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[109-110]
V. Verschleppungen von Zivilpersonen.

("Rapport", Uebersicht 7.)

Die Entente hat die Verschleppung von Zivilpersonen den deutschen Behörden zum besonderen Vorwurf gemacht. Sie hat diesen Vorwurf während des Weltkrieges in einem bisher nie erlebten Maße propagandistisch ausgenützt, um gegen Deutschland Stimmung zu machen. Ganz besonders ist es der Abschub der Liller Bevölkerung, den die Entente auch jetzt noch immer wieder in den Vordergrund ihrer Anklagen schiebt.

Auf diesen Vorgang muß daher hier näher eingegangen werden.

Die Ernährung der Zivilbevölkerung im besetzten Nordfrankreich war seit Kriegsbeginn der Gegenstand schwerer Sorge und steter Aufmerksamkeit der deutschen Obersten Heeresleitung. Während in Deutschland die Ernte 1914 durch das Zusammengreifen aller Zurückgebliebenen geborgen werden konnte, war dies in Nordfrankreich, weil Kampfgebiet, nur zum kleinen Teil gelungen. Schon im Spätherbst 1914 traten deshalb stellenweise ernste Ernährungsschwierigkeiten auf, die nur durch sehr beträchtliche Beihilfen aus deutschen Heeresbeständen überwunden werden konnten. Das durch die englische Blockade auf sich selbst gestellte Deutschland konnte der französischen Bevölkerung nichts bieten. Man mußte im Gegenteil darauf Bedacht nehmen, Teile des deutschen Heeres aus dem besetzten Gebiet zu ernähren.

Im Winter 1914/15 trat die OHL. dem Gedanken näher, die französische Bevölkerung mit Hilfe neutraler Staaten zu versorgen. Der Versuch, dies mit der Schweiz zu tun, scheiterte an dem Widerstande der französischen Regierung und an den großen Kosten, welche der Landtransport ab Marseille verursacht hätte. Erst im weiteren Verlaufe des Jahres 1915 gelang es, diese Frage mit Hilfe des spanisch-amerikanischen Hilfskomitees durch Zufuhr über Rotterdam zu lösen. Diese Versorgung arbeitete im ganzen zufriedenstellend. Aber trotz der großen Zahl der von den Amerikanern gelieferten Lebensmittel blieb die Ernährung doch knapp, besonders drückend war häufig der Mangel an Kartoffeln. Es war klar, daß auf die amerikanische Hilfe allein die Versorgung der französischen Bevölkerung nicht aufgebaut werden durfte. Aber die Hilfe, die aus der Tätigkeit der französischen Landbevölkerung erwuchs, war nur gering, denn hier fehlte es empfindlich an Arbeitskräften, während diese in der französischen Industrie brachlagen.

Schwierig wurde die Lage zu Beginn des Jahres 1916. Es lagen im Großen Hauptquartier mehrfache und bestimmte Anhaltspunkte vor, daß [111-112] die Versorgung durch Amerika bei den Engländern auf steigende Schwierigkeiten stoßen werde. Es waren Schiffe des Hilfskomitees von den Engländern beschlagnahmt worden, der Komiteepräsident Hoover hatte vom englischen Ministerium drohende Hinweise erhalten usw. Die zunehmende Unsicherheit des Seeweges, die Knappheit des Schiffsraums und die hohen Frachtkosten schufen empfindliche Erschwernisse. Dazu kam die Besorgnis der Engländer, daß die von den Amerikanern insbesondere in Belgien eingeführten Lebensmittel dazu dienen könnten, belgische Lebensmittel für Deutschland freizumachen.

Zu Anfang des Jahres 1916 gestalteten sich die Verhältnisse insofern besonders ungünstig, als

1. die bevorstehenden großen Kämpfe vor Verdun und die zu erwartenden kriegerischen Maßnahmen der Russen alle deutschen militärischen Kräfte voll in Anspruch nehmen mußten, somit nicht so viele militärische Hilfskräfte für landwirtschaftliche Arbeiten zur Verfügung standen wie im Jahre 1915 und

2. wurde gerade in dieser Zeit die Frage des verschärften U-Bootkrieges akut, nach welchem bekanntlich ein großer Teil des deutschen Volkes rief, weil man von ihm eine Beendigung der immer unerträglicher werdenden Ernährungslage in der Heimat erwartete.

Daß nach Inkrafttreten des verschärften U-Bootkrieges die amerikanische Lebensmittelversorgung noch weiter durchgeführt werden würde, mußte in hohem Grade zweifelhaft erscheinen. Da Deutschland selbst nichts liefern konnte und militärische Aushilfe gleichfalls nicht zu Gebote stand, mußte sich die Ernährung der französisches Zivilbevölkerung im besetzten Industriegebiet überaus bedrohlich gestalten. Eine Abhilfe erschien allein auf dem Wege möglich, daß die französische Bevölkerung selbst in ausgiebigerem Maße zu landwirtschaftlichen Arbeiten herangezogen wurde. Da die landwirtschaftliche Bevölkerung allein nicht genügte, blieb nur noch die umfangreiche Hinzuziehung der städtischen Bevölkerung übrig. Dies konnte größeren Bedenken nicht begegnen, da auch in Deutschland unter dem Zwange der Verhältnisse sich Kreise der landwirtschaftlichen Tätigkeit zugewandt hatten, die sich früher nicht damit befaßt hatten. An die weitgehenden Eingriffe in die persönliche Freiheit, die das deutsche Zivildienstgesetz brachte, darf erinnert werden.

Auch vom Standpunkt des Völkerrechts aus war eine Ueberführung industrieller Arbeiter in die Landwirtschaft unbedenklich. Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung besagt, daß der Besetzende alle Maßnahmen ergreifen muß, um die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben aufrecht zu erhalten. Daraus erwuchs der deutschen Behörde nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, Notstandsmaßnahmen für Sicherung der Ernährung der Bevölkerung zu ergreifen, selbst wenn solche Maßnahmen empfindlich in die Lebensgewohnheiten der Betroffenen eingreifen mußten. Artikel 52 stand nicht im Wege. Wenn er sogar voraussieht und als zulässig erklärt, daß Dienste von den Einwohnern gefordert werden dürfen, um die Bedürfnisse des Besatzungsheeres zu befriedigen, so war es doch gewiß nicht unzulässig, solche Dienste für die eigenen Bedürfnisse der französischen Bevölkerung in Anspruch zu nehmen. Auch kam in Betracht, daß [113-114] nach einer Verfügung der französischen Behörden vom August 1914 größere Verlegungen der städtischen Bevölkerung auf das Land im Falle von Ernährungsschwierigkeiten ausdrücklich vorgesehen waren. (Siehe z. B. "Journal officiel" v. 23. 8. 14, S. 7580.) Daß Altdeutsche aus dem Elsaß nach Frankreich verschleppt wurden, ohne daß ein Notstand vorlag, ist bekannt. Auch decken sich die im Jahre 1916 ergriffenen deutschen Maßnahmen im wesentlichen mit den Vereinbarungen, die durch das Berner Abkommen vom 26. 4. 18 mit der französischen Regierung getroffen wurden.

Ehe Zwangsmaßregeln ergriffen wurden, sollte der Versuch gemacht werden, freiwillige Arbeiter anzuwerben. Dieser Versuch schlug gänzlich fehl. Es meldete sich nur eine lächerlich geringe Zahl. Hier, wie überhaupt bei Arbeiten der französischen Zivilbevölkerung wurde von dieser befürchtet, daß später ein Artikel des französischen Strafgesetzes gegen sie von der französischen Regierung in Anwendung gebracht werden würde, falls sie ohne Zwang derartige Arbeiten geleistet haben würde. Sie "wollte" also gezwungen werden. Es handelte sich außerdem darum, ausgiebig und rasch zu helfen, die Frühjahrsbestellung drängte, und aus dem Gebiete der III. und VII. Armee lagen lebhafte Klagen über mangelnde Arbeitskräfte vor.

Da brach Mitte März 1916 in Roubaix eine Hungerrevolte aus, die zwar beigelegt werden konnte, die aber bei den örtlichen Stellen und auch beim AOK. VI die Befürchtung hervorrief, daß sie weitere Unruhen zur Folge haben würde, wenn es nicht gelänge, die Lebensmittelversorgung günstiger zu gestalten. Abgesehen von der Ernährungsfrage schuf das Vorhandensein der zahlreichen beschäftigungslosen Arbeiterbevölkerung im Liller Industriegebiet auch aus sozialen Gründen schwere Sorge. Die Beschäftigungslosigkeit war in erster Linie durch die englische Blockade hervorgerufen, die nicht nur für Deutschland, sondern auch für alle besetzten Gebiete die Einfuhr sogar zweifellos kriegsunwichtiger Rohstoffe verhinderte. Aus Arbeitslosen wurden Arbeitsscheue. Die Diebstähle mehrten sich. Denn beschäftigungs- und verdienstlose Arbeitermassen sind stets zu Exzessen geneigt. Und diese bedeuteten in der großen Stadt Lille, die so nahe hinter der Kampffront gelegen war, eine dauernde Bedrohung wichtiger militärischer Interessen, der vorgebeugt werden mußte. In sozialer Hinsicht kamen noch die Gefahren in Betracht, denen die zahlreiche weibliche Arbeiterbevölkerung in sittlicher Beziehung ausgesetzt war. Schon vor dem Kriege war in der Liller Gegend die gewerbsmäßige Unzucht weit verbreitet.

Es war ferner nicht zu verantworten, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung schwer arbeitete, während erhebliche Teile der Industriebevölkerung feierten, sich von jenen ernähren ließen, der öffentlichen Fürsorge anheimfielen usw. Aus solchen Erwägungen wurde daher die sich mit landwirtschaftlichen Arbeiten befassende Bevölkerung der Liller Vororte vom Abschub nicht betroffen.

Die Ueberführung eines erheblichen Teiles der beschäftigungslosen Industriebevölkerung zu landwirtschaftlichen Arbeiten war also nicht nur vom Standpunkt der Sicherstellung der Ernährung aus, sondern auch aus sozialen und sittlichen Gründen eine empfehlenswerte Maßregel, die die zahlreichen Müßiggänger den Segen der Arbeit wieder erkennen ließ. Ein hoch- [115-116] gestellter Franzose aus Lille hat den Gedanken als "gut" bezeichnet, wie durch Zeugen erhärtet werden kann.

Dies waren die Gründe für die Anordnungen der Obersten deutschen Militärbehörde vom 2. April 1916.

Wenn jetzt im "Rapport" und in der französischen Presse erneut der Vorwurf erhoben wird, der ganze Vorgang sei eine Verletzung des Völkerrechts, und wenn sogar in einige deutsche Kreise die Meinung Eingang gefunden hat, daß der Liller Abschub eine unüberlegte Maßregel, der Ausfluß militaristischer Willkür einzelner Machthaber gewesen sei, so ist dies sehr bedauerlich und kann nur dort auf bösen Willen, hier auf Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse zurückgeführt werden.

Immer wieder muß scharf betont werden, daß Deutschland durch die völkerrechtswidrige, unmenschliche Blockade zu solchen Maßnahmen geradezu gezwungen wurde.

Wie aber kann gegenüber dieser zwingenden Notlage Deutschlands die Entente ihre gleichgearteten, aber viel brutaler durchgeführten Maßnahmen rechtfertigen? Ihr stand zur Versorgung der Zivilbevölkerung und der Heere die ganze Welt offen. Die ungeheure Lebensmittelnot, die uns Deutsche bitter quälte, war ihr völlig unbekannt.

Trotzdem aber wurden tausende unglückseliger Bewohner Ostpreußens von den Russen ohne jedes Recht verschleppt, trotzdem mußten tausende deutsche Kolonisten ihre Wohnstätten zwangsweise verlassen, die sie in saurem Schweiße, in jahrelanger mühseligster Lebensarbeit und unter den größten Opfern und Entbehrungen sich erbaut hatten. Ihr schwer erarbeitetes Gut wurde der Willkür englischer und französischer Truppen einfach preisgegeben.

Welch ungeheure Tragik und welch schwerwiegendes Vergehen liegt schließlich im Gegensatz zu der uns Deutschen vorgeworfenen, aus der Not geborenen und rechtlich unanfechtbaren Verpflanzung belgischer und französischer Zivilbewohner, in der rücksichtslosen, völkerrechtswidrigen Verschleppung elsässischer Einwohner nach dem Waffenstillstande!

Dort in Belgien und Nordfrankreich der Kriegszustand mit seinen unerbittlichen Kriegsnotwendigkeiten. Hier im Elsaß der Waffenstillstand, der solche Maßnahmen der Entente nicht im entferntesten rechtfertigte.

Welche Gründe veranlaßten die französische Regierung, altdeutsche Männer aus dem Elsaß zu vertreiben, die teilweise nicht einmal wehrpflichtig waren?

Doch nur der brutale, jedem Rechtsempfinden hohnsprechende Wille des Siegers, das deutsche Leben im Elsaß völlig auszurotten.

Ebenso handelt Frankreich auch im Saargebiet.

Wie aber kann die Entente bei solchem eigenen Tun die deutschen Maßnahmen als brutalen Akt ungerechtfertigter Willkür hinstellen, sie, die sich in der gleichen Frage tatsächlich über jedes Recht und jede Menschlichkeit glatt hinwegsetzt?

Die Welt soll eben von den eigenen Missetaten abgelenkt werden. Die Entente stempelt der deutschen Regierung zum Verbrechen, was ihre eigenen Regierungen in weit überwiegendem Maße selbst begangen haben. Sie erhebt alle diese Vorwürfe lediglich zu dem einen Zweck, ihre eigene Schuld zu verdecken und den brutalen Friedensvertrag zu rechtfertigen.

[117-118]
Anlage zu V

A 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.

April 1916 Lille. Deutsche Kommandantur von Lille:
      Zu Ostern wurden Tausende von Einwohnern, unter ihnen viele junge Mädchen, plötzlich ihrer Familie entrissen, in fremde Gegenden überführt und zur Arbeit gezwungen.
      Diese Tatsache ist durch eine deutsche Proklamation vom April 1916 bewiesen.

12. 2. 17 Nesles. Deutsche Truppen:
      180 Frauen und junge Mädchen und 164 Männer des Ortes wurden nach Deutschland verschickt.
      Zahlreiche Fälle von Deportationen Angehöriger der Kommunalverwaltungen, um den Geschäftsgang zu hindern, Internierung von Zivilisten, oft unter brutalen Begleiterscheinungen.

A 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.

1793 Vendée. Französische Regierung:
      Die französische republikanische Regierung läßt 1793 nach Verwüstung der Vendée alle nicht streitbaren Einwohner wegführen.

1813 Preußen. Französische Regierung:
      Für die Förderung der Arbeiten an der Brücke und an den Wegen zu Wilhelmsburg wurden am 30. Juni 1813 Schiffs- und Hauszimmergesellen sowie Steinbrüder requiriert und ihnen Bezahlung verheißen. Anfangs sollten alle Zimmerleute aus Lübeck dahingehen; auf die Gegenvorstellungen des Maire durften jedoch 40 für die nötigen Bauten, auch die bei den Löschanstalten angestellten Zimmerleute zurückbleiben. Um indessen die Arbeiten auf Wilhelmsburg noch mehr zu beschleunigen und zugleich Volksunruhen in Lübeck vorzubeugen, welche in den nach Hamburg erstatteten Polizeiberichten fortwährend in Aussicht gestellt wurden, traf der Prinz von Eckmühl eine Veranstaltung, wodurch Hamburg geholfen und die Ruhe in Lübeck gesichert werden konnte. Er erließ einen Befehl, daß von der Stadt Lübeck ohne Verzug 560 Mann zur Arbeit an den Befestigungswerken Hamburgs geliefert werden sollten. Diese Leute sollten in 7 Kompagnien von je 80 Mann abgeteilt und jede derselben unter die Leitung von 5 aus ihrer Mitte von ihnen selbst gewählten Personen gestellt werden. Vier dieser Personen sollten die Funktionen der Sergeanten versehen und jeder 20 Mann kommandieren, die fünfte sollte als Kapitän die ganze Kompagnie befehligen. Damit den Arbeiten in der Stadt nicht alle Hände entzogen würden, sollte der fünfte Teil der nach Wilhelmsburg Abzuführenden aus Knaben von 13 bis 14 Jahren bestehen und soviel wie möglich aus den Kindern der zurückbleibenden Arbeiter ausgewählt werden. Die einzelnen unter Oberaufsicht eines Offiziers abreisenden Kompagnien sollten auf zwei Tage mit Lebensmitteln versehen werden.

Am Sonntage, dem 10. Juli, um die Mittagszeit, machten auf Befehl Thiebaults die Polizeiagenten und die Gendarmerie mit der Ausführung der von dem Prinzen verfügten Maßregel den Anfang. Arbeiter und Knaben wurden teils auf der Straße aufgegriffen, teils aus ihren Wohnungen geholt und in die Katharinenkirche eingesperrt, woselbst sie die Nacht über bleiben mußten. Den jammernden Frauen und Müttern derselben wurde jedoch gestattet, ihnen dorthin einige Lebensmittel nachzubringen. Am folgenden Tage wurde bis in die Nacht hinein die Razzia fortgesetzt. Anfangs waren auch manche nicht zu der Klasse der Arbeiter gehörenden Personen nach der Katharinenkirche ge- [119-120] schleppt worden: sie wurden jedoch, nachdem sie sich legitimiert hatten, sogleich wieder in Freiheit gesetzt, worauf der Maire Sicherheitskarten mit der Bezeichnung "Frei von der Schanzarbeit in Hamburg" ausstellte, was um so nötiger war, da in dem ersten Schrecken die Straßen verödeten und aller öffentliche Verkehr stockte. Für einzelne der Verhafteten liefen bei dem Maire schriftliche Verwendungen angesehener Bürger ein; Dienstherren und Handwerksmeister reklamierten die ihnen notwendigen Arbeiter und Gehilfen; Aerzte bezeugten die körperlichen Schwächen und Gebrechen mancher der Abgeführten; außerdem wurde das Büro des Maire von jammernden Frauen und Kindern förmlich belagert. Bei allem guten Willen konnte dieser indessen nicht viel für die Unglücklichen tun; doch erreichte er bei Thiebault wenigstens die Entlassung der Greise über 60 Jahre, der Familienväter von 8 Kindern, der fremden Reisenden und der Kranken, womit eine Kommission des Munizipalrats beauftragt wurde. Die Zahl der Aufgegriffenen wurde dadurch bedeutend vermindert.

Um die Zusammenbringung der geforderten Zahl zu beschleunigen, verordnete Thiebault, daß die zur Abreise nach Wilhelmsburg sich eignenden Personen so lange auf Kosten der Stadt ernährt werden sollten, bis jene Zahl da sei, welches am 12. Juli abends der Fall sein müsse, widrigenfalls er die Kommission des Munizipalrates, welche von ihm mit der Förderung dieser Angelegenheit beauftragt sei, nach Hamburg senden werde, damit sie dort über ihr bisheriges Verfahren Rechenschaft ablege. Der Maire nahm diese Drohung übel auf und suchte darzutun, daß bei der damaligen männlichen Bevölkerung Lübecks, welche durch Auswanderung und Konskription sich sehr vermindert habe, es unmöglich sei, mehr Leute für die Arbeiten in Wilhelmsburg herbeizuschaffen, zumal da manche zu diesen Arbeiten geeignete Personen sich unter den Dächern und in den Schornsteinen verborgen hielten; es wäre denn, daß man auch die bei den Schanzen, bei dem Marinekommissär und bei dem Kommissär für die Kriegslebensmittel beschäftigten Arbeiter in Anspruch nehmen wolle, in welchem Falle dann die auf Fürbitte mancher Bürger wegen ihrer Familienverhältnisse freigegebenen Leute an die Stelle derselben treten müßten. Der Chef des Generalstabes Allouis, an welchen das Schreiben gerichtet war, schickte dasselbe auf Befehl Thiebaults dem Maire zurück, mit der bitteren Bemerkung, daß der, welcher es konzipiert habe (der Maire hatte es selber getan), sich wohl in den Absichten des Maire geirrt habe. Die Nachsuchungen in den Häusern mußten demnach fortgesetzt werden und es wurden, da man weiter keine Rücksicht auf das Alter nahm, endlich etwa 500 Personen zusammengebracht, welche in Abteilungen und unter Militärbegleitung von dannen geführt wurden. Viele Familien wurden auf diese Weise nicht nur in Trauer, sondern auch in große Not versetzt, da sie ihrer Versorger beraubt waren. Für die Dürftigsten ließ der Maire auf Kosten der Kommune von der öffentlichen Kochanstalt täglich 750 Portionen Speise bereiten. Auch gelang es ihm, einer Anzahl Arbeiter, namentlich solchen, welche alt und kränklich waren oder zahlreiche Familie zu ernähren hatten, die Erlaubnis zur Rückkehr zu erwirken; jedoch mußten einige jüngere Personen, welche man inzwischen aufgefunden hatte, für sie eintreten.

Die Lage der nach Wilhelmsburg geführten Lübecker war höchst bedauernswert und gestaltete sich mit jedem Tage trauriger. Schon am 25. Juli berichtete der sich dort aufhaltende Ingenieur Behrens dem Maire: "Der Zustand der Lübecker hierselbst ist sehr traurig. Sie haben keine Kleidung; es gibt mehrere Kranke ohne die geringste Verpflegung. Einige haben in ihrer Verzweiflung den Tod in Wasser gesucht, um nicht vor Hunger zu sterben." Mehrere der Unglücklichen desertierten; doch kam von diesen nur einer nach Lübeck zurück, welcher sofort verhaftet und an das Gefängnis zu Harburg abgeliefert wurde. Der Munizipalrat Plessing, welcher am 5. August Wilhelmsburg besuchte, um sich über den Zustand der Unglücklichen zu versichern, begann seinen dem Maire abgestatteten Bericht mit den Worten: "Dieser Besuch wird mir ewig unvergeßlich bleiben; nie habe ich mir das wirkliche Elend so groß denken können." Er berichtet dann, daß die Arbeiter wie Gefangene behandelt und von Soldaten bewacht würden; daß sie nicht abgelöst würden: daß ihr Lohn, etwa [121-122] 7 Schilling täglich, nicht pünktlich ausbezahlt werde; daß die Kranken keine Hilfe fänden, selbst dann nicht, wenn sie bei der Arbeit beschädigt wären, auch daß sie, da sie nicht zum Appell kommen könnten, kein Geld und kein Brot (alle zwei Tage ein Kommißbrot) bekämen; daß das Nachtlager aller sich in den Scheunen der Bauern befände, wo sie auf Stroh oder Schilf liegen müßten; daß ihre Kleider und ihr Schuhzeug zerrissen wären und mehrere schon barfuß gingen; daß sie wegen Mangel an doppelter Leibwäsche von Ungeziefer und Krätze heimgesucht wären; daß bei der Teuerung der Lebensmittel und bei dem Geldmangel viele hungern müßten; daß die Verzweiflung bei den Unglücklichen bereits Eingang gefunden habe usw. Der Kommandant von Wilhelmsburg, Kapitän Nasselot de Régué, ein wohlwollender Mann, hatte inzwischen zwar die Verwendungen des Maire für die Entlassung einzelner auf das bereitwilligste und auch mit Erfolg bei dem Prinzen von Eckmühl unterstützt; die regelmäßige Zahlung des Soldes konnte er jedoch trotz aller Bemühungen nicht erlangen. Auf fernere Verwendung des Maire erhielten am 22. August die Kranken und über 60 Jahre Alten, 80 an der Zahl, die Erlaubnis zur Rückkehr und durch Requisitionen Transportmittel und Beköstigung auf ihrer Reiseroute. Auf eine fernere nachdrückliche Vorstellung des Maire bei dem Gouverneur von Hamburg, Grafen von Hogendorp, gab dieser endlich am 30. August auch den übrigen "Geißeln" (otages) ihre Freiheit; doch wurde ihnen der Sold für ihre letzten Arbeitstage nicht ausbezahlt.
      (Aus Klug: "Geschichte Lübecks 1811 bis 1813.")

Möchten sich die Franzosen jetzt bei ihren Anklagen über die, wie das Vorwort dieser Uebersicht zeigt, viel gerechter behandelte Liller Bevölkerung, ihre vorstehend geschilderten eigenen Taten recht genau vor Augen halten.

1864 Schimamdoah [Shenandoah]-Tal. General Sheridan:
      General Sheridan an Grant: "Ich weiß nicht, wie ich sie – die Versprengten der Armee Early – ausrotten soll, außer indem ich das ganze Land niederbrenne und die Bevölkerung nach Norden und Süden abschiebe."

1864 Georgien. Sherman:
      Generalstabsbericht Shermans im Sezessionskriege über seine Tätigkeit in Georgien: "Auch haben wir zahlreiche Sklaven fortgeführt."

14. 8. 1900 Südafrika. Lord Roberts:
      Lord Roberts ordnet am 14. 8. 1900 an, daß "alle Bürger in den besetzten Gebieten kriegsgefangen weggeführt" und so behandelt werden, "wie ich es für gut halte."
      So wurden Tausende von Frauen, jungen Mädchen und Kindern rücksichtslos aus ihrem Heim gerissen, in fremde Gegenden überführt und unter den härtesten Bedingungen in Konzentrationslagern zusammengepfercht. (Vergl. hiermit Uebersicht VI Abschnitt A 2.)

1905 Afrika. Engländer:
      England hat sich sogar nicht gescheut, im vollsten Frieden ganze Volksstämme zu verschleppen, wenn seinen Interessen damit gedient war.
      In der zweiten Hälfte 1905 beschlossen die Engländer mittels eines Willkürgesetzes, daß der ganze Stamm der Nandi seine Wohnsitze verlassen und sich in ein Reservat begeben solle, das ungefähr 130 km entfernt lag. Da die Nandi diesen willkürlichen Befehl nicht befolgten, wurden sie mit Gewalt vertrieben. Eine furchtbare Jagd wurde veranstaltet, ihr Vieh ihnen größtenteils weggenommen und an eine Bande von Somalis versteigert. Einige Zusammenstöße erfolgten, bei denen viele fielen; mehr noch starben vor Hunger und Kälte, da das Gebiet 2000–2700 m über dem Meere liegt.
      Dieses Verfahren gegen die Nandi hat den Engländern nicht nur das Land, sondern auch reiche Beute gebracht. (Nach einer Meldung der "Verité sur le Congo" vom 15. 3.: 10 300 Stück Großvieh und 18 000 Schafe und Ziegen.)

A 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.

Aus Ostpreußen wurden August 1914 bis März 1915 bei den Russeneinfällen über 10 000 Einwohner, darunter viele Frauen und [123-124] Kinder, ihren Wohnsitzen entrissen und in das Innere Rußlands verschleppt. Die Verschleppung erfolgte unter den unerhörtesten Qualen.
      Meist wurden die unglücklichen Opfer ohne jede vorherige Benachrichtigung aus ihrer Beschäftigung herausgerissen. Ohne die Möglichkeit, sich für den Leidensweg zu rüsten, wurden sie oft in leichtester Kleidung bei Eis und Schnee abgeschoben.
      Besitzer E. aus N. wurde am Brunnen ergriffen und in Holzschuhen und Unterjacke fortgeschleppt.
      Pfarrer F. aus F. wollte seinen Mantel anziehen, was verweigert wurde.
      Lehrer L. aus Sch. wurde auf dem Heimweg ergriffen, die zehnjährige Schülerin L. aus T. bei einem Besuch bei ihrer Tante. Sie mußten mit, ohne ihre Angehörigen benachrichtigen zu können.
      Die Kaufmannsfrau W. besuchte ihre Schwägerin in N.; sie mußte mit dieser, deren 2jährigen Tochter und 78jährigen Mutter den Russen folgen.
      Kaufmann D. aus F. begleitete als Krankenpfleger einen Verwundetentransport nach Neidenburg. Er wurde dort von einem russischen Offizier mit den Worten verhaftet: "Wir Russen nehmen auch vom Roten Kreuz gefangen".

Der Abtransport erfolgte dann gewöhnlich derart, daß ein größerer Ort als Sammelstelle eingerichtet wurde. Von dort ging die Reise zu Fuß nach Rußland hinein oder bis zur größeren Eisenbahnstation. Auch hierbei erduldeten die Gefangenen außergewöhnliche seelische und körperliche Leiden.
      Kaufmann A. aus I. berichtet über die Fußmärsche zum Bahnhof: "Am 12. 9. 14, 3 Uhr morgens, wurden wir auf der Straße aufgestellt, von den Russen beschimpft, mit Füßen gestoßen und abgeführt. Auf dem Wege nach Wirballen wurden wir auf freiem Felde in einem Klumpen umkreist und mußten so übernachten, auch die bei uns befindlichen Frauen."
      Uhrmacher K. aus U. mußte mit seinem Gefangenentransport 60 Kilometer im Geschwindschritt marschieren. Die Gefangenen wurden mit Kolbenstößen angetrieben.
      Leute aus dem Kreise O. wurden in Tula in Rußland bei 28 Grad Kälte von Berittenen zum Bahnhof getrieben. Das Elend der Frauen und Kinder dieser Kolonne war grenzenlos. Kinder erfroren auf dem Transport.

Bei dieser Sachlage kamen die Gefangenen schon an den Sammelstellen in schrecklicher Verfassung an.
      Eine Pfarrfrau aus Wilna hierüber: "Ich begab mich zum Gefängnis. Dem Gefangenenaufseher standen Tränen in den Augen. So etwas ist bei uns noch nicht vorgekommen, sagte er. Die Leute haben seit 4 Tagen keinen Bissen gegessen. Sie sind ganz schwach vor Hunger und Frost. Es war ein Jammer. Man hatte ihnen nicht gestattet, warme Kleidung anzulegen. Wie sie standen, im Hauskleid, mit Pantoffeln, mußten sie fort und wurden von Etappe zu Etappe durch die Gefängnisse geschleppt. Vormittags waren sie angekommen, nachmittags mußten sie weiter. Lauter Frauen und Kinder. In derselben Nacht läuft ein Sanitätszug ein. Der letzte Wagen ist ein fest verschlossener Viehwagen, aus dem lautes Jammern dringt. Als er geöffnet wird, drängen sich zwei Frauen vor, jede ein totes Kind auf dem Arm. Vor Hunger und Kälte waren die armen Würmer unterwegs gestorben. In dem Wagen sind 40 Menschen, die alle seit 5 Tagen nichts gegessen haben."

Ein großer Teil der Verschleppten wurde in die Gouvernements Orenburg, Astrachan, Saratow, Simbirsk, Kasan, Tobolsk und Tomsk gebracht. Aus Jenotajewsk wurde seinerzeit ein ergreifendes Bild der dortigen Zustände veröffentlicht: "Es war Mitte Dezember, als an einem klaren Frosttage (etwa bis -20 Grad Celsius) über das Eis der Wolga zum ersten Male einer jener traurigen Züge der aus Ostpreußen verschleppten Landsleute kam. Etwa 100 Personen, meist Männer, doch auch Knaben von 12 Jahren und Greise von über 90 Jahren, schleppten sich mit den letzten Kräften in schweren Holzschuhen, zerfetzten Stiefeln, teils nur in Strümpfen, ja einer barfuß, über das Eis. Ihre Kleider waren Lumpen von Sommeranzügen, denn sie waren über 6 Wochen seit ihrer [125-126] Gefangennahme unterwegs in Viehwagen und Gefängnissen, am letzten Tage hatten sie den etwa 50 km langen Weg von Charibali her zu Fuß gemacht und waren verurteilt, am nächsten Tage weitere 70 km nach Nikolsk zu gehen."
      Die russischen Behörden beschränkten sich darauf, diese armen, kranken und entkräfteten Menschen in die Ortschaften hineinzutreiben, ohne ihnen zunächst die geringste Unterstützung zu gewähren.

Die Unterbringung während des Transportes erfolgte ausschließlich in den Gefängnissen. In der rohsten Weise wurden Männer, Frauen und Kinder in engen, schmutzigen Zellen zusammengepfercht und behandelt.
      In Philippowo wurden z. B. 100 Mann in einem für 30 vorgesehenen Raum eingesperrt. Das Essen wurde in schmutzigen Eimern gereicht, aus denen die Gefangenen mit den Händen essen mußten.
      In Samara wurden 88 Mann 3 Tage lang in einem für 20 Arrestanten berechneten Raume untergebracht.
      In Smolensk wurde Verpflegung überhaupt nicht geliefert. Selbst um Trinkwasser mußte förmlich gebettelt werden. Nur der Umstand, daß die Verschleppten einige Lebensmittel mitgebracht hatten, rettete sie vor dem Hungertode.
      Besitzer R. aus N. Sch. mußte im Gefängnis in Tauroggen mit seinen Leidensgefährten 4 Tage hungern.

Die Verschleppten wurden fast allgemein ihres Geldes und ihrer Wertsachen beraubt, entweder bei der Festnahme oder bei den Visitationen in den Gefängnissen.
      Dem Pfarrer F. aus F. wurde der Rock vom Leibe gerissen und sein Geld fortgenommen.
      Der Frau Sch. aus W. wurden Uhr und Ringe fortgenommen.
      Dem Gutsbesitzer P. aus Sch. wurden seine letzten Stiefel geraubt.
      Der Kaufmann W. aus F. wurde völlig ausgeraubt, sogar sein Taschentuch wurde ihm genommen.

Infolge dieser unerhörten Behandlung war die Zahl der Todesfälle ungewöhnlich hoch.
      Im Gefängnis in Bialystok starben 14 Kinder.
      Im Gefängnis zu Wilna starben im Kerker 3 Frauen an der unmenschlichen Behandlung.
      Von 127 Flüchtlingen in Wilna kamen nur 97 zur Wolga.
      In Simbirsk starben von 70 Leuten in einer Woche elf, meist kleine Kinder.

Wie die Verschleppten später im Exil, in der Internierung behandelt wurden, schildert kurz die Uebersicht VI.

Im Rahmen dieses Buches können natürlich die unendlichen Leiden der verschleppten Ostpreußen, die Brutalität und mangelnde Fürsorge der russischen Behörden nur angedeutet werden. Man lese hierüber die "Ostpreußischen Kriegshefte", die eine klare Schilderung enthalten.

Die Gesamtleitung der Entente ist für diese unerhört grausamen Maßnahmen ihrer Bundesgenossen mitverantwortlich. Und sie sollte jetzt nicht den Abschub der Liller Bevölkerung so besonders scharf anklagend hervorheben, der im Gegensatz zu diesen russischen, völlig ungerechtfertigten Verschleppungen teilweise im eigensten Interesse der französischen Bevölkerung und unter tausendfach glücklicheren und zweckmäßigeren Begleitumständen erfolgte.

Auch die Engländer, Franzosen und Belgier handelten ähnlich.
      Ganz allgemein haben die Ententemächte im schroffen Widerspruch zu Art. 43 der Landkriegsordnung in allen deutschen Schutzgebieten fast die gesamte friedliche deutsche Bevölkerung, Männer, Frauen und Kinder gewaltsam von ihren Wohn- und Arbeitsstätten entfernt und in Sammellagern untergebracht, und zwar, nachdem das betreffende Gebiet fest in der Hand der Eroberer und eine Rückeroberung durch deutsche Truppen nicht mehr zu befürchten war, so daß also für diese grausame Maßregel kein militärischer Grund vorhanden war.
      Auch hier erfolgte wie in Ostpreußen die Verschleppung oft in der brutalsten und unmenschlichsten Weise.

[127-128] Der Abtransport wurde oft derart überstürzt, daß häufig nur das Allernötigste mitgenommen und für die Sicherstellung des zurückbleibenden Besitzes überhaupt nichts mehr getan werden konnte.
      Auch hier können natürlich aus Raummangel nur einige Beispiele angeführt werden.
      Bei der am 27. 9. 14 erfolgten Besetzung Dualas durch die englisch-französischen Streitkräfte wurden die weißen, am Kampf völlig unbeteiligten Bewohner Dualas, Männer, Frauen und Kinder in ihren Wohnungen oder von der Straße weg, wie sie gingen und standen, festgenommen und zunächst im Krankenhausgarten zusammengetrieben.
      So wurde der Leiter der Baseler Mission auf der Straße festgenommen und nur im Besitz einer Barschaft von 50 Pfg. und in der Kleidung, die er gerade auf dem Leibe trug, unter Bedrohungen mit dem Bajonett abgeführt.
      Ein englischer Soldat ließ einem Ehepaar, das er in der Wohnung festnahm, nicht einmal Zeit, sich vollständig anzukleiden.
      Eine Frau konnte nur mit Mühe erreichen, ihr zurückgelassenes 3 Wochen altes Kind holen zu dürfen.
      Dem Leutnant D. wurde es nicht einmal gegen Abgabe seines Ehrenwortes gestattet, seine Wohnung aufzusuchen und seine kranke Frau von seinem Abtransport zu benachrichtigen. Als Frau D. zu ihrem Manne eilte, nur mit dem, was sie auf dem Leibe trug, wurde ihr beim Abtransport verweigert, sich einen Koffer mit den allernötigsten Sachen aus ihrem Wohnhaus zu holen.
      Im Krankenhausgarten mußten die Festgenommenen unter freiem Himmel in der tropischen Mittagssonne, ohne Essen und Trinken den Abtransport erwarten, wobei sie häufig von den schwarzen Soldaten mit den Gewehrkolben gestoßen wurden.
      Einer Frau, die ein zweijähriges Kind in einem Wagen bei sich führte, wurde der Wagen ohne weiteres fortgenommen, so daß sie gezwungen war, das ungenügend bekleidete Kind auf den Arm zu nehmen.

Vor dem Abtransport auf die Schiffe wurde den Gefangenen nicht gestattet, das Nötige für die Reise zu holen oder ihr Eigentum zu ordnen, was dann später, wie die Uebersicht VIII zeigen wird, von den Truppen und Eingeborenen geplündert wurde.
      Beim Abtransport wurden Männer und Frauen, darunter solche mit Säuglingen oder in schwangerem Zustand, unter schwarzer Bewachung vor den Augen der Duala-Eingeborenen durch die belebtesten Straßen der Stadt geführt. Jeder mußte sein Gepäck selbst tragen. Gefangene, die nicht schnell genug gingen, wurden von den schwarzen Soldaten mit den Kolben gestoßen, ohne daß die Offiziere dagegen einschritten. Auch auf den Transportschiffen, z. B. der "Bathurst", hatten die Deutschen unter den Mißhandlungen, Schikanen und Beschimpfungen der schwarzen Soldaten sehr zu leiden.

Entgegen der Genfer Konvention wurden auch Aerzte und im Dienst der freiwilligen Krankenpflege stehende Männer verschleppt.
      So wurde der Chefarzt der Schutztruppe in Kamerun trotz seines Protestes als Gefangener nach Lagos verschleppt.
      Am 29. 9. 14 wurden 12 Krankenträger, obwohl sie in Duala in einem Kriegslazarett tätig und an ihren Armbinden kenntlich waren, abgeführt, ebenso unterschiedslos weibliches Pflegepersonal.

      Um die Verpflegung des Personals kümmerte man sich in vielen Fällen überhaupt nicht.
      In Bonabers erhielten sie beispielsweise 2 Tage überhaupt nichts. Selbst die Erlaubnis, im Hofe Wasser zu holen, wurde verweigert.
      Ebenso wurde den nach dem 1. Abtransport im Regierungskrankenhause zu Duala noch eingesperrten Deutschen 2 volle Tage lang kein Essen und Trinken gereicht. Die schwarzen Diener, die Verpflegung bringen wollten, wurden von den Soldaten mit dem Gewehrkolben zurückgewiesen. Als schließlich Nahrung gereicht wurde, war es nichts als harter Schiffszwieback.
      In Buea wurden die Gefangenen trotz der empfindlich kalten Nächte ohne Betten, Decken und ohne genügende Verpflegung gelassen. Sie erhielten als Nahrung nur etwas ungekochten Reis und Brot, ohne die Möglichkeit zu haben, den Reis zu kochen.
[129-130]   Als die Gefangenen später von Buea nach Victoria überführt wurden, mußten sie den Weg am heißen Nachmittag zu Fuß zurücklegen. Bei der Ankunft in Victoria wurde ihnen nicht gestattet, die in dem deutschen Lazarett in Victoria bereitgestellten Erfrischungen zu nehmen.
      Ebenso wurden die Gefangenen an vielen anderen Stellen Kameruns und Togos behandelt.

England hat die in seiner Gewalt befindlichen deutschen Kolonisten insgesamt aus Afrika fortgeführt und in Europa interniert.
      Der Abtransport auf den englischen Schiffen erfolgte teilweise unter schweren Leiden für die Deutschen.
      So z. B. wurden auf der kleinen "Lokodia", die nur eine Kabine besaß, 300 Personen verschifft. Frauen und Kinder mußten in einem engen schmutzigen Raum schlafen, ohne ausreichende Luftzufuhr und in dem Ratten hausten. Die Männer mußten auf dem offenen Deck ohne Unterlage die Nacht verbringen. Dabei besaßen die meisten nur ihre Tropenkleidung.
      Auf der "Obuasi" mußten die Männer in licht- und luftlosen Laderäumen schlafen. Besonders schwer hatten die Gefangenen unter dem kalten Unwetter nördlich Madaira zu leiden. Der Aufenthalt in den Kojen wurde ihnen tagsüber verboten. Sie waren in ihrer durchnäßten dünnen Tropenkleidung allen Unbilden der Witterung ausgesetzt.
      Für die in den Tropen so besonders notwendige Waschgelegenheit wurde äußerst mangelhaft gesorgt.
      Auf der "Appam" drehten die Stewards absichtlich die Wasserhähne ab, um die Gefangenen am Waschen ihrer spärlichen Leibwäsche zu verhindern.
      Auf der "Boulama" wurde ein einziger Eimer, in dem die Gefangenen nachts ihre Notdurft verrichten mußten, morgens halb mit Wasser gefüllt, als einziger Waschbehälter zur Verfügung gestellt. Selbst Wäschestücke, Seife oder Handtücher durften die Gefangenen nicht aus ihren Gepäckstücken holen.

Die Verpflegung war mangelhaft, oft ungenießbar.
      Auf der "Bathurst" erhielten die Gefangenen in den ersten Tagen überhaupt nichts zu essen. Am dritten Tage erhielten sie ein Stück Schiffszwieback und einen Salzhering, später meist nur schimmeliges Hartbrot. Später gab es ungewaschenen Negerreis, Brot und Hafer.
      Die Beschaffenheit des Fleisches war oft derart, daß es über Bord geworfen werden mußte.
      Auf der "Appam" roch das Fleisch oft übel oder war völlig verdorben. Oft erhielten die Gefangenen verdorbenen Fisch.
      Auf der "Obuasi" fanden sich in der Grütze dicke Maden und Käfer, der Brei wimmelte von Maden, Käfern und Mehlwürmern.
      Der Ekel vor den gelieferten schlechten Speisen wurde erhöht durch die unsaubere Art, wie die Nahrungsmittel verabreicht wurden oder genommen werden mußten.
      Auf der "Bathurst" z. B. mußte der gekochte Reis in Ermangelung von Tellern, Löffeln oder sonstigem Eßgeschirr mit den Händen gegessen werden.
      Ebenso schlecht stand es vielfach mit dem Trinkwasser.
      Auf der "Bathurst" mußte Regenwasser, das durch die Löcher des Sonnensegels in einer Waschschüssel gesammelt war, als Trinkwasser benützt werden.
      Der Krankenbestand war infolge dieser Verhältnisse auf den Schiffen überaus hoch. Die "Obuasi" hatte beispielsweise bei ihrem Einlaufen in Southampton allein 10 Schwerkranke an Bord.
      Auf der "Bathurst" und "Appam" waren fast immer gleichzeitig ein Dutzend Gefangene, darunter zahlreiche Kinder, krank, meist magen- und darmleidend.

Ebenso schlecht war die sanitäre Versorgung.
      Auf der "Boulama" wurde einem Fieberkranken, der im Laderaum ohne Decke lag, seine Bitte um eine solche abgeschlagen.
      Auf der "Obuasi" wurde die Behandlung einer kranken, hochschwangeren Frau abgelehnt. Eine Frau mußte auf Befehl des Schiffsarztes bei einem schweren Malaria-Anfall wasserglasweise Kognak trinken, während für entsprechende Ernährung trotz aller Vorstellungen nicht gesorgt wurde.

Auf der Beförderung nach Europa waren die Gefangenen zum Teil zu [131-132] wochenlangem Aufenthalt in den afrikanischen Kolonien Englands gezwungen.
      In Accra z. B. wurden Gefangene im Zuchthaus für Eingeborene interniert. Die von Duala nach Lagos überführten Gefangenen wurden teilweise im Gefängnis in Einzelzellen untergebracht. Andere Gefangene wurden dort einige Zeit in einer Gelbfieberstation interniert, die aus Isolierbaracken für ansteckende Krankheiten bestand.
      In Ibadan wurden die Gefangenen gezwungen, die gleichen Aborte mit einer an Dysenterie Erkrankten zu benutzen.
      Wie weit die gefühlsrohe Behandlung ging, zeigt die Behandlung der Frau des Missionars M. in Accra. Die Frau kam infolge der Entbehrungen erkrankt ins Hospital. Eine Krankenschwester gab ihr dort abwechselnd flüssiges Chinin und Rizinus und quälte sie damit, obwohl jedesmal Erbrechen eintrat, bis sie ganz erschöpft war. Später kümmerte sich keine der drei englischen Hospitalschwestern überhaupt mehr um sie, obwohl der Zustand kritisch wurde. Sie wurde ganz den Eingeborenen überlassen. Der Ehemann wurde von seiner totkranken Frau ferngehalten. Sie starb alsdann.
      Auch in England waren die Gefangenen Schmähungen und Erniedrigungen ausgesetzt. In Liverpool wurden sie von Gassenjungen mit Kot beworfen, in London mit Steinen.

Die Unterkunft im Winter war für die aus den Tropen Kommenden völlig unzureichend.
      In Handforth wurden sie in Fabrikschuppen untergebracht, die wegen des feuchten Fußbodens unbenutzbar waren und deren Wände im oberen Teil aus Glas bestanden, bei völlig ungenügender Heizung. Die an die Hitze in den Tropen gewöhnten Deutschen mußten sich im Hofe an einer Rohrleitung waschen, deren Kräne häufig zugefroren waren.
      In Quensferry wurden 250 Gefangene in einer 60–80 Meter langen und 20 Meter breiten Fabrikhalle aus Stein untergebracht, in der es empfindlich kalt war und die wegen Staub und Zugluft für aus den Tropen kommende Menschen sehr ungesund war.
      Infolge dieser Behandlung stellten sich bei den Gefangenen, die in der schlechtesten Jahreszeit aus den Tropen an rauhe Orte der Westküste Englands gebracht wurden, Krankheiten, besonders Malaria und Darmstörungen, in Menge ein.
      Unter ähnlichen Bedingungen hat das englische Kommando bald nach der Besetzung Lomes am 7. 8. 14 die Togo-Deutschen, Männer, Frauen und Kinder, die am Kampf völlig unbeteiligt waren, mit wenigen Ausnahmen als Kriegsgefangene unter Bewachung durch schwarze Soldaten nach der Goldküste fortgeführt. Auch diese Gefangenen waren gezwungen, einen großen Teil ihrer Habe ohne Schutz in ihren Wohnungen zurückzulassen.

August 1914 Togo. Englische Behörde:
      Frankreich hat sich von England eine Anzahl Gefangener aus Kamerun und Togo ausliefern lassen und sie statt Europa in seine ungesundeste Kolonie Westafrikas, nach Dahomey, geschleppt. Dort wurden sie an Plätzen, die Malaria, Dysenterie und Gelbfieber verrufen sind, teilweise in schwerem Frondienst unter Aufsicht von brutalen Schwarzen den Einwirkungen des Tropenklimas schonungslos ausgesetzt. Unmenschliche Mißhandlungen in Form von Prügel, Gefängnis und Folterstrafen wurden an ihnen verübt (Vergl. Uebersicht VI.)

Auch die belgische Verwaltung entschloß sich Oktober 1916 dazu, die in Tabora (Ostafrika) befindlichen deutschen Gefangenen durch den Kongostaat nach der Westküste Afrikas und von dort nach Frankreich zu verschleppen.
      Diese Transporte bildeten für die unglücklichen Beteiligten eine Kette von Leiden und Entbehrungen aller Art.
      Die Reise von Tabora bis zum Tanganjika-See mußte meist in Viehwagen, in denen die Gefangenen mit den Eingeborenen eingepfercht waren, ausgeführt werden. Trotzdem fast alle Beteiligten krank waren, mußten sie ihr sämtliches Gepäck selbst schleppen. Das erste Nachtlager bestand aus halbzerfallenen Hütten, in die es hineinregnete. Als Lager diente Wellblech, Moskitonetze waren nicht vorhanden, Beleuchtung fehlte; das Essen war völlig [133-134] ungenießbar. Leute, die nicht weiterkonnten, wurden auf dem Marsche mit Kolbenstößen weitergetrieben.
      In ähnlicher Weise erfolgte der Weitertransport nach La Pallice. Schlechte Verpflegung, furchtbare Strapazen infolge des vielfachen Schleppens des Gepäcks bei tropischer Hitze und völlig ungenügende Unterkunft, meist im Freien, waren auch hier die Regel. Manche Kranke brachen während dieses Transportes völlig zusammen, wurden aber rücksichtslos weitergeschleppt, bis ein Weiterkommen ausgeschlossen war und sie in irgend einem Orte zurückgelassen werden mußten.
      Die Fahrt auf der Kongostrecke von Kabelo bis Kongolo auf einem Leichter war keine Besserung der Lage der Unglücklichen. Als Aufenthaltsraum wurde ihnen der unterste Teil des Schiffes angewiesen. Sie durften überhaupt nicht an Deck und haben in diesem übelriechenden, engen und heißen Raum qualvollste Stunden verbringen müssen. Ein schwer Lungenkranker, um den sich niemand kümmerte, obgleich er wiederholt Lungenbluten hatte, erfuhr die gleiche Behandlung.
      Eine besonders schwere Leidenszeit
mußten die Frauen dann noch in Stanleyville durchmachen, wo sie 17 Tage verblieben. Die Unterbringung erfolgte in einem aus Aesten und Palmblättern hergestellten Hause. Türen und Fenster waren unverschließbar. Der Fußboden war ein schmieriger und feuchter Morast mit zahlreichen Löchern. Die einfachsten Möbelstücke fehlten. Die Belästigung durch die Askaris war unerhört.
      Auf der Fahrt von Leopoldville mit der Bahn nach Matadi brachten es die Belgier fertig, die Deutschen mit schwarzen Kettengefangenen zusammen in das Eingeborenen-Gefängnis zu werfen.
      Erst in Bomo wurde endlich die Behandlung menschenwürdiger. Nach einigen Wochen Aufenthalt wurden dann die Deutschen über den Ozean nach Pallice abbefördert.
      In La Pallice mußte ein Transport, der im Februar 1917 bei schneidender Kälte ankam, zwei volle Tage in der kalten Bahnhofshalle zubringen, bis er von den Belgiern den Franzosen übergeben wurde.

Die vorstehende Schilderung bildet natürlich nur einen kurzen Ausschnitt aus der schweren Leidensgeschichte der aus den Kolonien verschleppten Deutschen. Aber aus ihm geht schon zur Genüge hervor, wie wenig England, Frankreich und Belgien berechtigt sind, die deutscherseits aus Frankreich und Belgien durchgeführten Deportationen anklagend hervorzuheben.

Aus dem Elsaß verschleppten die Franzosen zu Anfang des Krieges über 2000 Zivilpersonen, im wesentlichen solche Personen, die als deutschfreundlich denunziert waren.
      Unerhört waren die Leiden dieser Unglücklichen.
      Auf niedrige, unbewiesene Denunziationen hin wurden sie fortgeschleppt.
Der Wirt D. in M. sollte auf Grund falscher Anzeige Oktober 1914 wegen angeblicher Spionage von den Franzosen festgenommen werden. Als er sich der Verhaftung durch die Flucht entzog, wurde an seiner Stelle seine Frau verhaftet und nach Frankreich verschleppt und dort bis 19. 3. 16 in verschiedenen Gefangenlagern unter den übelsten Verhältnissen festgehalten.
      Am 19. 8. 14 wurde der Lehrer G. aus C. als angeblicher Spion festgenommen und nach Frankreich verschleppt.
      Ebenso am 6. 9. 14 der Grubenarbeiter K. aus St.

Man hat den berechtigten Grund zur Annahme, daß die französische Regierung schon lange vor Beginn des Krieges durch ihre Agenten in Elsaß-Lothringen Listen derjenigen Einwohner hatte aufstellen lassen, die als deutschfreundlich bekannt waren.

Am 22. 8. 14 wurde der Schreibergehilfe H. aus D. von französischer Gendarmerie festgenommen und an Stelle seines geflüchteten Vaters nach Frankreich verschleppt. Dabei wurde er auch nach der Wohnung eines schon seit 5 Jahren nicht mehr in D. befindlichen Postbeamten gefragt.

In niederträchtiger Weise wurde oft irgendein Grund vorgeschützt, um die Verschleppung zu rechtfertigen.
      So wurde am 20. 3. 14 der Schutzmann aus M. verschleppt unter der er- [135-136] dichteten Beschuldigung, in M. eine Frau nebst ihrem Säugling so mißhandelt zu haben, daß beide gestorben seien.

Schon die Uebernahme von Arbeiten für deutsche Behörden genügte, um die Verschleppung anzuordnen.
      Am 20. 8. 14 wurde der Kaufmann H. in Mülhausen nach Frankreich verschleppt, weil er einige Tage vor dem Einrücken der Franzosen Fuhren für das Bezirkskommando ausgeführt hatte. In Belfort wurde er im Gefängnis interniert.
      Rücksichtslos wurden die Zivilpersonen auf der Straße aufgegriffen und abtransportiert. Am 27. 8. 14 wurde der Obertelegraphenassistent K. aus Mülhausen auf einem Dienstgang bei S. festgenommen und grundlos nach Frankreich verschleppt.

Teilweise wurden die Leute, so wie sie gingen und standen, mitgeschleppt, ohne ihnen die Zeit zu geben, sich für den Abtransport vorzubereiten.
      Am 17. 9. 14 wurde der Lehrer M. aus S. nach Frankreich verschleppt, und zwar in Holzschuhen und ohne Kopfbedeckung.
      Oft wurden Zivilbewohner fortgeführt, weil sie sich weigerten, in französischen Dienst zu treten.
Diese Aufforderung bedeutet an sich schon einen unerhörten Verstoß gegen das Völkerrecht.
      So wurde der Weber G. aus Oberdunnhaupt im November 1916 durch die Administratur in Maasmünster festgenommen, weil er sich weigerte, französischer Soldat zu werden, und in das Gefängnis zu Vitry verbracht. Als er dort bei seiner Weigerung verblieb, wurde er von den Wärtern mißhandelt und erhielt zwei Tage lang keine Nahrung. Bei einer erneuten Weigerung wurde er in das Lager Viviers verbracht, wo er bis zum Austausch, 15. 7. 18, verbleiben mußte.

Landsturmpflichtige Bewohner wurden gleichfalls fortgeschleppt. Deutschland beließ die wehrfähigen Franzosen und Belgier in ihren Wohnungen und ordnete nur ihre Kontrolle an. Frankreich ist für solche humanen Maßnahmen nicht zu haben.
      Am 8. 9. 14 wurde in Thann von den Franzosen bekanntgemacht, daß sich der gesamte Landsturm zu melden habe. Daraufhin stellte sich der Rottenführer K. in Thann und wurde sodann mit anderen Landsturmpflichtigen nach Bésançon verbracht.
      Am 9. 9. 14 wurde der Lehrer W. aus B. mit dem gesamten Landsturm des Ortes nach Frankreich verschleppt. Die Verschleppten mußten im strömenden Regen nach Bussang marschieren, wo sie weder Schlafgelegenheit noch die Möglichkeit, ihre Kleider zu trocknen, fanden. Am 10. 9. 14 wurden sie mit dem gesamten Landsturm aus St. A., ungefähr 1300 Mann,, ohne vorher etwas zu essen bekommen zu haben, in dreieinhalb Tagen dauernder Fahrt nach Annonay verbracht.

Selbst Leute, die im Dienst des Roten Kreuzes standen, wurden nicht anders behandelt.
      Am 19. 8. 14 wurden die Studenten F. und K. S. in Sennheim, die als Freiwillige des Roten Kreuzes im Feldlazarett I. in S. tätig waren, nach Frankreich verschleppt und dort bis 1918 festgehalten.
      Schon die Weigerung, französische Kriegsanleihe zu zeichnen, hatte die Verschleppung zur Folge. Aus diesem Grunde wurde die Familie des Metzgermeisters V. aus D. nach Frankreich verbracht.

In brutalster Weise wurde fast die ganze Einwohnerschaft zahlreicher Ortschaften fortgeführt. So am 15. 8. 14 aus Thann etwa 100 Personen.
      September 1914 sämtliche 17–45jährigen Männer aus Weiler bei Thann. Am 15. 9. 14 die Landsturmpflichtigen der Gemeinde Sandersdorf.
      Sogar der geistliche Rock schützte nicht vor solchen Schandtaten!... August 1914 wurde beispielsweise der katholische Pfarrer von Lutterbach nach Frankreich verschleppt und dabei aufs schmählichste mißhandelt.
      Ganz besonders
aber hatten es die Franzosen auf die Beamtenschaft abgesehen. Amtsrichter, Lehrer, Post-, Telegraphen- und Eisenbahnbeamte, Schutzleute wurden in großer Zahl gewaltsam nach Frankreich verbracht.

[137-138] Welche Leiden diese Unglücklichen in der Verbannung zu erdulden hatten, wie sie von der französischen Bevölkerung mißhandelt, beschmutzt und beschimpft, in welch brutaler Weise sie interniert wurden, ist in der Uebersicht VI näher geschildert. So handelten die Franzosen schon zu Beginn des Krieges, lange vorher also, ehe Deutschland nicht grundlos, sondern aus bitterster Not die Maßnahme ergreifen mußte, belgische und französische Zivilbewohner vorübergehend aus ihren Wohnsitzen zu entfernen.

A 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.

Frankreich hat in größtem Stil selbst nach Abschluß des Waffenstillstandes friedliche Zivilbewohner deportiert.

Dezember 18 Straßburg. Französische Behörden:
      So wurden etwa 1000 junge Männer, Söhne altdeutscher Eltern, aus Straßburg nach Belgien verschleppt.

Dezember 18 Diedenhofen. Französische Behörden:
      Auch aus Diedenhofen wurden deutsche Männer rücksichtslos zu Arbeitszwecken nach Belgien verschleppt, darunter sogar Greise über 60 Jahre.

1919 Elsaß-Lothringen. Französische Behörden:
      Eine große Anzahl Elsaß-Lothringer wurde unter dem Vorwande, während des Krieges dem Verbande des deutschen Heeres angehört zu haben, zu Unrecht verhaftet und in Frankreich interniert.

1919 Elsaß-Lothringen. Französische Behörden:
      So z. B. in einem kurzen Zeitraum etwa 100 aus Mülhausen, Hüningen, Kolmar, Thann, Riesheim, Altkirch, St. Ludwig pp. Diese Personen wurden nach den Forts Borlemont und Faverger bei Reims verbracht und dort zu Aufräumungsarbeiten verwendet. (Verstoß gegen Gesetz 1 Artikel XI des Waffenstillstandsvertrages.)

Februar 1919. Französische Behörden:
      Anfang Februar 1919 wurde in den Zeitungen des Saargebietes von den französischen Behörden veröffentlicht, daß sämtliche jungen Leute des Saargebietes im Alter von 14 –19 Jahren zwangsweise zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Belgiens und Nordfrankreichs verwendet werden sollten. Anfang März wurde tatsächlich damit begonnen, die jungen Leute zu verhaften und abzuschieben. So erhielten z. B. sämtliche jungen Arbeiter des Schachtes Gerhardt in L. Anweisung, sich sofort auf der Kommandantur zu melden.

Ende 18 Elsaß. Französische Behörden:
      Eine große Anzahl Deutscher wurde aus dem Elsaß ausgewiesen. Sie mußten innerhalb 24 Stunden unter Zurücklassung ihrer Habe, die meist beschlagnahmt wurde, das Land verlassen. Ihr Abschub erfolgte unter Formen, die jeder Menschlichkeit und jedem Rechtsgefühl Hohn sprechen.

Im ganzen wurden bis jetzt ausgewiesen etwa 18 000.
      Rund 60 000 haben unter dem allgemeinen französischen Druck
Elsaß-Lothringen freiwillig verlassen.

Die Ausweisung erfolgte im wesentlichen zu dem Zwecke, um das deutsche Leben in Elsaß-Lothringen zu ertöten und die völlige Französierung der Lande möglichst schnell zu erreichen.

Auch aus dem von den Franzosen besetzten Saargebiet wurde eine große Anzahl von Angehörigen der Kommunalverwaltungen und führender politischer Kreise aus ihren Wohnsitzen verschleppt, um den in deutschem Sinne geleiteten Geschäftsgang zu stören und franzosenfreundliche Elemente in die führenden Stellen zu bringen. Frankreich erhofft dadurch, die Französierung auch dieser deutschen Lande – entgegen dem Friedensvertrag – zu erreichen.
      So wurden beispielsweise 20 Deutsche in Saarlouis, Dillingen und Umgebung durch die französische Besatzungsbehörde verhaftet. Irgend ein Grund wurde ihnen nicht angegeben. Zeit, ihre Angelegenheiten zu ordnen, wurde ihnen nicht gegeben. Nach 30 Minuten wurden sie abtransportiert und in das ehemalige russische Gefangenlager Dorn überführt, wo sie unter unwürdi-
[139-140] gen Bedingungen untergebracht, versorgt und behandelt wurden. Zwei Namen dieser Abschüblinge seien genannt: Landrat Dr. Schaller, Bürgermeister Dr. Gilles. Außerdem Schuldirektoren und Oberlehrer, leitende Persönlichkeiten der Industrie und Pfarrer. Keiner dieser Verschleppten hatte in irgend einer Weise gegen die Besatzungstruppen gearbeitet.

November 1918 Lothringen. Französische Behörde:
      Der französische Kommissar für Lothringen, Léon Mirman, läßt im November 1918 durch eine amtliche Verfügung aus allen Gemeindeverwaltungen die altdeutschen Vertreter entfernen. Am 20. November erklärte er: "Ich habe darauf gedrungen, daß wir hier im Stadthaus nur unter Franzosen sind!"






Die Wahrheit über die deutschen Kriegsverbrechen:
Die Anklagen der Verbandsmächte
in Gegenüberstellung zu ihren eigenen Taten.

Otto v. Stülpnagel