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Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg

Abschnitt: Der Luftkrieg   (Forts.)
Major Hans Arndt

[588] 6. Das Jahr der großen Abwehrschlachten.

Flieger im Westen.

Als sich zu Beginn des Jahres die Neuorganisation auszuwirken begann, und die neuen Verbände an der Front eintrafen, war die Fliegertruppe für die im Frühjahr erwarteten schweren Kämpfe wohlgerüstet. Der Angriffsmöglichkeiten bestanden viele, da der Gegner den Meldungen nach eigentlich auf der ganzen Westfront rüstete; doch war das Kampfgebiet zunächst noch zweifelhaft. Flandern, Arras, die Champagne, das Sommegebiet, bei Verdun, überall Vorbereitungen! - Indes zeichneten sich schon seit Januar der Witschaete-Bogen, die Gegend von Bapaume - Arras, die Somme und die Champagne als die wahrscheinlichen Hauptpunkte ab. Vor Frühjahr rechnete die Oberste Heeresleitung kaum mit größeren Angriffen.

Den Fliegern fiel die schwere Aufgabe zu, Zeit und Ort der bevorstehenden Kämpfe richtig zu erkennen. Die üblichen Angriffszeichen des Vorjahres - Ausbau des Grabensystems, Häufung der Truppen- und Barackenlager - gaben keinen festen Anhalt mehr, da sie, wie auch Batteriestellungen für den Artillerie-Aufmarsch, meist vorhanden waren. Mehr und mehr täuschte auch der Gegner durch geschickte Scheinanlagen und Mündungsfeuer. So wird es verständlich, wenn selbst die Oberste Heeresleitung es nur für möglich, nicht für sicher hielt, daß Fliegererkundung völlige Gewißheit über die Absichten des Feindes bringen könnte, und sie dem Nachrichtendienst mindestens gleiche, wenn nicht gar höhere Bedeutung beimaß. Ein Zeichen, daß trotz der bisherigen offensichtlichen Erfolge die Fliegertruppe noch nicht voll bewertet wurde!

Freilich mußte die Auswertungstechnik der Fliegererkundung noch vervollkommnet werden. Denn nur durch sorgsame Überwachung des Bahn- und Straßen-Verkehrs im feindlichen Operations- und Etappengebiet und statistische Erfassung der Verschiebung rollenden Materials der Bahnhöfe auf Zuführer- und Verschiebebahnen, des Ausbaus von Förder- und Kleinbahnnetzen und der Füllung der Munitionslager und Stapelplätze waren letzte Zweifel zu beheben. Ebenso war aus der Schußfeldbegrenzung von Eisenbahnklauen des schwersten Flachfeuers mancher Schluß auf Wahrscheinlichkeit und abgegrenzte Breite des Angriffs zu ziehen. Dann konnte selbst eine längere, durch Witterungseinflüsse bedingte Unterbrechung der Aufklärung kein Unheil mehr anrichten.

Boten sich der Erkundung hier mancherlei Schwierigkeiten, so war der Aufmarsch der feindlichen Flieger zum Großkampf und ihre Tätigkeit vor dem Angriff zur Zeit noch unverhüllbar. Das Vorjahr hatte zur Genüge gezeigt, daß die Vorbereitungen für größere Kampfhandlungen unzertrennbar von einer Zusammenziehung der Fliegermassen geworden waren. Verwehrte der Feind dann schließlich noch mit seinen Fliegern den Einblick in sein Hintergelände, [589] versuchte er sich auf ein Fliegereinschießen mit Funkspruch vorzubereiten, so waren die letzten Unsicherheiten ausgeschaltet.

Indes fehlte bisher noch die einheitliche Verarbeitung aller dieser Anzeichen. Die oberste Waffenbehörde hat darauf nicht hingewirkt. Die Lösung blieb daher schöpferischem Geist einzelner Flieger-Kommandeure überlassen. Auch wurden einige dieser Erkennungsmerkmale erst im Laufe der Kämpfe selbst gefunden. War aber die Wetterlage nicht allzu ungünstig, so konnte mit Sicherheit die Fliegererkundung rechtzeitig Ort, Richtung und ungefähre Zeit eines feindlichen Angriffs vorausmelden, auch wenn sich die ausschlaggebenden Anzeichen auf die letzten Augenblicke zusammendrängten.

Die Einstellung eines Frontteils auf Abwehr bedingte sorgsamste Vorbereitungen für den eigenen Flieger-Aufmarsch. Denn trotz des großzügigen Bauprogramms reichte die Zahl der Verbände nicht aus, mehrere Armeen mit den erfahrungsgemäß notwendigen Fliegern gleichzeitig auszurüsten. Auf Grund der Somme-Schlacht hatte der Kommandierende General der Luftstreitkräfte in Denkschriftform für eine Art Mobilmachungsvorbereitung zum Großkampf gesorgt. Hierzu gehörte neben anderm: Erkundung und Ausbau der erforderlichen Flughäfen und Bereitstellung der hierzu erforderlichen Arbeitskräfte, die Auswahl von Unterkunftsräumen, die Herstellung von Lichtanlagen, Starkstromverbindungen, Wasserversorgung und etwaiger Anfuhrwege zu den Flugplätzen, die Vorbereitungen für den Bau eines Sonderfernsprechnetzes, Auswahl der Plätze für F. T.-Stationen zur Durchführung des Artilleriekampfes, Erweiterung des Parks, die sich auf das fünf- bis sechsfache des Bedarfs ruhiger Fronten einstellen mußten, und ihr Anschluß an das Bahnnetz zur Bewältigung des Nachschubs.

Der nach Bildung zweier Heeresgruppen im Westen aus der Front heraus angeregte folgerichtige Gedanke, nunmehr eine einheitliche Heeresgruppenaufklärung einzuleiten und den Einsatz sämtlicher Fliegerverbände innerhalb eines solchen Bereiches durch einen Kommandeur der Flieger bei den Heeresgruppen zu regeln, fand Ablehnung. Ein beschränkter Versuch bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz durch den ältesten Kofl. führte zu keinen nennenswerten Erfolgen. So erklärt es sich wohl auch, daß die sorgsam durchdachten Vorbereitungen nicht überall in die Tat umgesetzt wurden.

Als die O. H. L. die Zurücknahme der Front von der Somme in die Siegfriedstellung befahl, fiel den Fliegern eine Verschleierung dieser Bewegung und gleichzeitig eine schwierige eigene Rückverlegung zu, während derer die Fühlung mit Freund und Feind aufrechterhalten werden mußte. Die erste Aufgabe war doppelter Art. Einmal mußte dem Feind der Einblick in das Hintergelände verwehrt werden, anderseits waren die eigenen Arbeiten daraufhin zu überwachen, daß ihre Ausführung sich dem Erkennen feindlicher Flieger und Flugzeugkammern entzog. Zu lösen war die [590] erste durch Jagdkräfte, die zweite durch Lichtbildüberwachung. Gewiß konnte ein Überfliegen der Linien nicht völlig unterbunden werden. Je höher hierbei aber des Gegners Verluste wurden, um so lückenhafter blieb sein Eindruck, soweit er ihn nicht durch seinen vorzüglich geleiteten Agentendienst und durch Aussetzen von Spionen mittels Ballon und Flugzeug gewann.

Im allgemeinen gelang die Verschleierung gut. Den Engländern blieb bis Mitte März die sogenannte R 3-Stellung unbekannt, wie aus einem bei einem abgeschossenen Flieger vorgefundenen Befehl hervorgeht. Die Verluste des Feindes waren hart. Allein im Februar und März wurden im Bereiche der 2. Armee 60 feindliche Flugzeuge abgeschossen, denen eine eigene Einbuße von nur 7 Flugzeugen gegenübersteht! Die Industrie half hierbei mit der Lieferung eines neuen, dem Feind erheblich überlegenen Jagdflugzeuges - Albatros D I mit 160 PS Mercedes-Standmotor. - Auch die schlechte Witterung half den eigenen Jagdkräften nicht unwesentlich.

Französisches Flugzeug hinter der deutschen Front abgeschossen.

[592a]
      Französisches Flugzeug hinter der deutschen Front abgeschossen.

Lückenlose Lichtbildüberwachung des gesamten Siegfriedgeländes brachte manchen Hinweis, wie Unterstände, Batteriestellungen, Flughäfen und andere Anlagen der feindlichen Sicht entzogen werden konnten. Je schwächer eine Truppe an Fliegern ist, um so besser muß diese "Deckung gegen Fliegersicht" sein, will man unnütze Verluste vermeiden.

Die Rückverlegung der Verbände verlief dank umfassender Vorbereitung fast planmäßig. Ein schrittweises Ausweichen, wie bei der Truppe, war nicht möglich, der Sprung mußte gleich bis hinter die Siegfriedlinie erfolgen. Da die Flugzeuge dauernd an der Front gebraucht wurden, richtete man für mehrere Verbände gemeinschaftliche Gefechtslandeplätze ein, auf denen nur das zur Aufrechterhaltung des Flugbetriebes unbedingt notwendige Material bereitgestellt war, während die Masse der Flugzeuge zu den neuen Häfen zurückflog. Auch die Jagdstaffeln waren bei St. Quentin in einem Hafen zusammengefaßt. Der Einsatz erwies sich so zweckmäßig, daß der Kofl. 2 bereits Ende März die Gründung von Jagdgeschwadern anregte, die allerdings erst mehrere Monate später erfolgte.

Den Truppenfliegern glückte es meist, mit den Nachhuten Fühlung zu halten, so daß die Führung über deren Verbleib auf dem laufenden blieb.

Schwerer war das Zusammenwirken mit der Artillerie. Nur wo besondere Batterien und bewegliche Antennen für Schießaufgaben mit Fliegern bereitgestellt waren, gelang die wirksame Bekämpfung von Augenblickszielen, wie sie dieser neue Bewegungskrieg häufig mit sich bringen mußte; hier zeigten sich die Vorläufer der "Überwachungsbatterien", wie sie die Flandernschlacht als Endergebnis zeitigte.

In größerem Umfange wie früher11 griffen auch Flugzeuge mit gutem [591] Erfolg in den Erdkampf unmittelbar ein, namentlich wo Stauungen feindlicher Kolonnen M. G.-Angriffe oder Bombenwürfe besonders aussichtsreich machten: Anzeichen für eine neue Verwendung der Waffe!

Mustergültig wie immer, war die Erkundung. So wurden das vorsichtige Nachfühlen des Engländers am 17. gegen die am 16. verlassenen Stellungen, die Stockungen an den Straßensprengungen bei Roye, ihre Wiederherstellungen, das Vorfühlen an den Kanal am 18. nachmittags, der Vormarsch am 19. in vier Kolonnen auf Ham und Guiscard von Nesles und Noyon, das schärfere Nachdrängen der Franzosen rechtzeitig und einwandfrei gemeldet. Allein am 19. März wurden 89 erfolgreiche Erkundungsflüge bei der 2. Armee durchgeführt. Wo Einzelflugzeuge durch die starke Sperre des Feindes nicht mehr durchkamen, erkämpften sich stärkere Patrouillen, auch unter Teilnahme der Jagdkräfte, ihren Weg feindwärts. Am 20. und 21. März machten Schneesturm und Regen jede Aufklärung unmöglich. Man nützte diese Zeit, das Zusammenarbeiten mit der neugruppierten Artillerie sicherzustellen. Wie klar die Führung unterrichtet sein mußte, zeigt folgende zusammengefaßte Meldung vom 24. März auf dem linken Flügel der 6. Armee:

      "Eine aus Richtung Le Sars anmarschierende englische Infanterie-Division geht am 24., 12 Uhr Mittags, längs Straße Beugnatre - Bapaume - Warlaucourt zur Ruhe über. Ein Teil hat Biwak bezogen, während ein Teil zur Verkürzung der schon 8 km betragenden Unterkunftstiefe nach vorn aufschließt. Verstärkung der gegnerischen Kräfte vor linkem Flügel hält an."

Die bald beginnenden schweren Abwehrkämpfe bei Arras, an der Aisne und in der Champagne forderten eine schnelle Umgruppierung der Fliegerkräfte. Dank der Vorbereitungen ging sie fast glatt vonstatten; aber infolge der unvermeidlich eintretenden Schwächung der Siegfriedfront setzten sofort Vorwürfe über ungenügende Unterstützung durch die Flieger ein. Erkundung, Luftkampf und Bombenwurf gaben auch in der Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne zu keinerlei Klagen Veranlassung. Dagegen zeigte sich schon zu Beginn der Kämpfe ein mangelhaftes Zusammenarbeiten zwischen Flieger, Artillerie und Infanterie. Daß dies Versagen nicht der Fliegertruppe zur Last zu legen ist, erkannte die Oberste Heeresleitung an, als sie schon Ende April 1917 schrieb:

      "Die Kämpfe bei Arras, an der Aisne und in der Champagne haben erneut bewiesen, daß die Luftbeobachtung nicht genügend ausgenutzt wird. Mit allen Mitteln muß ein Zusammenarbeiten der Artillerie und Infanterie mit den Fliegern gefördert werden."

Eine Forderung, die in artilleristischer Hinsicht bis Kriegsende unerreicht blieb!

Als Amerika den bisher versteckt gegen Deutschland geführten Krieg offen erklärte, war man sich in beiden Lagern bewußt, daß die ungeheure materielle Überlegenheit der neuen Welt den Ausschlag des Ringens geben mußte, sofern [592] es gelang, sie schnell zur Wirkung zu bringen. Bei der klar erkannten Bedeutung des Luftkrieges war anzunehmen, daß die Unterstützung Amerikas am wirksamsten und schnellsten auf diesem Gebiet einsetzen könnte. Noch war das amerikanische Flugwesen rückständig; aber im Austausch von Ingenieuren, Facharbeitern und Modellen innerhalb der für die Luftrüstung verwendbaren Industrien, war bei den unbegrenzten Rohstoffen Amerika ein schneller Ausbau seiner Luftfahrt wohl möglich. Ebenso waren die Fliegerschulen der Entente in der Lage, die voraussichtlich in Massen zuströmenden Freiwilligen von drüben so lange auszubilden, bis das Mutterland diese Aufgabe übernehmen konnte.

Die Auslandspresse verbreitete bald märchenhafte Zahlen über die amerikanischen Luftrüstungspläne. Innerhalb Jahresfrist sollten 20 000 Flugzeuge zum Einsatz kommen. Unbeirrt durch solche Gerüchte betrachteten die verantwortlichen Stellen der deutschen Luftstreitkräfte den Eintritt Amerikas in den Krieg mit vollstem Ernst. Vor Frühjahr 1918 hielt man sein nennenswertes Eingreifen in den Luftkrieg für unwahrscheinlich. Bis dahin mußten die deutschen Gegenmaßnahmen beendet sein. Besprechungen im G. H. Qu. Anfang Juni 1917 führten zur Aufstellung des sogenannten "Amerikaprogramms". Es verlangte neben teilweiser Verstärkung der Frontfliegerverbände und Heimatformationen eine Verdoppelung der bisherigen Jagdkräfte, als den Hauptträger des sicherlich gewaltige Ausmaße annehmenden Luftkrieges.

Diese Forderung bedeutete eine ungeheuerliche Anspannung der heimischen Fliegertruppe und der Industrie: nämlich Verdoppelung der bisherigen Monatsproduktion von 1000 Flugzeugen auf 2000, der Motore von etwa 1 250 auf 2500! Hierzu war eine Überweisung von etwa 7000 Facharbeitern aus der Front an die Industrie notwendig, die Einstellung von 29 000 Mann für die Fliegertruppe und die Belieferung der 15 000 Mann betragenden Rekrutenquote 2. Halbjahr 1917 mit 80 v. H. Facharbeitern! Überdies war ein Monatsbedarf von 1500 M. G., 12 000 Tonnen Benzin und 1200 Tonnen Öl zu decken.

Es war klar, daß nur Aufbietung der letzten Kraft die deutsche Heimat zu solcher Leistung befähigen konnte; ebenso, daß ihre restlose Durchführung bewußten Verzicht auf anderweitige Rüstungen bedingte. Vergebens hatte der Inspekteur der Fliegertruppen immer wieder auf diesen außerordentlich bedeutungsvollen Punkt hingewiesen. Die Schwierigkeiten, die sich der Ausführung des "Amerikaprogramms" auf Schritt und Tritt entgegentürmten, waren riesenhaft, um so mehr, als eine die Interessen des Heeres, der Marine und der Luftstreitkräfte, des Reiches und der Bundesstaaten unparteiisch ausgleichende zentrale Stelle fehlte. Ihre im Vorjahr bereits angeregte Errichtung war am Widerstande des Kriegsministeriums, der Marine und partikularistischer Sonderinteressen gescheitert. - Daß das Programm fristgerecht erfüllt wurde, trotz Kohlen-, Rohstoff- und Transportmaterialmangels, trotz erheblichen Produktions- [593] ausfalls in den Fabriken durch Streiks, Brände, Explosionen, Sabotageakte oder ungenügender Gestellung von Facharbeitern, trotz Ersatz der Männer- durch Frauenarbeit, bei mangelnder Ernährung, bei Verwendung von Ersatzstoffen im Bau und in der Flugausbildung, und trotz kindlicher Sonderwünsche kleiner Bundespotentaten oder ihrer ebenso kurzsichtigen Ministerien, ist ein Ruhmesblatt der deutschen Fliegertruppe. Es mit unvergänglichen Lettern geschrieben zu haben, ist Verdienst der deutschen Industrie und der Stellen, die für die Erfüllung des Programms verantwortlich waren, - des Inspekteurs der Fliegertruppen Oberstleutnant Siegert und seines hervorragenden Mitarbeiters, Hauptmann Wagenführ.

Es sei bei der Forderung einer Monatslieferung von 2000 Flugzeugen und 2500 Motoren - jährlich also 24 000 und 30 000 - an die amerikanischen Zahlen erinnert. Der Kriegsminister Baker hatte von 20 000 Flugzeugen gesprochen. Das bedeutete natürlich nicht, wie von drüben berichtet wurde und deutscherseits unwiderlegt blieb, den Einsatz an der Front, sondern eben eine Jahresleistung. Mit 20 000 Flugzeugen läßt sich jährlich etwa ein Stamm von 1000 Flugzeugen und Führern und 500 Beobachtern ausbilden und bei einem monatlichen Frontverbrauch von 100 v. H. an Flugzeugen an der Front kampfkräftig erhalten. Ein hohes Ziel, das sich Amerika steckte! Sollte doch innerhalb eines Jahres fast aus einem Nichts und ohne eigene Erfahrung das gleiche geschaffen werden, was Deutschland mühsam mit langsam und stetig sich verbreiternder Basis nach drei Jahren gelungen war. Daß sich diese Pläne nicht rechtzeitig verwirklichen ließen, spricht keineswegs von einem Versagen der amerikanischen Luftrüstung. Nur eine Verzögerung trat ein, die dem deutschen Heere einige Monate Luft und Atem ließ. Denn sie kam nach der Erstarkung der Luftstreitkräfte der Truppe zur Erde als Entlastung mittelbar zugute. Mit zunehmender Kraft konnten sich deutsche Flieger in Flandern schlagen und vollwertig zum kommenden großen Endkampf werden.

Gab die Somme-Schlacht des Jahres 1916 die Grundlage zu einer großzügigen Reorganisation der Fliegertruppe und die ersten Richtlinien für ihren taktischen Einsatz, so bildet die Flandern-Schlacht des Jahres 1917 den Abschluß dieser Versuche. Die Erfahrungen aus diesen Kämpfen behielten auch für das kommende Jahr mit geringen Abweichungen ihre Gültigkeit. Nur wer den taktisch-strategischen Einsatz auf allen Gebieten des Flugwesens im Verlauf dieser Großkampfhandlung verfolgt, kann sich vom Wesen des Luftkrieges, der allen Kriegen der Zukunft ein neues Gepräge geben muß, eine klare Vorstellung machen. Deutete sich im Vorjahr bereits der Zusammenhang zwischen dem Kampf auf der Erde und dem in der Luft und eine immer stärker wachsende Bedeutung des Luftkrieges in den ersten, feinen Linien an, so läßt die Flandern-Schlacht keinen Zweifel hierüber mehr übrig.

Aus diesem wichtigsten Abschnitt der Fliegertruppe gipfelt die Summe der [594] Erfahrungen in der Geschwadertaktik der Jagdkräfte, deren Kampf nur noch Mittel zum Zweck wird, nämlich den Einsatz der Truppenfliegerverbände und der strategischen Aufklärungs- und Bombenwurfformationen sicherzustellen. Sie klärt den bisher zweifelhaften Einsatz der Truppenfliegerverbände, indem sie den Divisionen, als den Kampfeinheiten, nunmehr vollstes Verfügungsrecht über ihre Fliegerabteilungen einräumt. Sie zeigt, daß deren Gefechtsverwendung eine Trennung in Infanterie- und Artillerie- und Aufklärungsflieger nicht mehr zuläßt, sondern daß diese drei Aufgaben ein Ganzes bilden müssen. Sie formt die Schutzstaffeln in Sturm- oder Schlachtstaffeln um und macht sie zum zweiten Hauptträger des Luftkrieges, als sich aus dem Sturm- oder Schlachtflug des Einzelflugzeuges der geschlossene Schlachtstaffelangriff entwickelte.

Das innige, voneinander abhängige Zusammenwirken der Erd- und Lufttruppe wird Wirklichkeit. Der Flieger steigt aus seinen lichten Höhen zur Erde hernieder, kämpft nicht mehr über der Infanterie, sondern mit ihr; der Luftkampf selbst in geringster Höhe über dem Schlachtfeld beginnt. Die Nacht wird zum Tag, und der Tag wird zur Nacht. Tageserkundung wechselt - vereinzelt noch - mit Nachterkundung. Der Nachtbombenwurf, an dessen Förderung man eisern und zäh gearbeitet hatte, wird fallweise wieder in den Tag verlegt; nachts wird unter günstigen Bedingungen - versuchsweise, aber mit steigendem Erfolg - Artillerie eingeschossen. Und in der Nacht setzt der Kampf Flugzeug gegen Flugzeug ein, den man bisher für Utopie hielt. Die Lichtbildüberwachung mit ihrem immer komplizierter werdenden Gerät erlangt eine ungeahnte Vervollkommnung, sei es, daß wenige Geviertmeter oder Hunderte von Quadratkilometern in einem Fluge gedeckt werden, sei es, aus Höhen von 7000 m, oder nur 50 m. Eine statistische Verwertung der Lichtbild- und Augenerkundung und der Beobachtung des feindlichen Fliegereinsatzes setzt ein, die, zwar vielfach belächelt und gewiß an einzelnen Stellen übertrieben, doch zweifelsfreien Schluß über Art, Ausdehnung und sogar Zeit feindlicher Angriffe zuließ.

Noch reichten zahlenmäßig, selbst bei rücksichtsloser Entblößung ruhiger Armeefronten, die Kräfte nicht aus, den Gruppen und der Armee die zur Abwehr eines Großkampfes erforderlichen Flieger zuzuteilen. Aber die früheren Versuche werden zum Grundsatz: die Hälfte aller Jagdkräfte des ganzen Heeres, zwei Drittel sämtlicher Schutzstaffeln, ein Siebentel aller Fliegerabteilungen (A), drei Viertel der vorhandenen Kampf- oder Bombengeschwader, ein Drittel aller Gruppenführer der Flieger sind im Höhepunkt der Schlacht von August bis Oktober allein bei der 4. Armee vereinigt. 1536 Maschinengewehre - annähernd die Feuerkraft von 256 Maschinengewehr-Kompagnien zu sechs Gewehren - hätten bei gleichzeitigem Einsatz in der Luft sein können. Trat dieser Fall naturgemäß auch nicht ein, so bedeutete doch die Verwendung aller Schlachtstaffeln an Großkampftagen eine Unterstützung der zur Erde fechtenden Truppen mit der Feuerkraft von 228 Maschinengewehren.

[595] Der Infanterieflieger entwickelt sich zu dem nie versagenden Nachrichtenmittel, weil die Truppe, in stetig zunehmender Erkenntnis, daß er allein noch in der Lage ist, Hilfe zu bringen, auf seine Zeichen achtet. Ihre Forderungen nach Sperr- und Abriegelungsfeuer gibt er an die Artillerie weiter und unterrichtet die Führung rechtzeitig über die Lage des Kampfes. Unterstützungen und Reserven gelangen so zweckmäßig zum Einsatz. Abgeschnittenen und doch ausharrenden Trichter- oder Unterstandsbesatzungen bringt er Munition und selbst Lebensmittel heran oder wirft Befehle ab, auszuharren oder sich durchzuschlagen. Noch mißtraut man hier und da diesen Infanterieflieger-Meldungen, wartet Truppennachrichten ab, die zeitlich längst überholt sind, und den Zweifel noch stärken, bis Nachprüfungen durch Flugzeuge die ersten Angaben bestätigen. Oft bringt der nächste Tag erst gleichen Beweis durch neueingesetzte Truppen.

Die Arbeit ist hart und schwer. Sie gelingt oft nur durch Heruntergehen auf 100 bis 50 m - in Einzelfällen noch tiefer - bis an der Form des Stahlhelms oder der Lage am Westrand eines Trichters die eigenen Leute erkannt werden, falls noch Truppen auf die Anforderungssignale der Flieger nicht mit Leuchtzeichen, oder die Führerstände mit Signaltüchern oder Blinkgerät antworten. Das Tuchzeichen der Somme-Schlacht ist überholt. Zu viel Irrtum blieb möglich, wenn es seine Farbe mit der des verschlammten Erdreiches vertauschte oder mit einzelnen Gefallenen liegen blieb.

Im Zusammenarbeiten mit den Organen des Flugabwehrdienstes wird die Übermittlung ihrer Nachrichten beschleunigt. An der großen Straße Menin - Roulers hatte der Koflak der 4. Armee eine "Flugnachrichtenstelle" eingerichtet, die eine schnelle Weitergabe abgeworfener Fliegermeldungen verbürgte. Im Kampf um Geluvelt am 20. September, im Verlauf dessen das Dorf nach Truppenmeldungen verloren sein sollte, berichtigte der Infanterieflieger der dort eingesetzten Division diesen Irrtum. Seine 810 Uhr Vm. im Flugzeug geschriebene, 814 Uhr bei der "Flug-Nachrichtenstelle" abgeworfene, von dieser 815 Uhr durch Fernsprecher weitergegebene Meldung traf also kaum 10 Minuten nach erfolgter Beobachtung bei der Division ein und bewahrte sie vor folgenschweren Entschlüssen. Und die Infanterieflieger von Langemark und Poelcapelle mahnen die Truppenführer an den Wert der Fliegermeldungen!

Welche Genauigkeit in dieser Gefechtsfeldbeobachtung erzielt wurde, sei durch eine einzige Meldung eines Infanteriefliegers während der Kämpfe am 20. Oktober um Geluvelt und Polderhoek - des Eckpfeilers der deutschen Stellung - angedeutet, als das Ergebnis eines gegen 10 Uhr Vm. eingesetzten Gegenstoßes unbekannt blieb. 12 Uhr mittags warf der Infanterieflieger beim Gefechtsstand der Division folgende, im Flugzeug geschriebene Meldung ab:

      "Feindliches Feuer besonders stark auf Geluvelt und Polderhoek. Von hier aus etwa 1 km tief reichend. Trotz mehrfacher Anforderung gab sich die Infanterie nicht zu erkennen. Durch tiefstes Heruntergehen wurde sie wie folgt [596] festgestellt: Geluvelt in unserer Hand. Polderhoek fraglich. Etwa fünf eigene Kompagnien arbeiten sich 1130 Uhr Vm. mit Anfängen von Haus Baden, am Ostrand des Parkes Polderhoek und bei Schloß Geluvelt vor. Bei Rotpunkt 3145 englisches grünes Leuchtfeuer zweimal. Eigenes starkes, zusammengefaßtes Feuer lag 500 bis 700 m tief beiderseits der Straße Ypern - Menin um Rotpunkt 3132 herum."

Obwohl der Kampf noch im vollsten Gange war, hatte die Division rechtzeitig Nachricht über die Wiedernahme dieser beiden heißumstrittenen Punkte. Zwei Stunden später liefen erst eingehende Nachrichten der Truppe ein.

Die Leistungen der Truppenflieger, namentlich der Infanterieflieger, in diesen opferschweren Schlachten zeugen von beispiellosem, stillem Heldentum und ungebeugtem Kampfeswillen. Sie beweisen die Notwendigkeit gründlichster taktischer Schulung der Besatzungen und haushälterischen Einsatzes dieses unentbehrlichsten Nachrichtenmittels. Allerdings verführte die Ungewißheit in den furchtbaren Kämpfen dazu, immer wieder die Infanterieflieger erneut einzusetzen. Unnötige Beunruhigung der Truppe, vorzeitiger Verbrauch der Flieger waren die unvermeidliche Folge. Die Führung eines modernen Großkampfes ohne Flieger und ohne Verständnis für ihre Eigenart ist fortan aber undenkbar.

Hatten alle verantwortlichen Stellen erkannt, daß das Artillerieeinschießen mit Fliegerbeobachtung während des Großkampfes das einzigste Mittel war, die feindliche Artillerie niederzuhalten und immer wieder auf diese wichtigste Ausnutzung des Truppenfliegers hingewiesen, so wurde doch in der Flandern-Schlacht das erwünschte Ziel nicht erreicht. Dies Versagen engsten Zusammenarbeitens zwischen Artillerie und Flieger zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen Krieg; es ist geradezu erstaunlich, wie zäh die Artillerieführer der unteren Dienstgrade am Althergebrachten festhielten und sich dem Neuen gegenüber nicht genügend entgegenkommend zeigten. Im jüngsten Nachwuchs der Batterie- und Abteilungsführer brach sich aber das Bewußtsein, etwas versäumt zu haben, langsam Bahn. Bald wurden wenigstens beim Schießen mit den im Laufe der Kämpfe eingeführten Überwachungsbatterien und -gruppen nennenswerte Ergebnisse erzielt und günstige Kampflagen ausgenutzt.

Als der Auftakt der Flandern-Schlacht mit den Kämpfen im Witschaete-Bogen am 7. Juni 1917 begann, verfügte die 4. Armee nur über 17 Fliegerabteilungen und 4 Jagdstaffeln mit insgesamt etwa 150 Flugzeugen. Der Kofl. lag, obwohl er die wichtigste Stelle der taktischen und strategischen Erkundung bedeutete, weit ab vom Oberkommando in einem entlegenen flandrischen Dörfchen. Dieser Erschwerung persönlicher Fühlungnahme mit den verantwortlichen Generalstabsoffizieren mag es zuzuschreiben sein, wenn die planmäßig bearbeiteten Vorbereitungen für Masseneinsatz der Luftstreitkräfte in der vielleicht schwersten Abwehrschlacht des Krieges nicht rechtzeitig zur Durchführung ge- [597] kommen waren. Weder der Ausbau der erforderlichen Flughäfen noch das unerläßliche Sonderfernsprechnetz war für Großkampfverhältnisse hinreichend gediehen.

Trotz der einwandfreien Vorzeichen eines wohl vorbereiteten feindlichen Angriffs glaubte man noch Anfang Mai an Abwehrmaßnahmen des Gegners. Allerdings reichten die Anfänge eines großzügigen Straßen- und Eisenbahnbaus sowie die Anlage von Truppen- und Munitionslagern bis in den Sommer des Jahres 1915 zurück, später teils stark gefördert, teils vernachlässigt oder durch Frost behindert. Schlechtes Wetter im März 1917 ließ die Erkundung lückenhaft bleiben. Als der April eingehendere Beobachtungen zuließ, zeigte sich ein überraschendes Bild. Das bahnarme Gebiet im Raume Ypern - Hazebrouck - Bailleul war durch die bis Bailleul durchgeführte Kemmelbahn mit vielen Anschlußstrecken in weitestem Maße erschlossen. Die riesigen Munitionsbahnhöfe von Audricq, Zeneghem und ähnliche Bauten längs der Bahnlinien waren erweitert und gefüllt. Merkwürdigerweise hielt man selbst diese Tatsache nicht für Angriffsvorbereitungen, sondern nur für Maßnahmen der Engländer, ihren durch die deutschen U-Bootserfolge gefährdeten Nachschub über den Kanal auf Wochen hinaus sicherzustellen, falls ernstere Stockungen eintreten sollten. Eine festgestellte Vermehrung und Erweiterung feindlicher Flughäfen für 200 bis 250 Flugzeuge schrieb man einer vermuteten Neuorganisation der belgischen Fliegertruppe zu. Selbst häufigere Meldungen über erkannte Truppenlagervergrößerungen, erhöhten Verkehr auf Bahnen oder Straßen und Anfang Mai gesichtete parkierende starke Artillerie konnten die bisherige Ansicht des Armeeoberkommandos nicht wandeln.

Erst als in der zweiten Maihälfte die bis dahin unbelästigt gebliebenen Aufklärungsflugzeuge von erdrückender feindlicher Übermacht angefallen wurden, als starke feindliche Aufklärungspatrouillen bis zur Geschwaderstärke weit ins Hinterland vorstießen, Unterkünfte, Eisenbahnknotenpunkte und Flughäfen planmäßig im Bombenwurf angriffen und 20 bis 30 Artillerieflieger an manchen Tagen stundenlang über den Artilleriestellungen kreisten, einheitlich eingesetzte Jagdkräfte die deutschen Artillerieflugzeuge am Einschießen verhinderten, so daß die eigenen Batterien mehr und mehr niedergekämpft wurden, sah man den Großkampf reifen.

Überwältigend, wie der feindliche Infanterie- und Artillerie-Einsatz, war der der Flieger, als die gewaltigen Sprengungen im Witschaete-Bogen am 7. Juni morgens den Infanteriesturm einleiteten. Etwa 500 feindliche dürften 150 deutschen Flugzeugen, die in ihrer Kampfkraft bereits durch die anstrengenden Vortage erheblich geschwächt waren, gegenübergestanden haben. Schon im Anflug wurden die deutschen Flieger in schwere Luftkämpfe verwickelt, so daß sie sich bereits verschossen hatten, ehe sie die Front erreichten. So blieb die Führung lange Zeit über den Stand des Kampfes im unklaren, bis es gegen Abend, nachdem der Feind sich an Fliegern verausgabt hatte, gelang, wenigstens in großen Zügen die Front festzulegen.

[598] Nach diesem ersten mißglückten Durchbruchsversuch steigerten sich in den nächsten Wochen die Angriffsvorbereitungen des Feindes ins Unermeßliche, wie die verstärkt einsetzende eigene Flieger-Aufklärung bald meldete. Im Laufe des Juli verdichtete sich das Eisenbahnnetz vor der Armeemitte ganz wesentlich. Eine Auswertung der artilleristischen Erkundung ergab eine Verdoppelung bis Verdreifachung der feindlichen Batterien fast vor der ganzen Armeefront, sogar eine Vervierfachung vor deren Mitte, wo sich auch die feindlichen Ballone verdoppelt hatten. Die Schanztätigkeit vor Ypern wurde immer reger, die Kanalübergänge verdreifacht, Verbindungsstege durch das versumpfte Gelände gestreckt, Gasminenwerferbatterien und Gasgräben entstanden, überall steigerte sich der Verkehr, Lastkraftwagen- und Artilleriekolonnen zogen schwerfällig frontwärts. Selbst vor der sonst so ruhigen Gruppe Lille wurde eine deutliche Verschiebung der bekannten Truppenlager nordwärts erkennbar.

Ganz augenfällig war die Vermehrung der feindlichen Flieger. Schon im Juni war die Belegungsfähigkeit der Flughäfen auf etwa 1000 gestiegen, im Juli steigerte sie sich noch. Jagdflieger sperrten den deutschen Aufklärungsflugzeugen selbst in 6000 m Höhe den Weg feindwärts. Jetzt stießen nur noch starke Geschwader bis zu 20 und mehr Einheiten aufklärend und bombenwerfend über die deutsche Front vor, unter stärkstem Schutz von Jagdflugzeugen. Die Funksprüche der Artillerieflieger mehrten sich von Tag zu Tag, nahmen an Regelmäßigkeit zu und ermöglichten so eine genaue Festlegung der Einschieß- und Hauptkampfzone.

Erst die beschleunigte Heranführung zahlreicher Aufklärungs- und Jagdkräfte zur 4. Armee änderte die Luftkampflage. Die Zahl der Verbände stieg auf 80 mit einem (allerdings nie erreichten) Sollbestand von rund 800 Flugzeugen. Bei den ungenügenden Vorbereitungen für diesen bisher unbekannten Masseneinsatz waren Störungen im deutschen Flugbetrieb unvermeidlich, obwohl sich der Feind in der Luft vor Beginn der neuen Kämpfe im wesentlichen auf Abwehr einstellte und seine Kräfte bewußt zurückhielt. Aber als eine zielbewußte Persönlichkeit mit einem dem zu erwartenden Großkampf angepaßten Stabe die Organisation des Fliegereinsatzes der 4. Armee in die Hand nahm, besserten sich die Verhältnisse.

Allerdings stand noch, wie in der Witschaete-Schlacht, der Beginn der eigentlichen Flandernkämpfe am 31. Juli im Zeichen restloser feindlicher Fliegerüberlegenheit. Überdies hatte Bodennebel auf deutscher Seite einen Start auf Stunden hinaus verzögert. Erst gegen Abend gelang es, den Gegner, der sich wohl auch frühzeitig verausgabt hatte, zurückzudrängen, so daß die Gefechtsflugzeuge auf den angegriffenen Gruppenfronten fast ungehindert arbeiten konnten. Mit Beginn der Gegenstöße im Laufe des Nachmittags, die durch einheitlichen Einsatz der Gruppenjagdkräfte verschleiert wurden, griffen auch zum ersten Male geschlossene Schutzstaffeln in den Erdkampf ein. Trotz Sturm und niedriger Wolkendecke brausten die deutschen Staffeln in zwei Wellen geschlossen über die [599] zum Sturmangriff antretende Infanterie hinweg, griffen feindliche Batterien und bereitgestellte Reserven mit Maschinengewehren und Handgranaten in wiederholtem Anflug an und rissen - nach Berichten von Augenzeugen - unwillkürlich die Infanterie mit vorwärts.

Diese ersten Erfolge führten im Laufe der Kämpfe zu einer Neugruppierung der Schutzstaffeln. Sie wurden zu Gruppen von vier Staffeln zusammengelegt, um sie schneller zur Hand zu haben und ihre Wirkung zu vervielfachen; sie schieden damit aus dem Bereich der Divisionen aus. Nur innerhalb der Gruppe war der Brennpunkt des Kampfes festzulegen, an dem sie zweckmäßig zum Einsatz kamen. Das hinderte nicht, sie an entscheidender Stelle der Schlacht einer einzelnen Division zur Verfügung zu stellen. Auch das Armeeoberkommando schied sich eine solche letzte Feuerreserve von Schutzstaffeln aus und behielt sich ihre fallweise Zuteilung an eine Gruppe vor.

Ihr Einsatz erfolgte selbstverständlich nur an Großkampftagen. In ruhiger Zeit wurde geschlossener Flug im Staffel- und Gruppenverband geübt, so daß sich die Wirkung dieser Angriffe von Kampf zu Kampf steigerte. An der Entwicklung dieser neuen Kampfesart hat in erster Linie die sogenannte Sturmstaffel des Kampfgeschwaders 1 unter ihrem Führer, Hauptmann Zorer, teil, der im Laufe der Kämpfe in Feindeshand fiel. Aber seine Saat trug reiche Früchte, und schon in den schweren Kämpfen um Geluvelt trugen am 20. September die vereinigten Staffeln der Gruppe Ypern und Witschaete zum Erfolg der Schwesterwaffen wesentlich bei.

Allmählich entwickelten sich zwei Arten der Angriffstaktik: Reihenflug in Kiellinie oder Anflug in Frontlinie. Schematisch ergeben sich umstehende Bilder. (Siehe Seite 600.) [Scriptorium merkt an: Der besseren Übersicht halber hier gleich nachfolgend eingefügt:]

Zwei Arten der Angriffstaktik.

[600]
      Die zwei Arten der Angriffstaktik.

Die zweite Art hatte den Vorzug der größeren moralischen Wirkung auf Freund und Feind und der stärkeren Ausnutzung der Feuerkraft. Sie bot die Möglichkeit, einen breiteren Frontstreifen anzugreifen, während die erste Art ein schmales Ziel längere Zeit unter Feuer hielt und der feindlichen Erdabwehr eine geringere Angriffsfläche bot. Da sich aber allmählich ein Luftkampf auch in niederen Höhen, 50 bis 300 m entwickelte, so bot die zweite Art in ihrer Geschlossenheit auch stärkeren Rückhalt gegen Angriffe überlegener feindlicher Jagdgeschwader.

Während die ersten Schlachtflüge noch auf verhältnismäßig geringe Erdabwehr stießen, waren die weiteren Kämpfe zunehmend verlustreich. Kaum, daß ein Flugzeug unbeschädigt heimkehrte. 20 bis 30 Treffer, auch in vitalen Teilen der Maschinen, waren nicht mehr selten, Verwundungen der Besatzungen oder völliger Verlust von Flugzeugen mehrten sich. Oft fiel eine Staffel schon nach dem ersten Anfluge infolge starker Flugzeugbeschädigungen aus. Grundsätzlich wurden sonst zwei Anflüge hintereinander ausgeführt, auch ein nochmaliger Tageseinsatz wurde an besonders schweren Kampftagen nicht gescheut.

Der tapferen Besatzungen dieser Staffeln, die außer dem Führer nur aus [600] bewährten, flugfrischen und kampffreudigen Unteroffizieren bestanden, sei hier in Dankbarkeit gedacht.

Was die Flandern-Schlacht nur andeutete, während des Kriegsverlaufes aber nicht restlos gelöst wurde, war: die endgültige Organisation der Jagdkräfte, die Frage, ob Tages- oder Nachtbombenwurf, die über den Rahmen einer kleinen Armeefront herausdrängende Großerkundung, verbunden mit einer entsprechenden Dienststelle bei den Heeresgruppen und die endgültige Gliederung der Parks und des gesamten Frontnachschubs.

Die grundsätzliche Zusammenfassung der Jagdkräfte in Geschwadern mag in erster Linie an dem fehlenden, geeigneten Führerpersonal gescheitert sein. So blieb das Jagdgeschwader Nr. 1 unter seinem bewährten Rittmeister v. Richthofen lange eine Einzelerscheinung. Sein Führersinn, sein vorbildlicher Kampf- und Siegeswille, sein tiefes Verständnis für die Luftschlacht stählte seinen [601] Verband, daß er stets einer Mehrzahl des Gegners gewachsen blieb. Ein Schüler Boelckes, dessen Staffel der Kern des Geschwaders wurde, übertraf er bald seinen Meister. Er entwickelte die Taktik des Geschwaderluftkampfes und erzog eine glänzende Schar prächtiger Staffelführer in Boelckeschem Geiste, unter denen der Tod nur zu schnell tiefe Lücken riß, so daß der Nachwuchs an geeigneten Jagdgeschwaderkommandeuren nur langsam gedieh.

Man mußte sich daher fürs erste mit einer dem Geschwaderverband ähnlichen Zusammenfassung mehrerer, meist vier Staffeln in Jagdgruppen begnügen, deren Einsatz allerdings nur von der Erde aus ein "Jagdgruppenführer" regelte. Aber für den Erfolg im Luftkampf bleibt der Geist des Führers in der Luft ausschlaggebend. Der jedoch fehlte diesen Gruppen. Der geringe Bestand an Staffeln machte ihre häufige getrennte Verlegung an andere Gruppen oder Armeen notwendig. So war innerhalb der ungleich zusammengestellten Jagdgruppen ein stets erneutes Sicheinspielen notwendig.

Für ihren Einsatz zum Kampf kamen die mittleren Höhen in Frage, in denen sich die Gefechtsflugzeuge bewegten. Über ihnen, von etwa 4000 m ab - um die Staffelung des Kampfes in der dritten Dimension verständlich zu machen - lag das Jagdgebiet des Jagdgeschwaders, das in erster Linie zur Vernichtung der ins Hintergelände vorbrechenden, meist durch starke Begleitjagdkräfte geschützten feindlichen Aufklärungs- und Bombengeschwader bestimmt war. Nur wenn Not am Mann war, stießen sie zur Unterstützung der Gruppenjagdkräfte aus ihren Höhen herab. Noch fehlte die Fühlung der Jagdkräfte mit der Erde, die sich bei den Gefechtsflugzeugen schon durchgesetzt hatte. Das Jagdgebiet der Gruppenjagdkräfte, das sich horizontal mit dem Gefechtsabschnitt der Generalkommandos, denen sie an Hauptkampffronten mitunter zugeteilt wurden, einigermaßen deckte, wies in den unteren Schichten der Vertikale noch eine Lücke auf.

Im Bombenkrieg übernahm man taktisch feindliche Vorbilder. Die Notwendigkeit, große Bombenlasten - Kaliber bis zu 1000 kg - zu schleppen, hatte zum Bau schwerer, großer, doppelmotoriger Bombenflugzeuge geführt. Ihre geringe Geschwindigkeit und Wendigkeit zwang mit zunehmender Erdabwehr und häufigeren Luftkämpfen, die Angriffe in die Nacht zu legen. Einzeln, in mäßigen Abständen, flogen die Großflugzeuge in dunkler Nacht ihren Zielen zu, ein besonderer Schutz war nicht erforderlich. Die sich über die ganze Nacht ausdehnenden Angriffe auf das gleiche Ziel waren sicherlich von hohem moralischen Erfolg, auch wenn manches Flugzeug vom Wege abirrte und ein gezielter Wurf nicht oder nur beschränkt möglich war.

Bombenflugzeug wird zum Angriffsflug fertig gemacht.

[600a]
      Bombenflugzeug wird zum Angriffsflug fertig gemacht. Bomben werden angebracht.

Detailaufnahme eines unserer Bombenflugzeuge in voller Ausrüstung.
Detailaufnahme eines unserer Bombenflugzeuge
in voller Ausrüstung. Der Pilot konnte je nach
Notwendigkeit leichtere oder schwerere Bomben
zum Abwurf auslösen.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 340.
Die Frage, ob Tages- oder Nachtbombenwurf, rollten die Flandernkämpfe erneut auf, als die Geschwader entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung vorübergehend in den schwersten Abwehrkämpfen bei Tage eingesetzt wurden, um die größtmöglichste Munitionsmenge an den im Augenblick gefährlichsten Gegner, an die feindliche Artillerie, heranzubringen. Hierzu war ihre Sicherung durch Jagd- [602] kräfte besonders notwendig, zumal jene Höhen, die sie zu erreichen vermochten, gerade am dichtesten mit den feindlichen Arbeits- und Jagdflugzeugen besetzt waren. Falls Jagdkräfte nicht verfügbar, übernahmen auch wohl Schutzstaffeln ihre Sicherung. Immerhin mußten die Bombengeschwader, da Wolkenbildung oder unsichtiges Wetter die Begleitflugzeuge von ihnen abschnitt, auch zu eigener Abwehr gerüstet sein. Das bedingte geschlossenes Verbandfliegen, um die beschränkte Wendigkeit durch erhöhte Feuerkraft auszugleichen. Dieses Übungsfliegen ging naturgemäß auf Kosten ihrer Kampfkraft, die für Tages- und Nachtaufgaben gleichzeitig nicht ausreichte. Notgedrungen mußte man von Tagesangriffen wieder absehen. Die erforderlichen Tagesgeschwader fehlten. Man hätte früher vom Feinde lernen sollen, der bereits Anfang des Jahres seine Angriffe gegen weit abliegende Ziele mehr und mehr erfolgreich in den Tag verlegt hatte. Seine Tagesangriffe stiegen 1917 von 20 auf 60 v. H.!

Indessen blieben die nächtlichen Leistungen der Geschwader 1 und 4, zeitweilig unterstützt durch das für Englandangriffe bestimmte Geschwader 3 und die Riesenflugzeugabteilung 501 von größtem Erfolg. Namentlich verdient der planmäßige Angriff des Geschwaders Nr. 1 gegen Dünkirchen, der wichtigen Nachschub-Basis, unter seinem eisernen Kommandeur, Hauptmann Keller, der für die Entwicklung des Nachtbombenkrieges bahnbrechend gewirkt hatte, besonderer Erwähnung. War Dünkirchen auch nicht, wie es die Presse überschwenglich schilderte, durch die Angriffe völlig zerstört, so bewiesen doch die Lichtbildaufnahmen, daß die Hafenanlagen empfindlich getroffen waren. Vernichtete Munitions- und Benzindepots haben zweifellos zu einer Störung des feindlichen Nachschubs beigetragen und damit der eigenen Truppe wesentliche Entlastung gebracht, abgesehen von der gewaltigen moralischen Wirkung, von der Gefangene aus Dünkirchen berichteten. Die Verlegung der Basis von Dünkirchen nach Calais ist erwiesen.

Die notwendig schnelle Heranziehung der Kampfgeschwader an die Flandernfront hatte gezeigt, daß diese Verbände mit ihren sechs Staffeln und dem dazugehörigen großen Bedarf an Ersatz und Munition zu schwerfällig waren. Sie wurden unter Aufstellung neuer Stäbe in "Bombengeschwader" zu drei Staffeln umgewandelt. Nur das für Englandangriffe bestimmte Geschwader 3 blieb zu sechs Staffeln bestehen, da seine Verlegung an andere Kampffronten nicht in Frage kam.

Einen neuen Gedanken brachte die Flandern-Schlacht schließlich noch in die Aufklärung. Sie erfolgte bisher derart, daß das Armeegebiet in senkrecht zur Front feindwärts führende übergreifende Streifen eingeteilt wurde, innerhalb derer die Divisions- und Gruppenflieger im Gefechtsabschnitt ihrer Kommandostellen aufklärten. Die Tiefe des Streifens betrug bei den Divisionen etwa 6, bei den Gruppen 10 bis 12 km. Erstrebt wurde eine möglichst lückenlose Deckung des Gebietes im Lichtbild, um alle Einzelheiten auswerten zu können. Je lebhafter der Kampf war, um so häufiger hatte sie zu erfolgen. Das flandrische Wetter ließ diese Absicht nicht immer zu. Darüber hinaus klärten die Verbände des [603] Oberkommandos, unter denen die Reihenbildflugzeuge immer größere Bedeutung gewannen, in der Breite des Armeeabschnittes bis zur Küste auf.

Nun trat neu eine parallel zur Front laufende Lichtbildüberwachung des Hauptverkehrsgebietes hinzu. Aus der Verschiedenartigkeit der Belegung der Straßen, Ortschaften und Bahnhöfe war leicht zu erkennen, in welchem Teil des Armeegebietes zu annähernd gleichen Zeiten der Verkehr am stärksten war. Konnte doch der ganze Abschnitt einer Armee in etwa einer Stunde mühelos überflogen werden. Je mehr die Technik eine Verschiebung größerer Truppenmassen mit Bahnen und Lastkraftwagenkolonnen erleichterte, je schneller also eine Verlegung des Großkampfes an andere Armeefronten möglich war - bei der Einstellung der gesamten Westfront auf Großkampf bedurfte es meist nur noch der Zuführung der Truppen - um so mehr trat der Gedanke in den Vordergrund, eine ganze Heeresgruppenfront in dieser Form einheitlich überwachen zu lassen. Konnte doch auch deren großes Gebiet nach beendeter Einteilung in vier Heeresgruppen in einer Spanne von drei bis vier Stunden abgesucht sein. Das führte bei der 4. Armee zu einer mustergültig gelösten "Heeresgruppenbahnerkundung". Sie regte daher im Verein mit der Heeresgruppe Rupprecht den Plan an, dieses Aufklärungssystem einheitlich bei allen Heeresgruppen der Westfront einzuführen. Dazu bedurfte es allerdings der einheitlichen Ausgestaltung des gesamten Auswertesystems aller Stabsbildabteilungen und einer fachmännischen Verarbeitung aller Erkundungsergebnisse. Die Einschaltung einer entsprechenden Fliegerdienststelle bei den Heeresgruppen wäre die weitere Folgerung gewesen. Diese klaren Gedanken fanden leider beim Kogenluft wie bei der Obersten Heeresleitung Ablehnung.

Die Flandern-Schlacht, ein Ruhmesblatt der Fliegertruppe, kann als Höhepunkt ihrer organischen, technischen und taktischen Entwicklung bezeichnet werden. Sie bewältigte einen in diesem Umfange bisher ungekannten Einsatz von Fliegerverbänden. Im Keim bereits früher erkannte Maßnahmen ließ sie zu voller Frucht reifen und zeichnete neu zu beschreitende Wege vor. Die Summe der Erfahrungen, sachlich und klar niedergelegt, überhaupt die ganze Entwicklung wesentlich beeinflußt zu haben, ist das Verdienst des Kommandeurs der Flieger der 4. Armee, Hauptmanns Wilberg und seines von ihm in weit vorausschauender, großzügiger Weise für Großkampfverhältnisse erzogenen und organisierten Stabes. Er fand weitgehendste Unterstützung beim Chef des Stabes der 4. Armee, General v. Loßberg, der für alle Bedürfnisse der Fliegertruppe, sei es auf dem taktischen Gebiete oder in technischer Hinsicht, außergewöhnliches Verständnis bewies.


Flugabwehr und Heimatluftschutz.

Mit der Schaffung der Stelle des Kogenluft war die Dienststelle des bisherigen "Inspekteurs der Flak im Operationsgebiet" (der Obersten Heeresleitung [604] angegliedert) eingegangen. Als "Abteilung Flugabwehr" im Stabe des Kogenluft übernahm sie Anfang 1917 die Neuorganisation des gesamten Flugabwehrwesens. Grundlegend waren die Erfahrungen der Somme-Schlacht, die eine schärfere Zusammenfassung aller Flugabwehrmittel in einer Hand als notwendig gezeigt hatte. Die während dieser Kämpfe provisorisch geschaffenen Dienststellen wurden jetzt

Absuchen und Beobachten der feindlichen Stellungen bei Nacht.
Absuchen und Beobachten
der feindlichen Stellungen bei Nacht
durch eine Scheinwerfer-Abteilung im Westen.
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 348.

Flakscheinwerfer.
Flakscheinwerfer beim Beobachten des Gegners
und beim Absuchen des nächtlichen Himmels
nach feindlichen Fliegern.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 349.
etatisiert und ausgebaut. Sie erhielten die Bezeichnung: "Kommandeure der Flak einer Armee" (Koflak) und "Kommandeure der Flak einer Gruppe" (Flakgruko). Die bisher der Feldartillerie oder den Pionieren angegliederten bespannten Flakzüge und die Scheinwerfer wurden jetzt, zu Batterien oder Zügen zusammengestellt, den neuen Waffenvorgesetzten unterstellt. Stärke der Flakgruppen und ihre Zusammensetzung nach Geschützarten wurde durch die Armeeoberkommandos bestimmt und richtete sich nach der Wichtigkeit des Kampfabschnitts. Zuteilung von Kampfeinheiten an die Armeen entsprechend der Gesamtlage regelte die Oberste Heeresleitung auf Vorschlag des Kogenluft.

Die allmählich in Fluß kommende Reihenlieferung großkalibriger Geschütze mit hoher Anfangsgeschwindigkeit, sogenannter schwerer K-Flak, sowie Bau und Einsatz von Flakscheinwerfern großen Durchmessers und stärkerer Lichtwirkung erhöhten den Kampfwert der Waffe. Zum Schutz der Unterkünfte und wichtiger Anlagen an der Front standen ferner seit Sommer 1917 25 Flugabwehr-Maschinengewehr-Abteilungen (Flamga) zur Verfügung. Allerdings wurden sie nicht in den Gesamtrahmen der Flakwaffe eingegliedert, sondern blieben ein Bestandteil der Infanterie; der Zwang praktischer Erfahrung führte aber in kurzem dazu, diese Verbände wenigstens taktisch dem Koflak zu unterstellen.

Die Verwendung der Flak erfolgte auch in den schweren Abwehrkämpfen dieses Jahres nach den Lehren der Somme-Schlacht. Geringe Abweichungen wurden durch die Notwendigkeit, sich der jeweilig veränderten Führung des Großkampfes anzupassen, bedingt.

Die Siegfriedbewegung stellte hohe Anforderungen. Trotz eigener Rückverlegung mußte zur Erschwerung der feindlichen Lufterkundung ständig eine zusammenhängende Flugabwehrlinie gebildet werden. Hierzu mußten die Flakformationen einmal so lange am Feinde bleiben, als es die Deckung durch die eigene Truppe zuließ, anderseits rechtzeitig im nächsten Abschnitt bereitstehen. Durch die notwendig gewordenen Straßensprengungen war die Rückführung der an Wege gebundenen K-Flak stark gefährdet. Trotzdem wurde die Aufgabe gut gelöst.

Noch während sich die Franzosen an der Aisne und in der Champagne, wo sich aufs neue die Flak als unentbehrliches Kampfmittel bewährten, nutzlos opferten, deuteten umfangreiche Vorbereitungen der Engländer auf den großangelegten Angriff gegen die deutsche U-Bootsbasis in Flandern. Die hiermit im engsten Zusammenhang stehende feindliche Fliegertätigkeit brachte der Flakwaffe zwei neue Arbeitsgebiete, die sie mustergültig bewältigte.

[605] Planmäßige Beobachtung von Arbeitsart und -gebiet der Masse der feindlichen Flieger, und sorgsamstes Verhör der in deutsche Hände fallenden Flugzeug-Besatzungen ließen wichtige Schlüsse zu. Der Koflak der 4. Armee richtete deshalb eine "Fliegerverfolgungsstelle" zur Vernehmung der Gefangenen, sowie eine "Flugnachrichtenstelle" (Fluna) ein, der das Abhören feindlicher Luftfunksprüche und die Beobachtung von Art, Zeit, Dauer, Stärke, Ort und Höhe des feindlichen Fliegereinsatzes zufiel. In enger Zusammenarbeit mit den eigenen Fliegerstellen konnte dadurch der Einsatz der eigenen Luftstreitkräfte wesentlich erleichtert werden. Ungefähr hundert feindliche Fliegerverbände waren im Verlauf der einzelnen Flandern-Schlachten vor der deutschen Front zusammengezogen. Schwer, wie der ungeheuerliche Kampf auf der Erde, gestaltete sich daher auch der in der Luft. Ihn zu bestehen, war nur mit Flakhilfe möglich. Wie sie den Gegner hemmte, erhellt schon daraus, daß er vor Beginn eines jeden Angriffsstoßes mehrere Flugzeuge nur zur Erkundung von Flakstellungen ansetzte und besondere Batterien für ihre Niederkämpfung bereitstellte.

Der Grundsatz beweglicher Verwendung bewährte sich in dem flanderischen Boden mit seinem hohen Grundwasserstand besonders gut. Schußsicherer Einbau war ausgeschlossen; auch hätte er bei dem unbegrenzten Munitionsaufwand der englischen Artillerie nicht viel genützt. Um aber den Mannschaften wenigstens während der Nacht die zur Erhaltung körperlicher und seelischer Kraft unerläßliche Ruhe zu schaffen, wurde eine Zahl betonierter Wohnunterstände gebaut, um die herum die Feuerstellungen der Geschütze lagen. Vorbereitete Sockel und behelfsmäßige Unterlagen, Munitionsnischen aus Holz und Deckungsstoffe gegen Fliegersicht erleichterten den Wechseleinsatz. Die zunehmende Steighöhe der Flieger engte den Wirkungskreis der Flak mittleren Kalibers (7,7 und 7,62) erheblich ein, so daß die schweren K-Flak immer mehr an Bedeutung gewannen. Bewegten sich doch mindestens 40 v. H. aller feindlichen Flugzeuge schon über 4000 m.

Der Masseneinsatz in der Luft bedingte eine entsprechende Häufung von Abwehrmitteln bei der 4. Armee. Im Höhepunkt der Kämpfe unterstanden dem Koflak 4 fast 200 Flakverbände mit rund 400 Offizieren und 7000 Mann. Die Flakgruppen zählten bis zu 30 Einheiten, rund 70 Offiziere, 1100 Mann. Vergleichsweise sei angeführt, daß ein Feldartillerie-Regiment zu drei Abteilungen und neun Batterien eine ungefähre Stärke von 85 Offizieren und 1300 Mann hatte. Während dieses aber über drei Abteilungskommandeure verfügte, war der Flakgruko auf sich und seinen eng bemessenen Stab beschränkt.

Einen Ausweg aus diesen unhaltbaren Zuständen fand man (neben einer Verstärkung der Stäbe) in der Zuteilung neuer Flakgruko an die Generalkommandos und in der Bildung von Untergruppen. So konnte man einzelne Gruppenkommandos mit zwei Flakgruppen ausstatten, deren Einsatz flügel-, oder was günstiger war, treffenweise erfolgte. Immerhin lag in solcher Teilung [606] Gefahr für die Einheitlichkeit der Leitung. Einrichtung von Untergruppen war daher zweckmäßiger.

Der Grundsatz galt: nicht Anhäufung vieler, sondern zweckmäßige Zusammenfassung weniger, aber für die jeweiligen Kampfzwecke am besten geeigneter Einheiten. Je weiter frontab, um so größer mußten die Kaliber sein. Gemeinsames Ansetzen mehrerer Formationen, namentlich K-Flak, auf starke feindliche Geschwader führte oft zu gutem Erfolg. Trotz aller Schulung ließen sich doch solche Verbände durch gutliegendes Feuer auseinanderbringen, verloren hierbei an Kampfkraft und boten dann den schwächeren deutschen Jagdkräften die Möglichkeit eines erfolgversprechenden Angriffs.

Die sich steigernden nächtlichen Fliegerangriffe erweiterten auch die Tätigkeit der Scheinwerfer. Allmählich spielte sich ein inniges Zusammenwirken zwischen ihnen, Flak und Flamga ein. Wie die Flak, wechselten auch sie häufig ihre Stellungen, um nicht zum Verräter der eigenen Schutzobjekte zu werden.

Der Munitionsverbrauch war angesichts der bisher nie gekannten Stärke der feindlichen Flieger besonders hoch. Das Fehlen eigener Munitionskolonnen machte sich daher stark fühlbar; vorübergehende Zuweisung von Lastkraftwagenkolonnen konnte dem Übelstand nicht dauernd abhelfen. In gleicher Weise hemmte das Fehlen genügender Reserven ihre Tätigkeit. Das ständige Massenfeuer hatte einen empfindlichen Geräteausfall zur Folge, der eben nicht ausgeglichen werden konnte. Selbst die Zeit zur Instandsetzung der Geschütze fehlte bei ihrer ständigen Inanspruchnahme hier und da. Das Mißverhältnis zwischen Bedarf und Ablieferung ließ auch die Einrichtung von Flakgerätelagern und Flakwerkstätten, die schnelleren Ersatz verbrauchten Materials ermöglichten, nicht zu voller Wirkung kommen.

Der Abschluß der Flandernkämpfe stellte die Flakwaffe vor eine neue Ausgabe. Eine ungewöhnlich lange Schlechtwetterperiode hatte die Fliegererkundung viele Tage hintereinander ausfallen lassen, so daß die Engländer die Vorbereitungen vor Cambrai in aller Verborgenheit hatten treffen können. Mit überraschend einsetzendem Artilleriefeuer wälzten sich am Morgen des 20. November unter dem Schutze des Nebels und hinter einem Schleier von Rauchtöpfen und Geschossen über 300 feuerspeiende Tank-Ungetüme gegen und über die deutsche Front. Eine kritische Lage äußerster Spannung entstand, als sich um die Mittagsstunde die feindliche Flut ungedämmt bis vor die Vorstädte Cambrais ergoß. Nichts mehr schien den Weg der gepanzerten Kolosse, hinter denen Infanterie und zum Durchbruch bereitgestellte Schwadronen dicht auffolgten, hemmen zu können.

Da warf eine K-Flak-Batterie, die auf die Nachricht von dem englischen Tankdurchbruch dicht südwestlich der Stadt in Bereitschaftsstellung gegangen war, ihnen Schuß um Schuß entgegen. Schon nach kurzer Zeit blieben drei Tanks bewegungsunfähig liegen. Der Rest stockte, ging vorübergehend in Deckung, und [607] zwei Schwadronen versuchten ihnen den Weg über die K-Flak-Batterie zu ebnen. Aber ein rasendes Schrapnellfeuer schlug den bis auf 100 m herangekommenen Reitern entgegen. In wilder Flucht retteten sich nur wenige van Albions stolzer Schar in den nahen Park von La Folie. Die Wucht des feindlichen Anpralls war gebrochen, die größte Gefahr an dieser Stelle behoben. Die Flakwaffe hatte gezeigt, daß sie auch im Kampf auf der Erde ihren Mann zu stehen wußte.

Diese Erfolge veranlaßten die Oberste Heeresleitung, eine größere Zahl leichter K-Flak beschleunigt ins Tankkampfgebiet zu werfen. Noch oft bot sich ihnen Gelegenheit zu wirksamem Eingriff. Schon am 23. November trug die gleiche Batterie durch Abschuß von fünf Tanks wesentlich dazu bei, daß das Dorf Fontaine-Notre-Dame von der Infanterie gehalten werden konnte.

Wenn die Engländer ihr weit gestecktes Ziel in diesen Tagen nicht erreichten, so haben durch die erfolgreiche Tankbekämpfung die wenigen deutschen K-Flak-Batterien einen wesentlichen Anteil daran. Begreiflicherweise führte dieses Ergebnis dazu, daß Kommandostellen ihre leichten K-Flak lediglich für Zwecke der Tankbekämpfung bereitstellten und so ihrer Hauptaufgabe, der Flugabwehr, entzogen. Es bedurfte erst einer Verfügung der Obersten Heeresleitung, um die sonst eintretende Schwächung des Luftschutzes zu unterbinden.

Die gleichzeitig mit diesem gewaltigen, monatelangen Ansturm im Westen verschärft einsetzenden Bombenangriffe gegen die deutschen Industriegebiete dürfen als erste starke Zeichen zunehmender Bedeutung des Raum und Zeit überwindenden, Front und Heimat nicht mehr trennenden Luftkrieges aufgefaßt werden. Neben rein zahlenmäßiger Steigerung war eine taktische Änderung doppelter Art zu verzeichnen. Der Gegner faßte seine Angriffe örtlich und zeitlich fester zusammen, und der Einklang zwischen Operationen an der Front und großzügigen Fliegerangriffen gegen das deutsche Heimatgebiet wurde merklicher. Während des Höhepunkts der Flandern-Schlachten fanden allein im Oktober 44 Luftangriffe hauptsächlich gegen das saarländische Industrierevier statt. 22 fielen allein auf den 1. und 2. Oktober, während sich der Rest auf das letzte Monatsdrittel zusammendrängte. Um die Abwehr zu ermüden, wurden mehrfach sich wiederholende Angriffe auf dasselbe Ziel durchgeführt. Stundenlange Störungen der Werke und damit verbundener Produktionsausfall mußten die Folge sein, auch wenn der tatsächliche Schaden durch Bombenwürfe gering blieb.

So hatte der Heimatluftschutz schweren Stand. Zunächst war die Neuorganisation durchzuführen, die durch die Unterstellung aller Formationen des Heimatluftschutzes unter den Kommandierenden General der Luftstreitkräfte bedingt war. (Vgl. Seite 581.) Losgelöst von den Bezirken der stellvertretenden Generalkommandos, konnten die Bereiche der Stoflak und Stoflum jetzt mehr nach taktischen, den Interessen der Schutzobjekte entsprechenderen Gesichtspunkten abgegrenzt werden.

[608] Folgerichtig wurde ein "Kommandeur des Heimatluftschutzes" geschaffen, in dessen Stab der bisherige Inspekteur der Flak im Heimatgebiet aufging, und dem der gesamte Heimatluftschutz unterstellt wurde. Seine ausführenden Organe waren der Stabsoffizier der Flugabwehr, der Flieger und drei neu errichtete Stabsoffiziere des Flugmeldedienstes im Heimatgebiet (Stoflumheim). Zur Scheidung der Ersatz- von den Luftschutz-Angelegenheiten wurde ein Kommandeur der Flakersatzangelegenheiten besonders geschaffen.

In Umrissen ergibt sich folgendes Bild. Die Rheinlinie wurde zur Basis mit drei Zentren um Essen, Frankfurt und Karlsruhe. Vorgelagert nach Westen bildeten sich zwei Zentren um Diedenhofen und Saarbrücken, während der Norden und Süden des Reiches - entsprechend dem Aktionsradius der Luftfahrzeuge - durch Flakgruppen um Hamburg, Emden und München gesichert wurde. Für den Osten kam Danzig zur Wahl. Auch die Gebiete des Flugmeldedienstes, der erst jetzt in den erforderlichen engen Zusammenhang mit der Flugabwehr trat, paßten sich diesen Schutzmaßnahmen mit drei Bezirken im Norden, Westen und Süden - Hamburg, Köln, Karlsruhe und München - an. Vorgeschoben befand sich ein Stabsoffizier des Flugmeldedienstes in Saarbrücken, wo außerdem eine Flugmeldeschule zur sorgfältigsten Ausbildung des Personals eingerichtet wurde. Sonderbrödelei einiger Bundesstaaten, namentlich Bayerns, brachte auch hier, wie bei der Fliegertruppe, unnütze Störungen.

Neben diesen organisatorischen Änderungen war eine wesentliche Verstärkung der Abwehrmittel notwendig. Daß sie zum Teil auf Kosten der selbst knapp ausgerüsteten Front ging, zeigt die hohe Bedeutung, die man an leitender Stelle einer ausreichenden Sicherung der Heimat

Französisches Luftschiff im Lichte deutscher Scheinwerfer.
Französisches Luftschiff
im Lichte deutscher Scheinwerfer
und im Feuer deutscher Abwehr-Batterien.
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 350.
zumaß. Eine erhebliche Vermehrung der Flak-Scheinwerfer ließ die Ausstattung besonders wichtiger Schutzgebiete mit einer inneren und äußeren Scheinwerferlinie zu. Die äußeren Lichtwerfer nahmen den Gegner aus seiner Anflugrichtung in Empfang und gaben sie im Lichtkegel an die innere Linie weiter. Allmählich gelang es so, Flugzeuge bis zu halbstündiger Dauer im Scheinwerfer festzuhalten, die Besatzungen derart zu blenden, daß sie ihr Ziel nicht mehr anfliegen konnten, und sie mit Flak unter gezieltes Feuer zu nehmen. Für diese Aufgaben wurden sogar bestimmte Formationen ausgeschieden, während der Rest ein dichtes Sperrfeuer um die zu schützenden Anlagen legte. Auch die Bedeutung der Maschinengewehre zur Abwehr tief herunterstoßender Flieger nahm so zu, daß die Industrie-Arbeiter, die bisher meist die Gewehre bedient hatten, durch militärisches Personal ersetzt werden mußten. Als bewegliche Reserven standen dem Koheimluft einige Flakbatterien und Scheinwerferzüge auf Eisenbahnwagen zur Verfügung, deren schnelle Verschiebung an besonders gefährdete Punkte das gute Eisenbahnnetz des Westens zuließ.

Technischer Ausbau und Wünsche der Industrie führten ferner zu einer Vermehrung der bisher wenig beachteten Luftsperrabteilungen. Sie wurden [609] unter einem Stabsoffizier der Luftschiffer im Heimatgebiet zusammengefaßt und hauptsächlich auf das Saargebiet, das lothringisch-luxemburgische und rheinische Industrieland verteilt. Obwohl sie bei günstigen Windverhältnissen nur 2500 m Höhe erreichten, sichtbare Erfolge nicht aufwiesen und einen erheblichen Aufwand an Personal und Material verbrauchten, behielt man sie nicht nur bei, sondern vermehrte sie im Laufe des Jahres von fünf auf sieben Abteilungen. Man wertete die moralische Wirkung, die sie einerseits beim Gegner im Gedanken des Anfluges gegen ein in der Luft hochgeführtes Hindernis, anderseits beim Werkpersonal im Bewußtsein, ein schützendes Drahtnetz um sich zu haben, auslösen mußte, höher, als greifbaren Erfolg.

Die Notwendigkeit, die Luftsperrabteilungen vor jedem Aufstieg eingehend über die Wetterlage zu unterrichten, bedingte die Aufstellung eigener Wetterwarten für den Heimatluftschutz.

Den offensiven Teil der Flugabwehrmittel bildeten die Kampfeinsitzerstaffeln, die schon zu Beginn des Jahres um drei Verbände verstärkt wurden. Auch sie waren in der Hauptsache an die Rheinlinie angelehnt, vorgeschobene Staffeln standen im Saarländischen. Naturgemäß lag ihre Stärke im Tagesangriff. Versuche, sie im nächtlichen Kampf einzusetzen, wurden bald wieder aufgegeben. Schon ihr Einsatz bei Tage stieß auf manche Schwierigkeiten, die nur im engsten Zusammenarbeiten mit dem Flugmeldedienst zu überwinden waren. Dazu wurde jeder Staffel eine eigene Flugwache angegliedert. Der Sitz des Kommandeurs der Flieger im Heimatgebiet - bisher Karlsruhe - wurde nach Frankfurt verlegt, um ständige persönliche Fühlungnahme mit dem Kommandeur des Heimatluftschutzes zu gewährleisten. Die feste Zusammengehörigkeit aller Teile der Luftstreitkräfte trat im Heimatluftschutz besonders klar in Erscheinung.


Luftschiffer und Wetterdienst.

Nach Durchführung der Neuorganisation war es die nächste Sorge des Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte, die Feldluftschifferverbände technisch zu kräftigen. Mit Auflösung der Heeresluftschiffahrt war eine Menge von Gerät und Personal der Inspektion der Luftschiffertruppen zugeflossen, die hierfür Verwendung finden konnte. Eine besser durchkonstruierte Motorenwinde und ein neuer, nach einem Beuteballon nachgebauter Ballontyp "Ae", der bei 850 cbm Inhalt schneller und höher stieg und stabiler war als der bisherige Drachenballon, mehrten die Leistungsfähigkeit der Züge bedeutend.

In taktischer Hinsicht wurden die Ballonzüge den Artillerie-Kommandeuren der Divisionen unterstellt, da die artilleristische Verwendung des Ballons immer mehr in den Vordergrund trat; überzählig verbliebene Züge wurden den Gruppenkommandeuren für besondere Aufgaben zugeteilt. Die Wahl der Aufstiegplätze, die zwecks engerer Fühlung mit der Truppe bis auf 6 km an die Front herangeschoben wurden, bedurfte besonderer Sorgfalt. Deckung gegen Sicht und [610] gute Anmarschwege zur Durchführung des Gastransportes waren notwendig. Um sich schnell dem nun häufigeren Fernbeschuß entziehen zu können, mußten zahlreiche Wechselaufstiegplätze erkundet und vorbereitet sein. Der Lebensnerv der Ballone blieb das Fernsprechnetz, auf dessen Ausbau erhöhter Wert gelegt wurde. Rücksichtslose Entblößung ruhiger Frontteile von ihren Ballonen zugunsten einer Hauptkampfstelle wurde auch hier, wie bei der Fliegertruppe, Grundsatz. Personal- und Materialersatz innerhalb einer Gruppe regelte der Feldluftschiffer-Abteilungsstab, der für taktische Meldungen eine Sammel- und Verwertungsstelle blieb.

Während der Siegfriedoperation blieben die Ballone eine wertvolle Ergänzung der Flieger. Die Möglichkeit stundenlanger, ununterbrochener Überwachung machte sie ihnen hierin gleichwertig. Ihre Meldungen über besondere Ereignisse an der Front vervollständigten das Bild über die jeweilige Kampflage wesentlich, zumal nächtliche Beobachtungen bei Mondschein Lücken der Tagesbeobachtung auszufüllen vermochten.Während der Rückwärtsbewegung blieben sie den Nachhuten angegliedert, um engste Fühlung mit Freund und Feind zu haben, sofern sie nicht zum Teil schon auf vorgeschobene, hinter der Siegfriedstellung vorbereitete Aufstiegplätze zurückgeschickt wurden. Von diesen aus konnten sie mit besonderen Artillerieformationen den heranfühlenden Feind unter Feuer nehmen oder seinen Artillerieaufmarsch empfindlich stören.

In den heißen Flandernkämpfen trat ihre Teilnahme am Artilleriekampf hinter der reinen Gefechtsbeobachtung zurück. Ständige Störung der Fernsprechleitung und durch dichte Pulverschwaden erschwerte Sicht als Folgeerscheinung unerhörten Massenfeuers sind die erklärlichen Gründe. Selbst Versuche, Verbindungen frontwärts mit Lichtsignalgerät und Leuchtraketen aufzunehmen, schlugen fehl. Trotzdem gelang die Überwachung des Kampfes so weit, daß die Führung, wenn auch oft mit erheblicher Verzögerung, über die allgemeine Lage der Schlacht unterrichtet blieb. Besonders schwer hatten die Züge unter den erstaunlich kühnen Angriffen feindlicher Flieger zu leiden, die nicht nur die aufgestiegenen Ballone, sondern selbst die Aufstiegplätze unter wirksames Feuer nahmen. Zu diesen Angriffen setzte der Feind jetzt ganze Geschwader ein.

Die Lehren der Flandern-Schlacht gipfelten in der Forderung, die Ballone, soweit eine Beobachtungsmöglichkeit es überhaupt zuließ, stärker für den Artilleriekampf zu verwenden. Nicht nur das Wirkungsschießen, sondern auch die allgemeine Feuerlage innerhalb der "Sperr"- und Vernichtungsfeuerzonen sollte gegen markante Punkte geregelt werden. Soweit nicht schon geschehen, wurden zur Bekämpfung von Zielen, die außerhalb der Reichweite der leichten Artillerie lagen, den Ballonen besondere "Überwachungsbatterien" schweren Flachfeuers (15 cm) mit unmittelbarem Fernsprechanschluß zugeteilt. Hiermit war ein bedeutsamer Schritt getan: das umständliche und langwierige Anfordern von Batterien zur Bekämpfung von Augenblickszielen fiel damit fort.

[611] Wetterdienst: Das Jahr der großen Abwehrkämpfe brachte auch dem Wetterdienst seine endgültige Organisation. Ständige Ausdehnung des Gaskampfes wie Verschärfung des Luftkrieges bedingte eine starke Vermehrung der nunmehr in "Wetterwarten" umbenannten Stationen.

Man kann zwei Hauptgebiete des Wetterdienstes unterscheiden: den besonders für den Gaskampf eingerichteten Truppenwetterdienst, der völlig im Feuerbereich lag und mit seinen "Frontwetter- und Divisionswetterposten" dem Gasschutzoffizier der Division unterstellt wurde und den allgemeinen Wetterdienst, der mit den Frontwetterwarten der Divisionen, den Feld- und später noch eingeschobenen Gruppenwetterwarten der Generalkommandos in den Armeewetterwarten der Oberkommandos mündete.

Einige Felddrachenwarten bei einzelnen Armeen hatten durch Temperatur-, Druck- und Windmessungen mit selbständig registrierenden Instrumenten die höheren atmosphärischen Schichten zu erforschen, um die fehlenden Wetternachrichten aus den feindlichen Ländern einigermaßen zu ersetzen. Während die Armeen grundsätzlich über eigene Warten verfügten, fand eine Zuteilung von Front- und Feldwetterwarten zunächst nur planmäßig an den Hauptkampffronten statt. Auch die drei Artilleriestäbe zur besonderen Verwendung, sowie die vier Gaspionierregimenter verfügten über eigene Wetterwarten.

Auf jedem Kriegsschauplatz regelte eine Hauptwetterwarte in Brüssel, Warschau, Sofia und Konstantinopel den Personal- und Materialersatz der an den Fronten eingesetzten Wetterwarten. Sie bildeten gleichzeitig das wissenschaftliche Zentrum der Fronten.

Die Tatsache, daß größere feindliche Fliegerangriffe gegen das deutsche Heimatgebiet in engstem Zusammenhang mit der jeweiligen Wetterlage standen, hatte schon zu Beginn des Jahres zur Errichtung einer besonderen Wetterwarte für den Heimatluftschutz geführt. Wegen seiner zentralen Lage und der in Frankfurt a. M. zusammenlaufenden Fäden aller Organe des Heimatluftschutzes erwies sich das Taunus-Oberservatorium des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. hierfür besonders günstig.

Ferner wurden Fliegerersatzabteilungen, Flieger- und Beobachterschulen, die sich bisher unzulänglicherweise von benachbarten Wetterwarten die Wetternachrichten hatten beschaffen müssen, mit immobilen Wetterwarten ausgerüstet. Ihre Zahl stieg von 15 auf 35.

Insgesamt verfügte der Wetterdienst im August 1917 über:

          Im Felde.
    3 Hauptwetterwarten.
    21 Armeewetterwarten.
    24 Feldwetterwarten.
    127 Frontwetterwarten.
    13 Felddrachenwarten, dazu bei jeder Division vorgeschoben:
    1 Divisionswetterposten, mehrere Frontwetterposten.

          In der Heimat.
    1 Heereswetterwarte.
       Militärische Posten der staatlichen Observatorien und der Seewarte Hamburg.
    1 Wetterwarte des Heimatluftschutzes.
    35 immobile Wetterwarten bei den Luftschiffhäfen und Fliegerstationen.

[612] Die Stärke der Warten betrug etwa 1 Leiter, 1 wissenschaftlichen Assistenten und 4 bis 6 Mann. Zur meteorologischen Fortbildung des Personals waren besondere Kurse bei den Hauptwetterwarten sowie Lehrgänge bei der Heeresgasschule und dem Kaiser-Wilhelm-Institut eingerichtet worden. Neben anderen hervorragenden Männern der Wissenschaft hat sich der bekannte Professor Hergesell besondere Verdienste um die Förderung des Wetterdienstes erworben.

Die für größere Luftunternehmungen ausschlaggebende Kenntnis der Gesamtwetterlage zwang im Interesse der Landesverteidigung, den Wetternachrichtendienst von Beginn 1917 ab geheim zu halten oder ihn doch so zu beschneiden, daß er für feindliche Agenten ohne Wert blieb. Die öffentlichen Wetterkarten und Hafentelegramme durften daher keine Isobaren und Windpfeile oder Nachrichten aus höheren Luftschichten mehr enthalten. Wettervoraussagungen waren erlaubt, durften jedoch erst am Abend erscheinen, so daß rechtzeitige Übermittlung an Feindesländer ausgeschlossen war. Der Wetterdienst des neutralen Auslandes fand keine Veröffentlichung mehr. Zur größeren Sicherheit wurden außerdem durch die stellvertretenden Generalkommandos sogenannte "Sperrgebiete" gegen das neutrale Ausland eingerichtet, innerhalb derer eine telephonische Weitergabe von Wetternachrichten verboten war. Gleiches galt für alle besetzten Gebiete. Der von der deutschen Seewarte täglich herausgegebene zusammengestellte Wetterbericht wurde nur noch an amtliche Stellen und einige zuverlässige Privatpersonen versandt, an das neutrale Ausland mit mehrtägiger Verspätung.

Dringende Wünsche der Landwirtschaft, die unter dieser Geheimhaltung empfindlich litt, führten im Laufe des Frühjahrs durch Besprechungen im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu gewissen Erleichterungen. Die von der Funkenstation des großen Hauptquartiers und einigen Marinestationen aufgefangenen Auslandswetternachrichten wurden mit Beobachtungen einiger militärischen Wetterdienststellen der Hamburger Seewarte übermittelt und von dieser ausgewertet dem öffentlichen Wetterdienst zugeführt. Trotz seiner hohen Bedeutung war der Wetterdienst vielfach unbekannt und deshalb nicht voll bewertet!


11 [1/590]Die ersten Anfänge des unmittelbaren Eingreifens von Flugzeugen in den Erdkampf bot die Somme-Schlacht 1916. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte