C 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.
Die Angriffe von Soldaten auf friedliche Bürger mehren sich im besetzten Gebiet in geradezu erschreckender Weise.
Im Oktober 1919 wurde in Flörsheim ein Gastwirt in seiner Behausung blutig geschlagen. Verschiedene andere Leute wurden auf der Straße schwer mißhandelt, so daß sie blutüberströmt [69-70] liegen blieben. Beschwerden bei den
Offizieren – es handelte sich um das französische
82. Artillerie-Regiment – hatten nicht den geringsten Erfolg.
Belgische Soldaten mißhandelten und quälten unter den Augen ihres Kommandanten die Bevölkerung von Cleve. Die Landwirte R. und v. d. B. (60 J. alt) aus dem Orte Weyler wurden mit Füßen getreten, der letztgenannte wurde mit der Peitsche grundlos blutig geschlagen. (28. 3. 19.)
In Bonn befanden sich am 8. 1. 19 abends der Stadtschulrat Dr. B. mit dem Fabrikanten J., Kreistierarzt F. und stud. jur. L. auf dem Heimweg.
Ihnen entgegenkommende britische Soldaten stürmten ohne jeden Grund auf L. und J. ein, schlugen L. mit dem Seitengewehr über den Kopf und warfen J. zu Boden. Dann stürzten sich die Angreifer auf L. und F. und schlugen sie, daß sie blutüberströmt ihren Weg fortsetzen mußten.
In der Nacht vom 15./16. 4. 19 fielen in Mainz in der Gärtnerstr. 6–7 französische Offiziere über die Gebrüder M. her. Sie fragten zuerst nach dem Ausweis. Der eine Offizier versetzte dem O. M. einige heftige Ohrfeigen, so daß er zu Boden stürzte, wo er weiter mit Fäusten und Stöcken geschlagen wurde. Auch der andere M. wurde zu Boden geworfen, aufs schwerste mißhandelt und verletzt, so daß sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten.
Unter grundlosem Vorwande oder bei den geringsten Vergehen werden die Zivilbewohner der besetzten Gebiete auf das härteste bestraft oder grundlos verhaftet.
Ein Saarbrücker Bürger läßt im Café die Bemerkung fallen: "Wenn die Amerikaner nicht gekommen wären, wäre die Sache für die Franzosen doch wohl schief gegangen." Der französischen Behörde wird die Aeußerung durch einen Spion bekannt. Der Bürger wird mit
5000 Fr. = rund 25 000 Mk. Geldstrafe bestraft.
Ein anderer Saarbrücker Bürger macht eine abfällige Bemerkung über das französische Pferdematerial. Strafe
2000 Fr. = rund 10 000 Mk.
Verlust des Passes – wenn auch ohne Schuld – wird mit 3 Tagen Gefängnis bestraft.
Französische Patrouillen halten in der Nacht die Passanten an. Ein Mann läßt sich den Paß aushändigen und verschwindet mit ihm. Der zweite Soldat gibt dem Bürger sodann zu verstehen, daß er ihm gegen eine Entlohnung von
50–100 Fr. den Paß wieder zustellen würde. Geschieht das nicht, läuft der Beraubte Gefahr, von der nächsten Patrouille verhaftet zu werden.
Lebensmitteleinkäufe von französischen Soldaten oder lothringischen Schmugglern werden mit Zwangsarbeit bestraft!
Der Redakteur L. des Saarlouiser
Z.-Organs wurde zu 2 Monaten Gefängnis und 4000 M. Geldstrafe verurteilt, weil er der französischen Zensur andauernd angeblich aufhetzerische Artikel vorgelegt hatte, also Artikel, deren Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung noch völlig in der Hand der französischen Behörden lag.
Welch' ungeheurer Druck nach dieser Richtung auf der Bevölkerung liegt, beweist die Tatsache, daß für den Kreis Saarbrücken lediglich in einem Zeitraum von 14 Tagen 221 Personen zu insgesamt 179 500 M. Geldstrafen und 241½ Monaten Gefängnis verurteilt wurden.
Beim Vergleich gegenüber der amerikanischen Besatzungszone muß festgestellt werden, daß die Franzosen weitaus schärfer, rücksichtsloser und willkürlicher vorgehen als die Amerikaner.
Raubüberfälle, Plünderungen und Diebstähle sind an der Tagesordnung.
In der von Belgiern besetzten Zone in Aachen wurden beispielsweise in einem kurzen Zeitraum 60 Läden geplündert. In Düren sind in gleich kurzer Zeit 70 Fälle von Plünderungen bekannt geworden.
In der englischen Zone wurden im Brückenkopfgebiet Köln Mitte Dezember 1918 bis Februar 1919 den deutschen Behörden allein 600 grobe Ausschreitungen gemeldet. (Raubüberfälle, Erpressungen, Diebstähle.)
Die Uebersicht VIII wird hierüber näheren Aufschluß geben.
Infolge der Disziplinlosigkeit der Truppen entstehen schwere Schäden. Häuser werden rücksichtslos zerstört.
So wurde das Schloß Brühl von belgischen Soldaten geplündert und demoliert. Polsterungen wurden
aufge- [71-72] schnitten, Möbel, Porzellane, Kristalle, Kronleuchter, Spiegel usw. zerschlagen, sämtliches Silber gestohlen.
In der Schröderschen Seidenfabrik in Moers wurden am 23. 6. 19 Webstühle im Werte von 150 000 Mark zerstört und die Bureaumöbel und wertvolle Garne vernichtet.
Französische Truppen zerstörten und verwüsteten das Schloß Braunshardt, in dem mehrere Monate Brigadestäbe einquartiert waren, fast völlig.
Mit welcher Brutalität hier vorgegangen wurde, wird die Uebersicht XII zeigen.
Durch rücksichtslose Beschlagnahme besten
Ackerbodens – von dem bei der allgemeinen Hungersnot jeder Fleck dringend gebraucht
wird – für Spielplätze, Reitbahnen usw. wird der Landwirtschaft schwerster Schaden zugefügt.
So wurden an der holländischen Grenze Waldungen in größerem Umfange ohne Grund abgeholzt. Junge Anpflanzungen wurden von französischen Soldaten mutwillig zerstört.
Die Uebersicht XII wird auch hierüber Aufschluß geben.
Geradezu schamlos ist das Verhalten der Besatzungstruppen den deutschen Frauen und Mädchen gegenüber.
Zahlreich sind die Fälle bestialischer Vergewaltigungen.
Französische Soldaten zeichnen sich hierbei ganz besonders aus. Sie scheuen, um ihren Lüsten zu frönen, sogar nicht davor zurück, ihre unglücklichen Opfer mit der Waffe willfährig zu machen. Ja sogar der Mord ist ihnen für diese Zwecke ein geeignetes Mittel. Die Verfolgung dieser Verbrecher wird von den französischen Behörden ohne jeden Nachdruck betrieben. Eine Anzahl der Täter ist noch heute unbestraft oder nicht ausfindig gemacht.
Ohne Scheu werden in den lebhaftesten Gegenden der Städte Bordelle eingerichtet (Wiesbaden) und dazu Privatwohnungen rücksichtslos geräumt.
In der Uebersicht IV sind einzelne solcher Notzuchtsvergehen näher ausgeführt.
Ganz unerhört aber ist das Vorgehen gegen das Deutschtum an sich. Eine planmäßige Willkürherrschaft, im besonderen in der französischen Besatzungszone, unterdrückt jede Freiheit und jedes nationale Leben.
Den Besatzungsbehörden mißliebige Beamte werden grundlos abgesetzt oder ausgewiesen. So wurde der Oberbürgermeister G. von Wiesbaden ausgewiesen, nur aus dem Grunde, weil er den offenen Französierungsbestrebungen der Besatzungsbehörden mit starkem Willen entgegentrat.
Wie im Saargebiet gegen die Beamten und Vertreter des politischen Lebens verfahren wird, wie in
Elsaß-Lothringen das Deutschtum planmäßig mit rücksichtslosester Härte ausgerottet wird, zeigen andeutungsweise die Uebersichten V und VI.
Während in den von den Engländern und Amerikanern besetzten Gebieten
Versammlungs-, Verkehrs- und in beschränkem Maße auch Preßfreiheit herrscht, wird in den von den Franzosen besetzten Gebieten der
Post- und Eisenbahnverkehr zeitweise fast gänzlich abgeschnitten.
Versammlungen werden verboten, die Zensur in dem Sinne geleitet, daß alle kritischen Aeußerungen über die Entente unterdrückt werden. Oft werden die Zeitungen gezwungen, Hetzartikel gegen die deutsche Reichsregierung zu bringen.
Dabei brüstet sich die französische Republik stets ganz besonders, der Welt Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu bringen. In den besetzten deutschen Gebieten sieht man tagtäglich, wie himmelweit französische Theorie und Praxis sich entgegenstehen.
Ueber alle Maßen unwürdig ist die Behandlung der Beamten, besonders der Landräte und Bürgermeister. Einem Landrat wurden sämtliche Zimmer seiner Dienstwohnung abgenommen. Er war gezwungen, mit seiner schwerkranken Frau in einem Dachzimmer zu hausen.
Ein anderer Landrat fand bei der Rückkehr von einer Dienstreise seine sämtlichen Räume von 26 französischen Offizieren mit ihren Frauen besetzt. Er darf seine Küche nicht benutzen und muß seine Speisen von auswärts beziehen. Aus seinem Garten werden ihm sämtliche Kartoffeln und alles Gemüse ohne weiteres fortgenommen.
Gegen die arbeitende Bevölkerung wird mit der größten Strenge und Rücksichtslosigkeit verfahren. Es herrscht der reine Arbeitszwang. [73-74] Der französische General Andlauer, der Verwalter des Saargebiets, spricht einfach eine Requisition aller Belegschaften der Gruben zur Arbeit aus. Er verhaftet Arbeiter, die die Arbeit nicht wieder aufnehmen, bestraft sie mit
2–5 Jahren Gefängnis und weist sie aus.
Schon jetzt werden die Bewohner der besetzten Gebiete als völlige Heloten betrachtet. Das Unerhörteste auf diesem Gebiete ist der Grußzwang, die Institution des mittelalterlichen Geßlerhutes in leibhaftiger Gestalt. Die Uebersicht VII wird einige Beispiele hierfür bringen.
Eine besondere Seite der politischen Beeinflussung ist die Einmischung in die Schulangelegenheiten. Der französische Sprachunterricht wurde beispielsweise in vielen Teilen der Besatzungszone zwangsweise in allen Schulen eingeführt. Eine größere Zahl bisher in Deutschland allgemein eingeführter Schulbücher gänzlich harmloser Art wurde verboten.
Die Loslösungsbestrebungen absolut verschwindender Minderheiten in der Pfalz und an anderen Stellen werden von den französischen Behörden im schroffsten Widerspruch zu den von ihnen übernommenen gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen planmäßig gefördert, obwohl der überwiegende Teil der Bevölkerung treu zu Deutschland halten will.
Versammlungen der Angehörigen des abtrünnigen Bundes "Freie Pfalz" werden gestattet, solche der Reichstreuen verboten. Die Presse der Abtrünnigen wird sorgsamst unterstützt. Protestbewegungen der Reichstreuen werden dagegen rücksichtslos unterdrückt, die unerschrocken den Sonderbestrebungen entgegentretenden deutschen Männer verhaftet.
Ueber dieses unerhörte, unter Hintansetzung aller Verträge lediglich auf die brutale Gewalt pochende Verfahren wird in einem später herauszugebenden Nachtrag der "französischen Entnationalisierungsversuche der besetzten Gebiete" noch eingehend eingegangen werden.
Zu welcher gereizten Stimmung es infolge der fortgesetzten französischen Uebergriffe und planmäßigen Bedrückung der deutschen Bevölkerung bereits gekommen ist, zeigen klar die Streiks und Unruhen im Saargebiet, in der Pfalz, in
Birkenfeld, – das man bereits zu einer französischen Sonderrepublik machen
wollte, – und in Rheinhessen.
Nachstehender Aufruf der unterdrückten Bevölkerung des Saargebiets kennzeichnet die Lage. Es werden darin u. a. gefordert:
Rückgängigmachung aller erfolgten Ausweisungen; Wiederherstellung der freien Meinungsäußerung in Wort und Schrift, der vollen
Versammlungs- und Pressefreiheit. Ausweisungen, Aufenthaltsbeschränkungen oder Maßregelungen irgendwelcher Art von Angehörigen des Deutschen Reiches haben in Zukunft unter allen Umständen zu unterbleiben, weshalb die deutsche Reichsverfassung Anwendung auch auf das Saargebiet zu finden hat.
Sofortige Rückführung aller Kolonialtruppen.
Sofortige Aufhebung des Erlasses des Generals Mangin über die Grußpflicht gegenüber französischen Fahnen usw. und beim Spielen der Nationalhymnen der Alliierten.
Schutz vor Uebergriffen französischer Behörden und Einzelpersonen, strengste Bestrafung aller Schuldigen und Rückführung derselben nach Frankreich. Veröffentlichung der Namen dieser Personen unter Angabe der Schulddelikte und des Strafmaßes.
Sofortige Aufklärung der Morde an der Studentin Schnur und dem Architekten Lemnitz in Saarbrücken. Nennung der Schuldigen und Aburteilung nach dem geltenden Gesetz.
Diese Schilderung ist nur Fragment. Es wird einer späteren Abhandlung vorbehalten, die Leiden der Bevölkerung der besetzten Gebiete ausführlich der Welt vor Augen zu führen. Dann wird sie einsehen, daß der Deutschland gemachte Vorwurf, im besetzten belgischen und französischen Gebiet eine planmäßige Schreckensherrschaft geführt zu haben, ein lächerliches Lügenmärchen ist.
[75-76]
D 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.
6. 8. 14 Lüttich. Deutsche Truppen:
300 Einwohner wurden zu 4 auf die Brücken gestellt, um die belgische Artillerie an deren Zerstörung zu hindern.
26. 9. 14 Kl.-Antwerpen. Deutsch. Offiz.:
Ein deutscher Infanteriehauptmann umgibt sich mit 3 Kindern, um sich vor dem belgischen Feuer zu schützen.
D 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.
1901 Grandpan. Englische Truppen:
Brief des Staatspräsidenten Steyn an Lord Kitchener:
"Bei Grandpan beschossen Engländer ein Frauenlager, wobei Frauen und Kinder getötet wurden. Später nahmen Engländer gegen das Feuer der Buren Deckung hinter den Burenfrauen."
D 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.
8. 9. 14 Alt-Thann. Franz. Behörde:
Am 8. 9. 14 wurden elsässische Zivilbewohner während der Beschießung in das oberste Stockwerk des Gemeindehauses in
Alt-Thann eingesperrt mit der Begründung, falls eine deutsche Granate einschlüge, sollten sie das erste Opfer sein.
1915 Gegend von Pinsk. Russ. Truppen:
Als sich 1915 die deutschen Truppen auf der Verfolgung der Russen dem Sumpfgebiet von Pinsk näherten, trieben die russischen Nachhuten einen Teil der vertriebenen Einwohner den Deutschen entgegen. Sie hofften, durch diese grausame Maßnahme dem deutschen Feuer zu entgehen, da sie annahmen, daß deutsche Truppen auf friedliche Einwohnern nicht schießen würden.
Im übrigen vergleiche den Befehl der russischen Kommandobehörden, planmäßig die friedliche Zivilbevölkerung als Sturmbock zu benutzen, wie in der Uebersicht I geschildert ist.
Wie die Engländer die deutschen Soldaten als Schutz gegen das feindliche Feuer ausnützten, zeigt die Uebersicht XXI, Abschnitt A 3.
D 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.
Nach dem Waffenstillstand bot sich für derartige Vergehen keine Gelegenheit mehr.