[117]
Der grenzdeutsche
Gürtel (Teil 5)
Das Deutschtum in Polen: in Pommerellen und Posen
In diesem Gebiet, das im Versailler Vertrag von Preußen abgerissen
und an Polen gekommen ist, leben jetzt noch ungefähr 390 000
Deutsche. Während das Deutschtum in Pommerellen und dem sogenannten
Polnischen
Korridor eine immerhin beträchtliche Rolle spielt, ist es im
Posenschen unendlich dünn geworden. Dirschau, Thorn, Graudenz sind
noch zur Hälfte deutsche Städte; auch Bromberg besitzt noch eine
starke deutsche Minderheit. Im allgemeinen hat der Besucher dort den Eindruck,
als ob bei der breiten Masse der Bevölkerung der Gegensatz zwischen
deutsch und polnisch nicht derart vergiftet ist wie in Posen, der Hochburg der
polnischen Nationaldemokratie, der schärfsten Gegnerin nicht nur der
Deutschen in Polen, sondern auch des deutschen Volkes und des deutschen
Staates.
Das Ziel Polens ist es, gerade dieses Gebiet möglichst schnell zu
polonisieren. Deshalb hat auch besonders hier der polnische Druck eingesetzt, um
durch Liquidation die erzwungene oder durch Erdrosselung die freiwillige
Abwanderung der Deutschen zu erreichen. Hierbei hat die Liquidation des
deutschen Besitzes eine viel verheerendere Rolle gespielt als die freiwillige
Option. Gestützt auf den Artikel 297b des Versailler Vertrags, ist
dem polnischen Staate das Recht eingeräumt, in den von Deutschland
abgetretenen Gebieten das Eigentum der nach dem 10. Januar 1920 reichsdeutsch
gebliebenen Personen zurückzubehalten und zu liquidieren. Dieses Recht
sollte eingestandenermaßen den Ausgleich für die Verluste bilden,
welche das Polentum in jenen Gegenden vor dem Krieg unter der Herrschaft der
preußischen Ansiedlungs- und Enteignungspolitik erlitten hatte.
Außer vier Gütern von zusammen 1656 ha auf Grund des
preußischen Enteignungsgesetzes von 1908, hatte die preußische
Ansiedlungskommission freihändig noch 4000 ha aus polnischer
Hand erworben. Um dieser winzigen Verschiebung willen sind bisher von Polen
auf Grund des oben angeführten Paragraphen enteignet worden:
80 Güter mit einer Fläche von |
65 700 ha |
1796 kleinere Besitzungen mit einer Fläche von |
28 300 " |
|
94 000 ha |
Das Liquidationsverfahren ist eingeleitet über |
70 000 ha |
hierzu tritt als Scheinliquidation die entschädigungslose
Austreibung
von 219 Domänenpächtern mit ca. |
440 000 " |
und 4 000 Ansiedlern mit rund |
60 000 " |
so daß Polen in fünf Jahren aus deutscher Hand genommen
hat |
664 000 ha |
[118] Bezahlt hat der
polnische Staat bestenfalls 160 Mark für den Hektar, die preußische
Ansiedlungskommission dagegen für jedes der rund 1650 enteigneten
Hektar 2119 Mark, d. h. das Vierzehnfache!
Im Jahre 1908 (!) schrieb die polnische Zeitung Lech in Posen:
"Zur Reihe der die Geschichte der
Menschheit schändenden Flecke tritt noch eine Schande, und zwar nicht die
geringste, dazu. Das Altertum hatte seine Christenverfolgungen, das Mittelalter
die Inquisition und die Hexenverbrennung, das 20. Jahrhundert dagegen die
preußische Enteignung."
Wenn die polnische Zeitung die vollbezahlte Enteignung von vier Gütern
mit solchen schweren Vorwürfen belegt, wie sollte man jetzt die fast
entschädigungslose Enteignung deutschen Grund und Bodens bezeichnen?
Bisher haben wir aber vergeblich in der gesamten polnischen Presse nach einem
Wort der Kritik gesucht. Es herrscht vielmehr von links nach rechts eitel Freude
und Jubel über diese Vergewaltigung des Deutschtums in Polen.
Mit welcher Brutalität bei der Liquidation vorgegangen wird und wie dabei
der oberste Rechtsgrundsatz jeder Verfassung, daß alle Bürger eines
Staates nicht nur gleiche Pflichten, sondern auch gleiche Rechte haben,
mißgeachtet wird, dafür legt folgende Interpellation der deutschen
Sejmparteien an den polnischen Finanzminister betreffs Beanstandung der vom
Liquidationskomitee in Posen vertretenen Rechtauffassung vollgültigen
Beweis ab:
"Wiederholt ist von amtlichen Stellen
die Zusicherung gegeben worden, daß polnischen Staatsangehörigen
deutscher Stammeszugehörigkeit grundsätzlich der Erwerb von
Liquidationsobjekten offenstehen solle. Demgemäß wurde auch
amtlicherseits stets die Herabdrückung des Verkaufswertes der
Liquidationsobjekte durch eine Beschränkung des Käuferkreises in
Abrede gestellt. Jeder Eingeweihte weiß allerdings, daß die Praxis der
Liquidationsbehörden zu jenen amtlichen Verlautbarungen in
schärfstem Gegensatz stand. Neuerdings hat nun das Posener
Liquidationskomitee ganz offen zugegeben, daß es die Liquidationsobjekte
für deutschstämmige Reflektanten sperrt, und es hat den Nachweis
zu erbringen versucht, daß es mit seiner Einstellung auf dem Boden des
Rechtes stehe. Den Anlaß zu dieser Demaskierung bot eine Klage, die ein
polnischer Staatsangehöriger deutscher Stammeszugehörigkeit beim
Obersten Gericht gegen das Posener Liquidationskomitee angestrengt hat.
Kläger hatte von einem Reichsdeutschen dessen Anteile an einer
Zuckerfabrik erworben. Nach erfolgtem Erwerb wurden die Anteile liquidiert. Auf
den klägerischen Schriftsatz, der die Erteilung der Genehmigung zu dem
Erwerb anstrebte, hat nun das Liquidationskomitee mit einer Replik geantwortet,
in der es heißt:
»Es muß bemerkt werden, daß der
Artikel 6 des Gesetzes vom 4. März 1920 keine Bestimmungen
darüber enthält, welchen Personen die Genehmigung erteilt, und
welchen sie versagt werden muß. Dieser Mangel ist verständlich mit
Rücksicht auf die politischen Verhältnisse und die Ziele, die die
Liquidationsgesetze anstreben. Der Zweck des Gesetzes ist, zu verhüten,
daß Objekte, die Eigentum deutscher Staatsangehöriger deutscher
Nationalität sind, in die Hände von polnischen
Staatsangehörigen gleichfalls deutscher Nationalität bezw. in andere
unberufene Hände übergehen, was im Widerspruch mit den
allgemeinen Zielen der Liquidation stehen würde.«
[119] Diese
'Rechts'auffassung des Liquidationskomitees stellt sich unseres Erachtens als die
schlimmste Rechtsbeugung dar. Denn sie setzt sich in Widerspruch zu den
fundamentalen Rechtsgarantien der Verfassung und des
Minderheitenschutzvertrages, die in pointiertester Weise die Gleichheit der
Bürger vor dem Gesetz festlegen, und die ausdrücklich eine
unterschiedliche Behandlung der Bürger je nach ihrer
Stammeszugehörigkeit ausschließen. Auch der Friedensvertrag, auf
den sich die Liquidationsgesetzgebung gründet, gibt nicht den mindesten
Anhalt dafür, daß die Liquidation zum Ziele haben sollte, die
Angehörigen der deutschen Minderheit vom Erwerbe des Vermögens
deutscher Reichsangehöriger auszuschließen.
Wir fragen daher den Herrn Minister:
1. |
Billigt er die Auffassung des Posener
Liquidationskomitees? |
2. |
Verneinenderfalls, was hat er getan, oder was
gedenkt er zu tun, um das Liquidationskomitee zu sorgfältiger Revision
seines Standpunktes zu veranlassen?" |
Diese Liquidationspolitik schlägt nicht nur dem polnischen
Wirtschaftsleben schwere Wunden, indem fähige Landwirte und
tüchtige Staatsbürger vertrieben werden, sondern sie kostet auch dem
Staate erhebliche Summen Geldes. Denn mit der Liquidation allein ist es
bekanntlich nicht getan. Es wäre ein zu bequemes Mittel, einfach zu
"liquidieren", und nichts dafür zu bezahlen! Es wäre das jenes
Mittel, das z. B. der Kurjer Poznanski empfiehlt, ohne zu bedenken,
daß solcher Bolschewismus, solche Zerrüttung des uralten
Eigentumsrechtes, sich bitter rächen muß. Liquidation bedeutet
"Enteignung gegen Entschädigung", d. h. angemessene
Entschädigung. Wenn also das Liquidationsamt auch die "Arbeit bereits
geleistet" hat, so ist damit der Staatssäckel nicht etwa reicher
geworden - es muß die Liquidierten entschädigen. Wie in
unseren Tagen solche Dinge wirken, zeigt eine sehr gute Darstellung der
Deutschen Rundschau in Bromberg, die uns eine ungefähre
Aufstellung der Kosten vermittelt. Danach wird durch die Entscheidung des
Ständigen Internationalen Gerichts im Haag in Sachen des Stickstoffwerks
Chorzow und der Liquidationen wieder die Frage der durch die polnische
Liquidationspolitik verursachten polnischen Schulden an Deutschland
aufgeworfen. Das Stickstoffwerk in Chorzow stellt, wie schon bekannt, einen
Wert von 100 bis 120 Millionen Goldmark dar. Falls Polen auf der Liquidation
dieses Werkes besteht, wird die polnische Regierung diese Summe zahlen
müssen. Hierzu kommen aber noch weit größere Summen, die
die polnische Regierung wegen ungenügender Entschädigungen
für Liquidationen an Deutschland zu entrichten hat, und zwar belaufen sich
die Klagesummen, über die das Gemischte Schiedsgericht in Paris schon
entschieden hat, auf rund 300 Millionen Goldzloty, das sind 240 Millionen
Goldmark. Dazu kommen weiter die Summen, die für die
Entschädigung von rund 3000 verdrängten Ansiedlern zu zahlen
sind, und die Entschädigungen, die für die verdrängten
Domänenpächter geleistet werden müssen. Endlich kommen
noch dazu alle die Entschädigungen für die widerrechtlich aus Polen
vertriebenen Deutschen und für die widerrechtlichen polnischen
Maßnahmen, die sich ebenfalls auf viele Millionen Mark belaufen. Nach
vorsichtigen Schätzungen unterrichteter Stellen beträgt die
Gesamt- [120] schuld Polens an
Deutschland weit mehr als eine halbe Milliarde Goldmark. Diese Summe
übertrifft den Betrag von 600 Millionen Goldzloty, mit dessen Einbringung
als Auslandsanleihe die Regierung die zerrissenen Staatsfinanzen zu sanieren
hofft.
Um das Deutschtum noch weiter mürbe zu machen, wird sowohl in die
kirchlichen Verhältnisse als auch in das deutsche Schulwesen
möglichst scharf eingegriffen. In kirchlicher Beziehung wird der schärfste Angriff
auf die katholische Kirche gerichtet, nicht nur weil die Zahl der
deutschen Katholiken viel geringer ist als die der deutschen Evangelischen,
sondern auch weil viele Gemeinden ohne deutsche Geistliche sind. In
Pommerellen z. B. gibt es insgesamt noch 40 000 deutsche
Katholiken, nirgends aber bestehen rein deutsche Pfarren, und daher gibt es dort
auch nur noch wenige deutsche Geistliche. In Posen sind von den vierzehn
Domherren nur drei deutsch. Dafür arbeiten diese drei Deutschen aber um
so energischer und treuer für ihr Volkstum. Besonders der Domherr Klinke,
der auch deutscher Sejmabgeordneter ist, besitzt weit über die katholischen
Kreise hinaus großes Ansehen und große Liebe. Er gehört zu
den führenden Männern des Deutschtums in Polen. Nur in
Putzig, Neustadt und Dirschau sind etwa die Hälfte der katholischen
Gemeinden noch deutsch, sonst ist es meistens nur eine kleine Minderheit, und an
vielen Orten wird für sie kaum noch deutsch gepredigt. Umso
größer ist das Verdienst der wenigen deutschgesinnten katholischen
Geistlichen, die trotz allen Drucks ihrer polnischen Vorgesetzten treu zum
deutschen Volkstum halten.
Besser steht es mit der evangelischen Kirche in Pommerellen und Posen, nicht nur
weil sie in diesem Gebiete viel zahlreicher ist, sondern auch weil sie von
deutschen Männern mit dem Superintendenten Blau an der Spitze klug und
energisch geleitet wird. Trotzdem sind die Verhältnisse in der
evangelischen Kirche nichts weniger als [un]zufriedenstellend. Pastor
W. Bickerich in Lissa hat in einer kleinen tapferen Schrift "Evangelisches
Leben unter dem weißen Adler" von den Verhältnissen der
evangelischen Kirche in Posen und Pommerellen folgendes erschütternde
Bild gegeben:
"Nach dem Zusammenbruch der alten
Staatsordnung in Preußen und Deutschland im November 1918 und der
darauf folgenden polnischen Erhebung, vollends aber nach dem
Friedensschluß von Versailles, hat die unierte evangelische Kirche in den
dem wiedererstandenen polnischen Staat zugefallenen Gebieten starke Verluste
erlitten durch die Abwanderung eines großen Teils ihrer Glieder. Nicht
bloß die Beamten, die dazu gezwungen waren, sondern auch viele
städtische Gewerbetreibende und Kaufleute, teilweise auch ländliche
Besitzer und Arbeiter, haben das Land verlassen. Namentlich die
städtischen Gemeinden sind dadurch in ihrer Existenz bedroht. Zur
Dorfkirche geworden, der führenden Schichten großenteils beraubt,
zählt die unierte evangelische Kirche in Großpolen und Pommerellen
heute in etwa 200 Gemeinden nur noch insgesamt ca. 340 000 Seelen.
Gefördert wurde diese Massenflucht durch staatliche Maßnahmen,
die Entfernung der Domänenpächter und vieler Ansiedler aus ihren
Gütern, die Liquidierung von Besitzungen der Reichsdeutschen, vor allem
aber die planmäßig vorschreitende Zerschlagung des einst so
blühenden deutschen Schulwesens. Fast alle höheren Schulen
(Gymnasien, Seminare) und viele evangelische Volksschulen sind in
katholisch-polnische [121] Schulen umgewandelt
worden. Es gibt bereits über 6600 evangelische Kinder, die
katholisch-polnische Schulen besuchen, 1400, die überhaupt keinen
Schulunterricht, 4500, die keinen Religionsunterricht mehr empfangen. Vielfach
wurden deutscherseits auf Grund des Artikels 8 des
Minderheitsabkommens Privatschulen und zwar nicht bloß höhere in
den Städten, sondern auch niedere auf dem Lande errichtet; diese verlangen
jedoch hohe Opfer von den beteiligten Hausvätern und unterliegen nicht
geringen Schwierigkeiten und Behinderungen. Schwerste Sorge bereitet die
Beschaffung der nötigen Lehrkräfte, nicht minder die der
Geistlichen. Die meisten deutschen Volksschullehrer haben in Voraussicht der
Polonisierung der Schulen das Land verlassen; dafür mußten
Hilfskräfte mit unzureichender Vorbildung eingestellt werden. Auch ein
Teil der Geistlichen ist, weil erst nach dem 1. Januar 1908 in das Land gekommen
(Art. 91, Abs. 2 des Friedensvertrages), nicht im Besitz des
polnischen Staatsbürgerrechts. Solche Geistliche sind mehrfach
ausgewiesen worden. Zu tunlichster Förderung des geistlichen
Nachwuchses ist im Jahre 1921 ein evangelisches Predigerseminar in Polen
gegründet worden. Seit 1922 gibt der evangelische Preßverband in
Posen eine Monatsschrift Evangelisches Kirchenblatt heraus. Die
rechtlichen Verhältnisse der unierten evangelischen Kirche in Polen sind
noch ungeregelt. Nachdem die evangelischen Gemeinden in Pommerellen (dem
früheren Westpreußen) und der von Ostpreußen und Schlesien
an Polen gefallenen Randgebiete dem evangelischen Konsistorium in Posen
unterstellt waren, traten Abgeordnete der beteiligten Kirchenkreise, nach alter
Weise gewählt, zu einer Landessynode zusammen. Diese hat im Dezember
1923 eine Verfassung beschlossen, die aber der staatlichen Anerkennung noch
entbehrt. Nach dieser Verfassung steht die Kirchengesetzgebung der
Landessynode, die oberste Kirchengewalt dem Landessynodalrat, die fortdauernde
Aufsicht und Verwaltung dem Konsistorium, die geistliche Leitung der Kirche
dem Generalsuperintendenten zu, der den Vorsitz im Konsistorium führen
und den Titel »Bischof« erhalten soll. Gegenwärtig hat dieses
letztere Amt D. Blau inne, der als Verfasser zahlreicher apologetischer und
erbaulicher Schriften in weiteren Kreisen bekannt ist."
In dieser Schilderung ist schon die Not der deutschen Schule in Pommerellen und
Posen gestreift worden, auf die noch wegen der Wichtigkeit der Schulfrage ein
wenig näher eingegangen werden muß. Die Schulfrage ist, wie
überall in den deutschen Minderheitsgebieten so auch in Polen, derjenige
Punkt, an dem sich der Kampf um die Ausrottung des Deutschtums früher
oder später entscheidet. Hier und in der anderen, fast ebenso wichtigen, der
des Besitzes von Grund und Boden, erfolgt daher auch immer der stärkste
und rücksichtsloseste Angriff der Gegner. Die Grundlage des
Rechtsanspruches auf deutschen Unterricht bildet der § 19 des
Minderheitenschutzvertrages, der folgendermaßen lautet:
"In bezug auf das öffentliche
Unterrichtswesen soll die polnische Regierung in den Städten und
Bezirken, wo in beträchtlichem Verhältnis polnische
Staatsbürger mit einer anderen Sprache als der polnischen wohnen,
angemessene Erleichterungen gewähren, um sicherzustellen, daß in
den Elementarschulen den Kindern dieser polnischen Staatsangehörigen der
Unterricht in ihrer eigenen Sprache erteilt wird."
Wie dieses Versprechen durchgeführt ist, dafür gibt folgende kleine
Statistik aus der vortrefflichen Schrift von Dobbermann, Die deutschen
Schulen im ehemaligen posenschen Teilgebiet, eine Fülle von traurigen
Belegen:
[122]
Gesamtüberblick über die Beschulung der
deutschen Kinder
im ehemals preußischen Teilgebiet
|
Nr. |
Landschaft |
Ges.-Zahl
d. dtsch.
Kinder |
i. dtsch.
öffentl.
Schulen
gehen |
i. private
dtsch.
Volksschu-
len gehen |
i. poln.
Schulen
gehen |
ohne
Unterr.
sind |
v. d. Ges.-Zahl
gehen in poln.
Schulen
% |
1 |
Pommerellen |
16 141 |
8 212 |
100 |
7 758 |
71 |
48,1 |
2 |
Netzegau |
14 600 |
12 676 |
90 |
1 769 |
65 |
12,1 |
3 |
Posen |
19 119 |
12 743 |
828 |
5 308 |
240 |
27,8 |
|
|
|
|
Summe |
49 860 |
33 631 |
1 018 |
14 835 |
376 |
29,8 |
Weiter weist der Verfasser überzeugend nach, daß bei gutem Willen
in Pommerellen nur 748, im Netzegau 169, in Posen 385, insgesamt also nur 1302
Kinder so zerstreut wohnen, daß man sie nicht zu Schulen (auch nicht zu
Privatschulen) zusammenschließen kann. Alle anderen aber könnten,
wenn die Behörde wollte, ohne Schwierigkeiten und ohne den geltenden
Bestimmungen Gewalt anzutun, aus den polnischen Schulen herausgezogen
werden.
Ein besonders trübes Kapitel bildet die Beseitigung aufrechter deutscher
Lehrer aus den deutschen Schulen. Besonders schwer haben auch hier die
katholischen deutschen Volksschullehrer zu leiden. So schreibt
D. Dobbermann:
"Das Bestreben der Behörde ist,
die deutsch-katholischen Lehrer, deren absolutes Deutschbekenntnis feststeht, zu
versetzen, bezw. wenn sie nicht fest angestellt sind, zu entlassen. Dafür
stellt man an deutschen Schulen polnische Lehrer an; so sind jetzt z. B. bei
86 deutsch-katholischen Kindern in Ostrowite, Kreis Konitz, zwei
national-polnische Lehrer angestellt. Die deutschen katholischen Lehrer dagegen
werden häufig an Schulen mit rein polnischer Unterrichtssprache versetzt.
Der Zweck dieser Übung ist, diese Lehrer durch eine rein polnische
Umgebung entweder zur Assimilation oder zur Abwanderung zu veranlassen.
Dieser Zweck ist schon recht oft erreicht; es wird in Kürze so sein,
daß kein wirklich deutscher Lehrer mehr für die deutschen
katholischen Kinder vorhanden ist. Der deutsche Junglehrer Lapke, der am 1.
September 1924 von der deutschen Schule Görsdorf, Kr. Konitz, an
die rein polnische Schule Lubna, Kr. Konitz, versetzt wurde, wurde wegen
ungenügender Kenntnis der polnischen Sprache mit dem 1. Juli 1925
entlassen."
Meistenteils gehen die nachgeordneten Stellen in der Provinz oft noch viel
brutaler vor als die ohnehin schon scharfen Verordnungen und Gesetze der
Zentrale es verlangen. Dem Posener Tageblatt vom 2. Mai 1924
entnehmen wir folgenden Fall, der z. B. das Recht der Eltern, über
die Nationalität ihrer Kinder zu entscheiden, leugnet und bei dem sich der
dortige Woiwode dieses Recht anmaßt:
"Der Lehrer Schroth in Nakel,
deutscher Nationalität, der einige Zeit auch an der deutschen Privatschule in
Znin tätig war, wurde von dem Kreisschulinspektor in Nakel gezwungen,
seine Tochter in die polnische Volksschule zu schicken, obgleich eine deutsche
Volksschule bestand. Er wird nun seit 1½ Jahren dauernd mit
Schulstrafen belegt, obgleich er sein Kind in die [123] deutsche Privatschule
in Znin schickte oder als Lehrer ihr selbst Unterricht erteilte. Wiederholte
Beschwerden an den Herrn Minister blieben ohne
Erfolg."
Viele Streitigkeiten würden beseitigt werden, wenn auf ganz Polen der
Artikel 131 des deutsch-polnischen Abkommens über Oberschlesien vom
15. Mai 1922 angewendet würde. Die Bestimmung lautet:
"Was die Sprache eines Kindes oder
Schülers ist, bestimmt ausschließlich die mündlich oder
schriftlich abgegebene Erklärung des Erziehungsberechtigten. Diese
Erklärung darf von der Schulbehörde weder nachgeprüft, noch
bestritten werden. Auch haben sich die Schulbehörden jeder Einwirkung,
welche die Zurücknahme des Antrages auf Schaffung von
Minderheitsschuleinrichtungen bezweckt, gegenüber den Antragstellern zu
enthalten."
Dann würde es auch nicht möglich sein, daß ein Vater aus dem
Arbeiterstande, als man sein Kind zum Polen machen wollte, entrüstet
ausrief: "Den will ich sehen, der mein Kind für eine andere
Nationalität in Anspruch nehmen will; ich werde ihn fragen, ob er mein
Kind gemacht hat!"
Viel hat, wie wir gesehen haben, das Deutschtum in Posen und Pommerellen in
wirtschaftlicher und kultureller Beziehung gelitten, viel Deutschtum hat
auswandern müssen, viel Deutschtum hat vielleicht zu leicht sich von
seinem Heimatboden getrennt; aber der Stamm, der dort geblieben ist,
kämpft zäh um das Recht, den Boden seiner deutschen Väter
nach wie vor deutsch zu bearbeiten und ihn deutsch seinen Kindern zu
überantworten.
|