[431] Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
B. Die letzte Phase
Nr. 466 Henderson übergab das in der Anlage240 beigefügte Memorandum der Britischen Regierung. Er fügte hinzu, daß er den Auftrag habe, zwei weitere Punkte mündlich zur Sprache zu bringen. Man könne von der Polnischen Regierung nur dann vollständige Zurückhaltung erwarten, wenn die Deutsche Regierung auf ihrer Seite der Grenze die gleiche Haltung einnehme und wenn keine Provokationen der deutschen Minderheit in Polen erfolgten. Es seien Berichte im Umlauf, nach denen die Deutschen in Polen Sabotageakte verübten, die die schärfsten Gegenmaßnahmen seitens der Polnischen Regierung rechtfertigen würden. Der Reichsaußenminister wies diese Bemerkung auf das nachdrücklichste zurück. Deutschland kenne ausschließlich polnische Provokationen, aber die polnische Propaganda schiene bei der Britischen Regierung ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Unerhörteste Sabotageakte würden von den Polen verübt. Er lehne es ab, mit der Britischen Regierung über dieses Thema überhaupt zu sprechen. Die weitere Weisung Hendersons bezog sich auf die Antwort der Deutschen Regierung vom Vortage, in der die Deutsche Regierung sich bereit erklärt hatte, in direkte Fühlung mit Polen zu treten, wenn die Polnische Regierung sofort einen bevollmächtigten Vertreter entsenden würde. Die Britische Regierung sei nicht in der Lage, der Polnischen Regierung zu empfehlen, auf dieses Verhandlungsverfahren einzugehen. Sie schlage der Deutschen Regierung vor, auf normalem diplomatischem Wege, d. h. durch Überreichung ihrer Vorschläge an den Polnischen Botschafter, die Dinge ins Rollen zu bringen, um den Polnischen Botschafter in die Lage zu versetzen, im Einvernehmen mit seiner Regierung die Vorbereitungen für direkte deutsch-polnische Verhandlungen zu treffen. Wenn die deutsche Regierung diese Vorschläge auch der Britischen Regierung zuleiten würde, und diese der Ansicht wäre, daß die Vorschläge eine vernünftige Grundlage für eine Regelung der zur Erörterung stehenden Probleme bilden, so würde sie ihren Einfluß im Sinne einer Lösung in Warschau zur Geltung bringen. Henderson fragte unter Hinweis auf den letzten Absatz der deutschen Antwort vom Vortage, ob die deutschen Vorschläge bereits ausgearbeitet seien und ob ihm diese Vorschläge übergeben werden könnten. Der Reichsaußenminister antwortete, daß 1. die britische Vermittlung bisher nur ein klares Ergebnis gezeitigt hätte, nämlich die polnische Generalmobilmachung. 2. Man habe deutscherseits mit dem Erscheinen eines polnischen Vertreters am heutigen Tage gerechnet. Es sei dies nicht, wie der Britische Botschafter irrtümlich angenommen habe, ein Ultimatum gewesen, sondern, wie der Führer bereits am Vortage auseinandergesetzt habe, es sei ein von den Zeitumständen diktierter praktischer Vorschlag gewesen. Bis Mitternacht habe man auf deutscher Seite nichts von den Polen gehört. Die Frage eines eventuellen Vorschlags sei daher nicht länger aktuell. Um aber zu zeigen, was Deutschland vorzuschlagen beabsichtigt hatte, wenn der polnische Vertreter gekommen wäre, verlas der Reichsaußenminister die in der Anlage beigefügten deutschen Vorschläge241 und erläuterte sie im einzelnen. [432] Henderson erwiderte, die Erklärung des Reichsaußenministers, daß infolge des Nichterscheinens des polnischen Vertreters bis Mittwoch Mitternacht die ursprünglich beabsichtigten deutschen Vorschläge nicht mehr aktuell wären, schiene seine Auslegung des Vorschlags als Ultimatum zu bestätigen. Der Reichsaußenminister trat dieser Auffassung erneut energisch entgegen und wies auf die am Vortage vom Führer abgegebene Erklärung hin, daß die Eile durch die Tatsache bedingt sei, daß sich zwei mobilisierte Armeen in Schußweite gegenüberständen und in jeder Minute ein Zwischenfall ernste Konflikte auslösen könne. Zum Schluß schlug Henderson vor, der Reichsaußenminister möge den Polnischen Botschafter herbeirufen und ihm die deutschen Vorschläge übergeben. Der Reichsaußenminister lehnte dieses Verfahren für seine Person ab und beendete die Unterredung, indem er dem Führer sämtliche Entscheidungen vorbehielt.
Schmidt
Dem Reichsminister des Auswärtigen am 30. August 1939 24 Uhr (Übersetzung)
1. Die Regierung Seiner Majestät weiß die Tatsache zu würdigen, daß die Deutsche Regierung in der in ihrer Antwort enthaltenen Erklärung freundlichst auf ihren Wunsch einer deutsch-englischen Verständigung hinweist, und weiß ebenso den Hinweis zu würdigen, daß diese Erwägung ihre Politik beeinflußt hat. 2. Die Regierung Seiner Majestät bringt wiederholt zum Ausdruck, daß sie den Wunsch der Deutschen Regierung nach einer Verbesserung der Beziehungen durchaus teilt; es ist jedoch dabei zu berücksichtigen, daß sie um dieser Verbesserung willen nicht die Interessen ihrer Freunde preisgeben kann. Sie hat volles Verständnis dafür, daß die Deutsche Regierung Deutschlands Lebensinteressen nicht opfern kann, aber die Polnische Regierung befindet sich in der gleichen Lage, und die Regierung Seiner Majestät glaubt, daß die Lebensinteressen der beiden Länder nicht unvereinbar sind. 3. Die Regierung Seiner Majestät nimmt zur Kenntnis, daß die Deutsche Regierung den britischen Vorschlag annimmt und bereit ist, mit der Polnischen Regierung in unmittelbaren Meinungsaustausch zu treten. 4. Die Regierung Seiner Majestät glaubt annehmen zu dürfen, daß die Deutsche Regierung im Prinzip die Bedingung annimmt, daß jedwede Regelung zum Gegenstand einer internationalen Garantie gemacht werden sollte. Die Frage, wer sich an einer solchen Garantie beteiligen soll, wird später zu erörtern sein, und die Regierung Seiner Majestät hofft, daß, um Zeitverlust zu vermeiden, die Deutsche Regierung sofort Schritte unternehmen wird, um die Zustimmung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zu erreichen, deren Beteiligung an der Garantie die Regierung Seiner Majestät stets vorausgesetzt hat. [433] 5. Die Regierung Seiner Majestät nimmt gleichfalls zur Kenntnis, daß die Deutsche Regierung den Standpunkt der Britischen Regierung hinsichtlich der Lebensinteressen und der Unabhängigkeit Polens anerkennt. 6. Hinsichtlich besonderer Forderungen, die die Deutsche Regierung in einem früheren Absatz ihrer Antwort anmeldet, muß die Regierung Seiner Majestät einen ausdrücklichen Vorbehalt machen. Sie glaubt zu verstehen, daß die Deutsche Regierung zur Zeit Vorschläge für eine Lösung ausarbeitet. Zweifelsohne werden diese Vorschläge während des Meinungsaustausches sorgfältig geprüft werden. Es kann dann entschieden werden, wie weit diese mit den wesentlichen Bedingungen vereinbar sind, die die Regierung Seiner Majestät bekanntgegeben hat und die anzunehmen die Deutsche Regierung ihre Bereitwilligkeit zum Ausdruck gebracht hat. 7. Die Regierung Seiner Majestät wird die Polnische Regierung sofort von der Antwort der Deutschen Regierung verständigen. Die Art der Fühlungnahme und die Vorbereitungen für einen Meinungsaustausch müssen selbstverständlich in aller Eile zwischen der Deutschen und der Polnischen Regierung vereinbart werden. Die Regierung Seiner Majestät ist jedoch der Ansicht, daß es untunlich wäre, diese Fühlungnahme schon heute herzustellen. 8. Die Regierung Seiner Majestät erkennt voll an, daß bei der Aufnahme der Verhandlungen Eile geboten ist, und teilt die Befürchtungen des Herrn Reichskanzlers, die sich aus dem Umstand ergeben, daß zwei mobilisierte Armeen sich in allernächster Nähe gegenüberstehen. Sie möchte daher auf das dringendste nahelegen, daß beide Parteien sich verpflichten, daß während der Verhandlungen keine aggressiven militärischen Bewegungen stattfinden. Die Regierung Seiner Majestät vertraut darauf, daß sie von der Polnischen Regierung eine derartige Zusage erhalten würde, wenn die Deutsche Regierung eine gleichartige Versicherung abgeben wollte. 9. Die Regierung Seiner Majestät möchte ferner noch vorschlagen, daß vorläufig ein modus vivendi für Danzig geschaffen wird, um Zwischenfälle zu verhüten, die geeignet wären, die deutsch-polnischen Beziehungen noch schwieriger zu gestalten. Berlin, den 30. August 1939 Anlage II
Vorschlag für eine Regelung des Danzig-Korridor-Problems Die Lage zwischen dem Deutschen Reich und Polen ist zur Zeit so, daß jeder weitere Zwischenfall zu einer Entladung der beiderseits in Stellung gegangenen militärischen Streitkräfte führen kann. Jede friedliche Lösung muß so beschaffen sein, daß sich nicht bei nächster Gelegenheit die diesen Zustand ursächlich bedingenden Ereignisse wiederholen können und dadurch nicht nur der Osten Europas, sondern auch andere Gebiete in die gleiche Spannung versetzt werden. Die Ursachen dieser Entwicklung liegen 1. in der unmöglichen Grenzziehung, wie sie durch das Versailler Diktat vorgenommen wurde, 2. in der unmöglichen Behandlung der Minderheit in den abgetrennten Gebieten. [434] Die Deutsche Reichsregierung geht daher bei diesen Vorschlägen von dem Gedanken aus, eine endgültige Lösung zu finden, die die unmögliche Situation der Grenzziehung beseitigt, beiden Teilen ihre lebenswichtigen Verbindungsstraßen sichert, das Minderheitenproblem - soweit irgend möglich - beseitigt und, soweit dies nicht möglich ist, das Schicksal der Minderheiten durch eine sichere Garantie ihrer Rechte erträglich gestaltet. Die Deutsche Reichsregierung ist überzeugt, daß es dabei unerläßlich ist, wirtschaftliche und physische Schädigungen, die seit dem Jahre 1918 stattgefunden haben, aufzudecken und im vollen Umfange wiedergutzumachen. Sie sieht selbstverständlich diese Verpflichtung als eine für beide Teile bindende an. Aus diesen Erwägungen ergeben sich folgende praktische Vorschläge: 1. Die Freie Stadt Danzig kehrt auf Grund ihres rein deutschen Charakters sowie des einmütigen Willens ihrer Bevölkerung sofort in das Deutsche Reich zurück. 2. Das Gebiet des sogenannten Korridors, das von der Ostsee bis zu der Linie Marienwerder-Graudenz-Kulm-Bromberg (diese Städte einschließlich) und dann etwa westlich nach Schönlanke reicht, wird über seine Zugehörigkeit zu Deutschland oder zu Polen selbst entscheiden.
3. Zu diesem Zweck wird dieses Gebiet eine Abstimmung vornehmen.
Abstimmungsberechtigt sind alle Deutschen, die am 1. Januar 1918 in diesen
Gebiete wohnhaft waren oder bis zu diesem Tage dort geboren wurden, und
desgleichen alle an diesem Tage in diesem Gebiet wohnhaft gewesenen oder bis
zu diesem Tage dort geborenen Polen, Kaschuben usw. Die aus diesem Gebiet
vertriebenen Deutschen kehren zur Erfüllung ihrer Abstimmung
zurück.
4. Von diesem Gebiet bleibt ausgenommen der polnische Hafen Gdingen, der
grundsätzlich polnisches Hoheitsgebiet ist, insoweit er sich territorial auf
die polnische Siedlung beschränkt. 5. Um die notwendige Zeit für die erforderlichen umfangreichen Arbeiten zur Durchführung einer gerechten Abstimmung sicherzustellen, wird diese Abstimmung nicht vor Ablauf von 12 Monaten stattfinden. 6. Um während dieser Zeit Deutschland seine Verbindung mit Ostpreußen und Polen seine Verbindung mit dem Meere unbeschränkt zu garantieren, werden Straßen und Eisenbahnen festgelegt, die einen freien Transit- [435] verkehr ermöglichen. Hierbei dürfen nur jene Abgaben erhoben werden, die für die Erhaltung der Verkehrswege bzw. für die Durchführung der Transporte erforderlich sind. 7. Über die Zugehörigkeit des Gebietes entscheidet die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
8. Um nach erfolgter Abstimmung - ganz gleich, wie diese ausgehen
möge - die Sicherheit des freien Verkehrs Deutschlands mit seiner
Provinz
Danzig-Ostpreußen und Polen seine Verbindung mit dem Meere zu
garantieren, wird, falls das Abstimmungsgebiet an Polen fällt, Deutschland
eine exterritoriale Verkehrszone, etwa in Richtung von
Bütow-Danzig bzw. Dirschau, gegeben zur Anlage einer Reichsautobahn
sowie einer viergleisigen Eisenbahnlinie. Der Bau der Straße und der
Eisenbahn wird so durchgeführt, daß die polnischen
Kommunikationswege dadurch nicht berührt, d. h. entweder
über- oder unterfahren werden. Die Breite dieser Zone wird auf einen
Kilometer festgesetzt und ist deutsches Hoheitsgebiet. 9. Im Falle des Zurückfallens des Korridors an das Deutsche Reich erklärt sich dieses bereit, einen Bevölkerungsaustausch mit Polen in dem Ausmaß vorzunehmen, als der Korridor hierfür geeignet ist. 10. Die etwa von Polen gewünschten Sonderrechte im Hafen von Danzig würden paritätisch ausgehandelt werden mit gleichen Rechten Deutschlands im Hafen von Gdingen. 11. Um in diesem Gebiet jedes Gefühl einer Bedrohung auf beiden Seiten zu beseitigen, würden Danzig und Gdingen den Charakter reiner Handelsstädte erhalten, d. h. ohne militärische Anlagen und militärische Befestigungen. 12. Die Halbinsel Hela, die entsprechend der Abstimmung entweder zu Polen oder zu Deutschland käme, würde in jedem Fall ebenfalls zu demilitarisieren sein.
13. Da die Deutsche Reichsregierung heftigste Beschwerden gegen die polnische
Minderheitenbehandlung vorzubringen hat, die Polnische Regierung ihrerseits
glaubt, auch Beschwerden gegen Deutschland vorbringen zu müssen,
erklären sich beide Parteien damit einverstanden, daß diese
Beschwerden einer international zusammengesetzten Untersuchungskommission
unterbreitet werden, die die Aufgabe hat, alle Beschwerden über
wirtschaftliche und physische Schädigungen sowie sonstige terroristische
Akte zu untersuchen. 14. Um den in Polen verbleibenden Deutschen sowie den in Deutschland verbleibenden Polen das Gefühl der internationalen Rechtlosigkeit zu [436] nehmen und ihnen vor allem die Sicherheit zu gewähren, nicht zu Handlungen bzw. zu Diensten herangezogen werden zu können, die mit ihrem nationalen Gefühl unvereinbar sind, kommen Deutschland und Polen überein, die Rechte der beiderseitigen Minderheiten durch umfassendste und bindende Vereinbarungen zu sichern, um diesen Minderheiten die Erhaltung, freie Entwicklung und Betätigung ihres Volkstums zu gewährleisten, ihnen insbesondere zu diesem Zweck die von ihnen für erforderlich gehaltene Organisierung zu gestatten. Beide Teile verpflichten sich, die Angehörigen der Minderheit nicht zum Wehrdienst heranzuziehen. 15. Im Falle einer Vereinbarung auf der Grundlage dieser Vorschläge erklären sich Deutschland und Polen bereit, die sofortige Demobilmachung ihrer Streitkräfte anzuordnen und durchzuführen. 16. Die zur Beschleunigung der obigen Abmachungen erforderlichen weiteren Maßnahmen werden zwischen Deutschland und Polen gemeinsam vereinbart.
Nr. 467
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts an die Deutschen Diplomatischen Missionen Rundtelegramm Berlin, den 31. August 1939
Unsere Erwartung, daß, entsprechend unserem durch Britische Regierung nach Warschau übermittelten Vorschlag, unverzügliche Entsendung eines polnischen Bevollmächtigten zur Aufnahme direkter deutsch-polnischer Verhandlungen erfolgen würde, ist nicht in Erfüllung gegangen. Vielmehr hat Polen, wie bekannt, gestern Generalmobilmachung angeordnet. Unter diesen Umständen hat Lage weitere überaus schwerwiegende Zuspitzung erfahren.
Weizsäcker
Nr. 468
Amtliche Deutsche Mitteilung vom 31. August 1939 21 Uhr Die Königlich Britische Regierung hat sich in einer Note vom 28. August 1939 gegenüber der Deutschen Regierung bereit erklärt, ihre Vermittlung zu direkten Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen über die strittigen Probleme zur Verfügung zu stellen. Sie hat dabei keinen Zweifel darüber gelassen, daß auch ihr angesichts der fortdauernden Zwischenfälle und der allgemeinen europäischen Spannung die Dringlichkeit des Vorganges bewußt wäre. Die Deutsche Regierung hat sich in einer Antwortnote vom 29. August 1939 trotz ihrer skeptischen Beurteilung des Willens der Polnischen Regierung, überhaupt zu einer Verständigung zu kommen, im Interesse des Friedens bereit erklärt, die englische Vermittlung bzw. Anregung anzunehmen. Sie hat unter Würdigung aller der zur Zeit gegebenen Umstände es für notwendig erachtet, in dieser ihrer Note darauf hinzuweisen, daß, wenn überhaupt die Ge- [437] fahr einer Katastrophe vermieden werden soll, dann schnell und unverzüglich gehandelt werden muß. Sie hat sich in diesem Sinne bereit erklärt, bis zum 30. August 1939 abends einen Beauftragten der Polnischen Regierung zu empfangen, unter der Voraussetzung, daß dieser auch wirklich bevollmächtigt sei, nicht nur zu diskutieren, sondern Verhandlungen zu führen und abzuschließen. Die Deutsche Regierung hat weiter in Aussicht gestellt, daß sie glaubt, bis zum Eintreffen dieses polnischen Unterhändlers in Berlin der Britischen Regierung die Grundlagen über das Verständigungsangebot ebenfalls zugänglich machen zu können. Statt eine Erklärung über das Eintreffen einer autorisierten polnischen Persönlichkeit erhielt die Reichsregierung als Antwort auf ihre Verständigungsbereitschaft zunächst die Nachricht der polnischen Mobilmachung und erst am 30. August 1939 gegen 12 Uhr nachts eine mehr allgemein gehaltene britische Versicherung der Bereitwilligkeit, ihrerseits auf den Beginn von Verhandlungen hinwirken zu wollen. Trotzdem durch das Ausbleiben des von der Reichsregierung erwarteten polnischen Unterhändlers die Voraussetzung entfallen war, der Britischen Regierung noch eine Kenntnis über die Auffassung der Deutschen Regierung in bezug auf mögliche Verhandlungsgrundlagen zu geben, da die Britische Regierung ja selbst für direkte Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen plädiert hatte, gab Reichsaußenminister v. Ribbentrop dem Britischen Botschafter anläßlich der Übergabe der letzten englischen Note eine genaue Kenntnis des Wortlautes der für den Fall des Eintreffens des polnischen Bevollmächtigten als Verhandlungsgrundlage vorgesehenen deutschen Vorschläge. Die Deutsche Reichsregierung glaubte ein Recht darauf zu haben, daß unter diesen Umständen wenigstens nachträglich die sofortige Benennung einer polnischen Persönlichkeit stattfinden würde. Denn es ist der Reichsregierung nicht zuzumuten, ihrerseits fortgesetzt die Bereitwilligkeit zur Inangriffnahme solcher Verhandlungen nicht nur zu betonen, sondern auch dafür bereitzusitzen, von der polnischen Seite aber nur mit leeren Ausflüchten und nichtssagenden Erklärungen hingehalten zu werden. Aus einer inzwischen stattgefundenen Demarche des Polnischen Botschafters geht erneut hervor, daß auch dieser nicht bevollmächtigt ist, in irgendeine Diskussion einzutreten oder gar zu verhandeln. Somit haben der Führer und die Deutsche Reichsregierung nun 2 Tage vergeblich auf das Eintreffen eines bevollmächtigten polnischen Unterhändlers gewartet. Unter diesen Umständen sieht die Deutsche Regierung auch dieses Mal ihre Vorschläge praktisch als abgelehnt an, obwohl sie der Meinung ist, daß diese in der Form, in der sie auch der Englischen Regierung bekanntgegeben worden sind, mehr als loyal, fair und erfüllbar gewesen wären. Die Reichsregierung hält es für angebracht, der Öffentlichkeit Kenntnis von diesen dem Britischen Botschafter durch den Reichsaußenminister von Ribbentrop mitgeteilten Verhandlungsgrundlagen zu geben.242
[438]
Nr. 469
Meldung des Polnischen Rundfunksenders Warschau vom 31. August 1939 23 Uhr (Übersetzung)
Die heutige Bekanntmachung des deutschen offiziellen Communiqués hat die Ziele und Absichten der deutschen Politik klar gezeigt. Es beweist die offenen Aggressionsabsichten Deutschlands gegenüber Polen. Die Bedingungen, unter denen das Dritte Reich bereit ist, mit Polen zu verhandeln, lauten: Danzig kehrt sofort zum Reich zurück. Pommerellen mit den Städten Bromberg und Graudenz unterliegt einem Plebiszit, wobei alle Deutschen, die nach dem Jahre 1918 aus irgendwelchen Gründen von dort ausgewandert sind, hineingelassen werden sollen. Polnisches Militär und Polizei evakuiert Pommerellen. Die Polizei Englands, Frankreichs, Italiens und der Sowjetunion übernimmt die Gewalt. Nach Ablauf von 12 Monaten findet das Plebiszit statt. Das Gebiet der Halbinsel Hela wird vom Plebiszit gleichfalls erfaßt. Gdingen ist als polnische Stadt ausgeschlossen. Unabhängig vom Ausgang des Plebiszits wird eine exterritoriale Straße in der Breite eines Kilometers gebaut. .... Die deutsche Agentur gibt bekannt, daß der Termin für die Annahme dieser Bedingungen gestern abgelaufen ist. Deutschland hat vergeblich auf einen Abgesandten Polens gewartet. Die Antwort waren die militärischen Anordnungen der Polnischen Regierung. Keine Worte können jetzt mehr die Aggressionspläne der neuen Hunnen verschleiern. Deutschland strebt die Herrschaft über Europa an und durchstreicht mit einem bisher nicht dagewesenen Zynismus die Rechte der Völker. Dieser unverschämte Vorschlag beweist deutlich, wie notwendig die militärischen Anordnungen der Polnischen Regierung gewesen sind.
Nr. 470
Von einem Beamten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts gefertigte Zusammenstellung der dem Auswärtigen Amt vorliegenden amtlichen Meldungen über schwere Grenzzwischenfälle an der deutsch-polnischen Grenze zwischen dem 25. und dem 31. August 1939 Berlin, den 1. September 1939
25. August 1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing. Gegen 22 Uhr brannte auf dem unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze gelegenen Anwesen des Bauern Reinhard Briese in Scharschau, Kreis Rosenberg, Westpreußen, ein Stall nieder. An der Brandstelle wurde eine Brandbombe polnischer Herkunft gefunden.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
[439] 3. Meldung der Staatspolizeistelle
Elbing.
4. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
5. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
6. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
7. Meldung der Staatspolizeistelle Köslin.
8. Meldung des Oberfinanzpräsidenten Ostpreußen.
26. August 1. Meldung des Hauptzollamtes Neidenburg. Um 0.45 Uhr wurde von dem Standposten vor dem Zollamt Wetzhausen ein polnischer Soldat festgestellt und angerufen, der sich aus dem dem Zollamt gegenüberliegenden Wäldchen auf das Gebäude zu bewegte. Der Soldat ergriff die Flucht und wurde durch zwei Schüsse anscheinend verletzt. Nachträglich wurde festgestellt, daß der Soldat zu einer Gruppe von 6 polnischen Soldaten gehörte, die an dieser Stelle die deutsch-polnische Grenze überschritten hatten.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
[440] 3. Meldung des Hauptzollamts
Lauenburg.
4. Meldung des Hauptzollamts Meseritz.
27. August 1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing. In den frühen Morgenstunden brannte das an der deutsch-polnischen Grenze gelegene Gehöft des Bauern Guzinski in Klein Heyde, Kreis Rosenberg, Westpreußen, nieder. Es wurde festgestellt, daß die polnischen Brandstifter über die Grenze gekommen waren.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
3. Meldung des Zollamtes Lindenhorst.
4. Meldung des Hauptzollamtes Schneidemühl.
5. Meldung des Hauptzollamtes Neidenburg.
[441] 6. Meldung des Hauptzollamtes
Kreuzberg.
7. Meldung des Oberfinanzpräsidenten Ostpreußen.
28. August 1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing. Gegen 0.30 Uhr wurden von einer deutschen Feldwache, die an der Eisenbahnbrücke Deutsch-Eylau-Neumark lag, mehrere polnische Soldaten auf deutschem Gebiet gesichtet. Als die Feldwache Feuer gab, verschwanden die Polen im Walde, wobei sie das Feuer erwiderten.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Oppeln.
3. Meldung des Hauptzollamtes Beuthen.
4. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
5. Meldung des Hauptzollamts Gleiwitz. 29. August 1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing. In den frühen Morgenstunden kamen in der Nähe der Sägemühle Alt-Eiche polnische Soldaten auf deutsches Gebiet, die durch den deutschen Grenzschutz vertrieben wurden.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Köslin.
3. Meldung der Staatspolizeistelle Breslau.
4. Meldung des Hauptzollamtes Beuthen.
5. Meldung des Hauptzollamts Gleiwitz.
30. August 1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing. Gegen 0.30 Uhr wurde das Zollgehöft Neukrug, Kreis Rosenberg, Westpreußen, von der Waldseite aus von regulären polnischen Truppen angegriffen. Die Polen beabsichtigten offenbar, der Besatzung des Zollgehöfts in den Rücken zu fallen. Sie hatten unweit des Zollgehöftes hinter einer Autogarage ein leichtes Maschinengewehr in Stellung gebracht. Als sie von der deutschen Feldwache aus einem oberen Zimmer des Zollgehöftes beschossen wurden, erfolgte Stellungswechsel des polnischen Maschinengewehrs in eine dichte Schonung, die sofort gleichfalls unter Feuer genommen wurde. Der Kampf dauerte bis etwa 5 Uhr. Ein Schütze der deutschen Feldwache wurde tödlich verletzt. Im Zollgehöft wurden mehrere Fensterscheiben und die Telephonleitung zerstört.
[443] 2. Meldung der Staatspolizeistelle
Elbing.
3. Meldung der Staatspolizeistelle Breslau.
4. Meldung des Oberfinanzpräsidenten in Troppau.
31. August 1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing. Gegen 1 Uhr wurde das Zollgehöft in Neukrug von polnischem Militär angegriffen. Es handelte sich um etwa 25 Mann mit einem leichten Maschinengewehr. Sie versuchten, das Zollgehöft zu umzingeln. Der Angriff wurde abgeschlagen.
2. Meldung des Hauptzollamts Gleiwitz.
3. Meldung des Zoll-Bezirkskommissars Deutsch-Eylau.
4. Meldung des Polizeipräsidenten Gleiwitz.
5. Meldung des Oberfinanzpräsidenten Troppau.
6. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
7. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
8. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
9. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
10. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
11. Meldung der Staatspolizeistelle Brünn.
Schliep
240Vgl. Anlage I. ...zurück... 241Vgl. Anlage II. ...zurück...
242Im Wortlaut der amtlichen
deutschen Mitteilung folgte hier der oben unter Nr. 466, Anlage II abgedruckte
Vorschlag. ...zurück...
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