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      [77-78]      Der Engländer A. G. Gardiner in "Daily News" vom 21. Juni 1920:
            "Die deutschen Kinder sind am Kriege so unschuldig wie deine und meine. Sie haben gelitten, wie die Kinder keiner Nation in der Geschichte jemals gelitten haben. Ist nicht die Zeit gekommen, etwas von jener Großmut gegen einen geschlagenen Feind zu zeigen, den man bei dem englischen Volk für herkömmlich zu halten pflegte? Das ist die empörte Frage, die sich jedem anständigen Engländer in Deutschland heute aufdrängt."

III. Hungerzwang, der der Bevölkerung auferlegt wurde.

("Rapport", Uebersicht 4.)

Der Amerikaner Th. Francis schreibt in einem lesenswerten Buche: "Die Engländer haben selten ohne Verbündete Krieg geführt, und dann haben sie gewöhnlich ihren Verbündeten die Hauptlast des Kampfes mit den feindlichen Armeen überlassen, während sie selbst emsig beschäftigt waren, die Frauen und Kinder des Feindes durch Blockade und Aushungerung zu töten. Das ist kein sehr heroisches Mittel der Kriegführung, aber eine furchtbar wirksame Methode, dabei grausam und entsetzlich."

Von diesem furchtbarsten aller völkerrechtswidrigen Mittel haben die Engländer schon vor dem Weltkriege mit Erfolg in Indien, Südafrika, Irland Gebrauch gemacht. In der Zeit des Burenkrieges erbebte ganz Deutschland vor Mitleid mit den armen Burenkindern, die unter dem englischen Hungerzwange in den Konzentrationslagern zu Hunderten zugrunde gingen.

Was bedeuten aber diese Leiden gegen das im Weltkriege volle 5 Jahre mit gewissenlosester Brutalität durchgeführte Hinmorden Hunderttausender von Menschen in Deutschland.

Kein Volk auf der Erde hat im Weltkriege so unter der Hungerblockade gelitten wie das deutsche. Handelt es sich doch um ein Volk von 67 Millionen, das sich jahrelang mit noch nicht einmal halber Beköstigung begnügen mußte, dem selbst die nötigsten Arzneistoffe von seinem unerbittlichen Gegner gesperrt wurden.

Man studiere nur die Angaben im Abschnitt A 3, um den grenzenlosen Jammer zu begreifen. Diese Angaben werden selbst von englischen Korrespondenten bestätigt. So schreibt H. J. Greenwall, der vom November 1918 bis April 1919 in Deutschland weilte:

[79-80] "Ich machte genaue Nachforschungen über die Geburtsziffern in den ärmeren Klassen Berlins, und meine Angaben beruhen auf Wahrheit. 70 v. Hd. der schwangeren Frauen sind unterernährt, und wenn sie in die Hospitäler gebracht werden, so sind sie in halbverhungertem Zustand. Infolge ihrer häuslichen Lage daheim ist es ihnen unmöglich, selbst die geringste Ration, die ihnen gewährt wird, zu ergattern, und haben sie die nötige Zeit, so stehen sie stundenlang vor den Läden, ehe sie an die Reihe kommen. Die Frauen stehlen natürlich für ihre Kinder alles, was sie nur können, selbst die Kartoffelschalen sind ihnen zum Stehlen nicht zu wertlos. Sie haben keine Kleider für die Neugeborenen. Man sieht die Kleinen in halbe Säcke gehüllt. 30 v. H. der Frauen sterben im Wochenbett, 30 v. H. ehelicher Kinder starben und 50. v. H. unehelicher. Ich habe in Berlin Dutzende von Kindern gesehen, die im Alter von 2 Jahren noch nie Milch geschmeckt haben. Die Kinder, die nach dem Kriege geboren sind, sind armselige Kreaturen."

Und trotz dieser eigenen klaren Erkenntnis der verzweifelten Lage Deutschlands setzt die Entente die Blockade noch nach dem Waffenstillstand fort, also nachdem der Kriegszweck für sie völlig erreicht war.

Nicht genug, daß Hunderttausende unschuldiger Greise, Weiber und Kinder zugrunde gingen, das ist für die Entente erst das halbe Ziel. Die deutsche Rasse soll vernichtet und auf unabsehbare Zeit verkrüppelt werden.

Diese bewußt mörderische Politik englischer "Menschlichkeit" erhellt so ganz aus folgendem Artikel der englischen "Weekly Dispatch" vom 8. September 1918:

"Wenn die Deutschen noch keinen Geburtenrückgang notieren können, so kommt es uns auch gar nicht darauf an, wieviel Kinder geboren werden, sondern ob die Geborenen auch lebensfähig sind. Zehntausende noch nicht geborener Deutscher sind für ein physisch minderwertiges Leben prädestiniert. Englische Krankheit wird die Seuche sein, die man am häufigsten bei den Deutschen treffen wird. Die tatsächlichen Folgen der Blockade wird die verbrecherische deutsche Nation erst in Zukunft erfahren. Deutschland ist heute ein verseuchtes Land. Die Tuberkulose tritt epidemisch auf. Der Hungertyphus rast in zahlreichen Gegenden. Hautkrankheiten nehmen dauernd zu. Der Mangel an Milch hat furchtbare Zustände unter den jungen Müttern, Kindern und Kranken hervorgerufen."

Dieser englische Artikel charakterisiert so recht den ganzen sittlichen Tiefstand englischer Auffassung von Völkerrecht und Menschlichkeit. Mit Recht sagt dazu die neutrale norwegische "Ukens Rewy":

"Man beklagt also nicht, daß die völkerrechtswidrige Waffe der Hungerblockade unvermeidlich auch Kinder treffen muß. Man stellt im Gegenteil mit Genugtuung fest, daß die Kinder besonders hart getroffen werden und nicht nur die jetzt lebenden Kinder, sondern die noch ungeborenen im Mutterleibe und die in den nächsten Jahren zur Welt kommenden. Die Rasse wird verkrüppelt, sie hat als Konkurrent ausgespielt. Da es bei Kriegsende, zwei Monate nach Erscheinen dieses Artikels des "Weekly Dispatch" noch zweifelhaft war, ob die Blockade ihren eigentlichen Zweck erreicht hatte, setzte man sie auf unbestimmte Zeit fort, bis man seiner Sache sicher sein konnte und hungerte das waffenlose Volk noch ein halbes Jahr aus."

[81-82] Fürwahr, alle angeblichen Brutalitäten und angeblichen Völkerrechtsverletzungen der Deutschen werden vor dem Richterstuhle der Geschichte verblassen gegenüber diesem Massenmord, den die Entente durch die Hungerblockade an den deutschen Frauen und Kindern begangen hat und noch begeht.

Wie will es die Entente gegenüber der Menschlichkeit rechtfertigen, daß bei dieser katastrophalen Notlage Deutschlands am 10. Oktober 1919 die Blockade über die Ostsee erneut verhängt wurde, daß, obwohl bereits Tausende von Kindern Hungers gestorben sind, noch hunderttausend Milchkühe dem blutleeren Lande abgepreßt werden.

Muß nicht jeden gerecht und vorurteilslos Wägenden ein wahrer Ekel überkommen ob der nie dagewesenen Heuchelei, wenn bei dieser Sachlage, bei diesem ungeheuren Vergehen der Entente gegen Völkerrecht, Menschlichkeit und Sitte noch obendrein die Anklage gegen die unterdrückten Völker der Zentralmächte erhoben wird, sie hätten anderen Völkern den Hungerzwang auferlegt. Und das, obwohl die Entente doch klar weiß, daß die Mittelmächte alles, aber auch alles für sich nötigst brauchten, nur um das eigene Leben kärglichst zu fristen.

Mit diesem zynischen Vorwurf, der von der Entente den Mittelmächten lediglich aus dem Grunde gemacht wird, um die eigene Schuld zu verdunkeln, wird England in der Welt keinen Erfolg haben.

Die Buren, Inder, Iren, Aegypter, sie alle, die am eigenen Leibe erfahren haben, was in England Recht und Menschlichkeit bedeuten, sie werden sich durch solche Spiegelfechtereien nicht einfangen lassen.

England wird, auch wenn es sich noch so sehr bemüht, das Bild seiner schweren Blutschuld nicht verwischen, das ein neutraler Kritiker in der "Ostschweiz" vom 14. Mai 1919 so treffend in die Worte faßt:

"Erschütternd erhebt sich wieder das gräßliche Bild Ugolinos von der schwarzen Wand der deutschen Geschichte. Ein solches Bild hat auch Dantes gewaltige Phantasie nicht auszuhecken vermocht, daß ein ganzes Volk unschuldig, kläglich verderben soll. Wie mag Nero sich schämen ob seiner Stümperarbeit!"

[83-84]
Anlage zu III

A 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.

1916–18 Ostmazedonien. Bulgarische Behörden:
      Von den Bulgaren systematisch organisierter Hungerzwang für Griechenland. Ungefähr 40 000 griechische Opfer.

A 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.

1654 Schottland. George Monk:
      1654 läßt George Monk, Militargouverneur von Schottland, bei seinem Einrücken in Schottland Magazine in sicherer Lage zurück und zerstört beim Vormarsch systematisch die junge Aussaat. Was nicht auswich, mußte verhungern. (Fortescue: A history of the british army.)

1674 Pfalz. Turenne:
      Als Turenne im Jahre 1674 die Pfalz erobert hatte, ließ er seine Truppen nach Belieben dort hausen und willkürlich die ganze Ernte so restlos aufbrauchen, daß die Pfälzer Bauern, wenn sie nicht verhungern wollten, gezwungen waren, auszuwandern. (Abbé Raguenet: Histoire de Turenne.)

Der planmäßige Hungerzwang ist ein kaltblütig durchgeführtes Kampfmittel besonders Englands gewesen. Was kümmerte es England, daß unter der Wirkung des Hungerzwanges Millionen zugrunde gingen, wenn nur Englands militärische und politische Zwecke erreicht wurden. Dieses Hungersystem kam im Burenkriege zur vollsten Anwendung.

1901 Oranje und Transvaal. Englische Behörden:
      In wenige, im Felde nicht mehr brauchbare Zelte zusammengepfercht, schlecht genährt und unverantwortlich gering mit sanitären Hilfsmitteln versehen, mußten die Burenfamilien monatelang ihr Leben fristen. An dieser schlechten Behandlung sind 39% der Kinder zugrunde gegangen.
      Ende 1900 sandte ein in England gebildetes Wohltätigkeitskomitee Fräulein Hobhouse nach Südafrika, um die Zustände an Ort und Stelle zu untersuchen.
      Frl. H. schreibt im Lager bei Bloemfontein (26. 1. 1901) z. B. folgendes:
      "Ich nenne dieses Lagersystem eine Grausamkeit im Großen. Nie, nie kann es aus dem Gedächtnis der Leute ausgelöscht werden. Die Kinder werden am härtesten davon betroffen. Sie welken in der furchtbaren Hitze und infolge der ungenügenden und ungeeigneten Nahrung dahin. Tausende, körperlich widerstandsunfähig, sind Lebensbedingungen ausgesetzt, die sie wegen Entkräftung nicht mehr tragen können. Wenn das englische Volk doch nur einmal versuchen wollte, sich die ganze trostlose Lage vorzustellen. Diese Art von Lager aufrecht zu erhalten, ist nichts anderes als Kindermord."
      In ihrem Buche gibt Frl. Hobhouse weiter die Gesamtzahl der in den Lagern gestorbenen Frauen und Kinder an. Sie beträgt nach der englischen Statistik

      Auf 1000 Menschen beträgt die jährliche Rate der Todesfälle

in England 18
Todesfälle in den Lagern 264
Todesfälle von Kindern in den Lagern   433

      Es ist also mehr als der vierte Teil der in den Lagern untergebrachten Menschen in der Zeit von Ende 1900 bis Frühjahr 1902 gestorben.
      Mit welcher klaren Absicht diese grausame Behandlung der Burenbevölkerung von den Engländern durchgeführt wurde, beweist ein Ausspruch des Generals Maxwell, des damaligen Gouverneurs von Prätoria:
      "Die Buren sollen sich eben ergeben, dann werden sich die Verhältnisse gleich bessern."

Im größten Stile haben schließlich die Engländer, um ihre politischen Ziele zu erreichen und ihren Reichtum zu vermehren, die Bevölkerung Indiens Hunger leiden lassen.

[85-86] Aus H. M. Hyndmann: "England for all":
      "Sir James Caird, die Herren Buck, Harmann und Robertson, sämtlich erfahrene Landwirte, erklärten einstimmig, daß das indische Land langsam verkommt. Robertson schätzt dieses Verkommen auf 30 v. H. in 30 Jahren und weist darauf hin, wie das Volk dazu getrieben wird, Baumwolle zum Verkauf anstatt Lebensmittel für seine Nahrung zu bauen und sich buchstäblich zu Tode zu hungern, um die Lasten für die Regierung aufbringen zu können. Aus allen Provinzen ertönt das gleiche Klagegeschrei. Eine verkommene Menschenmasse, eine minderwertige Rindergattung sind die Beweise der Wahrheit meiner Worte. Jahr für Jahr nehmen wir Indien die Landesfrüchte, die es doch nicht entbehren kann. Denn wir sind die Herren des Landes, machen uns von allen Seiten gut bezahlt und lassen diejenigen, die von uns abhängen, in Hunger und Elend umkommen."

Aus William Digby: "Prosperous British India":
      "Amtliche Ziffern zeigen im Durchschnitt über eine Million Todesfälle pro Jahr während der letzten 10 Jahre, oder, daß in jeder einzigen Minute jedes Tages und jeder Nacht vom 1. Januar 1889 bis zum 30. September 1901 2 britische Untertanen an Hunger oder an durch Hunger verursachten Krankheiten starben!"

Aus "Imperial Gazetteer of India 1909":
      "Durch die chronische tiefe Armut ist die Konstitution der Inder dermaßen geschädigt, daß sie widerstandsunfähig gegen Krankheiten sind, die dadurch endemisch werden.
      Die Ziffern zeigen, daß allein die aus verhütbaren Krankheiten, wie Cholera, Pocken, Dysenterie, Pest, Fieber usw. resultierenden Todesfälle durchschnittlich die Höhe von 5 Millionen im Jahr erreichen."

Aus "Selbstregierung für Indien", herausgegeben vom Europäischen Zentralkomitee der indischen Nationalisten:
      "Der Geburtenüberschuß beträgt in Britisch-Indien 5,6 und befindet sich in ständigem Niedergange, d. h. die Geburtenziffer sinkt und die Sterblichkeitsziffer steigt."

Die nachstehende Tabelle gibt eine Uebersicht über den Volkszuwachs in den einzelnen Ländern:

Natürliche Volksvermehrung in Prozent
der Bevölkerung:
Bulgarien 18,2
Holland 15,2
Deutschland       14,9
Australien 14,5
Rumänien 13,8
England 11,4
Japan 10,9
Schweden 10,6
Italien 10,6
Indien 5,6

Aus "Selbstverwaltung für Indien", herausgegeben vom Europäischen Zentralkomitee indischer Nationalisten:
      "Infolge der erdrückenden Steuerlasten und der ungeheuren Vermögensentziehungen ist das Land ein Opfer stetig wiederkehrender Hungersnöte geworden, deren Anzahl und Stärke sich unablässig steigert."
      a) Durch Hungersnöte verursachte Todesfälle: Von 1800 bis 1900 starben 32 Millionen Menschen, davon 19 Millionen allein in der Zeit von 1891 bis 1900. (Digby.)
      b) Häufigkeit des Auftretens der Nöte: Im 18. Jahrhundert 1. Hälfte 4 mal, 2. Hälfte 4 mal. Im 19. Jahrhundert: 1. Hälfte 12 mal, 2. Hälfte 35 mal. (Digby.)
      Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Hungersnöte chronisch geworden und treten fast jedes Jahr ein.
      c) Die Nöte werden durch Geldmangel, nicht durch Mangel an Nahrungsmitteln verursacht. Im Hungerjahre 1912/13 wurden Nahrungsmittel im Werte von 52 Millionen Pfund aus Indien ausgeführt. (Lord George Hamilton.)
      d) Nach einer Berechnung Sir William Hunters müssen 40 Millionen, nach einer solchen William Digbys sogar 70 Millionen des indischen Volkes ihr Leben fristen, ohne jemals genügende Nahrung zu haben.

Schließlich:
      "30 000 indische Familienväter bearbeiten den Boden für eine ausländische Gesellschaft und wissen nicht, wie sie den Hunger ihrer Familie stillen sollen!"

Man vergleiche mit dieser vorstehend geschilderten Art des englischen Vorgehens die Wirkungen der auf besonderes Betreiben Englands verhängten Blockade im Weltkriege auf das deutsche Volk, namentlich auf die Kinder. (Abschnitt A 3.)

[87-88]
A 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.

Die Blockade, die England über Deutschland verhängte, ist die grausamste Kampfform, die je in der Kriegsgeschichte erlebt wurde. Sie wirkte auf die deutsche Bevölkerung verheerend.
      Die Blockade in der Form, wie sie England durchführte, ist mit dem geltenden Völkerrecht unvereinbar.
      Ein geradezu teuflisches System wurde ersonnen, um Deutschland restlos von allen Hilfsmitteln abzuschneiden.
      Es soll nur an die Einschüchterungsversuche erinnert werden, um die Neutralen von der Nordsee fernzuhalten, die Erklärung der Nordsee als Kampfgebiet, die Ausdehnung des Begriffs "Bannware", das System der Schwarzen Listen, die Einschränkung der Zufuhren an die neutralen Länder, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, an Deutschland Lebensmittel abzugeben, schließlich an das Verbot für die Neutralen, sich an der Ausfuhr deutscher Provenienzen zu beteiligen. Alles Maßnahmen, die den Bestimmungen des Völkerrechts nicht entsprachen.
      Die Blockade war so, wie sie durchgeführt wurde, in der Tat eine Kette von Verstößen gegen das Völkerrecht.


Wirkung der Blockade auf die deutsche Bevölkerung.

Die interalliierte wissenschaftliche Verpflegungskommission in Paris hat am 25. 3. 18 als Mindestmenge für einen täglich 8 Stunden arbeitenden Mann im Mittelgewicht von 70 kg Lebensmittel mit etwa 3000 Kalorien Nährwert berechnet.
      Als Mindestration an Fett wurden 75 g festgesetzt.
      Demgegenüber fielen auf den Kopf der deutschen Bevölkerung aus den zugeteilten Nahrungsmitteln:
      im Herbst 1916 durchschnittlich 1344 Kalorien,
      im Sommer 1917 durchschnittlich 1100 Kalorien mit einem Eiweißgehalt von nur 30 g täglich, während als Mindestgehalt 60 g erforderlich sind.
      1000 Kalorien entsprechen dem Nahrungsbedarf für ein 2–3jähriges Kind! Wie außerordentlich sich die Lebensmittel infolge der Blockade im einzelnen verringerten, zeigt nachstehende Tabelle:

Nahrungs-
mittel
Verbrauch
im Frieden
Zuteilung
im Kriege
Für welchen
Zeitraum
Bemerkungen
Brot und Mehl 320 g 160 g täglich Dabei Ausmahlung des Getreides bis zum äußersten. Das Brot stand daher an Nährwert erheblich hinter dem Friedensbrot zurück. 1917 mußte das Mehl sogar durch Rüben gestreckt werden!
Fleisch 1050 g 250 g, in den
letzten Kriegs-
monaten sogar
durchschnittlich
nur 135 g
wöchentlich Dabei noch fleischlose Wochen, mageres Fleisch, ohne daß als Ersatz eine ausreichende Fettmenge gewährt werden konnte.
Fette Durchschnittlich
20 g Butter,
8 g Pflanzenfette und Oele, dazu noch eine gewisse Menge Schmalz, Talg, Margarine.
Durchschnittlich
einschließlich
Margarine
etwa 7 g.
pro Tag Also nicht einmal der 10. Teil des von der interalliierten Kommission festgelegten Mindestbedarfes. Der Ausfall war um so drückender, als die sonstigen Fettquellen in der Nahrung – fettes Fleisch, Milch, Eier – gänzlich fehlten, oder auf das äußerste eingeschränkt werden mußten.
Milch, Zucker, Genußmittel (Kaffee, Kakao, Tabak) waren nur in verschwindendem Umfange vorhanden und mußten durch Ersatzmittel ohne jeden Nährwert ersetzt werden.

[89-90] Folgen dieser Unterernährung. Außerordentliche Abmagerung. Das durchschnittliche Körpergewicht sank um rund ein Fünftel. Körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gingen zurück. Krankheiten, die als überwunden galten, traten erneut auf. Krankheiten anderer Art nahmen in erschreckender Weise zu. Bei Frauen litt die Fruchtbarkeit. Bei Kranken wurde die Genesung auffallend verzögert. Die Sterblichkeit nahm außerordentlich zu.

a) die Zunahme der Sterblichkeit zeigt nachstehende Tabelle, die im Vergleich zum Jahre 1913 das "Mehr" angibt.

Jahr     Zahl der Opfer,
  welche die Blockade  
gekostet hat
Zahl der Opfer
  auf Hundert der Sterbefälle  
des Friedensjahres 1913
1915   88 235   9,5
1916 121 174 14,3
1917 259 627 32,2
1918 293 760 37,0
Zusammen 762 796.

Es ergibt sich also das erschreckende, tief erschütternde Bild, daß rund 750 000 deutsche Nichtkämpfer an der Blockade zugrunde gingen!
      In welcher Weise die Blockade die Zahl der Sterbefälle in den einzelnen Altersstufen beeinflußt hat, zeigt deutlich nachstehende Uebersicht des Jahres 1917:

Altersstufe   Zahl der Opfer  
im Jahre 1917
  Prozentuale Zunahme  
der Sterbefälle
gegenüber dem
Friedensjahre 1913
Säuglinge und
Kinder bis 1 J.
1 – 5 J.
5 – 15 J.
 
  3 506
30 591
19 920
 
  2,4
49,3
55,0
männl. Erwachsene
(nur Nichtkämpfer)
15 – 48 J.
48 – 60 J.
60 – 70 J.
über 70 J.
 
 
12 856
19 720
22 890
37 944
 
 
42,2
29,2
35,2
40,8
weibl. Erwachsene
15 – 30 J.
30 – 60 J.
60 – 70 J.
über 70 J.
 
15 565
30 502
19 594
46 739
 
45,7
32,7
30,0
40,8

Im gleichen Verhältnis steigerte sich die Zahl der Erkrankungen aller Art.

b) Geburtenausfall.
      Der Gesamtausfall an Lebendgeborenen berechnet sich für 1914–19 gegenüber den Jahren 1910–13 auf rund 2½ Millionen Kinder!

c) Folgen des Mangels an Heilmitteln.
      Infolge der gestörten Zufuhr von Fetten, Oelen, amerikanischem Vaselin gingen die Grundstoffe für die Salben verloren.
      Wichtige Desinfektionsmittel, wie Kresolseifenlösung, Lysol, Formal[de]hyd, Sublimat, konnten nur in unzureichender Menge hergestellt werden. Dadurch wuchs die Gefahr der Krankheitsausbreitung!
      Die überseeischen Drogen fehlten, besonders Kampfer, Kopaira und Perubalsam.
      An chirurgischen Nähmitteln (Cotgus [Katgut]) mangelte es ungeheuer.
      Die fehlenden Baumwollverbandstoffe mußten durch schlecht lösbare, nicht genügend reißfeste und widerstandsfähige Mittel aus Zellstoff ersetzt werden.
      Das Ausbleiben der Kautschukzufuhr hatte das Fehlen von Gummikissen, Urinalen, Gummibinden, Operationshandschuhen, Kautschukheftpflaster zur Folge, worunter die Kranken und namentlich die Säuglinge (Gummisauger) außerordentlich litten.
      Die Gesamtkrankenpflege empfand auf das empfindlichste den Mangel an Wäsche und Seife.
      Der Korkmangel
hatte eine starke Verschlechterung der Arzneimittel, deren Abschwächung oder Verunreinigung zur Folge.
      Dazu kam das Fehlen stärkender, für Kranke geradezu unentbehrlicher Weine.
      Kein Wunder also, daß der allgemeine Gesundheitszustand sich außerordentlich verschlechterte, die Sterblichkeit in dem vorangeführten ungeheuren Umfange zunahm.

d) Folgen des Mangels an Seife.
      Infolge des außerordentlichen Mangels an Reinigungsmitteln nahmen die sogenannten Schmutzkrankheiten, Ruhr und Typhus außerordentlich zu, ebenso die Hautkrankheiten.

e) Leder und Kleiderstoffe wurden derart knapp, daß zur Zuteilung geschritten werden mußte. Der Bedarf [91-92] konnte bei weitem nicht gedeckt werden. Vielfach mußten Leute barfuß gehen. Erkältungskrankheiten waren die Folge.

Die Ernährung wurde in Deutschland durch die Blockade ganz nach der vegetarischen Seite verschoben. Brot und Kartoffeln bestritten 70 v. H. des Nährwertes der eingenommenen Kost, was an sich nicht bedenklich gewesen wäre, wenn pflanzliche Nahrungsmittel in ausreichender Menge und einwandsfreier Beschaffenheit zur Verfügung gestanden hätten. Beides war nicht der Fall.
      Wie sehr die Brotration herunterging, ist anfangs geschildert. Hand in Hand damit ging eine außerordentliche Verschlechterung der Beschaffenheit. Das reine Weizenbrot fehlte fast gänzlich.
      Vielfach mußte dumpfiges Mehl verwendet werden.
      Der Ausmahlungsgrad des Getreidekornes mußte außerordentlich gesteigert werden, zuletzt bis auf 94 v. H., so daß so gut wie alle Kleiebestandteile im Mehl verblieben und das Brot dadurch schlecht verdaulich wurde.
      Allmählich mußte das Getreidemehl sogar in zunehmendem Maße gestreckt werden. Zusätze von Trockenkartoffeln und andere Streckmittel, wie Bohnenmehl, Erbsenmehl, Gersten-, Maismehl, sogar Rüben kamen zur Anwendung. Durch den Zusatz von Kohlrübenmehl wurde das Brot fast ungenießbar!
      Wenn das Hauptnahrungsmittel nur in halber Menge zur Verfügung steht und dann noch wegen seiner schlechten Beschaffenheit geringwertig und schlecht verdaulich ist, sind schwerwiegende Folgen für die Volksgesundheit und Volkskraft unausbleiblich.
      Reis fehlte völlig, was sich für Kranke sehr bemerkbar machte. An Hülsenfrüchten und Obst trat infolge der Einfuhrsperre großer Mangel ein. Ebenso machte sich das Fehlen der Genußmittel bei der allgemeinen Nahrungsmittelknappheit doppelt bemerkbar.
      Der Mangel an Tabak zwang zur Ausgabe von Ersatzstoffen. Das Laub der verschiedenen Bäume und Pflanzen, Kiefernnadeln usw. wurde benutzt. Der Genuß dieser Ersatzstoffe führte nicht selten zu Erkrankungen.

Viel schlimmer noch als für die Menschen gestaltete sich infolge der Absperrung der überseeischen Kraftfuttermittel die Ernährungsverhältnisse für die notwendigen Nutztiere.
      Dadurch ging der Bestand an Schlachttieren, Milch- und Federvieh zurück. Aber auch der Bestand der allernotwendigsten sonstigen Nutztiere (Pferde, Zugvieh) war ernstlich bedroht. Dies brachte der Landwirtschaft in der Ackerbestellung und im Verkehrswesen außerordentliche Hemmungen, die ihrerseits wieder die Schwierigkeiten im Ernährungswesen bedrohlich verschärften.
      Bei dieser Sachlage wäre eine Wiederauffütterung der durch die Blockade ausgehungerten Bevölkerung nach Abschluß des Waffenstillstandes dringlichst geboten gewesen, wenn nicht alle vorstehend nur kurz angedeuteten Nachteile sich zu ungeheuren Schädigungen auswachsen sollten.
      Trotzdem wurde die Blockade von der Entente fortgesetzt.

A 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.

Trotzdem die katastrophale Ernährungslage Deutschlands bei Abschluß des Waffenstillstandes der englischen Regierung in vollem Umfange bekannt war, wurde die Blockade ohne jede Milderung noch bis zum 12. Juli 1919 fortgesetzt.
      Am 12. Juli 1919 wurde die Blockade also aufgehoben. Jedoch bereits am 10. Oktober 1919 wurde mit brutaler Kaltherzigkeit, obwohl die in großer Zahl in Deutschland herumreisenden neutralen Kommissionen und ententistischen Berichterstatter die deutschen Angaben über die Hungerkatastrophe vollauf bestätigt hatten, aus politischen Gründen nunmehr die kleine Blockade der Ostsee verhängt, die die Notlage Deutschlands erneut verschärfte.
      Diese kleine Blockade legte den größten und ertragreichsten Teil der Ostseefischerei lahm und verstopfte damit eine wichtige und bei den jetzigen Ernährungsverhältnissen unentbehrliche Nahrungsquelle.
      Im Jahre 1917 lieferte die Ostseefischerei noch 32 480 Ztr. frische Fische und 8420 Ztr. Heringe im Oktober, [93-94] 35 700 Ztr. frische Fische und 4200 Ztr. Heringe im November.
      Eine Lahmlegung der Ostseefischerei in diesen beiden Monaten bedeutet also einen sehr ansehnlichen Ausfall wichtiger Nahrungsmittel für die deutsche Volksernährung. Dabei stellte diese Blockade eine ganz zwecklose Maßnahme dar, deren einzige Wirkung es war, Deutschland wirtschaftlich und in seiner Ernährung zu schädigen und die Neigung zu inneren Unruhen zu vermehren.
      Die Ernährung des Küstenhinterlandes, das von jeher auf reichliche Fischversorgung angewiesen war, namentlich der großen Küstenstädte Kiel, Lübeck, Rostock, Stettin und derjenigen großen Städte, welche, wie Magdeburg, Berlin von der Ostsee aus beliefert werden, litten unter dieser erneut verhängten Teilblockade außerordentlich.

Im Dezember 1918 sandte Siegm. Schultze folgendes Telegramm nach Amerika:
      "Schon im Jahre 1916 habe ich die Möglichkeit gehabt, auf persönlichem Wege Nachrichten über die Folgen der Hungerblockade für die deutschen Kinder an Präsident Wilson gelangen zu lassen. Der Präsident hat mir damals antworten lassen, die Tatsache, daß infolge der Hungerblockade Hunderte von Kindern mehr in Berlin starben als in den früheren Jahren, bestärke ihn in seinem Bemühen, eine Aenderung der englischen Maßnahmen herbeizuführen. Inzwischen sind die Wirkungen der Hungerblockade, an der sich Amerika seit 1917 so wirksam beteiligt hat, in allerhöchstem Maße gestiegen usw...."

Tuberkulose und Darmerkrankungen ergaben unter den Kindern erschreckende Todesziffern.
      Die Zahl der allein in Berlin an Lungentuberkulose gestorbenen Kinder hat sich in der Zeit von 1915–1917 für die verschiedenen Altersstufen verdoppelt, ja verdreifacht.
      Nach Berechnungen beträgt der durch den Krieg herbeigeführte Geburtenausfall im ganzen Reiche über 4 Millionen.
      Und bei dieser der Entente völlig bekannten Sachlage fordert der Friedensvertrag noch die Auslieferung von 140 000 Milchkühen von Deutschland. Auch Amerika hat diesen Paragraphen des Vertrages mitunterzeichnet, obwohl sich Wilson bereits im Jahre 1916 bereit erklärte, auf England einzuwirken, die Wirkungen der Blockade gerade auf die Kinder abzuschwächen.

Von welch' katastrophalem Einfluß dieser Raub von 140 000 Milchkühen für die Ernährungslage der Bevölkerung, besonders der Kinder sein muß, gibt nachstehendes Beispiel ein klares Bild:
      In der "Deutschen medizinischen Wochenschrift" schreibt der ordentl. Professor Dr. Uhlenhuth:
      "Vor dem Kriege betrug die Milchzufuhr nach Berlin rund 1 Million Liter täglich. Im August 1916 betrug sie noch 430 000 Liter, im Mai 1918 300 000 Liter, im Mai 1919 nur noch 180 000 Liter. 300 000 Liter sind allein für die Milchkarten erforderlich. Auch in anderen Großstädten wird vielfach nur noch der zehnte Teil der Friedensmenge eingeliefert.
      Die Milchfrage ist nicht allein eine Fettfrage. Die Milch ist ein völlig unentbehrliches Nahrungsmittel. Sie ist für das Wachstum unserer Kinder unersetzlich. Auch Kranke und alte Leute können die Milch nicht entbehren.
      Die Auslieferung der Milchkühe und der dadurch bedingte weitere Ausfall an Milch würde den Tod von weiteren zahllosen Kindern zur Folge haben. Jedes Liter Milch, das man Deutschland nimmt, bedeutet die Tötung eines Kindes –, hat ein englischer Professor neuerdings ausgerechnet, – und die überlebenden Kinder würden in Krankheit und Siechtum verfallen. Die 'englische Krankheit' in des Wortes wahrster Bedeutung hat unter der Kinderwelt bereits in erschreckender Weise zugenommen, nicht am wenigsten infolge des Milchmangels. Dankbar müssen wir es anerkennen, daß Gelehrte der neutralen Länder, welche die Ernährungsverhältnisse in Deutschland studiert haben, lauten Protest gegen die Auslieferung unserer Milchkühe erhoben haben. Es ist die Pflicht der deutschen Aerzte, auch ihrerseits ihren Mahnruf erschallen und nichts unversucht zu lassen, damit ein weiteres Hinmorden unserer Kinder verhindert wird. Ich habe daher auf der am 27. und 28. Oktober in Weimar stattgehabten Tagung des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege folgende [95-96] Resolution vorgeschlagen, die allgemeine Zustimmung gefunden hat:
      'Der Verein für öffentliche Gesundheitspflege stellt fest, daß durch die Blockade unserer Feinde die Gesundheit des deutschen Volkes – besonders auch die der Kinder – aufs schwerste geschädigt worden ist. Vor allem ist es der Mangel an Milch, unter dem die Kinder besonders in den Städten schwer gelitten haben. Die von unseren Feinden geforderte Auslieferung von 140 000 Milchkühen und der dadurch bedingte Ausfall an Milch, unseres unentbehrlichsten Nahrungsmittels, würde den Tod von weiteren zahllosen Kindern bedeuten.'"

Der "Manchester Guardian" weist in einem Leitartikel auf die entsetzlichen Bestimmungen des Friedensvertrages hin, auf Grund deren die Milchkühe an Frankreich abgegeben werden müssen und sagt, daß die Bestimmungen nur durch Preisgabe des Lebens von unschuldigen Kindern erfüllt werden können. Die Auslieferung des Viehs würde den Tod von 600 000 kleinen Kindern veranlassen.

Betrachtet man dieses Gesamtbild des Vorgehens der Entente gegen Deutschland in einer Sache, die die gesamte friedliche Zivilbevölkerung auch nach Beendigung des Krieges auf das schwerste schädigen muß, so erhellt daraus unwiderlegbar die kaltherzige, zielbewußte, jeder menschlichen Regung bare Absicht, die deutsche Rasse zu schwächen, zu degenerieren und für die Zukunft konkurrenzunfähig zu machen.

Gegenüber dieser brutalen Kriegs- und Friedenswaffe der Entente verblaßt der uns seinerzeit infolge der Blockade aufgezwungene U-Bootkrieg, sowohl was die Absicht wie die Wirkung anbelangt, völlig.






Die Wahrheit über die deutschen Kriegsverbrechen:
Die Anklagen der Verbandsmächte
in Gegenüberstellung zu ihren eigenen Taten.

Otto v. Stülpnagel