Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
Kapitel 8: Der erste Isonzofeldzug
(Forts.)
General der Infanterie Alfred Krauß
1. Die erste Isonzoschlacht.
Am 23. Juni früh, um 4 Uhr 30, begann ein beispiellos heftiges
Artilleriefeuer die Stellungen auf der Hochfläche von Doberdo zu
bearbeiten. Hunderte von Feldgeschützen sandten ihre Geschoße in
die Deckungen. Zwischendurch kamen die Geschosse der schweren
Feldgeschütze, die mit ohrenzerreißendem Getöse nicht nur
ihre Sprengstücke, sondern auch zahllose Felsstücke
herumschleuderten. Den Grundbaß bildeten die mächtigen Bomben
der schwersten Geschütze. Jede einschlagende Bombe warf einen
mächtigen Trichter im Fels aus und sandte eine haushohe Wolke braunen
oder gelben Rauches in die Luft, die weithin durch die giftigen Gase der
Geschosse verpestet wurde. Unausgesetzt dröhnte der Donner der
Geschütze, unaufhörlich krachten die krepierenden Geschosse und
prasselten die Eisenstücke und Felstrümmer auf die Verteidiger
nieder, furchtbare Wunden reißend, wo sie trafen. Die Beschießung
war so mächtig, daß an den wichtigsten Punkten der
Hochfläche, besonders an der nach Westen vorspringenden Spitze bei der
Ruine, in ganz kleinen Abschnitten 30 bis 40 schwere Geschosse in der Minute
gezählt wurden.
Von 8 Uhr früh an erfolgten an mehreren Punkten der Front
Infanterieangriffe; sobald ein Angriff abgeschlagen wurde, setzten neue Truppen
den Ansturm fort. Alle Anstrengungen der Italiener, die Hochfläche zu
ersteigen, waren vergebens. Wo der Angriff nicht schon im konzentrischen
Artillerie- und Infanteriefeuer zusammenbrach, dort wurden sie im Handgemenge,
Mann gegen Mann, über den Hang wieder hinabgeworfen. Am Abend
waren alle Angriffe siegreich abgeschlagen. Das Artilleriefeuer dauerte auch die
Nacht über an.
Ab 2 Uhr nachmittags hatte ein gleich heftiges Artilleriefeuer auch gegen den
Brückenkopf von Görz eingesetzt.
In der Nacht zum 24. Juni gelang es den Italienern endlich, auch bei Sagrado das
östliche Isonzoufer zu gewinnen.
Am 24. setzte sich das Artilleriefeuer in gleicher Art fort. Um 1 Uhr 30 und um 2
Uhr 30 früh wurden zwei starke Angriffe gegen Selz abgewiesen. [155] Auch gegen den
Brückenkopf hielt das starke Feuer an; der südliche Teil erhielt bis
zum Abend 4000 schwere Schüsse. Drei kleinere Angriffe wurden
abgelehnt. Die italienische Kriegsbrücke bei Sagrado wurde von der
k. u. k. Artillerie zerschossen.
An den drei nächsten Tagen hielt das Artilleriefeuer an der ganzen Front,
vom Meere bis Salcano, nördlich von Görz, an. Mehrere Angriffe
einzelner Regimenter wurden am Rande der Hochfläche abgeschlagen. Da
sich der entscheidende Angriff der Italiener immer deutlicher aussprach, ordnete
das Kommando der Südwestfront die Bereitstellung von drei Bataillonen
und Batterien bei der Armeegruppe Rohr an.
Immer mehr Truppen ballten die Italiener gegen die Hochfläche zusammen.
Von Norden nach Süden umklammerten die Korps XI, X und VII sowie das
Kavalleriekorps die vorspringende Hochfläche. Gegen 300
Geschütze aller Kaliber bemühten sich, den Verteidiger zu
zerschmettern. Ihre Wirkung war um so furchtbarer, als die Befestigungen nicht in
den Felsboden vertieft worden waren, sondern aus ganz seichten Gräben
und vorgelegten Wällen aus Steinböcken bestanden. Zeit und Kraft
hatten gefehlt, um die Stellungen in den Fels zu sprengen. Diese
Schützendeckungen waren weithin sichtbar und daher leicht zu
beschießen. Jeder Treffer riß gewaltige Lücken in die
Steinmauern und warf die Steine als Geschoße um sich. So verschwanden
die Deckungen immer mehr und mehr, bis die Truppen an den letzten
Schlachttagen meist schon im freien Felde, ohne feste, erkennbare
Verteidigungslinie kämpften.
Von Görz bis zum Meere waren über 100 000 Gewehre gegen die 5.
Armee im Kampfe, die ihrerseits kaum 50 000 Mann einsetzen konnte.
Mitten in die Spannung über die Kämpfe bei der 5. Armee kamen
dem Kommando der Südwestfront aber noch andere schwere Sorgen. Die
Vorgänge im Krngebiet hatten im Kommando die Überzeugung
verstärkt, daß die aus der Ebene Ungarns stammenden Truppen des
VII. Korps den Anforderungen des Gebirgskrieges gegen die italienischen Alpinis
nicht gewachsen waren. Wollte man diese braven Truppen nicht ganz
zusammenbrechen lassen, dann mußten sie abgelöst werden. Auch
die sichtlich steigende Schlachthandlung durfte da nicht hinderlich sein. So
schwer es auch fiel, der Befehl zur Ablösung der 20.
Honved-Infanteriedivision, die im Krngebiet stand, durch die noch als Reserve
östlich Görz verfügbare 44. Schützendivision,
Feldmarschalleutnant Nemeczek, mußte am 26. Juni gegeben werden. Die
gleichen Verhältnisse bei der 17. Infanteriedivision in den Karnischen
Alpen, der Wunsch, den Verband des VII. Korps aufrechtzuhalten, und die
Notwendigkeit, für das Plateau ein Korpskommando zu gewinnen,
bewogen das Kommando der Südwestfront am 3. Juli, auch den Wechsel
dieser Division mit der im nördlichen Teile des Brückenkopfes von
Görz und in Reserve stehenden 48. Infanteriedivision,
Feldmarschalleutnant [156] Gabriel, die für
den Gebirgskrieg ausgerüstet und ausgebildet war, anzuordnen. Die ersten
bei Görz ankommenden Truppen des VII. Korps konnten noch an den
letzten Kämpfen der ersten Isonzoschlacht teilnehmen.
Am 28. und 29. Juni steigerte sich das Artilleriefeuer gegen das Plateau und gegen
den Brückenkopf von Görz wieder zur größten
Heftigkeit. An jedem dieser Tage unternahmen die Italiener je sechs Angriffe
gegen die Plateauspitze, ohne jedoch an ihr Ziel zu kommen. In der Nacht zum 29.
wurden auch Angriffe gegen den Monte Sabotino (Nordteil), Oslavija (Mitte) und
Podgora (Südteil des Brückenkopfes von Görz)
abgeschlagen.
Waren schon die Kämpfe dieser Woche, das Ausharren in dem
nervenzerstörenden schweren Artilleriefeuer aufreibend, so sollten die
nächsten Tage bis zum Ende der Schlacht, am 7. Juli, die
größten Anforderungen an die Truppen des Verteidigers stellen. Der
30. Juni und die sieben ersten Tage des Juli waren Großkampftage für
die Truppen des Feldmarschalleutnants Heinrich Goiginger, der als Kommandant
der 57. Infanteriedivision die Verteidigung der Hochfläche leitete.
Betäubendes Artilleriefeuer und starke Angriffe in breiten Fronten waren
die Kennzeichen dieser Tage. Die heftigsten Anstürme waren gegen die
Westspitze gerichtet, wo der Höhenrand oberhalb Fogliano, Polazzo,
Redipuglia und der Monte dei sei Busi die Brennpunkte des Kampfes bildeten.
Aber auch Vermegliano und Selz, nördlich von Monfalcone, und in den
letzten Tagen auch der später heiß umstrittene, blutgetränkte
Monte San Michele waren das Ziel heftiger Anstrengungen der Italiener.
Am 30. brandeten 22 Angriffe, darunter drei große, von mehreren
Divisionen einheitlich geführte Anstürme, heran. Wo der Feind in
die zerschossenen Stellungen eindringen konnte, dort warf ihn der wütende
Gegenangriff des Verteidigers rasch wieder hinaus.
Am 1. Juli stürmten die Italiener siebenmal, am 2. Juli neunmal gegen die
fast zerstörten Stellungen an. An beiden Tagen waren je zwei Angriffe
besonders mächtige Anstürme starker Massen in breiter Front. Die
Meldungen ließen den ernsten Willen der Italiener erkennen, um jeden Preis
durchzubrechen. Wenn die braven Truppen auch alle Angriffe glänzend
abgeschlagen hatten, so durfte man den Bogen doch nicht überspannen
lassen. Das Kommando der Südwestfront hielt daher Ausschau, wo noch
Truppen für die Hochfläche gewonnen werden konnten.
Vor allem war in Tirol noch ziemliche Ruhe. Allerdings standen 180 000 Italiener
an der Tiroler Grenze bereit, aber nur um den Angriff am Isonzo zu decken.
Jedenfalls konnte es dem Führer dieser Masse einfallen, seine Aufgabe
durch den Angriff zu lösen. Aber er hatte es bisher nicht getan, und dann,
wenn die Verteidigung am Isonzo durchbrochen wurde, war auch Tirol verloren.
Daher erging nach Tirol der Befehl, Reserven und Züge zu ihrem raschen
Abtransport bereitzustellen.
[157] In Pola war die 14.
Gebirgsbrigade als Reserve der Festung vorhanden. Da die Landseite Polas am
Isonzo verteidigt wurde, erging am 3. Juli an das
Armee-Oberkommando Teschen das Ansuchen um Zuweisung dieser
Gebirgsbrigade. Das Armee-Oberkommando verfügte noch am 3. Juli den
Abtransport der zur 61. Infanteriedivision gehörenden 10. Gebirgsbrigade,
Generalmajor v. Droffa, vom serbischen Kriegsschauplatz an den Isonzo
und stellte am 4. Juli auch die 14. Gebirgsbrigade dem Kommando der
Südwestfront zur Verfügung. Am 6. Juli erließ das
Armee-Oberkommando den Befehl, daß auch die übrigen Teile der
61. Infanteriedivision (16. Honved-Gebirgsbrigade, Generalmajor Breit) der 10.
Gebirgsbrigade zu folgen hatten. Die nächsten Tage rechtfertigten diese
Maßnahmen, denn die Kampfhandlung steigerte sich von Tag zu Tag.
Am 3. Juli trat zwar insofern eine Abschwächung der Angriffsbewegung
ein, als nur ein einziger allerdings besonders starker Angriff mehrerer Divisionen
stattfand, nach dessen Abwehr nur Artilleriefeuer die Ruhe störte. Es war
aber nur die Ruhe vor dem Sturm, die Erholung und Sammlung zur
größten Anstrengung. Am 4. Juli steigerte sich das Artilleriefeuer vor
der ganzen Front der Hochfläche und des Brückenkopfes von
Görz zur größten Heftigkeit. Aber nur gegen erstere folgten
wütende Angriffe, und zwar vier große allgemeine gegen alle
wichtigeren früher genannten Punkte, und sechs kleinere gegen die
Westspitze gerichtete Angriffe. Erzherzog Eugen sprach den tapferen Verteidigern
der Hochfläche seinen Dank und seine Anerkennung in warmen Worten
aus. Diese Anerkennung des allverehrten und beliebten kaiserlichen Prinzen und
Kommandanten spornte die Truppen zur Anspannung aller Kräfte an. Das
war gegenüber den verblüffend zähen Angriffen der Italiener,
besonders aber in dem schweren Artilleriefeuer nötig.
Nur ein mächtiger, energischer Wille konnte die Italiener, deren Natur nicht
zu so hartnäckigen, immer wieder neu ansetzenden Angriffen neigte, zu so
lange anhaltenden und trotz der Mißerfolge sich immer steigernden
Anstrengungen zwingen und fortreißen. Tatsächlich stand an der
Spitze der italienischen Armee dieser starke, so wenig dem italienischen
Nationalcharakter entsprechende Mann: Cadorna. Cadorna ist wohl nach dem
Unglück der zwölften Schlacht in der Versenkung verschwunden, er
kam in Untersuchung und mußte sich vor Nullen rechtfertigen. Das ist das
Schicksal der größten Soldaten, wenn sie auf Verhältnisse
treffen, die stärker sind als sie. Cadorna war zweifellos der bedeutendste
Mann, den Italien im Weltkriege gezeigt hat. Er wurde als ein schroffer, ganz
nordisch veranlagter Charakter, mit starkem sicheren Willen, klarem Blick und
eisenfestem Zugriff geschildert, ein Mann, der in der italienischen Armee
gefürchtet, aber auch geachtet wurde. Cadorna hat sicher bei Beginn des
Krieges sich und dem Gegner zu lange Zeit gelassen, die italienische
Angriffsstrategie und Taktik waren nicht die besten, aber sein starker Wille allein,
seine [158] Härte und seine
Zähigkeit haben die Italiener zu den elf gewaltigen Anstürmen gegen
die Isonzofront gezwungen, und wenn die Verbündeten nicht mit der
zwölften Isonzoschlacht selbst zum Angriff übergehend, ihm die
Siegespalme mit stärkerer Hand entrissen hätten, hätte er im
zwölften Ansturm, zu dem er seine Italiener mit starkem Willen gezwungen
hätte, die Front sicher zerbrochen und Triest, das heißersehnte Ziel
der Italiener, in Besitz genommen. Darum sei diesem Manne hier die Ehre
erwiesen, die ihm gebührt. Er war im Kriege gegen Italien
Österreichs größter und bedeutendster Feind; den Kampf mit
ihm siegreich bestanden zu haben, gereicht nur uns selbst zur Ehre.
Am 5. Juli sollte die Schlacht ihren Höhepunkt erreichen. Vom
frühen Morgen tobte ein Feuerorkan der italienischen Artillerie gegen die
Hochfläche und gegen den Brückenkopf von Görz. Auch die
Isonzobrücken bei Görz, das Kastell von Görz und der Raum
von St. Peter, südlich von Görz, wurden beschossen.
Zweiundzwanzig Angriffe, mit stärkstem Einsatz gegen die wichtigsten
Punkte der Hochfläche gerichtet, folgten kurz hintereinander. Die
Hochfläche war in Rauch und Kampfgetöse gehüllt. Immer
von neuem stürzten die frischen Truppen der Italiener auf die tapferen
Verteidiger, die in unausgesetztem Nahkampf frohen Mutes rangen, mit Freude
jede neue Welle der Italiener begrüßend - schwieg doch in
dieser Zeit des Männerkampfes das furchtbare Artilleriefeuer, oder es hatte
andere Ziele. Seit 11 Uhr vormittags stürmte die italienische
Infanterie auch gegen den Görzer Brückenkopf an. Der Kampf tobte
somit von Monfalcone bis Görz in beispielloser Heftigkeit. Gegen Podgora,
den Südteil des Brückenkopfes, stürmten die vier Brigaden des
VI. Korps in 3000 Schritt Breite tief gegliedert an; eine weitere Brigade
stürmte bei Oslavija, in der Mitte des Brückenkopfes. Trotz aller
Wucht brandeten die Massen nur bis an die Hindernisse. Das Feuer der Infanterie,
die das furchtbare Artilleriefeuer in ihren Gräben überdauert hatte,
und das Artilleriefeuer des Verteidigers zwangen sie zur Umkehr. Sie
flüchteten unter riesigen Verlusten in ihre Gräben zurück.
Trotz dieses Mißerfolges brachen um 4 Uhr 30 nachmittags
die durch frische Truppen fortgerissenen Brigaden unter lebhaften Rufen
"Avanti - Savoja!" über das leichenbesäte Vorfeld vor.
Es gelang ihnen, über die zerschossenen Hindernisse in die Gräben
einzudringen. Dalmatiner Landwehr warf sie nach blutigem Handgemenge wieder
hinaus. Zahllose Tote blieben vor und in der Stellung liegen. Spät abends
setzte ein Angriff von Lucinico längs der Eisenbahn gegen die
Brückenschanze ein, der glatt abgewiesen wurde. Die Teilnahme von acht
Divisionen an den Kämpfen des 5. Juli war einwandfrei festgestellt worden.
Wahrscheinlich waren aber zehn bis zwölf Divisionen bei den Angriffen in
Verwendung.
Das schwere Artilleriefeuer hielt die Nacht über an. Um 2 Uhr früh
brach sich ein neuer Angriff bei Podgora an dem stärkeren Willen der
Verteidiger.
[159] Am 5. Juli erging an
das 5. Armeekommando der Befehl, daß angesichts des Höhepunktes
der Krise auf dem Plateau alles daran gesetzt werden müsse, zu halten, da
am 6. Juli Verstärkungen ankommen werden. Der Monte San Michele, der
sich zu einem besonderen Brennpunkt des Kampfes herausgebildet hatte, sei mit
Sorgfalt ausgiebigst zu befestigen. Schon am 3. war angeordnet worden, daß
jede Gefechtspause zu benutzen sei, um die verschütteten vorderen Linien
wieder herzustellen. Diese waren unbedingt zu behaupten.
Am 6. Juli flaute der Kampf sichtlich ab. Fünf Angriffe und Artilleriefeuer
ließen die Verteidiger der Hochfläche nicht zur Ruhe kommen. Beim
Brückenkopf herrschte vormittags Ruhe. Um 5 Uhr nachmittags
setzte wieder schweres Artilleriefeuer ein, dem nach anderhalbstündiger
Dauer ein starker Angriff gegen Podgora und die Brückenschanze folgte,
der nach zweistündigem Kampfe abgewiesen war.
Um 7. Juli flammte der Kampf noch in kurzem Aufflackern auf. Wieder richtete
der Italiener seine Anstrengungen auf Gewinnung der Hochfläche. Zehn
Angriffe, darunter drei besonders heftige, prallten am Höhenrand ab. In der
Nacht führte der Italiener noch zwei erfolglose Angriffe längs der
Eisenbahn gegen die Isonzobrücken von Görz.
Am 8. Juli herrschte Ruhe an der ganzen Front, die den Tag über anhielt.
Die erste Isonzoschlacht war siegreich beendet.
Gewaltig war vor allem die Leistung der auf dem Plateau verwendeten Truppen.
In den Einleitungskämpfen - 6. bis 22. Juni - hatten diese
Truppen einundvierzig Angriffe abgewehrt, in den sechzehn Hauptschlachttagen
(23. Juni bis 7. Juli) mußten sie sechsundachzig schwere Angriffe abweisen.
Viele dieser Angriffe führten nach tagelangem Ausharren im schweren
Artilleriefeuer in schlechten Deckungen zum Handgemenge. In oft stundenlangem
Ringen, oder in nächtlichen Gegenangriffen mußte der in die Linien
eingedrungene Feind zurückgeworfen werden.
Diese Schlacht wird für alle Zeit den Truppen, die sie durchgefochten
haben, zur höchsten Ehre gereichen. Mit ihrem Blute mußten sie
jeden Zoll des Bodens verteidigen; sie haben es getan. Die höhere
Führung konnte nur möglichst viel an Reserven von anderen Fronten
heranziehen und den Willen der Truppen stärken und beleben.
Während der ersten Isonzoschlacht wurde auch beim XV. Korps erbittert
gekämpft. In der Zeit vom 3. bis 6. Juli wurden auf dem Krn und dem
Mrzli vrh von den Italienern mehrere vergebliche Angriffe geführt.
Am 4. erfolgte ein Angriff gegen den Tolmeiner Brückenkopf, der schon im
Artilleriefeuer zusammenbrach. Auch in Tirol fanden kleinere Kämpfe
statt. Am 7. Juli wurde ein Angriff bei Buchenstein, am 8. mehrere Angriffe auf
den Col di Lana (westlich Buchenstein - Andraz) und am Kreuzberg
(südöstlich von Sexten) abgewiesen.
[160] Diese unbedeutenden
Kämpfe übten keine Rückwirkung auf das Hauptringen am
Isonzo aus. Gegen 250 000 italienische Gewehre mit 1000
Feldgeschützen hielten an der Gebirgsgrenze von Tarvis bis zum Stilfser
Joch zum Schutze der am Isonzo kämpfenden Armeen Wacht, indes am
Isonzo 210 000 Gewehre mit 820 Geschützen um den Sieg rangen.
Aber auch von dieser Kraft waren starke Teile, mindestens
70 - 80 000 Mann im Tolmeiner und im Flitscher Gebiet
gebunden und kamen für die Hauptentscheidung nicht in Betracht.
Mit dieser Kampfverteilung trug die italienische Führung der
ungünstigen Gestaltung ihres Grenzgebietes Rechnung; darin lag auch die
Rechtfertigung dafür, daß Tirol verhältnismäßig
starke Kräfte zu seiner Verteidigung erhielt: sie verstärkten die
ständige Drohung und banden damit starke italienische Kräfte. Die
große italienische Sorge vor Tirol zeigte aber auch, wo ihre
Schwäche gelegen war, wo somit ein Angriff der Mittelmächte
einsetzen mußte.
Die dem heißen Kampfe folgende Ruhezeit konnte benutzt werden, um den
angeordneten Wechsel der Truppen in Ordnung durchzuführen. Am 9. Juli
übernahm Erzherzog Josef den Befehl auf der Hochfläche von
Doberdo. Am 11. Juli war die Ablösung der 93. Infanteriedivision auf dem
Monte San Michele durch die 20. Honved-Infanteriedivision, Generalmajor Nagy,
beendet. Vom 15. an traf die 17. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant
v. Gelb, ein. Den südlichen Teil des Vorsprunges der
Hochfläche (Monte dei sei Busi, Vermegliano) hatte die 61.
Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Winkler, übernommen, im
südlichsten Teil stand die 57. Infanteriedivision. Die 17. Infanteriedivision
wurde zwischen die 20. Honved-Infanteriedivision und die 61. Infanteriedivision
eingeschoben.
Die verhältnismäßige Ruhe - Artilleriefeuer und
Geplänkel dauerten ununterbrochen an - wurde benutzt, um die
Befestigungen instand zu setzen, Verbindungen und Unterstände
herzustellen. Der schwere Felsboden erschwerte diese Arbeiten. Nur mit
Sprengmitteln konnte man vorwärts kommen. Die braven Kämpfer
mußten ihre Ruhezeit mit Meißel und Hammer verbringen.
Längere Zeit dauerte es, bis Offizier und Mann mit dem Sprengwesen
vertraut wurden. Bequemlichkeit und Sorglosigkeit mußten
überwunden werden, um in die nächsten Kämpfe mit besseren
Deckungen eintreten zu können.
Das Kommando der Südwestfront legte besonderen Wert darauf, daß
nahe hinter der ersten Verteidigungslinie eine zweite geschaffen werde. Besonders
der Monte San Michele war in eine Festung zu verwandeln. Zu diesem Zwecke
wurden zahlreiche Arbeiterabteilungen mit Bohrmaschinen eingesetzt. Sie
konnten meist nur bei Nacht arbeiten.
Das ständige Artilleriefeuer, das die Italiener auf die deckungslosen Wege
legten, und die Tatsache, daß sie selbst auf einzelne Leute mit Artillerie
schossen, erschwerten die Versorgung der Kampftruppen. Vorne in den
Stellungen konnte nicht gekocht werden. Das Essen mußte den
Kampftruppen daher von [161] ihren Trains zugetragen
werden, was nur bei Dunkelheit möglich war. Die Italiener bemerkten dies
bald und streuten nun diese Wege regelmäßig auch nach Einbruch der
Dunkelheit ab. Es sei auch des stillen Heldenmutes gedacht, den die
Tragtierführer bekundeten, indem sie täglich diesen gefahrvollen
Weg zurücklegten und ihre Pflicht taten, ohne sich durch eine
Kampfhandlung wehren und in Kampfstimmung bringen lassen zu können.
Viele dieser braven Männer fielen samt ihren Tragtieren den feindlichen
Geschossen zum Opfer. Während der heftigsten Kämpfe war eine
Versorgung der Truppen mit warmem Essen meist ausgeschlossen. Man
mußte froh sein, sie mit Konserven und Brot versorgen zu
können.
Nicht lange sollte die Ruhe währen. Nur so lange, als der Austausch der
abgekämpften italienischen Brigaden gegen frische von anderen Fronten
und die Ergänzung der verbrauchten Munitionsvorräte dauerte,
ließ der energische Wille Cadornas seinen Italienern und ihren Gegnern
Ruhe. Bevor dies noch der Fall war, begann in Tirol die Einleitung einer
größeren italienischen Unternehmung. Am 17. Juli wurde die
vorgeschobene Stellung auf dem Monte Coston stark angegriffen, ohne daß
die Italiener Erfolge erreichten. Am 20. Juli wurde der Angriff zweimal
ergebnislos wiederholt. Wie erbost über diesen Mißerfolg im
Süden der Hochflächen, setzte am 22. Juli eine sehr heftige
Beschießung der Front auf beiden Hochflächen und der Werke ein.
Die Beschießung dauerte bis zum 24. Juli. Das Werk Lusern erhielt am
Abend dieses Tages den 1048. schweren Treffer.
Am 24. Juli nachmittags ging starke italienische Infanterie gegen den
nördlichen Flügel der Lafraunstellung vor. Der Angriff wurde
abgewiesen. Am 25. Juli früh setzte eine äußerst starke
Beschießung des Stützpunktes Basson an der Straße westlich
Vezzena ein, der um 4 Uhr früh ein starker Infanterieangriff
beiderseits der Straße folgte. Der erste Angriff brach im Feuer zusammen;
es folgten aber noch zwei Stürme, die bis in die Linien vordrangen, aber im
heftigsten Handgemenge abgeschlagen wurden. Die Alpinibataillone Bassano und
Brenta, sowie die Infanterieregimenter 161 und 162 (Brigade Ivrea) hatten
nördlich der Straße, die Brigade Treviso (Infanterieregimenter 115
und 116) südlich der Straße angegriffen. Die Brigade Milano stand
als Reserve in der Assaschlucht, wurde aber nicht eingesetzt. Ein Oberst, der
Kommandant von 115, vier andere Offiziere und 260 Mann wurden gefangen.
2. Die zweite Isonzoschlacht.
Während dieser Kampf, anscheinend als Demonstration, und ein Angriff
auf den Monte Piano im Westen in Einleitung waren, brach gleichzeitig mit einem
unter großen Verlusten gescheiterten Angriff beim Kreuzberg auch am
Isonzo das zweite Gewitter los. Am 17. Juli wurde das Artilleriefeuer sowohl
gegen den Brückenkopf von Görz als auch gegen die
Hochfläche wieder sehr [162] heftig. Am 18. schwoll
dieses Feuer zum Trommelfeuer an. Starke Angriffe brachen gegen die 20.
Honved-Infanteriedivision und gegen die 61. Infanteriedivision los.
Ununterbrochen brandeten die Angriffswellen an deren Stellungen. Um
6 Uhr 30 abends kam es an der ganzen angegriffenen Front zum
Handgemenge. Nach 8 Uhr abends langten beim VII. Korpskommando
Meldungen beider Divisionen ein, daß ihre Stellungen durchbrochen seien,
und zwar sowohl auf dem Monte San Michele als auch auf dem Monte dei sei
Busi. Bis Mitternacht kam das Korpskommando aber zu dem Eindruck, daß
der Angriff im allgemeinen abgeschlagen sei, und daß es sich mehr darum
handeln werde, die Gräben von kleinen Nestern zurückgebliebener
Italiener zu säubern.
Es war das erstemal, daß dieses Bild der Ereignisse auf die höheren
Kommandos einwirkte. In der Folge gewöhnte man sich daran, nahm
solche Meldungen ruhiger hin und vertraute darauf, daß die Truppen und
die Zwischenkommandos jede solche Lage beherrschten.
Am Abend des 18. wurde ein starker Angriff gegen den Monte Sabotino (rechter
Flügelstützpunkt des Brückenkopfes) abgewiesen.
Am 19. dauerten die Kämpfe ungemindert fort. Gegen die Podgora hatte
nach heftigster Vorbereitung durch Artillerie, Minenwerfer und
Maschinengewehre der Feind schon am 18. begonnen, sich heranzuarbeiten. In
dreißigstündigem Sturmlauf und in mehreren Linien hintereinander
schob sich die italienische Infanterie mit außergewöhnlicher Energie
an die Hindernisse heran, wo sie aber in zusammengefaßtem Feuer
vernichtend abgewiesen wurde. Berge von Leichen bezeichneten den Todesweg
der braven italienischen Infanterie.
Vormittags und nachmittags hatten mehrere Angriffe das Ziel, die Mitte des
Brückenkopfes bei Pevma und Oslavija zu durchbrechen. Sie wurden
spielend abgewiesen.
Auf der Hochfläche tobten am 19. den ganzen Tag die heftigsten
Kämpfe. Um 6 Uhr früh fand ein sehr starker Angriff
längs der Straße nach Doberdo statt, den die 61. Infanteriedivision
nur mit äußerster Mühe abwehren konnte. Das
Korpskommando überwies dieser die Korpsreserve (2. Gebirgsbrigade,
Generalmajor v. Lukachich). Das wahnsinnige, gegen den Monte San
Michele gerichtete Artilleriefeuer zwang, einen Teil der Front zu räumen.
Auf den Stellungen der 20. Honved-Infanteriedivision lag dauernd schwerstes
Artilleriefeuer. Der Monte San Michele glich mit seiner ständigen
Rauchkappe einem feuerspeienden Berge. Das Korpskommando zog die kaum
ausgeruhte 93. Infanteriedivision, die ihm aus der Armeereserve zugewiesen
wurde, näher an die Kampflinie heran. Alle Angriffe, die nachmittags und
abends gegen die Höhe 197 (westlich San Martino) und gegen
den Monte dei sei Busi gerichtet waren, wurden abgeschlagen. In der Nacht zum
20. Juli wies das Honvedregiment 17 noch drei Massenangriffe gegen die
Höhe 197 ab.
[163] Generalmajor v. Boog,
Kommandant der 93. Infanteriedivision, übernahm den Befehl im
Abschnitte der 20. Honved-Infanteriedivision, die er mit seiner Division
ablösen sollte. Es kam aber nicht zur Ablösung. Über die Lage
auf dem rauchenden Monte San Michele war keine Gewißheit zu
gewinnen. Man mußte mit seinem Verluste rechnen. Generalmajor
v. Boog erhielt daher noch die 12. Gebirgsbrigade, Generalmajor Prinz
Schwarzenberg, ein Radfahrbataillon, zwei Bataillone der 2. Gebirgsbrigade und
das Marschregiment der 48. Infanteriedivision zugewiesen mit der Aufgabe, den
gegen den Monte San Michele anstürmenden Feind durch einen
umfassenden Gegenangriff zu werfen, den etwa verlorengegangenen Monte San
Michele aber zurückzuerobern. Während der Bereitstellung dieser
Truppen kam Gewißheit, daß der Monte San Michele
tatsächlich in den Händen der Italiener war. Der Gegenangriff sollte
am 21. Juli um 2 Uhr 30 früh mit der Artillerievorbereitung
beginnen.
Während dieser Ereignisse südlich der Wippach tobte der Kampf
auch um den Brückenkopf von Görz. Schon in den frühen
Morgenstunden wurden Angriffe auf den Monte Sabotino und bei Oslavija
abgewiesen. Sowie sich die Italiener von unseren Linien wieder abgelöst
hatten, begann das tolle Konzert der hageldicht einschlagenden
Artilleriegeschosse aller Art. Jeder abgeschlagene Angriff reizte die italienische
Artillerie zu einem neuen Tobsuchtsanfall. Sobald man annahm, daß kein
Verteidiger mehr am Leben sein konnte, stürzte die Infanterie wieder
vor - um an den Hindernissen im prasselnden Gewehrfeuer der Verteidiger
und von der gutschießenden Artillerie zerrissen, zusammenzubrechen. Am
Nachmittag wälzte sich auf diese Art abermals ein mächtiger Angriff
gegen Podgora heran. Von Lucinico her gingen drei Brigaden hintereinander und
auf etwa 1200 Schritt Frontbreite gegen Podgora vor. Sie nahmen ein
vorgelegenes, zerschossenes und schon geräumtes Grabenstück,
verschanzten sich dort mit vorgebrachten Sandsäcken und drangen dann
von dort aus durch die zerschossenen Hindernisse in die erste Linie ein. Ein
Gegenangriff warf sie hinaus. Wiederholt kam es zum Handgemenge. Mit
Bajonett, Fäusten, Steinen und Zähnen wurde wütend
gekämpft, entsetzlich waren die Verluste der Italiener.
Nach diesem fürchterlichen Kampf trat am 21. Juli vormittags vor Podgora
Ruhe ein. Dagegen richteten die Italiener zwei starke, aber vergebliche Angriffe
gegen den Monte Sabotino. Nachmittag begann der verzweifelte Sturmlauf gegen
Podgora von neuem. Sie wollten um jeden Preis nach Görz hinein. Dreimal
rannten sie in zweistündigem Sturmlauf an die Stellungen. Vor der
Hindernislinie blieben sie liegen. Das Artilleriefeuer und ein Gegenangriff warf
sie ganz zurück. Zur selben Zeit wurden zwei Angriffe bei Pevma
abgeschlagen.
Südlich der Wippach hatte vorbereitendes Artilleriefeuer auf den Monte
San Michele planmäßig um 2 Uhr 30 früh
begonnen. Um 4 Uhr früh ging die [164] k. u. k.
Infanterie zum Angriff vor und um 5 Uhr 25 früh war der
Monte Michele wieder im österreichischen Besitz. Mit furchtbarer
Erbitterung wurde gekämpft. Die Italiener hatten schwere Verluste, 200
Mann blieben noch lebend in unserer Hand.
Der 22. Juli ergab, daß die Kraft der Italiener vor dem Brückenkopf
gebrochen war. Das Artilleriefeuer auf die Stellungen hatte stark nachgelassen.
Dagegen bewarfen die Italiener, offenbar aus Wut - denn ein
militärischer Grund dafür war nicht
vorhanden - die Stadt Görz mit Brandbomben. Da sie Görz
nicht haben konnten, sollte es brennen. Am 23. wurde ein italienischer Angriff
gegen Podgora durch Feuer erstickt und dann die Italiener durch einen
Gegenangriff weit zurückgeworfen. Aber 3000 Tote hatten die Italiener in
der zweiten Schlacht vor dem Brückenkopf liegen lassen. Bis in den
Oktober sollte hier Ruhe herrschen. Nur fallweises Artilleriefeuer und
Geplänkel unterbrachen diese Ruhe.
Dagegen fand der Kampf um die Hochfläche noch nicht sein Ende. Wenn
auch keine großen, zusammenhängenden Kämpfe stattfanden,
so griffen die Italiener fast täglich irgendeinen Teil der Hochfläche
stark an. Alle Angriffe wurden entweder abgeschlagen oder der eingedrungene
Feind im Gegenangriff wieder geworfen. Das Eintreffen neuer
Truppen - Tiroler Jäger, Tiroler Landesschützen vom
russischen Kriegsschauplatz und die 59. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant
Snjaric von der serbischen Front - gab der Lage wieder mehr
Sicherheit.
Am 25. Juli abends gelang es den Italienern, den Monte dei sei Busi zu nehmen,
am 26. waren sie wieder unten in der Ebene. Von diesem Tag an bildete dieser
Teil der Front, der von der 14. Gebirgsbrigade, Oberst Großmann verteidigt
wurde, den Mittelpunkt der Kämpfe. Am 26. nachmittag brach der Feind
wieder ein. Da an diesem Tage auch um den Monte San Michele erbittert
gekämpft wurde und die Italiener den Berg vorübergehend nahmen,
war die Lage sehr bedrohlich. Am Abend des 26. waren aber alle Stellungen
wieder in unserer Hand. Auf dem Monte San Michele wurden 5 Offiziere und 428
Mann von sechs verschiedenen Regimentern gefangen genommen.
Diese täglichen Kämpfe um den Monte dei sei Busi, um die
Höhe 197 und um den Monte San Michele dauerten bis zum 17.
August. Die Verluste der Italiener waren riesig. Doch auch die
k. u. k. Truppen hatten schwere Verluste. Das VII. Korps verlor in
zehn Tagen 30 000 Mann, die 14. Gebirgsbrigade in der Zeit vom 24. bis
27. Juli ihren halben Stand; die 93. Infanteriedivision zählte 3000 Mann.
Alle Regimenter, die, mit dem Gelände unvertraut, frisch in den Kampf
geworfen wurden, verbrannten rasch zur Schlacke. So kehrte das 4. Tiroler
Jägerregiment nach einem Gegenangriff auf Monte dei sei Busi nur mit 550
Mann zurück.
[165] Nach und nach
minderte sich aber doch auch hier die Angriffslust der Italiener. Heftige
Regengüsse brachten am 4. August Hochwasser im Isonzo. Die
Brücken der Italiener kamen unter Wasser, eine verschwand ganz.
Trotzdem dauerten die Angriffe der Italiener noch bis zum 17. August an.
Von da an schienen die Italiener ihre Taktik zu ändern. Nicht mehr im
Anstürmen suchten sie die Stellungen zu gewinnen, sondern in
planmäßigem, schrittweisem Herantragen ihrer Kampflinie. Auch in
der Folge fanden fast täglich Angriffe statt, die aber nur selten zu
größeren, heftigen Kämpfen führten. So griffen
z. B. am 28. August bei der 20. Honved-Infanteriedivision, Generalmajor
v. Lukachich, zwei italienische Regimenter nördlich des Monte San
Michele durch drei Stunden heftig an. Sie wurden unter starken Verlusten
abgewiesen. Vor einem Bataillonsabschnitt lagen über 200 Leichen.
Die Truppen hatten außer den Schrecken des Kampfes noch andere
Unbilden zu ertragen. Zu den Schwierigkeiten in der Ernährung kam in den
heißen Monaten noch die mangelhafte Wasserversorgung. Da alles
Niederschlagwasser durch die zahllosen verwesenden Leichen vergiftet wurde,
mußte auch das Trinkwasser zugetragen werden. Die vor den Stellungen
liegenden Leichen verpesteten die Luft derart, daß die Stellung auf
Höhe 197 um hundert Schritte nach rückwärts verlegt
werden mußte.
Das Kraftverhältnis stellte sich während der zweiten Isonzoschlacht
folgend dar:
Im Abschnitt vom Meer bis Canale standen 250 000 Italiener mit 530
Maschinengewehren und 860 Feldgeschützen gegenüber
78 000 Mann mit 180 Maschinengewehren und 371
Feldgeschützen.
In den anderen Abschnitten standen:
Von Canale bis Tarvis: |
52 000 |
Gewehre, |
110 |
Maschinengewehre |
und |
210 |
Geschütze der Italiener |
gegen: |
26 000 |
" |
85 |
" |
" |
142 |
" |
Zona Carnia: . . . . . . . |
30 000 |
" |
60 |
" |
" |
110 |
" "
" |
gegen: |
27 000 |
" |
104 |
" |
" |
102 |
" |
Tirol:. . . . . . . . . . . . . . |
180 000 |
" |
370 |
" |
" |
770 |
" "
" |
gegen: |
82 000 |
" |
633 |
" |
" |
734 |
" |
Mitte August hatte das Armee-Oberkommando Teschen das III. Korps (22.
Schützendivision und 28. Infanteriedivision) der Südwestfront
zugewiesen. Anfang September kam der Befehl, die 57. und 59. Infanteriedivision
an die für Serbien bestimmte Armee nach Syrmien abzugeben. Dafür
wurden die 6. und die 106. Infanteriedivision überwiesen. Am 3. September
übernahm das III. Korpskommando Feldmarschalleutnant Krautwald den
südlichsten Abschnitt der Hochfläche von der 57.
Infanteriedivision.
Nach dem Abflauen der Isonzoschlacht entbrannten an anderen Frontteilen
heftigere Kämpfe. In der Zeit vom 9. bis 11. August wurden täglich
mehrere Angriffe bei Plava abgewiesen. Am 14. August griffen die Italiener
[166] nach starker
Artillerievorbereitung an der ganzen Front des XV. Korps, Feldmarschalleutnant
v. Stöger-Steiner von Selo bis zum Krn an. Alle Angriffe, die sich
am 15. fortsetzten, blieben erfolglos. Erst am 16. gelang es ihnen die tapfer
verteidigte Front am linken Flügel des Brückenkopfes
einzudrücken. Alle ihre Versuche aber, auch die beherrschende
Höhe 588, nördlich von Selo, zu nehmen, waren vergebens.
Die Kämpfe dauerten beim XV. Korps bis 22. August, ohne daß der
Italiener weitere Vorteile erringen konnte.
Am 14. und 15. August brachen in Tirol italienische Angriffe am Tonalepaß
und bei Schluderbach, in Kärnten am Plöckenpaß
zusammen.
Aber auch auf den Südtiroler Hochflächen zeigten die Italiener
Rührigkeit. Die weit vorgeschobene Stellung auf dem Monte Coston
forderte sie jedenfalls stark heraus. In der Nacht vom 16. auf den 17. August
stürmten anderthalb Alpinibataillone gegen die Costonkompagnie an.
Vergebens! Sie wurden blutig abgewiesen. Da die Italiener auf diese Weise nicht
in den Besitz des Coston kommen konnten, begannen sie, ihn gegen unsere
Hauptstellung abzuschnüren. Sie schoben sich langsam um den Coston
herum. Die Räumung des Coston wurde dem Kommandanten nahegelegt.
Er wollte so lange als möglich aushalten. In der Nacht vom 20. zum 21.
August nahm die Abwehr eines starken Angriffes gegen die Lafraunstellung die
Aufmerksamkeit des Abschnittkommandos ganz in Anspruch. Am 21. früh
war der Coston abgeschnitten. Die Entsatzversuche gelangen nicht. Am 22. erhielt
die Besatzung durch Lichtblitze den Befehl, den Coston zu räumen. Die
Besatzung versuchte durchzubrechen, doch nur fünf Männer kamen
zurück. Der Nachteil jeder vorgeschobenen Stellung war der braven
Besatzung zum Verhängnis geworden.
Unausgesetzte kleinere Kämpfe mit den sich in der Erde heranarbeitenden
Italienern, kleinere Unternehmungen zur Störung der feindlichen Arbeiten,
die Ausgestaltung der eigenen Stellungen, der Bau von Kavernen und
Unterkünften füllten die nächsten Wochen nach dem Abflauen
der Kämpfe bei Görz und auf der Hochfläche von Doberdo
aus.
Mitte Oktober hatten sich die Italiener trotz aller Gegenarbeit in fortgesetzten
Angriffen und Sappenarbeiten so nahe an die Stellungen herangearbeitet,
daß der Angriff in kurzer Zeit zu erwarten war. Daher wurde die ausgiebige
Versorgung der ersten Linie angeordnet, um das Trommelfeuer überdauern
zu können.
3. Die dritte Isonzoschlacht.
Am 15. Oktober stand die ganze Front südlich der Wippach unter
lebhafterem Artilleriefeuer. Am 16. und 17. fanden mehrere Angriffe bei Peteano
(am Isonzo nahe der Wippachmündung) und gegen San Martino ein
rasches Ende.
Abgehorchte Telephongespräche ließen erkennen, daß am 18.
mittag ein lange vorbereitetes Unternehmen mit dem Artilleriefeuer beginnen
werde. [167] Tatsächlich
setzte zu dieser Stunde an der ganzen Isonzofront vom Meere bis zum Krn starkes
Artilleriefeuer ein, als Einleitung einer neuen, großen Kraftanstrengung der
Italiener, die dem schwerbedrängten Serbien Entlastung schaffen wollten.
Vom 18. Oktober angefangen, brandeten nun durch anderthalb Monate die
Angriffswellen unaufhörlich an die Isonzofront heran, überall
zurückgeworfen von dem starren, nicht zum Wanken zu bringenden Wall
der Verteidiger. Wo je eine Welle über die Linie hineinschlug, dort waren
die eingedrungenen Massen bald wieder dorthin zurückgeflossen, woher sie
gekommen. Begleitet von unaufhörlichem, betäubendem
Artilleriefeuer folgte Angriff auf Angriff, und nur Anfang November bezeichnete
eine kurze Pause das Ende der dritten und den Anfang der vierten
Isonzoschlacht.
Zu Beginn der dritten Schlacht richtete der Feind seine Angriffe gegen alle
wichtigeren Abschnitte der Isonzofront. Er sandte am Krn seine vortrefflichen
Alpini aus, um sich unseres Stützpunktes auf der
Felshöhe 2163 (knapp südöstlich des Krn) zu
bemächtigen. Die Alpini mühten sich ebenso vergebens ab, ihre
Aufgabe zu erfüllen, wie ihre Kameraden von der Infanterie vergebens
gegen den Mrzli vrh und gegen den Brückenkopf von Tolmein
anstürmten. Tag für Tag widerhallte das Gebirge von dem
Lärm der Schlacht. Die Höhe 2163, der Mrzli vrh,
Dolje an der Straße im Isonzotal und die Höhe 588 des
Brückenkopfes waren die Brennpunkte der Kämpfe, die hier erst am
29. Oktober ihr Ende fanden.
Bei Plava und Zagora stürmte der Italiener Tag für Tag heran. Alle
Anstrengungen waren umsonst. Fest stand auf dem steinigen Karstboden der
Verteidiger, der nicht zurück wollte.
Am heftigsten brandeten die Angriffswogen an dem Brückenkopf von
Görz und an den Stellungen auf der Hochfläche. Am
Brückenkopf galten die Angriffe den drei wichtigsten Abschnitten: dem
Monte Sabotino, wo die Angriffe begannen, Podgora, wo sie mit verdoppelter
Wucht einsetzten und bei Oslavija, wo die letzten Kampfhandlungen noch lange
nach dem Ende der vierten Schlacht stattfanden. Auf der Hochfläche
richteten sich die wütendsten Angriffe gegen den rechten Flügel der
20. Honved-Infanteriedivision, Generalmajor Lukachich, bei Peteano unterhalb
der Wippachmündung, gegen den Monte San Michele, gegen
San Martino und gegen den Monte dei sei Busi.
Am 18. und am 19. Oktober versuchten die Italiener den Monte Sabotino zu
nehmen. Alle Annäherungsversuche wurden schon durch Feuer verhindert.
Am 21., 22. und 23. Oktober griffen starke Kräfte diesen Abschnitt an. Am
23. drangen die Italiener in die Stellung ein; ein Gegenangriff warf sie wieder
heraus. In der Nacht zum 24. drangen sie wieder in die Gräben ein, um
abermals herausgeworfen zu werden. Gefangene bezeugten, daß es die
Brigaden Pavia und Livorno waren, die unter schweren Verlusten den Monte
Sabotino [168] erstrebt hatten. Die
Angriffe gegen dieses Ziel setzten sich auch in den nächsten Tagen
fort.
Gegen Podgora begannen die Angriffe am 22., um sich am 26. und an den
folgenden Tagen zur größten Heftigkeit zu steigern. Artilleriefeuer
hüllte die Höhen von Podgora in Rauch und Flammen. Abends drang
der Feind in die Stellung. Stundenlang wurde
gerungen, - der Italiener mußte weichen. Dasselbe Spiel wiederholte
sich am 27. und am 28. Oktober. Am 29. erfolgt ein gleichzeitiger wütender
Angriff auf Podgora und gegen den Monte Sabotino. An beiden Stellen drangen
die Italiener ein, an beiden warfen Gegenangriffe sie wieder hinaus.
Am 1. November setzte der Feind seine ganze Kraft ein, um sowohl Podgora als
auch den Monte Sabotino zu nehmen. Nach einem halbstündigen
wahnsinnigen Artilleriefeuer stürmten mehrere Bataillone auf dem
schmalen Rücken gegen die Spitze des Monte Sabotino an. Erst nach
vierstündigem Kampfe gaben sich die Italiener damit zufrieden, daß
der Monte Sabotino vor ihnen gelegen blieb. Gegen Podgora prasselte das
heftigste Feuer los, so daß die Dalmatiner, die dort standen, das
"Avanti" der endlich nachmittags kommenden Italiener als
Erlösung empfanden. Ein Überläufer hatte ausgesagt,
daß Befehl gegeben worden sei, Podgora an diesem Tag unbedingt zu
nehmen. Als der Ansturm der Italiener losbrach, entlud sich auch ein sehr heftiges
Gewitter. Blitz und Donner mischten sich mit dem Schlachtenbild und mit dem
dröhnenden Kampfgetöse. Die Übersicht war gering, die
Telephonleitungen waren zerstört. Die Italiener überrannten die erste
Linie. Sie drangen in die zweite ein. Die ganze Nacht wurde erbittert
gekämpft. Um 8 Uhr früh waren die Italiener wieder in ihre
Stellungen zurückgeworfen.
Am 2. und 3. November wurden Angriffe gegen die Flügelpunkte des
Brückenkopfes fortgesetzt. Die Italiener drangen noch einigemale in unsere
Stellungen, um sie nach starken Einbußen wieder zu verlassen. Von der
Energie, mit der sie angingen, zeugt die Tatsache, daß sie gegen einen
Bataillonsabschnitt siebenmal an einem Tage anstürmten und vor diesem
Bataillon an achthundert Leichen liegen ließen. Am 3. November gelang es
ihnen, bei Oslavija überraschend in 300 Schritt Breite in die Stellung
einzudringen. Ein Gegenangriff warf sie am 4. wieder hinaus. 400 Gefangene und
fünf Maschinengewehre blieben in der Hand der tapferen Verteidiger.
Mit dem 4. November fand die dritte Isonzoschlacht für den Görzer
Brückenkopf ihr Ende. Seiner Besatzung war eine fünftägige
Ruhepause gegönnt.
In derselben Zeit, in der die Italiener den Brückenkopf so heftig berannten,
also vom 18. Oktober bis zum 4. November, umtobte die Schlacht die
Hochfläche von Doberdo in immer steigender Heftigkeit. Die Hauptlast der
Schlacht hatte das VII. Korps zu tragen. Gegen das im Süden der
Hochfläche stehende III. Korps richteten sich die Angriffe nur im rechten
Flügelabschnitt östlich Monfalcone.
[169] Am 18., 19. und 20.
Oktober galten die Angriffe vor allem Peteano und dem Monte San Michele. Am
20. wurde ein Übergangsversuch der Italiener über den Isonzo
oberhalb der Wippachmündung vereitelt, indem die halbfertige
Pontonbrücke zerschossen wurde. Das italienische Artilleriefeuer war in
diesen Tagen von größter Heftigkeit. Am 20. zählte man auf
dem Monte San Michele in 25 Minuten 33 schwerste Geschosse (28 und
30 cm). Ein Überläufer sagte aus, daß für den 21.
sechs Infanterieregimenter für den Monte San Michele und vier Regimenter
für San Martino bereitgestellt seien. Am 21. erfolgte denn auch ein
mächtiger Angriff. Der Kampf setzte sich die ganze Nacht fort. Am 22.
nimmt der Italiener die Westkuppe des Monte San Michele, muß sie aber
vor einem Gegenangriff räumen. Nachmittag werden Gefangene von zehn
Regimentern eingeliefert. Am 23. und 24. wütete der Kampf auf der ganzen
Front des VII. und am rechten Flügel des III. Korps. Tag und Nacht dauerte
der Kampf an. Am 25., als etwas Ruhe eintrat, war die Stellung restlos
zurückerobert.
In der Zeit bis zum 3. November brachte jeder Tag unausgesetzt Kämpfe
größter Heftigkeit. Am 31. Oktober verlor das
Honvedregiment 3 gegen tausend Männer. Die Truppen der Division
waren so erschöpft, daß neue Angriffe nicht mehr mit Sicherheit
abgewehrt werden konnten. Die Honved hatte sich für den Grabenkampf
eine morgensternartige Keule hergerichtet, die sie mit zwanzig Spitzen versah und
danach, ihrer Divisionsnummer zu Ehren, als "Zwanziger" benannten. Es war eine
merkwürdige Erscheinung in diesem größten aller Kriege,
daß trotz der höchsten technischen Entwicklung der Kriegsmittel
auch die ältesten, schon in Vergessenheit geratenen Kampfmittel wieder
hervorgeholt wurden, vom Dolchmesser und der Keule bis zur Handgranate. Mit
ihrer selbstgeschaffenen, furchtbaren Waffe trieben die Verteidiger den
eingedrungenen Feind immer wieder aus ihren Gräben hinaus. Aber endlich
mußte auch die Kraft der kampffreudigsten Truppe erlahmen, die 20.
Honved-Infanteriedivision durch die 6., Feldmarschalleutnant Fürst
Schönburg-Hartenstein, abgelöst werden.
Am 3. November trat so schlechtes Wetter ein, daß die
Kampftätigkeit, namentlich das Artilleriefeuer, stark gehindert wurde.
Wenn auch in der Zeit vom 4. bis 7. November bei der 17. Infanteriedivision, bei
San Martino, heftig gekämpft wurde, so leitete doch eine Zeit
verhältnismäßiger Ruhe, die bis zum 9. November andauerte,
hinüber zur vierten Isonzoschlacht.
Nur eine kurze Zeit der Sammlung, der Erholung und der Ergänzung des
Materials gönnte Cadorna seinen Truppen. Wenn auch am 27. und 28.
Oktober um den Col di Lana heftig gekämpft worden war, so war doch die
Mehrzahl der in Tirol und gegen Kärnten verwendeten Truppen geschont
und zur Fortsetzung des Angriffes an der Isonzofront geeignet.
[170] 4. Die vierte Isonzoschlacht.
Schon am 9. November nahm der Angriff seinen Fortgang in der richtigen
Erkenntnis, daß dem schwächeren Verteidiger keine Zeit zur
Erholung gegeben werden durfte. Gegen Mittag setzte bei Podgora stärkstes
Artilleriefeuer ein. Um 4 Uhr nachmittags begann der Angriff. Viermal
brachen die Italiener aus ihren Gräben hervor, viermal jagte sie das Feuer
der Verteidiger in diese zurück. Am 10. November wurde der ganze
Brückenkopf angegriffen. Am 11. vereinigte der Italiener seine Kraft gegen
Podgora und gegen Oslavija. Unausgesetzt wütete der Kampf,
tagsüber, in der Nacht und am 12. November. Geworfen, traten immer
wieder neue Abteilungen zum Sturm an. Unausgesetzt brandeten die
Angriffswellen an die zerschossenen Stellungen, bis es den Italienern gelang, in
Grabenstücken auf der Podgora und bei Oslavija festen Fuß zu
fassen. Jetzt folgten die Gegenangriffe der Verteidiger. Der Kampf dauerte die
Nacht hindurch in den 13. November hinein. Die italienische Artillerie tobte
während dieses Kampfes gegen alle anderen Teile des
Brückenkopfes. Am 13. erlahmte die Kraft des Angreifers: er wich aus den
Stellungen. Bei Oslavija wurden 500 Italiener zurückbehalten.
Strömender Regen, der alle Stellungen in Morast verwandelte, hinderte in
den nächsten Tagen die volle Entwicklung der Kampftätigkeit. Nur
die Artillerie der Italiener ließ sich nicht beruhigen.
Am 18. November - dieser Tag verdient in der Geschichte dieses an
unnötigen, von Seite der Entente verschuldeten Grausamkeiten so reichen
Krieges festgehalten zu werden - begannen die Italiener Görz zu
bombardieren. An zehn Stellen entstanden starke Brände, die
Zivilbevölkerung erlitt Verluste. 3000 Geschosse, meist
28- und 30-cm-Bomben, fielen schon am Vormittag des 18. auf die
unglückliche Stadt. Fünf Tage dauerte die Beschießung dieser
offenen Stadt an. Sie war militärisch ganz zwecklos, muß daher als
unnötige Barbarei gebrandmarkt werden.
Am 20. November erfolgte ein einheitlicher Angriff gegen den ganzen
Görzer Brückenkopf. Zehn bis zwölf Regimenter
stürmten, Welle auf Welle, heran. Sie wurden blutig abgewiesen. Nur bei
Oslavija drangen die Italiener auf der Höhe 188 ein. Am 21. blieb ein
Gegenangriff zur Wiedergewinnung des verlorenen Bodens ohne Erfolg. Im
Gegenteil, die Italiener gingen von der Höhe 188 weiter vor. Sie
wurden aber geworfen, der Verteidiger stieß nach und entriß ihnen
auch einen Teil der Höhe 188 wieder. Die Italiener versuchten nun in
mehreren Angriffen die Höhe 188 und die daneben liegende
Kirchenhöhe von Oslavija zu gewinnen. Sie wurden aber immer wieder
geworfen. Mehr als zwölfmal griffen sie am 25., 26. und 27. den
Kirchenrücken an. Ein am 28. angesetzter Gegenangriff brachte auch die
Höhe 188 wieder ganz in die Hand ihrer Besatzung zurück.
Die unausgesetzte stärkste italienische Artillerie- [171] wirkung hatte aber zur
Folge, daß am 29. November beide Höhen, der Kirchenrücken
und die Höhe 188 in Feindeshand fielen. Aber nur wenige Schritte
war die k. u. k. Infanterie auf der Höhe
zurückgegangen. Sie grub sich dort von neuem ein und wies alle weiteren
Versuche der Italiener, dort bis an den Isonzo durchzubrechen, erfolgreich ab. Der
Feind hatte nach und nach siebzehn Infanterieregimenter und drei
Bersaglieribataillone, also 54 Bataillone, eingesetzt, um bei Oslavija
durchzubrechen. Acht Bataillone, die nach und nach bei Oslavija in den Kampf
traten, haben ihnen das verwehrt.
In der Zeit vom 21. bis 29. November fanden ununterbrochen Stürme gegen
die zerschossenen Stellungen bei Podgora statt. Sie hatten keinen wesentlichen
Erfolg. Nach dieser Zeit wirkte nur mehr die italienische Artillerie
weiter - ihre Infanterie war am Ende ihrer Kraft.
In 47 Tagen der Doppelschlacht hatten die Italiener fünfzehnmal den Monte
Sabotino gestürmt, 40 Angriffe gegen Podgora, 30 gegen Oslavija gerichtet.
28 Infanterieregimenter und 3 Bersaglieribataillone hatten vergebens geblutet. 200
Offiziere, 8500 unverwundete Gefangene und beträchtliche Beute waren
die Zeichen und der Preis des Sieges.
Gleichzeitig mit diesem gewaltigen Angriff gegen den Brückenkopf
bedrängte die italienische 3. Armee die Verteidiger der Hochfläche
von Doberdo. Am 10. November um 8 Uhr früh begann auf der
ganzen Front ein lebhaftes Feuer schwerer Kaliber, das sich um 10 Uhr
vormittags zu größter Heftigkeit steigerte. Kurz vor 11 Uhr
verlegte der Italiener sein Feuer nach rückwärts, worauf an der
ganzen Front starke Angriffe folgten. Der Kampf dauerte bis 5 Uhr
nachmittags. Alle Angriffe wurden, oft im Gegenangriff, abgewiesen. Um
5 Uhr nachmittags machte ein Gewitter, das volle Finsternis brachte, dem
Kampf ein Ende.
Den ganzen 11. setzte der Feind seine Anstrengungen, die zerschossenen
Stellungen einzudrücken, ohne Erfolg zu erringen, fort. Er zog neue
Kräfte heran. Am 12. November begann das gleiche Spiel. Am Morgen
setzte starkes Artilleriefeuer ein, das sich gegen Mittag bis zum Trommelfeuer
steigerte. Von Mittag an erfolgten unausgesetzte starke Angriffe gegen die ganze
6. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Fürst Schönburg, die von
der Wippach bis einschließlich Monte San Michele dem Italiener den Weg
nach dem Osten verlegte, gegen die südlich anschließende 17.
Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Gelb, und gegen die weiter
südlich folgende 22. Schützendivision, Generalmajor Schön,
bei der sich der Kampf besonders auf dem Monte dei sei Busi abspielte. Am
Abend dieses Tages mußte das Infanterieregiment Nr. 6
abgelöst werden, das ununterbrochen seit dem 20. Oktober, also durch 23
Tage, im Kampfe gestanden war.
Bis zum 16. November entwickelte sich nun Tag für Tag das gleiche
Kampfbild. Immer waren es dieselben Örtlichkeiten, um die sich der
wütende Kampf [172] abspielte. Am 16.
setzte heftiges Schneegestöber ein. Die Sicht wurde dadurch derart
behindert, daß der Kampf ruhen mußte. Für die Heftigkeit der
Kämpfe mag die Standesübersicht der 17. Infanteriedivision Zeugnis
ablegen. In der Zeit vom 15. Oktober bis 15. November verlor sie 250 Offiziere
und 11 400 Mann und zählte am 17. November, von welchem Tage
die Standesübersicht stammt, trotz Einreihen des verfügbaren
Ersatzes nur 7500 Männer.
Am 18. November begannen wieder die Angriffe in gleicher Weise und mit der
gleichen Erfolglosigkeit. Erst am 22. November hatte der Italiener bei
San Martino einen kleinen Erfolg. Besonders starke Angriffe zwangen, die
Verteidigungslinie an den Westrand des Ortes San Martino
zurückzunehmen. Das Korpskommando gab aber den Befehl, die alte Lage
wiederherzustellen. Der erste, am 23. angesetzte Gegenangriff drang nicht durch.
Er wurde am 24. wiederholt. Während an diesem Tage auf dem
nördlichen Flügel der 6. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant
Fürst Schönburg, bei Peteano erbittert gekämpft wurde,
begann um 3 Uhr 30 nachmittags das vorbereitende Artilleriefeuer bei
San Martino. Der um 5 Uhr angesetzte Gegenangriff stieß auf
einen neuen starken italienischen Angriff, der gegen die Kirchenhöhe von
San Martino gerichtet war. Die Italiener wurden geworfen, im sofort
folgenden Nachstoß die alten Stellungen wiedergewonnen.
Der Kampf, der sich jeden Tag mit neuer Heftigkeit einstellte, wogte in der allen
Isonzoschlachten eigenen Art bis zum 30. November ununterbrochen fort. Das mit
diesem Tage einsetzende äußerst schlechte Wetter, besonders die das
Artilleriefeuer hindernde schlechte Sicht, nötigten zur Einstellung des
Kampfes.
Die Italiener wollten sich aber hier, auf der Hochfläche, nicht so ohne
weiteres in ihr Mißgeschick ergeben. Am 3. und 5. Dezember, vom 7. bis
zum 9. und am 11. Dezember griffen sie wieder stark an. Der Monte San Michele,
San Martino und der Monte dei sei Busi waren die Ziele ihres Verlangens.
Erst mit dem 11. Dezember, als starker Frost eingetreten war, gaben sie ihr
nutzloses Hoffen, eine schwache Stunde zu finden, auf.
Die vierte Schlacht war siegreich geschlagen. Der Ruhm gebührte den
Truppen und der unteren Führung allein. Bei der geistlosen,
handwerksmäßigen Art, in der die Italiener ihre zusammenhanglosen
Angriffe gegen bestimmte, im Vergleich zur ganzen Schlachtfront schmale
Abschnitte immer und immer wieder ansetzten, bei ihrem Streben, nur die brutale
Masse zur Geltung zu bringen, und bei dem Umstand, daß bei der Vielheit
der Angriffspunkte die Kraft der Artillerie und der Infanterie sich doch
zersplitterte, ohne zu einem einheitlichen, großzügigen Angriff an der
ganzen Front zu gedeihen, konnte auch beim Verteidiger eine höhere
Führung nicht zur Geltung kommen. Nur ein Entschluß hätte
den k. u. k. Truppen die Überlegenheit einer geistigen
höheren Führung bringen können: der Entschluß, den
Italienern nicht nur in reiner [173] Abwehr
entgegenzutreten, sondern sie einmal an ihrer größten
Schwäche, an der geringen Widerstandskraft ihrer Infanterie zu packen und
sie in einem groß angelegten Angriff aus dem jetzigen Kampfgebiet hinaus
und über den Isonzo zurückzuwerfen. Das VII. Korpskommando
hatte auch, mit Rücksicht auf die übergroßen mit der reinen
Abwehr verbundenen Verluste, zweimal beantragt, die Angriffe nicht erst
abzuwarten, sondern selbst unter Zusammenfassung der Kraft vorzustoßen.
Die Überlegenheit der k. u. k. Infanterie im Kampfe gab ihm
die Überzeugung des vollen und sicheren Erfolges. Das 5.
Armeekommando lehnte es ab, auf diesen Vorschlag einzugehen. Wie
gerechtfertigt er war, hat dann der glänzende Erfolg der
12. Isonzoschlacht gezeigt. Bis zu ihrem Entstehen mußten aber noch
sieben weitere Abwehrschlachten überstanden werden. Sie alle tragen den
gleichen Charakter, nur daß sie mit der Zeit den Italienern doch bedeutende
örtliche Erfolge brachten, wenn auch der entscheidende Durchbruch ihnen
nirgends und nie gelungen ist. Was ihnen gelang, war nur ein stellenweises
örtliches Zurückdrängen der Verteidigungslinien.
Die gewaltigen Anstrengungen der Italiener in der dritten und vierten Schlacht
zwangen ihnen eine längere Ruhe auf. Von ihrer Seite füllten nur
zeitweise stärkeres Artilleriefeuer, Geplänkel und langsames
Heranarbeiten sowie die Einleitung des Minenkrieges die Tage des Dezember und
des Januar aus.
Dagegen wurden von österreichischer Seite zwei größere
Unternehmungen bei Oslavija erfolgreich durchgeführt: zunächst ein
Angriff zur Wiedergewinnung der Kirchenhöhe und der
Höhe 188 bei Oslavija am 14. Januar. Er gelang. Beide Höhen
wurden erstürmt; 3 Offiziere, 902 Mann, 3 Maschinengewehre und 3
Minenwerfer wurden erbeutet. Starkes Artilleriefeuer und ein Gegenangriff der
Italiener zwang aber die Angreifer wieder zurück. Doch am 24. Januar
brach das Unheil erneut über die Italiener herein. Ein gut vorbereiteter und
gut durchgeführter Angriff brachte beide Höhen in unseren, nunmehr
dauernden Besitz. 45 Offiziere, 1152 Mann und 6 Minenwerfer waren die Beute
bei dieser schönen Waffentat.
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