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[Bd. 4 S. 257]
Ferdinand Graf von Zeppelin, 1838-1917, von Leonhard Adelt

Graf Zeppelin.
[264a]      Graf Zeppelin.
[Bildquelle: Fr. Müller-Hilsdorf, München.]
Graf Zeppelin war vor Hindenburg und Hitler der volkstümlichste Mann Deutschlands, ja der Welt. Er ist der Schöpfer des Luftschiffs, das als Nachfolger des Lenkballons seine Bedeutung neben dem Flugzeug behauptet. Diese Bedeutung ist nicht nur praktischer Natur; das Luftschiff ist darüber hinaus großartiger Ausdruck einer Sehnsucht, die dem Menschen eingeboren ist: sich aufschwingen über die Erde, über sich selbst erhoben sein in reine Anschauung und Betrachtung. Auch andere Konstrukteure und andere Länder haben Luftschiffe gebaut; durchgesetzt und bewährt hat sich nur das deutsche Luftschiff Zeppelins. Daher kommt es, daß der Name des Erfinders mit dem Begriff des Luftschiffs überhaupt verschmolzen ist. "Welch komischen Namen er hat", sagten die Amerikaner von einem jungen Freiherrn von Zeppelin, "er heißt Mister Luftschiff!"

Aber auch wir Deutschen sprechen vom Zeppelin und meinen damit sein Luftschiff. Sein Lebenswerk überragt ihn als sein Denkmal und entrückte ihn gleich dem Sieger von Tannenberg schon zu Lebzeiten in die Legende. Es ist nicht Heroenkult, den wir damit treiben; wir sind uns nur dankbar bewußt, daß es der Geist des Grafen Zeppelin ist, der in der überlegenen Leistung weiterlebt. Der Triumph Zeppelins ist im gleichen Maße ein Triumph der deutschen Technik wie des deutschen Charakters.

Dadurch wird für uns Deutsche das Lebensbild des Grafen Zeppelin Charakterbild. Dieser sein Charakter bestimmt sich aus den drei Wesenheiten, die ihn erfüllten: er war Christ, Deutscher und Soldat. Der kühne Bahnbrecher, der jedem Aufstieg seiner Luftschiffe ein stilles Gebet vorausschickte, war in seinem christlichen Glauben von der frommen Einfalt eines Kindes. "Gott ist der Künstler, ich bin sein Werkzeug", sagt er einmal, und bei anderer Gelegenheit: "Gott hat es mir gelingen lassen, die Luftschiffahrt zum ersten Male in gebrauchstüchtiger Gestalt in die Welt einzuführen." Nachkomme eines alten Mecklenburger Adelsgeschlechtes und einer Genfer Refugiéfamilie, vereint er in sich protestantische Überlieferung mit weltläufiger Duldsamkeit. Er gehört dem Uradel an, ist General, Gesandter, Kammerherr und reich: das gibt ihm die Sicherheit des großen Herrn, der mit den Mächtigen dieser Erde von gleich zu gleich verkehrt. Sein Großvater mütterlicherseits betrieb in dem ehemaligen Dominikanerkloster zu Konstanz, in dem Ferdinand Zeppelin geboren wurde, dem heutigen Insel-Hotel, eine Kattunfabrik: das bringt den jungen Grafen mit der Welt der Industrie, des Kaufmanns und [258] des Arbeiters in Berührung. Der Knabe wächst in Girsberg auf, das elterliche Gut liegt auf Schweizer Boden: im täglichen Umgang mit Knecht und Magd, mit Nachbarn und Verwandten atmet Ferdinand den demokratischen Geist der Schweiz ein, jenes Gemeinschaftsgefühl der Nation, das nicht nach Rang und Ständen urteilt, sondern nach dem inneren Wert des einzelnen für sein Volk. "Nicht so sehr darauf kommt es an," sagt der alte Graf 1908 den Realschülern von Konstanz, "daß der einzelne sich hervorhebt, als darauf, daß wir alle uns auf ein höheres Niveau heben." Im selben Jahre, angesichts der Einmütigkeit, mit der das deutsche Volk nach dem Echterdinger Unglück für ihn eintritt, wünscht er, daß "sich solch einmütiges und opferfreudiges Zusammenhalten wiederholen möge, so oft es sich um eine Sache handelt, die für das Wohl und die Ehre des Vaterlandes wichtig ist".

Ferdinand Graf von Zeppelin als junger Mann.
Ferdinand Graf von Zeppelin
als junger Mann.
[Nach tegermany.com.]
Herkunft und Lebenslage des Grafen Ferdinand von Zeppelin begünstigen die harmonische Entwicklung eines Charakters, dessen treibende Eigenschaft der Mut ist. Einem Freimut, der ihm die militärische Laufbahn verderben sollte, gesellt sich der Wagemut des Schwimmers und des Reiters. Schon der Knabe meistert diese beiden Arten körperlichen Sports und beweist in ihnen die Geistesgegenwart des geborenen Soldaten. Als der Sechsjährige auf dem Eis des Gutsteiches einbricht, rettet er sich durch den Abfluß, instinktiv sich bewußt, daß dessen Strömung stärkere Eisbildung verhindert. Während seines Aufenthaltes in Amerika beobachtet der junge Offizier an den Niagarafällen, wie Holzstücke einem bestimmten Felsenriff zutreiben, springt in den Strudel und treibt richtig ebenfalls jener Klippe zu, von der aus ihm der herrlichste Regenbogenkreis das Wagnis lohnt. Die Lust am Abenteuer veranlaßt ihn, dem amerikanischen Schlachtenbummel eine Forschungsreise zu den Mississippiquellen anzufügen, bei der zwei Russen und zwei Indianer seine Begleiter und zuletzt roh verzehrte Wasserratten seine Nahrung sind.

Graf Zeppelin 1863.
Graf Zeppelin (in der Mitte, kniend)
inmitten einiger Unionsoffiziere 1863.
[Nach tegermany.com.]
Im preußisch-österreichischen Kriege 1866 hat Graf Zeppelin als württembergischer Ordonnanzoffizier die Verbindung mit der hessischen Division herzustellen; beim Überschwimmen des Main gehen Pferd und Reiter unter; Zeppelin, in hohen Stiefeln und Pallasch, stößt sich unter Wasser so oft vom Grund wieder hoch, bis er am Ufer Fuß faßt. Nach Erledigung seines Auftrags schwimmt er auf demselben Weg zurück; die überstandene Gefahr tut er scherzhaft ab: "Auch im Wassertrinken soll der Mensch Maß halten." Ein Jahr später, bei den bayerischen Manövern im Lechfeld, rutscht Zeppelins Pferd in einen Sumpf ab, der Reiter wirft sich über den Kopf des Pferdes hinweg auf den Uferrand und hält das versinkende Tier am Zügel, bis Hilfe kommt.

Jene körperliche Gewandtheit, mit der der Knabe auf Gut Girsberg die höchsten Bäume, der militärische Beobachter im amerikanischen Sezessionskrieg nach schwerem Zechgelage an Bord das oberste Stag des Bramsegels erklimmt, bleibt dem Grafen Zeppelin bis in seine letzten Tage. Der Siebzigjährige schwimmt bei rauhester Witterung im Bodensee, der Sechsundsiebzigjährige ersteigt den [259] Luftschiffrücken auf schwanker Feuerwehrleiter, der Achtundsiebzigjährige springt auf den abfahrenden Schnellzug auf.

Graf Zeppelin ist Kavallerist; die weiße Schirmmütze auf dem schnauzbärtigen, freundlich und listig blickenden Seehundskopf und das blaue Marinejackett des Luftschiffers haben sich mit Reiterbeinen zu vertragen. Die Abenteuer des Reiters ergeben sich aus seinen militärischen Aufgaben. Im amerikanischen Sezessionskrieg reitet Zeppelin eine Attacke gegen Stuarts Reiter mit und entkommt ihnen nur durch die überlegene Schnelligkeit seines Pferdes. Bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges klärt der Württembergsche Generalstabshauptmann an der Spitze von vier badischen Leutnants – von denen einer, Leutnant Winsloe, der erste Tote dieses Krieges wird – und sieben Dragonern den Stand der Armee MacMahon auf und kehrt aus blutigem Gefecht mit französischen Chasseurs nach Tagen als einziger zu seinem Kommando zurück.

1874 schreibt Major Graf Zeppelin in Straßburg auf ein Albumblatt: "Ehre und Ruhm sind schmeichelnde Zugaben des Glücks, doch nur das stete Bewußtsein seiner hohen Pflicht gegen das Vaterland vermag dem Soldaten im Frieden die Ausdauer, im Kriege den wahren Mut zu verleihen." Das klingt konventionell und verrät dennoch die Ungeduld des Frontsoldaten im Kommiß. Ferdinand von Zeppelin ist aus der Kriegsschule von Ludwigsburg hervorgegangen, wurde schon als Leutnant zum Generalquartiermeisterstab kommandiert und nahm zweimal Urlaub: das erstemal, um an der Universität Tübingen zu studieren, das andere Mal, um als Beobachter den amerikanischen Sezessionskrieg auf Seite der Nordstaaten mitzumachen. Generalstäbler während der deutschen Kriege, kommandierte er im neuen Reich Dragoner und Ulanen, wurde dann württembergischer Militärbevollmächtigter und Gesandter am Berliner Hof, befehligte zwischendurch die 27., danach die 30. Kavalleriebrigade und wurde nach dem ersten Manöver als Generalleutnant kaltgestellt.

Graf Zeppelin war dreiundfünfzig Jahre alt, als er den Abschied erbat und erhielt; sein Schicksal erinnert an das Hindenburgs, dessen Lebensaufgabe ebenfalls abgeschlossen schien, bis sich im Weltkrieg erwies, daß seine große, weltgeschichtliche Bestimmung noch vor ihm lag. Gründe für Zeppelins Verabschiedung sind nicht bekanntgeworden; der tiefere Grund liegt jedenfalls darin, daß er unbequem war. Zeppelin war kein Offizier nach dem Schema; er hatte sich in der Welt mit offenen Augen umgetan, zog die Nutzanwendung für das deutsche Heer daraus und war freimütig genug, seine Meinung auch zu äußern. Er hatte sich mit amerikanischen und französischen Reitern herumgeschlagen; gestützt auf diese Beobachtungen und Erfahrungen, bemängelte er die Ausrüstung und die Verwendung der deutschen Kavallerie als veraltet und verlangte ihren Einsatz in vorderster Linie und zum beschleunigten Aufklärerdienst. Seine Forderungen haben sich als berechtigt erwiesen und sind erfüllt worden, als es zu spät dazu war, denn [260] eine andere Waffengattung war inzwischen aufgekommen und hatte, durch das neue und blitzschnelle Verständigungsmittel des Funkspruchs ergänzt, die militärische Aufklärung übernommen: das Flugzeug.


Körperliche Spannkraft setzt die geistige voraus. Ein Mann, der sich seine körperliche Frische bis in das hohe Greisenalter bewahrt, ist auch als geistige Persönlichkeit nicht abgetan, wenn er vor der Zeit den blauen Brief erhält. Graf Ferdinand von Zeppelin, seit 1869 mit der livländischen Freiin Isabella von Wolff vermählt und Vater einer Tochter Hella – der späteren Gräfin Brandenstein-Zeppelin –, war nicht dazu geschaffen, seine Tage in stiller Beschaulichkeit als Gutsherr zu beschließen. Die Verabschiedung, die er als ungerechtfertigt empfand, kränkte ihn; zugleich aber sagte ihm ein inneres Gefühl, daß das Problem der Aufklärung im modernen Kriege mit Verbesserungsvorschlägen, wie er sie gemacht hatte, nicht erschöpft war. Der Aufklärer zu Fuß oder Pferde bleibt an das Gelände gebunden, der Gasballon erhebt sich darüber: je höher der Standpunkt, desto weiter die Übersicht. Der Schlachtenbummler Zeppelin war vor Saint Paul in Kanada in einem Fesselballon der Nordstaatenarmee aufgestiegen: der Generalstabshauptmann hatte vor Paris Fesselballone in Tätigkeit gesehen, und Freiballone hatten die belagerte Hauptstadt verlassen. Die Ballone waren mit dem Wind davongetrieben; wenn es gelänge, ihnen die Richtung vorzuschreiben, so wäre die Armeeführung um ein ideales Aufklärungsmittel und eine völlig neue Waffengattung reicher.

Dem Ballon und dem gasgefüllten Luftschiff ist mit dem Flugzeug das Element gemeinsam, in dem sie sich bewegen: nicht mehr Erde oder Wasser, sondern Luft. Das Flugzeug fliegt: es ist wie der Vogel schwerer als die Luft und bedarf eigener Kraft, um diese Schwere zu überwinden. Das Luftschiff dagegen ist durch seinen Gasinhalt ausgewogen gegen den Luftraum, den es verdrängt; es bewegt sich gleichsam gewichtlos in der Luft wie das Schiff im Wasser: es fliegt nicht, sondern fährt.

Um sich unabhängig von den Strömungen der Luft zu machen, bedarf es einer stärkeren Kraft, als die des Windes ist, der auf das Luftschiff einwirkt. Diese Kraft liefert der mechanische Motor, dessen Wirkung sich auf Luftschrauben überträgt. Die Versuche, dem Gasballon lenkbare Eigenbewegung zu verleihen, setzten unmittelbar nach seiner Erfindung ein; der Entwurf des französischen Genieleutnants Meusnier, der 1793 als General vor Mainz gefallen ist, lag bereits ein Jahr nach dem ersten Aufstieg einer Montgolfiere vor. Seit Dampfmaschine und Explosionsmotor der Schiffsschaufel und dem Wagenrad Antrieb gaben, stand ihrer Anwendung auf den Lenkballon praktisch nichts im Wege als das große Gewicht bei verhältnismäßig schwacher Kraftleistung. An diesem Mißverhältnis sind alle Vorgänger Zeppelins – ist auch er selbst noch mit seinen ersten Luftschiffen gescheitert. Später gelang es, den Explosionsmotor so leicht und seine [261] Vortriebskraft so stark zu machen, daß sie auch ohne das Hilfsmittel des Traggases die waagerechte Fläche des Drachenflugzeugs und die waagerecht rotierende Hubschraube des Schraubenflugzeugs durch die Luft trägt.

"Es ist unglaublich", schreibt der dreizehnjährige Schüler Ferdinand von Zeppelin in einem Aufsatz über Schiffsmaschinen, "was der Mensch mit Hilfe der Natur vermag." Und der sechzigjährige General zieht den Schluß: "Naturkräfte lassen sich nicht beseitigen, aber gegeneinander ausspielen." Das ist, auf die denkbar klarste und einfachste Formel gebracht, Sinn und Aufgabe der Technik.

Graf Zeppelin hatte zum Techniker die Anlage und – in beschränktem Maße – die Vorbildung. Der Knabe, der sich auf dem elterlichen Gutshof mit Pflügen und Sämaschinen abgegeben und an seiner Hobelbank geschreinert hatte, kam fünfzehnjährig auf die Realschule in Cannstatt, die zugleich Polytechnikum war; einundzwanzigjährig wurde der Leutnant zum Ingenieurkorps versetzt. Die technische Durcharbeitung seiner Ideen mußte der Erfinder jedoch Fachleuten übertragen; der erste Luftschiffentwurf wurde in den Jahren 1892/1893 von dem Diplomingenieur Theodor Kober statisch durchgerechnet; alle weiteren Luftschiffe hat der Techniker Ludwig Dürr entworfen und ausgeführt. Zeppelin wäre der letzte gewesen, den Anteil seiner Mitarbeiter zu verkleinern. "Mein Werk", gesteht er in edler Selbstbescheidung, "konnte nur wachsen und reifen, weil ich ausreichende Bildung zum Begreifen der mir gestellten Aufgabe und die Lebensstellung sowie die Mittel besaß, um mir das Wissen und Können, die Geschicklichkeit und die Leistung von Gelehrten, Ingenieuren und Arbeitern jeder Art, vom Feinmechaniker bis zum Taglöhner, dienstbar zu machen." Ebensowenig überschätzte er die ideelle Neuartigkeit seines Entwurfes. "Von mir als einem der jüngsten Schüler Ihrer Wissensgebiete", sagte er den deutschen Ingenieuren, "sind keine Entdeckungen noch nicht bekannter Naturgesetze und keine Begründungen neuer Lehren zu erwarten. Meine Beobachtungen betrafen nur die Anwendung bereits vorhandener Erkenntnisse auf den jüngsten Zweig technischen Schaffens, den Luftschiffbau."

In der Tat: Ferdinand von Zeppelin war kein Prometheus, der im Aufruhr gegen Gott das Feuer vom Himmel holt; er war nicht wie sein großer Zeitgenosse Otto Lilienthal Flieger, sondern wandte den vorhandenen Begriff des Fahrzeugs auf den Bereich der Luft an.

Graf Zeppelin in der Uniform seines Stuttgarter Ulanen-Regiments.
[264d]      Graf Zeppelin in der Uniform seines Stuttgarter Ulanen-Regiments im Gespräch mit Generalfeldmarschall Grafen Haeseler während eines Manövers.
[Bildquelle: Sammlung Dr. Hermann Handke, Berlin.]
Die praktische Anregung, die Graf Zeppelin in den Feldzügen empfing, verstärkte sich durch die literarische, als 1873 der deutsche Generalpostmeister von Stephan seine Schrift Weltpost und Luftschiffahrt veröffentlichte. Hier fand der aktive Ulanenrittmeister Zeppelin dasselbe Problem, das auch ihn beschäftigte, von einer anderen Seite als der rein militärischen betrachtet und dadurch an Bedeutung noch gehoben. Darauf setzte er sich hin und entwarf ein großes, starres, in Zellen unterteiltes Luftschiff.

Es ist müßig, die Frage aufzuwerfen, ob Ferdinand von Zeppelin ein Genie war. Genie ist seelischer Zustand, Talent die Fähigkeit zu bestimmten Dingen. [262] Genie fand sich, vom Erfinder angezogen, in seiner nächsten Nähe: mit Oskar von Miller, Schöpfer des Deutschen Museums, und Hugo Eckener, Erfüller Zeppelins. Graf Zeppelin, fern jener Unduldsamkeit, die keine anderen Götter leidet neben der ichgewordenen Idee, war von ihr nicht ausschließlich und bedingungslos besessen. "Wenn Sie mir beweisen", sagte er den deutschen Ingenieuren, "daß ich mich geirrt habe, so werde ich Ihnen auch dafür von Herzen dankbar sein." Aber er war zielbewußt und zäh. "Ich nehme es", sagt er ein andermal, "keinem Menschen übel, wenn er mich für einen Toren hält; deshalb weiß ich doch, daß es meine Aufgabe ist, ruhig weiterzuarbeiten und meine Idee, die ich für richtig erkannt habe, weiterzuverfolgen." Und fügt hinzu: "Wer seine Überzeugung der Nachwelt nicht zum Verständnis bringen konnte, hat das Leben eines Narren gelebt."

Dennoch: die Eingebung jener hellseherischen Stunde ist genial. Was die Technik in verlustreicher Entwicklung von Jahrzehnten nachholen und bestätigen sollte, nimmt Zeppelins Entwurf von 1873 in drei kurzen Beiwörtern vorweg: groß – starr – unterteilt. Mit diesen drei Eigenschaften umschreibt sich die besondere Art, die Zeppelins Luftschiff von allen anderen Versuchen unterscheidet; andere Systeme haben diese oder jene der drei Eigenschaften – ihre notwendige Vereinigung als Grundlage für den Luftschiffbau erkannte zuerst und allein Graf Zeppelin.

Die Geschichte des Luftschiffes durch ein halbes Jahrhundert hindurch ist eine Unglücksgeschichte. Als der verabschiedete General Zeppelin auf den Einfall des Rittmeisters zurückgriff, zog er die Nutzanwendung aus den tragischen Erfahrungen seiner Vorläufer. Französische und deutsche Techniker haben in Entwürfen und Ausführungen die meisten Einzelheiten vorweggenommen, die in der Folge Zeppelins Starrluftschiff vorübergehend oder bleibend aufzuweisen hat: Meusnier 1784 die Luftschrauben, das Steuerruder, die Gleichgewichtsflächen, die schwimmbare Gondel, sogar die Außenhülle um den Innenballon zum Ausgleich des je nach dem Wärmegrad veränderlichen Luftdrucks; Giffard 1852 den Antrieb durch Kraftmaschine und, für seinen letzten Entwurf, Ausmaße, die selbst die des LZ129 von 1935 noch um das Doppelte übertreffen; Haenlein 1872 die Motorspeisung durch Füllgas; Renard und Krebs, deren Lenkballon 1884 als erstem die Rückkehr zum Ausgangspunkt gelang, die aerodynamisch günstige Außenform; Schwarz, der nach Monge (1831) und Delcourt (1844) auch die Außenhülle aus Metall machte, die Innenversteifung des Tragkörpers durch Gitterträger aus Aluminium. Graf Zeppelin, der 1897 dem verunglückten Aufstieg des kleinen Schwarzschen Starrluftschiffes beiwohnte, hat die Gitterkonstruktion seines ersten Baus vom demselben Fabrikanten bezogen – die Firma Carl Berg in Eveking war damals die einzige in Deutschland, die das Leichtmetall Aluminium verarbeitete. Später erst kam die Legierung Duralumin auf, die das elastische Schiffsgerüst widerstandsfähiger macht; Graf Zeppelin selbst dachte nach den mannigfachen Beschädigungen seiner Luftschiffe durch Anprall auch an eine Stahlkonstruktion und [263] beauftragte den Statiker seiner Versuchsabteilung, Dr. Dornier, mit den Vorarbeiten, die aber durch den Kriegsausbruch nicht zum Abschluß kamen.

Die technische Einzelheit konnte Graf Zeppelin seinen Mitarbeitern überlassen; sie entsprach, wenn sie dem Grundgedanken diente. Im Gegensatz zu seinen Vorläufern geht Zeppelin nicht vom Ballon aus, sondern vom Schiffbau: er will den festen, in Gassäcke als Schotte unterteilten Schiffskörper, an dem die Vortriebs- und Steuerorgane nach Maßgabe ihrer günstigsten Wirkung angebracht sind. Die innere Versteifung nach Art der Brückenkonstruktion bedingt das großes Gewicht, das große Gewicht bedingt große Ausmaße und entsprechend großen Gasinhalt; diese große Gasmenge erlaubt es dem Luftschiff, sich tagelang ununterbrochen in der Luft zu halten: "dadurch sei der Luftschiffahrt eine unschätzbare Bedeutung nicht allein für die Kriegführung, sondern auch für den allgemeinen Verkehr gewiß". Schon der aktive Brigadekommandant stellt sich in einer dem König von Württemberg unterbreiteten Denkschrift jene Bedingung einer Vierundzwanzigstundenfahrt, die Zeppelin neunzehn Jahre später zu erfüllen suchte, und der verabschiedete Generalleutnant prophezeit Tagesfahrten von mehr als tausend Kilometern, Luftreisen, die in sechzig Stunden nach Alexandrien, in fünfeinviertel Tagen nach New York führen, und Forschungsfahrten in die Arktis.

Mit der Vorbereitung zur praktischen Durchführung seiner Pläne beginnt jener heldenhafte Kampf nach zwei Fronten, der uns Deutschen das Charakterbild des Grafen Zeppelin wichtiger macht als das Geschichtsbild. Die eine Front wird gebildet von den Problemen auf einem Gebiet, das technisch Neuland ist. Der Grundsatz, den Zeppelin gefunden hat, ist richtig, die Ausführung zunächst noch unvollkommen. Die Zylinderform der ersten Schiffe ist nicht die günstigstmögliche; sie ist durch Schwierigkeiten des Baues und der Unterbringung bedingt und weicht erst allmählich der aerodynamisch günstigeren Stromlinienform, die ein Nachfahre Zeppelins, das System Schütte-Lanz, von vornherein annimmt. Von Wesen und Wirkung der Luftvorgänge hat man um die Jahrhundertwende erst unzureichende Kenntnis; dadurch wird es erklärlich, daß Zeppelin seine Idee durch eine luftschifftechnisch wenig glückliche Anleihe an ein anderes Verkehrsmittel vorübergehend gefährdet: das erste Patent von 1895 sieht einen "lenkbaren Luftfahrzug" vor, bestehend aus dem Triebkörper und zwei harmonikaartig mit ihm verbundenen Anhängern, also eine Art fliegenden D-Zug. Von dieser Spielform behält er zum Glück für die Praxis nichts bei als die Verteilung der Antriebsmaschinen und Personen auf mehrere Gondeln, deren Zahl Kober für das erste Schiff mit zwei bestimmt.

[256a]
Patentschrift Nr. 985809
Graf F. von Zeppelin in Stuttgart.
Lenkbarer Luftfahrzug mit mehreren hinter einander angeordneten Tragkörpern.

Patentirt im Deutschen Reiche vom 31. August 1895 ab.

Patentschrift 1895 S. 1.
Patentschrift 1895 S. 2.
Patentschrift 1895 S. 1.
Patentschrift 1895 S. 3.
[256d-e]            [Vergrößern]
[Bildquelle: Johannes Schulz, Berlin.]
 
Eine echte Führernatur, versteht es Graf Zeppelin, die Leute sich heranzuholen, deren besondere Fähigkeit seine Fähigkeiten ergänzt. Unter ihm wird aus dem bescheidenen Techniker Ludwig Dürr der bedeutendste und erfolgreichste Luftschiffkonstrukteur. Zeppelin ist großzügig genug, die besondere Befähigung auch beim Gegner anzuerkennen. Als 1894 die kaiserliche Kommission gebildet wird, [264] um seine Pläne zu prüfen, erbittet er sich als Vorsitzenden niemand anderen als Helmholtz: "Weil der mein größter Gegner ist." Mutig, wie er ist, packt er den Stier bei den Hörnern. Zwölf Jahre später sucht Graf Zeppelin seinen literarischen Widersacher Dr. Eckener in dessen Wohnung auf und gewinnt ihn durch sachlichen Beweis für seine Sache. Damit hat er intuitiv den Mann gefunden, der kraft seiner eigenwilligen Persönlichkeit das bedrohte Lebenswerk Zeppelins retten und zu Weltbedeutung führen soll.

Zeppelin ist Schwimmer, Eckener ist Segler. Zeppelin vertraut seine ersten Luftschiffbauten der schwimmenden Halle an, steigt vom Wasser auf und geht auf ihm nieder. Die Steuer, die auf den Luftstrom wirken sollen, sind unzweckmäßig angebracht und genügen nicht; die Verankerung an Land ist falsch und verschuldet die ersten Schiffsverluste. Der Flensburger Hugo Eckener dagegen hat das eingeborene Gefühl für die Vorgänge in der Atmosphäre, die sein inneres Gesicht plastisch sieht; er kämpft nicht blind mit einem unfaßbaren Gegner, sondern nutzt das Wetter als die dargebotene Hilfskraft der Natur.

Das Urteil der kaiserlichen Kommission fällt zweimal ablehnend aus: das Aluminiumgerüst scheint ihr nicht fest genug, die erreichbare Eigengeschwindigkeit zu gering. Damit wird die Hoffnung auf einen Staatsauftrag zunichte.

Der Kommission gehört der Premierleutnant Groß an. Er hält es für militärisch notwendig, daß der Lenkballon zerlegbar bleibt, und setzt bei der preußischen Heeresverwaltung die Einführung des halbstarren Systems nach seinen eigenen Ideen durch. Von hier aus bildet sich die zweite Front gegen Zeppelin: die Kameraden sind es, die den General auch als Luftschiffbauer verneinen. Der Generalstab warnt durch vertrauliches Rundschreiben die Offiziere, sich mit Zeppelins Sache einzulassen; der Kriegsminister brüskiert den Grafen; mit Major Groß als militärischem Sachverständigen kommt es beinahe zu einem Duell, das durch das Eingreifen des Kaisers verhindert wird: "Er betrachte beide Herren in ihrem Kampf um die Eroberung der Luft als Offiziere vor dem Feind" – und vor dem Feind gibt es kein Duell.

Mehr Wohlwollen und sachliches Verständnis als das Militär bekundet der Verein deutscher Ingenieure, an den Zeppelin sich wendet; mitangeregt durch den Aufruf des Vereins, bildet sich die Aktiengesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt, von deren Kapital und Garantiefonds, zusammen fast eine Million Mark, Graf Zeppelin über die Hälfte aus seinem Vermögen zeichnet. Von diesem Geld wird in der stillen

LZ1, das erste Luftschiff des Grafen Zeppelin.
[264b]  LZ1, das erste Luftschiff des Grafen Zeppelin.
Vorbereitung zum ersten Start von einem Floß im Bodensee am 2. Juli 1900.

[Bildquelle: Robert Sennecke, Berlin.]
Bucht des württembergischen Krongutes Manzell – wo sich heute die Werftanlagen der Dornier-Metallbautengesellschaft breiten – die schwimmende Holzhalle und in ihr das erste Luftschiff gebaut. Es ist, was den Zeitgenossen gigantisch vorkommt, 128 Meter lang, faßt 11 300 Kubikmeter Wasserstoffgas – ungefähr so viel wie LZ129 in einer einzigen seiner sechzehn Gaszellen –, und seine beiden vierzylindrigen Daimler-Motoren entwickeln zusammen 24, im Höchstfall 32 Pferdekräfte. (Die vier Rohölmotore des LZ129 [265] leisten 4400 PS!) Im Juli und Oktober 1900 macht das Luftschiff unter Zeppelins Führung drei kurze Aufstiege, von 17, 80 und 23 Minuten Dauer. Die Eigengeschwindigkeit, die LZ1 dabei erzielt, überschreitet nicht die einer Kraftdroschke im Stadtverkehr. Nur eine dieser drei Probefahrten führt zum Ausgangspunkt zurück.

Der Widerstände gegen ein kostspieliges Unterfangen, das seiner Zeit phantastisch erscheinen mußte, wäre Zeppelin Herr geworden, wenn die Versuchsfahrten des ersten Luftschiffes überzeugend ausgefallen wären. Aber noch ist die Motorentechnik nicht so weit, um das Mißverhältnis zwischen Kraftleistung und Gewicht des Explosionsmotors auszugleichen und bei längerer Beanspruchung seine Zuverlässigkeit zu sichern; noch mangelt es auch den Luftschiffbauern an aerodynamischer, den Luftschifführern an navigatorischer Erfahrung. Zwar hat sich das erste Zeppelin-Luftschiff entgegen den Prophezeiungen der Schwarzseher weder in der Luft überschlagen noch ist sein Aluminiumgerüst beim Aufstieg zusammengebrochen (wie es später dem ersten Starrluftschiff der Engländer geschieht) – aber die unzureichende Geschwindigkeit genügt den Gegnern, auf ihrem Nein zu beharren. Die zwei Fronten luftschifftechnischer Schwierigkeiten und persönlicher Gegnerschaft schließen sich gegen Zeppelin zusammen und drohen, ihn zu erdrücken. Auch die Geldgeber werden irre an ihm; die verfügbaren Mittel sind aufgebraucht, es langt nicht einmal mehr, die Gasfüllung zu ergänzen. Die Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt löst sich auf, Schiff und Halle werden abgewrackt; was verkäuflich ist, wird verkauft. Die Belegschaft wird bis auf Dürr und zwei Nachtwächter entlassen.

Graf Zeppelin ist nicht der Mann, seine Leute auf die Straße zu setzen. Sein Verhältnis zu ihnen ist patriarchalisch: er kümmert sich um jeden und weiß um seine Familienangelegenheiten Bescheid. Noch von der Polarfahrt aus, die er 1910 mit Prinz Heinrich von Preußen und dem Meteorologen Hergesell nach Spitzbergen unternimmt, telegrafiert er einem Patenkind, Sohn eines seiner Angestellten, seinen Glückwunsch zum Geburtstag. Dienstlich von militärischer Knappheit, versäumt er es außerdienstlich nie, auch dem einfachen Mann das Herr der Anrede zu geben und einen Wunsch in die Form der Bitte zu kleiden. Wie er von seinen Leuten Treue erwartet und verlangt, so steht er auch im Unglück – und dann erst recht! – treu zu ihnen. Wenn ein Rückschlag ihn zwingt, Arbeiter zu entlassen, so nutzt er seine vielen Verbindungen aus, um sie anderweitig unterzubringen, bis ein neuer Umschwung der Verhältnisse ihre Wiederaufnahme in den Betrieb gestattet. Und jeder von den alten Leuten ist glücklich, zu ihm zurück zu dürfen. Während des Weltkrieges, als die Belegschaft von sechzig bis neunzig Mann in die Hundert und Tausend steigt, ist ein persönliches Verhältnis zu jedem einzelnen nicht mehr möglich; statt dessen sorgt der alte Herr sozial für sie durch die Gründung der Zeppelin-Wohlfahrt und der schmucken Kleinvillensiedlung Zeppelin-Dorf.

[266] Dieselbe noble Gesinnung bekundet Graf Zeppelin auch in kaufmännischen Fragen. Er dankt den Teilhabern der aufgelösten Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt und verspricht ihnen die Rückzahlung ihrer Beiträge, zu der er durch nichts verpflichtet ist. Acht Jahre später, nach der wunderbaren Wendung seines Schicksals, ist er in der Lage, sein Wort einzulösen.

Graf Zeppelin hält in Berlin Vortrag, um den Kaiser für den Bau eines neuen, verbesserten Luftschiffes zu gewinnen, aber der Kaiser bleibt unter dem Einfluß seiner militärischen Sachverständigen neutral und gibt dem General statt der erhofften Geldmittel den Roten Adlerorden erster Klasse. Sechzigtausend Postanweisungen, die Zeppelin freigemacht an reiche Leute versendet, bringen ganze fünfzehntausend Mark; ein "Notruf zur Rettung der Flugschiffahrt" verhallt ungehört. Erst als Zeppelins Landesherr eine württembergische Geldlotterie ermöglicht und der Graf selbst weitere vierhunderttausend Mark – fast den ganzen Rest seines Vermögens – dazugibt, kann in der wiederhergestellten Halle mit dem Bau des zweiten Luftschiffes begonnen werden.

Dieses zweite Schiff, obwohl mit seinen 170 PS motorisch viel stärker, hat gleich beim ersten Ausbringen Pech und treibt beim zweiten Aufstieg steuerlos geworden in das Allgäu ab, wo nächtlicher Winterwind es nach der Notlandung zerschlägt. Der 17. Januar 1906 ist der schwerste Tag im Leben Zeppelins: zum ersten und einzigen Male sehen seine Getreuen ihn verzweifelt und geneigt, die verlorene Sache aufzugeben. Aber noch angesichts des Wracks, das seine Leute befehlsgemäß mit Axt und Säge vollends zertrümmern, rafft sich der alte Soldat wieder auf und entscheidet sich: "In Gottes Namen, fangen wir von vorne an." "Wie groß und stark", ruft Hugo Eckener, der Gegner von gestern, bewundernd aus, "wie groß und stark ist doch das menschliche Herz, das allen Mächten auf Erden Trotz bietet, und wie schwach ist daneben das Menschenwerk, das ein Windhauch vernichten konnte!"

Nach diesem neuerlichen Fehlschlag scheint Zeppelin erledigt. Kaiser und Kriegsminister kehren ihm den Rücken; nur sein Landesherr, der König von Württemberg, glaubt noch an ihn und deckt durch eine zweite Geldlotterie den auf Kredit begonnenen Neubau.

Der König von Württemberg und Zeppelins Gegner Major Groß sind Augenzeugen, als im Oktober 1906 das dritte Luftschiff steigt. LZ3 hat etwas stärkere Motoren als das Unglücksschiff; neu ist die einheitliche Hecksteuerung zwischen großen Dämpfungsflächen. Dank ihrer liegt das Schiff ganz anders in der Hand der Führung; es dehnt seine Probefahrten immer länger und weiter aus, bis sie in einer zwölfstündigen Rundreise durch die Schweiz ihre Krönung finden.

Unter dem überwältigenden Eindruck dieser Fahrten schlägt die öffentliche Stimmung wieder zugunsten des Grafen um. Friedrichshafen, über Nacht aus einem verschlafenen Landstädtchen zum ersten Luftschiffhafen der Welt aufgerückt und von begeisterten Besuchern überlaufen, ernennt als erste unter vielen Städten [267] Zeppelin zum Ehrenbürger; die Technische Hochschule Dresden, auch als erste vielen, verleiht ihm das Ehrendoktorat. Selbst militärisch steigt Graf Zeppelin um einen Rang, vom Generalleutnant zum General der Kavallerie, empor.

Nun genehmigt auch Preußen eine Geldlotterie. Die Studienkommission für Motorluftschiffahrt entscheidet sich zwar für das unstarre System des Majors von Parseval, wendet aber auch dem Bahnbrecher des starren Systems leihweise hunderttausend Mark zu. Das Reich läßt in Manzell die schwimmende Holzhalle durch eine eiserne ersetzen, bewilligt anderthalb Millionen, um den Erfinder für seine bisherigen Aufwendungen zu entschädigen, und bestellt zu dem vorhandenen Schiff ein neues, schnelleres für die Armee. Die Militärverwaltung, immer noch widerstrebend, macht die Abnahme des Neubaus von der Durchführung einer Dauerfahrt über 500 Kilometer mit Zwischenlandung auf festem Boden abhängig. Zeppelin, mit dem Wagemut des Reiters, erweitert von sich aus diese Bedingung zu der einer Vierundzwanzigstundenfahrt. Er ist seiner Sache sicher und will sich selbst das Versprechen einlösen, das er einmal gab.

LZ4 faßt 15 000 Kubikmeter Gas, seine Nutzlast hat sich dadurch auf 4650 Kilogramm erhöht; die beiden 115pferdigen Motoren geben ihm 50 Kilometer Eigengeschwindigkeit in der Stunde. Am 4. August 1908 tritt das stolze Schiff rheinabwärts seine Dauerfahrt an; Glockenläuten und der Jubel des Volkes begleiten es von Ort zu Ort. Motorpannen nötigen zweimal zur Zwischenlandung; beim zweitenmal, auf der Filderebene von Echterdingen, reißt plötzlich aufkommender Sturm das Luftschiff von seiner Verankerung los, durch Bodenreibung springen elektrische Funken in das Knallgasgemisch von Wasserstoff und Luft, im Nu steht das ganze riesengroße Schiff in Flammen. Die Triumphfahrt endet in einem schauerlichen Fanal.

Gelähmt vor Entsetzen steht die von nah und fern herbeigeströmte Menge, dann bricht ein Aufschrei aus: Rettet Zeppelin! Sein Werk, Sinnbild deutscher Kraft und Schönheit, darf uns nicht verlorengehen! Der Schrei pflanzt sich fort durch alle deutschen Lande; erschüttert durch die tragische Stunde, schließt sich die Nation zusammen, um dem Mann beizustehen, der ihr Held geworden ist. Freiwillige Spenden und Sammlungen bringen mehr als sechs Millionen ein; beschämt wehrt der so reich Bedachte ab: "Das kann ich doch nicht annehmen!" Gedrängt, nimmt er an, aber unter der Bedingung, daß von der ganzen Nationalspende nichts ihm persönlich, sondern alles der deutschen Luftschiffahrt zugute kommt. Das Unglück, das alles zu vernichten schien, wird Zeppelins Lebenswerk zum Glück.

Gemäß dem Willen des Grafen wird aus der Volksgabe die Zeppelin-Spende errichtet und mit ihrem Kapital die Luftschiffbau Zeppelin-Gesellschaft gegründet. An die Stelle der bescheidenen Manzeller Werkstatt tritt auf neuerworbenem Gelände in Friedrichshafen die Luftschiffwerft mit Riesenhallen, Fabrikanlagen, Direktionsgebäuden, Gasanstalt und Museum. Tochtergründungen entstehen aus [268] dem praktischen Bedürfnis und gliedern sich mit dem Luftschiffbau organisch zum Zeppelin-Konzern zusammen: noch vor dem Krieg der Maybach-Motorenbau, der aller Welt den für lange Fahrt und große Höhe notwendigen Luftschiffmotor liefert, die Ballonhallenfabrik und die Hallenbaugesellschaft, im Krieg die Dornier-Metallbautengesellschaft und die Zahnradfabrik, nach dem Krieg die Wasserstoff- und Sauerstoff-Aktiengesellschaft in Staaken. Graf Zeppelin, unversehens Großindustrieller geworden, überträgt dem Schwiegersohn seines Aluminiumlieferanten Berg, Alfred Colsman, die geschäftliche Leitung.

Das Gerippe des Luftschiffes LZ5 vor der schwimmenden Ballonhalle auf dem Bodensee bei Friedrichshafen, 1908.
[264c]      Das Gerippe des Luftschiffes LZ5 vor der schwimmenden Ballonhalle auf dem Bodensee bei Friedrichshafen, 1908.

Notlandung des Luftschiffes LZ5.
[264b]      Notlandung des Luftschiffes LZ5
bei Göppingen am 30. Mai 1909.
Das Wunder von Echterdingen hat die preußische Militärverwaltung nicht bekehrt, aber bezwungen. LZ3 wird als ZI für die Armee übernommen und nach Metz übergeführt; es erweist sich trotz Umbaus und Verlängerung als den eigentlichen militärischen Aufgaben nicht gewachsen. LZ5, Ersatz für das verbrannte Schiff und als Armeeluftschiff ZII in der Kölner Halle untergebracht, rennt auf einer vor Berlin abgebrochenen Fernfahrt landend in einen Baum und strandet später im Manöver – das dritte Zeppelin-Luftschiff, das durch unsachgemäße Verankerung verlorengeht. Das Schwesterschiff LZ6, vom Militär nicht mehr abgenommen, verbrennt durch Unvorsichtigkeit in der Baden-Badener Halle.

Eine Kurve, die Zeppelins Werkschicksal darzustellen hätte, würde in fast regelmäßigem Auf und Ab verlaufen. Dem steilen Aufstieg folgt auch diesmal der verwirrende Sturz. Die Abneigung der Heeresverwaltung gegen das starre System erfährt durch die Unglücksfälle – einerlei, ob sie nun auf die Empfindlichkeit des leicht gebauten Luftriesen zurückzuführen sind oder auf das Ungeschick des Militärs – eindrucksvolle Begründung. Die Zeppelin-Gesellschaft, ohne Aussicht auf weiteren Armeeauftrag, rettet sich einstweilen in den "Versuch eines Verkehrs zwischen deutschen Städten", den die zu diesem Zweck gegründete Deutsche Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft (abgekürzt Delag genannt) von den neuen Hallen in Frankfurt, Düsseldorf, Baden-Baden, Hamburg, Friedrichshafen und Berlin aus unternimmt. Aber auch da verfolgt das Unglück den Eroberer der Luft. LZ7, die als reines Verkehrsluftschiff gebaute "Deutschland", 19 300 Kubikmeter fassend, 6800 Kilogramm Nutzlast tragend, sackt auf einer Pressefahrt in den Teutoburger Wald ab; sein Ersatzbau zerschlägt sich in Düsseldorf an der Hallenwand; auch das erfolgreichste Schiff, die "Schwaben", geht schließlich zugrunde.

Immerhin: die "Schwaben" hat unter Eckeners Kommando in hundert Passagierfahrten bewiesen, daß sich mit richtig geleiteten Luftschiffen Zielreisen regelmäßig durchführen lassen. Und die kaiserliche Marine erkennt im starren System den Schiffstyp völlig neuer Art, dank seines großen Fahrbereiches dazu vorbestimmt, die Aufklärung über See aus der Vogelschau zu übernehmen. Die beiden ersten Marineluftschiffe gehen vom Stapel; in stolzer Demut sieht der Erfinder ihnen nach: "Wie wenig habe ich daran getan!"

Noch einmal loht im deutschen Volk die Verehrung für den Grafen Zeppelin auf, als er am 8. Juli 1913 seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag begeht. Aber [269] gerade dieses Jahr ist für ihn mit Trauer angefüllt: es verzeichnet in der Geschichte der Zeppelin-Luftschiffe die ersten Toten. Auf dem Leipziger Landungsplatz wird von ZV Haltemannschaft mit hochgerissen, zwei Soldaten stürzen sich tot. Vor Helgoland drückt eine Regenbö das Marineluftschiff L1 in die stürmische See, der Kommandant und ein Teil seiner Leute ertrinken. Wenige Wochen später verbrennt über dem Berliner Flugplatz Johannisthal LII, das erste viermotorige Fahrzeug mit nach innen verlegtem Laufgang und verkleidetem Führerstand, durch Explosion von Knallgas mit den ganzen achtundzwanzig Mann Besatzung. Graf Zeppelin ist tief erschüttert, aber nicht gebrochen; über die Ursache des Unglücks gerät er mit Admiral Tirpitz, dem Staatssekretär der Marine, hart aneinander, und in seinem Nachruf verspricht er, in glaubensstarker Weiterarbeit noch größere Sicherheit zu schaffen, "damit die Todesopfer der einzelnen für viele zur Bewahrung des Lebens werden".

Das 1912 erbaute Verkehrsluftschiff ‘'Hansa'‘ bei der Landung.
[264c]  Das 1912 erbaute Verkehrsluftschiff "Hansa"
bei der Landung auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.

[Bildquelle: Robert Sennecke, Berlin.]
Abzugsschächte und die Trennung von Kommandobrücke und Motorengondeln haben seither in der Tat eine Gefahr vermindert, die der Ersatz des Wasserstoffgases durch das unbrennbare Helium vollends beseitigt. Aber da 1912/1913 noch zwei weitere Schiffe auf der Verlustliste stehen, so spricht die öffentliche Meinung Zeppelins Idee wieder einmal Wert und Dauer ab.

Da bricht der Weltkrieg aus, und nun ist das Luftschiff Heer und Flotte zum Ausgleich gegen die überlegene Fliegerwaffe des Feindes dringend not. Das hohe Alter des Generals Zeppelin ist Vorwand genug, ihm den erhofften Führerposten zu versagen; untätig aber bleibt er nicht. Nun endlich, am Spätabend seines tatenreichen Lebens, erfüllt sich der Zweck, für den er gedacht, gearbeitet und gekämpft hat; nun wird, so hofft er in unerschütterlicher Zuversicht, seine Erfindung dem Vaterland den Sieg verbürgen.

Der Sturmstoß der Gefahr hat alle Bedenken technischer und finanzieller Art, die der Entwicklung des Großluftschiffes bisher im Wege standen, weggefegt; die unstarren und halbstarren Lenkballone verschwinden aus dem Kriegsbild; den Ansprüchen des modernen Krieges gewachsen und mit ihnen wachsend ist, wie Zeppelin es stets behauptet hatte, nur das starre System. In immer rascherer Folge verlassen immer größere und leistungsfähigere Luftschiffe die schon vorhandenen und die neuangelegten Werften; die Fertigstellung eines Kriegsluftschiffes benötigt schließlich nur noch soviel Wochen, wie zwischen der des ersten und des zweiten Zeppelin-Luftschiffes Jahre lagen; im dritten Kriegsjahr überschreiten ihre Baunummern schon die Zahl 100. In förderlichem Wettstreit der Technik lernen die Systeme Zeppelin und Schütte-Lanz voneinander. Der Gasinhalt der Zeppelin-Schiffe steigt von 25 000 Kubikmeter auf zuletzt 56 000, ihre Nutztragkraft von 12 000 Kilogramm auf 40 000, ihre Motorenstärke von 630 Pferdestärken auf 1440, ihre Stundengeschwindigkeit von 70 Kilometer auf 109, ihre Steigfähigkeit von 2000 Meter auf 6000. Ihr Aktionsradius vergrößert sich in gleichem Grade; das Armeeluftschiff LZ120 bleibt über hundert Stunden in [270] der Luft, das Marineluftschiff L59 legt bei einem Entsatzversuch für die deutschen Ostafrikaner mit fünfzehn Tonnen Kriegsbedarf an Bord 6700 Kilometer zurück.

Die Starrluftschiffe sind auf ihrem Rücken mit Maschinengewehr bestückt; zu der vorgesehenen Unterscheidung in schnellere Aufklärer und tragfähigere Bombenwerfer kommt es nicht, die Verwendungsart wird von Fall zu Fall durch die Erfordernisse der Kriegführung bestimmt: die fliegenden Schiffe klären über Frankreich und Rußland auf, über Nordsee und Ostsee, Adria und Schwarzen Meer; sie bombardieren die französische Front und die englische Küste, greifen Paris und London an. Weltstädte erzittern unter dem brausenden Schlachtruf der Motoren und suchen sich im Dunkel zu verbergen; die kühnsten Romanutopien werden durch die Wirklichkeit überholt – und zugleich widerlegt.

Kurz nach der Kriegserklärung wird Lüttich mit Bomben belegt; Angriffe auf Antwerpen, Ostende, Calais, Nancy und Warschau schließen sich an. In dem blutigen Ringen um Verdun werden sieben Armeeluftschiffe eingesetzt. In der Nacht zum 21. März 1915 greifen zum erstenmal Luftschiffe Paris an. Im April werden englische Häfen bombardiert, im Mai die Docks von London, gegen das in der Folge Heeres- und Marineluftschiffe einzeln und geschwaderweise immer wieder verstoßen. Auf dem Balkan versieht ein Luftschiff Kurierdienst, andere greifen Saloniki, Bukarest und weitere Städte in Rumänien an. Im ganzen haben die fünfzig in Dienst gestellten Heeresluftschiffe während des Weltkrieges in einhundertundelf Angriffen 164 203 Kilogramm Munition abgeworfen, davon auf Rußland 60 322, auf Belgien und Frankreich 44 686, auf England 36 589 Kilogramm.

Die Marine muß nach Kriegsbeginn die Fertigstellung rascherer Luftschiffe von größerem Aktionsradius abwarten, ehe sie Mitte Dezember 1914 ebenfalls in den Luftkampf eingreifen kann. Im Januar 1915 werden zum erstenmal Batterien an der englischen Südostküste bombardiert. In der Skagerrakschlacht vom 31. Mai und 1. Juni kommen die eingesetzten zehn Zeppeline nicht zur Geltung, weil das Wetter unsichtig ist. L59, das Afrikaschiff, greift Neapel an und wird nach einem Angriff auf Malta vermißt. Der Heldentod des Kommandanten der Marineluftschiffe, des Fregattenkapitäns Straßer, beim letzten Vorstoß gegen England am 5. August 1918 schließt ihre Chronik ehrenvoll ab.

Wenn das Leben des Grafen Ferdinand von Zeppelin tragischen Einschlag hat, so liegt diese Tragik nicht in dem jahrzehntelangen wechselvollen Ringen gegen technische und natürliche Widerstände, sondern in dem erreichten Ziel. Zeppelins Voraussicht, daß die Eroberung der Luft das Gesicht der Kriegführung verändern werde, hat sich bestätigt; seine Luftschiffe haben über Meer und Land aktiv eingegriffen (wobei die Bindung vieler Abwehrkräfte an das Hinterland und der moralische Eindruck auf die Bevölkerung höher zu veranschlagen ist als die Zerstörung militärischer Sachwerte, die für das Gesamtbild des Weltkrieges nicht so erheblich ist). Aber diese Aktivität war nicht nur von vornherein durch die Wetterverhältnisse sehr beschränkt – sie rief auch eine rasch wachsende Gegenwirkung [271] hervor, bis das Mißverhältnis zwischen Aufwand und Erreichtem, die kaum noch ersetzbaren Verluste an Schiff und Mannschaft die Luftflotte als Heereswaffe ausschalteten und ihr nur noch in der Aufklärung über See Verwendung ließen. Der Rückstand des deutschen Flugwesens zu Beginn des Krieges war inzwischen wohl nicht zahlenmäßig, so doch wertmäßig ausgeglichen worden, so daß auch auf deutscher Seite die Flieger alle übrigen Aufgaben der Aufklärung, des Bombenangriffs und des Luftkampfes übernahmen.

Als im Juni 1917 die Luftschiffe aus dem Heeresdienst gezogen werden, hatten sich die gütigen blauen Augen des alten Grafen schon für immer geschlossen. Rastlos unterwegs, ist er nach ganz kurzer Krankheit am 8. März in Berlin gestorben. Sein letztes, neunundsiebzigstes Lebensjahr war ein einziges Aufbäumen gegen die drohende Enttäuschung. In Reden und Briefen an den Reichskanzler verwirft Graf Zeppelin als neuernanntes Mitglied der Ersten Württembergischen Kammer mit dem ihm eigenen Freimut eine Politik der Halbheiten und fordert zur Niederzwingung Englands neben dem unbeschränkten Unterseebootkrieg den rücksichtslosen Einsatz der Luftflotte. "Der schärfste Krieg ist der mildeste Krieg!" ruft er dem zaudernden Kanzler zu, der an Unterhandeln und Frieden denkt und den unbequemen Mahner deshalb mundtot macht. Der greise General muß sich durch Unterschrift verpflichten, sich jeder politischen Äußerung zu enthalten, die nicht der Kanzler zuvor genehmigt hat. Er gehorcht als Soldat und Patriot, aber seitdem ist es aus mit seinem herrlichen Optimismus; in düsterer Vorahnung spricht er von der "entsetzlichen Enttäuschung, die das deutsche Volk nicht in Demut als ein unabwendbar gewesenes Geschick hinnehmen werde".


Ferdinand Graf von Zeppelin.
Ferdinand Graf von Zeppelin.
Gemälde von Arnold Busch, 1915.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 444.]
Graf Zeppelin – um es zu wiederholen – war nicht monoman besessen von der fixen Idee, daß das Luftreich nur für sein Luftschiff geschaffen sei. Wie er aus der eigenen bitteren Erfahrung heraus für Erfinder aller Art ein mitfühlendes Herz und eine offene Tasche hatte und aus der Zeppelin-Spende vornehm auch das nichtstarre System unterstützte, so wandte er sein Augenmerk schon frühzeitig dem Flugzeug zu. Zu Beginn des Jahrhunderts, zwischen dem Bau des ersten und des zweiten Luftschiffs, richtet er in Friedrichshafen dem Ulmer Wilhelm Rueb eine Werkstatt ein; dort macht der fliegende Schuster auf des Grafen Kosten seine Schraubenflugversuche. 1914 hat Zeppelin die Manzeller Anlage an seinen früheren Mitarbeiter Kober vergeben, der in Anlehnung an den Typ des Amerikaners Curtis Zweidecker baut. Aber Zeppelin sieht auch hier weiter als alle: er erkennt die gewaltigen Möglichkeiten des Großflugzeugs als Angriffswaffe und über See. Auf seine Anregung und von ihm finanziert, baut die Gothaer Waggonfabrik die ersten großen Bombenwerfer, Doppeldecker von 42 Meter Spannweite; nach seiner Absicht sollen sie die Abwehrsperre durchbrechen und London bombardieren. Ferner beauftragt er den Statiker seiner Versuchsabteilung Claudius Dornier mit dem [272] Bau von metallenen Flugbooten – auch hier das technische Genie aufspürend, das dem Luftschiff das Flugschiff der Zukunft beigesellen sollte.

Gott, dem Ferdinand von Zeppelin kindlich vertraut, hat es gut gemeint mit ihm, als er ihn noch vor dem Kriegsende abberief. So hat der alte Soldat die Auflösung der Armee, der glühende Patriot den Zusammenbruch des Vaterlandes, der Eroberer der Luft die Vernichtung seiner Luftschiffe nicht mehr erlebt. Aber es wäre ganz in seinem Sinn gewesen, daß die deutschen Luftschiffe so wenig wie die deutsche Flotte dem Feinde ausgeliefert werden; die eigene Besatzung hat sie zerstört.

Eine Idee, die an sich wertvoll ist, verliert nicht dadurch, daß der Erfinder sich ihre Anwendung anders dachte, als es die Praxis dann ergibt. Überdies bedeutet in der Geschichte des Luftschiffs das Kriegskapitel keinen Umweg, sondern Abkürzung. Denn nur in der harten Schule des Krieges konnte das Fahrzeug Zeppelins die großartige Entwicklung nehmen, die es zu dem gemacht hat, was es heute ist. Das Friedensdiktat vollends hat das Luftschiff, indem es seine Ausschaltung aus dem Kriegsdienst besiegelte, der eigentlichen Aufgabe wieder zugeführt: Entfernungen zu überbrücken, dem Weltverkehr zu dienen, Mittler zu sein zwischen den Völkern. Die beiden, Deutschland nachträglich abverlangten Verkehrsluftschiffe von 20 000 Kubikmeter haben den Siegermächten Frankreich und Italien Unglück gebracht, der Ersatzbau für die Vereinigten Staaten aber, LZ126, hat deutsche Ehre über den Atlantik getragen.

Das erste Verkehrsluftschiff, dessen Bau Deutschland für sich selbst freigegeben wurde, LZ127, hat dann durch Reisen nach Alexandrien und New York, auf Weltfahrt und Polarfahrt und in jahrelangem Transatlantikverkehr mit Brasilien die Voraussagen des Erfinders eingelöst, dessen Namen es ruhmvoll führt. Daraufhin ist die Deutsche Zeppelin-Reederei gegründet worden, die mit Luftschiffen von 200 000 Kubikmeter die neue Ära des Weltverkehrs beginnt.

In den Tagen überschwenglicher Begeisterung, die dem Brand von Echterdingen folgten, hat der Kaiser den Grafen Zeppelin den "größten Deutschen des Jahrhunderts" genannt. Wir sehen diese Größe anders, als es das eben erst begonnene Jahrhundert tat: In dem Schicksal Zeppelins spiegelt sich das deutsche Schicksal. Sein Luftschiff, erdacht als Waffe der nationalen Verteidigung, erliegt wie Deutschland und mit ihm dem Masseneinsatz der feindlichen Welt. Aber die Lebenskraft eines großen, starken, tüchtigen Volkes läßt sich nicht erwürgen; aus trostloser Lähmung und tiefster Erniedrigung schwingt es sich wieder auf zu dem Platz unter den Nationen dieser Erde, der ihm gebührt. Und wenn es heute deutsche Luftschiffe sind, die als einzige regelmäßig und zuverlässig Ozeane und Erdteile überqueren, so siegt mit der besseren Konstruktion und besseren Mannschaft der Geist des Grafen Zeppelin, der mehr als ein Erfinder – der ein großer deutscher Charakter war.




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Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz