnet werden, als es damit geschah: Nicht die Unabhängigkeit
und das Schicksal Polens waren es, die England bestimmten, sondern lediglich
das Bestreben, der Revision der deutschen Ostgrenzen und einer davon
befürchteten deutschen Machtsteigerung entgegenzutreten.
Unterhauserklärung des britischen
Unterstaatssekretärs Butler vom 19. Oktober
1939
Auf die Anfrage Mr. Harveys antwortend, der den Premierminister gefragt hatte,
ob der in dem am 25. August d. J. zwischen dem Vereinigten
Königreich und Polen geschlossenen Abkommen enthaltene Hinweis auf
einen Angriff durch eine europäische Macht auch für den Fall eines
Angriffs durch andere Mächte als Deutschland, einschließlich
Rußlands, Geltung haben solle, erklärte Mr. Butler,
Unterstaatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten: "Nein,
mein Herr. Während der Verhandlungen, die zur Unterzeichnung des
Abkommens führten, herrschte zwischen der Polnischen Regierung und der
Regierung Seiner Majestät Einverständnis darüber, daß
das Abkommen lediglich für den Fall eines Angriffs durch Deutschland
Geltung haben solle, und die Polnische Regierung bestätigt, daß dem
so ist."
(E: The Times vom 20. Oktober 1939. - D: Eigene
Übersetzung.)
Nachdem im Grunde die praktischen Möglichkeiten, zu einer raschen
deutsch-englischen Verständigung zu kommen, durch den formellen
Abschluß des britisch-polnischen Beistandspaktes und die darin
beschlossene Bestätigung der an Polen gegebenen
Blanko-Vollmacht vereitelt waren, ging die
britische Antwortnote vom 28.
August 1939 gleichwohl noch einmal auf dieses Angebot ein. Indessen ließ
ihre Formulierung deutlich erkennen, daß man es in London nur auf eine
dilatorische Behandlung dieser ernsten und schicksalsschweren Frage angelegt
hatte und infolgedessen einer genauen Stellungnahme auszuweichen
trachtete.
Memorandum der Britischen Regierung vom 28.
August 1939, dem Führer vom britischen Botschafter abends 22.30
Uhr übergeben
Seiner Majestät Regierung hat die ihr vom Herrn Deutschen Reichskanzler
durch den Britischen Botschafter in Berlin übermittelte Botschaft
empfangen und hat dieselbe mit der ihr gebührenden Sorgfalt
geprüft.
1. Seiner Majestät Regierung hat den vom Herrn Reichskanzler
zum Ausdruck gebrachten Wunsch, daß Freundschaft die Grundlage
[216] der Beziehungen zwischen Deutschland und
dem Britischen Imperium bilden möge, zur Kenntnis genommen, und sie
teilt diesen Wunsch voll und ganz. Auch sie glaubt, wie der Herr Reichskanzler,
daß, wenn eine vollständige und dauernde Verständigung
zwischen diesen zwei Nationen hergestellt werden könnte, es beiden
Völkern unermeßlichen Segen bringen würde.
2. Die Botschaft des Herrn Reichskanzlers behandelt zwei Gruppen von
Fragen - diejenigen, die gegenwärtig Gegenstand von Differenzen
zwischen Deutschland und Polen sind, und diejenigen, die die endgültigen
Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien berühren. Im
Zusammenhang mit diesen zuletzt genannten Fragen ersieht Seiner
Majestät Regierung, daß der Herr Reichskanzler gewisse
Vorschläge angedeutet hat, die er unter einer Bedingung der Britischen
Regierung zur Herbeiführung einer allgemeinen Verständigung zu
unterbreiten bereit sein würde. Diese Vorschläge sind
naturgemäß in sehr allgemeiner Form gehalten und würden
eine genauere Definierung erfordern, aber Seiner Majestät Regierung ist
voll und ganz bereit, sie mit einigen Zusätzen als Gegenstand von
Unterhaltungen anzunehmen, und sie würde bereit sein, wenn die
Streitfragen zwischen Deutschland und Polen auf friedlichem Wege beigelegt
werden, sobald wie möglich diesbezügliche Besprechungen
einzuleiten mit dem aufrichtigen Wunsche, zu einer Verständigung zu
gelangen.
3. Die Bedingung, die der Herr Reichskanzler festlegt, ist, daß
eine Lösung der zwischen Deutschland und Polen bestehenden Differenzen
vorangehen muß. In dieser Beziehung ist Seiner Majestät Regierung
vollkommen gleicher Ansicht. Alles hängt jedoch ab von der Art der
Lösung und von der Methode, die zur Erzielung derselben angewandt wird.
Zu diesen Punkten, deren Wichtigkeit dem Herrn Reichskanzler
gegenwärtig sein wird, ist in seiner Botschaft nichts gesagt, und Seiner
Majestät Regierung fühlt sich gezwungen, darauf hinzuweisen,
daß eine Verständigung bezüglich dieser beiden Punkte
für die Erzielung eines weiteren Fortschrittes unbedingt notwendig ist. Die
Deutsche Regierung wird sich dessen bewußt sein, daß Seiner
Majestät Regierung gegenüber Polen Verpflichtungen hat, die sie
binden und die einzulösen sie beabsichtigt. Sie könnte nicht wegen
irgendeines Großbritannien angebotenen Vorteils einer Lösung
zustimmen, die die Unabhängigkeit eines Staates gefährden
würde, dem sie ihre Garantie gegeben hat.
4. Nach Ansicht Seiner Majestät Regierung könnte und
sollte eine vernünftige Lösung der Differenzen zwischen
Deutschland und Polen auf dem Wege der Vereinbarung zwischen den beiden
Nationen erzielt werden auf einer Grundlage, die die Sicherstellung der
wesentlichen Interessen Polens einbeziehen würde, und Seiner
Majestät Regierung erinnert sich, daß der Herr Reichskanzler in
seiner Rede am 28. April
die Wichtigkeit dieser Interessen für Polen
anerkannt hat.
Wie jedoch der britische Premierminister in seinem Schreiben vom 22. August an
den Herrn Reichskanzler zum Ausdruck brachte, ist es nach Ansicht Seiner
Majestät Regierung unerläßlich für den [217] Erfolg der Besprechungen, die der
Vereinbarung vorangehen würden, daß es im voraus
feststünde, daß ein zu erzielendes Abkommen von anderen
Mächten garantiert werden würde. Seiner Majestät Regierung
würde bereit sein, wenn der Wunsch dazu ausgesprochen werden sollte, zu
der wirksamen Durchführung einer solchen Garantie beizutragen.
Nach Ansicht Seiner Majestät Regierung folgt hieraus, daß als
nächster Schritt direkte Verhandlungen zwischen der Deutschen und
Polnischen Regierung eingeleitet werden sollten auf einer Grundlage, die die oben
erwähnten Grundsätze einschließen würde,
nämlich die Sicherstellung der unentbehrlichen Interessen Polens und die
Sicherstellung des Abkommens durch eine internationale Garantie. Seiner
Majestät Regierung hat bereits eine definitive Zusicherung von der
Polnischen Regierung erhalten, daß diese bereit ist, auf dieser Grundlage in
Besprechungen einzutreten, und Seiner Majestät Regierung hofft, daß
die Deutsche Regierung ihrerseits ebenfalls bereit sein würde, einem
solchen Verfahren zuzustimmen.
Wenn, wie Seiner Majestät Regierung hofft, solche Besprechungen zu einer
Vereinbarung führen würden, so wäre der Weg offen für
Besprechungen über jene breitere und umfassendere Verständigung
zwischen Großbritannien und Deutschland, die beide Nationen
erstreben.
5. Seiner Majestät Regierung stimmt mit dem Herrn
Reichskanzler darin überein, daß eine der
hauptsächlichsten Gefahren in der zwischen Deutschland und Polen
bestehenden Lage in Berichten über die Behandlung der Minderheiten ihren
Ursprung hat. Der gegenwärtige Spannungszustand, zusammen mit den ihn
begleitenden Grenzzwischenfällen, Berichten über
Mißhandlungen und der aufreizenden Propaganda ist eine ständige
Gefahr für den Frieden. Es ist offensichtlich eine Frage
äußerster Dringlichkeit, daß alle Zwischenfälle dieser
Art unverzüglich und mit fester Hand unterdrückt werden, und
daß die Verbreitung unbestätigter Gerüchte verhindert wird,
um eine Frist zu erlangen, in der ohne Provokation auf beiden Seiten eine
eingehende Prüfung der Möglichkeiten einer Lösung
unternommen werden könnte. Seiner Majestät Regierung ist
überzeugt, daß beide beteiligten Regierungen sich dieser
Erwägung völlig bewußt sind.
6. Seiner Majestät Regierung hat ihre eigene Haltung
gegenüber den besonderen zwischen Deutschland und Polen strittigen
Angelegenheiten erschöpfend zum Ausdruck gebracht. Sie vertraut darauf,
daß der Herr Reichskanzler nicht glauben wird, daß Seiner
Majestät Regierung, weil sie ihre Verpflichtung gegenüber Polen
genau nimmt, aus diesem Grunde nicht bestrebt ist, ihren ganzen Einfluß
für das Zustandekommen einer sowohl Deutschland wie Polen
befriedigenden Lösung einzusetzen.
Daß eine solche Lösung erzielt werden sollte, erscheint Seiner
Majestät Regierung als unbedingt notwendig, nicht nur aus Gründen,
die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lösung selbst entstehen,
sondern auch wegen der umfassenderen Erwägungen, von denen der Herr
Reichskanzler mit solcher Überzeugung gesprochen hat.
[218] 7. Es ist unnötig, in der
vorliegenden Antwort die Vorteile einer friedlichen Lösung hervorzuheben
gegenüber einem Entschluß, die in Frage kommenden Probleme mit
Waffengewalt zu lösen. Die Folgen eines Entschlusses, Gewalt zu
gebrauchen, sind in dem Schreiben
des Premierministers vom 22. August an den
Herrn Reichskanzler klar dargelegt worden, und Seiner Majestät Regierung
zweifelt nicht daran, daß diese Folgen vom Herrn Reichskanzler genau so
klar erkannt werden wie von Seiner Majestät Regierung selbst.
Andererseits glaubt Seiner Majestät Regierung, indem sie mit Interesse den
in der Botschaft des Herrn Reichskanzlers enthaltenen Hinweis auf eine
Begrenzung der Rüstungen zur Kenntnis nimmt, daß, wenn eine
friedliche Lösung erreicht werden kann, die Unterstützung der Welt
zuversichtlich vorausgesetzt werden könnte für praktische
Maßnahmen, die es ermöglichen würden, den Übergang
von einer Vorbereitung zum Kriege auf eine normale Tätigkeit friedlichen
Handels sicher und reibungslos durchzuführen.
8. Eine gerechte Lösung dieser zwischen Deutschland und Polen
bestehenden Fragen kann den Weg zum Weltfrieden öffnen. Das
Ausbleiben einer solchen Lösung würde die Hoffnung auf eine
bessere Verständigung zwischen Deutschland und Großbritannien
zerschlagen, würde die beiden Nationen in Konflikt bringen und
könnte sehr wohl die gesamte Welt in den Krieg stürzen. Ein solches
Ergebnis wäre eine Katastrophe ohne Beispiel in der Geschichte.
(E: Cmd. 6106. No. 74. - D: Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
463.)
Über die offenkundig hinhaltende Taktik der britischen Regierung
hinwegsehend, leitete der Führer seine Antwortnote vom 29. August 1939
mit den Sätzen ein:
"Der Kgl. Britische Botschafter in Berlin hat der Kgl. Britischen Regierung
Anregungen übermittelt, die ich vorschlagen zu müssen glaubte, um
- dem Willen der Reichsregierung nach einer aufrichtigen
deutsch-englischen Verständigung, Zusammenarbeit und Freundschaft noch
einmal Ausdruck zu geben,
- keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, daß eine solche
Verständigung nicht erkauft werden könnte mit dem Verzicht auf
lebenswichtige deutsche Interessen oder gar einer Preisgabe von Forderungen, die
ebenso im allgemeinen menschlichen Recht wie in der nationalen Würde
und Ehre unseres Volkes begründet sind.
Mit Befriedigung hat die Deutsche Regierung aus den Antwortschreiben der Kgl.
Britischen Regierung und den mündlichen Erläuterungen des Kgl.
Britischen Botschafters entnommen, daß die Kgl. Britische Regierung auch
ihrerseits bereit ist, das
deutsch-englische Verhältnis zu bessern, es im Sinne der deutschen
Anregungen zu entwickeln und auszubauen." (Dokumente
zur Vorgeschichte des
Krieges, Nr. 464.)
[219] Diese Einleitung ließ klar erkennen,
daß der Führer bestrebt war, alle Empfindlichkeiten beiseitezusetzen
und nur auf diejenigen Punkte der englischen Note einzugehen, die die friedliche
Entwicklung der Lage positiv zu fördern geeignet waren. Trotz aller
Zweifel in die polnische Verhandlungsbereitschaft beschränkte sich die
Note daher darauf, das in dem britischen Memorandum enthaltene
Vermittlungsangebot anzunehmen und das Einverständnis der deutschen
Regierung zu erklären, daß ein mit allen Vollmachten versehener
polnischer Vertreter bis zum 30. August 1939 die Verhandlungen in Berlin
übernähme. Sir Nevile Henderson hat auch zu dieser
Unterredung, welche die Rückgabe der deutschen Antwortnote begleitete,
einen aufschlußreichen Kommentar gegeben. In seinem Telegramm an Lord
Halifax vom 29. August 1939 bestätigte er, daß der Führer
wiederholt hatte, er wünsche die britische Freundschaft mehr als irgend
etwas auf der Welt. Aber er könne nicht Deutschlands Lebensinteressen
dafür opfern. "Es sei ein unerträglicher Vorschlag, wenn Seiner
Majestät Regierung über einen solchen Gegenstand einen Handel
abschließen wolle". (Cmd. 6106. No. 80.)
Das Schicksal der angeblichen britischen "Vermittlungsaktion" ist bekannt: in
ihrem Memorandum vom 30. August 1939
ließ die britische Regierung
durchblicken, daß sie zu einer tatsächlichen Vermittlung in
Wirklichkeit gar nicht gewillt gewesen war; sie beschränkte sich darauf, die
Reichsregierung nunmehr auf den "unmittelbaren Meinungsaustausch" mit der
polnischen Regierung zu verweisen. Es war damit klar, daß die ganzen
letzten Ereignisse auf seiten der britischen Regierung überhaupt nur noch
Einzelheiten eines taktischen Spiels gewesen waren, das darauf abgezielt hatte,
Zeit zu gewinnen und das zu diesem Zweck mit Hilfe einer bewußt
ungenauen Ausdrucksweise den Anschein erweckt hatte, als wenn die britische
Regierung zu einer wirklichen Vermittlung zwischen Deutschland und Polen
bereit und imstande gewesen sei. Die Dokumente des britischen Blaubuches selbst
haben erwiesen, in welchem Maße hier von britischer Seite ein falsches
Spiel getrieben worden ist. Während der ganze "Vermittlungsvorschlag"
auf der in dem britischen
Memorandum vom 28. August zum Ausdruck
gebrachten Behauptung beruht hatte, man habe in London bereits eine "definitive
Zusicherung" von der polnischen Regierung über ihre
Verhandlungsbereitschaft erhalten, geht aus dem britischen Blaubuch hervor,
daß davon überhaupt nicht die Rede sein konnte.
Noch in einem Telegramm vom 30. August 1939 berichtet nämlich der
britische Botschafter in Warschau, Sir Howard Kennard, an Lord Halifax,
er sei sicher, "daß es unmöglich sein würde, die polnische
Regierung dazu zu veranlassen, Herrn Beck oder irgendeinen anderen Vertreter
sofort nach Berlin zu entsenden, um eine Vermittlung auf der von Herrn Hitler
vorgeschlagenen Grundlage zu erörtern". (Cmd. 6106.
No. 84.)
Die Aufdeckung des britischen Falschspiels durch die Note vom 30. August 1939
bedeutete naturgemäß das Ende der deutschen
Verständigungsbemühungen. Zwar ließ der Führer auch
jetzt noch keine Möglichkeit ungenutzt, die eine friedliche Regelung
hätte herbeiführen [220] können. Indessen war allen diesen
Friedensbemühungen das Rückgrat gebrochen, das bei der
gegenwärtigen politischen Verfassung Europas naturnotwendig in einer
deutsch-englischen Verständigung liegen muß.
Die englische Intransigenz hatte den Ausbruch des Konflikts unvermeidlich
gemacht. Vom 1. September ab mußte sich Deutschland mit Waffengewalt
der polnischen Übergriffe erwehren. In seiner Reichstagsrede am 1.
September 1939 setzte der Führer die Gründe des deutschen
Vorgehens auseinander. Auch in dieser Rede wird noch einmal erkenntlich,
welche Möglichkeiten einer friedlichen Entwicklung durch die
vorgehenden Ereignisse vernichtet worden waren.
Aus der Reichstagsrede des Führers vom 1.
September 1939
Wenn nun Staatsmänner im Westen erklären, daß dies ihre
Interessen berühre, so kann ich eine solche Erklärung nur bedauern;
sie kann mich aber nicht eine Sekunde in der Erfüllung meiner Pflicht
wankend machen. Ich habe es feierlich versichert und wiederhole es, daß
wir von diesen Weststaaten nichts fordern und nie etwas fordern werden. Ich habe
versichert, daß die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland eine
endgültige ist. Ich habe England immer wieder eine Freundschaft und,
wenn notwendig, das engste Zusammengehen angeboten. Aber Liebe kann nicht
nur von einer Seite geboten werden, sie muß von der anderen ihre
Erwiderung finden. Deutschland hat keine Interessen im Westen. Unser Westwall
ist zugleich für alle Zeiten die Grenze des Reiches. Wir haben auch
keinerlei Ziel für die Zukunft, und diese Einstellung des Reiches wird sich
nicht mehr ändern.
(Verhandlungen des Reichstages, Bd. 460, S.
46f.)
Die britische Regierung steuerte nunmehr zielbewußt auf die
Ausbreitung und Verallgemeinerung des
deutsch-polnischen Konfliktes zu. Ihre
ultimativen Noten vom 1.,
3. September und die
planmäßige Vereitelung des italienischen
Vermittlungsvorschlages und die Kriegserklärung vom 3. September
bezeichnen die letzten Etappen ihres auf den Ausbruch des allgemeinen Krieges
angelegten diplomatischen Spiels.
Note der britischen Regierung vom 1. September
1939,
dem Reichsaußenminister von Botschafter Henderson
um 21 Uhr übergeben
Euer Exzellenz!
Im Auftrage des Ministers Seiner Majestät für Auswärtige
Angelegenheiten beehre ich mich, folgende Mitteilung zu machen.
In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages hat der Deutsche
Reichskanzler einen Aufruf an die Deutsche Wehrmacht erlassen, aus dem klar
hervorging, daß er im Begriff war, Polen anzugreifen.
Aus Nachrichten, die zur Kenntnis der Regierung Seiner Majestät [221] im Vereinigten Königreich und der
Französischen Regierung gelangt sind, geht hervor, daß deutsche
Truppen die polnische Grenze überschritten haben und daß Angriffe
auf polnische Städte im Gange sind.
Unter diesen Umständen sind die Regierungen des Vereinigten
Königreichs und Frankreichs der Auffassung, daß die Deutsche
Regierung durch diese ihre Handlung die Voraussetzung geschaffen hat
(nämlich einen agressiven Gewaltakt gegenüber Polen, der dessen
Unabhängigkeit bedroht), welche seitens der Regierungen des Vereinigten
Königreichs und Frankreichs die Erfüllung ihrer Verpflichtungen,
Polen Beistand zu leisten, erheischen.
Ich bin daher beauftragt, Euer Exzellenz mitzuteilen, daß die Regierung
Seiner Majestät im Vereinigten Königreich ohne Zögern ihre
Verpflichtungen gegenüber Polen erfüllen wird, wenn nicht die
Deutsche Regierung bereit ist, der Regierung des Vereinigten Königreichs
befriedigende Zusicherungen dahingehend abzugeben, daß die Deutsche
Regierung jegliche Angriffshandlung gegen Polen eingestellt hat und bereit ist,
ihre Truppen unverzüglich aus polnischem Gebiet
zurückzuziehen.
Nevile Henderson
(E: Cmd. 6106. No. 105. - D: Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
472.)
Notiz des italienischen Botschafters Attolico, dem
Auswärtigen Amt am 2. September 1939 vormittags
übergeben
Zur Information läßt Italien wissen, natürlich jede
Entscheidung dem Führer überlassend, daß es noch die
Möglichkeit hätte, von Frankreich, England und Polen eine
Konferenz auf folgenden Grundlagen annehmen zu lassen:
- Waffenstillstand, der die Armeen läßt, wo sie jetzt
sind;
- Einberufung der Konferenz in zwei bis drei Tagen;
- Lösung des polnisch-deutschen Streits, welche, wie die Sachen heute
liegen, sicher günstig für Deutschland sein würde.
Für den Gedanken, der ursprünglich vom Duce ausgegangen ist, setzt
sich heute besonders Frankreich ein.
(Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
474.)
Mitteilung der Havas-Agentur vom 2. September
1939
Die Französische Regierung ist gestern ebenso wie mehrere andere
Regierungen mit einem italienischen Vorschlag zur Regelung der
europäischen Schwierigkeiten befaßt worden. Nach Beratung
über diesen Vorschlag hat die Französische Regierung eine positive
Antwort gegeben.
(Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
475.)
[222]
Aus der Unterhausrede des britischen
Premierministers Chamberlain vom 2. September 1939
nachmittags
Eine gleichlautende Erklärung
wurde kurze Zeit später vom
Außenminister Lord Halifax im Oberhaus abgegeben.
Auf die mahnende Botschaft, die gestern abend Deutschland übermittelt
wurde, ist bisher noch keine Antwort eingelaufen.
Es ist möglich, daß diese Verzögerung auf von der
italienischen Regierung gemachte Vorschläge zurückzuführen
ist, wonach eine Einstellung der Feindseligkeiten erfolgen und unverzüglich
eine Konferenz zwischen Großbritannien, Frankreich, Polen, Deutschland
und Italien einberufen werden sollte.
Der Britischen Regierung ist es aber nicht möglich, an einer Konferenz
teilzunehmen zu einer Zeit, da Polen einer Invasion ausgesetzt ist, polnische
Städte mit Bomben belegt werden und Danzig durch Gewalt Gegenstand
einer einseitigen Lösung geworden ist.
(E: Cmd. 6106. No. 116. - D: Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
476.)
Note der britischen Regierung vom 3. September 1939,
von Botschafter Henderson vormittags 9 Uhr
im Auswärtigen Amt übergeben
Euer Exzellenz!
In der Mitteilung, welche
ich die Ehre hatte, Ihnen am 1. September zu machen,
unterrichtete ich Sie auf Weisung des Staatssekretärs für
Auswärtige Angelegenheiten Seiner Majestät, daß die
Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreich ohne
Zögern ihre Verpflichtungen gegenüber Polen erfüllen werde,
wenn nicht die Deutsche Regierung bereit sei, der Regierung Seiner
Majestät im Vereinigten Königreich befriedigende Zusicherungen
dahingehend abzugeben, daß die Deutsche Regierung jegliche
Angriffshandlung gegen Polen eingestellt habe und bereit sei, ihre Truppen
unverzüglich aus polnischem Gebiet zurückzuziehen.
Obwohl diese Mitteilung vor mehr als 24 Stunden erfolgte, ist keine Antwort
eingegangen, hingegen wurden die deutschen Angriffe auf Polen fortgesetzt und
verstärkt. Ich habe demgemäß die Ehre, Sie davon zu
unterrichten, daß, falls nicht bis 11 Uhr vormittags britischer Sommerzeit
am heutigen Tage, dem 3. September, eine befriedigende Zusicherung im oben
erwähnten Sinne von der Deutschen Regierung erteilt wird und bei Seiner
Majestät Regierung in London eintrifft, ein Kriegszustand zwischen den
beiden Ländern von dieser Stunde an bestehen wird.
Nevile Henderson
(E: Cmd. 6106. No. 118. - D: Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
477.)
[223]
Note des britischen Außenministers Lord
Halifax an den Deutschen Geschäftsträger in London vom 3.
September 1939, vormittags 11.15 Uhr
übergeben
Herr Geschäftsträger!
Am 1. September unterrichtete der Botschafter Seiner Majestät in Berlin
auf meine Weisung hin die dortige Regierung davon, daß die Regierung
Seiner Majestät im Vereinigten Königreich ohne Zögern ihre
Verpflichtung gegenüber Polen erfüllen werde, wenn nicht die
Deutsche Regierung bereit sei, der Regierung Seiner Majestät im
Vereinigten Königreich befriedigende Zusicherungen dahinge[he]nd
abzugeben, daß die Deutsche Regierung jegliche Angriffshandlung gegen
Polen eingestellt habe und bereit sei, ihre Truppen unverzüglich aus
polnischem Gebiet zurückzuziehen.
Um 9 Uhr vormittags am heutigen Tage unterrichtete der Botschafter Seiner
Majestät in Berlin auf meine Weisung hin die Deutsche Regierung
dahingehend, daß, falls nicht bis 11 Uhr vormittags britische Sommerzeit
am heutigen Tage, dem 3. September, eine befriedigende Zusicherung im
obengenannten Sinne von der Deutschen Regierung erteilt wird und bei Seiner
Majestät Regierung in London eintrifft, ein Kriegszustand zwischen den
beiden Ländern von dieser Stunde an bestehen wird.
Da keine solche Zusicherungen eingingen, habe ich die Ehre, Sie davon zu
unterrichten, daß ein Kriegszustand zwischen den beiden Ländern
von 11 Uhr vormittags am heutigen Tage, dem 3. September, an gerechnet,
besteht.
Halifax
(D: Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
478.)
Bezeichnenderweise fehlt diese Note im britischen Blaubuch Cmd. 6106. Die rein
propagandistische Anlage dieser englischen Veröffentlichung zeigt sich
auch daran wieder: man hielt es offenbar für klüger, die Tatsache zu
verschleiern, daß England diesen Krieg erklärt hat.)
Memorandum der Reichsregierung vom 3.
September 1939,
dem britischen Botschafter vom Reichsaußenminister
vormittags 11.30 Uhr ausgehändigt
Eine Abschrift dieses Memorandums wurde dem
Französischen Botschafter
vom Reichsaußenminister am 3. September 1939, mittags 12.20 Uhr,
übergeben.
Die Deutsche Reichsregierung hat das Ultimatum der Britischen Regierung vom
3. September 1939 erhalten. Sie beehrt sich, darauf folgendes zu erwidern:
1. Die Deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk lehnen es ab,
von der Britischen Regierung ultimative Forderungen entgegenzunehmen,
anzunehmen oder gar zu erfüllen.
2. Seit vielen Monaten herrscht an unserer Ostgrenze der
tatsäch- [224] liche Zustand des
Krieges. Nachdem der Versailler Vertrag Deutschland erst zerrissen hat, wurde
allen deutschen Regierungen seitdem jede friedliche Regelung verweigert. Auch
die nationalsozialistische Regierung hat nach dem Jahre 1933 immer wieder
versucht, auf dem Wege friedlicher Aushandlungen die schlimmsten
Vergewaltigungen und Rechtsbrüche dieses Vertrages zu beseitigen. Es ist
mit in erster Linie die Britische Regierung gewesen, die durch ihr intransigentes
Verhalten jede praktische Revision vereitelte. Ohne das Dazwischentreten der
Britischen Regierung wäre - dessen sind sich die Deutsche
Reichsregierung und das deutsche Volk
bewußt - zwischen Deutschland und Polen sicher eine
vernünftige und beiden Seiten gerecht werdende Lösung gefunden
worden. Denn Deutschland hatte nicht die Absicht oder die Forderung gestellt,
Polen zu vernichten. Das Reich forderte nur die Revision jener Artikel des
Versailler Vertrages, die von einsichtsvollen Staatsmännern aller
Völker schon zur Zeit der Abfassung dieses Diktates für eine
große Nation sowohl als für die gesamten politischen und
wirtschaftlichen Interessen Osteuropas auf die Dauer als untragbar und damit
unmöglich bezeichnet worden waren. Auch britische Staatsmänner
erklärten die damals Deutschland aufgezwungene Lösung im Osten
als den Keim späterer Kriege. Diese Gefahr zu beseitigen, war der Wunsch
aller deutschen Reichsregierungen und besonders die Absicht der neuen
nationalsozialistischen Volksregierung. Diese friedliche Revision verhindert zu
haben, ist die Schuld der britischen Kabinettspolitik.
3. Die Britische Regierung hat - ein einmaliger Vorgang in der
Geschichte - dem polnischen Staat eine Generalvollmacht erteilt für
alle Handlungen gegen Deutschland, die dieser Staat etwa vorzunehmen
beabsichtigen würde. Die Britische Regierung sicherte der Polnischen
Regierung unter allen Umständen für den Fall, daß sich
Deutschland gegen irgendeine Provokation oder einen Angriff zur Wehr setzen
würde, ihre militärische Unterstützung zu. Daraufhin hat der
polnische Terror gegen die in den einst von Deutschland weggerissenen Gebieten
lebenden Deutschen sofort unerträgliche Formen angenommen. Die Freie
Stadt Danzig wurde gegen alle
gesetzlichen Bestimmungen rechtswidrig
behandelt, erst wirtschaftlich und zollpolitisch mit der Vernichtung bedroht und
endlich militärisch zerniert und verkehrstechnisch abgedrosselt. Alle diese
der Britischen Regierung genau bekannten Verstöße gegen das
Gesetz des Danziger Status wurden gebilligt und durch die ausgestellte
Blankovollmacht an Polen gedeckt. Die Deutsche Regierung hat, ergriffen von
dem Leid der von Polen gequälten und unmenschlich mißhandelten
deutschen Bevölkerung, dennoch fünf Monate lang geduldig
zugesehen, ohne auch nur einmal gegen Polen eine ähnlich aggressive
Handlung zu betätigen.
Sie hat nur Polen gewarnt, daß diese Vorgänge auf die Dauer
unerträglich sein würden und daß sie entschlossen sei,
für den Fall, daß dieser Bevölkerung sonst keine Hilfe
würde, zur Selbsthilfe zu schreiten. Alle diese Vorgänge waren der
Britischen Regierung auf das genaueste bekannt. Es wäre ihr ein leichtes
gewesen, ihren großen
Ein- [225] fluß in Warschau
aufzubieten, um die dortigen Machthaber zu ermahnen, Gerechtigkeit und
Menschlichkeit walten zu lassen und die bestehenden Verpflichtungen
einzuhalten. Die Britische Regierung hat dies nicht getan. Sie hat im Gegenteil
unter steter Betonung ihrer Pflicht, Polen unter allen Umständen
beizustehen, die Polnische Regierung geradezu ermuntert, in ihrem
verbrecherischen, den Frieden Europas gefährdenden Verhalten
fortzufahren. Die Britische Regierung hat aus diesem Geiste heraus den den
Frieden Europas immer noch retten könnenden Vorschlag Mussolinis
zurückgewiesen, obwohl die Deutsche Reichsregierung ihre
Bereitwilligkeit erklärt hatte, darauf einzugehen. Die Britische Regierung
trägt daher die Verantwortung für all das Unglück und das
Leid, das jetzt über viele Völker gekommen ist und kommen
wird.
4. Nachdem alle Versuche, eine friedliche Lösung zu finden und
abzuschließen, durch die Intransigenz der von England gedeckten
Polnischen Regierung unmöglich gemacht worden waren, nachdem die
schon seit Monaten bestehenden bürgerkriegsähnlichen
Zustände an der Ostgrenze des Reichs, ohne daß die Britische
Regierung etwas dagegen einzuwenden hätte, sich allmählich zu
offenen Angriffen auf das Reichsgebiet verstärkten, hat sich die Deutsche
Reichsregierung entschlossen, dieser fortdauernden und für eine
Großmacht unerträglichen Bedrohung des erst äußeren
und dann endlich auch inneren Friedens des deutschen Volkes ein Ende zu
bereiten mit jenen Mitteln, die, nachdem die Regierungen der Demokratien alle
anderen Revisionsmöglichkeiten praktisch sabotiert hatten, allein noch
übrigbleiben, um die Ruhe, die Sicherheit und die Ehre des Deutschen
Reiches zu verteidigen. Sie hat auf die letzten, das Reichsgebiet bedrohenden
Angriffe der Polen mit gleichen Maßnahmen geantwortet. Die Deutsche
Reichsregierung ist nicht gewillt, infolge irgendwelcher britischer Absichten oder
Verpflichtungen im Osten Zustände zu dulden, die jenen gleichen, wie wir
sie in dem unter britischem Protektorat stehenden
Palästina vorfinden. Das
deutsche Volk aber ist vor allem nicht gewillt, sich von Polen mißhandeln
zu lassen.
5. Die Deutsche Reichsregierung lehnt daher die Versuche, durch eine
ultimative Forderung Deutschland zu zwingen, seine zum Schutze des
Reiches angetretene Wehrmacht wieder zurückzurufen und damit die alte
Unruhe und das alte Unrecht erneut hinzunehmen, ab. Die Drohung, Deutschland
ansonsten im Kriege zu bekämpfen, entspricht der seit Jahren proklamierten
Absicht zahlreicher britischer Politiker. Die Deutsche Reichsregierung und das
deutsche Volk haben dem englischen Volk unzählige Male versichert, wie
sehr sie eine Verständigung, ja eine engste Freundschaft mit ihm
wünschen. Wenn die Britische Regierung diese Angebote bisher immer
ablehnte und nunmehr mit einer offenen Kriegsdrohung beantwortet, ist dies nicht
Schuld des deutschen Volkes und seiner Regierung, sondern ausschließlich
Schuld des britischen Kabinetts bzw. jener Männer, die seit Jahren die
Vernichtung und Ausrottung des deutschen Volkes predigen. Das deutsche Volk
und seine Regierung haben nicht wie Großbritannien die [226] Absicht,
die Welt zu beherrschen, aber sie sind
entschlossen, ihre eigene Freiheit, ihre Unabhängigkeit und vor allem ihr
Leben zu verteidigen. Die im Auftrag der Britischen Regierung von Herrn King
Hall uns mitgeteilte Absicht, das deutsche Volk noch mehr zu vernichten als
durch den Versailler
Vertrag, nehmen wir zur Kenntnis und werden daher jede
Angriffshandlung Englands mit den gleichen Waffen und in der gleichen Form
beantworten.
(Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Nr.
479.)
Nach dem erfolgreichen Abschluß des polnischen Feldzuges unternahm
der Führer in seiner Reichstagsrede vom
6. Oktober 1939 einen letzten
Schritt zum Frieden und zur Verständigung. Das Schicksal dieses Schrittes
ist bekannt: England stieß die ausgestreckte deutsche Friedenshand
zurück.
Aus der Reichstagsrede des Führers vom 6.
Oktober 1939
Nicht geringer waren meine Bemühungen für eine
deutsch-englische Verständigung, ja, darüber hinaus für eine
deutsch-englische Freundschaft. Niemals und an keiner Stelle bin ich wirklich den
britischen Interessen entgegengetreten. Leider mußte ich mich nur zu oft
britischer Eingriffe deutschen Interessen gegenüber erwehren, auch dort,
wo sie England nicht im geringsten berührten. Ich habe es geradezu als ein
Ziel meines Lebens empfunden, die beiden Völker nicht nur
verstandes-, sondern auch gefühlsmäßig einander
näherzubringen. Das deutsche Volk ist mir auf diesem Wege willig gefolgt.
Wenn mein Bestreben mißlang, dann nur, weil eine mich persönlich
geradezu erschütternde Feindseligkeit bei einem Teil britischer
Staatsmänner und Journalisten vorhanden war, die kein Hehl daraus
machten, daß es ihr einziges Ziel wäre, aus Gründen, die uns
unerklärlich sind, gegen Deutschland bei der ersten sich bietenden
Gelegenheit wieder den Kampf zu eröffnen. Je weniger sachliche
Gründe diese Männer für ihr Beginnen besitzen, um so mehr
versuchen sie, mit leeren Phrasen und Behauptungen eine Motivierung ihres
Handelns vorzutäuschen. Ich glaube aber auch heute noch, daß es
eine wirkliche Befriedung in Europa und in der Welt nur geben kann, wenn sich
Deutschland und England verständigen. Ich bin aus dieser
Überzeugung heraus sehr oft den Weg zu einer Verständigung
gegangen. Wenn dies am Ende doch nicht zum gewünschten Ergebnis
führte, dann war es wirklich nicht meine Schuld.
(Verhandlungen des Reichstags, Bd. 460, S.
59.)
Reichsaußenminister von Ribbentrop hat in seiner Rede in Danzig am
24. Oktober 1939 das historische Fazit der deutschen
Friedens- und Verständigungspolitik gezogen. Seine Feststellungen bilden
das Schlußwort zu einer Epoche von nahezu 7 Jahren, in der die in ihrer
Tragweite unabsehbare Möglichkeit zu einem Neubau Europas und einer
fruchtbaren weltpolitischen Entwickelung auf der Grundlage des
freundschaftlichen deutsch-englischen Zusammenwirkens bestanden hatte. Diese
welt- [227] geschichtliche Chance
ist nunmehr verpaßt. Die europäische Neuordnung wird sich auch so
unausweichlich vollziehen: wenn nicht mit England, dann ohne England
oder - gegen England.
Aus der Danziger Rede des
Reichsaußenministers von Ribbentrop vom 24. Oktober
1939
Die
Verständigung mit England war immer das Fundament der
Außenpolitik des Führers. Als außenpolitischer Mitarbeiter des
Führers kann ich es vor der Weltöffentlichkeit bekunden, daß
seit dem 30. Januar 1933 der Führer nichts, aber auch gar nichts unversucht
gelassen hat, um diese Verständigung mit England herbeizuführen.
Unzählige Reden, Handlungen, Taten des Führers, unzählige
Reisen von mir in seinem Auftrag nach England dienten ausschließlich
diesem Zweck. Dabei handelt es sich nicht etwa um vage Ideen, sondern um ganz
konkrete Vorschläge, die ich wiederholt dem englischen Premierminister,
Außenminister oder sonstigen maßgebenden Persönlichkeiten
des politischen Lebens im Auftrage des Führers unterbreitete. Diese
Angebote umfaßten im wesentlichen folgende Punkte:
- Ein deutsch-englisches Flottenabkommen auf der Basis 35 :100.
- Die ewige Unantastbarkeit der zwischen Deutschland und England
liegenden Länder Holland, Belgien und Frankreich.
- Respektierung der britischen Interessen in der Welt durch Deutschland und
Respektierung der deutschen Interessen in Osteuropa durch England.
- Ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen den beiden Ländern,
wobei Deutschland auf englische Waffenhilfe verzichtete, seinerseits aber bereit
war, sowohl seine Flotte als auch eine bestimmte Zahl von Divisionen jederzeit
England zur Sicherung seines Imperiums zur Verfügung zu
stellen.
England hat dies abgelehnt und dem Führer bei jeder Gelegenheit sowohl
durch den Mund verantwortlicher britischer Minister, Politiker, Parlamentarier als
auch durch die Presse zu verstehen gegeben, daß England auf die
Freundschaft Deutschlands keinerlei Wert legt.
Trotzdem hat der Führer seine Bemühungen, die ebenso seiner
gefühlsmäßigen Einstellung als auch seiner völkischen
Einsicht entsprangen, mit einer beispiellosen Zähigkeit und
Hartnäckigkeit fortgesetzt. Und erst nachdem er wieder und wieder bis an
die Grenze des Menschenmöglichen gegangen war, mußte er
erkennen, daß man in England nicht wolle. Der Führer hat dann
allerdings auch die Konsequenz aus dieser englischen Haltung gezogen und
nunmehr in nüchterner Erkenntnis der realen politischen Gegebenheiten die
deutsche Außenpolitik aufgebaut. Die Länder, deren Interessen denen
Deutschlands solidarisch waren, waren hierbei für Deutschland vor allem
von Bedeutung. Eine Annäherung an diese wurde gesucht und ihre
Freundschaft gefunden...
Meine Volksgenossen! Nunmehr zu den Gegnern und zu Englands
Kriegsschuld!
[228] Zunächst Frankreich: Ich glaube,
daß heute in der gesamten Weltöffentlichkeit nicht der geringste
Zweifel darüber besteht, daß das französische Volk diesen
Krieg nicht gewollt hat, daß das französische Volk lieber heute als
morgen Frieden haben möchte und daß ihm dieser Krieg mit einer
Verschlagenheit, einem Zynismus und einer Brutalität sondergleichen von
England und seinen Handlangern in Paris und in der französischen
Regierung aufgezwungen wurde.
England: Ich habe Ihnen bereits vorhin einen kurzen Überblick über
die englische Politik gegen Deutschland seit dem 30. Januar 1933 gegeben und
will Ihnen nunmehr heute abend den unwiderlegbaren Beweis erbringen,
daß dieser Krieg gegen Deutschland von der jetzigen englischen Regierung
seit Jahren heimlich und planmäßig vorbereitet wurde.
Die Münchener Konferenz ist im vorigen
Jahr von einem Teil der Welt als
das große Friedenswerk des derzeitigen englischen Premierministers
Chamberlain gerühmt worden. Nichts ist falscher als das.
Vergegenwärtigen wir uns nochmals die Lage, die zu München
führte. Die britische Regierung hatte der damaligen tschechoslowakischen
Regierung ihre Unterstützung gegen Deutschland in Aussicht gestellt und
damit aus diesem Problem, das ohne das Einmischen von England über
Nacht gelöst worden wäre, überhaupt erst eine
europäische Krise gemacht. Wenn daher Herr Chamberlain später in
München seine Hand zu einer halbwegs vernünftigen Lösung
dieses Problems, und zwar im allerletzten Augenblick bot, so hat er damit nichts
anderes getan, als seinen eigenen Fehler, durch den er die Krise erst schuf und
durch den er Europa an den Rand des Krieges gebracht hatte, zum Teil
wiedergutzumachen.Warum aber tat er das? Die Antwort gab uns die erste Rede,
die Herr Chamberlain nach seiner Rückkehr nach London hielt, und in der
er in der einen Hand den Ölzweig des Friedens heimbrachte, in der anderen
aber dem englischen Volk ein gigantisches Aufrüstungsprogramm
präsentierte. Das heißt also, Herr Chamberlain, der gehofft hatte,
Deutschland mit Kriegsdrohungen von seinen berechtigten Forderungen zur
Befreiung seiner Sudetendeutschen abzubringen, hat die Drohung lediglich
deshalb nicht ausgeführt, weil England rüstungsmäßig
nicht fertig war. Chamberlain war also nicht nach München gekommen, um
den Krieg zu verhindern, sondern um den von der britischen Regierung
beschlossenen Krieg nur zu verschieben.
Daß nun in England bereits seit Jahren eine systematische Hetze in der
Öffentlichkeit gegen alles Deutsche getrieben wurde, daß man
Vorbereitungen für einen kommenden Krieg nach jeder Richtung hin
traf - ich erinnere nur an die von Herrn Chamberlain kürzlich
zugegebene, bereits vor zwei Jahren erfolgte Organisation eines
Blockadeministeriums - ist bekannt. Im Winter 1938/39 aber steigerte sich
die Hetze in geradezu ungeheuerlicher Weise. Das englische Volk, das im Grunde
in Freundschaft mit dem deutschen Volk leben möchte, wurde jetzt ganz
offen mit allen Mitteln der Propaganda von den englischen Kriegshetzern, und
zwar unter Förderung durch die englische Regierung, in eine
Haß- und Panikstimmung gegen Deutschland gebracht. [229] Ich könnte Ihnen unzählige
Beispiele für diesen systematischen Propagandafeldzug geben.
Soweit die Propaganda! Das Ziel der englischen Regierung mußte es aber
nun sein, Großbritannien auch politisch und diplomatisch in einen
unüberbrückbaren Gegensatz zu Deutschland zu bringen, der es ihm
je nach Lage der Dinge ermöglichen sollte, den Krieg gegen Deutschland
zu dem ihr am günstigsten erscheinenden Zeitpunkt zu entfesseln. Dies
mußte wiederum in einer solchen Weise geschehen, daß es für
die kriegshetzerische britische Regierung vor ihrem eigenen Volk ein
Zurück nicht mehr geben konnte, das heißt also, es mußte ein
Vorwand gefunden werden, der es der britischen Regierung gestattete, dem
englischen Volk gegenüber den Kriegsgrund so zwingend erscheinen zu
lassen, daß jeder Engländer ein Zurückweichen als mit dem
Ansehen seiner Nation unvereinbar ansehen sollte. Diesen Zustand suchte Herr
Chamberlain herbeizuführen mit der Garantie
an Polen. Daß diese
Garantie nur ein Vorwand war, ergibt sich weiter eindeutig aus der soeben im
britischen Parlament abgegebenen offiziellen Erklärung der britischen
Regierung, daß die Garantie sich ausschließlich gegen Deutschland
richten sollte. Nicht die Unversehrtheit des polnischen Staates war für
England interessant, sondern ausschließlich die Waffenhilfe gegen
Deutschland.
Mit dieser Garantie, mit der sich England zu sofortigem, und zwar
unbeschränktem Beistand Polen gegenüber verpflichtete, hat England
das jahrhundertealte Fundament seiner kontinentalen Politik verlassen.
Während noch im Jahre 1936 sogar der bekannte Deutschenfeind Sir
Austen Chamberlain erklärte, England werde keinen Finger rühren
wegen des polnischen Korridors, England habe kein Interesse am Korridor, hat
nunmehr sein Bruder ausgerechnet für dieses allerschwerste Unrecht, das
Versailles Deutschland angetan hat, die englische Waffenhilfe verpfändet.
Diese Politik, die zunächst wahnsinnig erscheint, ist nur zu verstehen als
ein Ausdruck des konsequenten Willens Großbritanniens, sich unter allen
Umständen, und zwar in nicht zu ferner Zeit, einen Vorwand zu einem
Losschlagen gegen Deutschland zu verschaffen. Die Folgen dieser von England
klar berechneten Politik stellten sich programmäßig ein, und Sie,
meine Danziger Volksgenossen, haben sie am eigenen Leibe ja zur Genüge
zu spüren bekommen. Die Polen verfielen in einen Taumel des
Größenwahnsinns. Wiederum zeigten sich nun die wahren Absichten
der englischen Politik. Anstatt Polen, was für die englische Regierung ein
leichtes gewesen wäre, zu dem immer noch möglichen Ausgleich zu
raten, wissen wir heute, daß England nicht etwa Polen zur Ruhe ermahnte,
sondern zu aggressiven Handlungen geradezu aufgestachelt hat.
Ein weiterer Beweis für den absoluten Kriegswillen der britischen
Regierung gegen Deutschland sind die Vorgänge in den letzten Tagen
unmittelbar vor Ausbruch des Krieges. Der italienische Botschafter in Berlin
überbrachte am 2. September eine Botschaft
von Mussolini, wonach Italien
noch die Möglichkeit zu einer friedlichen Beilegung des polnischen
Konfliktes habe. Die Havas-Agentur vom gleichen Tage [230] veröffentlichte
die Zustimmung der
französischen Regierung zu diesem italienischen Friedensplan.
Während auch Deutschland zustimmte, wurde derselbe noch am
Nachmittag durch eine Erklärung des englischen
Außenministers
Lord Halifax abgelehnt. Daß der englische Premierminister, Herr
Chamberlain, die Stirn hat, diese Sabotierung des
Mussolini-Plans Deutschland zuzuschieben, ist ein erschütternder Beweis
seines schlechten Gewissens.
Ihr wahres Gesicht und ihren Vernichtungswillen gegenüber dem deutschen
Volk aber hat die englische Regierung gezeigt, als sie das großzügige
Friedensangebot, das der Führer
am 6. Oktober vor dem Reichstag an
England machte, ablehnte und durch ihren Sprecher, den britischen
Premierminister Chamberlain, mit Beschimpfungen beantworten ließ, die
im gesamten deutschen Volk hellste Empörung ausgelöst haben.
Jeder vernünftige Mensch muß sich nun fragen: Was ist eigentlich
der wahre Grund dieser gewissenlosen, ja an Wahnsinn grenzenden englischen
Außenpolitik?
Englische Kriegshetzer
behaupten, Deutschland strebe
nach der Weltherrschaft.
Diese Behauptung ist schon an sich verlogen und dumm, denn jeder Gymnasiast
weiß heute, daß es so etwas wie eine Weltherrschaft nicht mehr gibt
und wohl auch in Zukunft niemals mehr geben wird, aus einem englischen Munde
aber ist diese Behauptung eine Unverschämtheit. Denn: während
46 Millionen Engländer 40 Millionen Quadratkilometer besitzen, das
heißt über ein Viertel der gesamten Erdoberfläche
verfügen, verfügt Deutschland für seine 80 Millionen
nur über eine Fläche von zirka 600 000 Quadratkilometer.
Während England 611 Dominien, Kolonien, Protektorate, Reservate
und sonstige Schutzstaaten sein eigen nennt, hat Deutschland heute keinerlei
Kolonialbesitz. Wenn ich die von England in der Welt beherrschten Völker
Namen für Namen Ihnen vorlesen wollte, so würde diese heutige
Kundgebung zumindest um eine Stunde verlängert werden müssen.
So z. B. stehen in Indien neben 290 Millionen in den verschiedenen
Provinzen von Britisch-Indien wohnenden Indern noch 562 indische
Fürstentümer unter britischer Herrschaft. Es gibt kein Gebiet der
Erde, wo nicht die britische Flagge gegen den Willen der betroffenen
Völker weht, wo nicht Gewalttat, Raub und Lüge die Wege des
britischen Imperialismus kennzeichnen. Unermeßliche Reichtümer
hat Großbritannien so im Verlauf der Jahrhunderte aufgestapelt. Der
Vorwurf des Strebens nach Weltherrschaft trifft daher ausschließlich
England, Deutschland gegenüber ist
er - noch dazu aus englischem Munde - unverschämt oder
besser noch einfach lächerlich.
Der Führer hat wiederholt die sehr begrenzten Ziele der deutschen
Außenpolitik klar und eindeutig umschrieben. Sie heißen in einem
Satz zusammengefaßt: Sicherstellung des Lebens und der Zukunft des
deutschen Volkes in seinem natürlichen Lebensraum, der dem deutschen
Volksgenossen einen angemessenen Lebensstandard sichert und seine kulturelle
Entwicklung ermöglicht. Während die britische Regierung für
die kapitalistischen Interessen und den Luxus einer [231] Oberschicht kämpft, die großen
Massen der englischen Arbeiter aber tagtäglich um ihre Existenz und
soziale Verbesserungen ringen, ist das Ziel der nationalsozialistischen deutschen
Führung die Sicherung des täglichen Brotes jedes einzelnen seiner
80 Millionen Volksgenossen. Gerade diesem primitivsten Lebensrecht eines Volkes
aber stellt sich England entgegen.
Was ist nun das Resultat von sechseinhalb Jahren deutscher
Außenpolitik?
Der Prozeß der Konsolidierung des Deutschen Reiches in Europa ist
abgeschlossen. Das Unrecht von Versailles ist beseitigt, Deutschland hat durch die
Neuregelung im Osten Siedlungsraum für Generationen und ist zurzeit
bemüht, all die deutschen Splittergruppen in Europa, die umgesiedelt
werden können, in diesem Raum zu vereinigen. Es schafft damit
endgültige, klare völkische Zustände und Grenzen und
beseitigt durch diese großzügigen Umsiedlungsaktionen die
Möglichkeit zukünftiger Konflikte. Die Grenzen des Reiches im
Norden, Osten, Süden und Westen sind nunmehr endgültige.
Deutschland hat, wie der Führer auch in seiner letzten Reichstagsrede
wieder erklärte, an Frankreich und England mit Ausnahme der
Rückgabe des ehemaligen
deutschen Kolonialbesitzes, das heißt also
der selbstverständlichen kolonialen Betätigung, wie sie einer
Großmacht zusteht, keine Forderungen. Der Unsinn von Versailles ist
beseitigt, und in Europa sind stabile Verhältnisse geschaffen. Dies ist das
ausschließliche Verdienst des Führers.
Ausgerechnet aber mit Verwirklichung dieses Zustandes, mit dem alle
Voraussetzungen für einen europäischen Dauerfrieden gegeben sind,
hält die englische Regierung nunmehr den Zeitpunkt für gekommen,
um zwischen dem englischen und dem deutschen Volk einen Krieg auf Leben und
Tod zu entfachen. Die britische Regierung spielt damit ein gefährliches
Spiel mit dem Schicksal ihres Imperiums. Wenn die britische Regierung diese
Politik, die man sowohl im Interesse des englischen Volkes als auch der
Menschheit an sich schlechthin als verbrecherisch bezeichnen muß,
fortsetzt, so wird sie eines Tages als Totengräber des britischen Imperiums
in die Geschichte eingehen. Daß diese Entwicklung weder im Interesse des
britischen noch des deutschen Volkes liegt, das ist für diese kleine Clique
von gewissenlosen Hasardeuren oder engstirnigen Doktrinären, die in
einem Dilettantismus ohnegleichen ihr Volk in den Abgrund führen,
anscheinend belanglos. Als Anfang September der englische Botschafter das
letztemal bei mir war, habe ich ihn mit den Worten verabschiedet, es werde eines
Tages von den Chronisten der Weltgeschichte als eine historische Groteske
registriert werden, daß England, ohne die geringsten
Interessengegensätze mit Deutschland zu haben, ausgerechnet dem Mann
den Krieg erklärt hat, der die Verständigung mit England zu einem
politischen Glaubensbekenntnis erhoben hatte.
Aber Herr Chamberlain hat es nicht anders gewollt. Aus seiner letzten Rede vor
dem englischen Parlament, in der er in einem Gemisch von Naivität,
britischer Überheblichkeit und Schulmeisterei das
An- [232] gebot des
Führers ablehnte, möchte ich zur Charakterisierung der ganzen
Unwahrhaftigkeit, Heuchelei und des Dilettantismus der jetzigen britischen
Machthaber nur einen einzigen Punkt herausgreifen, das ist die Behauptung,
Deutschland und sein Führer hätten ihr Wort gebrochen, und es sei
daher nicht mehr möglich, einem Wort Deutschlands zu vertrauen.
Solche Äußerungen haben wir in der letzten Zeit wiederholt aus dem
Munde englischer Schwätzer hören müssen. Diese
Schwätzer sind unfähig, irgendeine nützliche Arbeit für
die menschliche Gemeinschaft zu leisten. Um so krampfhafter sind sie daher
bemüht, aus ihrer Froschperspektive völkerbewegende Ereignisse
und Begebenheiten zu kritisieren, deren inneres Gesetz und äußere
Gestaltung sie in ihren Spatzengehirnen überhaupt nicht zu fassen
vermögen.
Etwas anderes ist es allerdings, wenn der Leiter des britischen Imperiums selbst
mit dreister Stirn eine solche Behauptung aufstellt, die nicht nur jeglicher
Grundlage entbehrt, sondern an die er zweifellos selbst nicht glaubt. Im
Zusammenhang mit den Taten des Führers zur Konsolidierung der
europäischen Verhältnisse gerade in dem Munde eines britischen
Ministers den Vorwurf des Wortbruches zu hören, ist nicht nur der Gipfel
der Heuchelei, sondern viel mehr als das, nämlich eine bodenlose
Dummheit. Daß die einmalige historische Persönlichkeit des
Führers über solche lächerlichen Angriffe eines britischen
Parlamentariers erhaben ist, ist selbstverständlich. Ich kann hier nur die
Worte des Führers aus seiner letzten Reichstagsrede wiederholen, daß
das Urteil über ihn in der Geschichte Gott sei Dank einst nicht von
erbärmlichen Skribenten geschrieben wird, sondern durch sein Lebenswerk
selbst. Aber hinter diesem britischen Vorwurf eines angeblichen Wortbruches
unseres Führers steckt wiederum eine typisch britische Niedertracht und
Berechnung. Man will gewissermaßen durch eine Diffamierung des
Führers durch das hochehrenwerte britische Parlament das brave und
anständige deutsche Volk entfremden. Da haben aber nun die englischen
Herren Parlamentarier wiederum einen kapitalen Fehler gemacht. Denn: das
deutsche Volk ist heute Adolf Hitler, und Adolf Hitler ist das deutsche Volk. Der
Vorwurf des Wortbruches des Herrn Chamberlain trifft daher jeden einzelnen
dieser 80 Millionen Deutscher. Ihr Danziger gehört auch zu diesen
80 Millionen Deutscher, und ich frage euch: Fühlt ihr euch
wortbrüchig? Nein! Dann möchte ich mich heute abend zu eurem
Sprecher, wie auch zum Sprecher der ganzen 80 Millionen Deutscher
machen und Herrn Chamberlain erklären: Dieses deutsche Volk hat jeden
Schritt und jede Tat des Führers zur Befreiung aus den Fesseln des
Versailler Vertrages nicht nur gutgeheißen, sondern begeistert
begrüßt und verbittet sich ein für allemal eine solche englische
Unverschämtheit. Wir bestreiten darüber hinaus
Großbritannien als dem Urheber allen Unglücks von Versailles
überhaupt das Recht, über irgendeine Handlung Deutschlands und
der deutschen Regierung in den letzten Jahren zu "urteilen".
Wenn aber von Wortbruch gesprochen wird, so glaube ich hier als die
einmütige Auffassung des deutschen Volkes feststellen zu [233] können, daß der
größte Wortbruch aller Zeiten beim Waffenstillstand im Jahre 1918
dem deutschen Volk gegenüber verübt wurde! England war der
Anstifter dieses Wortbruches, das haben maßgebendste Engländer
selbst zugeben müssen. Daß aber darüber hinaus ein englischer
Staatsmann nicht das Recht hat, ja, wenn er klug genug wäre, sich schwer
hüten würde, überhaupt den Ausdruck "Wortbruch" in den
Mund zu nehmen, dafür will ich Ihnen jetzt nur einige wenige Beispiele aus
der jüngsten Geschichte des britischen Imperiums zitieren.
1. Beispiel: Im Londoner Vertrag von 1915 hat England den Italienern
für den Fall, daß England und Frankreich nach Kriegsende ihren
Besitz in der Türkei, in Asien oder in Afrika erweitern sollten,
entsprechende Kompensationen in Vorderasien und Afrika zugesagt. Was aber tat
Großbritannien? England hat sein Wort Italien gegenüber auf das
schmählichste gebrochen und es mit einigen Dorngebüschen im
Wüstengebiet von Jubaland nachträglich abzufinden versucht. Erst
die Genialität des Duce - und auch dies wieder im schärfsten
Kampf gegen England - hat es dann fertiggebracht, im Jahre 1936 aus
eigener Kraft diese Kompensationen für Italien zu schaffen. Dies ist ein
eklatanter Wortbruch Großbritanniens!
2. Beispiel: Im Jahre 1915 sicherte die britische Regierung durch den
Mund des britischen Oberkommissars in Ägypten den Arabern die
Schaffung eines alle arabischen Gebiete umfassenden arabischen Staates
einschließlich Palästina zu. Was aber hat Großbritannien getan?
Der unabhängige arabische Staat wurde nicht gegründet, und der
bekannte englische Oberst Lawrence, der die Araber während des Krieges
für England gewann und ihnen im Auftrage der englischen Regierung sein
Wort verpfändet hatte, quittierte wegen dieses
Treu- und Wortbruchs seiner eigenen Regierung seinen Dienst. In diesem Falle
war der Betrug der englischen Regierung aber noch ein doppelter, denn: trotz des
den Arabern gegebenen Versprechens wurde noch während des Krieges
durch die Balfour-Deklaration das arabische Palästina den Juden zugesagt.
Mit diesem Versprechen an die Juden beabsichtigte England, einflußreiche
Juden für den Eintritt Amerikas in den Krieg gegen Deutschland zu
gewinnen. Dies war ein doppelter Wortbruch der britischen Regierung!
3. Beispiel: Während des Weltkrieges hat die britische Regierung
am 20. August 1917 den Indern volle Selbstverwaltung und den Status der
anderen britischen Dominien zugesichert. Was tat Großbritannien? Auch
dieses Wort wurde schmählich gebrochen, und Indien ist heute, 20 Jahre
nach dem Kriege, unter einem dünnen Mantel nichtssagender
Scheinkonzessionen nichts anderes, als was es immer war, nämlich eine
britische Kolonie. Dies war ein weiterer englischer Wortbruch!
Vor einigen Tagen hat nun England, wie wir in der Presse lesen, Indien erneut
das Versprechen der Selbstverwaltung gemacht.Wir können getrost den
Bruch auch dieses Wortes bereits im voraus registrieren.
4. Beispiel: Das britische Reich ist in Amerika während des
Weltkrieges freiwillig ungeheure Schulden für Kriegslieferungen
eingegangen mit ganz klaren und präzisen
Rückzahlungsversprechungen. Was tat [234] Großbritannien? England hat diesen
Schuldenvertrag einfach gebrochen und nicht bezahlt. Es denkt auch in Zukunft
nicht daran, diesen Betrag von 10 Milliarden jemals zu bezahlen, aber bereits jetzt
ruft es schon wieder in Amerika nach Krediten und Unterstützung, und
zwar wiederum zur Lieferung von Kriegsmaterial gegen Deutschland.
Gewissenlose Elemente möchten wie im Weltkriege auch heute wieder an
solchen Krediten ihr Blutgeld verdienen. Interessant wird es aber sein, ob das
amerikanische Volk, das die englische Kriegsschuld von damals auf sich nehmen
mußte, auch heute wieder gewillt ist, zugunsten einiger Parasiten neue und
völlig sinnlose Opfer auf sich zu nehmen und seinen Lebensstandard
einzuschränken.
5. Beispiel: Am 30. September 1938 schloß Herr Chamberlain in
München auf sein eigenes Drängen mit dem Führer eine
Vereinbarung ab, in
der der Wunsch der beiden Führer ausgedrückt
ist, niemals wieder Krieg gegeneinander zu führen. Was aber tat Herr
Chamberlain? Herr Chamberlain hat dieses Abkommen gebrochen. Denn: er
duldete in London bereits wenige Tage nach Abschluß dieser Vereinbarung
die wüsteste Kriegshetze gegen Deutschland, er predigte die
Aufrüstung mit allen Mitteln, beteiligte sich selbst an der Hetze und
erklärte unter Bruch des
Münchener Abkommens am 3. September
1939 Deutschland den Krieg.
Diese Beispiele britischer Wortbrüche stammen aus der letzten Zeit. In
Wahrheit stehen an jeder Etappe des Aufbaues des britischen Imperiums in den
letzten Jahrhunderten unzählige Wortbrüche. Es ist nicht umsonst,
daß der Volksmund, und zwar gleichermaßen in der ganzen Welt das
Wort geprägt hat "perfides Albion!" Schon vor bald zweihundert Jahren hat Friedrich
der Große, als er im Siebenjährigen Kriege von den
Engländern treulos verlassen wurde, folgendes gesagt: "Einem
Verbündeten die Treue brechen, Komplotte schmieden, wie sie keiner
seiner Feinde ersinnen könnte, mit Eifer auf seinen Untergang hinarbeiten,
ihn verraten und verkaufen, ihn sozusagen meucheln, solche Freveltaten, so
schwarze und verwerfliche Handlungen - das ist England!"
Folgenschwerer aber als diese Beschuldigung des deutschen Volkes, die aus dem
Munde eines britischen Ministers kindisch wirkt, ist die politische Bedeutung der
Chamberlainrede. Jedes Wort, das Herr Chamberlain vor dem englischen
Parlament am 12. Oktober gesagt hat, beweist, daß zwischen der
großzügigen und säkularen Einstellung des Führers und
dem materialistischen Starrsinn des Herrn Chamberlain eben ein Abgrund klafft.
Herr Chamberlain spricht zwar auch vom Frieden, aber dieser Friede heißt:
"Zurück zu Versailles und Vernichtung des Nationalsozialismus!" Dieser
Friede würde heißen: Verewigung von Zwietracht, Unfrieden und
Unordnung in Europa und Vernichtung des deutschen Volkes. Aber da mag Herr
Chamberlain sich noch so viel Mühe geben: Diese Zeiten kommen niemals
wieder, und die Idee, ein 80-Millionen-Volk vernichten zu wollen, ist
würdig eines Don Quixote.
Das historische Friedensangebot des Führers vor dem Reichstag aber hat
Herr Chamberlain nicht nur nicht verstanden, sondern er hat [235] in seltener Konsequenz seiner bisherigen
falschen Politik gegenüber Deutschland nun wieder gerade den Fehler
gemacht, den man nicht machen durfte, und vor dem der Führer noch dazu
in seiner Rede ausdrücklich gewarnt hat. Er hat nämlich
tatsächlich das Angebot des Führers als Schwächezeichen
Deutschlands ausgelegt. In gänzlicher Verkennung des hohen ethischen
Wertes und der hohen Warte, von der aus der Führer dieses
Friedensangebot an England machte, um ein völlig sinnloses
Blutvergießen der Völker zu verhindern, hat Herr Chamberlain
nunmehr die deutsche Friedenshand endgültig zurückgewiesen. Der
englische Premierminister hat damit vor der Welt eine schwere Verantwortung auf
sich genommen und gleichzeitig erneut bewiesen, daß, ganz gleich was
Deutschland immer tun würde, England diesen Krieg gegen Deutschland
eben führen will.
Deutschland nimmt diese britische Kampfansage auf. Das deutsche Volk ist
nunmehr entschlossen, diesen ihm von den britischen Kriegshetzern
aufgezwungenen Krieg zu führen und nicht eher die Waffen niederzulegen,
bis die Sicherheit des Deutschen Reiches in Europa gewährleistet ist und
die Garantien dafür geschaffen sind, daß ein solcher Angriff auf das
deutsche Volk für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Der englische
Premierminister proklamiert die Beseitigung der deutschen Regierung. Ich sehe
davon ab, die Beseitigung der britischen Regierung und ihrer Hintermänner
zu proklamieren, denn ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß im
weiteren Verlauf der Ereignisse das englische Volk, das wider seinen Willen von
den englischen Kriegshetzern in diesen Krieg gegen Deutschland gezwungen
wurde, dieses selbst besorgen wird. Das polnische Beispiel hat gezeigt, daß
es nicht gut tut, Deutschland herauszufordern. Herrn Chamberlain und seinen
Mitschuldigen an diesem Kriege werden dann noch die Augen aufgehen. Sie
werden dann vielleicht eines Tages Zeit und Muße haben, darüber
nachzudenken, ob sie gut beraten waren, als sie das deutsche Friedensangebot als
ein Zeichen der Schwäche auslegten und ablehnten und statt dessen
Deutschland herausforderten!
Das deutsche Volk, durch den Nationalsozialismus zu einem stählernen
Block zusammengeschweißt, steht geschlossen hinter seiner Führung,
und vor dem Reich steht heute eine ruhmreiche Armee und Luftwaffe und eine
mit jungem Ruhm bedeckte Marine. In vollem Bewußtsein, daß das
Recht auf seiner Seite ist und daß es bis zuletzt alles getan hat, um diesen
völlig sinnlosen, ihm aufgezwungenen Krieg zu vermeiden, wird
Deutschland mit der gewaltigen Wucht seiner ganzen Volkskraft diesen Krieg zu
Ende führen. Daß dieses Ende in dem Entscheidungskampf des
deutschen Volkes aber nur ein großer deutscher Sieg sein wird, dafür
bürgt uns Deutschen unsere eigene Kraft und unser Glaube in den Mann,
der für uns das Höchste auf der Welt bedeutet:
Unser Führer!
(Joachim von Ribbentrop, Die alleinige Kriegsschuld
Englands. Rede gehalten in Danzig am 24. Oktober 1939 [Schriften des
Deutschen Instituts für Außenpolitische Forschung, Heft 8]. Berlin
193[9].)
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