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Zur Einführung
Über ein Jahr lang steht
Österreich-Ungarn an der Seite seiner Bundesgenossen, dem Deutschen und dem
Osmanischen Reich, im Weltkriege. Anders, als auf dem Erdball erwartet wurde, hat sich der
Krieg gestaltet. Statt Mißerfolge haben sich die altehrwürdigen Fahnen der
Doppelmonarchie neue Ehren erkämpft. Eine beispiellos schwere Aufgabe
übernahm das
österreichisch-ungarische Heer zu Beginn der Feindseligkeiten. Von Süden
angefallen durch das serbische Heer, von Norden an der Grenze des Kronlandes Galizien durch
eine russische furchtbare Überlegenheit der Zahl bedroht, sah es sich genötigt,
gleichzeitig nach zwei Seiten Front zu machen. Nach neunmonatigem Kampf von beispielloser
Hartnäckigkeit gegen die Zarenheere und nach blutigen Kämpfen mit den
zurückweichenden Serben, entstand ihm der dritte Gegner. In Westen und
Südwesten zog beutegierig der falsche italienische Freund gegen die
österreichischen Grenzen. Er hat nichts erreicht in fortwährendem Ansturm gegen
die Mauer unerschütterlichen Heldentums, welche sich ihm entgegenstellte. So kann man
heute, im dreizehnten Monat des Weltkrieges, nur die Worte wiederholen, die der ungarische Ministerpräsident Graf Tisza im März dieses Jahres der Welt mitzuteilen hatte:
"Unsere Armee kann in materieller und moralischer Unversehrtheit auf die schweren
Kämpfe zurückblicken."
Als der greise, und von seinem Volk allseitig verehrte Kaiser sich schweren Herzens entschlossen hatte, sein Heer mobil zu machen, stand ganz
Österreich-Ungarn hinter ihm. Alles, was früher die acht Nationen im politischen Kampfe entzweit hatte, war vergessen und vergeben. Die allezeit vorhanden gewesene Liebe zum Herrscherhaus flammte wie ein heiliges Feuer empor und verbrannte alle Hemmungen, auf welche die Gegner der Doppelmonarchie gerechnet hatten. Nach Jahresfrist, am Geburtstage des ehrwürdigen Monarchen, haben die Nationen bewiesen, wie sehr sie bereit sind, in dem Heroismus zu verharren, im Opfermut und in der Energie mit der Armee zu wetteifern. Jedermann weiß, wie schwer sich der Kaiser entschloß, sein Recht mit dem Schwerte zu behaupten. Jedermann fühlt, wie heilig ihm der Entschluß war und geblieben ist.
Neben Österreich-Ungarns Entschlossenheit, lieber unterzugehen im Kampf um die heiligsten Güter, als sie den beutegierigen Feinden preiszugeben, trat das seltene Beispiel unerschütterlichen Zusammenstehens mit seinem Verbündeten, Deutschland. Noch nie sah die Weltgeschichte ein solches Bündnis zwischen zwei Großmächten, in dem es keine Mißverständnisse gibt, in dem die Eintracht herrscht, auch in schweren Tagen, während die glänzenden Waffenerfolge nicht übermütiger machen, sondern nur ernster, und die Durchführung des Kampfes bis zum siegreichen Ende ein unabänderlicher Entschluß geblieben ist. Schulter an Schulter stehen unsere Heere im Kampfe da, wo unser gemeinsamer Krieg es nötig macht, die Heeresteile beider Staaten zu kombinieren. Willig ordnete sich deutsche Führung unter
österreichisch-ungarischen Oberbefehl, und zuversichtlich traten die schwarzgelben und rotweißgrünen Farben neben die deutschen, freundlich empfangen und fürsorglich behandelt inmitten der gewaltigen Heere Deutschlands. Der erfolgreichste deutsche Heerführer, Generalfeldmarschall von Hindenburg, hat im November vorigen Jahres gesagt: "Die Österreicher und Ungarn sind ausgezeichnete Soldaten. [6] Die Mannschaften wie die Offiziere sind tüchtig und tapfer. Wir schätzen die Österreicher und die Ungarn als vortreffliche Kameraden. Der Verkehr zwischen den Oberkommandos der verbündeten Armeen ist ein reger und vollzieht sich in den angenehmsten Formen." Auf der anderen Seite gibt es keine Stimme, welche die Kraft und den Siegeswillen der deutschen Führer und Soldaten nicht zu loben wüßte. Voran steht der Führer der gesamten
österreichisch-ungarischen Kriegsmacht, Erzherzog Friedrich.
Wer je in die Augen dieses gütigsten aller Heerführer sah, der mußte bemerken, daß ihnen jene echte Leutseligkeit entströmt, welche zu fesseln versteht. Der Soldat schlägt sich für seinen König und Kaiser und für sein Vaterland. Aber Verehrung und Liebe ist es, welche seinem Schwerte die Wucht geben. In Dankbarkeit blickt das ganze
österreichisch-ungarische Heer zu seinem Führer empor, und aus der Dankbarkeit ist Liebe geworden, und die Liebe ist ein guter Wächter und Verteidiger. Auf feindlicher Seite war alles brutale Gewalt. Ein rücksichtsloses Spiel mit Hunderttausenden von Menschenleben. Überall Zwang zum Gehorsam und in den Waffen der Offiziere die allzeit bereite Kugel für die eigenen Untergebenen. Neben dem moralischen Sieg, den
Österreich-Ungarns oberster Heerführer über den Feind gewann, steht der physische. Aus der schweren Prüfungszeit der ersten Monate ist der glänzende Vorstoß geworden, an dem die Truppen der Doppelmonarchie ruhmhaft Anteil haben, und der sie bis ins Herz des feindlichen Widerstandes führte.
Wie Erzherzog Friedrich, haben es auch die Armeeführer
Österreich-Ungarns verstanden, Vater ihrer Soldaten und die besten Freunde ihrer Offiziere zu sein. Mit beispielloser Begeisterung hängen die gegen Italien kämpfenden Streitkräfte an ihrem Erzherzog Eugen. Ihm zuliebe wetteifern, wie Kaiser Franz Josef am 29. Juli aussprach, Führer und Mannschaften aller Grade, alte Männer und jugendliche Kämpfer, in todesmutiger Tapferkeit. Dankerfüllten Herzens gedenkt das greise Oberhaupt der Doppelmonarchie der herrlichen Waffentaten an der italienischen Grenze. Er weiß, daß die unbedingte Hingebung der Untergebenen dem Erzherzog Eugen eine unbezwingbare Armee in die Hand gegeben hat. Und neben dem Heeresruhm leben herrliche Waffentaten der allezeit bereiten, todesmutigen Flotte in der Adria.
Zwischen den deutschen Heeren nahm an dem Ruhmeslauf der Armeen von Mai bis jetzt die Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand den regsten Anteil. Lange Zeit hatte sie unerschütterlich in Westgalizien die Wacht gehalten. Aber der offensive Gedanke war lebendig geblieben, und als die tapferen Scharen auf dem linken Flügel der Armee des Generalfeldmarschalls von Mackensen losbrechen durften, da blühte auch in den Soldatenherzen der Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand der Frühling. Nichts war zu schwer, es wurde ertragen; kein Urwald, keine Sumpfniederung, kein übermächtiger Ansturm der Russen, die vielleicht glaubten, dort leichtes Spiel zu haben, hat den Sturm in östlicher, nordöstlicher und nördlicher Richtung zum Stehen gebracht. Und dann, als sich der große Angriff der verbündeten Heere von der Weichsel gegen die Buglinie richtete, blieb die Kraft der erzherzoglichen Armee, trotz schwerer Wochen, unerschüttert. Auch hier herrschen Güte und Liebe nebeneinander. Güte von dem obersten [7] Armeeführer, die jedem Tapferen und Pflichtgetreuen seines Heeres zuteil wurde. Liebe in den Herzen der Unterführer und Soldaten bis zum niedrigsten Grade.
An der Seite der Führer arbeiten die Leiter unserer Generalstäbe. Hier sehen wir die "Nibelungentreue" in die Tat übertragen. Zwei kluge Männer, mit politischem Blick und einem feinen Verständnis für den Zusammenhang aller Dinge in diesem großen Weltkriege, verstehen sich mit wenigen Worten. Nicht Eifersucht und Mißgunst hindern die Ausführung von Plänen, welche der gemeinsamen Kriegsführung zum besten dienen. Unsere beiden Völker fragen ebensowenig darnach wie General von Falkenhayn und Generaloberst Conrad von Hötzendorf, wer der Erfinder irgend eines genialen Gedankens war. Diese einigen sich und führen gemeinsam durch, was sie als segensreich beide erkannt haben. So haben sich die führenden Köpfe und die marschierenden Heere kennengelernt, letztere haben gemeinsam ihr Blut verspritzt und aus einer vertragsmäßig begründeten Bundesgenossenschaft ist eine Freundschaft geworden, die uns auch mit dem Friedensschluß nicht verloren gehen darf. Bescheiden, wie alle großen Männer der Kriegsgeschichte, sind unsere beiden Führer der Generalstäbe. Sie können sicher sein, daß nach Abschluß des Ringens um die Existenz unserer Staaten, das unzweifelhaft zu einem Siege führen wird, die dankbaren Völker ihre Arbeit nie vergessen werden. Mögen die Gegner nach neuen Männern suchen, nachdem sie das Vertrauen in die führenden Köpfe ihrer unglücklichen Heere verloren haben. Deutschland und
Österreich-Ungarn haben nur einen Wunsch: Mögen uns unsere Führer des leitenden Gedankens erhalten bleiben, und mögen sie in ihrer schweren Verantwortung, die sie tragen, gestärkt werden durch das rückhaltslose Vertrauen der Millionen von Staatsbürgern, welche durch sie von dem furchtbaren Druck, den dieser gewaltige Krieg auf alle Völker legt, befreit werden sollen.
Wenn wir jetzt nach vielen Monaten uns der Worte erinnern, welche
österreichisch-ungarische Heerführer über ihre Armeen einst sprachen und der Öffentlichkeit zugänglich machten, so müssen wir dankbar anerkennen, daß diese Männer in prophetischen Worten schon damals die Wahrheit verkündeten. Es ist wahr geworden, was Erzherzog Josef Ferdinand im März dieses Jahres sagte: "Ich hoffe, daß es uns bald beschieden sein wird, unsere ruhmgekrönten Fahnen bis über die wieder befreiten Grenzen unseres Vaterlandes zu tragen." Nach fünf Monaten des Krieges konnte Erzherzog Josef, als Kommandant des VII. Armeekorps, sagen: "Die Leistungen der Truppen auf Märschen, in Gefechtsfällen und im Ertragen von Strapazen aller Art überschreiten jene aller vergangenen Kriege. Waffengattungen und Nationalitäten machen keinen Unterschied in heroischem Kampf und aufopferungsvollem Verhalten." Jetzt, zu Beginn des zweiten Kriegsjahres, ist alles so geblieben, wie es zu Anfang war, und hat noch höheren Wert bekommen durch die opferfreudige Ausdauer, durch eine lange Kriegszeit. Der jetzt in Ostgalizien vorwärtsführende Kommandant, General der Kavallerie von
Böhm-Ermolli, sprach im April dieses Jahres seinem Heere seine rückhaltlose Dankbarkeit aus: "Wer die teilweise unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten kennt, unter denen unsere Truppen gegen einen gut geführten, zähen, [8] tapferen und numerisch überlegenen Feind bisher berufen waren, zu kämpfen, der muß ihnen aus tiefster Seele rückhaltlose Bewunderung zollen." Aufrechten Mutes, wie er zu Anfang des Krieges in Südpolen der russischen Übermacht gegenüber aushielt, spricht General Dankl zur selben Zeit Worte eines erfahrenen Führers: "So sehen wir allen
Ereignissen – könne geschehen, was da
wolle –, ruhigen Herzens und festen Auges in der unerschütterlichen Überzeugung entgegen, daß wir siegen müssen. Der achtmonatliche Feldzug hat uns geläutert und zusammengeschweißt. Wir sind zur Erkenntnis unserer Macht gelangt. Wir sind ein mächtiger Staat und wollen dies unseren Feinden eindringlichst einprägen, damit die Phrase von dem Zerfall Österreichs nie wiederkehre." Wie diese Führer der Deutschland verbündeten Armeen denken und sprechen, so empfinden auch die anderen. Das schönste Wort aber hat Kaiser Franz Josef selbst gesprochen, als er am 2. September in der großen Galerie des Schönbrunner Schlosses die
ungarisch-kroatische Huldigungsdeputation empfing: "Fest ist meine Zuversicht, daß meine heldenmütigen Heere, im Verein mit den treuen Bundesgenossen, einen ehrlichen, dauernden und gesicherten Frieden erkämpfen werden."
Auf einem der vielen Kriegschauplätze, auf denen
Österreich-Ungarns Heere sich unermeßlichen Ruhm erwarben, im Karpathenraum, weilte ich selbst. Neben der ritterlichen Liebenswürdigkeit, welche das
österreichisch-ungarische Heer in seinen Offizieren von altersher ausgezeichnet hat, erkannte ich den eisernen Willen unbedingter Pflichterfüllung. Er machte sich nicht prunkend breit, sondern umhüllte sich mit herzgewinnender Bescheidenheit, die stärker wirkte, als das laute Wort. Es gab kein Schwanken, wenn über den Endsieg gesprochen wurde. Aus der liebenswürdigen Hülle war der eiserne Kern hervorgetreten, der in den Jahrhunderten der
österreichisch-ungarischen Kriegsgeschichte nicht zu Grabe getragen war. Standhaft und treu ist das Heer in unseren Tagen in den schwersten Krieg aller Zeiten hineingetreten. Standhaft und treu wird es ihn beenden und der Doppelmonarchie die Stellung erringen, die ihr zukommt: Mit Deutschland zusammen Europas Rückgrat zu sein.
Berlin, im September 1915
Ernst Moraht,
Königlich Preußischer Major a. D.
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1. Österreich-Ungarns große Stunde
In furchtbarer Kriegsnot bewährt sich aufs neue
Österreich-Ungarns und Deutschlands Waffenbrüderschaft. Wahrlich, innere Würde und Kraft hatten die Friedensliebe der beiden heute so schrecklich bedrängten Kaiserreiche in langen Jahren genährt, freundschaftliche Bemühung sollte noch in letzter Stunde das Schreckbild des Krieges bannen, aber im Bewußtsein innerer Würde und Kraft umschließt ihre Faust heute auch das haarscharfe Schwert zu Abwehr und Schlag. Österreichische Mörser erhoben ihre brüllende Stimme auf den deutschen Schlachtfeldern des Westens und hatten den lebendigsten Anteil an der beispiellos raschen Bezwingung der eisengepanzerten Hochburgen des Feindes, der Festungen Namur, Maubeuge, Antwerpen! In dankbarer Anerkennung heften deutsche Heerführer das Eiserne Kreuz und die Tapferkeitsmedaille auf die Brust
österreichisch-ungarischer Offiziere und Soldaten! Hinwiederum flochten sich deutsche Feldherrn und Kämpfer auf den blutigen Schlachtfeldern der Karpathen, Galiziens und Polens das Lorbeerreis des Siegers um die Stirnen und erwarben sich die
österreichisch-ungarischen Auszeichnungen der Tapferkeit. Ein hoher Gedanke erhebt das Herz der auf Tod und Leben, auf Gedeih und Verderben verbündeten Völker der beiden Kaiserreiche! Es gilt den Fortschritt der Sittlichkeit und Kultur gegen den wilden Ansturm des Barbarismus zu verteidigen. Was sich in jahrhunderteschwerer reicher Vergangenheit herausgebildet hat an Werten des Geistes und des Glaubens, der Freiheit und der Kraft, das muß heute durch den Vernichtung drohenden Weltbrand als kostbarstes Weltgut hinübergerettet werden in den Morgen der Zukunft! Wohl gibt es eine Kampfeslust, die wild und gewaltig, des eigenen Leibes und Lebens nicht achtend, heraufbricht wie Wolfsbrut. Aber es gibt auch eine Tapferkeit, die von innen geadelt, die Blutopfer nicht zählt im Streite um eine gerechte Sache. Diese innere Flamme loht in den Herzen der verbündeten Völker
Österreich-Ungarns und Deutschlands. Nicht um Land und Wert, um Beute und Macht griffen sie zum Schwert, sondern um die Hoheitsstellung der sittlichen Idee. Eine Niederlage der
österreichisch-ungarisch-deutschen Waffen würde zu einem Zusammenbruch der sittlichen Welt führen. Englischer Krämergeist, das Gewissen der Zahl, russische Sklaverei der Kraft und des Gedankens, gallische Überkultur und raffinierte Entartung würden auf Jahrzehnte und Jahrhunderte den Anker auswerfen können. Es ist kein Kampf, von dem die Kronen wissen, es ist ein Kreuzzug, ist ein heiliger Krieg. In diesem Sinne kämpfen die Mittelmächte nicht um ihr Glück und ihre Zukunft, sondern um die Zukunft der Welt. Ihre Furchen befeuchten sich mit einer bitteren
Blut- und Tränensaat. Aber es muß eine starke Ernte kommen, wenn einst sich die Scheuern Europas auftun werden! Heute werden die Quadern und Dämme geschichtet, an denen sich im kommenden Krieg, dessen Fanale schon aufleuchten, die Brandung der asiatischen Flutwelle brechen wird!
Das letzte Jahrzehnt europäischer Geschichte bewies auf seiten der Donaumonarchie trotz heftiger Erschütterungen von außen eine über alles Maß gehende Geduld und Friedensliebe. Gewiß fand der Friedensgedanke eine starke Stütze an der Person des erhabenen Herrschers, des greisen
Kaiser- [10] patriarchen, der nach unsagbar schweren Stürmen am verdämmernden Abend sein Lebensschifflein in Stille und Ruhe des Hafens zu leiten gedachte. Es konnte nicht ausbleiben, daß Außenstehende in der friedlichen Politik
Österreich-Ungarns ein Zeugnis der Schwäche sehen wollten. Habsburgs
Schwert – vor hundert Jahren eisenbewährt, als es neben dem Rußlands und Preußens gezogen wurde gegen Anmaßung und Ländergier Napoleons – sollte stumpf und schartig geworden sein. Oft genug erbebten die Länder der
österreichisch-ungarischen Krone unter heftigem Parteihader, unter
Glaubens- und Rassengegensätzen. Freilich sind
sie – genau wie die Parteikämpfe
Deutschlands – ebenso ein Zeichen vielgestaltigen geistigen Lebens wie der fest verankerten Sicherheit des Reichsgedankens, der über allen Parteiströmungen leuchtet. Trotz der Vielgestaltigkeit und Verschiedenartigkeit der Volksschichten nach Stamm, Religion, Bildung und Besitz bietet zum Beispiel Rußland nach außen das Bild des selbstsicheren Staates. Aber es ist nur eine Grabesruhe! Rohe Gewalt läßt die Rinnsäle befruchtender vaterländischer Gedanken versanden und verschütten. Jedenfalls lauerten neidische und habgierige Feinde über die Grenzen der Doppelmonarchie und buchten alle Parteibewegungen in ihrem Kontobuch als Gewinne. Schon gedachte man, ein dem Zerfall geweihtes Reich zerlegen und nach Betragen verteilen zu können.
Als am 28. Juni 1914 die erschütternde Kunde von der ruchlosen Ermordung des
Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin, der Herzogin Sophie von Hohenberg, in die Welt drang, gab es zunächst im Blätterwald Europas nur eine Stimme. Es wollte scheinen, als sollte an der Bahre dieses edlen Fürstenpaares, das sich täglich mehr die Liebe der
österreichisch-ungarischen Völker zu erwerben gewußt hat, nur der Abscheu gegen die Verbrecher und die Anteilnahme für den gramgebeugten Kaiser Franz Josef laut werden. Schon damals erkannte auch die ausländische Presse an, daß die psychologische Erklärung für die nachtschwarze Tat nur in politischen Motiven gefunden werden könne. Die eingeleitete Untersuchung der
österreichisch-ungarischen Regierung ergab denn auch gar bald mit unzweideutiger Gewißheit, daß der Herd des Verbrechens in Serbien zu suchen sei. Seit langem konnte hier unter den Augen der Regierung eine großserbische Agitation gegen die Reichseinheit der habsburgischen Monarchie ihre lebhafte Tätigkeit entfalten. Geheimgesellschaften wie die Narodna Odbrana, gegründet mit der ausgesprochenen Absicht, die Vergrößerung Serbiens durch Losreißung österreichischer Landesteile herbeizuführen, bargen Männer des politischen Lebens, serbische Beamte und Offiziere unter ihren Mitgliedern. Die Hetzpresse des Landes trug den verräterischen Gedanken unverhohlen in die breiteren Schichten des Volkes. Aber sogar im Schulunterricht wurde das Gift der Verhetzung in die Herzen des aufstrebenden Nachwuchses geträufelt. Gerade in den Herzen der Gymnasiasten und Studierenden ging die Saat der großserbischen Agitation, die 1909 durch die Einverleibung Bosniens und der Herzegowina in die österreichischen Länder neue Nahrung erhielt, wie giftiges Unkraut auf.
Natürlich waren der
österreichisch-ungarischen Regierung die serbischen Umtriebe nicht unbekannt geblieben. Aber zur Vermeidung eines Waffengangs, der mit Sicherheit einen europäischen Krieg entfesselt hätte, hatte sie [11] sich bislang mit papiernen Beteuerungen der serbischen Regierung zufrieden gegeben. Noch zuletzt hatte
Österreich-Ungarn in der Preisgabe des Sandschaks von Novibazar, auf das es selbst ein vertragliches Recht geltend machen konnte, einen Beweis nachbarlicher Friedensgesinnung gegeben. Als nun aber die Untersuchung des Fürstenmordes von Serajewo den unwiderlegbaren Beweis erbrachte, daß die verbrecherische Tat des Gymnasiasten Gabrilo Princip und des Nicolja Gabrinowitsch in Belgrad angezettelt wurde, daß serbische Beamte der grauenvollen Tat Vorschub geleistet und Bomben aus den Staatsdepot von Krajugewatsch Verwendung gefunden hatten, wäre es um die Großmachtstellung der Donaumonarchie geschehen gewesen, wenn sie weiter die Politik geduldigen Wartens geführt hätte.
Mit Recht erhob Österreich-Ungarn die Stimme einer aufs schwerste beleidigten und geschädigten Großmacht. Im Auftrage des Außenministers Grafen Berchtold überreichte der
österreichisch-ungarische Gesandte in Belgrad Baron Giesl, am 23. Juli 1914 der serbischen Regierung eine befristete Note, die nachdrücklichst Sühne für das Verbrechen und vollkommene Sicherstellung gegen die Fortsetzung der gegen
Österreich-Ungarn gerichteten großserbischen Agitation forderte. Ohne Zweifel würde sich Serbien der nachbarlichen Großmacht gegenüber gefügig gezeigt haben, wenn es nicht starker Rückendeckung bewußt gewesen wäre. In der Tat sollte das Ränkespiel der Feinde nur zu bald aufgedeckt werden, trat doch schon jetzt Rußland mit einem kräftiger diplomatischen Schritt an die Seite Serbiens, indem es in Wien den Zeitpunkt der Beantwortung des Ultimatums hinauszuschieben begehrte. Mit Recht weigerte sich die
österreichisch-ungarische Regierung, durch ein neues Aufgebot diplomatischer Kunststückchen in seinen Forderungen hingehalten zu werden. Wie sicher sich Serbien der Unterstützung Rußlands fühlen konnte erhellt mit vollkommener Deutlichkeit aus der hinterhältigen Beantwortung des
österreichisch-ungarischen Ultimatums, die den aufs bestimmteste klar gestellter und begründeten Forderungen nicht entsprach. So nimmt denn am 28. Juli
Österreich-Ungarn die Herausforderung Serbiens an und erklärt den Krieg.
Der Appell an das Schwert war der einzig noch mögliche ehrenvolle Ausweg. Es gibt Fragen im Leben der Völker, die nur durch Blut und Eisen zu lösen und zu entscheiden sind. Wenn die Kabinette schweigen, bleibt nur noch dem Schwert das Wort. Habsburgs große Stunde schlug. Am 5. August erfolgte der Austausch der Kriegserklärungen mit Rußland
und – Montenegro. Die Funken des Krieges stäubten auf, bald sollte die Welt in Flammen stehen! Aber auch
Österreich-Ungarn wußte sich mit dem verbündeten Deutschland vollkommen einig in der blutigen Vertretung seiner gerechten Sache.
In Rußland erwuchs der Donaumonarchie ein gewaltiger Feind. Seine Beziehungen zu
Österreich-Ungarn sind nicht immer von kriegerischem Geiste diktiert gewesen. Im Gegenteil haben russische und österreichische Heere oft nebeneinander gestanden, insbesondere gegen französische Machtansprüche. Im polnischen Erbfolgekrieg des Jahres 1735 sowohl wie im österreichischen Erbfolgekrieg von 1748, als endlich in den Kriegen gegen Friedrich den Großen fehlte es nicht an freundnachbarlicher Waffenhilfe. Wiederum kämpften 1789 russische und österreichische Truppen im Orient, 1799 in Italien in guter
Waf- [12] fenbrüderschaft. Insbesondere aber vereinigten sich ihre Schwerter mit denen Preußens im napoleonischen Zeitalter verschiedentlich, um die unerträgliche Zwingherrschaft Frankreichs abzuschütteln.
Aber wie schon Iwan II. die Großmachtstellung Rußlands durch Herandrängen an die Küsten der Ostsee zu stärken beabsichtigte, und wie der große Zar und Zimmermann aus dem Hause der Romanow Peter der Große das kluge Auge des Staatsmanns auf Konstantinopel und die Beherrschung der Dardanellen richtete, so hat die russische Politik nie in dem Bestreben aufgehört, das Meer zu gewinnen und die Grenzen ihres Landes hinauszuschieben. Zertrümmerung der Selbständigkeit kleiner Staaten ist der Grundzug russischer Staatsmaßnahmen. Aus der Niederwerfung von Polen und Balten, von Türken und Tscherkessen, von Ukrainern und Finnen erbaut sich Rußlands Großmacht. Auch heute wieder entfaltet Rußland das Banner des Panslawismus, indem es sich eigenmächtig zum Schutzherrn und Befreier aller slawischen Völker
aufwirft – wiewohl es selbst durchaus kein slawischer Staat ist. Aber nicht einmal völkischer Idealismus ist der geheime Beweggrund seines politischen Handelns, sondern die krasse Selbstsucht einer Despotie, die der Wohlfahrt der Völker auch nicht das kleinste Opfer zu bringen wußte, die vielmehr jede völkische Eigenart in Sprache, Sitte und Glauben mit einem Barbarismus, der einer längst überwundenen Weltepoche angehört, niedergetreten hat. Der panslawistische Gedanke ist es, der Rußland zum Schutzherrn Serbiens machte und zu dem gewaltigen Waffengang führte, dessen Austrag unsere Zeit erlebt.
Hatten Österreich-Ungarns Feinde auf den allmählichen Verfall der Donaumonarchie gerechnet, auf die Schwächung seiner Kräfte durch
Partei- und Rassenhader, so sollte die Mobilmachung der staunenden Welt zeigen, daß man sich aufs schwerste verrechnet hatte. Der Ruf des ehrfürchtig geliebten greisen Herrschers fand in den Ländern der Krone einen begeisterten Widerhall. Hunderttausende und aber Hunderttausende von Freiwilligen drängten sich herzu, mit Leib und Leben einzustehen für die Größe und den Ruhm Habsburgs. Die ritterliche Gerechtigkeit, die
Österreich-Ungarn gegen die vielsprachigen und vielgestaltigen Glieder seiner Bevölkerung geübt hatte, trug jetzt in den schweren Stunden einer eisernen Zeit ihre schönsten Früchte. Man spürte, daß der Österreicher ein Vaterland hat, das er liebt und das er Ursache hat zu lieben. Und wie sich die Wehrfähigen mit hochgeschwellten Herzen unter dem schwarzgelben und rotweißgrünen Banner zusammenfanden zu hartem Schwertschlag, so stellten sich Fürsten und
Adel – hochherzige Männer und
Frauen – in den Dienst der Kriegsliebestätigkeit, die Wunden zu heilen, die das Schwert schlug, die Nöte zu lindern, die als traurige Spuren des Kriegs auch den Siegen folgen.
Aufs glänzendste trat die in langjährigem Frieden geordnete Kriegsbereitschaft zutage. Geheime Kräfte waren fortgesetzt am Werke gewesen, die Wehrkraft der Monarchie den Bedürfnissen der Zukunft anzupassen. In dem Erzherzog Franz Ferdinand hatte
Österreich-Ungarn einen der eifrigsten Förderer des Heerwesens verloren. Sein letzter Gang galt der Teilnahme an den bosnischen Manövern. Mit der Neuorganisation der
österreichisch-ungarischen Armee wird allezeit auch der Name des jetzigen unermüdlichen [13] und tatkräftigen Generalstabschefs Conrad von Hötzendorf verbunden bleiben, der in weitschauender Voraussicht die Schlagbereitschaft des Heeres sicherte. Die Skodawerke brachten das Geschützwesen auf eine glänzende Höhe. Auch die
österreichisch-ungarische Flotte war zu einer Macht ausgebaut,
die – wie sich zeigen sollte – zu entscheidungsvollen Schlägen auszuholen vermochte. Es lebte in
Österreich-Ungarn noch der echte kriegerische Geist,
der – einmal geweckt – zu großen Taten schreitet. Nie wird an der Zukunft des
österreichisch-ungarischen Namens zweifeln, wer die einmütige und kraftvolle Erhebung, den opferbereiten Gemeinsinn und die Zähigkeit des Durchhaltens in unserer Zeit hat miterleben dürfen!
2. Österreichs Schwert wider Serbien
Die gewaltige Kriegshilfe, die dem kleinen Serbien in der überlegenen russischen Armee erstanden war, zwangen
Österreich-Ungarn, nur einen kleinen Teil seiner Streitkräfte gegen Serbien und Montenegro aufzubieten. Dadurch sank der Balkankriegsschauplatz bald zu untergeordneter Bedeutung herab.
Die serbische Regierung hatte ihren Sitz nach Nisch verlegt, da Belgrad aufs unmittelbarste bedroht war. Der Vorstoß gegen die Hauptstadt sollte durch Zerstörung der Brücke zwischen Belgrad und Semlin hingehalten werden, allein die österreichische Artillerie belegte vom Ufer aus die Stadt mit einem Hagel von Granaten, ein Feuerkampf, der von österreichischen Donaumonitoren aus aufs wirkungsvollste unterstützt werden konnte. Bald waren die Befestigungen niedergelegt, und während sich die serbischen Truppen gruppierten, drangen
österreichisch-ungarische Truppen gleichzeitig an verschiedenen Stellen ins Land. Sie überschritten im Westen die Drina und nächtlicherweile unter serbischem Feuer die Save. Am 14. August stellten sich zwei serbische Brigaden den herandrängenden Truppen bei Schabatz entgegen. Nach kräftiger Vorarbeit ihrer Artillerie setzten die österreichischen Truppen wiederholt zum Sturm an, der sie unter heftigen Bajonettkämpfen noch in der Nacht zu Herren von Schabatz machte, das ihnen auch in Gegenangriffen nicht verloren ging. Im Gegenteil fügten die Österreicher dem ersten Siege nach wenigen Tagen wertvolle Schwerterfolge hinzu in den Schlachten bei Loschnitza und Ljeschnitza an der Drina, so daß die serbische Armee zum eiligen Rückzug gezwungen ward und sich erst 60 Kilometer südlich bei Waljewo zu sammeln und neu zu ordnen vermochte. Dabei mußte sie zahlreiche Gefangene dem Sieger zurücklassen. Am 18. August erfolgte die Besetzung von Obrenowatsch, am folgenden Tage scheiterte ein kühner serbischer Versuch, unter Überschreitung der Save westlich von Semlin das ungarische Ufer zu gewinnen. Die waghalsige Freiwilligenbande wurde unter blutigen Verlusten zurückgeworfen. Am 20. August erlitt der Feind eine schwere Niederlage bei Visegrad, wo den Österreichern die Waffenhilfe des aus Albanien zurückgezogenen deutschen
Skutari-Detachements unter dem Befehl des Majors Schneider zuteil wurde. Hier hatten die Serben wiederum große Verluste; allein in einem Schützengraben wurden 500 Tote gezählt.
Die gewaltige Beteiligung Rußlands an Österreichs Waffengang machte es notwendig, die Züchtigung Serbiens zu vertagen und Truppen aus Serbien [14] an die bedrohte Grenze Galiziens zu werfen. Das serbische Heer war durch Verluste und Krankheiten zu erschöpft, den Rückzug des österreichischen Heeres strategisch auszunutzen. Die Sanitätsvorrichtungen erwiesen sich als vollkommen unzulänglich, die immer stärker um sich greifenden Seuchen, deren Elend eine Hungersnot noch verstärkte, zu bezwingen. Auch jetzt fehlte es nicht an mehr oder minder heftigen Zusammenstößen. Am 6. September werden 5000 Serben bei Mitrowitza vernichtet, am folgenden Tage 1500 bei Indjija in Gefangenschaft gebracht. Auch den Montenegrinern, die sich beim Ausbruch des Krieges auf Serbiens Seite gestellt hatten, gelang kein Vorstoß; ihre Küste wurde blockiert, der Kreuzer "Szigetvar" erschien vor Antivari und zerstörte die Funkenstation; in der Schlacht bei Bileca wurden sie am 3. September verlustreich zurückgeschlagen.
Serbiens unzugängliche Gebirge stellten dem Winterkrieg ungeheure Schwierigkeiten entgegen. Dennoch entwickelten die Österreicher unter der Führung des energischen Feld[zeugmeisters] Potiorek neue Offensivkraft. Schlag auf Schlag versetzten sie im mörderischen Kleinkrieg den erbitterten Feinden, die über eine genaue Bodenkenntnis und ein wohlausgebildetes Spionagesystem verfügten. Am 2. Dezember wurde Belgrad bezwungen, aber es hätte unnützer schwerer Verluste bedurft, um den Erfolg gegen neue Streitkräfte, die Serbien ins Feld führte, zu halten. Wieder machte sich eine Zurücknahme und Neugruppierung der
österreichisch-ungarischen Streitkräfte notwendig. Sie ordneten sich unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Eugen zur eisernen Grenzwacht. Im allgemeinen kommt es zunächst nur zu Artilleriekämpfen. Am 18. April wird serbisches Feuer aus der Gegend von Belgrad erfolgreich erwidert. Montenegrinische Streitkräfte, die sich östlich von Trebinje vorgewagt hatten, werden durch österreichisches Artilleriefeuer zerstreut. Österreichische Fliegergeschwader greifen wiederholt in den Balkankrieg ein. Wie sie im April mit Bombenwürfen über Cettinje erschienen, so im Juni über Krajugewatsch, der Werft von Belgrad und dem Truppenlager Orasatsch, südwestlich von Obrenowatsch. Die ungeheuer bewegte und erfolgreiche Kriegsbeteiligung
Österreich-Ungarns auf dem russischen, später auch auf dem italienischen Kriegsschauplatz läßt den
serbisch-montenegrinischen Krieg vorläufig nur hinhaltend führen. Eine starke Ablenkung erfuhr Mitte Juni Serbien und Montenegro durch die Vertretung ihrer albanischen Wünsche Italien gegenüber. Am 12. Juni rücken serbische Streitkräfte gegen Nordalbanien vor, und am 26. Juni besetzen die Montenegriner San Giovanni di Medua; tags darauf ergreifen sie Besitz von Skutari. Diese Ereignisse wären geeignet, ernste Verwicklungen mit den Vierverbandsmächten herbeizuführen, wenn nicht der militärische Zusammenbruch Serbiens so weit fortgeschritten wäre, daß es an weittragende Unternehmungen und ihre Unterstützung mit Waffengewalt in absehbarer Zeit wohl nicht zu denken in der Lage ist.
3. Österreichs Schwert wider Rußland
Die Donaumonarchie befand sich Rußland gegenüber in einer besonders schwierigen Lage. Erst die Karpathen ergaben den natürlichen Wall für eine Verteidigung des Landes gegen russische Angriffe. Das vorgelagerte Galizien [15] hätte dem Feinde preisgegeben werden müssen, dessen Truppen schon an der Grenze zusammengezogen waren, um im Süden in Österreich einzufallen, wie es im Norden in Ostpreußen geschehen war. Ein nicht unbedeutender Teil von Österreichs militärischen Streitkräften stand gegen Serbien im Feuer. Und Italiens ungeklärte Haltung, die gerade Österreich gegenüber die schwerste Besorgnis erregen mußte, zwang die
österreichisch-ungarische Heeresleitung, auch für einen Krieg an der italienischen Grenze Truppen bereitzuhalten.
Trotz dieser Schwierigkeiten zögerte
Österreich-Ungarn nicht, unter der Deckung seiner galizischen Festungen den Grenzschutz des Landes kräftig in die Hand zu nehmen und aus der Abwehr alsbald zu entschlossenem Angriff vorzustoßen. Schon in der ersten Augusthälfte entwickelten sich an der galizischen Grenze kleine Gefechte, die trotz der feindlichen Verstärkungen den russischen Waffen keinerlei Erfolg zu bringen vermochten. Inzwischen hatte
Österreich-Ungarn, dessen Streitkräfte unter den Oberbefehl des Erzherzogs Friedrich gestellt waren, zwei Armeen gegen Rußland aufgeboten. Die Westarmee stand unter dem Befehl des Generals der Kavallerie Victor von Dankl, der 1854 geboren, seinen Weg durch Militärakademie, Kriegsschule und Generalstab genommen hatte und Kommandierender General in Innsbruck geworden war. Die Ostarmee wurde dem General der Infanterie Moritz Ritter von Auffenberg unterstellt, der 1852 geboren, ebenfalls Militärakademie, Kriegsschule und Generalstab durchlief und 1909 zum Kommandierenden General des XV. Armeekorps in Serajewo ernannt wurde.
Unter unsäglichen Mühen drang die Westarmee durch Sumpf und Morastgebiete gegen Rußland vor und trug unter siegreichen Vorgefechten alsbald den Krieg nach Polen, wo es in den Tagen vom 22. bis 24. August zu der gewaltigen Schlacht bei Krasnik kam. Vier russische Armeekorps stellten sich hier den vorstürmenden Österreichern entgegen. Bald gewannen die heftigen Kämpfe eine Frontausdehnung von 70 Kilometern. Unter furchtbaren Verlusten wurde der Feind zurückgeworfen, und eine Beute von 3000 Gefangenen und von wertvollem Kriegsmaterial fiel in des Siegers Hand. Die siegende Armee heftete sich an des Feindes Fersen und bedrängte ihn in der Richtung auf Lublin, vor dessen Toren den Russen in der Zeit vom 27. August bis zum 3. September neue erbitterte Schlachten geliefert wurden, in denen sich wiederum das Waffenglück Victor von Dankls bewährte. Die Ostarmee richtete ihren Angriff gegen russische Streitkräfte, die im Raum zwischen Wieprz und Bug zusammengezogen waren. Auch sie vermochte alsbald das siegreiche österreichische Schwert nach Norden gegen starke aus Cholin vorrückende Kräfte zu tragen. Der Feind erlitt auch hier schwere Niederlagen, so bei Zamosc und Kamarow.
Die gegen Rußland operierende
österreichisch-ungarische Armee hatte unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Josef Ferdinand, der auf eine reiche militärische Schulung, die ihn zum
Feldmarschall-Leutnant und hernach zum Kommandanten des XIV. Korps hatte aufsteigen lassen, eine nicht unwesentliche Verstärkung erfahren. Allein auch die Russen hatten neue starke Streitkräfte ausgestellt zum Schutz des eigenen Bodens und zu kräftigen Durchbruchsversuchen. Mit täglich wachsender Zähigkeit erneuerten die Russen ihre Vorstöße. Dabei waren sie aufs glücklichste unterstützt von ihrer Artillerie, [16] die mit einer ungeheuren Munitionsverschwendung die Stellungen der Österreicher zu erschüttern versuchte. Wohl war es dem General von Auffenberg gelungen, dem Feind einen Verlust von 20 000 Gefangenen und 200 Geschützen beizubringen. Gegen die gewaltige russische Übermacht ließ sich aber der Plan einer Umfassung nicht durchführen. Seine Armee mußte vielmehr Schritt für Schritt zurückweichen, um zunächst Lemberg als Stützpunkt zu erreichen. Hier lieferte von Auffenberg dem Feinde eine harte fünftägige Schlacht. Seine Truppen kämpften wie die Löwen und entrissen dem Feinde zehntausend Gefangene und zahlreiche Geschütze, aber sie wurden dann doch gezwungen, Lemberg dem Feinde zu überlassen, um eine neue günstigere Stellung einzunehmen, den von wochenlangen Kämpfen ermüdeten Truppen eine Erholung zu neuer Offensive zu verschaffen.
Noch einmal sollte es den österreichischen Waffen gelingen, in der Gegend von Grodek östlich von Lemberg dem Feind in fünftägigen Schlachten schwere Verluste beizubringen. Indessen schritt die Bedrohung Galiziens durch die russische Armee immer weiter fort. Die Festung Przemysl wurde vom Feinde eingeschlossen, aber es gelang zunächst noch, die Karpathenstellung zu halten und gleichzeitig mit der Offensive der deutschen Armee den eigenen Angriff vorzutragen und Anfang Oktober den Feind bei Opatow und Klimontow über die Weichsel zu werfen. Am 10. Oktober versuchte der Feind noch einmal einen Sturm auf die Südfront von Przemysl, der aber zurückgewiesen wurde. Nun wird die rückwärtige Bewegung der Russen allgemein. Die
österreichisch-ungarische Armee bleibt dem gegen die Grenze ausweichenden Feinde auf den Fersen und erreicht unter heftigen Kämpfen den San, über den die Russen fluchtartig zurückweichen müssen. Und während deutsche Truppen Polens alte Hauptstadt bedrängen, erscheint das österreichische Heer überraschend vor Iwangorod, schlägt zwei feindliche Divisionen und entreißt dem Gegner neben 3600 Gefangenen reiche Kriegsbeute.
Mitte November zogen die Russen gegen Galizien und Ungarn abermals ein Heer zusammen, das durch seine große zahlenmäßige Überlegenheit der
österreichisch-ungarischen Heeresleitung einen neuen strategischen Rückzug aufnötigte. In glänzender Weise lösten sich die Truppen wohlgeordnet vom Feinde, dem es an keiner Stelle gelang, die Bewegungen zu hemmen. Wie eine vernichtende Woge ergossen sich nun die russischen Horden über San und Dunajec nach Galizien und über die Pässe der Karpathen in die ungarischen nördlichen Komitate, sowie in die Bukowina. Aufs neue setzte eine furchtbare Verwüstung ein, und am 10. November gelangte auch die Festung Przemysl zu einer neuen Einschließung. Doch die Festung hielt jedem feindlichen Sturme kräftig stand und ihre Geschosse zwangen dem Feind eine respektvolle Entfernung auf.
Inzwischen hatte die deutsche Armee bei Kutno und Wloclawec den Russen schwere Niederlagen bereitet. Dadurch wurde der russische Druck gegen die
österreichisch-ungarische Front soweit zum Nachlassen gebracht, daß es den Bundesgenossen gelang, unter verzweifelten, wahrhaft heroischen Kämpfen die Russen aus den ungarischen Komitaten Ung und Zemplin zu werfen und bis Ende November in den Karpathenpässen den Russen furchtbare und blutige Niederlagen beizubringen. Die
österreichisch-ungarischen Truppen holten
gleich- [17] zeitig mit den Deutschen zu einer gewaltigen Offensive aus. Während die deutsche Armee nach den siegreichen Schlachten von Lodz und Lowicz den Feind an der Bzura aufs heftigste bedrängte, rückten die Verbündeten aus der Gegend von Krakau gegen den Feind und schlugen ihn völlig in der Dezemberschlacht von Limanowa, die den Anfang eines allgemeinen Rückzugs der Russen aus den westlichen Karpathen herbeiführt und neben wertvollem Kriegsmaterial 30 000 Gefangene in des Siegers Hände bringt. Am 16. Dezember gelingt den Österreichern der Sturm auf Petrikau. Schulter an Schulter mit deutschen Truppen hält die
österreichisch-ungarische Armee in Polen stand und bereitet an Pilica und Nida dem Feinde verlustreiche Niederlagen.
Aber Menschenverluste vermochten die Angriffskraft der Russen wohl für einige Zeit zu schwächen, aber nicht zu brechen. Mit einem überwältigenden Aufgebot neuer Kräfte drängte der Feind aus der Richtung von Bochnia gegen Galizien, um durch kühne Vorstöße einerseits Krakau, andrerseits Budapest zu gewinnen und damit die Richtung auf Wien zu erreichen. Nach Österreichs Hauptstadt gelüstete es den Russen ebenso wie nach Berlin; immer wieder wurde gegen beide Städte die russische Dampfwalze angesetzt.
So sind denn die österreichisch-ungarischen Truppen gezwungen, in den letzten Dezembertagen bis auf die Paßhöhen und in den Raum von Gorlice zurückzuweichen. Nördlich vom Lupkowpaß kommt durch einen österreichisch-ungarischen Gegenangriff der feindliche Vormarsch zum Stehen. Die härtesten Wintermonate bleiben nun erfüllt von den furchtbarsten Karpathenkämpfen. Bei einer Kälte, die 23 Grad erreichte, bei Eis und Schnee und plötzlichen schweren Witterungsschwankungen, die zahlreiche Erkrankungen und Erfrierungstod im Gefolge hatten, galt es dem Feinde an der festen Gebirgswand die Stirne zu bieten. Die großen Paßstraßen kommen als Vormarschstraßen in erster Linie in Betracht, allein der Feind bleibt natürlich bestrebt, sie beständig unter Feuer zu halten. Da hieß es denn, durch unwegsame, schneeverwehte Schluchten den Feind zu umgehen und Boden zu gewinnen. In meterhohem Schnee mußten Artilleriestellungen und Schützengräben ausgehoben werden. Mit ganz außerordentlichen Schwierigkeiten vollzog sich die Nachfuhr von Munition und Proviant. Fuhrwerk konnte zuweilen überhaupt nicht benutzt werden. Schlittenkufen und Tragtiere standen bereit, auf steilen Gebirgspfaden über Glatteis und Schnee den Truppenbedarf emporzubefördern. Nur ein von tiefgehender Vaterlandsliebe genährter Heldenmut vermochte die ungeheuren Anstrengungen und Schrecken dieser Karpathenkämpfe zu ertragen.
Die verbündeten Heeresleitungen hatten die Aufnahme einer gemeinsamen Offensive in den ersten Frühlingsmonaten beschlossen. Der russischen Armee stellten sie im Westen der Front die des Generals der Infanterie Boroevic von Bojna gegenüber, daran schloß sich die Mittelarmee, weiter östlich die neugebildete Kaiserlich Deutsche Südarmee unter General von Linsingen. Endlich Feldmarschall-Leutnant Szurmays tapfere Truppen. Im Verfolg der Kämpfe rückten in die ausgedehnte Front die Armeen des Erzherzogs Josef Ferdinand, der deutschen Generale Mackensen und von der Marwitz. Ihr gewaltiger Karpathenvorstoß vermochte der tapferen Besatzung von [18] Przemysl nicht rechtzeitig Entsatz zu bieten. Nach fünfmonatiger Einschließung mußte sich der Kommandant General der Infanterie von Kusmaneck am 22. März, nachdem seine Truppen noch zuletzt in vielstündigen Gefechten Ausfälle versucht hatten, wegen Mangel an Proviant ergeben.
Inzwischen aber begann sich das große Drama aufzurollen, das von April an bis zur Stunde die Völker in atemlosem Staunen hält. Nach dem Fall von Przemysl freigewordene Truppen werfen die Russen gegen die
österreichisch-ungarische Karpathenstellung, aber Schritt für Schritt drängte sie der Heldenmut der verbündeten Truppen heraus. Furchtbare Kämpfe entwickeln sich im Laborczatale, im Cziroktale und Ende April im Orawatale, wo sich
österreichisch-ungarische Truppen in den Besitz der Ostryhöhe setzen. Zehntausende von Gefangenen bleiben des Siegers Beute, Hunderte von Geschützen. Der 2. Mai bringt den Beginn der großen Durchbruchsschlacht bei Gorlice und Tarnow, in der die 3. und 8. Armee von dem General Boroevic von Bojna und dem Oberbefehlshaber des rechten Flügels der
Mackensen-Armee General Otto von Emmich vollkommen geschlagen und zu fluchtartigem Rückzug gezwungen werden. Besonders die
österreichisch-ungarische schwere Artillerie hatte mit ihren verderbenbringenden Geschossen des Feindes Stellung erschüttert und wahre Schrecken der Vernichtung in die abziehenden Truppen getragen. Berge von Leichen häuften sich vor den österreichischen Stellungen. Auf einer Frontbreite von 160 Kilometern war der Feind im Rückzug, immer aufs heftigste verfolgt und geschwächt durch die erbittertsten Angriffe der Verbündeten. In schneidigem Vorgehen wurde der Feind nach Norden geworfen, wobei er fortgesetzt schwerste
Menschen- und Kriegsmaterialverluste erlitt. Am 10. Mai verkündet der amtliche österreichische Bericht, daß die Zahl der in Westgalizien gemachten Gefangenen auf 80 000 gestiegen ist, zu denen noch 20 000 hinzuzuzählen sind, die bei der Verfolgung in den Karpathen eingebracht wurden. Rechnet man zu diesem Verlust der dritten russischen Armee die Zahl der Toten und Verwundeten, so kann der Gesamtverlust mit mindestens 150 000 Mann angenommen werden.
In scharfer Verfolgung trieben die verbündeten Truppen nun den Feind vor sich her. Täglich mehr vergrößerte sich die Niederlage der russischen 3. und 8. Armee. In regellosen Kolonnen, teils in
Auflösung – so berichtet der Stellvertreter des Generalstabs Feldmarschall-Leutnant von Hoefer, dem wir die präzisen österreichischen amtlichen Mitteilungen
verdanken – fluten die russischen Truppen und Trains dieser Armeen in den Richtungen auf Jaroslau, Przemysl und Chirow zurück. Durch den bisherigen außerordentlichen Erfolg in
West- und Mittelgalizien begann nun auch die Karpathenfront östlich des Uzsoker Passes zu wanken und sich aufzurollen. Zugleich wurde der Feind in
Russisch-Polen mit wachsender Angriffskraft zum Rückzug gezwungen. Mitte Mai verfolgen die verbündeten Armeen Woyrsch und Dankl von östlich Petrikau bis zur oberen Weichsel den zurückgehenden Gegner. Vor der Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand ziehen sich die Russen in Mittelgalizien über den San zurück und weichen aus dem Raume
Dobromil – Stary-Sambor vor den Spitzen der Armeen Boroevic und
Böhm-Ermolli in nordöstlicher Richtung. Mitte Mai rückt das in Mittelgalizien zuständige
österreichisch-ungarische X. Korps vor die [19] Tore seiner Heimatstadt Przemysl. Mit verzweifelter Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Streitkräfte versuchte das russische Heer vor den Toren von Przemysl den tapferen Truppen Widerstand entgegenzusetzen. Am 25. und 26. Mai schiebt sich die
Mackensen-Armee über den San östlich Radymno, das
österreichisch-ungarische VI. Korps erstürmt den Brückenkopf Zagrody. Südlich und südöstlich befinden sich die Truppen gegen die starken und zum Teil betonierten Stellungen der Russen in langsam fortschreitendem Angriff. Dabei stieg die Gefangenenzahl dieser beiden Tage auf 25 Tausend! Immer enger schloß sich der Gürtel der Belagerer um die Festung, die von den Russen tapfer und nach Wiederherstellung der zerstörten Anlage mit vortrefflich gestellter Artillerie verteidigt wurde. Im Norden, Westen und Süden umklammert, vermochte sie jedoch dem unvergleichlichen Ansturm der verbündeten Heere nicht standzuhalten. Österreichische
30,5-Geschütze donnerten gegen die Festung und hielten die nach Osten geöffnete einzige Abzugsstraße unter beständigem und lebhaftem Feuer, so daß der Abzug russischer Streitkräfte und der Abtransport von Proviant und Kriegsmaterial in Richtung auf Lemberg nur unter den allerschwersten Verlusten bewerkstelligt werden konnte. Am 3. Juni trug der Draht die in den verbündeten Monarchien mit Jubel begrüßte Kunde in die Welt: Przemysl ist wieder in unserm Besitz! Während die Armee Mackensens nördlich gegen Jaroslaw Raum gewinnt und den Feind an die Grenze wirft, setzt sich die Armee
Böhm-Ermolli im Verlaufe des Juni in unaufhaltsamen täglichen Fortschritten gegen Lemberg in Bewegung, das am 22. ds. Mts. dem Eroberer zufällt. Wenige Tage später erreichen die Verbündeten die Gegend von Belz, Komarow, Zamosc und drängen dem abziehenden Feinde beiderseits der Kamienna nach.
Galizien, von dem nur der schmale Ostrand noch in russischer Gewalt verblieben war, atmete nach schweren Monaten der Fremdherrschaft wieder auf. Obwohl der Feind mit Befestigungen und Verschanzungen seine eroberten Länder gegen alle Angriffe geschützt und eine Riesenarmee zu ihrer Behauptung entwickelt hatte, war es ihm doch nicht gelungen, dem eisernen Anprall der verbündeten Streitkräfte standzuhalten. Führergeist und eine unvergleichliche Tapferkeit für ihre höchsten Güter streitender Armeen hatten den Sieg davongetragen über eine gewaltige, stets neugestärkte Übermacht! Allein im Juni betrug die Beute der im Nordosten kämpfenden
österreichisch-ungarischen Truppen 521 Offiziere, 194 000 Mann, 93 Geschütze, 364 Maschinengewehre, 78 Munitionswagen, 100 Zeltwagen und weiteres Kriegsmaterial. Rußlands furchtbar geschwächte Industrie ist entferntestens nicht in der Lage, die Verluste an Kriegsmaterial auszugleichen und ist auch hier auf die Unterstützung seiner Bundesgenossen und Amerikas angewiesen.
Die Offensive der verbündeten Armeen sollte auch in den Monaten Juli und August nicht zum Stehen kommen trotz stets erneuter russischer Versuche und Gegenstöße. Die Durchführung eines in allen Teilen peinlichst vorbereiteten einheitlichen Plans erschütterte mit einem Schlage die gesamte russische Front von der Höhe Rigas bis zum Südrand der Bukowina. Während die deutschen Armeen Hindenburgs und Mackensens unter dem Oberbefehl der Generale Below, Scholz, Gallwitz und Woyrsch, sowie der Generale [20] von der Marwitz und Linsingens die eiserne Klammer um die Stellungen des Feindes legten, rückte auf dem südpolnischen Kriegsschauplatz die Armee Josef Ferdinands gegen Krasnik vor, schlug hier in mehrtägigen erbitterten Schlachten den Feind zurück und fügte sich mit den siegreichen Heeren der Feldherrn Böhm-Ermolli und Pflanzer-Baltin in den großen gemeinsamen Vorstoß gegen Rußlands Riesenheere.
Gleich zu Beginn des Weltkrieges versuchten russische Truppen, sich der Bukowina zu bemächtigen, doch wurde der Vorstoß gegen Czernowitz zunächst zurückgewiesen. Der allgemeine strategische Rückzug erforderte dann aber auch die Preisgabe dieses Landesteiles. Anfang
Februar setzt hier aber wieder eine lebhafte
österreichisch-ungarische Offensivbewegung an, durch welche die Russen Schritt um Schritt zurückgedrängt werden. Österreichisch-ungarische Truppen brachen ins Moldawatal ein und entrissen dem Feind Uzwor, Moldawa, Breaza, Suczawa und Kimpolung; auf den Fersen des fliehenden Feindes erreichen sie am 12. Februar den Jablonicapaß und drängen die Russen in
Tag- und Nachtmärschen auf Stanislau ab. In furchtbarer Kälte mußten sich die stürmenden Truppen durch tief verschneite Gebirgspässe Bahn brechen, auf steilen, glatten Gebirgspfaden emporklimmen, um dem Feind keinen Augenblick Zeit und Ruhe zur Sammlung zu lassen. Nach Eroberung von Kolomea werden dann die Russen über den Pruth zurückgeworfen, so daß am 17. Februar die Besetzung von Czernowitz durch die verbündeten Truppen erfolgen kann. Heftige Kämpfe entwickeln sich alsdann südlich des Dnjestr, bei denen es gelingt, der Russen Herr zu werden und die Bukowina vollständig vom Feind zu säubern. Aber auch im weiteren Verlauf des Krieges wurde die Bukowina immer wieder in die heftigsten Kämpfe mit hineingezogen. Mit großem Feldherrngeschick versuchte hier der General Freiherr von
Pflanzer-Baltin den Ansturm aufzuhalten und jeden Stoß kräftig zu erwidern. Die Aufrollung der Karpathenfront bot auch hier zunächst einige Entlastung gegen den russischen Druck. Länger freilich als an der übrigen Front gedachte der Feind mit Rücksicht auf die politische Bedeutung angesichts der rumänischen Grenze den Boden zu behaupten. Aber in die allgemeine Offensivbewegung des Sommers wurde auch hier die tapfere österreichische Armee einbezogen und mit wuchtigen Schlägen warf sie den Feind über den Dnjestr.
Wie den deutschen Heeren so ist auch den
österreichisch-ungarischen in dem Riesenkampf gegen die russische Völkerflut wechselndes Kriegsglück beschieden gewesen. Immer aufs neue schoben sich die gewaltigen Kräfte titanisch gegeneinander. Aber in unablässigem Durchhalten und eisern zähem Ringen haben die Verbündeten ihre taktische Überlegenheit zur Entwicklung bringen und den Feind zu Boden zwingen können. Vor der Überlegenheit des Geistes hat die der Zahl die Waffen strecken müssen!
4. Österreichs Schwert wider Italien
Länger als dreißig Jahre hat Italien als Glied des Dreibundes dessen Segnungen und Vorteile genossen. Es begründete durch ihn und in ihm seine Großmachtstellung und ordnete unter seiner Deckung [21] seine
Finanz- und Wirtschaftslage. Noch vor kurzem vermochte es in seinem Schatten zu einer wertvollen kolonialen Erwerbung auszugreifen. Aber dennoch rechnete man im günstigsten Falle nur mit Italiens Neutralität, wenn einmal die europäischen Gegensätze aufeinanderprallen sollten. Zu oft hatte sich Italiens Politik einseitig zugunsten der Entente hingeneigt. Noch gelegentlich der Algeciraskonferenz nahm es eine Haltung ein, die den Bundesgenossen gegenüber wenig freundlich war. Insbesondere hat Italien seit einem Jahrzehnt die fanatische Agitation der Irredentisten stillschweigend geduldet und dadurch einer Hetze gegen die benachbarte Donaumonarchie Vorschub geleistet, die den Grenzfrieden aufs schwerste bedrohte.
Nur zu bald sollte Italien widerhallen vom Geschrei der Kriegshetzer, die jede besonnene Stimme, auch die des verdienten Staatsmannes Giolitti, niederschrien. Alle Volksleidenschaften waren aufs heftigste aufgepeitscht durch eine seit Jahrzehnten mit englischem und französischem Geld erkaufte feile Presse. Nichts tat nach dem Tode des deutschfreundlich gesinnten Außenministers Marchese di San Giuliano die italienische Regierung, die Politik der Straße zum Schweigen zu bringen. Der sogenannte Dichter Gabriele d'Annunzio entlockte seiner verstimmten Leier unter dem tosenden Beifall der Gassen die grellsten Kriegsfanfaren. Eine maßlose Eitelkeit schmeichelte das verblendete Volk: Italiens Eingreifen werde den Krieg entscheiden, und indem Italien sein Schwert in die Wagschale würfe, würden auch seine verwegensten Träume auf Landbesitz in den italienischsprachigen Teilen der Donaumonarchie zur Wirklichkeit werden. Noch in den Sommermonaten, in denen der Angriff der deutschen und österreichischen Truppen siegreich gegen Rußland vorgetragen werden konnte, bemühten sich die Diplomaten Österreichs und Deutschlands, durch wertvolle Versprechungen Italien den Treubruch ohnegleichen, der es aus der Reihe der vertragsfähigen Völker ein für allemal auszuschließen drohte, zu ersparen, aber der schwache König mit seinen Ministern Salandra und Sonnino segelten schon zu sicher im Fahrwasser der Entente, so daß auch die klugen diplomatischen Schritte des österreichischen Gesandten Baron Macchio und des Fürsten Bülow keine Änderung der festen Willensentschlüsse mehr herbeizuführen vermochten. Italiens Haltung blieb beherrscht von dem "sacro egoismo"! Am Vorabend der großen Entscheidung kennzeichneten die Vertreter der beiden verbündeten Staaten ihren Parlamenten den Ernst der Lage. So erklärte der deutsche Reichskanzler von Bethmann Hollweg im Reichstag: Aus der gestrigen Rede des ungarischen Ministerpräsidenten werden Sie entnommen haben, daß das Wiener Kabinett in dem aufrichtigen Bestreben, die ständige Freundschaft zwischen der Doppelmonarchie und Italien zu sichern, und den dauernden großen Lebensinteressen beider Länder Rechnung zu tragen, sich zu weitgehenden Konzessionen, auch territorialer Natur, entschlossen hat. Deutschland hat die volle Garantie für die loyale Ausführung dieser Anerbietungen ausdrücklich übernommen. Mit seinem Parlament steht das italienische Volk vor der freien Entschließung, ob es die Erfüllung aller nationalen Hoffnungen in weitestem Umfange auf friedlichem Wege erreichen oder ob es das Land in den Krieg stürzen und gegen seine Bundesgenossen von gestern und heute morgen das Schwert führen will.
[22] Nachdem am 4. Mai die italienische Regierung den Bündnisvertrag mit
Österreich-Ungarn einseitig gelöst hatte, erklärte es am 23. Mai 1915 an Österreich den Krieg. Der heimtückische Treubruch wurde in den Ländern der österreichischen Krone und in dem verbündeten Deutschland mit tiefster Entrüstung aufgenommen, und in die Entrüstung mischte sich ein gutes Stück Verachtung über die treuvergessenen Länderräuber.
Über den italienischen Krieg ruht für die Italiener bis zur Stunde jenes dunkle Verhängnis, das wie im Leben des einzelnen, so auch im Leben der Völker der finsteren Tat zu folgen pflegt. Den ersten Kriegsgruß trugen in der auf die Kriegserklärung folgenden Nacht österreichische Schiffsgeschütze bei einer verwegenen Flottendemonstration an die italienische Küste zwischen Venedig und Barletta. Gleichzeitig sausten Fliegerbomben aus österreichischen Seeflugzeugen auf die Ballonhalle von Chiaravallo, auf die militärischen Anlagen in Ancona und das Arsenal von Venedig. Gewaltige Truppenmassen boten die Italiener auf in dem Gebiet des Isonzo, und vom Krn bis Monfalcone hallen die Hochgebirge wider von dem Dröhnen der Geschosse, die herüber und hinüber fliegen. Die österreichische Stellung ist hier zu einer durch die Hochgebirgslage begünstigten vollkommen uneinnehmbaren Festung verschanzt. Und wie bis heute monatelang die Italiener alle Mittel neuzeitlicher Kriegskunst aufgeboten haben, wie sie trotz ungeheuerer Verluste und ausharrender Tapferkeit ihre Stellung nicht um einen Schritt vorzuschieben vermocht haben, so werden ihre Versuche auch in Zukunft an dem unvergleichlich hartnäckigen Widerstand der besten
österreichisch-ungarischen Truppen, denen der Grenzschutz anvertraut wurde, zerschellen. Es ist für den italienischen Generalstabschef Cadorna nicht leicht, unter diesen Verhältnissen mit täglichen Kriegsberichten ein Volk bei Zufriedenheit zu erhalten, dem man die glänzendsten Erfolge in die unmittelbare Nähe gerückt hat. Wie lange sich das italienische Volk in diesen langwierigen Stellungskrieg, der schon Hekatomben blutiger Opfer gefordert hat, finden wird, bleibt abzuwarten. Vorläufig besteht die geringste Aussicht, daß Italien durch seine ungeheueren Opfer auch nur im entferntesten das mit Gewalt erreichen wird, was österreichische Friedensliebe ihm freiwillig angeboten hat.
Österreichs Doppeladler erhebt seine Schwingen! Ein kluges Wort Bismarcks meinte: Wenn der Kaiser von Österreich zu Pferde steigt, folgen ihm alle seine Völker. Sein prophetischer Spruch hat sich im gegenwärtigen Weltkriege aufs glänzendste bewährt. In unerschütterlichem Kampfesmut und auch in schweren Stunden nicht verblassender Siegeshoffnung scharten sich die Völker
Österreich-Ungarns um den geliebten Herrscher. Die glänzende Führung seiner Feldherrn und Heldenmut und Todesverachtung der Armee haben bis heute auf allen Kriegsschauplätzen glänzende Erfolge errungen. Vertrauend auf ihr gutes Recht dürfen die Verbündeten hoffen, zuversichtlich hoffen, daß das Schlachtenglück dem schwarzgelben, dem rotweißgrünen, dem schwarzweißroten Banner auch weiterhin folgen werde. Wie ein Phönix wird aus den Kriegsschrecken der Donaustaat verjüngt hervorgehen und seinen Völkern die Segnungen einer hohen glänzenden Kultur zuteil werden lassen!
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