A 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.
Aus Ostpreußen wurden August 1914 bis März 1915 bei den Russeneinfällen über 10 000 Einwohner, darunter viele Frauen und [123-124] Kinder, ihren Wohnsitzen entrissen und in das Innere Rußlands verschleppt. Die Verschleppung erfolgte unter den unerhörtesten Qualen.
Meist wurden die unglücklichen Opfer ohne jede vorherige Benachrichtigung aus ihrer Beschäftigung herausgerissen. Ohne die Möglichkeit, sich für den Leidensweg zu rüsten, wurden sie oft in leichtester Kleidung bei Eis und Schnee abgeschoben.
Besitzer E. aus N. wurde am Brunnen ergriffen und in Holzschuhen und Unterjacke fortgeschleppt.
Pfarrer F. aus F. wollte seinen Mantel anziehen, was verweigert wurde.
Lehrer L. aus Sch. wurde auf dem Heimweg ergriffen, die zehnjährige Schülerin L. aus T. bei einem Besuch bei ihrer Tante. Sie mußten mit, ohne ihre Angehörigen benachrichtigen zu können.
Die Kaufmannsfrau W. besuchte ihre Schwägerin in N.; sie mußte mit dieser, deren 2jährigen Tochter und 78jährigen Mutter den Russen folgen.
Kaufmann D. aus F. begleitete als Krankenpfleger einen Verwundetentransport nach Neidenburg. Er wurde dort von einem russischen Offizier mit den Worten verhaftet: "Wir Russen nehmen auch vom Roten Kreuz gefangen".
Der Abtransport erfolgte dann gewöhnlich derart, daß ein größerer Ort als Sammelstelle eingerichtet wurde. Von dort ging die Reise zu Fuß nach Rußland hinein oder bis zur größeren Eisenbahnstation. Auch hierbei erduldeten die Gefangenen außergewöhnliche seelische und körperliche Leiden.
Kaufmann A. aus I. berichtet über die Fußmärsche zum Bahnhof: "Am 12. 9. 14, 3 Uhr morgens, wurden wir auf der Straße aufgestellt, von den Russen beschimpft, mit Füßen gestoßen und abgeführt. Auf dem Wege nach Wirballen wurden wir auf freiem Felde in einem Klumpen umkreist und mußten so übernachten, auch die bei uns befindlichen Frauen."
Uhrmacher K. aus U. mußte mit seinem Gefangenentransport 60 Kilometer im Geschwindschritt marschieren. Die Gefangenen wurden mit Kolbenstößen angetrieben.
Leute aus dem Kreise O. wurden in Tula in Rußland bei 28 Grad Kälte von Berittenen zum Bahnhof getrieben. Das Elend der Frauen und Kinder dieser Kolonne war grenzenlos. Kinder erfroren auf dem Transport.
Bei dieser Sachlage kamen die Gefangenen schon an den Sammelstellen in schrecklicher Verfassung an.
Eine Pfarrfrau aus Wilna hierüber: "Ich begab mich zum Gefängnis. Dem Gefangenenaufseher standen Tränen in den Augen. So etwas ist bei uns noch nicht vorgekommen, sagte er. Die Leute haben seit 4 Tagen keinen Bissen gegessen. Sie sind ganz schwach vor Hunger und Frost. Es war ein Jammer. Man hatte ihnen nicht gestattet, warme Kleidung anzulegen. Wie sie standen, im Hauskleid, mit Pantoffeln, mußten sie fort und wurden von Etappe zu Etappe durch die Gefängnisse geschleppt. Vormittags waren sie angekommen, nachmittags mußten sie weiter. Lauter Frauen und Kinder. In derselben Nacht läuft ein Sanitätszug ein. Der letzte Wagen ist ein fest verschlossener Viehwagen, aus dem lautes Jammern dringt. Als er geöffnet wird, drängen sich zwei Frauen vor, jede ein totes Kind auf dem Arm. Vor Hunger und Kälte waren die armen Würmer unterwegs gestorben. In dem Wagen sind 40 Menschen, die alle seit 5 Tagen nichts gegessen haben."
Ein großer Teil der Verschleppten wurde in die Gouvernements Orenburg, Astrachan, Saratow, Simbirsk, Kasan, Tobolsk und Tomsk gebracht. Aus Jenotajewsk wurde seinerzeit ein ergreifendes Bild der dortigen Zustände veröffentlicht: "Es war Mitte Dezember, als an einem klaren Frosttage (etwa bis
-20 Grad Celsius) über das Eis der Wolga zum ersten Male einer jener traurigen Züge der aus Ostpreußen verschleppten Landsleute kam. Etwa 100 Personen, meist Männer, doch auch Knaben von 12 Jahren und Greise von über 90 Jahren, schleppten sich mit den letzten Kräften in schweren Holzschuhen, zerfetzten Stiefeln, teils nur in Strümpfen, ja einer barfuß, über das Eis. Ihre Kleider waren Lumpen von Sommeranzügen, denn sie waren über 6 Wochen seit ihrer [125-126] Gefangennahme unterwegs in Viehwagen und Gefängnissen, am letzten Tage hatten sie den etwa 50 km langen Weg von Charibali her zu Fuß gemacht und waren verurteilt, am nächsten Tage weitere 70 km nach Nikolsk zu gehen."
Die russischen Behörden beschränkten sich darauf, diese armen, kranken und entkräfteten Menschen in die Ortschaften hineinzutreiben, ohne ihnen zunächst die geringste Unterstützung zu gewähren.
Die Unterbringung während des Transportes erfolgte ausschließlich in den Gefängnissen. In der rohsten Weise wurden Männer, Frauen und Kinder in engen, schmutzigen Zellen zusammengepfercht und behandelt.
In Philippowo wurden z. B. 100 Mann in einem für 30 vorgesehenen Raum eingesperrt. Das Essen wurde in schmutzigen Eimern gereicht, aus denen die Gefangenen mit den Händen essen mußten.
In Samara wurden 88 Mann 3 Tage lang in einem für 20 Arrestanten berechneten Raume untergebracht.
In Smolensk wurde Verpflegung überhaupt nicht geliefert. Selbst um Trinkwasser mußte förmlich gebettelt werden. Nur der Umstand, daß die Verschleppten einige Lebensmittel mitgebracht hatten, rettete sie vor dem Hungertode.
Besitzer R. aus N. Sch. mußte im Gefängnis in Tauroggen mit seinen Leidensgefährten 4 Tage hungern.
Die Verschleppten wurden fast allgemein ihres Geldes und ihrer Wertsachen beraubt, entweder bei der Festnahme oder bei den Visitationen in den Gefängnissen.
Dem Pfarrer F. aus F. wurde der Rock vom Leibe gerissen und sein Geld fortgenommen.
Der Frau Sch. aus W. wurden Uhr und Ringe fortgenommen.
Dem Gutsbesitzer P. aus Sch. wurden seine letzten Stiefel geraubt.
Der Kaufmann W. aus F. wurde völlig ausgeraubt, sogar sein Taschentuch wurde ihm genommen.
Infolge dieser unerhörten Behandlung war die Zahl der Todesfälle ungewöhnlich hoch.
Im Gefängnis in Bialystok starben 14 Kinder.
Im Gefängnis zu Wilna starben im Kerker 3 Frauen an der unmenschlichen Behandlung.
Von 127 Flüchtlingen in Wilna kamen nur 97 zur Wolga.
In Simbirsk starben von 70 Leuten in einer Woche elf, meist kleine Kinder.
Wie die Verschleppten später im Exil, in der Internierung behandelt wurden, schildert kurz die Uebersicht VI.
Im Rahmen dieses Buches können natürlich die unendlichen Leiden der verschleppten Ostpreußen, die Brutalität und mangelnde Fürsorge der russischen Behörden nur angedeutet werden. Man lese hierüber die "Ostpreußischen Kriegshefte", die eine klare Schilderung enthalten.
Die Gesamtleitung der Entente ist für diese unerhört grausamen Maßnahmen ihrer Bundesgenossen mitverantwortlich. Und sie sollte jetzt nicht den Abschub der Liller Bevölkerung so besonders scharf anklagend hervorheben, der im Gegensatz zu diesen russischen, völlig ungerechtfertigten Verschleppungen teilweise im eigensten Interesse der französischen Bevölkerung und unter tausendfach glücklicheren und zweckmäßigeren Begleitumständen erfolgte.
Auch die Engländer, Franzosen und Belgier handelten ähnlich.
Ganz allgemein haben die Ententemächte im schroffen Widerspruch zu Art. 43 der Landkriegsordnung in allen deutschen Schutzgebieten fast die gesamte friedliche deutsche Bevölkerung, Männer, Frauen und Kinder gewaltsam von ihren
Wohn- und Arbeitsstätten entfernt und in Sammellagern untergebracht, und zwar, nachdem das betreffende Gebiet fest in der Hand der Eroberer und eine Rückeroberung durch deutsche Truppen nicht mehr zu befürchten war, so daß also für diese grausame Maßregel kein militärischer Grund vorhanden war.
Auch hier erfolgte wie in Ostpreußen die Verschleppung oft in der brutalsten und unmenschlichsten Weise.
[127-128] Der Abtransport wurde oft derart überstürzt, daß häufig nur das Allernötigste mitgenommen und für die Sicherstellung des zurückbleibenden Besitzes überhaupt nichts mehr getan werden konnte.
Auch hier können natürlich aus Raummangel nur einige Beispiele angeführt werden.
Bei der am 27. 9. 14 erfolgten Besetzung Dualas durch die
englisch-französischen Streitkräfte wurden die weißen, am Kampf völlig unbeteiligten Bewohner Dualas, Männer, Frauen und Kinder in ihren Wohnungen oder von der Straße weg, wie sie gingen und standen, festgenommen und zunächst im Krankenhausgarten zusammengetrieben.
So wurde der Leiter der Baseler Mission auf der Straße festgenommen und nur im Besitz einer Barschaft von 50 Pfg. und in der Kleidung, die er gerade auf dem Leibe trug, unter Bedrohungen mit dem Bajonett abgeführt.
Ein englischer Soldat ließ einem Ehepaar, das er in der Wohnung festnahm, nicht einmal Zeit, sich vollständig anzukleiden.
Eine Frau konnte nur mit Mühe erreichen, ihr zurückgelassenes 3 Wochen altes Kind holen zu dürfen.
Dem Leutnant D. wurde es nicht einmal gegen Abgabe seines Ehrenwortes gestattet, seine Wohnung aufzusuchen und seine kranke Frau von seinem Abtransport zu benachrichtigen. Als Frau D. zu ihrem Manne eilte, nur mit dem, was sie auf dem Leibe trug, wurde ihr beim Abtransport verweigert, sich einen Koffer mit den allernötigsten Sachen aus ihrem Wohnhaus zu holen.
Im Krankenhausgarten mußten die Festgenommenen unter freiem Himmel in der tropischen Mittagssonne, ohne Essen und Trinken den Abtransport erwarten, wobei sie häufig von den schwarzen Soldaten mit den Gewehrkolben gestoßen wurden.
Einer Frau, die ein zweijähriges Kind in einem Wagen bei sich führte, wurde der Wagen ohne weiteres fortgenommen, so daß sie gezwungen war, das ungenügend bekleidete Kind auf den Arm zu nehmen.
Vor dem Abtransport auf die Schiffe wurde den Gefangenen nicht gestattet, das Nötige für die Reise zu holen oder ihr Eigentum zu ordnen, was dann später, wie die Uebersicht VIII zeigen wird, von den Truppen und Eingeborenen geplündert wurde.
Beim Abtransport wurden Männer und Frauen, darunter solche mit Säuglingen oder in schwangerem Zustand, unter schwarzer Bewachung vor den Augen der
Duala-Eingeborenen durch die belebtesten Straßen der Stadt geführt. Jeder mußte sein Gepäck selbst tragen. Gefangene, die nicht schnell genug gingen, wurden von den schwarzen Soldaten mit den Kolben gestoßen, ohne daß die Offiziere dagegen einschritten. Auch auf den Transportschiffen, z. B. der "Bathurst", hatten die Deutschen unter den Mißhandlungen, Schikanen und Beschimpfungen der schwarzen Soldaten sehr zu leiden.
Entgegen der Genfer Konvention wurden auch Aerzte und im Dienst der freiwilligen Krankenpflege stehende Männer verschleppt.
So wurde der Chefarzt der Schutztruppe in Kamerun trotz seines Protestes als Gefangener nach Lagos verschleppt.
Am 29. 9. 14 wurden 12 Krankenträger, obwohl sie in Duala in einem Kriegslazarett tätig und an ihren Armbinden kenntlich waren, abgeführt, ebenso unterschiedslos weibliches Pflegepersonal.
Um die Verpflegung des Personals kümmerte man sich in vielen Fällen überhaupt nicht.
In Bonabers erhielten sie beispielsweise 2 Tage überhaupt nichts. Selbst die Erlaubnis, im Hofe Wasser zu holen, wurde verweigert.
Ebenso wurde den nach dem 1. Abtransport im Regierungskrankenhause zu Duala noch eingesperrten Deutschen 2 volle Tage lang kein Essen und Trinken gereicht. Die schwarzen Diener, die Verpflegung bringen wollten, wurden von den Soldaten mit dem Gewehrkolben zurückgewiesen. Als schließlich Nahrung gereicht wurde, war es nichts als harter Schiffszwieback.
In Buea wurden die Gefangenen trotz der empfindlich kalten Nächte ohne Betten, Decken und ohne genügende Verpflegung gelassen. Sie erhielten als Nahrung nur etwas ungekochten Reis und Brot, ohne die Möglichkeit zu haben, den Reis zu kochen.
[129-130] Als die Gefangenen später von Buea nach Victoria überführt wurden, mußten sie den Weg am heißen Nachmittag zu Fuß zurücklegen. Bei der Ankunft in Victoria wurde ihnen nicht gestattet, die in dem deutschen Lazarett in Victoria bereitgestellten Erfrischungen zu nehmen.
Ebenso wurden die Gefangenen an vielen anderen Stellen Kameruns und Togos behandelt.
England hat die in seiner Gewalt befindlichen deutschen Kolonisten insgesamt aus Afrika fortgeführt und in Europa interniert.
Der Abtransport auf den englischen Schiffen erfolgte teilweise unter schweren Leiden für die Deutschen.
So z. B. wurden auf der kleinen "Lokodia", die nur eine Kabine besaß, 300 Personen verschifft. Frauen und Kinder mußten in einem engen schmutzigen Raum schlafen, ohne ausreichende Luftzufuhr und in dem Ratten hausten. Die Männer mußten auf dem offenen Deck ohne Unterlage die Nacht verbringen. Dabei besaßen die meisten nur ihre Tropenkleidung.
Auf der "Obuasi" mußten die Männer in
licht- und luftlosen Laderäumen schlafen. Besonders schwer hatten die Gefangenen unter dem kalten Unwetter nördlich Madaira zu leiden. Der Aufenthalt in den Kojen wurde ihnen tagsüber verboten. Sie waren in ihrer durchnäßten dünnen Tropenkleidung allen Unbilden der Witterung ausgesetzt.
Für die in den Tropen so besonders notwendige Waschgelegenheit wurde äußerst mangelhaft gesorgt.
Auf der "Appam" drehten die Stewards absichtlich die Wasserhähne ab, um die Gefangenen am Waschen ihrer spärlichen Leibwäsche zu verhindern.
Auf der "Boulama" wurde ein einziger Eimer, in dem die Gefangenen nachts ihre Notdurft verrichten mußten, morgens halb mit Wasser gefüllt, als einziger Waschbehälter zur Verfügung gestellt. Selbst Wäschestücke, Seife oder Handtücher durften die Gefangenen nicht aus ihren Gepäckstücken holen.
Die Verpflegung war mangelhaft, oft ungenießbar.
Auf der "Bathurst" erhielten die Gefangenen in den ersten Tagen überhaupt nichts zu essen. Am dritten Tage erhielten sie ein Stück Schiffszwieback und einen Salzhering, später meist nur schimmeliges Hartbrot. Später gab es ungewaschenen Negerreis, Brot und Hafer.
Die Beschaffenheit des Fleisches war oft derart, daß es über Bord geworfen werden mußte.
Auf der "Appam" roch das Fleisch oft übel oder war völlig verdorben. Oft erhielten die Gefangenen verdorbenen Fisch.
Auf der "Obuasi" fanden sich in der Grütze dicke Maden und Käfer, der Brei wimmelte von Maden, Käfern und Mehlwürmern.
Der Ekel vor den gelieferten schlechten Speisen wurde erhöht durch die unsaubere Art, wie die Nahrungsmittel verabreicht wurden oder genommen werden mußten.
Auf der "Bathurst" z. B. mußte der gekochte Reis in Ermangelung von Tellern, Löffeln oder sonstigem Eßgeschirr mit den Händen gegessen werden.
Ebenso schlecht stand es vielfach mit dem Trinkwasser.
Auf der "Bathurst" mußte Regenwasser, das durch die Löcher des Sonnensegels in einer Waschschüssel gesammelt war, als Trinkwasser benützt werden.
Der Krankenbestand war infolge dieser Verhältnisse auf den Schiffen überaus hoch. Die "Obuasi" hatte beispielsweise bei ihrem Einlaufen in Southampton allein 10 Schwerkranke an Bord.
Auf der "Bathurst" und "Appam" waren fast immer gleichzeitig ein Dutzend Gefangene, darunter zahlreiche Kinder, krank, meist
magen- und darmleidend.
Ebenso schlecht war die sanitäre Versorgung.
Auf der "Boulama" wurde einem Fieberkranken, der im Laderaum ohne Decke lag, seine Bitte um eine solche abgeschlagen.
Auf der "Obuasi" wurde die Behandlung einer kranken, hochschwangeren Frau abgelehnt. Eine Frau mußte auf Befehl des Schiffsarztes bei einem schweren
Malaria-Anfall wasserglasweise Kognak trinken, während für entsprechende Ernährung trotz aller Vorstellungen nicht gesorgt wurde.
Auf der Beförderung nach Europa waren die Gefangenen zum Teil zu [131-132] wochenlangem Aufenthalt in den afrikanischen Kolonien Englands gezwungen.
In Accra z. B. wurden Gefangene im Zuchthaus für Eingeborene interniert. Die von Duala nach Lagos überführten Gefangenen wurden teilweise im Gefängnis in Einzelzellen untergebracht. Andere Gefangene wurden dort einige Zeit in einer Gelbfieberstation interniert, die aus Isolierbaracken für ansteckende Krankheiten bestand.
In Ibadan wurden die Gefangenen gezwungen, die gleichen Aborte mit einer an Dysenterie Erkrankten zu benutzen.
Wie weit die gefühlsrohe Behandlung ging, zeigt die Behandlung der Frau des Missionars M. in Accra. Die Frau kam infolge der Entbehrungen erkrankt ins Hospital. Eine Krankenschwester gab ihr dort abwechselnd flüssiges Chinin und Rizinus und quälte sie damit, obwohl jedesmal Erbrechen eintrat, bis sie ganz erschöpft war. Später kümmerte sich keine der drei englischen Hospitalschwestern überhaupt mehr um sie, obwohl der Zustand kritisch wurde. Sie wurde ganz den Eingeborenen überlassen. Der Ehemann wurde von seiner totkranken Frau ferngehalten. Sie starb alsdann.
Auch in England waren die Gefangenen Schmähungen und Erniedrigungen ausgesetzt. In Liverpool wurden sie von Gassenjungen mit Kot beworfen, in London mit Steinen.
Die Unterkunft im Winter war für die aus den Tropen Kommenden völlig unzureichend.
In Handforth wurden sie in Fabrikschuppen untergebracht, die wegen des feuchten Fußbodens unbenutzbar waren und deren Wände im oberen Teil aus Glas bestanden, bei völlig ungenügender Heizung. Die an die Hitze in den Tropen gewöhnten Deutschen mußten sich im Hofe an einer Rohrleitung waschen, deren Kräne häufig zugefroren waren.
In Quensferry wurden 250 Gefangene in einer
60–80 Meter langen und 20 Meter breiten Fabrikhalle aus Stein untergebracht, in der es empfindlich kalt war und die wegen Staub und Zugluft für aus den Tropen kommende Menschen sehr ungesund war.
Infolge dieser Behandlung stellten sich bei den Gefangenen, die in der schlechtesten Jahreszeit aus den Tropen an rauhe Orte der Westküste Englands gebracht wurden, Krankheiten, besonders Malaria und Darmstörungen, in Menge ein.
Unter ähnlichen Bedingungen hat das englische Kommando bald nach der Besetzung Lomes am 7. 8. 14 die
Togo-Deutschen, Männer, Frauen und Kinder, die am Kampf völlig unbeteiligt waren, mit wenigen Ausnahmen als Kriegsgefangene unter Bewachung durch schwarze Soldaten nach der Goldküste fortgeführt. Auch diese Gefangenen waren gezwungen, einen großen Teil ihrer Habe ohne Schutz in ihren Wohnungen zurückzulassen.
August 1914 Togo. Englische Behörde:
Frankreich hat sich von England eine Anzahl Gefangener aus Kamerun und Togo ausliefern lassen und sie statt Europa in seine ungesundeste Kolonie Westafrikas, nach Dahomey, geschleppt. Dort wurden sie an Plätzen, die Malaria, Dysenterie und Gelbfieber verrufen sind, teilweise in schwerem Frondienst unter Aufsicht von brutalen Schwarzen den Einwirkungen des Tropenklimas schonungslos ausgesetzt. Unmenschliche Mißhandlungen in Form von Prügel, Gefängnis und Folterstrafen wurden an ihnen verübt (Vergl. Uebersicht VI.)
Auch die belgische Verwaltung entschloß sich Oktober 1916 dazu, die in Tabora (Ostafrika) befindlichen deutschen Gefangenen durch den Kongostaat nach der Westküste Afrikas und von dort nach Frankreich zu verschleppen.
Diese Transporte bildeten für die unglücklichen Beteiligten eine Kette von Leiden und Entbehrungen aller Art.
Die Reise von Tabora bis zum
Tanganjika-See mußte meist in Viehwagen, in denen die Gefangenen mit den Eingeborenen eingepfercht waren, ausgeführt werden. Trotzdem fast alle Beteiligten krank waren, mußten sie ihr sämtliches Gepäck selbst schleppen. Das erste Nachtlager bestand aus halbzerfallenen Hütten, in die es hineinregnete. Als Lager diente Wellblech, Moskitonetze waren nicht vorhanden, Beleuchtung fehlte; das Essen war völlig [133-134] ungenießbar. Leute, die nicht weiterkonnten, wurden auf dem Marsche mit Kolbenstößen weitergetrieben.
In ähnlicher Weise erfolgte der Weitertransport nach La Pallice. Schlechte Verpflegung, furchtbare Strapazen infolge des vielfachen Schleppens des Gepäcks bei tropischer Hitze und völlig ungenügende Unterkunft, meist im Freien, waren auch hier die Regel. Manche Kranke brachen während dieses Transportes völlig zusammen, wurden aber rücksichtslos weitergeschleppt, bis ein Weiterkommen ausgeschlossen war und sie in irgend einem Orte zurückgelassen werden mußten.
Die Fahrt auf der Kongostrecke von Kabelo bis Kongolo auf einem Leichter war keine Besserung der Lage der Unglücklichen. Als Aufenthaltsraum wurde ihnen der unterste Teil des Schiffes angewiesen. Sie durften überhaupt nicht an Deck und haben in diesem übelriechenden, engen und heißen Raum qualvollste Stunden verbringen müssen. Ein schwer Lungenkranker, um den sich niemand kümmerte, obgleich er wiederholt Lungenbluten hatte, erfuhr die gleiche Behandlung.
Eine besonders schwere Leidenszeit mußten die Frauen dann noch in Stanleyville durchmachen, wo sie 17 Tage verblieben. Die Unterbringung erfolgte in einem aus Aesten und Palmblättern hergestellten Hause. Türen und Fenster waren unverschließbar. Der Fußboden war ein schmieriger und feuchter Morast mit zahlreichen Löchern. Die einfachsten Möbelstücke fehlten. Die Belästigung durch die Askaris war unerhört.
Auf der Fahrt von Leopoldville mit der Bahn nach Matadi brachten es die Belgier fertig, die Deutschen mit schwarzen Kettengefangenen zusammen in das
Eingeborenen-Gefängnis zu werfen.
Erst in Bomo wurde endlich die Behandlung menschenwürdiger. Nach einigen Wochen Aufenthalt wurden dann die Deutschen über den Ozean nach Pallice abbefördert.
In La Pallice mußte ein Transport, der im Februar 1917 bei schneidender Kälte ankam, zwei volle Tage in der kalten Bahnhofshalle zubringen, bis er von den Belgiern den Franzosen übergeben wurde.
Die vorstehende Schilderung bildet natürlich nur einen kurzen Ausschnitt aus der schweren Leidensgeschichte der aus den Kolonien verschleppten Deutschen. Aber aus ihm geht schon zur Genüge hervor, wie wenig England, Frankreich und Belgien berechtigt sind, die deutscherseits aus Frankreich und Belgien durchgeführten Deportationen anklagend hervorzuheben.
Aus dem Elsaß verschleppten die Franzosen zu Anfang des Krieges über 2000 Zivilpersonen, im wesentlichen solche Personen, die als deutschfreundlich denunziert waren.
Unerhört waren die Leiden dieser Unglücklichen.
Auf niedrige, unbewiesene Denunziationen hin wurden sie fortgeschleppt. Der Wirt D. in M. sollte auf Grund falscher Anzeige Oktober 1914 wegen angeblicher Spionage von den Franzosen festgenommen werden. Als er sich der Verhaftung durch die Flucht entzog, wurde an seiner Stelle seine Frau verhaftet und nach Frankreich verschleppt und dort bis 19. 3. 16 in verschiedenen Gefangenlagern unter den übelsten Verhältnissen festgehalten.
Am 19. 8. 14 wurde der Lehrer G. aus C. als angeblicher Spion festgenommen und nach Frankreich verschleppt.
Ebenso am 6. 9. 14 der Grubenarbeiter K. aus St.
Man hat den berechtigten Grund zur Annahme, daß die französische Regierung schon lange vor Beginn des Krieges durch ihre Agenten in
Elsaß-Lothringen Listen derjenigen Einwohner hatte aufstellen lassen, die als deutschfreundlich bekannt waren.
Am 22. 8. 14 wurde der Schreibergehilfe H. aus D. von französischer Gendarmerie festgenommen und an Stelle seines geflüchteten Vaters nach Frankreich verschleppt. Dabei wurde er auch nach der Wohnung eines schon seit 5 Jahren nicht mehr in D. befindlichen Postbeamten gefragt.
In niederträchtiger Weise wurde oft irgendein Grund vorgeschützt, um die Verschleppung zu rechtfertigen.
So wurde am 20. 3. 14 der Schutzmann aus M. verschleppt unter der
er- [135-136] dichteten Beschuldigung, in M. eine Frau nebst ihrem Säugling so mißhandelt zu haben, daß beide gestorben seien.
Schon die Uebernahme von Arbeiten für deutsche Behörden genügte, um die Verschleppung anzuordnen.
Am 20. 8. 14 wurde der Kaufmann H. in Mülhausen nach Frankreich verschleppt, weil er einige Tage vor dem Einrücken der Franzosen Fuhren für das Bezirkskommando ausgeführt hatte. In Belfort wurde er im Gefängnis interniert.
Rücksichtslos wurden die Zivilpersonen auf der Straße aufgegriffen und abtransportiert. Am 27. 8. 14 wurde der Obertelegraphenassistent K. aus Mülhausen auf einem Dienstgang bei S. festgenommen und grundlos nach Frankreich verschleppt.
Teilweise wurden die Leute, so wie sie gingen und standen, mitgeschleppt, ohne ihnen die Zeit zu geben, sich für den Abtransport vorzubereiten.
Am 17. 9. 14 wurde der Lehrer M. aus S. nach Frankreich verschleppt, und zwar in Holzschuhen und ohne Kopfbedeckung.
Oft wurden Zivilbewohner fortgeführt, weil sie sich weigerten, in französischen Dienst zu treten. Diese Aufforderung bedeutet an sich schon einen unerhörten Verstoß gegen das Völkerrecht.
So wurde der Weber G. aus Oberdunnhaupt im November 1916 durch die Administratur in Maasmünster festgenommen, weil er sich weigerte, französischer Soldat zu werden, und in das Gefängnis zu Vitry verbracht. Als er dort bei seiner Weigerung verblieb, wurde er von den Wärtern mißhandelt und erhielt zwei Tage lang keine Nahrung. Bei einer erneuten Weigerung wurde er in das Lager Viviers verbracht, wo er bis zum Austausch, 15. 7. 18, verbleiben mußte.
Landsturmpflichtige Bewohner wurden gleichfalls fortgeschleppt. Deutschland beließ die wehrfähigen Franzosen und Belgier in ihren Wohnungen und ordnete nur ihre Kontrolle an. Frankreich ist für solche humanen Maßnahmen nicht zu haben.
Am 8. 9. 14 wurde in Thann von den Franzosen bekanntgemacht, daß sich der gesamte Landsturm zu melden habe. Daraufhin stellte sich der Rottenführer K. in Thann und wurde sodann mit anderen Landsturmpflichtigen nach Bésançon verbracht.
Am 9. 9. 14 wurde der Lehrer W. aus B. mit dem gesamten Landsturm des Ortes nach Frankreich verschleppt. Die Verschleppten mußten im strömenden Regen nach Bussang marschieren, wo sie weder Schlafgelegenheit noch die Möglichkeit, ihre Kleider zu trocknen, fanden. Am 10. 9. 14 wurden sie mit dem gesamten Landsturm aus St. A., ungefähr 1300 Mann,, ohne vorher etwas zu essen bekommen zu haben, in dreieinhalb Tagen dauernder Fahrt nach Annonay verbracht.
Selbst Leute, die im Dienst des Roten Kreuzes standen, wurden nicht anders behandelt.
Am 19. 8. 14 wurden die Studenten F. und K. S. in Sennheim, die als Freiwillige des Roten Kreuzes im Feldlazarett I. in S. tätig waren, nach Frankreich verschleppt und dort bis 1918 festgehalten.
Schon die Weigerung, französische Kriegsanleihe zu zeichnen, hatte die Verschleppung zur Folge. Aus diesem Grunde wurde die Familie des Metzgermeisters V. aus D. nach Frankreich verbracht.
In brutalster Weise wurde fast die ganze Einwohnerschaft zahlreicher Ortschaften fortgeführt. So am 15. 8. 14 aus Thann etwa 100 Personen.
September 1914 sämtliche
17–45jährigen Männer aus Weiler bei Thann. Am 15. 9. 14 die Landsturmpflichtigen der Gemeinde Sandersdorf.
Sogar der geistliche Rock schützte nicht vor solchen Schandtaten!... August 1914 wurde beispielsweise der katholische Pfarrer von Lutterbach nach Frankreich verschleppt und dabei aufs schmählichste mißhandelt.
Ganz besonders aber hatten es die Franzosen auf die Beamtenschaft abgesehen. Amtsrichter, Lehrer,
Post-, Telegraphen- und Eisenbahnbeamte, Schutzleute wurden in großer Zahl gewaltsam nach Frankreich verbracht.
[137-138] Welche Leiden diese Unglücklichen in der Verbannung zu erdulden hatten, wie sie von der französischen Bevölkerung mißhandelt, beschmutzt und beschimpft, in welch brutaler Weise sie interniert wurden, ist in der Uebersicht VI näher geschildert. So handelten die Franzosen schon zu Beginn des Krieges, lange vorher also, ehe Deutschland nicht grundlos, sondern aus bitterster Not die Maßnahme ergreifen mußte, belgische und französische Zivilbewohner vorübergehend aus ihren Wohnsitzen zu entfernen.
A 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.
Frankreich hat in größtem Stil selbst nach Abschluß des Waffenstillstandes friedliche Zivilbewohner deportiert.
Dezember 18 Straßburg. Französische Behörden:
So wurden etwa 1000 junge Männer, Söhne altdeutscher Eltern, aus Straßburg nach Belgien verschleppt.
Dezember 18 Diedenhofen. Französische Behörden:
Auch aus Diedenhofen wurden deutsche Männer rücksichtslos zu Arbeitszwecken nach Belgien verschleppt, darunter sogar Greise über 60 Jahre.
1919 Elsaß-Lothringen. Französische Behörden:
Eine große Anzahl
Elsaß-Lothringer wurde unter dem Vorwande, während des Krieges dem Verbande des deutschen Heeres angehört zu haben, zu Unrecht verhaftet und in Frankreich interniert.
1919 Elsaß-Lothringen. Französische Behörden:
So z. B. in einem kurzen Zeitraum etwa 100 aus Mülhausen, Hüningen, Kolmar, Thann, Riesheim, Altkirch, St. Ludwig pp. Diese Personen wurden nach den Forts Borlemont und Faverger bei Reims verbracht und dort zu Aufräumungsarbeiten verwendet. (Verstoß gegen Gesetz 1 Artikel XI des Waffenstillstandsvertrages.)
Februar 1919. Französische Behörden:
Anfang Februar 1919 wurde in den Zeitungen des Saargebietes von den französischen Behörden veröffentlicht, daß sämtliche jungen Leute des Saargebietes im Alter von
14 –19 Jahren zwangsweise zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Belgiens und Nordfrankreichs verwendet werden sollten. Anfang März wurde tatsächlich damit begonnen, die jungen Leute zu verhaften und abzuschieben. So erhielten z. B. sämtliche jungen Arbeiter des Schachtes Gerhardt in L. Anweisung, sich sofort auf der Kommandantur zu melden.
Ende 18 Elsaß. Französische Behörden:
Eine große Anzahl Deutscher wurde aus dem Elsaß ausgewiesen. Sie mußten innerhalb 24 Stunden unter Zurücklassung ihrer Habe, die meist beschlagnahmt wurde, das Land verlassen. Ihr Abschub erfolgte unter Formen, die jeder Menschlichkeit und jedem Rechtsgefühl Hohn sprechen.
Im ganzen wurden bis jetzt ausgewiesen etwa 18 000.
Rund 60 000 haben unter dem allgemeinen französischen Druck
Elsaß-Lothringen freiwillig verlassen.
Die Ausweisung erfolgte im wesentlichen zu dem Zwecke, um das deutsche Leben in
Elsaß-Lothringen zu ertöten und die völlige Französierung der Lande möglichst schnell zu erreichen.
Auch aus dem von den Franzosen besetzten Saargebiet wurde eine große Anzahl von Angehörigen der Kommunalverwaltungen und führender politischer Kreise aus ihren Wohnsitzen verschleppt, um den in deutschem Sinne geleiteten Geschäftsgang zu stören und franzosenfreundliche Elemente in die führenden Stellen zu bringen. Frankreich erhofft dadurch, die Französierung auch dieser deutschen Lande – entgegen dem Friedensvertrag – zu erreichen.
So wurden beispielsweise 20 Deutsche in Saarlouis, Dillingen und Umgebung durch die französische Besatzungsbehörde verhaftet. Irgend ein Grund wurde ihnen nicht angegeben. Zeit, ihre Angelegenheiten zu ordnen, wurde ihnen nicht gegeben. Nach 30 Minuten wurden sie abtransportiert und in das ehemalige russische Gefangenlager Dorn überführt, wo sie unter
unwürdi- [139-140] gen Bedingungen untergebracht, versorgt und behandelt wurden. Zwei Namen dieser Abschüblinge seien genannt: Landrat Dr. Schaller, Bürgermeister Dr. Gilles. Außerdem Schuldirektoren und Oberlehrer, leitende Persönlichkeiten der Industrie und Pfarrer. Keiner dieser Verschleppten hatte in irgend einer Weise gegen die Besatzungstruppen gearbeitet.
November 1918 Lothringen. Französische Behörde:
Der französische Kommissar für Lothringen, Léon Mirman, läßt im November 1918 durch eine amtliche Verfügung aus allen Gemeindeverwaltungen die altdeutschen Vertreter entfernen. Am 20. November erklärte er: "Ich habe darauf gedrungen, daß wir hier im Stadthaus nur unter Franzosen sind!"