|
[141-142]
VI. Internierung unter unmenschlichen Bedingungen.
("Rapport", Uebersicht 8.)
"In wenige, im Felde nicht mehr brauchbare Zelte zusammengepfercht, unzureichend mit Decken, Feuerung und Bekleidungsstücken versehen, schlecht genährt und unverantwortlich gering mit sanitären Hilfsmitteln und Einrichtungen versorgt, mußten die Burenfamilien, jeder persönlichen Freiheit beraubt, monatelang ihr Leben fristen. Die Sterblichkeit in diesen Konzentrationslagern war außerordentlich hoch." So hieß es über den Burenkrieg.
An dieser mitleidslosen Behandlung in den englischen Konzentrationslagern sind 39% der Kinder zugrunde gegangen. Wie entflammte damals die Welt ob soviel kalter Grausamkeit und schnöder Herzlosigkeit. Das englische Volk, das so hartherzig sein konnte, hat an sich schon jedes Recht verwirkt, jetzt an dem Verhalten anderer Völker Kritik zu üben und ihnen den Vorwurf zu machen, ihre Gefangenen in unmenschlicher Weise interniert zu haben. Diese damalige Tat rücksichtslosesten englischen Egoismus', dem jedes Mittel recht ist, wenn es nur zu seinem eigenen Vorteil führt, hat im Weltkriege noch eine neue Steigerung in der Verhängung der Blockade gefunden, die Hunderttausende von Deutschen Hungers sterben ließ.
In dieser schweren Lage, selbst den Hungertod vor Augen, hat sich das deutsche Volk stets redlich bemüht, die Unzahl seiner Gefangenen nach bestem Können zu ernähren, soweit es eben der eigene Mangel zuließ. Es gehört schon ein unerhörtes Maß von Heuchelei dazu, jetzt diesem deutschen, täglich um die eigene Nahrung bitter kämpfenden Volke noch vorzuwerfen, seine Gefangenen schlecht ernährt zu haben.
Wenn je die Verpflegung der feindlichen Gefangenen in den deutschen Lagern knapp war, so lag dies doch lediglich nur an der Blockade, dieser grausamen Maßnahme der Entente, die schließlich auch ihren eigenen Volksgenossen zum Schaden wurde.
Man studiere nur im Abschnitt A 3 die hier nur kurz skizzierte unwürdige und nichtswürdige Behandlung der deutschen Zivilgefangenen durch die Entente, das bitter harte Los unserer vertriebenen Kolonisten, man vergleiche ferner mit dem uns vorgeworfenen Vergehen die grausame und herzlose Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen, die in der Uebersicht XXI geschildert ist, und man wird ruhigen Herzens und mit gutem Gewissen jedem Vorwurf der Entente offen ins Auge sehen können.
[143-144] Das deutsche Volk ist trotz seiner eigenen bittersten Not, soweit es die Verhältnisse nur irgend zuließen, stets redlich bemüht gewesen, seinen gefangenen Mitmenschen, auch wenn sie seine Feinde waren, ihr bitteres Los nach Kräften zu erleichtern.
Man lese nur die von Joachim Kühn verfaßte Broschüre, in der einige Abschnitte aus den Tagebüchern gefangener französischer Offiziere und Soldaten wiedergegeben sind, man lese ferner die Gutachten feindlicher und neutraler Kommissionen über die deutschen Gefangenenlager, wie die des englischen Kaplans T. Gahan über das Lager in Antwerpen, der Schwedin Luise Ackermann über verschiedene Lager, des Amerikaners John Jackson über das Lager in Meschede, des Spaniers Jiminez Porras über das Lager Ohrdruf, des Spaniers Ferrotges über das Lager Münster II, dessen Urteil in der Uebersicht XXI wiedergegeben ist und schließlich das in amtlichem Auftrage herausgegebene Buch "Kriegsgefangene Völker, der Kriegsgefangenen Haltung und Schicksal in Deutschland", und
die Welt wird und muß zu einem für uns Deutsche gerechten und anerkennenden Urteil kommen!
[145-146]
Anlage zu VI
A 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.
Datum nicht festgestellt. Deutsche Lager, deutsche Behörden:
Unwürdige Behandlung, elende Existenzbedingungen, ungenügende Nahrung. (Betr. rumänische Gefangene.)
1915–18 verschiedene Lager, z. B.
Magy-Megger, österreichische und deutsche
Zivil- und Militärbehörden:
Interniert bei Hunger und Kälte. Versorgung mit Wäsche und Kleidern fehlte. Die Gefangenen litten unter Epidemien. Zahlreiche Todesfälle waren die Folge. Die Internierung wurde ausgenutzt, um Geld zu erpressen.
A 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.
1901 Orange-Kolonie und Transvaal. Englische Behörden:
In wenige, im Felde nicht mehr brauchbare Zelte zusammengepfercht, unzureichend mit Decken, Bekleidung und Feuerung versehen, schlecht genährt und unverantwortlich gering mit sanitären Hilfsmitteln und Einrichtungen versorgt, mußten die Burenfamilien, jeder persönlichen Freiheit beraubt, monatelang ihr Leben fristen.
Die Sterblichkeit in diesen Konzentrationslagern stieg unter den Kindern bis auf 30 Prozent. Wie verheerend diese unmenschliche Maßnahme der Engländer wirkte, zeigt nachstehende Uebersicht:
Zeit |
|
Kolonie |
|
Bestand an weißen |
|
Todesfälle |
|
Erw. |
|
Kind. |
Erw. |
|
Kind. |
Erw. |
|
Kind. |
% |
% |
|
1901
Aug.
Dez. |
Orange
" |
19 207
20 213 |
24 475
23 542 |
112
340 |
510
911 |
5,8
16,8 |
20,8
38,3 |
1901
Aug.
Dez. |
Trans-
vaal |
23 532
24 551 |
25 943
27 302 |
117
246 |
1014
936 |
4,9
10,0 |
39,0
26,9 |
Welche unendlichen Leiden Frauen und Kinder damals ertragen mußten, schildert anschaulichst nachstehender Bericht des Generals Smuts vom Jan. 1902 an den Staatspräsidenten Krüger:
"Als den Buren selbst durch die Verwüstung ihrer Wohnstätten und ihres Eigentums der Mut nicht gebrochen werden konnte, suchte und fand der Feind ein neues Foltermittel in der Gefangennahme und Mißhandlung von Frauen und Kindern. Hier dachte der Feind die verwundbarste Stelle des Volkes zu finden. Selbst mehr als sein Land und seine Freiheit, so dachte man, liebt der Bur seine Frau und seine Kinder. Nehmt ihm diese weg und er wird sich ergeben. Und sofort begann eine unerhörte Verfolgung der Frauen und Kinder. Sie wissen, wie schon damals, als Sie noch bei uns waren, mit der Verfolgung der Frauen und Kinder in den durch den Feind besetzten Distrikten begonnen wurde, um dadurch unsere Truppen wankelmütig zu machen. Sie wissen auch, welch trübe Aussichten diese Handlungsweise uns eröffnete... Niemals wird eine Feder beschreiben können, was seit dem März 1900 Heldinnen unseres Volkes gelitten und geduldet haben. Auf der Flucht sich vor dem Feinde im Busch und in den Bergen bergend, wo nun manches bleichende Gebein eine Anklage zum Himmel schreit gegen den barbarischen Bantuneger und den noch barbarischeren Briten: Schutz suchend mit ihren Kleinen knietief im Wasser stehend im dichten Ried, von wo sie, wie z. B. die Frau und die Kinder vom Kommandant Wolmarans von Potschefstroom mit
Lee-Metfort- und Maxim-Geschossen durch den Feind herausgeschossen und nach den Dörfern getrieben wurden; nach monatelanger vergeblicher Flucht endlich in den Gefangenenlagern des Feindes angekommen, wo
sie – selbst auf den Tod
krank – ihre kleinen Lieben zu Grabe tragen; Hunger leidend, weil sie das [147-148] schlechte Fleisch und noch schlechtere Mehl nicht essen können, ohne Brennholz, um Essen zuzubereiten; Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr dort sitzend voll Sehnsucht und Bekümmernis um den Gatten und die Söhne, die vielleicht längst im Kriege gefallen sind; ist das nicht ein Gemälde von Leiden, wie es schrecklicher vor der Welt noch nicht entrollt worden ist? Das Leben der Männer im Felde, wie schwer es auch sei, ist herrlich, verglichen mit dem Hinsterben dieser ihrer gefangenen Lieben."
Frl. Hobhouse schreibt über die Internierungslager.
Frauenlager in Bloemfontein:
"Das Lager liegt am südlichen Abhange eines 'Kopje' direkt auf der kahlen Ebene, nicht ein Baum, nicht eine Spur von Schatten. Es sind fast 2000 Menschen im Lager, fast nur Frauen, darunter 900 Kinder.
Die Sonne brennt durch die einfache Zeltleinwand und alles ist dick und schwarz von Fliegen.
Kein Stuhl, kein Tisch ist vorhanden, nur eine aufgerichtete Tannenholzkiste, die als Speisekammer dient.
In Regennächten strömt das Wasser durch die Leinwand, läuft in die Zelte und durchweicht die Decken.
Giftige Schlangen kriechen auf dem Boden.
Frau P. erwartet in drei Wochen ihre Niederkunft. Sie muß auf dem bloßen Boden liegen, bis sie steif und wund ist, hat seit zwei Monaten nichts zum Sitzen gehabt und muß auf einer Decke kauern.
Frau M. hat 6 Kinder im Lager, alle krank, 2 mit Typhus.
Die Nahrung ist völlig unzureichend. Früher gab es noch manchmal Kartoffeln, 7 Kartoffeln für 7 Personen! Aber das ist seit langem nicht mehr möglich.
Seife wird nicht verabfolgt. Die Feuerung genügt knapp, um eine Mahlzeit am Tage zu kochen. Das Wasser aus dem Modderfluß kann daher nicht gekocht werden, obwohl die Aerzte sagen, daß man gerade so gut Reinkulturen von Typhusbazillen herunterschlucken könne, als dies Wasser trinken.
Ich kann es nicht beschreiben, was man fühlt, wenn man die Kinder in diesem Zustande völligen Zusammenbruchs sieht.
Ich sah einen Jungen von 4 Jahren. Man sah nichts von ihm als seine großen braunen Augen. Die Lippen waren so dünn geworden, daß er sie nicht mehr schließen konnte, der kleine Körper war wie ausgemergelt.
Ein anderes Zelt: Ein Kind lag auf der Erde, blaß und abgezehrt. Der Doktor hatte ihm am Morgen ein Pulver gegeben, seitdem hatte es nichts mehr zu sich genommen. 2 oder 3 andere matt und krank im selben Zelt.
In einem dritten Zelt lag ein Kind auf der Erde, blaß und abgezehrt. Es hatte Masern gehabt und war vom Hospital zurückgeschickt, ehe es gehen konnte. 3 oder 4 andere lagen ebenfalls krank auf der Erde. In einem vierten Zelt lag ein Mädchen von 21 Jahren sterbend auf der Bahre. Der Vater kniete neben ihm, während die Mutter ein 6jähriges Mädchen bewachte, das ebenfalls im Sterben lag, und ein 5jähriges Kind, das auch dahinsiechte. Dieses Paar hatte schon 3 Kinder im Hospital verloren.
Die Halskrankheiten kommen, wie der Arzt sagt, nur von den schlechten Gerüchen, die von den mangelhaften sanitären Einrichtungen herrühren. Auf der einen Seite des Lagers ist der Geruch ganz unerträglich."
Ueber das gleiche Lager schreibt Frl. Hobhouse (April): "Wenn das Lager nur so groß geblieben wäre, wie es vor 6 Wochen war, so wäre eine Möglichkeit gewesen, es zu organisieren. Aber der plötzliche Zuzug von Hunderten hat alles auf den Kopf gestellt. Mehr und mehr kommen an. Eine neue Razzia hat begonnen, mit dem Resultat, daß Hunderte und Tausende dieser unglücklichen Leute entweder in schon überfüllte Lager kommen oder irgendwo hingesetzt werden, wo ein neues Lager gebildet werden soll, wo aber nichts ist, um sie aufzunehmen.
Seitdem ich vor 6 Wochen wegging, sind 62 Todesfälle im Lager gewesen und der Arzt ist selber am Fieber erkrankt."
Lager Springfontein (März): "Die Leute sind ärmer und noch mehr des Allernötigsten bar, wie ich es bisher erlebt habe.
Einige wenige Frauen haben Unterröcke aus den groben wollenen Decken [149-150] gemacht. Fast alle Kinder haben nichts als ein vertragenes Kattunröckchen und nichts darunter. Schuhe und Strümpfe sind längst verbraucht.
Die schrecklichste Not in diesem Lager ist der Mangel an Feuerung. Holz gibt es nicht. Einige Kohlen werden verabfolgt, aber so wenig, daß an vielen Tagen die Leute überhaupt nicht kochen können. Dabei bestehen die Rationen aus rohem Fleisch, grobem Mehl und Kaffee, und alles das erfordert Feuer zur Bereitung."
Kimberley (März): "Das Lager ist das kleinste, das ich bisher gesehen habe. Die Zelte zu eng nebeneinander, und das ganze von einem 8 Fuß hohen Stacheldrahtzaun eingehegt. Schildwachen an den Eingängen und im Innern keine Pflegerin, ein leeres unmöbliertes Zelt als Hospital. Ueberfüllte Zelte. Masern und Keuchhusten grassieren. Das Lager schmutzig und übelriechend. Feuerung so gut wie keine.
Die Zeltleinwand ist so dünn und ungenügend, daß der Regen durchläuft und auf den Lagerstätten sich kleine Lachen bilden. Kein Wunder, daß die Kinder krank werden und sterben."
Frl. Hobhouse schließt ihren Bericht mit folgenden Worten:
"Die Hauptsache ist, die Leute zu entlasten. Der Ruin der meisten ist jetzt vollkommen. Vor allem muß man hoffen, daß der gesunde
Sinn – wenn nicht die
Barmherzigkeit – der Engländer sich gegen die Fortsetzung dieses Systems empören wird, welches solche vernichtende Wirkung auf die Alten, Schwachen und Kinder ausübt. Möchte man wenigstens die Ordre zurücknehmen, noch mehr Menschen in die Lager zu bringen.
Wurde seit den Tagen des Alten Testaments je eine ganze Nation gefangen weggeführt?"
So schrieb damals eine Engländerin über die Taten ihres eigenen Volkes. Hat das England vergessen?
Das deutsche Volk erließ damals einen Aufruf an seine Landsleute, der in den Worten gipfelte:
"Doch in uns lebe das Erbarmen! Furchtbar sind die Qualen der Hilflosen, die, zusammengetrieben in schnell
geschaffenen Lagern, kaum noch haben, womit sie ihre Blöße bedecken, die nicht wissen, womit sie den zehrenden Hunger stillen, die auf dem kalten, durchnäßten Boden ihre Glieder ruhen, die wehrlos dahinsterben in Elend und Krankheit. Barmherzigkeit, werktätige Liebe ist es, was wir fordern, Liebe, die sich nicht mit Worten genügt, sondern freudig mitteilt von der eigenen Habe. Wir wollen hier nicht prüfen, wo Recht und Unrecht ist in diesem furchtbaren Kampfe, wir wollen nur Schmerzen lindern, Wunden heilen."
Man vergleiche dieses Vorgehen Englands mit der Maßnahme der Hungerblockade gegen Deutschland im Weltkriege, deren Wirkungen in der Uebersicht III geschildert sind, man vergleiche es mit der in Abschnitt A 3 und 4 dieser Uebersicht geschilderten Behandlung der Deutschen durch Frankreich, Belgien und England.
Wird die Entente dann der Wahrheit die Ehre geben, wird sie dann einsehen, welch himmelschreiendes Unrecht sie mit ihren Anklagen gegen Deutschland begeht?
A 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.
Die Leiden, die die von den Russen aus Ostpreußen verschleppten Zivilbewohner im Exil in Rußland erdulden mußten, sind beispiellos.
Nach ihrer Ankunft im Exil wurden die Gefangenen in den
Gouvernements- und Kreisgefängnissen untergebracht, wo sie in den engen schmutzigen Kerkern warten mußten, bis die Regierung sie verteilte.
Auf den Dörfern wurden sie dann teilweise in Ställen und Kellern untergebracht, lagen oft nur auf Stroh, ohne Kissen und Decken. Ihren Lebensunterhalt mußten sie durch Arbeit erwerben. Fehlte diese, so mußten sie betteln gehen. Eine geldliche Unterstützung durch die russische Regierung erfolgte in den meisten Fällen nicht. Deutsche Unterstützungsgelder flossen zu wesentlichen Teilen in die Taschen der russischen Behörden, sodaß sie den Gefangenen nicht zugute kamen. Oftmals wurden die Gefangenen in brutaler Weise zur Arbeit gezwungen.
[151-152] Entsprechend der mangelhaften Fürsorge, der außergewöhnlich harten Lebensbedingungen und der teilweise menschenunwürdigen Behandlung war die Sterblichkeitsziffer außergewöhnlich hoch.
Von ca. 3500 Internierten in Simbirsk waren bis zum Herbst 1915 bereits 600 gestorben.
In dem verhältnismäßig günstigen Samaradistrikt starben in 10 Monaten etwa
15–20 Prozent der Internierten.
In ähnlicher Weise wurden die von Rußland im russischen Hoheitsgebiet bei Eintritt oder während des Krieges festgenommenen Deutschen in roher und unmenschlicher Weise interniert und untergebracht. Als Beispiel sei das Gefangenenlager Baku angeführt: Das Gefangenenlager war auf einer kleinen Insel in der Bucht von Baku im Schwarzen Meer untergebracht. Die Bucht ist durch die ständig dort herrschenden Winde und durch das äußerst ungesunde Klima bekannt und zur Unterbringung von Europäern gänzlich ungeeignet und lebensgefährlich. Das Lager bestand aus zerfallenen, gegen Wind und Regen keinerlei Schutz bietenden Holzbaracken. Süßwasser war auf der Insel nicht vorhanden und mußte täglich per Schiff nach Baku gebracht werden. Sobald einiger Seegang war, wurde die Wasserversorgung undurchführbar. Es starben infolgedessen Hunderte von Gefangenen am Dursttod.
Die Verwaltung des Lagers war unbeschreiblich. Der Kommandant unterschlug allein 40 000 Rubel. Diebereien und Unterschlagungen der Wachmannschaften waren an der Tagesordnung. Die Verpflegung war völlig unzureichend, Fleisch gab es nie, Brot war schimmelig und feucht. Statt Brot gab es zeitweise wurmigen, ungenießbaren Zwieback. Die gelieferten Nahrungsmittel waren häufig verdorben. Latrinen waren überhaupt nicht vorhanden. Nur in dem Lazarett war eine für die nach Hunderten zählenden Darmkranken absolut unzureichende Latrinenanlage. Die Wachmannschaften traten in der rohesten und gleichgültigsten Weise den Gefangenen gegenüber auf. Mißhandlungen waren üblich. Die sanitären Maßnahmen spotteten jeder Beschreibung. Infolge der schlechten Ernährung, unzureichenden Bekleidung,
Wasser- und Heizmaterialmangel und besonders des Klimas war die Zahl der Erkrankten eine ungeheure. Trotzdem das völlig unzureichend ausgestattete Lazarett zur Aufnahme der Lagerkranken nicht ausreichte, wurden in immer neuen Transporten Hunderte von kranken Gefangenen nach Nargin gebracht. Lange Zeit mußten 700 Kranke ohne Decken, Matratzen und Eßgeschirr in den vom Wind durchblasenen Baracken auf harten verlausten Holzpritschen mit einem Ziegelstein als Kopfpolster zubringen. Zu Hunderten starben die Gefangenen dahin, entkräftet durch die namenlosen Entbehrungen. Erst nach acht Monaten, als die Zeitungen der Stadt Baku der himmelschreienden Zustände im Lager Nargin sich annahmen, wurde durch die Stadtduma von Baku und durch Vertreter der bolschewistischen Regierung in Nargin Wandel geschaffen.
Für diese unmenschliche Behandlung der von Rußland Verschleppten ist die Entente mitverantwortlich. Denn sie tat nichts, um die russische Regierung zu bestimmen, den Internierten ein menschenwürdigeres Dasein zu verschaffen.
Ja, die französischen, englischen und belgischen Behörden behandelten die von ihnen internierten deutschen Zivilpersonen fast in der gleichen Weise.
1914/18 Kolonien. Englisch-französische
Internierten-Lager. Englische und französische Behörden.
Schon der Abtransport der aus den Kolonien verschleppten Zivilbevölkerung erfolgte in unmenschlichster Weise. Die Internierten durften meist nur das mitnehmen, was sie auf dem Leibe hatten. Sie hatten keine Möglichkeit, auf dem Transport nach Europa ihre Wäsche zu wechseln und litten sehr unter dem Schmutz, in den nördlichen Breiten unter der Kälte.
Männer und Frauen wurden gezwungen, ihr Ehrenwort zu geben, nichts gegen die Entente zu unternehmen. Wer sich weigerte, wurde gefesselt abgeführt.
Die meisten Transportdampfer waren für die Ueberfahrt in keiner Weise hergerichtet.
Die Verpflegung war unzureichend. Messer und Gabeln zu den Mahlzeiten wurden den Internierten oft unter den schimpflichsten Beleidigungen verweigert. Die sanitären Einrichtungen waren, besonders da die Gefangenen infolge der schlechten Behandlung vielfach an Fieber litten, meist völlig unzureichend.
[153-154] Die hier geschilderten Mängel fanden sich beispielsweise auf den Transportdampfern "Obuasi", "Elmina", "Balthurst", "Appam".
Bei der Landung in England wurden die Internierten, z. B. in Liverpool, von der Zivilbevölkerung mit Kot und Steinen beworfen. Besonders menschenunwürdig war dann die Unterbringung, Verpflegung und ärztliche Fürsorge in den Internierungslagern Queensferry, Handford, Wakefield u. a.
In Brest wurden die Zivilinternierten durch Fußtritte gegen den Bauch mißhandelt.
Hierbei zeichnete sich besonders der
Gensdarme-Capitaine Fegler aus.
In St. Assigne wurden die Internierten durch den Unterpräfekten mißhandelt und beschimpft.
Durch die Vernachlässigung der Kranken wurden mehrere Todesfälle verschuldet.
Dezember 1914, 1915/16 Berrouaghia, südlich Algier. Wärter Horsoni, Parcot, Candie, le Fleury, Okassara, Lafaille:
Unterbringung der deutschen Zivilgefangenen im Zuchthause. Feuchte Räumlichkeiten mit zerbrochenen Fenstern, sehr viel Ungeziefer. Sehr schlechtes Brot und schlechte Verpflegung, schwerste Mißhandlungen durch Fußtritte, Fesselung, Sittlichkeitsattentate französischer Zuchthäusler an deutschen Gefangenen. Ungerechte, überaus harte Strafen, Unterschlagung der Post. Von 4000 Gefangenen starben im Jahre 1915 ca. 800. Keine Beerdigung, nur Verscharrung.
Daß sich die Unterbringung und Behandlung an Unmenschlichkeit kaum noch überbieten läßt, zeigt nachstehendes, der Denkschrift des
Reichs-Kolonialamts "Die Kolonialdeutschen aus Kamerun und Togo in französischer Gefangenschaft" entnommenes Beispiel, das eingehender geschildert werden soll:
Die Gefangenen waren in Lehmhütten untergebracht, deren Halbdunkel den Aufenthalt von Moskitos und sonstigem Ungeziefer begünstigte. In den Hütten lagen die Gefangenen auf der bloßen Erde so eng beieinander, daß jeder nur einen Platz von etwa 60 cm Breite zur Verfügung hatte. Als Unterlage diente eine dünne Strohmatte. Trotz der Moskitoplage wurden Moskitonetze erst gegen Ende der Gefangenschaft geliefert. Auch das Holz zur Herstellung von Pritschen wurde erst nach langer Zeit zur Verfügung gestellt. Den offenen Abort mußten die Gefangenen vor den Augen der im Hofe tätigen eingeborenen Weiber benutzen und mit den schwarzen Soldaten und anderen Eingeborenen teilen.
Nach Verlauf der ersten 14 Tage, in denen die Gefangenen nur das Lager zu reinigen hatten, begann für sie mit dem Eintreffen des Adjutanten Venère, eines früheren Zuchthausaufsehers in der Verbrecherkolonie Neukaledonien, eine schwere Leidenszeit. Sämtliche
Kriegs- und Zivilgefangenen wurden durch ihn ohne Ansehen der Person zu schweren Arbeiten gezwungen. Eine harte Arbeit war das Reinigen des Landes von Dornengestrüpp und Schilfgras für Negerkulturen. Von dem scharfen Schilfgras wurden die Hände der Arbeitenden rasch blutig und wund. Waren diese Arbeiten an sich schon in der tropischen Hitze eine Gesundheitsgefährdung, so mußten sie infolge der besonderen Erschwerungen, unter denen sie verrichtet wurden, direkt vernichtend auf die Gesundheit wirken. Die Gefangenen waren nur mit dem Notwendigsten bekleidet, deshalb weder gegen die Sonnenstrahlen, noch gegen die häufig auftretenden Gewitterregen geschützt. Viele hatten keinen Tropenhelm. Hosen, Hemden, Strümpfe und Schuhe waren bei der schweren Arbeit bald verbraucht. Da neue Sachen nicht geliefert wurden, gingen die Gefangenen in ihren zerrissenen einher. Viele waren genötigt, die zum Schlafen ausgehändigte Baumwolldecke wie Eingeborene als Hüftentuch zu tragen. Andere liefen barfuß, noch andere trugen Pantoffeln aus ungegerbtem, schlecht oder gar nicht enthaartem Leder, infolgedessen sich ihre Füße wund scheuerten. Der mangelhafte Schutz der Füße hatte zur Folge, daß sich die massenhaft auftretenden Sandflöhe unter den Fußnägeln einnisteten und schmerzhafte Schwellungen und Eiterungen hervorriefen. Für nichts wurde Ersatz geliefert, obwohl, wie sich gegen Ende der Gefangenschaft zeigte, die nötigen Vorräte vorhanden waren.
Genügendes Wasser zur Befriedigung des nach der Arbeit in tropischer Hitze lebhaften Reinigungsbedürfnisses wurde nicht geliefert. Ebenso ungenügend war die Ernährung. Morgens gab es eine dünne, fettlose Suppe, die, weil am Tage zuvor gekocht, meistens sauer [155-156] war, mittags und abends Jams oder Eingeborenenbohnen mit etwas Fleisch, von schwarzen Köchen unsauber und geschmacklos zubereitet. Die 500g Brot, die dazu gehörten, wurden meist nicht verabreicht. Das Trinkwasser mußte, schmutzig, mit Insekten und Larven vermischt unfiltriert getrunken werden. War die Verpflegung schon in den ersten Wochen kärglich, so begann im Dezember 1914, als sie in die Hände des Adjutanten Venère überging, ein regelrechtes Hungernlassen, das bis in den April 1915 anhielt. Die Fleischrationen wurden so klein, daß auf den Mann nur noch wenige Gramm entfielen. Die für 10 Gefangene bestimmten
Jams- und Bohnenportionen reichten für höchstens 5. Die Lieferung von Brot unterblieb wochenlang; wurde es geliefert, so war es, weil aus verdorbenem Mehl gebacken, ungenießbar. Der Heißhunger trieb die Gefangenen dazu, den Marktweibern die für Europäer gesundheitsschädlichen, zum Teil ekelerregenden Eingeborenenspeisen abzukaufen und in den Abfallkörben nach Eßbarem zu suchen.
Der Adjutant Venère schlug die Gefangenen aus Laune, manchmal auch in der Trunkenheit, mit seinem Ochsenziemer über Gesicht und Kopf, über ihren nur mit einem zerfetzten Hemd bekleideten Rücken, über die bloßen Arme und Füße. Er versetzte ihnen Faustschläge ins Gesicht und trat auf die am Boden Liegenden. Häufig wurden sie durch ihn unter Peitschenhieben ins Arrestlokal getrieben und dort oder in seinem Dienstzimmer weitergeschlagen. Die durch diese Schläge hervorgerufenen Verletzungen waren oft so schwer, daß sie ärztlicher Behandlung bedurften und lange Zeit nachher als fingerdicke Striemen zu sehen waren.
Selbst kranke Gefangene und solche, die eben von ihrem Krankenlager aufgestanden waren, trieb Venère mit der Peitsche zur Arbeit.
Das Schmach- und Qualvollste bildete die Folterung mit der Daumschraube.
Bei dieser Folterung wurden die beiden Daumen des Gefangenen in Oeffnungen des Folterinstruments gesteckt, dann wurde durch Anziehen der Schraube ein Stück Eisen so auf den Daumen gedrückt, daß diese qualvoll schmerzten. Diese Marterung dauerte stundenlang, sogar ganze Nächte. Die Folge war, daß die Daumen anschwollen und sogar platzten. Die Gemarterten brachen manchmal bewußtlos zusammen. Nach dem Abnehmen der Folter waren die Daumen lange Zeit wie abgestorben. Die durch Anlegung der Daumenschrauben wehrlos Gemachten pflegte Venère durch
Peitschen- und Faustschläge zu quälen. Eine besondere Verschärfung dieser Marter bestand darin, daß zwei Gefangene, denen Daumenschrauben angelegt waren, sich einander gegenüberstellen mußten und durch eine an den Daumenschrauben befestigte Kette miteinander verbunden wurden. In dieser Stellung mußten sie einen etwa 2 kg schweren, in der Mitte der Kette hängenden Holzklotz mit ausgestreckten Armen über dem Boden in der Schwebe halten. Ließen die Gefangenen vor Erschöpfung oder Schmerz die Arme sinken, so wurden sie von Venère oder den schwarzen Soldaten so lange geschlagen, bis sie die Arme wieder erhoben. Auch diese Marterungen dauerten Stunden.
Auch das Foltern mit Daumschrauben geschah nicht etwa nur vereinzelt, sondern tagtäglich.
Mit Venère wetteiferten in der Mißhandlung der Deutschen der Sergeant Castelli und der Gefreite Gianzelli. Auch sie benutzten dabei Ochsenziemer, sie unterstützten Venère bei der Peinigung mit Daumschrauben.
Weder der erste Lagerkommandant, Major Bernaud, noch der auf ihn folgende Leutnant Bernard schritten gegen Mißhandlungen der Gefangenen ein.
Major Bernaud unterwies sogar die schwarzen Soldaten in Gegenwart der Gefangenen darin, wie sie mit dem Kolben stoßen und mit der Keule schlagen und werfen sollten. Leutnant Bernard mißhandelte eigenhändig mit der Reitpeitsche einen der Togodeutschen bei seinem Eintreffen in Abomey. Der Lagerarzt, Stabsarzt Dr. Longharé, gab den übrigen an Roheit der Gesinnung nichts nach, trotzdem er die Leiden der geschwächten Deutschen infolge seiner ärztlichen Tätigkeit besonders klar erkennen mußte. Als ihm eines Tages ein bei der Arbeit zusammengebrochener Gefangener in besinnungslosem Zustande gebracht wurde, ließ er ihn liegen und setzte seine Unterhaltung fort. Auf den gefährlichen Zustand des Kranken aufmerksam gemacht, entgegnete er, ohne sich beim Weintrinken trinken stören zu lassen: "Auch [157-158] im Felde liegen Verwundete und Kranke recht lange ohne jede ärztliche Hilfe herum."
Bei rheumatischen und neuralgischen Beschwerden benutzte Dr. Longharé Glüheisen, die empfindliche Brandwunden verursachten. Im allgemeinen überließ er die Krankenbehandlung schwarzen Heilgehilfen. Bei Chinineinspritzungen gingen sie so unsauber vor, daß sich an den Injektionsstellen markstückgroße Entzündungen und Eiterungen bildeten.
Gegen diese unmenschlichen Zustände waren die Gefangenen vollkommen machtlos! Hinter den hohen Lehmmauern ihres Lagers waren sie von der Außenwelt abgeschlossen und ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert!
Oberstabsarzt Professor Dr. Z., der Mitte März 1915 zur Unterstützung des französischen Arztes nach Abomey gebracht wurde, schildert seine Empfindungen beim Anblick der Gefangenen und des Lagers in folgenden Worten:
"Das Ganze machte einen unheimlichen Eindruck: man hatte das Gefühl, von aller Welt auf Nimmerwiedersehen abgeschnitten zu sein. Nun gar der erbarmungswürdige Anblick unserer Landsleute! Lebensmüde, abgezehrte, hagere Gestalten, wachsbleiche Gesichter mit tief in den breit umränderten Höhlen liegenden matten Augen, stumm, gebeugt und mit schlotternden Gliedern, schlichen wie verschüchtert über den Hof daher! Andere standen, mit verstohlener Neugier nach dem Ankömmling spähend, im Hintergrunde ihrer Hütteneingänge, um sich beim Annähern eines Franzosen scheu wie geschlagene Hunde in das Innere zurückzuziehen. Das waren die arbeitsfähigen Gesunden!
Welches Elend sollte sich mir erst offenbaren, als ich am Morgen nach meiner Ankunft zum ärztlichen Dienst das Lazarett betrat!"
Anfang Juli 1915 wurde – unter dem Druck von Zwangsmaßnahmen der deutschen
Regierung – das Lager in Abomey aufgelöst.
Die französische Regierung beklagt sich über mangelhafte Fürsorge der deutschen Regierung für die französischen Zivilbewohner, von denen ein Teil im wesentlichen im eigensten Interesse seiner Mitbürger zu Feldarbeiten herangezogen wurde, um die drückende Lebensnot, die infolge der Blockade allseitig auftrat, zu beseitigen.
Aber diese Fürsorge ist unvergleichlich menschlicher, planvoller und sorgsamer gewesen, als sie Frankreich den widerrechtlich und grundlos aus ihrem Heim gerissenen
Elsaß-Lothringern zuteil werden ließ. Die Behandlung dieser Unglücklichen, die an ihrem Deutschtum festhielten, erinnert an die dunkelste Zeit des Mittelalters. Daß sie beim Abtransport wie Verbrecher, fast wie Tiere behandelt wurden, ist bereits an einigen Beispielen in der Uebersicht 1 gezeigt. Hier soll nur kurz geschildert werden, wie unmenschlich sie untergebracht, verpflegt und versorgt wurden. Wenn die französische Regierung sich jetzt in ruhigerer Zeit diese ihre eigenen Taten in ehrlicher, mannhafter Art vor Augen hält, dann wird sie einsehen, wie widersinnig ihre Anklagen sind.
Die unglücklichen Verschleppten wurden fast wie schwere Verbrecher behandelt, ja noch schlimmer als solche. Bis sie ihr endgültiges Internierungslager erreicht hatten, wurden sie fast regelmäßig in Zuchthäusern und Gefängnissen oder Kasematten untergebracht.
Die Unterkunft im allgemeinen ist geradezu als niederträchtig zu bezeichnen.
In Chateau d'If waren die Gefangenen September 1914 in dumpfen Gewölben auf Stroh untergebracht.
Im Kloster Clermont Ferrant mußten die Gefangenen in einem Saal auf dem nassen Zementboden liegen, der vorher mit Wasser begossen war, also eine ausgesprochene Quälerei.
Auf der Insel Groix lagen die Gefangenen im Winter mehrere Monate hindurch in einem feuchten Keller.
In Henneton mußten die Verschleppten fast ein Jahr auf demselben Stroh liegen, so daß sie vom Ungeziefer fast aufgefressen wurden.
In Beziers lagen sie in der ehemaligen Arena, bei teilweise offenem Dach mit nicht verschließbaren Fenstern ohne Decken, wie auch in vielen anderen Lagern, auf wenig Stroh, das der Regen bald in Mist verwandelte.
In Aurno lagen die Verschleppten mit bestraften Verbrechern zusammen im Lager, ebenso in Ajain.
Im Gefängnis zu Belfort wurden die Zellen sehr eng belegt. Es waren keine [159-160] Aborte vorhanden. Es wimmelte von Ungeziefer. Die Decken und das zu Häckel und Staub gewordene Strohlager starrten vor Schmutz.
83 Gefangene wurden in einer
4–5 m breiten und nur etwa
12–14 m langen Zelle eingesperrt. Wegen Platzmangels lagen daher verschiedene Gefangene quer übereinander. Stroh war nicht vorhanden. Die Wände der Zelle waren frisch mit Teer bestrichen, so daß die an den Wänden liegenden Gefangenen mit Köpfen und Kleidern an den Wänden festklebten. Der Schutzmann H. aus M. wurde in der Zelle mit zwei verurteilten französischen Soldaten untergebracht.
Im gleichen Gefängnis zu Belfort mußte der Bezirksdirektor G. aus E. mit 100 anderen Gefangenen sogar zwei Nächte lang auf dem Korridor eng aneinander gepfercht stehen, ohne sich rühren zu können. Die Notdurft wurde in demselben Raum verrichtet. Auf 1 Mann kamen etwa 40 qcm Standraum.
September 1914 wurden die Verschleppten, zu 4 aneinander gefesselt, in die Zitadelle zu Besançon verbracht, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen in den Kasematten eingesperrt wurden.
Auf der Insel Ratoneau bei Marseille waren die Gefangenen in Räumen untergebracht, die nicht heizbar waren. Es regnete durch die schadhaften Dächer, die Fenster waren meist zertrümmert. Für die 1200 Gefangenen gab es nur wenige schmutzige Aborte und einen einzigen Brunnen, an dem alles sich und seine Wäsche wusch. Die Gefangenen mußten die verunreinigten Kasernen der Neger reinigen.
Am 22. 11. 14 wurden 400 Verschleppte auf dem alten Frachtdampfer "Pelikan" in 23 Stunden nach Korsika überführt und in den unteren Räumen des Schiffes untergebracht, die so überfüllt waren, daß viele weder sitzen noch liegen konnten. Da die kleinen Klosettkübel bald überliefen, mußten an ihrer Stelle die Eßgeschirre verwandt werden, die nicht geleert werden durften. Niemand durfte an Deck, wer es versuchte, wurde mit Fußtritten rücklings die Treppe heruntergeworfen. Dabei herrschte Seekrankheit in der verdorbenen Luft.
In Inoire wurden die Gefangenen im September 1914 in den halbfertigen Kanonenschuppen verbracht, einen großen Raum mit schlecht schließendem Ziegeldach und 5 offenen Oberlichtfenstern von 4 qm, durch die es hineinregnete und schneite. Auf dem kalten Zement etwas Stroh zum Lager, ohne Heizung und ohne Decken, mußten die Gefangenen bis Ende November 1914 aushalten.
In Ajain (22. 5. 16 bis 13. 4. 17) wurden die Verschleppten in einem halbdunklen Raum untergebracht, der nicht gelüftet werden konnte. An den Mauern lief ständig Wasser herunter, so daß die Kleider schimmelten. Beleuchtung war nicht vorhanden. Das Stroh, auf dem die Verschleppten lagen, wurde niemals erneuert. Die Heizung war ungenügend, so daß das Wasser an den Wänden im Winter gefror.
Aehnlich war es in anderen Lagern, man stelle sich bei einer solchen Unterkunft die körperlichen Leiden der Unglücklichen vor.
In der gleichen gewollt unmenschlichen und brutalen Weise wurden die Verschleppten verpflegt.
In Besançon war die Verpflegung so schmutzig und ekelhaft, daß der Lehrer B. seitdem ein schweres Darmleiden hat. Die Verschleppten erhielten nur mittags und abends je einen Blechteller mit Suppe und etwas Brot, so daß sie bald völlig entkräftet waren und viele krank wurden. Einer der Gefangenen starb an den Entbehrungen. Erst nach 8 Wochen durften sie eine Karte mit vorgeschriebenem Text ("ich bin in B. Es geht mir gut, wir werden gut verpflegt"!!) nach Hause schreiben.
In Porcy le Monial bekamen die Gefangenen 8 Tage lang nichts als Wasser und Brot. Das Brot wurde zuerst im Schmutz herumgerieben und dann auf den Mist geworfen, von wo die Gefangenen es sich holen mußten.
Im Zuchthaus zu Epinal erhielten die Gefangenen mittags lediglich eine verdorbene Brühe mit abscheulich riechenden Fleischresten und schlechtes Brot.
Im Gefängnis zu Belfort war die Verpflegung menschenunwürdig. So gab es z. B. an einem Tage rohe Linsen mit warmem Wasser, ein anderes [161-162] Mal völlig ungenießbares Fleisch. Als der Schreibergehilfe E. aus D. halbverdurstet um Trinkwasser bat, spuckte ihn der Aufseher an und sagte: "Hier ist Wasser, sale Boche!"
In Ajain gab es oft nur einige Rübenschnitzel in warmem Wasser.
In Ile Longue fanden die Gefangenen Oktober 1915 im Brot eingebacken Mäuse, Holz, Bleiplomben, Schnüre, Kautabak und dergl.
In Inoire war zur Wasserversorgung ein offenes Loch von 2 m Durchmesser und 1 m Tiefe gegraben, sonstige Brunnen oder dergl. gab es nicht. Der Wind wehte allerlei Unrat in die Grube, auch Menschenkot fand sich darin. Es brach daher bald unter den Gefangenen die Ruhr aus, zumal kein Abort vorhanden war, sondern nur offene Gräben im Freien. Als der Holzhauer G. aus B. einen Blutsturz erlitten hatte, erhielt er als Verpflegung im Spital für 3 Tage eine Tasse Wasser und 3 Kartoffeln.
In Clermont Ferrant erhielten die Verschleppten einmal statt Trinkwasser Seifenwasser.
In Lyon erbat der evangelische Pfarrer S. aus M. für die kleinen Kinder einer mitverschleppten Schweizer Familie etwas Milch von französischen
Rote-Kreuz- Damen, die dies höhnisch ablehnten.
Auf der Insel Ratoneau bei Marseille wurde das für die Verschleppten bestimmte Dörrgemüse in Badewannen eingeweicht, die sonst für pestverdächtige Levantiner benutzt wurden.
Auch der Sanitätsdienst wurde in der gleichgültigsten und rohesten Weise gehandhabt. Von Mitleid und Fürsorge, wie es der ärztliche Beruf gebietet, war vielfach keine Rede.
In Beziers war das Krankenzimmer unzureichend. Die Bettwäsche wurde nie gewechselt, so daß jeder neue Kranke die Wäsche seines Vorgängers benutzen mußte. Fast alle Gefangenen litten unter Läusen.
Im Staatsgefängnis Château d'If kümmerten sich die Aerzte um die zahlreichen Kranken und Verwundeten, die von der Bevölkerung durch Messerstiche verletzt waren, überhaupt nicht.
Im Spital zu Clermont Ferrant wurde der Holzhauer G. aus B. von den Krankenschwestern beschimpft. Der Arzt kam während 34 Tagen nur einmal. G. mußte die
Nahrungs- und Heilmittel im Spital selbst bezahlen.
Auf der Insel Ratoneau bei Marseille wurden die Aborte für die deutschen Zivilgefangenen auch von einem Bataillon lungenpestverdächtiger Senegalneger benutzt, von denen 11 an dieser Krankheit starben.
Im Fort Groignon auf Groix mußten die Verschleppten am Straßenbau arbeiten, auch wenn sie krank waren. Kranke mußten 5 km weit zum Arzt gehen, dem sie schon vorher als Simulanten angemeldet wurden. Sie erhielten dann wegen Simulation Arrest.
Der Bahnbeamte L. aus Th. erkrankte im Spätherbst 1914 in der Kasematte von Groix, wo er ohne Decke auf wenig Stroh schlafen mußte, und bekam Fieber. Als er sich krank meldete, ließ ein alter Marinearzt ihn ohne Untersuchung in einen finsteren Keller führen, wo er als Strafe für seine Krankmeldung auf einer Schütte Stroh bei einem Napf Wasser ohne sonstige Nahrung frierend zwei Tage und Nächte verbringen mußte.
Die Behandlung der unglücklichen Verschleppten, wohlverstanden Zivilbewohner, die mit dem Kriege nichts zu tun hatten, war über alle Maßen roh, man kann sie manchmal fast sadistisch nennen.
Hierfür hat die Uebersicht II schon einige Beispiele gegeben.
Im Gefangenlager zu Collioure wurden die Gefangenen beim Spaziergang von der Bevölkerung mit Steinen beworfen. Als zwei Gefangene sich hierüber beschwerten, wurden sie vom Lagerkommandanten mit Arrest bestraft.
In Beziers behandelte der Kommandant die Gefangenen mit grausamer Härte. Wegen der geringsten Verstöße wurden die schwersten Arreststrafen verhängt.
Auf der Insel St. Marguerite war die Behandlung überaus roh. Der Kommandant drohte bei jeder Kleinigkeit mit dem Revolver und wies die Posten an, im Wiederholungsfalle die Täter zusammenzuschießen.
[163-164] Im Gefangenlager zu Grenoble wurden dem G. aus H. die Zähne ausgeschlagen.
Auf dem Transport von einer Unterkunft in die andere wurden die Gefangenen von den Begleitmannschaften vor der Volksmenge nicht geschützt. Beschimpfungen, Bedrohungen, Messerstiche, Mißhandlungen waren daher etwas gewöhnliches.
In Porcy le Monial nahmen die Gendarmen den Gefangenen Uhren, Gold, Ringe, Hüte, Hosenträger und dergl. ab und schnitten ihnen die Knöpfe von den Hosen und Röcken ab.
Beim Abtransport von Porcy wurden die Gefangenen zu je 3 aneinander gekettet, wobei die Fesseln mit Hammer und Zange angezogen wurden, so daß die Handgelenke wund wurden. Hierbei erhielten die Gefangenen vielfach Schläge mit dem Hammer auf die Hände. Mit den schmerzenden Fesseln fuhren die Gefangenen nach Clermont Ferrant, wo sie nachts gegen 1 Uhr ankamen. Beim Aussteigen traten die Gendarmen mit Füßen nach ihnen, so daß die 3 aneinander geketteten Gefangenen hinstürzten. Beim Ueberschreiten der Gleise wurden sie von den angesammelten Soldaten und Zivilisten mit Säbeln und Stöcken geschlagen und nach Verlassen des Bahnhofs von der rasenden Volksmenge mit wildem Geschrei überfallen und mißhandelt. Die Gefangenen mußten daher, aneinander gekettet, im Laufschritt durch die Stadt eilen, eine Hand gefesselt und mit der anderen die Hose festhaltend. Die ganze Zeit über schlug die Menge auf sie ein und warf mit Steinen nach ihnen. So erhielt z. B. der verschleppte Schneider H. aus Th. allein 5 Säbelhiebe auf den Kopf und etwa 20 Schläge mit Stöcken und Gewehrkolben.
In Besançon wurde der Lehrer K. aus L. an Händen und Füßen gefesselt in eine unterirdische Zelle der Zitadelle geworfen und nach einigen Tagen an die Mauer gestellt, während die Soldaten mit Gewehr antraten und daneben ein Loch ausgehoben wurde. K. wurde mitgeteilt, daß es für ihn als Grab bestimmt sei und daß er sich nur retten könne, wenn er aussage, daß die deutsche Artillerie aus dem
G.-Spital in M., und die deutschen Maschinengewehre aus dem dortigen Garnisonlazarett auf die Franzosen geschossen hätten. Als K. derartige Aussagen ablehnte, wurde er mißhandelt, so daß er zwei Zähne einbüßte, und dann in das Gefängnis zurückgeführt.
Nie sind in Deutschland feindliche Zivilgefangene so roh mißhandelt, so wenig vor den Roheiten eines fanatischen Volkes geschützt worden, nie aber hat sich auch das deutsche Volk solchen Unglücklichen gegenüber in dieser brutalen, unentschuldbaren Form vergessen, wie es das französische tagtäglich tat.
Auch zur Arbeit wurden die Verschleppten gezwungen.
Hierfür nur zwei Beispiele:
Vom 28. 12 14. bis 30. 3. 15. wurden Verschleppte in der Pulverfabrik von St. Chamas als Arbeiter verwendet.
Der verschleppte Bahnwärter F. aus E. wurde in Inoire gezwungen, bei dem Neubau einer Straße und den Kasernen zu arbeiten. Infolge Tragens schwerer Eisenteile zog er sich hierbei einen Leistenbruch zu.
Im Lager mußten die Verschleppten ohne jede Vergütung Straßenbauarbeiten verrichten und wurden hierbei von den Soldaten geschlagen.
Es bleibt noch übrig, die Leiden kurz zu schildern, denen die deutsche, in Frankreich und Belgien bei Kriegsausbruch ansässige Bevölkerung ausgesetzt war. Wie sie bei den Verhaftungen
oder Ausweisungen als völlig wehrlose Geschöpfe behandelt wurden, ist bereits in der Uebersicht II gezeigt worden. Hier soll kurz auf das Verhalten der Behörden bei ihrer Internierung eingegangen werden.
Empörend waren die Zustände in der Haft, in der die Festgenommenen, darunter Greise, alte Frauen und Kinder, oft wochenlang festgehalten wurden.
In Gefängnissen, Kasernen oder in engen Räumen, teilweise in Einzelhaft wurden sie interniert, teilweise ohne Lagerstatt und ohne Decken, mit Verbrechern und Straßendirnen zusammen.
Der H. B. in Antwerpen wurde am 6. 8. 14 im Gefängnis in der Beguinenstraße in Einzelhaft in eine kleine Gefängniszelle gebracht. Zur Notdurftverrichtung befand sich darin ein Eimer, den er selbst leeren mußte. Auf Wege dazu wurde ihm stets eine [165-166] Art Kapuze mit Schlitzen für die Augen über den Kopf gestülpt.
Der S. F. wurde in Antwerpen im August 1914 im Gefängnis in einen Raum gesperrt, in dem sich etwa 120 Männer befanden. Der Raum war nur etwa 70 qm groß und reichte für die Unterkunft nicht im entferntesten aus. Vielfach lagen die Verhafteten auf dem bloßen Fußboden ohne Decken.
Eine hochschwangere Frau wurde in Merxem ins Gefängnis geworfen, ohne eine Lagerstatt zu erhalten.
In Frankreich wurde in der gleichen Weise verfahren.
Frl. M. M. wurde in Paris mit vier anderen Verhafteten in eine Zelle des Gefängnisses gebracht, wo ihnen nur eine Decke gewährt wurde. Täglich durften sie nur eine Stunde auf dem geschlossenen Hof spazieren gehen, wo sich das ganze Gesindel aus dem Gefängnis befand.
Frau v. Sch. kam im Mai 1915 in eine Einzelzelle des Frauengefängnisses St. Lazare in Paris, in der sie zwei volle Monate verblieb. Sie durfte in dieser Zeit niemals die Zelle verlassen.
Frau A. G. wurde in Fontainebleau mit einer Straßendirne untergebracht, die sich in der widerlichsten Form betrug. Frau G. wurde von Gefängnis zu Gefängnis geschleppt. In Anxerre mußte sie mit ihrem Kinde ihren Aufenthaltsraum mit Sträflingen teilen. Auch in Moulin wurde sie im Gefängnis interniert.
Die Unterkunft und Versorgung der Unglücklichen war gewollt unmenschlich. Geradezu unerträglich wurde der Aufenthalt in den vielen Hafträumen dadurch, daß keine Aborte vorhanden, sondern Kübel in den Zellen oder Zimmern aufgestellt waren. Für Waschgelegenheit wurde oft tagelang nicht gesorgt.
Frau B. und Frl. K. wurden in Antwerpen im Stadtgefängnis interniert, wo sich für 5 Personen außer einem Bett kein anderes Möbelstück befand, insbesondere keinerlei Sitzgelegenheit.
Der B. berichtet, daß er in Antwerpen im Gefängnis mit 150 Personen in einem Raum untergebracht wurde, in dem zur Verrichtung der Notdurft nur 4 kleine Gefäße standen.
Der Sch. meldet, daß in Brügge 40 in einem kleinen Raum untergebrachte Gefangene sich erst am 5. Tage waschen durften. Sie bekamen in den ersten Tagen nur Wasser und Brot.
Der H. M. erhielt in Brügge 3 Tage lang kein Wasser zum Trinken und Waschen. Die Gefangenen erhielten dort einige Tage lang überhaupt keine Nahrung.
In Antwerpen wurde im Gefängnis den Internierten das Wasser tagelang entzogen oder ungenießbar gemacht. Das Brot wurde mit den Füßen in die Zellen gestoßen.
Der Ingenieur B. war in Paris in der Conciergie mit drei Strafgefangenen in einer viel zu kleinen Zelle eingesperrt, in der die Luft völlig verpestet war. Um frische Luft zu bekommen, mußten sie sich abwechselnd an den Türspalt legen.
In der Zelle war nur ein Bettgestell vorhanden. Die Beköstigung war unzureichend. In der ganzen Zeit zwischen dem 12. 8. bis 4. 9. 14 wurde ihm keine Gelegenheit gegeben, sich in der frischen Luft zu ergehen.
Dem M. wurde in Paris in einem Polizeigewahrsam trotz seiner dringenden Bitten Wasser zum Trinken vorenthalten. Es wurde ihm ein Wasserschlauch gezeigt, der durch eine Zellenöffnung hineingesteckt wurde. Wasser erhielt er nicht.
Am schlimmsten aber war die Behandlung in den Gefängnissen, in den Internierungsräumen und besonders in Frankreich in den Internierungslagern. Rücksichtslos bis zum äußersten ging man gegen die wehrlosen, völlig entrechteten Geschöpfe vor, die nichts begangen hatten, als daß sie deutsch waren.
In Belgien mußte der W. in Brüssel mit Strolchen 4 Stunden lang in einer Ecke des Polizeibüros stehen. Alsdann wurde er mit anderen zusammengekettet nach dem Palais de la justice gebracht.
Manche wurden wie gemeine Verbrecher gemessen und photographiert, so der Krankenwärter J. im Gefängnis zu Charleroi.
Der ... W. wurde, als spionageverdächtig, weil er Schlafwagenangestellter war, in St. Nicolas mehrere Tage lang [167-168] im Gefängnis gefesselt interniert. Die Gefängnisbeamten behandelten ihn roh, spuckten vor ihm aus und sagten ihm bei jeder Gelegenheit, daß er erschossen würde.
In der Pulvermühlenkaserne zu Brügge wurden die Gefangenen 9 Tage lang Tag und Nacht zu zweien zusammengekettet.
Im Gefängnis zu Charleroi wurde der M. W. zwangsweise zum Arbeitsdienst verwendet, ebenso im Gefängnis zu Brüssel.
In vielen Fällen mußten die Gefangenen beim Verlassen der Zellen Masken aufsetzen wie Zuchthäusler, so in Charleroi, Antwerpen.
Vielfach suchten die Wärter die Verhafteten seelisch zu quälen, z. B. durch Drohungen, daß sie erschossen würden, oder indem den von ihren Männern getrennt untergebrachten Frauen gesagt wurde, daß ihre Männer erschossen würden.
Im Gefängnis zu Antwerpen wurde dem B. nicht gestattet, sich aufs Bett zu legen, obwohl er gelähmt war.
Schwere Mißhandlungen durch die Wärter waren an der Tagesordnung.
Der B. wurde in Antwerpen von dem Aufseher mit Stößen und Faustschlägen traktiert. Ihm wurde, um ihn von der Nahrung fernzuhalten, zugeflüstert, daß das Essen vergiftet sei. Wasser wurde ihm oft entzogen.
In Mons wurde der Sohn des F. vom Gefängnisaufseher geschlagen, auch in Lens wurde er mißhandelt, wobei der Leutnant der garde civique untätig zusah und die Gefangenen mit Erschießen bedrohte.
In Brügge wurden die Gefangenen, wenn sie zum Abort geführt wurden, von den begleitenden Posten mit Faustschlägen und Kolbenstößen mißhandelt.
Der B. wurde in Antwerpen im Gefängnis von 6 Wärtern, die in seine Zelle eindrangen, so schwer geschlagen, daß er blutüberströmt liegen blieb. In diesem Zustande wurde er in einen Abort eingeschlossen. Infolge dieser brutalen Behandlung wurde er geisteskrank.
Im Gefängnis in Antwerpen wurde der schwer herzleidende B. von den Wärtern, denen das Leiden bekannt war, nutzlos
hin- und hergejagt und mit schweren Arbeiten gequält. An dieser Behandlung starb er später.
Die Behörden und Beamten beteiligten sich in vielen Fällen an diesen Mißhandlungen.
Auch in Frankreich wurden die Verhafteten vielfach schändlich mißhandelt.
Der M. wurde im Polizeikommissariat 12. Arondissement Paris, gefesselt in eine Zelle gesteckt, dort schmählich beschimpft und geschlagen. Andere Leute wurden derart geschlagen, daß das Blut herunterlief.
Vor allem wurden die deutschen Zivilisten in den französischen Sammellagern, wohin sie verbracht wurden, schonungslos und roh behandelt und in primitivster Weise versorgt.
Der Franzose Maurice Barreès bezeichnet diese Sammellager im "Echo de Paris" vom 27. 1. 15 als "schmutzige Löcher", als "unmenschliche Konzentrationslager", als "Stätten des Elends".
Für die Unterkunft war oft nicht das geringste vorbereitet, sie entsprach vielfach nicht den einfachsten notwendigen menschlichen Bedürfnissen.
Im Lager Camp d'Avrillé waren 1500 Gefangene beiderlei Geschlechts, Kinder und Greise in 20 Segeltuchzelten im freien Felde auf wenig Stroh auf blanker Erde untergebracht. Die Zelte waren undicht, so daß es hineinregnete. Viele mußten im Freien warten, bis die Zelte aufgebaut waren. Eine Oesterreicherin mit 3 Monate alten Zwillingen war genötigt, die beiden ersten Nächte im Freien zu schlafen. Decken waren nicht vorhanden. Das auf dem nassen Boden sehr schnell feucht werdende Stroh wurde selten gewechselt.
Ebenso waren in Angers 1000 Gefangene in regendurchlässigen Zelten übermäßig eng (150 Personen in einem Zelt) auf feuchtem Stroh ohne Decken untergebracht. Beleuchtung und Heizung waren nicht vorhanden.
In Carcassonne schliefen in einem ausgeräumten Asyl für alte Leute viele Gefangene auf den Fluren und Korridoren auf dünnem Stroh, manche mußten auch hier sogar bis Ende September in den kühlen Nächten im Freien schlafen.
[169-170] In vielen Fällen wurden die Internierten in alten, oft schon jahrelang leerstehenden Gebäuden mit zerbrochenen Fensterscheiben untergebracht ohne Heizung trotz strenger Kälte, so z. B. in Pierre bei Rodez.
In Périgueux waren die Deutschen in den Schuppen und Arbeitsräumen einer alten, baufälligen Fabrik untergebracht. Die Fensterscheiben waren entzwei, das Dach undicht. In das obere Stockwerk regnete es so stark hinein, daß ein Loch in die Mauer gestoßen werden mußte, um dem Wasser Ablauf zu verschaffen. Anfangs mußten die Gefangenen auf dem bloßen Zementboden schlafen, später auf wenig Stroh, das zwölf Wochen lang nicht gewechselt wurde und naß, faulig und voll Ungeziefer war.
Besonders ekelerregend und gesundheitsschädlich waren die Abortverhältnisse. In Périgueux z. B. für 700 Personen
4 Aborte – Löcher im
Boden – die dauernd verunreinigt waren.
Auch die Verpflegung und Beköstigung war oft menschenunwürdig.
In Angers fand sich Seife in der Suppe. Sie war in grünspanhaltigen Gefäßen zubereitet.
Die Hülsenfrüchte waren häufig schlecht. In ihnen befanden sich oft Würmer.
In Rodez war das gelieferte Fleisch wiederholt völlig in Verwesung übergegangen.
In Périgueux gab es vorzugsweise ungenießbare Leber und Kaldaunen, auch Büchsenfleisch, nach dessen Genuß Vergiftungserscheinungen eintraten.
In Sable d'Olonne spottete das ekelerregende, ungenießbare Fleisch jeder Beschreibung. Tieraugen schwammen in der Suppe. Eingeweide, Milz und Lunge wurden gekocht, Lungen verschiedentlich, nachdem ganze Klumpen Eiter herausgeschnitten waren. Die in den Aborten herumkriechenden Würmer fanden sich auf den Speisen und in den Suppen. Nur an den Tagen, wo Kontrollbesuche durch den Präfekten oder durch den amerikanischen Konsul erfolgten, war das Essen besser.
Die Nahrungsmengen waren oft unzureichend, so daß sich die Gefangenen nur durch Ankauf von Zusatznahrungsmitteln vor Hunger schützen konnten.
Unerhört war auch die ärztliche Versorgung.
In Angers wurde ein im Camp d'Avrillé schwer an Blinddarmentzündung erkrankter 3jähriger Junge nach dem Spital in Angers geschickt. Dort wurde die Aufnahme verweigert, der Junge zurückgeschickt. Der Apotheker in Angers lehnte die Behandlung ab und sandte das Kind abermals nach Angers. Von dort wurde es wieder zurückgeschickt und starb dann. Die Leiche blieb 1½ Tag im Lager, wurde dann in einen Sack gesteckt und auf einem Hundekarren fortgefahren. Die Mutter blieb über den Verbleib der Leiche ohne Nachricht.
In Perigueux verweigerte das Spital die Aufnahme hochschwangerer Frauen. Sie mußten ohne ärztliche Hilfe im allgemeinen Schlafsaal niederkommen.
In Les Sables d'Olonne wurden in der Infirmerie die Kranken in demselben Raum mit an Syphilis erkrankten Dirnen untergebracht.
In Saintes verweigerte der Chefarzt Dr. Charrier Kranken die Aufnahme in das Spital mit den Worten, "es sei noch Platz auf dem Kirchhof, nicht aber im Spital."
Die Behandlung der Gefangenen war oft überaus roh und brutal.
In Rodez waren Kolbenstöße durch die Wachmannschaften an der Tagesordnung. Beschwerden der Gefangenen verhinderte der Kommandant.
In Carcassonne kamen häufig geschlechtliche Verfehlungen des Aufsichtspersonals vor. Der Direktor suchte ein junges Mädchen zu vergewaltigen. Er schickte junge Mädchen und Frauen zur Strafe auf die Wache zu den Soldaten, wo sie nachts bleiben mußten. Ein verheirateter Sergeant schlich sich nachts in die Frauenschlafsäle und belästigte die Mädchen. Die Soldaten beschimpften und bedrohten die Mädchen mit dem Bajonett.
Der Franzose Hervé hat bei dieser Sachlage mit Recht das Vorgehen seiner Landsleute verurteilt, indem er sagt:
"Wie Vieh hat man die Deutschen behandelt, bis zum letzten französischen Bahnhofe."
[171-172]
A 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.
1919 Aumetz. Französische Behörden:
Der Bürgermeister von Aumetz wird von den Franzosen seines Amtes enthoben, unschuldig in Haft gesetzt, zunächst 2 Monate in Aumetz in Haft gehalten und dann in das Bezirksgefängnis in Metz überführt, wo er sich noch im Juni befand. Seine Familie wurde rücksichtslos aus Aumetz abgeschoben.
1919 Elsaß-Lothringen. Französische Behörden:
In Elsaß-Lothringen wurden alle männlichen Deutschen, deren Eltern vor 1870 in
Elsaß-Lothringen nicht ansässig waren, interniert.
1919 Straßburg. Französische Behörde:
Im Fort Thann in Straßburg wurden 12 höhere Regierungsbeamte in Schutzhaft behalten und traurig behandelt.
1919 Elsaß-Lothringen. Französische Behörden:
Der Oberleutnant der Landwehr Ernst K., der ordnungsmäßig entlassen ist, wird in
Elsaß-Lothringen verhaftet und interniert.
1919 Saarbrücken. Franz. Behörden:
In Saarbrücken werden die Mitglieder der mehrheitssozialistischen Partei P. und R. verhaftet und festgehalten.
1919 Mülhausen. Franz. Behörden:
In Mülhausen wird der Wasserwerksdirektor Kl. 3 Wochen lang festgehalten und dann ausgewiesen. Er verliert dabei Haus, Mobiliar und Stellung.
1919 Saargemünd. Franz. Behörden:
In Saargemünd wird der Direktor M. in Einzelhaft genommen.
1919 Antwerpen, Brüssel. Belgische Behörden:
In Antwerpen wurde Anfang 1919 das zunächst zurückgehaltene Sanitätspersonal gesammelt, im Hotel "Fortuna" streng bewacht und abgeschlossen gegen jeden Verkehr mit der Außenwelt untergebracht. 10 Tage lang mußten die Schwestern auf Steinfußboden und Stroh liegen. Erst am 14. Januar erfolgte der Abtransport nach Brüssel. Dort wurden 76 Schwestern in eine kalte zugige Sattelkammer mit defekten Fenstern bei Winterkälte eingesperrt. Als Nachtlager diente der mit etwas Stroh belegte Steinboden. Zur Verrichtung der Notdurft wurden jedesmal 4 Schwestern von einem Posten in einen offenen Pferdestall geführt, wo sie in Gegenwart des Postens ihre Notdurft verrichten mußten. Die Aerzte und das männliche Sanitätspersonal wurden zur selben Zeit in einer kalten Reitbahn eingesperrt gehalten. Stroh zum Nachtlager wurde nur in unzureichendem Maße gewährt.
Ein Arzt berichtet über diese zeitweise grausame Internierung:
"Ich habe die ärztliche Ueberzeugung, daß die deutschen Schwestern, welche in unvergleichlicher Opferfreudigkeit und Liebe, ohne Unterschied ob Freund oder Feind, auch für die verwundeten Belgier ihr Bestes getan haben, zum größten Teil einen dauernden körperlichen oder seelischen Schaden durch die unmenschliche Behandlung an ihrer Gesundheit erlitten haben."
1918 Rumänien. Rumänische Behörden:
Bei Eintritt des Waffenstillstandes im November 1918 vereinbarte die rumänische oberste Heeresleitung mit der deutschen Heeresgruppe Koch (Sinaja) und entsprechend der rumänische Präfekt in Ploesti, Oberst Vasilescu, mit dem deutschen Distriktskommandanten, Oberst Riedel dortselbst, daß die deutschen Beamten der
Steaua-Gesellschaft in Campina behufs Aufrechterhaltung des Betriebes an Ort und Stelle und von jeder Internierung frei bleiben sollten. So wurden die Beamten in großer Zahl zum Bleiben bewogen. Kaum waren die deutschen Truppen abgerückt, als die rumänische Regierung ihr Wort brach, die meisten
Beamten – darunter alle
maßgeblichen – unter entwürdigendster Behandlung und gelegentlich selbst unter Mißhandlungen verhaftete und zunächst in einem Zuchthaus internierte. Dabei waren sie jeglichem Mangel mitten im Winter und außerdem schwersten Erpressungen der rumänischen Beamten und Offiziere, zumal des Delegierten der Sicherheitsbehörde (Directiunea Sigurantei Generale) bei der Kommission für
Zivil- und Militärinternierte in Bukarest u. a. hilflos mit Vorsatz ausgeliefert.
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