E 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.
Eine große Anzahl Deutscher wurde aus Elsaß-Lothringen ausgewiesen. Sie mußten meist innerhalb 24 Stunden unter Zurücklassung ihrer Habe, die meist beschlagnahmt wurde, das Land verlassen. Ihr Abschub erfolgte unter Formen, die jeder Menschlichkeit und jedem Rechtsgefühl Hohn sprachen.
Im ganzen wurden bis jetzt ausgewiesen etwa 18 000. Rund 60 000 haben unter dem fürchterlichen französischen Druck Elsaß-Lothringen freiwillig verlassen.
Was unsere unglücklichen Landsleute in Elsaß-Lothringen erduldet haben, wird in der Uebersicht II kurz geschildert werden. Hier soll nur kurz die Ausweisung behandelt werden.
[39-40] In erster Linie hatten es die Franzosen auf führende Persönlichkeiten im öffentlichen Leben abgesehen. Sie glaubten auf diesem Wege das Deutschtum ausrotten zu können.
So wurden sämtliche Professoren der Universität Straßburg ohne Gehalt und Pension entlassen, die Universität geschlossen, ein großer Teil der Professoren ausgewiesen.
Im Oberelsaß wurden 250–300 deutsche Beamtenfamilien gezwungen, vor dem 15. 12. 18 das Land zu verlassen, andernfalls sie nach Nordfrankreich verbracht werden würden.
So wurden auch die deutschen Beamten in Kolmar ausgewiesen, unter Formen, die gleichfalls jedem Rechtsgefühl und jeder Menschlichkeit spotteten.
Auch vor der Geistlichkeit machte die französische Rachsucht nicht halt.
Der höchste evangelische Geistliche in
Elsaß-Lothringen, Freiherr von der G., wurde rücksichtslos des Landes verwiesen.
Die Ausweisung erfolgte teilweise unter Mißhandlungen gröbster Art.
Der frühere Reichstagsabgeordnete Unterstaatssektetär Dr. P. ist an den Folgen dieser Behandlung gestorben.
Vielfach wurden die Auszuweisenden vor dem Abschube verhaftet, in Gefängnissen interniert und hierbei äußerst brutal behandelt.
Die deutschen Angehörigen der Metzer Polizei waren im Einverständnis mit den französischen Behörden in Metz verblieben, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Trotz dieser Zusicherung wurden die deutschen Beamten sehr bald vom Außendienst ausgeschlossen. Der Polizeikommissar K. wurde auf der Straße verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Ebenso wurden 50 Beamte verhaftet, durch die belebtesten Straßen geführt und in die
Militär-Arrestanstalt gebracht. Die Behandlung dort spottete jeder Beschreibung. Holzpritschen dienten als Lager, Heizung (es war im Januar) fehlte, Strohsäcke waren nur vereinzelt vorhanden. Kranke wurden ärztlich nicht versorgt. Erst auf dringende Vorstellungen hin wurden Decken ausgegeben und für Verpflegung gesorgt. Die Verhafteten wurden wie Verbrecher behandelt, von allen Seiten photographiert, gemessen und Fingerabdrücke von ihnen genommen. Diesen Qualen erlagen zwei Beamte: der Schutzmann Schn. schnitt sich die Pulsadern auf, der Polizeikommissar C. erhängte sich. Letzteren ließ man ohne ärztliche Behandlung einfach liegen, sonst hätte er gerettet werden können. Erst nach 11tägiger Gefängnishaft wurden sie nach Deutschland transportiert.
Januar 1919 Metz. Franz. Behörden.
Die wahre Kultur und Herzensroheit der Franzosen zeigte sich erst recht beim Uebertritt der Ausgewiesenen auf deutsches Gebiet.
Wie Verbrecher wurden sie von Soldaten mit aufgepflanztem Seitengewehr zum Gespött des Publikums durch die Straßen geführt.
An der Kehler Rheinbrücke waren es besonders farbige Kolonialsoldaten, die sich an Drangsalierungen der Deutschen überboten.
Die Leibesuntersuchung erfolgte in der schamlosesten, barbarischsten Weise. Frauen wurden von Marokkanern in der schimpflichsten Weise untersucht. Erst später fanden diese Untersuchungen durch Frauen statt, aber in Räumen, wo französische Soldaten
aus- und eingingen. In zahlreichen Fällen mußten sich die Frauen dabei völlig entkleiden, wobei die Untersuchung von einem französischen Offizier überwacht wurde. Teilweise fand diese Untersuchung in ungeheizten Schuppen statt. Auch Männer und Frauen mußten sich in gleichen Räumen entkleiden. Weigerungen wurden mit Mißhandlungen beantwortet.
Eine Frau, die Ausgewiesenen beim Abschied zurief: "Grüß' mir unser deutsches Vaterland!", wurde in Haft gesetzt. Ihre drei kleinen Kinder mußten mit dem Mädchen mittellos in der Straßburger Wohnung zurückbleiben.
Den Ausgewiesenen wurde vielfach von den französischen Behörden jeder Schutz versagt.
Stillschweigend wurden die Ausschreitungen des Pöbels gegen die
Abschüb- [41-42] linge geduldet. Man ließ sie ruhig unflätig beschimpfen, anspeien und mit Steinen und Straßenkot bewerfen.
Auch Diebstählen bei der Gepäckuntersuchung an der Kehler Rheinbrücke wehrte man nicht mit dem nötigen Nachdruck. Oft waren aus dem Gepäck, das Soldaten übergeben war, einzelne Gegenstände gestohlen. Manchmal fehlten ganze Gepäckstücke. Vielfach wurde für abgenommenes Geld keinerlei Quittung ausgestellt, es wurde einfach vereinnahmt.
In dieser rechts- und kulturwidrigen Form benahm sich Frankreich in
Elsaß-Lothringen. In gleicher Form benehmen sich aber die französischen Behörden auch jetzt nachträglich im besetzten deutschen Gebiet, namentlich im Saargebiet. Besonders sind es die Beamten und führenden Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens, die in der willkürlichsten Weise der Ausweisung unterliegen.
So wurden am 8. und 9. 4. 19 gemäß Verfügung des Generalverwalters des Saargebietes, Generals Andlauer, 16 Herren der führenden Kreise aus Saarbrücken, Dudweiler, Dillingen und Saarlouis rechtsrheinisch ohne Begründung ausgewiesen.
Unter diesen befanden sich Landrat v. S., Bürgermeister Dr. G., Schuldirektoren, Lehrer, leitende Männer der Industrie und Pfarrer. Keiner dieser Ausgewiesenen hatte in irgendeiner Form gegen die Besatzungstruppen gearbeitet.
Auch der Nachfolger des Generals Andlauer, Generalleutnant Wirbel, setzte diese Ausweisungen in rigorosester Weise fort.
So wurden z. B. der Landrat von Saarbrücken, v. H., der Regierungsassessor v. S., die Bürgermeister von Ottweiler und St. Ingbert abgeschoben.
Als einige Vertreter der bürgerlichen und Arbeiterparteien gegen die Ausweisung des allgemein beliebten Landrats v. H. Protest einlegen wollten, wurde ihnen geraten, davon Abstand zu nehmen, andernfalls hätten sie mit Verhaftung und Ausweisung zu rechnen. Die deutsche Protestnote über die Ausweisung des v. H. und v. S. durfte nicht veröffentlicht werden. Der "Neue Saarkurier", der sie trotzdem brachte, wurde verboten.
In ähnlicher Weise wurden viele andere Personen ausgewiesen. Es handelt sich bei vielen dieser Ausgewiesenen um Männer, die viele Jahre, oft sogar seit ihrer Geburt, im Saargebiet ansässig sind, treu bewährte Persönlichkeiten von vielfach höherem Lebensalter, denen man in keiner Weise eine franzosenfeindliche Haltung nachsagen kann, sondern die lediglich ihrer deutschen Gesinnung treu blieben.
Die Verhaftung und Ausweisung dieser Männer erfolgte teilweise in der brutalsten und rücksichtslosesten Weise.
Plötzlich und unerwartet wurden sie in ihren Geschäftsräumen oder Wohnungen verhaftet. Die für die Abreise gesetzte Frist war so
kurz – oft handelte es sich nur um Minuten oder eine
Stunde – angesetzt, daß nur das Allernotwendigste mitgenommen werden konnte. Die Verhafteten, z. B. in Saarbrücken, wurden dann von französischen Gendarmen in das Militärgefängnis eingeliefert, wo sie in schmutzigen Zellen häufig stundenlang eingesperrt blieben. Dann erfolgte ihre Ueberführung in die staubige Reitbahn der
Ulanen-Kaserne. Einzelne Herren mußten dort die bis zum Ueberlaufen vollen Abortbottiche heraustragen, leeren und spülen. Der Abtransport zur Bahn erfolgte in schmachvoller Weise. Marokkanische Infanterie mit aufgepflanztem Seitengewehr umgab eng die einzelnen Trupps. Außerdem begleiteten französische Dragoner zu Pferde mit gezogenem Säbel die Abschüblinge. Wie brutal bei diesen Abschüben verfahren wurde, soll ein Beispiel zeigen. Ein 70jähriger herzleidender Geheimrat konnte dem schnellen Marschtempo nicht folgen und blieb, gestützt von anderen Herren, zurück. Er wurde in der rohesten Weise durch Kolbenstöße vorwärtsgetrieben.
Unter schwerer Bewachung wurden die Abschüblinge in den Abteilen eingepfercht. Fenster und Türen durften nicht geöffnet werden.
Ebenso wurden auch Arbeiterführer und Arbeiter, die sich irgendwie mißliebig gemacht hatten, verhaftet, verurteilt oder ausgewiesen.
[43-44] So im April 1919 über 100. Die von der deutschen Waffenstillstandskommission wegen dieser rechtswidrigen Ausweisungen erhobenen Proteste blieben bis zum 13. Juli unbeantwortet. Dann erfolgte am 13. 7. 19 folgende Antwort (inhaltlich wiedergegeben):
"Die stattgehabten Ausweisungen waren notwendig zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung nach Friedensschluß."
Dieser kurze Abriß zeigt schon zur Genüge, daß die Franzosen am allerwenigsten ein Recht haben, sich über die Ausweisungen ihrer Landsleute während des Weltkrieges zu beklagen.
Belgien hat, wie der Abschnitt E 3 zeigt, von Anbeginn des Krieges an rücksichtslos alle Deutschen ausgewiesen. Frankreich hat sie meist sofort unter gröbsten Verstößen gegen die Menschlichkeit interniert.
Frankreich ist es, das auch jetzt noch, nach Waffenstillstand und nach Friedensschluß, grundlos und unter Knebelung des Rechts von der Maßnahme der Ausweisung im besetzten deutschen Gebiet Gebrauch macht. Nicht aus zwingenden militärischen Gründen etwa, sondern lediglich aus dem brutalen Willen, das deutsche Leben in den besetzten Gebieten auszurotten und diese zu französisieren.
Diese Tatsache möchte sich die Welt recht genau vor Augen halten!
Sogar im Abstimmungsgebiet, in dem der Entente keinerlei Hoheitsrechte, sondern nur Kontrollrechte zustehen, werden Beamte wider jedes Recht abgesetzt und ausgewiesen.
Die Interalliierte Kommission hatte im Amtsblatt von Oberschlesien einen
Amnestie-Erlaß herausgegeben, kraft dessen auch gerichtlich bereits anhängige Verfahren niedergeschlagen werden sollen. Die Strafkammer in Oppeln hat unter dem Vorsitz des Landrichters H. diesen
Amnestie-Erlaß insoweit für rechtsunwirksam erklärt, als er mit den deutschen Gesetzen in Widerspruch steht, nach denen gerichtlich anhängige Verfahren nur im Wege des Gesetzes niedergeschlagen werden können. Das Recht der Gesetzgebung steht aber der Interalliierten Kommission nach dem Friedensvertrage nicht zu.
Als Antwort auf dieses Urteil hat die Interalliierte Kommission, die dem Lande eine neue Aera der Gerechtigkeit und Freiheit verheißen hat, den Vorsitzenden der Strafkammer seines Amtes entsetzt und ihn binnen 24 Stunden aus dem Abstimmungsgebiet von Oberschlesien ausgewiesen. Dieser Willkürakt sucht seinesgleichen. Die Kommission hat hiermit gezeigt, daß sie unter Hintenansetzung von Recht und Gerechtigkeit nur brutale Gewalt gelten lassen will und glaubt, deutsche Richter zwingen zu können, ihr genehme, wenn auch mit den deutschen Gesetzen in Widerspruch stehende Urteile zu fällen. Nach geltendem deutschen Recht sind die Richter unabsetzbar und unverletzbar. Der Kommission steht weder nach dem Friedensvertrage noch nach den Versailler Abmachungen das Recht zu, richterliche Beamte ihres Amtes zu entheben, von einer Ausweisung nicht zu reden.