Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die
Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg
Abschnitt: Der
Luftkrieg (Forts.)
Major Hans Arndt
[566] 5. Bis zur Gründung der
Luftstreitkräfte.
Flieger.
Schon vor dem Kriege hielt man eine Spezialisierung der Aufgaben und
Flugzeugtypen für notwendig. Vier Hauptgebiete lagen fest, für die je
eine besondere Flugzeugart erwünscht schien: Aufklärung,
Artillerieschußbeobachtung, Bombenwurf, Luftkampf. Man war jedoch mit
einer Art Einheitstyp (freilich verschiedenster Bauweise) ins Feld gerückt,
da die Frage einzelner Flugzeuggattungen nicht gelöst worden war. Im
Bewegungskrieg trat dieser Mangel nicht so stark in Erscheinung. Der
Stellungskampf dagegen machte die alten Forderungen bald zwingend geltend.
Der Feind gab den Takt an.
|
Der Kampf in der Luft war kein zufälliges Zusammentreffen mehr, er
wurde gesucht. Vom Gegner im Vollgefühl der Überlegenheit seiner
Bewaffnung. Die Durchführung der Erkundung wurde abhängig vom
Ausgang dieser planmäßigen Luftkämpfe. In dieser Erkenntnis
suchte der Feldflugchef nach dem Mittel, diesen Kampf erfolgreich
auskämpfen zu lassen. Der Konstrukteur Fokker fand in seinem einsitzigen
Eindecker mit starr (durch den Propellerkreis zwangsläufig
schießenden) eingebautem Maschinengewehr die Lösung.
Die Notwendigkeit der Zusammenfassung dieser Mitte 1915 zur Front
gelangenden Kampfeinsitzer hatte man noch nicht erkannt. Bei der geringen
Zahl7 konnte man sie nur an besonders
wichtigen Kampffronten einsetzen unter Angliederung an
Flieger-Abteilungen. Aber schon die Kämpfe um Verdun forderten Februar
1916 schärfste Zusammenfassung. Der dortige Stabsoffizier bildete
"Kampfeinsitzerkommandos Nord und Süd" auf den äußeren
Flügeln der 5. Armee. Sie sind die Vorläufer der späteren
Jagdstaffeln, die erst während der
Somme-Kämpfe im Herbst desselben Jahres geformt wurden.
Gleichzeitig trat man an die Lösung des Bombenkrieges heran. Aber weder
die Industrie, noch die heimatlichen Ersatzformationen konnten beiden Aufgaben
gleichzeitig gerecht werden. Trotzdem ging man an den Ausbau der
"Kampfgeschwader"8 heran, obwohl überdies die
Vorbedingung für ihre Verwendung an fliegerisch überlegener
Feindfront - Durchführung des Luftkampfes - noch nicht
geschaffen war; denn ein erfolgreicher Einsatz der schwerfälligen
Bombenschlepper bei hellem Tag war nur möglich, wenn man den Feind in
der Luft niederhielt.
Die Notwendigkeit wurde erkannt, der Plan aber nicht klar durchgeführt.
Die Folge war eine frühzeitige Auflösung des größeren
Teils der Kampfgeschwader in
Kampf- oder später Schutzstaffeln, die erst später neue, kaum
geahnte Aufgaben [567] erhielten und in neuer
Benennung zum zweiten Träger des Luftkrieges werden sollten.
Die schwachen Versuche des Artillerie-Einschießens mit
Fliegerbeobachtung hatten frühzeitig auf eine Loslösung dieser
Aufgabe von denen der allgemeinen Erkundung hingewiesen. Im
Übergangsweg schritt man zur Aufstellung besonderer
Artillerie-Flieger-Abteilungen. Anfänglich nur vier Flugzeuge stark,
forderten die immer wichtiger werdenden artilleristischen Aufgaben des
Stellungskrieges ihre Verstärkung auf sechs Flugzeuge und ihre weitere
Vermehrung. Viel Widerstände, Reibungen und Abneigungen waren zu
überwinden. Ganz ist es bis Kriegsende nicht gelungen. Aber gute
Anfänge stärkten den Glauben und damit die Tatkraft.
Typenmäßig blieben die Artillerieflieger mit den gleichen
Flugzeugen ausgerüstet, wie die Fliegerabteilungen. Diese
beschränkten sich nun auf reine Erkundung in taktischem und
strategischem Rahmen, wenngleich sie bei dem nur langsamen Ausbau der
Artilleriefliegerabteilungen auch deren Aufgaben stellenweise übernehmen
mußten.
Mit der Konstruktion eines brauchbaren Maschinengewehres, mit Verlegung des
Beobachtersitzes hinter den Führer, mit Vervollkommnung der
verschiedenen Typen war auch ein dem Feinde ebenbürtiges
Beobachtungs-(C-)Flugzeug geschaffen. Weil es kampffähig war, wurde es
wohl fälschlicherweise "Kampfflugzeug" genannt. Der Name mag bei den
Kommandobehörden Veranlassung zu seinem oft unsachlichen Einsatz
gegeben haben.
Die dauernde Zuteilung an eine Armee hatte die Verbände
bodenständig gemacht. Noch entschloß man sich ungern, an
besonders wichtigen Kampffronten die wenigen Kräfte zu vereinigen,
ruhigere unter Umständen rücksichtslos zu entblößen.
Für die Erkundung selbst und für die Entwicklung des
Lichtbildwesens ist das zweifellos günstig gewesen. Ihre
Anpassungsfähigkeit an schnelle Wechselfälle des Krieges hat es
für Zeiten beeinträchtigt. In den mit großem Geschick
eingerichteten Bildabteilungen entwickelten sich rasch neue Ideen und brauchbare
Vorschläge. Der zunehmende Luftkampf und die Erdabwehr forderten mit
schnell zunehmenden Flughöhen (schon 1916 bis 4000 m) eine stete
Steigerung der Brennweiten der Kammern und führte zu
größeren Plattengrößen. Aus dem einfachen Bild
entwickelte sich das "Reihenbild" (eine Folge angrenzender Bilder) und mit
diesem der Wunsch nach einem Gerät, das müheloser ein über
viele Kilometer reichendes Bild aufnehmen
konnte - nach einem Kinematographen - einem
"Reihenbildgerät". - Von der Firma Mester wurde es bald
frontbrauchbar geliefert, während Görz, Zeiß und Ernemann in
der Vervollkommnung der Linsen und der Bildgeräte verschiedenster
Größe Bewunderungswürdiges leisteten. Von der kleinen
25-cm-Kammer war man 1916 schon auf 70 cm gestiegen. Und um die
Minenwerfer- oder Maschinengewehrstände in den Kampfgräben zu
erkennen, ging man zur Anfertigung stereoskopischer Bildaufnahmen
über.
[568] Als der Feldflugchef
sein Amt übernommen hatte, zählte die deutsche Fliegertruppe:
72 |
Feldfliegerabteilungen, |
2 |
Festungsfliegerabteilungen (5 waren bereits in Feldfliegerabteilungen
umgewandelt), |
1 |
Fliegerkorps der Obersten Heeresleitung (Vorläufer der
Kampfgeschwader), |
16 |
Armeeflugparks. |
Gewiß eine beträchtliche Kräftigung seit der Mobilmachung.
Aber unzulänglich gegenüber der ursprünglichen Absicht:
Zuteilung einer Fliegerabteilung an jede Armee, jedes Korps und jede
Division.
Auf Grund seiner Ansichten über Gliederung der Aufgaben und damit der
Flugzeuge forderte das Bauprogramm des Feldflugchefs bis April 1916:
17 |
Stabsoffiziere der Flieger, |
81 |
Feldfliegerabteilungen, |
27 |
Artilleriefliegerabteilungen, |
5 |
Kampf-(Bomben-)Geschwader zu 6 Staffeln mit je 6 Flugzeugen, |
6 |
einzelne Kampf-(Bombenstaffeln), |
90 |
Kampfeinsitzer (einzelnen Fliegerabteilungen angegliedert), |
2 |
Riesenflugzeug-Abteilungen (versuchsweise im Osten verwandt), |
17 |
Armeeflugparks |
und Sonderformationen für die Türkei, Bulgarien sowie zwei
Versuchs- und Übungsparks (Tergnier im Westen, Warschau im
Osten).
Der gleichzeitig nötige Ausbau der heimatlichen Organisation sah eine
Vermehrung der Ersatz-Abteilungen von 7 auf 13, der Fliegerschulen von 11 auf
27 vor. Ebenso bedingte die Vervielfältigung der Aufgaben eine
gründliche Ausbildung der Beobachter in den Spezialzweigen. Dieser
Erziehung sollte durch fünf Beobachterschulen Rechnung getragen werden.
Trotz anfänglicher Mängel (Lehrer, Schüler, Lehrplan,
Lehrgerät) konnten doch die ersten empfindlichen Lücken schon um
die Jahreswende 1915/16 geschlossen werden.
Zur Bewältigung der Riesenaufgabe in der Heimat, wo zugleich die
Industrie planmäßig für diese Zwecke zu organisieren war,
fand sich eine Kraft ersten Ranges in dem Major Siegert, dessen
außergewöhnlicher Begabung in erster Linie die Fliegertruppe ihre
ungeahnte Entwicklung dankt.
Mit den ersten kampfkräftigen Beobachtungsflugzeugen
Frühsommer 1915 erstarkte die Fliegertruppe bald. Das verloren gegangene
Vertrauen der Führung und Truppe kehrte wieder. Flieger der 1., 6, und 7.
Armee erkannten den Joffreschen Durchbruchsversuch bei Lille und Arras
frühzeitig. Die "Wabengräben" der Lichtbilderkundung gaben
untrügliche Beweise. Als dann die um Immelmann ihre ersten Luftsiege
erfochten, blieb die Erkundungstätigkeit der Arbeitsflugzeuge fast
ungestört, und die Ereignisse der 2. Augusthälfte bei Lens,
beiderseits des la Bassé-Kanals, bei Arras, Auberive und Massiges
wurden der [569] 3., 6. und 5. Armee
rechtzeitig gemeldet. Mitte September bestand auch kein Zweifel mehr, daß
der entscheidende Stoß des Gegners von Le Mesnil auf Tahure
geführt werden würde. Daß sich diese
Auffassung - im wesentlichen auf Erkundungsergebnisse der
Fl. A. 57 gestützt - beim A. O. K. 3
nicht durchsetzte, ist nicht Schuld der Fliegertruppe.
Noch waren die Kräfte schwach. Erfolgreiche Arbeit der Heimat, vom
Siegertschen Geiste befruchtet, der straffe organisatorische Wille eines Thomsen
an der Front brachten die junge Waffe auf eine Höhe, die den Feind in all
seinen bisherigen Vorsprüngen jetzt weit überragte.
Die Kämpfe um Verdun gaben erstmalig ein Bild einheitlicher taktischer
Verwendung und planmäßigen Aufmarsches der
Fliegerverbände. Für die Angriffsvorbereitungen hatten die bisher
dort eingesetzten vier Fliegerabteilungen die Grundlage längst geschaffen.
Die scharfen Linsen der Kammern zeichneten im blätterlosen Winterwald
der Côtes Lorraines Stellungen, Deckungen, Wege, Truppen und
Munitionslager sorgsam auf. Im Hintergelände waren die Bahnhöfe
und Flughäfen erkundet. Als die Angriffsvorbereitungen begannen, galt es
nur noch, die Truppe mit den erforderlichen
Flieger-Verbänden auszurüsten und die bisherigen Erkundungen zu
überprüfen.
Das Oberkommando sollte über eine besondere Abteilung, über die
zusammengefaßten Kampfeinsitzer und alle Kampfgeschwader, die
Generalkommandos über je eine
Flieger- und Artillerie-Abteilung und jede Kampfdivision über eine eigene
Fliegerabteilung verfügen. - Die zu Gruppen
zusammengefaßten und auf den Flügeln eingesetzten Einsitzer hatten
durch Angriff auf feindliche Flieger den Einblick in das eigene
Hintergelände zu verwehren und die eigenen Operationen zu verschleiern.
In Verkennung ihrer eigentlichen Aufgaben wurden hierzu auch die
Kampfgeschwader zum "Sperre"-Fliegen eingesetzt.
Der am 21. Februar beginnende Kampf prägte sich als
Artillerie- und Materialschlacht aus, in der besonders die Artillerieflieger zur
vollen Geltung kamen. Die Jagdkräfte litten unter dem ungünstigen
Wetter. Den Luftkampf in niederen Höhen kannte man noch nicht.
Überdies vermieden die Franzosen nach Möglichkeit jeden
Zusammenstoß. Auch die Kampfgeschwader kamen nur selten zum Einsatz.
Ihre Angriffe gegen die Straßen und Bahnen im Hintergelände waren
erfolgreich. Aber schon lösten sie die Luftschiffe an der Westfront ab, als
feindliche Gegenwirkung ihren Einsatz an solchen Brennpunkten des Kampfes
unmöglich machte. Nach kurzem großen Anfangserfolg lief sich der
deutsche Angriff fest. Der Kampf im Trichterfeld zeitigte neue Formen und
Aufgaben auch für die Fliegertruppe. Vor allem versagten die alten
Meldemittel gänzlich. Neue, die man in diesen Kämpfen wohl zum
ersten Male benutzte, wie Meldehund und Brieftaube, wiesen Mängel auf.
Etwas Besonderes mußte an ihre Stelle treten.
Man griff zum Flieger. Noch war man sich über Auftrag und Lösung
auf [570] beiden Seiten nicht
klar. Und unbewußt kamen die ersten Befehle: Tief heruntergehen, die Lage
feststellen, zurückfliegen und melden. Stellungen gab es nicht mehr,
Waldstücke, Dorfteile und ganze Dörfer waren vom Erdboden
verschwunden, selbst Fort Douaumont nur an Umrissen schwer erkenntlich. Aus
Höhen von etwa 600 m, die noch einen Überblick über
das wüste Schlachtfeld gewährten, erkannte man Einzelheiten nicht
mehr. Die Truppe hob sich, nachdem sie tagelang in Lehm und Schmutz gelegen
hatte, nicht mehr vom Trichterfelde ab. Nur aus geringsten Höhen waren
einzelne Leute zu erkennen. Solche Teilbeobachtungen konnten nichts
nützen. Ein System mußte
erstehen. - So entwickelte sich der Infanterieflieger. Engstes
Zusammenarbeiten zwischen ihm und der Truppe war notwendig. Ohne ihr
Zutun - Zeichengebung irgendeiner
Art - mußte aber des Fliegers mühsame Arbeit nutzlos bleiben.
Dieses Eingespieltsein mit der Truppe fehlte. Wohl waren die Flieger, in dem
heißen Drange, ihrer Schwesterwaffe zu helfen, bei der sie vielleicht noch
vor wenigen Wochen selbst gekämpft hatten, an die Truppen in den
Ruhequartieren herangetreten und hatten mit ihnen Auftrag und Lösung
vereinbart. Aber zu greifbaren Ergebnissen kam es nicht, da eben die
Übung bei der Truppe fehlte. So kamen Meldungen über den Verlauf
der erreichten Linie erst nach vielen Stunden zur Führung oder zur
Artillerie. Die Erstürmung von Douaumont selbst ist das treffendste
Beispiel.
Waren die Flieger in der Schlacht von Verdun auch keine schlachtentscheidende
Waffe, so hatten sie doch durch restlose Erfüllung aller
Aufklärungsarbeiten der Führung und Truppe unersetzliche Dienste
geleistet. Zahlenmäßig waren sie noch zu schwach, um in Massen
unmittelbar in der Schlacht verwendet zu werden. Immerhin betrug die Zahl der in
der Luft eingesetzten Maschinengewehre an den Hauptkampftagen die
Hälfte der auf der Erde verwendeten. Aus der Aufklärungstruppe
hatte sich über Nacht eine im eigenen Raum, unabhängig von der
Erdtruppe und doch in unmittelbarem Zusammenhang mit ihr kämpfende,
selbständige Luftstreitmacht entwickelt.
Dem Höhepunkt fliegerischer Tatkraft folgte beim Beginn der
Sommeschlacht ein jäher Rückschlag, der selbst die Volksboten
daheim im Reichstage zu schwerer, freilich nur bedingt gerechter, Klage rief.
Zweifellos gingen im Sommer 1916 die Leistungen der Flieger bedenklich
zurück. Die zahlenmäßige und materielle Unterlegenheit, von
unvermeidlich harten Verlusten gefolgt, wirkte sich rein psychisch zu einem
schweren Gefühl der Schwäche aus. Teilweise
Verständnislosigkeit im Einsatz durch die Kommandostellen, die sich dem
Rat der Stabsoffiziere der Flieger mehrfach verschlossen, tat ein weiteres.
Während die Truppe über
M. G.-Angriffe tief fliegender feindlicher Flieger klagte, bezeichnete das
Armeeoberkommando 1 dies als eine Nebenaufgabe der eigenen. Man
ereiferte sich über die zunehmenden Bombenwürfe des Feindes,
deren man sich nicht erwehren konnte, und das Gardekorps erließ ein
striktes Verbot eigener Bombenangriffe in einer [571] Lage, wo Material und
Truppenanhäufung auf der Gegenseite gerade zu solchen herausforderte!
Man hätte durch rücksichtslosen Einsatz der Kampfgeschwader mit
Sicherheit eine Lähmung des feindlichen Angriffs erzielen, zum mindesten
den offensiven Einsatz der feindlichen Flieger stören können. Statt
dessen verzettelte man ihre Kraft in nutzlosem Sperrefliegen tags und nachts,
ohne doch die feindlichen Bombenflieger ernstlich zu hindern. Selbst die
Artillerieschußbeobachtung fiel zu Beginn der Schlacht aus, weil
Kommandobehörde und Artillerie sich ablehnend verhielten. Es kam so
weit, daß sich der Stabsoffizier der Flieger zur Entlastung gegen
spätere ungerechte Vorwürfe Tag und Stunde und Verband solcher
Ablehnung schriftlich bescheinigen ließ. Erst die Oberste Heeresleitung
schaffte später Wandel.
Die noch geringe Zahl an Kampfeinsitzern veranlaßte die
Kommandostellen, zum Schutze der Fesselballone auch Erkundungsflugzeuge zu
verwenden; der Doppelsitzer war damals aber noch nicht zum Angriff geschaffen.
Ein Beobachtungsmittel wurde also durch ein zweites gedeckt!
Zudem fiel die Überlegenheit des Gegners mit einer noch
ungeklärten Tiefenkurve der deutschen Flugzeuglieferung zusammen. Die
1. Armee schätzte das Stärkeverhältnis in der Luft auf
10 : 1. Vielleicht ist das zu hoch gegriffen. Gering bemessen
verfügte aber der Feind mindestens über 350 Flugzeuge, denen die
Deutschen zu Beginn der Schlacht nur 114 gegenüberstellen konnten. Auch
dieser "Sollbestand" der Verbände wurde nie erreicht. Die
Überlegenheit mit 4 : 1 ist daher nicht zu hoch angegeben!
Dazu hatte der unsachliche Einsatz naturgemäß einen schnellen
Kräfteverbrauch zur Folge.
Während der Fokkereindecker noch zu Beginn des Sommers dem Feinde
überlegen war, hatte dieser jetzt als neue
Jagd- oder Kampfflugzeuge einsitzige Doppeldecker
(Nieuport - Vickers - Sopwiths) herausgebracht, die den
deutschen Jagdflugzeugen flugtechnisch erheblich überlegen waren. Dazu
kam ein Rückschlag in der für den Kampfeinsitzer notwendigen
Umlaufmotorenlieferung. Während der Monatsdurchschnitt des Jahres
1916 bisher 75 betrug, wurden im August nur 43 geliefert! Auch Ausstattung der
einzelnen Verbände mit gleichen Bauarten war ausgeschlossen, somit die
Flugbereitschaft beschränkt. Hatte doch z. B. die Fl. A. 23 bei
einem Etat von 6 Maschinen 5 verschiedene Typen
aufzuweisen. - Es ist verständlich, wenn sich die gereizte Stimmung
der Truppe in harten Ausdrücken Luft machte. Und die Worte: "Gott strafe
England, unsere Artillerie und unsere Flieger" waren an manchem Unterstande zu
lesen. Natürlich führte solche Stimmung zu Übertreibungen,
die in Meldungen vielfach Ausdruck fand. In dieser Krise Truppe und
Führung über Wesen und Wirkung der Flieger aufzuklären,
mußte fruchtlos bleiben. Der Hauptvorwurf der Volksvertreter: "Der
Flugdienst soll schon vor Beginn der Offensive versagt und über die
Vorgänge hinter der feindlichen Front keine Nachricht gebracht haben", ist
aber völlig haltlos.
[572] Bereits im März
wurden französische Truppenverschiebungen von Arras
südwärts gemeldet. Südlich der Somme entstanden neue
große Lager, und der Feind versuchte durch starken Einsatz eigener Flieger
den Einblick in diese Gegend zu wehren. Im April legte unter andern die
bayrische Fl. A. 1 ein Übungswerk bei Corbières im
Lichtbild fest, das dem eigenen Frontabschnitt von Fricourt in allen Einzelheiten
entsprach. Im Mai wurden neben neuen Bahnanlagen bei Vequemont starke
Vermehrung der englischen Lager nördlich und der französischen
südlich der Somme gemeldet. Die Fl. A. 23, 32 und 59
bestätigten diese Nachrichten. Über Raum und Richtung der
kommenden Angriffe konnte schon damals kein Zweifel gewesen sein. Als aber
Mitte Juni der Führer der genannten bayrischen Abteilung dem XIV.
Reservekorps meldete, daß im Zusammenhang mit neuen
Angriffsgräben am Hammerwald und dortiger auffallend starker feindlicher
Fliegertätigkeit mit einem Angriff aus dieser Richtung zu rechnen sei,
wurde ihm bedeutet, daß nur weiter nördlich und bei Sette und
Hebuterne ein Stoß des Feindes einsetzen könne. Seine Bitte um
tägliche Überlassung des Lagenberichtes wurde abgelehnt! Noch am
20. Juni wurden die Ergebnisse der letzten Tage kartenmäßig
vorgelegt, die in der Vermehrung der Batteriestellungen, der
Annäherungs-, Versammlungs- und Kabelgräben am Hammerwalde,
dem Ausbau des Förderbahnnetzes im Hintergelände und in den
Wabengräben bei Maricourt ein unzweideutiges Wort sprachen.
Und am 22. abends meldete Hauptmann Rutz, der Führer dieser Abteilung:
"Gegner greift - wenn er angreift - mit Gegend Maricourt als
rechtem Flügelstützpunkt, nicht nur in der Gegend
Gommécourt an. Er wird sich den ihm taktisch günstigen Winkel
Fricourt nicht entgehen lassen." - Gommécourt war nach
Meldungen der Fl. A. 52 der Ort, gegen den die feindlichen
Angriffsarbeiten am weitesten fortgeschritten waren. Auch südlich der
Somme bis zur Römerstraße hatte die Abteilung 27 schnelles
Fortschreiten der Angriffsarbeiten gemeldet und die Vorbereitungen von Rouvroy
bis zur Oise auf Grund ausgewerteter Lichtbilder nur als Demonstrationen
angesprochen. - So lag kaum ein Versagen der Aufklärung durch die
Fliegertruppe vor, als am 1. Juli die große Schlacht begann.
Nun wurde schleunigst fliegerisch an Verstärkung herangekarrt, wessen
man habhaft werden konnte. Aber die Erfahrungen von Verdun waren nicht
verwertet. Noch brauchten Flieger-Verbände Flughäfen und ein gutes
Fernsprechnetz zu sachlichem Einsatz; vorbereitet war von alledem nichts. Und
an Stelle der im Großkampf erprobten Verbände aus der
Woëvre, wo längst der Kampf hätte eingestellt werden
können, kamen unerfahrene, zum Teil aus dem Osten. Erst als alle
Fliegerformationen der einzelnen
Gruppenkommandos - zum Teil sechs bis acht
Abteilungen - in einer sogenannten "Fliegerleitung" vereinigt, die
notwendigsten Fernsprechleitungen gelegt waren, zur Beobachtung der
feindlichen Flugtätigkeit, die erst Anhalt zum Einsatz der Jagdkräfte
bot, die [573]
Fliegerbeobachtungsstellen Nord und Süd geschaffen und mit den
Kampfeinsitzerkommandos verbunden waren, ein "Fliegernachrichtenoffizier" bei
den Generalkommandos und dem Armeeoberkommando die
Erkundungsergebnisse einheitlich auswertete und schließlich die Oberste
Heeresleitung besonderen Nachdruck auf den sachgemäßen Einsatz
der Verbände unter schärfster Betonung der Notwendigkeit der
Artillerieschußbeobachtung durch Flieger legte, besserten sich die
Verhältnisse.
Ein neuer Flugzeugtyp erwies sich im Fokkerdoppeldecker und
Halberstädter den feindlichen Kampfeinsitzern ebenbürtig, ja sogar
überlegen. Bald hoben sich auch Angriffsgeist, Zuversicht und
Flugfreudigkeit der Besatzungen, verstärkt durch die im Großkampf
erfahrenen Verbände. Ihr Hort wurde der mit seinen kampferprobten
Getreuen von Verdun heraneilende Boelcke.
Damit trat Ende August ein Umschwung ein, und das Armeeoberkommando 1
konnte an die Oberste Heeresleitung melden: "Von einzelnen Stellen der Front
wird gemeldet, daß unsere Fliegertätigkeit jetzt bessere Erfolge hat
und das Vertrauen der Infanterie zu unseren Fliegern allmählich
zurückkehrt!"
Auch die Heimat erstarkte. Die Zahl der gelieferten Umlaufmotoren stieg im
September sprunghaft auf 122, für die Beobachtungsflugzeuge wurden
200-PS-Motore geliefert und die grundsätzliche Ausrüstung dieser
Flugzeuge mit einem starren M. G. für den Flugzeugführer
durchgeführt. Hatte zu Beginn des Kampfes der Infanterieflieger noch
keinen nennenswerten Erfolg, so hob sich seine Bedeutung, als die
Verbände von Verdun ihre Erfahrungen einsetzen konnten. Und ein
Loßberg wußte mit festem Willen auch die Truppe zu den
notwendigen Übungen und Maßnahmen gerade auf diesem wichtigen
Zweige des Großkampfes zu erziehen. Mit Beginn des jetzt einsetzenden
Nachtbombenfluges - gefördert durch Männer wie
Brandenburg und Keller I - wurden auch die Kampfgeschwader ihrer
eigentlichen Aufgabe neu zugeführt.
Seit dem Vorjahr hatte sich in der jungen Waffe vieles überlebt. Neue
Formen zeichneten sich schon vor Verdun ab. Sie hatten sich, von der Front zwar
schnell erfaßt, aber unklar und unsicher gefordert, im Sommer nicht
entfalten können. Die Somme-Schlacht verlieh ihren Wünschen
Nachdruck und Kraft. Im Zwang der Ereignisse fand sich ein "System von
Aushilfen". Es galt, ihnen schnell festes Gefüge zu geben.
Luftschiffer.
Die zur Unterstützung der einzigen Feldluftschifferabteilung des Ostens aus
den Festungen herausgeholten Festungsluftschiffertrupps waren für einen
Bewegungskrieg nicht ausgerüstet. Grundlose Wege, schwere, ungelenke
Fahrzeuge und Schwierigkeiten im Gasnachschub stellten daher die
höchsten Anforderungen an die meist bunt zusammengewürfelten
Verbände. Zu rein artilleristischen Aufgaben traten bald taktische. Oft
bildeten die "Abendmeldungen" [574] der Luftschiffer die
Grundlagen für die Anordnungen der Führung. Denn aus Zahl und
Lage der nach Ballonmeldung von den Russen in Brand gesteckten Dörfern
konnte man schließen, wie weit der Feind nachts zurückgehen
würde.
Die Niederkämpfung gefährlicher Nachhutbatterien bot infolge des
ungenügenden Kartenmaterials große Schwierigkeiten, bis man sich
durch Einführung eines numerierten Quadratnetzes half. Allgemein
beobachtete man aus einer Entfernung von rund sieben bis neun Kilometer von
der feindlichen Geschützlinie. Näheres Herangehen verbot die
Ungewißheit des Verfolgungskampfes. Stärker traten die Ballone in
den Sommerkämpfen des Jahres 1915 der Armeegruppe Gallwitz hervor. Im
Kampf gegen befestigte Stellungen, gegen Fortsgürtel und Kernwerke lag
ihre Stärke. Die schnelle Niederkämpfung des Forts Dombe im
äußeren Fortsgürtel von Nowogeorgiewsk durch
30,5- und 42-cm-Geschütze, sowie der Werke 15, 15 a, 16b in den Tagen
vom 16. bis 20. August ist ein wesentliches Verdienst der Ballonbeobachtung.
Im Westen hatte sich inzwischen die Zahl der Abteilungen auf
40 - davon sechs bayrische - erhöht. Zunächst blieben hier die
Ballone ausschließlich Hilfsorgan der Artillerie. Mit Vervollkommnung der
Ausrüstung und des Bildgeräts, mit Wachsen der Steighöhen
wurden sie mehr und mehr unentbehrlich.
Ballon-, Rund- und Raumbilder dienten der Truppe zu Orientierungszwecken, der
Artillerie zum Eintragen neuer Ziele und der Führung zur
Geländebeurteilung.
Die Kämpfe um Verdun leiteten eine Neugliederung ein. Abgesehen von
einer weiteren Vermehrung um sechs Abteilungen, Erhöhung des Etats der
an Hauptkampffronten eingesetzten Ballone, Ergänzung vieler
pferdebespannter Gaskolonnen durch Kraftwagen war in der bisherigen
Organisation nichts geändert. Der Schaffung des "Stabsoffiziers der
Flieger" war keine ähnliche Zusammenfassung für die Luftschiffer
gefolgt. Schon die Angriffsvorbereitungen forderten aber eine Gliederung. Jedem
der drei Angriffsabschnitte wurden zwei Ballonabteilungen unterstellt. Sie fanden
eine Zusammenfassung in der "Ballonfernsprechzentrale" des Generals der
Fußartillerie beim Armeeoberkommando. Mit gleichzeitigem Ausbau eines
eigenen Fernsprechnetzes zwischen ihr, den Ballonen und Artilleriebefehlsstellen
wurde schneller Einsatz und Übermittlung der Erkundungsergebnisse
gewährleistet. Durch Zuteilung von Kommandos wurden die nicht
verstärkten Abteilungen in die Lage gebracht, mit zwei bis drei Ballonen
aufzusteigen. Die Winden wurden splittersicher eingebaut. Auf Kosten der
Beweglichkeit suchte man Schutz gegen starkes Artilleriefeuer.
Selbst nachts glaubte man auf Ballone nicht verzichten zu können;
hauptsächlich sollten sie als hohe Meßstellen zum Anschneiden
feindlichen Artillerie-Mündungsfeuers dienen. Um Gerät, Personal
und Gas zu schonen, wurden sogenannte "Sichtballonaufstiege" eingeführt,
da bei den im Maastal und in der Woëvre im Frühjahr schnell
wechselnden Sicht- und Beobachtungsverhältnissen oft Ballone vergeblich
hochgelassen worden waren. Von ihren Beobachtungen [575] wurde in Zukunft der
Balloneinsatz auf der ganzen Front abhängig gemacht. Wie unangenehm
dem Feinde diese erhöhte Ballontätigkeit war, geht aus den scharfen
Fliegerangriffen hervor, die bald nach Beginn der Schlacht gegen sie einsetzten.
Zum ersten Mal wurden von gegnerischer Seite besondere Brandraketen hierbei
verwendet.
Der Feind war an Ballonen zweifellos überlegen. Jede Division
verfügte über einen eigenen Ballon, ebenso jede Abteilung der
schweren Artillerie. Überdies war auf beiden Maasufern je ein sogenannter
"Heeresballon" eingesetzt. Die Denkschrift der 1. Armee über die
Somme-Schlacht betont besonders, daß noch am 22. Juni 1916 nur zwei
Abteilungen mit insgesamt 5 Ballonen gegen 25 bis 30 des Feindes gestanden
hätten. Unzulänglicher Schutz durch Flugabwehrgerät oder
Flieger, mangelhaftes Fernsprechnetz, das nicht einmal einen schnellen
Erkundungsaustausch benachbarter Ballone zuließ, schränkten ihre
Leistungsfähigkeit derart ein, daß die Artillerie mit verbundenen
Augen kämpfte.
Innerhalb zweier Kriegsjahre war also die Luftbeobachtung bis zur völligen
Unentbehrlichkeit gestiegen! Man ist geneigt, einen Vergleich mit den
fliegerischen Verhältnissen zu ziehen, um so mehr, als auch die
Erfahrungen der Luftschiffer vor Verdun nicht schnell genug verwertet wurden.
Die zentrale Zusammenfassung der einzelnen Ballone, die sich dort
schließlich in der Ballonfernsprechzentrale in Vitarville ausgezeichnet
bewährt hatte, erfolgte erst im Laufe der Kämpfe. Ende Juli 1916
wurde der erste "Stabsoffizier der Luftschiffer" bei der Heeresgruppe Gallwitz
aufgestellt. Vorschläge für Einsatz der Ballone, Auftragserteilung,
Personal- und Geräteversorgung, Anordnung für
Gefechtsbereitschaft, Sammeln und Sichten der Meldungen lagen jetzt in einer
Hand. Auch bei den Gruppen fand sich eine Zusammenfassung in den
"Gruppennachrichtenstellen". Vollste Einheitlichkeit des
Erkundungs- und Nachrichtendienstes war somit gesichert.
Das Versagen aller bisherigen Nachrichtenmittel hatte bei Verdun zur Schaffung
des Infanteriefliegers geführt, mangelnde Erfahrung dort und an der Somme
ihn aber noch nicht zu voller Geltung kommen lassen; jetzt suchte man beim
Ballon eine Hilfe. An langen Wimpeln kenntlich gemacht, erscheint hier der erste
"Infanterieballon", der mühsam mit Morsezeichen eines noch
unentwickelten Blinkgeräts oder mit primitivem Signalzylinder über
die Lage der vordersten Truppen Nachricht zu geben versucht. Auch die
nächtlichen Aufstiege von Verdun wiederholen sich und werden ausgebaut.
Wohl gelang es trotz großer Orientierungsschwierigkeiten, feindliche
Batterienester zu erkunden und anzuschneiden und Feuergrenzen des eigenen und
feindlichen Artilleriekampfes in groben Umrissen festzulegen; aber der Ausfall
der Nachtballone für den kommenden Tag zwang bei dem Mangel an
Ballonen und Beobachtern zur Einschränkung.
Im Zwang der Kampfverhältnisse fand auch der taktische Einsatz eine neue
Form. Im Eisenhagel des Trommelfeuers genügte der ortsfeste,
splittersichere [576] Einbau der Winden
nicht mehr. Dem schwersten Kaliber war der festeste Unterstand nicht mehr
gewachsen. Man mußte beweglich bleiben, um diesem Massenfeuer
ausweichen zu können und um Verluste einzuschränken. Das
bedingte eine Vermehrung an Mannschaften, die
man - wie bei Verdun - durch Kommandierungen aus der Front
stellte. Wechselte dann der Truppenkörper - oder wurde der Ballon
verlegt, so begann ein mühsames Neueinarbeiten dieser Hilfsmannschaft.
Denn in der erwähnten Etatserhöhung war man noch nicht
weitergegangen. Wie bei der Fliegertruppe drängten auch hier die
Ereignisse zu einer Neuorganisation.
Luftschiffahrten.
Die Fahrten des Jahres 1914 hatten gezeigt, daß die bisherigen
Steighöhen der Lenkluftschiffe nicht ausreichten. Die Opfer hatten aber
nicht abgeschreckt, und mit Hilfe der Technik hoffte man die bisherigen
Mängel zu überwinden. Am 21. März 1915 hörten die
Pariser zum ersten Male das tiefe metallische Surren der Luftschiffpropeller. Da
die "Stadt des Lichtes" schlecht abgeblendet war, fanden von den drei zum
Angriff angesetzten Schiffen "L Z 35"9 und
"Z 10" leicht ihren Weg, und auf den Place de la République und
das Fort St. Denis krachten gegen 400 kg Bomben hernieder. Stark
beschossen und von Kraftwagengeschützen verfolgt, erreichten beide die
Front, wo indessen "Z 10" so schwer beschädigt wurde, daß er
notlanden und abgebaut werden mußte. Das dritte Schiff,
"S L 11", war schon auf der Anfahrt so schwer getroffen, daß
es das Hauptziel aufgeben mußte. Trotzdem gelangte es nach erfolgreichem
Angriff auf Compiègne sicher nach Trier zurück. Wenige Wochen
später strandete der über Paris so erfolgreiche "L Z 35"
nach einem Angriff auf Cassel-Hazebrouk und Poperinghe, auf
Hin- und Rückfahrt stark beschädigt, im Walde von Waeltre.
Immer deutlicher zeigte sich, daß neue Typen erforderlich wurden. "L Z 38"
mit 32 000 cbm Inhalt war das erste Ergebnis. Es konnte sich bei
voller Kriegsbelastung in 3000 m Höhe halten. Seine erste Fahrt galt
England. Die feindliche Presse bewies durch ihre gekünstelte
Entrüstung über den "Völkerrechtsbruch", daß der
Angriff vom 31. Mai mit rund 1400 kg Bomben vollen Erfolg hatte. Das
wackere Schiff hatte nur kurze Lebensdauer. Schon im Juni wurde es in seiner
Brüsseler Halle durch Bombenwurf eines englischen Fliegers
zerstört. Der Septemberangriff des gleichen Jahres auf London sah schon
ein Geschwader von fünf neuen Schiffen vereinigt, die aus den Häfen
von Brüssel, Maubeuge und den neu entstandenen großen Anlagen
von Namur aufgestiegen waren. Im Oktober wurden erfolgreiche Angriffe auf die
Eisenbahnknotenpunkte Châlons sur Marne und
Château-Thierry ausgeführt, bei denen sich besonders
"L Z 77" auszeichnete. Die Bombenlast der einzelnen Schiffe betrug
jetzt schon über 2000 kg. - Das Jahr 1916 wurde mit einem
Angriff zweier [577] Schiffe ("77" und "79")
auf Paris eingeleitet, und bei den Kämpfen um Verdun sollte ein
Geschwader von fünf Schiffen mitwirken. Das ungünstige Wetter
ließ sie nicht zur Geltung kommen. Überdies war die Erdabwehr
schon so gestiegen, daß selbst das neue "L Z 95" trotz
4000 m Höhe am 21. Februar sein Ziel nicht erreichen konnte. Es
strandete bei Namur. Von fünf Schiffen kehrte nur "S L 7"
unversehrt heim.
Noch einmal sollte der Versuch, England ernsthaft anzugreifen, aufgenommen
werden. Ein außerordentlich fein organisierter Nachrichtendienst sowie eine
sofort einsetzende scharfe Gegenwehr von der Erde und durch Flugzeuge machte
jedoch zusehends die Angriffe schwieriger, der Einsatz stand in keinem
Verhältnis mehr zur Wirkung. Schon reichten auch die kurzen
Sommernächte nicht mehr zur Durchführung einer Fahrt in der
Dunkelheit aus - und mit beginnendem Tageslicht hätten die
großen Schiffe mühelos abgeschossen werden können. Von
Mai bis Juli mußten daher die Fahrten überhaupt eingestellt werden.
Die stete Zunahme der feindlichen Bombenangriffe auf die Luftschiffhäfen
im besetzten Gebiet zwang überdies zur Rückverlegung in die
Heimat. Damit verlängerten sich die Anmarschwege erheblich; man war
zur Abfahrt gezwungen, noch ehe alle Wetterkarten eingesehen werden konnten
und mußte manche Fahrt abbrechen.
Selbst im Osten waren die allgemeinen Bedingungen für die Fahrten
schwierig geworden. Von den Anfang 1915 dort vorhandenen drei Schiffen
"Sachsen", "Z XI", "L Z 39", die ihrer Konstruktion wegen
stark von Wind und Wetter abhängig waren und nur geringe
Steighöhen besaßen, gingen zwei durch Unglücksfälle
bald verloren. Als dann kräftigere Schiffe, "Z XIII",
"L Z 85" und "L Z 86" an ihre Stelle traten, konnten
wohl Erfolge gegen Bahnanlagen und einige Festungen erzielt werden. Aber auch
diese standen nicht mehr in rechtem Verhältnis zu dem hohen Aufwand an
personellem und technischem Einsatz.
Selbst die Februar- und Märzangriffe des Jahres 1916 von Jamboli aus, wo
inzwischen ein Luftschiffhafen errichtet worden war, gegen Salonik, die durch
Vernichtung der großen Pulvermagazine und Beschädigung der
Hafenanlagen besonderen Erfolg hatten, waren für längere Zeit nicht
durchführbar. Der Stellungskrieg hatte die Erdabwehr so gestärkt,
daß kaum ein Unterschied von dem Westen bemerkbar war. Nur
während der ersten Monate des Bewegungskrieges in Rumänien von
August bis Oktober konnten die Schiffe "L Z 81", "97" und "101"
noch einmal zur vollen Geltung kommen, indem sie Bukarest angriffen.
Der Stern der Heeresluftschiffahrt war also schon seit Anfang 1916 im
Erbleichen. Ende des Jahres entschloß sich die Oberste Heeresleitung auf
Berichte des Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte, denen
zufolge Angriffe nur noch unter besonders günstigen Umständen
erfolgversprechend schienen, zu starker Einschränkung der
Heeresluftschiffahrt. Februar 1917 griff "L Z 107" als letztes
Heeresschiff Boulogne noch einmal erfolgreich an. Die Bombenflugzeuge hatten
[578] die Luftschiffe in ihrer
Wirkung längst erreicht - ja relativ überholt, als man im Juni
zur völligen Einstellung der Fahrten schritt.
Wie prophetisch klingen die Worte Zeppelins, die etwa im dritten Kriegsjahre
gesprochen wurden: "Die Weiterentwicklung der Flugzeuge, wie sie die beiden
ersten Kriegsjahre zeitigten, ist der Tod meiner Lenkluftschiffahrt." Es mag dem
alten Grafen hart angekommen sein, sein Lebenswerk durch die Ereignisse
überholt zu sehen, und wahrer Bekennermut gehörte zu solchem
Wort. Freilich, ob es zutrifft, muß dahingestellt bleiben. Vielleicht waren
wir zu arm, um rivalisierende Zweige der Luftfahrt mit gleichen Mitteln zu
fördern.
Flugabwehr und Heimatluftschutz.
Flugabwehr. Die Vermehrung der Abwehrmittel hielt mit der
zunehmenden feindlichen Fliegertätigkeit nicht gleichen Schritt. Die
heimische Industrie war schon 1915 so überlastet, daß sie nur den
dringendsten Forderungen nachkommen konnte. Nur um wenige
3,5-cm-Maschinenkanonen der Marine konnten die bestehenden Formationen
verstärkt werden. Das reichte nicht aus, um sie in den
Abwehrkämpfen Ende 1915 und während der Schlacht von Verdun
wesentlich in Erscheinung treten zu lassen.
Dafür dienten diese Monate dem inneren Ausbau des
Ballonabwehrkanonen-Wesens und der Neuregelung ihres taktischen Einsatzes.
Die Grundlagen des Schießverfahrens, die notwendigen
Meßgeräte und die Ausbildung von Führer und Mannschaft
mußten vervollkommnet werden. Das bisherige Schießkommando in
Ostende wurde daher im Oktober 1915 zu einer
Ballonabwehrkanonen-Schule umgestaltet. Die einzelnen
Kraftwagengeschütze wurden zu zweit zu Batterien zusammengefaßt.
Scheinwerfer traten stärker in den Aufgabenkreis der Ballonabwehr, da sich
die feindlichen Nacht-Bombenwürfe mehrten. Noch gehörten sie in
den Befehlskreis der Pioniere; aber gemeinsame Besprechungen zwischen den
zuständigen Dienststellen des Heeres, der Marine und Vertretern der
Elektro-Industrie legten wenigstens die ersten Grundzüge für ihre
Entwicklung fest. Der Flugmeldedienst erfuhr eine ständige Erweiterung,
und als Bindeglieder zwischen Front und Heimat errichtete man Flugwachen im
Etappengebiet und dem General-Gouvernement Belgien. Steigerung der
Flughöhen und Geschwindigkeiten bedingte bald
Kalibervergrößerung, wodurch aber neue Verzögerungen in
Bau und Lieferung eintreten mußten. Als äußeres Zeichen der
beginnenden Wandlung hatte sich der Name "Flugabwehr" (Flak)
eingeführt.
Der stets häufiger werdende Luftkampf brachte neue taktische Formen auch
für die Flak mit sich. Hierzu gehörte ein Sichtzeichendienst auf der
Erde und ein Wegweisen mit Richtungsschüssen in der Luft, womit man
den aufgestiegenen Kampfeinsitzern oder Ketten eine Hilfe geben wollte, den
Feind im Luftmeer leichter zu finden. Auch das
"In-Stellung-Gehen" erfuhr eine Wandlung. Mit zunehmender Reichweite der
Erdabwehr hatten sich die feindlichen Artillerie- [579] flieger, die bisher
über oder in nächster Nähe ihrer Ziele kreisten, hinter ihre
eigene Front zurückgezogen. Um sie trotzdem erfolgreich bekämpfen
zu können, mußten die Flak möglichst weit und schnell auch in
ungedeckte Stellungen vorgeschoben werden. Hierzu eigneten sich in erster Linie
die Kraftwagengeschütze, auf die während der Abwehrkämpfe
die Hauptlast der Flugabwehr überging. Harte Verluste wurden
unvermeidlich, da man wegen des 360 Grad betragenden Seitenrichtfeldes auf ein
Eingraben verzichten mußte. Beweglichkeit ging vor Deckung. Den besten
Schutz bot geschickte Ausnutzung des Geländes und Vorbereitung von
Wechselstellungen. Gegen Sicht von oben war besondere Sorgfalt geboten.
Mehr und mehr zeigte sich so, daß sich der Einsatz der Flak nach
völlig anderen Grundsätzen als denen der Artillerie richtete.
Trotzdem blieb die alte organisatorische Angliederung der
7,7-cm-Flakzüge an die Feldartillerie der Divisionen bestehen, obwohl sie
bei Truppenverschiebungen meist verspätet eintrafen und das stets neu zu
schaffende Flugmeldenetz fast nie rechtzeitig zum Abschluß kam.
Vorstellungen des Inspekteurs, diese Formationen, wie die
K- und M-Flak, dem Armeeoberkommando unmittelbar zu unterstellen,
verhallten. Die Abgrenzungen der Befehlsbefugnisse zwischen
Artillerie-Kommandeuren und Stoflak, wie überhaupt die Unterstellung der
einzelnen Flugabwehrwaffengattungen unter verschiedene Kommandostellen
mußten daher zu Reibungen führen, die die Entwicklung der Waffe
hemmten. Die kommenden Ereignisse sollten bald die schweren Schäden
zeigen, die zu starres Festhalten an einer überholten Organisation immer
fordert.
Wie bei den Fliegern bedeutet die Somme-Schlacht auch einen Markstein in der
Entwicklung der Flakwaffe. Denn die Erdkampflage entspannte sich von jetzt ab
erst, wenn eine gewisse Gleichgewichtslage in der Luft hergestellt war. Sie zu
sichern vermochten aber die schwachen eigenen Flieger nur bei ausgiebigster
Unterstützung durch die Flugabwehrwaffen. Hierzu war eine wesentliche
Verstärkung der 2. Armee - neben zahlreichen M-Flakzügen
auch 40 Kraftwagengeschütze - unerläßlich. Unter
rücksichtsloser Entblößung der übrigen Fronten wurde
daher an der Somme die Hälfte aller überhaupt vorhandenen
Flakeinheiten zusammengezogen. Dieser Masseneinsatz und damit verbundene
Arbeitsüberlastung schalteten den gerade in Großkampfhandlungen
unentbehrlichen persönlichen Einfluß des Armeeoberkommandos
aus. Die Verhältnisse erzwangen sich daher die schon oft geforderte
Reorganisation. Von selbst entstanden daher Zwischenstellen, die die
Kampfgruppen (Generalkommando) durch Kommandierung von Flakoffizieren
bildeten, um Einsatz und Verwendung der Flakeinheiten zu regeln. An ihrem Sitz
wurden Flakzentralen errichtet, die die für die Flugabwehr wichtigen
Meldungen sichteten und die ersten Übersichten über die
Luftkampflage brachten. Zugeteilte Fliegeroffiziere sicherten deren schnelle
Verwertung für die Fliegerleitungen der Gruppen und die Jagdstaffeln. Der
taktische Einsatz klärte sich. [580] Zum ersten Male
gestattete die Zahl der Flakeinheiten die längst erstrebte Bildung einer
zusammenhängenden Flugabwehrlinie. Sie lief 2 bis 3 km hinter der
Front entlang. Der starke feindliche Fliegereinsatz machte eine
zweite - etwa 3 km hinter der ersten
laufende - Flugabwehrlinie erforderlich, um vorhandene Lücken zu
schließen und durchgebrochene Flieger zu bekämpfen.
Schließlich war im rückwärtigen Gebiet der besondere Schutz
wichtiger Anlagen notwendig geworden. Die immer häufiger angegriffenen
Ballone wurden durch die M-Flakzüge gedeckt. Der Wunsch, jeden Ballon
mit eigenen M-Flakzügen zu sichern, ließ sich infolge
Materialknappheit selbst bis Kriegsende nicht restlos durchführen.
Reserven fehlten, die zur Deckung von Ausfällen oder zur
Verstärkung der Flugabwehr an Brennpunkten hätten dienen
können. Auch Einsatz besonderer Einheiten zur Bekämpfung der
feindlichen Tiefflieger, die mit Maschinengewehren und Bomben die Truppe
mehr moralisch als effektiv schädigten, war unmöglich. Hiergegen
mußte die Truppe zum Selbstschutz greifen. Aber es dauerte lange, bis sich
dieser Gedanke durchrang und ihr bewußt wurde, daß die eigenen
Gewehre und Maschinengewehre am ehesten auch gegen solche Angriffe
schützten.
So fand in der Somme-Schlacht die junge Waffe Gelegenheit, im großen
Maßstab zu wirken. Und sie bewährte sich voll, dank dem Geist, der
Offiziere und Mann beseelte, dank der Güte des Geräts, das
Zuverlässigkeit deutscher Industrie schuf, und dank der
unermüdlichen Kleinarbeit des vergangenen Jahres.
Im Osten hielt sich des geringen Flugbetriebs wegen die Ausstattung mit Flak an
engen Grenzen. Das schlechte Wegenetz schaltete Kraftwagengeschütze
aus. Eine straffere Organisation setzte erst Mitte 1915 ein, als dem Stabe Oberost
ein Flakreferent und den Heeresgruppen Stabsoffiziere des Flak zugeteilt wurden.
Bei den Armeen genügten zugeteilte Flakoffiziere.
Der Heimatluftschutz. Das letzte Drittel des Jahres 1915 brachte die
Vereinheitlichung des Heimatluftschutzes. Es wurden zwei aus Flughauptwachen
und Flugwachen bestehende Überwachungslinien von der Nordsee bis zum
Bodensee eingerichtet, deren vordere der alten deutschen Grenze folgte.
15 km dahinter deckten die Wachen der zweiten Linie die Lücken
der ersten. Der inzwischen geschaffene "Inspekteur der Flak im Heimatgebiet"
erteilte die allgemeinen Richtlinien, die Ausführung im einzelnen blieb aber
noch den stellvertretenden Generalkommandos überlassen.
Neben die Vermehrung der aktiven Abwehrmittel (Flak, Scheinwerfer und
Maschinengewehre) traten passive Schutzmaßnahmen. Man erließ
Verordnungen über Verdunkelung und Abblendung im gefährdeten
Gebiet, das sich bald auf das rechte Rheinufer ausdehnte, baute bombensichere
Unterstände, schuf eine Art Mimikry für besonders wichtige Anlagen
und belehrte die Bevölkerung über
Ver- [581] halten bei
Bombenangriffen. Vereinzelt wurden auf eigene Kosten industrielle Werke durch
Ballon- und Drachensperren geschützt.
Die mit der allmählichen Verstärkung des Heimatluftschutzes
mögliche Zusammenziehung zahlreicherer Flugabwehrmittel an wichtigen
Punkten bedingte bald einheitliche Leitung. Wo im Abschnitt eines
stellvertretenden Generalkommandos mehr als zwei Flakeinheiten vorhanden
waren, wurden Anfang Februar 1916 Flakgruppen und Feuerleitungsstellen
gebildet, die ihrerseits einem Stabsoffizier der Flugabwehr im Heimatgebiet
unterstellt wurden (Stoflakheim). Innerhalb seines Korpsbezirks blieb er indes an
die Kommandobehörde gebunden.
Doch waren auch hier die Verhältnisse stärker als das
Beharrungsvermögen: Schon der März 1916 deutete an, was der
Heimat an Wirkungen des Luftkrieges bevorstand. Von Monat zu Monat
steigerten sich die Angriffe der feindlichen Fliegergeschwader, die ihren
Höhepunkt im Juli und September 1916 erreichten.
20 Angriffe bei Tag und Nacht in jedem dieser Monate! Hauptziel war das
lothringische, luxemburgische und saarländische Industriegebiet. Selbst
offene Städte wurden nicht mehr geschont, und in ewiger Erinnerung wird
der brutale Angriff auf Karlsruhe am Fronleichnamstage bleiben, dem 120 Tote
und 146 Verwundete während feierlicher Prozession zum Opfer fielen.
Nichts kennzeichnet so sehr den Seelenzustand dieses "Kulturvolkes", als
daß einer der unverletzt gefangenen Flieger - seines Zeichens sogar
Geistlicher - nicht nur keine Spur von Mitleid für die Opfer eines
blindwütenden Geschickes zeigte, sondern noch zynisch bedauerte,
daß nicht noch mehr "Boches" getötet worden seien. Und die
verhetzte Bevölkerung Frankreichs stiftete dem Geschwader sogar eine
Fahne für den "ruhmvollen Angriff auf Karlsruhe"!
Aufreibend, schwer, verantwortungsvoll war der Dienst der Flakmänner
daheim. Die stete Alarmbereitschaft stellte höchste Anforderung an Geist
und Körper, da auch die Nacht keine Ruhe mehr bot. Denn die zunehmende
Wirkung der Erdabwehr zwang den Gegner, den Schwerpunkt seiner
Tätigkeit in die Nacht zu verlegen. Dabei war die Tätigkeit an
sichtbaren Erfolgen arm, und mancher hätte den an Anerkennung kargen
Posten gern mit einem befriedigenderen an der Front vertauscht. Die reinen
Abwehrmittel genügten bald nicht mehr. Dem Gegner in der Luft
mußten gleiche Angriffsmittel entgegengestellt werden. So entstanden
schon im März 1916 die ersten Kampfeinsitzerstaffeln (Kest) Köln
und Mannheim, denen im Lauf des Sommers sechs weitere Staffeln in Bonn,
Mainz, Mannheim, Saarbrücken, Freiburg und Karlsruhe folgten. Damit
war das gesamte für die Kriegsrüstung lebenswichtige
Industriegebiet geschützt.
Das Führerflugzeug voran, warfen sich die Staffeln in Ketten oder
geschlossenen Verbänden, immer in Minderheit, den starken Geschwadern
des Feindes entgegen und schlugen ihm schwere Wunden. Sicheres Arbeiten des
Flugmeldedienstes, der von der Front über Etappe, besetzte Gebiet,
Flugwachen und Flughauptwachen der Sicherungszonen ihnen Nachricht
über Stärke und Anflugrich- [582] tung brachte, war
Vorbedingung für das Gelingen der Angriffe. Ungenaue oder
verspätete Meldungen hatten vergeblichen Aufstieg zur Folge. An
Entschlußfähigkeit und Urteilskraft des
Kest-Führers wurden hohe Anforderungen gestellt. Kam es doch oft vor,
daß der Feind noch im letzten Augenblick von seiner gemeldeten
Flugrichtung abdrehte und andere Ziele, als die vermuteten, suchte. Einmal in der
Luft, konnte den Flugzeugen vor Einführung eines
F. T.-Wechselverkehrs nur mit Richtungspfeilen
oder -schüssen ein unsicherer Anhalt gegeben werden, wo der Feind
im weiten, unermeßlichen Luftmeer zu suchen sei. Selbst ihre
Ausrüstung mit guten, schnell steigenden Flugzeugen, die gerade dieser
Dienst erforderte, war beschränkt, da die Front in erster Linie bedacht
werden mußte. Öfterer Austausch der Besatzungen mit
Frontkämpfern ermöglichte eine schnelle Verwertung der dort im
Luftkampf reichlicheren Erfahrungen.
So war den erdgebundenen Abwehrmitteln ein erfolgreicherer Kampfgesell
erstanden. Noch fehlte beiden die einheitliche Leitung. Erst Oktober 1916 wurde
sie innerhalb der Fliegerkräfte durch den "Stabsoffizier der Flieger im
Heimatgebiet" (Stoflheim) geschaffen, der, dem Feldflugchef unterstellt, als
unmittelbarer Vorgesetzter der "Kest" für ihren Einsatz und für
engstes Zusammenarbeiten mit den anderen Organen des Flugabwehrdienstes
verantwortlich war.
Auch der Wetterdienst trug sein Scherflein zum Gelingen bei. Eine
Feldwetterstation der Front mußte dreimal täglich dem Inspekteur der
Flak und dem Stoflheim (beide hatten ihren Sitz in Frankfurt a. M.)
über die Wetterlage der Westfront und über die Aussichten, die sich
hiernach für feindliche Angriffsmöglichkeiten boten, melden.
Wetterdienst.
Mit der ständigen Vermehrung der Fliegertruppe und des Gaskampfes
erweiterte sich das Aufgabenfeld der Wetterstationen zwangsläufig. Die
verschiedenen Arten des Gaskrieges forderten einen weitverästelten,
tiefengliedrigen Ausbau der Stationen. Hing doch der Erfolg völlig von der
Windbeobachtung ab. Stetigkeit in der Richtung war für Abblasen von Gas
ebenso Vorbedingung, wie möglichste Windstille beim
Gas-Minenkampf. Falsche Beobachtung konnte schwere eigene Verluste zur
Folge haben. So wurden "Windbeobachtungsposten" bis in die vordersten
Kampfgräben hinausgeschickt. Ihre Messungen liefen bei den
"Hauptbeobachtungsstellen" der Divisionen zusammen, deren Ergebnisse die
Feldwetterstation des Armee-Oberkommandos auswertete. Allmählich
entwickelte sich hieraus ein besonderer "Warndienst" für Gasangriffe.
Enges Zusammenarbeiten des Meteorologen und Taktikers sicherte jetzt die Wahl
des günstigsten Augenblickes für den Beginn des Gaskampfes und
brachte ihn in Einklang mit der Gesamtgefechtshandlung.
In der Fliegertruppe machte sich allmählich die Zuteilung eigener
Wetterstationen an die Bombengeschwader notwendig, die auf ihren langen
Flügen vom Wetter abhängig waren. Die Luftschiffhäfen
waren bereits zur Weitergabe [583] von Wetternachrichten
an ihre auf Fahrt befindlichen Schiffe entsprechend ausgerüstet worden.
Ebenso gewann die Wetterbeobachtung für die Feldluftschiffer mit
zunehmender Steighöhe der Ballone an Bedeutung.
Außer der eigenen Front wurde die Türkei und Bulgarien mit
Wetterstationen versorgt. Die deutsche Militär-Mission in der Türkei
errichtete im März 1916 mit der Zentrale Konstantinopel Wetterstationen in
Aleppo, Sinope, Konia, Angora, Jerusalem. Für Bulgarien wurde eine
Feldwetterzentrale in Sofia mit den Stationen und Beobachtungsstellen in
Sitnjakowo, Szentandras (Drachenstation), Jamboli (Luftschiffhafen) und Xanthi
(Fliegerabteilung) eingerichtet.
Zur Beobachtung der rumänischen und
Schwarzen-Meer-Verhältnisse dienten die Stationen in Varna
(Marine-Fliegerstation), Rustschuk und Burgas.
Bis Herbst 1916 hatte sich die Zahl der Wetterdienststellen auf 63 erhöht.
Ihre Zusammenfassung erfolgte in der bereits seit 1914 bestehenden
Militär-Wetterzentrale in Berlin. Nach Weisungen der Inspektion der
Luftschiffer übernahm sie zunächst Ausbildung des Personals,
Gerätebeschaffung und Regelung des Nachschubs.
Gründung der Luftstreitkräfte.
Die Somme-Schlacht hatte die Abhängigkeit des Kampfes auf der Erde von
dem in der Luft gezeigt. Was hier oft betont, dort bestritten oder belächelt
wurde, war zum Geschehen geworden: Die Kriegführung wandelte alte
Formen. Träger dieses neuen Luftkrieges waren die Kampfeinsitzer
geworden, die man schon zu Staffeln zusammengefaßt hatte, um ihr
Eingreifen zu kräftigen. Die Erfahrung riet, auf dem zuerst unbewußt
beschrittenen Wege weiter zu gehen. Ihre zahlenmäßige Vermehrung
und grundsätzliche Gliederung in starke Verbände war daher die
erste Folgerung dieser Abwehrkämpfe. Jetzt erst war erfolgreiches Arbeiten
der anderen Flugzeuggattungen gesichert.
Überragende Bedeutung hatte der Artillerieflieger gewonnen. Ohne ihn
kämpfte die Artillerie "mit verbundenen Augen". Schon im Laufe des
Sommers verdoppelte der Feldflugchef die bisherigen
Artilleriefliegerverbände sprunghaft (von 24 auf 46). Trotzdem
genügte diese Zahl nicht und weitere Neuaufstellungen wurden
notwendig.
Anderseits war der Artillerieflieger so von seinen Aufgaben beansprucht,
daß er von eigener Sicherung entbunden werden mußte. So ergab sich
als dritte Forderung: Schaffung von Schutzflugzeugen. Diese Wünsche
allein durch Neuformationen zu decken, war angesichts einer schon immer
fühlbarer werdenden Rohstoffknappheit nicht möglich. Nur eine
Reorganisation konnte den ersten dringenden Geboten gerecht werden. Hierzu
konnte sich der Feldflugchef um so eher entschließen, als mit einer
Trennung der Aufgabengebiete sich auch das zahlenmäßige
Verhältnis der Verbandsarten verschob. Mehr und mehr hatte sich gezeigt,
daß das Artillerieflugzeug der Division neben der Schußbeobachtung
auch die [584] reine
Gefechtsaufklärung durchführen konnte. Erkunden, Melden und
Bekämpfen wichtiger Ziele fiel zusammen oder war bei guter Durchbildung
der Besatzungen zu vereinigen. Ohne der Aufklärung im
größeren Rahmen Abbruch zu tun, konnte dies auf Kosten der
bisherigen Feldfliegerabteilungen geschehen.
Schwieriger war die Erfüllung der dritten Forderung: Schaffung von
Schutzstaffeln. Sie war nur auf Kosten der bisherigen Kampfgeschwader
durchführbar, die im Verlauf der Schlacht infolge starker Verluste
während ihrer weitreichenden Tagesbombenflüge von selbst in
diesen Aufgabenkreis gedrängt worden waren. So wünschenswert die
Bekämpfung lohnender Ziele außerhalb der Reichweite der
Ferngeschütze war, so mußte doch in erster Linie die Front
geschützt werden. Durch Auflösung einiger Kampfgeschwader in
Staffeln und mit ihrer Angliederung an einzelne Fliegerabteilungen waren die
notwendigen Schutzstaffeln rasch geschaffen. Dadurch wurden Stäbe und
Offiziere für andere Verwendung frei, da diese Tätigkeit der
Schutzstaffeln auch die Verwendung taktisch ungeschulten Personals
zuließ. So konnten die Lücken leicht ausgefüllt werden, die zu
schließen dem im Ausbau begriffenen Schulwesen der Heimat schon schwer
wurde. Betrugen doch die Verluste der 1. und 2. Armee an fliegendem Personal
im August und September allein 70 Köpfe!
In gleicher Weise klärte sich die Lage der vorgesetzten Fliegerdienststellen.
Von selbst hatte sich ein Ausbau der Stellung des Stabsoffiziers der Flieger und
die Zwischenschaltung von Bindegliedern zwischen das
Armee-Oberkommando und die Masse der Verbände ergeben. Die Lehren
von Verdun waren auch auf diesem Gebiet nicht schnell genug verwertet worden.
Erst Ende November machte man diese "Stabsoffiziere" zu "Kommandeuren der
Flieger" (Kofl), die für Einsatz, Ausbildung und Ergänzung
sämtlicher Verbände einer Armee verantwortlich waren. Leider
fehlte der letzte Schritt. Daß sie organisch - als eine der wichtigsten
taktischen Stellen - nicht unmittelbar zur
Operations-Abteilung des Armeeoberkommandos gehörten, sondern der
zweiten Staffel angegliedert wurden, war eine Verkennung ihres Wirkens. So
blieb auch jetzt noch die Persönlichkeit des einzelnen Kofl
ausschlaggebend für seine Stellung, und nur wenige Stabschefs mit
besonderem Verständnis für die neue Waffe förderten die
Entwicklung.
Die provisorisch während der Kämpfe bei den Gruppen entstandenen
"Fliegerleitungen" wurden zu etatmäßigen Stellen der
"Gruppenführer der Flieger" umgewandelt. Eine schärfere
Zusammenfassung der Verbände einer Gruppe und eine einheitliche
Verarbeitung der Erkundungsergebnisse war damit gewährleistet. Es fehlte
ihnen aber die unmittelbare Befehlsbefugnis über die Verbände.
Immerhin hatte der Kofl durch sie die Möglichkeit einer Einwirkung auf die
Truppe. Ihre Aufstellung erfolgte nur bei Gruppenkommandos der
Hauptkampffronten, so daß mit häufigen Verschiebungen gerechnet
werden mußte, die naturgemäß störend waren.
Eine wesentliche Erweiterung erfuhren die "Fliegerbeobachtungsstellen", nach
[585] und nach als
"Luftschutzoffiziere" bezeichnet. Dem Kofl angegliedert, wurden sie an
Hauptkampffronten mit starken Jagdkräften unentbehrlich. Zu ihrer
etatsmäßigen Aufstellung entschloß sich die oberste
Waffenbehörde allerdings erst Mitte August 1918!
Das Ergebnis aller Erfahrungen war das klar durchdachte, großzügig
eingeleitete und durchgeführte Ausbauprogramm des Feldflugchefs
für das Frühjahr 1917, in dem mit weiteren schweren
Abwehrkämpfen zu rechnen war:
44 |
(81) |
Fliegerabteilungen zu 6 Flugzeugen |
= 264 |
|
98 |
(46) |
Fliegerabteilungen (a) für Gefechtszwecke in Divisionen.
Sämtlich mit F I ausgerüstet zu 6 Flugzeugen |
= 588 |
|
27 |
(0) |
Schutzstaffeln für die (a) Abteilungen zu 6 Flugzeugen |
= 162 |
|
37 |
(7) |
Jagdstaffeln zu 14 Flugzeugen |
= 518 |
|
120 |
(112) |
einzelne Jagdflugzeuge
(Kampfeinsitzer an den anderen Fronten) |
= 120 |
|
19 |
(19) |
Kommandeure der Flieger |
|
|
19 |
(19) |
Armeeflugkommandos mit rund |
= 562 |
|
13 |
(0) |
Gruppenführer der Flieger |
|
|
3 |
(7) |
Kampfgeschwader zu 6 Staffeln ab |
= 108 |
|
|
|
|
|
260 |
(177) |
Formationen mit |
= 2322 |
Flugzeugen. |
Dieser Ausbau erforderte eine gleich großzügige Erweiterung der
Einrichtungen für Nachschub und Ausbildung. Die Inspektion erfuhr eine
gewaltige Umwandlung und Vermehrung. Gleichzeitig wurde mit dem
Aus- und Neubau von 36 Fliegerstationen begonnen. Die Beobachterschulen, zu
denen zwei neue (bisher fünf) traten, mußten ihre Lehrgänge
verdoppeln. Eine große Artilleriebeobachterschule in
Alt-Auz begann vor Jahresschluß ihre Tätigkeit. Die
Kampfeinsitzerschulen wurden in Jagdstaffelschulen umgewandelt und für
die Bombenwerfer eine neue Geschwaderschule in Paderborn gegründet.
Die Übungsparks bei Tergnier und Warschau wurden erweitert, um die
Fronterfahrungen schneller verwerten zu können.
Die Erfahrungen über den taktischen Einsatz wurden in Vorschriften
niedergelegt. Für das gesamte Heer galten nun endlich die gleichen
Grundsätze für Zusammenarbeiten mit den
Artillerie- und Infanteriefliegern. Als Kräftebedarf für Armeen an
Großkampffronten galt folgender Anhalt:
- Armeeoberkommandos: 1 Fliegerabteilung für
Großerkundung, wenn möglich mit Reihenbildner ausgestattet;
- Generalkommandos: 1 Fliegerabteilung für Erkundungsaufgaben, die
auch Einschießen schweren Flachfeuers übernehmen konnte;
- Divisionen: 1 Fliegerabteilung (A) mit Schutzstaffeln für
Gefechtsaufgaben.
Der Einsatz verfügbarer Kampfgeschwader für Bombenangriffe,
deren Bedeutung bei den Massenzielen der Materialschlacht ständig stieg
und manche Vervollkommnung fand, geschah zweckmäßig durch das
Armeeoberkommando, indes behielt sich die Oberste Heeresleitung den Einsatz
vor.
[586] Nicht völlig war
die Frage der Unterstellung der Jagdkräfte geklärt. Hier war alles
noch im Werden. Solange die Zahl der Staffeln klein war, ergab sich ihr Einsatz
durch das Armeeoberkommando von selbst, das am ehesten den Überblick
über die Brennpunkte des Kampfes auch in der Luft haben mußte.
Man teilte die Armeefront in Jagdgebiete ein, innerhalb derer den einzelnen
Staffeln die Verantwortung für den offensiven Schutz der
Gefechtsflugzeuge im Verein mit den Flak zufiel. Schon deutete sich die
Notwendigkeit der Bildung stärkerer Kampfeinheiten für diese
Aufgabe an. Aber man wollte erst die notwendigen Erfahrungen in der
Luftkampftaktik sammeln, ehe man zu weiterer Organisation schritt. Hier stand
man vor Neuem - während für die anderen Verbände
sich nur der Rahmen der Aufgaben weitete.
Als Immelmanns
Name 1915 staunend und begeistert genannt wurde, stritt man in
der Luft Mann gegen Mann. Nur Leistungsfähigkeit des Flugzeugs, eigene
Geschicklichkeit und Wille zum Sieg waren ausschlaggebend. Das hatte sich
geändert. Man kämpfte jetzt in Ketten zu drei bis vier Flugzeugen,
wenn nicht schon in Halb- oder Ganzstaffeln.10 So
mußte sich eine Taktik des Luftkampfes entwickeln, die an Geist und
Körper die höchsten Anforderungen stellte. Handelte es sich doch bei
der Geschwindigkeit der Flugzeuge um Bruchteile von Sekunden, in denen
Entschlüsse Tat werden mußten. Schöpfer und Förderer
dieser Taktik war der unvergeßliche Bölcke, den sie daheim und an
der Front wie einen National-Heros verehrten. Er erzog seine Schüler im
Geiste treuester Pflichterfüllung, höchsten
Kampf- und Siegeswillens, ritterlicher Tapferkeit, wahrer Kameradschaft. Wenn
es noch in der ersten Hälfte der Somme-Schlacht gelang, die feindliche
fliegerische Überlegenheit zu brechen, so ist das sein und seiner
Jünger Werk.
Unbesiegt fiel er am 18. Oktober 1916. Im Angriff auf einen gemeinsam
ausgewählten Gegner streiften sich im Kurvenkampf sein und seines
treusten Freundes Böhme Flugzeug. Steuerlos stürzte er zur Mutter
Erde hinab, die ihn in ihrem Schoß für ewig barg. Aber sein Geist
wachte, von Böhme und seinen Nachfolgern gepflegt, bis zum Kriegsende
und darüber hinaus.
Feldluftschiffer. Wie bei den Fliegern, beendete auch bei den
Luftschiffern die Somme-Schlacht die Wandlung. Seit Dezember erfolgte
nunmehr ihre Einteilung in Stäbe und Züge. Die Gefechtseinheit
bildete fortab der Ballonzug. Die Feldluftschiffer-Abteilung setzte sich
dementsprechend aus einem Abteilungsstab und mehreren Ballonzügen
zusammen. Ihr Etat im Osten und Westen war verschieden, zum Gastransport
wurden im Westen grundsätzlich Kraftwagen, im Osten Pferdebespannung
benutzt. Die Absicht bestand, jeder Kampfgruppe im Westen an
Hauptkampffronten einen Stab mit mehreren Zügen zuzuweisen, jeder
Armee grundsätzlich einen Kommandeur der Luftschiffer. Die
provisorischen Ballonzentralen der Somme-Schlacht gingen in den Stäben
auf. [587] Der
Abteilungskommandeur war für Ausbildung, Gefechtsbereitschaft und
schnellste Verwertung der Erkundungsergebnisse der unterstellten Züge
verantwortlich. Wurden in Einzelfällen einer Kampfgruppe mehrere
Abteilungen überwiesen, so bildete man besondere "Ballongruppen" unter
einem "Ballongruppenführer".
Flak und Heimatluftschutz. Das innere Gefüge des
Flugabwehrdienstes blieb zunächst unverändert. Nur die provisorisch
entstandenen Kommandoeinheiten wurden beibehalten. Als Forderung der
Somme-Schlacht ergab sich aber fester Zusammenschluß aller im Luftkrieg
verwendeten Waffen. Hierzu gehörte auch die Angliederung des
Heimatluftschutzes. Er war zu einem starken, vielfach gegliederten Körper,
aber mit allzuviel Köpfen herangewachsen: die Inspekteure der Flak im
Heimatsgebiet und bei der Obersten Heeresleitung, Stellvertretende
Generalkommandos, das Oberkommando der Küstenverteidigung,
schließlich der Feldflugchef mit dem Stabsoffizier der Flieger im
Heimatgebiet. Und ein letztes hatte sich noch nicht durchgesetzt: die Erkenntnis,
daß der Luftkrieg fortab in untrennbarer Einheit vom vordersten
Schützengraben bis zur letzten vom feindlichen Flieger erreichbaren
deutschen Stadt, also Front, Etappe, besetztes Gebiet und Heimat, in gleicher
Weise umfaßte.
Erst mit dem Wechsel der Obersten Heeresleitung im Spätsommer 1916
formte schöpferische Tatkraft großer Geister zum Ganzen, was hier
und dort verstreut lag. Die A. K. O. vom 8. Oktober 1916 enthielt in
trefflich klarer, knapper Form die grundlegenden Weisungen:
"Die wachsende Bedeutung des
Luftkrieges erfordert es, die gesamten
Luftkampf- und Abwehrmittel des Heeres, im Felde und in der Heimat, in einer
Dienststelle zu vereinigen. Hierzu bestimme ich:
Der einheitliche Ausbau, die Bereitstellung und der Einsatz dieser
Kriegsmittel werden einem
Kommandierenden General der
Luftstreitkräfte (Kogenluft)
übertragen, der dem Chef des Generalstabes unmittelbar unterstellt
wird..."
Dem ersten (und einzigen) Kommandierenden General, Generalleutnant
v. Hoeppner, gelang es, in inniger Zusammenarbeit mit seinem Chef des
Stabes, dem bisherigen Feldflugchef Oberst Thomsen, alle Zweige der
Luftstreitkräfte einheitlich den steigenden Aufgaben des Luftkrieges
erfolgreich anzupassen.
Flieger, Luftschiffer, Flak, Heimatschutz und Wetterdienst waren jetzt in einer
Hand fest zusammengefaßt. Aus schwachem Gezweig war ein machtvoller
Baum erwachsen, der schützend sein knorriges Geäst himmelan und
in die Weite reckte, wo immer im Ringen der Völker deutsche Waffen die
Heimat schützten. Der Luftkrieg hatte die Luftstreitkräfte geboren!
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