Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 6:
Feldsanitätswesen
(Forts.)
Generalarzt Dr. Carl Altgelt
2. Organisation des Sanitätswesens bei
Beginn des Krieges und seine Entwicklung während
desselben.
Feldheer.
Leitende Sanitätsdienststellen.
Beim Ausbruch des Krieges ging die Leitung des gesamten
Heeressanitätsdienstes auf den (seither verstorbenen) Preußischen
Generalstabsarzt und Chef des Sanitätskorps v. Schjerning
über; sie erstreckte sich schließlich auf alle Kriegsschauplätze
im Bereich der Obersten Heeresleitung (O. H. L.). Als
Feldsanitätschef (F. S. Ch.) nahm
Exz. v. Schjerning mit seinem Stabe, bestehend aus dem Chef des
Stabes (Generalarzt Hamann), mehreren Sanitätsoffizieren als Referenten,
Beamten und Unterpersonal, seinen Dienstsitz im Großen Hauptquartier.
Dort erhielt er von dem Ersten Generalquartiermeister als oberster Dienststelle
für die Heeresversorgung alle Weisungen und Nachrichten, die ihn
befähigten, in Verbindung mit dem Generalintendanten des Feldheeres,
dem Feldeisenbahnchef, den Armeeärzten (s. u.), den Etappenbehörden und dem
Sanitätsdepartement des Kriegsministeriums1 (Direktor Generalarzt Schultzen2) im großen alle Anordnungen
für die Versorgung der Kranken und Verwundeten auf den
Kriegsschauplätzen, [407] deren Unterbringung
und Verpflegung, ihre Abbeförderung nach der Heimat und ihre Verteilung
daselbst zu geben und die Versorgung der Heere mit
Sanitäts- usw. Ausrüstung sicherzustellen, endlich alle
erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des
Gesundheitsdienstes und zur Abwehr und Bekämpfung der alsbald
auftretenden Kriegsseuchen (Typhus, Ruhr, Cholera, Fleckfieber usw.) zu
treffen. Daneben wurden beim Feldsanitätschef mehrere
grundsätzliche Änderungen in der sanitätsdienstlichen
Organisation, die sich im Laufe des Krieges als notwendig herausgestellt hatten,
und die praktische Verwertung zahlreicher wissenschaftlicher Erfahrungen und
Beobachtungen, die inzwischen gewonnen waren, bearbeitet und für die
Truppe nutzbar gemacht. Hinzu kam die wichtige Frage des Personalersatzes,
deren Lösung namentlich gegen Ende des Krieges bei dem stark
zunehmenden Abgang durch Tod vor dem Feinde, Verwundung und
Krankheit usw. immer schwieriger wurde. Über die Ausdehnung des
Geschäftsbereichs des Feldsanitätschefs und die Größe
der Arbeit, die dort zu leisten gewesen ist, gewinnt man erst eine Vorstellung bei
näherer Betrachtung der im Abschnitt "Statistisches" zusammengestellten
Zahlen (s. S. 538ff.).
Nicht viele hohe militärische Führer werden so zahlreiche und so
weite Reisen in alle Kriegsgebiete gemacht haben, wie der deutsche
Feldsanitätschef im Weltkriege, der überall, bis in die vordersten
Kampflinien hinein, sich von der ordnungsmäßigen
Durchführung des Sanitätsdienstes, der Zweckmäßigkeit
der Lazarettanlagen und -Einrichtungen und der planmäßigen
Durchführung des Gesundheitsdienstes persönlich überzeugt
hat, seinen Untergebenen ein leuchtendes Beispiel deutscher Pflichttreue.
Daneben gab der Feldsanitätschef die Anregung3 zu den großen wissenschaftlichen
Kongressen in Brüssel, Warschau und Berlin, deren Ergebnisse für
die Heilfürsorge und die Fragen des Gesundheitsdienstes von so hoher
Bedeutung geworden sind.
Als im Oktober 1915 die Oberste Heeresleitung Ost (Ob. Ost) eingerichtet wurde,
trat zu ihr als Feldsanitätschef-Ost Obergeneralarzt v. Kern. Seine
Aufgaben erstreckten sich insbesondere auf die Unterbringung und
Abbeförderung der Kranken und die Durchführung des
Gesundheitsdienstes. Bei den schwierigen örtlichen Verhältnissen in
dem kulturarmen östlichen Kriegsgebiet und dessen großer
räumlicher Ausdehnung bei dürftigster
Bahn- und Wegeverbindung, sowie bei dem steten Drohen der gefährlichen
Kriegsseuchen, wie Cholera und Fleckfieber, und deren wiederholtem Auftreten
bedurften gerade diese Aufgaben dauernd der sorgsamsten Überwachung an
Ort und Stelle.
Bei den 8 Heeresgruppen, die im Laufe des Krieges
gebildet worden sind, befanden sich keine besonderen Dienststellen für die
Leitung des Sanitätsdienstes; [408] dagegen verfügte
jedes der 20 Armee-Oberkommandos (A. O. K.) über einen
Armeearzt (Obergeneralarzt, Generalarzt).
Der Armeearzt leitete nach den Weisungen des Chefs des Stabes und des
Feldsanitätschefs den Sanitätsdienst in der Armee und der zu ihr
gehörigen Etappeninspektion. Mit den
Korps- (Gruppen-) Ärzten und dem Etappenarzt (s. u.) stand er in steter engster
Nachrichtenverbindung; mit ihnen besprach er sich immer wieder über die
Lage und über die zu treffenden Maßnahmen und überwachte
die Ausführung durch persönliche Besichtigung an Ort und
Stelle.
Zu den 69 General- bzw. Gruppenkommandos, die bis zum Ende des Krieges
aufgestellt wurden, gehörte als
ärztlich-technischer Beirat und ausführendes Organ für den
Sanitätsdienst der Korpsarzt (Generalarzt, Generaloberarzt). Zu diesem
Zweck stand er mit dem Chef des Stabes, dessen Weisungen er nachzukommen
gehalten war, in steter Fühlung; andererseits unterstand er dem Armeearzt.
Mit dem Etappenarzt hielt er mit Rücksicht auf die
Krankenbeförderung und den Nachschub an
Sanitätsausrüstung usw. dauernd Verbindung.
Die Hauptaufgaben des Korpsarztes bestanden in der Regelung und
Überwachung des Sanitäts- und Gesundheitsdienstes auf dem
Marsch und in der Ruhe und in der Leitung des ersteren beim Kampf. Für
den Gesundheitsdienst war ihm ein "Hygieniker"4 zugeteilt, der
nach Lage der Verhältnisse die erforderlichen Vorschläge zu machen
und deren Durchführung mit zu überwachen hatte. Bei den Korps
(Gruppen) befanden sich ferner noch "Beratende Chirurgen"5 zur Raterteilung und
Unterstützung der Ärzte, vornehmlich der vorderen Linien, in der
chirurgischen Krankenbehandlung. Sie leisteten lediglich
wissenschaftlich-praktische Arbeit und hatten auf Dienstführung und
Verwaltung keinen Einfluß. Ihr Wirken ist außerordentlich
segensreich gewesen.
Die Aufgabe des Korpsarztes war zu Zeiten der Großkämpfe bei dem
dauernden Wechsel der Kampftruppen schwer, besonders wenn, wie z. B.
in dem unkultivierten Osten, die Versorgung der Kranken und Verwundeten bei
dem Mangel geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten auf Schwierigkeiten
stieß, oder sich deren Abbeförderung wegen der Entfernungen, noch
dazu bei schlechter Wegeverbindung, ernste Hindernisse entgegenstellten, vor
allem aber wenn rückgängige Bewegungen der Heereskörper
einsetzen mußten. Trotzdem haben die Korpsärzte ihre Aufgabe stets
erfüllt, und nur ausnahmsweise ist es beim Rückzuge geschehen,
daß geschlossene, in Tätigkeit befindliche Sanitätsformationen
in Feindeshand verblieben.
Den Stäben der 228 Divisionen gehörte je ein Divisionsarzt an. Er
war der ärztliche Beirat des Divisionskommandeurs und leitete als dessen
Organ, gegebenenfalls unter eigener Verantwortung, den Sanitätsdienst bei
der Division. Er unterstand also einerseits dem Divisionskommandeur,
andererseits dem [409] Korpsarzt; bei
selbständigen Divisionen, bei denen er gleichzeitig die Obliegenheiten des
Korpsarztes erfüllte, dem Armeearzt. Der Divisionsarzt6 war somit Bindeglied zwischen den
leitenden Sanitätsdienststellen und den Ärzten des Kriegsheeres, die
diesen Dienst praktisch ausübten. Auf Grund seiner dauernden
unmittelbaren Berührung mit den Truppen der Division hielt er sich
über deren gesundheitliche Verhältnisse fortlaufend in Kenntnis und
war so in der Lage, alle Maßnahmen zu treffen und im einzelnen
nachzuprüfen und zu überwachen, die zur Erhaltung eines guten
Gesundheitszustandes der Truppe erforderlich waren, z. B. die
verschiedenen Schutzimpfungen, Vorbeugungs- und Abwehrmaßnahmen
gegen die Kriegsseuchen (Desinfektion,
Entlausung) u. a. m.
Mit dem 1. Generalstabsoffizier der Division hielt der Divisionsarzt
ununterbrochen Fühlung; so konnte er rechtzeitig solche Befehle und
Anordnungen des Divisionskommandos herbeiführen, deren die
militärischen Kommandostellen zur Durchführung des
Sanitätsdienstes bedurften.
Der Divisionsarzt regelte Verteilung und, soweit möglich, Ausgleich des
Bestandes der Division an Sanitätsoffizieren
und -mannschaften; bei Abgang beantragte er den nötigen Ersatz. Innerhalb
seines Dienstbereichs beaufsichtigte er den Betrieb des Sanitätsdienstes
nach jeder Richtung. Betreffs des Ersatzes an Sanitätsausrüstung der
Truppen und der Sanitätsformationen traf er die erforderlichen
Anordnungen, auch lag ihm die Regelung des ärztlichen Dienstes bei
Formationen ohne Arzt ob. Hinsichtlich der Fürsorge für die
Kranken bei Märschen - Unterbringung, Sammlung,
Rückbeförderung und Überweisung an die
Etappe - machte er dem Divisionskommandeur die notwendigen
Vorschläge. Bei längerer Ortsunterkunft besichtigte er
Krankenstuben und Ortslazarette. Mißstände in hygienischer
Beziehung stellte er in Gemeinschaft mit den Truppenärzten gleich am Orte
selbst ab oder brachte deren Beseitigung, insbesondere wenn die Mitwirkung der
Ortsbehörden, der Truppen oder der Intendantur in Frage kam, bei dem
Divisionskommando in Vorschlag.
Im Gefecht lag in seinen Händen die Oberleitung des gesamten
Sanitätsdienstes auf dem Kampffelde der Division. Sein Platz war
möglichst da, wo der Divisionsstab sich aufhielt. Dort unterrichtete er sich
über die Absichten des Führers und konnte nunmehr die Befehle
erwirken und alle Aufträge erteilen, die eine möglichst schnelle und
ausreichende Versorgung, Sichtung und Rückleitung der schon
vorhandenen und noch zu erwartenden Verwundeten und Kranken
gewährleisteten. Dies betraf namentlich die Einrichtung des
Leichtverwundetensammelplatzes und Hauptverbandplatzes und die Verwendung
der zur Division gehörigen oder ihr zugeteilten Sanitätskompagnien
und Feldlazarette, sowie der vorhandenen Transportmittel für den
Krankentransport. Von seinen Maßnahmen, die er, sofern Gefahr im Verzug
war, unter eigener [410] Verantwortlichkeit traf,
machte er dem Divisionskommandeur bei nächster Gelegenheit Meldung.
Ebenso hielt er den Korpsarzt über alle wichtigen Geschehnisse, namentlich
über die Lage der größeren Verbandplätze und der der
Division zugeteilten Feldlazarette, fortlaufend in Kenntnis.
[408a]
Zwischenverbandplatz nahe hinter der Gefechtsfront
(Champagne).
|
Bei der Tätigkeit der leitenden Sanitätsdienststellen mußten
sich, je nach der Kriegslage, in den einzelnen Kampfperioden und entsprechend
den örtlichen Verhältnissen, auch nach der Zusammensetzung der
Truppenkörper Verschiedenheiten ergeben. Im Westen ließ sich, bis
auf einige Ausnahmen, fast überall eine geordnete Unterbringung der
Kranken und Verwundeten ermöglichen, auch lagen die
Transportverhältnisse günstig. Selbst die Großkämpfe
der Abwehrschlachten, die eine Überfülle oft sehr schwer
Verwundeter brachten und naturgemäß gewaltige Anforderungen an
den Sanitätsdienst stellten, machten darin keine Ausnahme. Im Osten waren
dagegen die Verhältnisse in vieler Beziehung viel schwieriger. Hier standen
einer glatten Abwickelung entgegen: einmal die sehr mangelhaften
Unterkunftsverhältnisse, weil mit Ausnahme der wenigen
größeren Städte höchstens kümmerliche,
verschmutzte Dörfer für die Unterbringung der Kranken und
Verwundeten zur Verfügung standen, ferner: die ungeheueren
Entfernungen. Der Mangel ausreichender Bahnverbindungen und eines guten
Wegenetzes erschwerte die Krankenbeförderung aufs äußerste;
endlich weil fortgesetzt die Gefahr der verheerenden Seuchen bestand. Dem
mußte der Sanitätsdienst in allen seinen Zweigen sich andauernd
anpassen. Bei der großen Ausdehnung war bei den Fronttruppen auch die
Unterstützung durch die dazu berufenen Etappensanitätsformationen
stark behindert, weil sich die Nachführung des hierfür
benötigten Personals und Materials verzögern mußte. So
mußte seitens der leitenden Sanitätsdienststellen vielfach anders als
im Westen disponiert werden. Weiter forderte die gesundheitliche
Überwachung der Zivilbevölkerung in dem kulturarmen Osten
ausgedehnte Maßnahmen. Allein die Bekämpfung des Fleckfiebers
nötigte zum schärfsten Vorgehen, dem sich die
Gleichgültigkeit und der Unverstand der eingeborenen Bevölkerung
entgegenstellten. Dieselbe Gefahr drohte von den zahlreichen Gefangenen
(Arbeiterbataillone) her, die hinter der Front zu
Bahn- und Wegebau und sonstigen militärischen Arbeiten verwendet
wurden. In ihnen entstanden immer wieder Herde, von denen aus sich die Seuchen
auf die Bewachungsmannschaften und weiter ausbreiteten. Ebenso verlangte die
Sanierung der besetzten Städte und Ortschaften - es sei hier nur auf
die Prostitution in den russisch-polnischen Städten
hingewiesen - große Aufmerksamkeit. Aus alledem ergibt sich,
welche Fülle rein ärztlicher wie
hygienisch-organisatorischer Aufgaben die leitenden Sanitätsdienststellen
und die Ärzte überall zu bewältigen hatten.
|
[411] Auch im Westen
bestanden große Verschiedenheiten; die Verhältnisse lagen in dem
Sumpfgebiet Flanderns anders wie auf den Höhen der Champagne oder in
den Waldbergen von Verdun und im Elsaß. Hier forderte wieder die
Tragweite der gegnerischen schweren Artillerie und die Fliegerangriffe, die
Hilfsplätze und Lazarette noch weit hinter der Front andauernd
gefährdeten, und die ungeheure Zahl der meist schwer Verwundeten
besondere Maßnahmen. Hier bestand aber die Möglichkeit eines
geordneten und schnellen Transports. Auch drohte nicht so ständig die
Gefahr der Kriegsseuchen, weder bei den deutschen Truppen noch bei der
Zivilbevölkerung.
Auf dem Balkan und dem kleinasiatischen Kriegsschauplatz verlangten die
geographischen und klimatischen Bedingungen, die kulturellen und vor allem die
hygienischen Zustände hinwiederum besondere Maßnahmen.
Bestimmte Vorschriften waren zu geben für
Dienst- und Arbeitseinteilung, Bekleidung, Ernährung,
Unterbringung usw., die von dem Gewohnten, für die übrigen
Kriegsschauplätze Gültigen abwichen, doch von größter
Bedeutung waren, um vermeidbare Verluste durch Krankheit und sonstige
Ausfälle hintanzuhalten. Hierzu kam die Vorsorge für das
Sanitätsmaterial, das in Ansehung des Klimas (Sonneneinwirkung) in
besonderer Weise verwahrt werden mußte, und für dessen
Nachschub. Auch der Krankentransport erforderte bei dem Charakter und der
Unwegsamkeit des Landes erhöhte Aufmerksamkeit. Hierbei das Richtige
zu treffen, um das Mögliche durchzusetzen, war für die leitenden
Sanitätsdienststellen eine schwere Aufgabe. Sie konnte erfüllt
werden dank der wohldurchdachten Vorarbeit der Zentralstellen und des
verständnisvollen Entgegenkommens bei den militärischen
Führern.7
Für den Sanitätsdienst waren den Truppen, Kolonnen und Trains
Sanitätsoffiziere usw. und -Mannschaften beigegeben.
Das Infanterie- (Jäger-) Bataillon verfügte für den
Krankenträgerdienst über 16 Krankenträger; sie waren
Nichtkombattanten und standen unter dem Schutze des Genfer Abkommens. Ihre
Verwendung erfolgte nach den Anweisungen der Truppenärzte vorwiegend
im Truppensanitätsdienst.
Bei allen übrigen Truppen wurden Hilfskrankenträger ausgebildet.
Als solche wurden außerdem die Musiker und Hilfsmusiker herangezogen;
im Gefecht erfolgte ihre Verwendung zum Krankenträgerdienst nur auf
Befehl. Sie standen nicht unter dem Schutz des Genfer Abkommens.
Für die Kavallerie8 war in der Kriegssanitätsordnung
noch vorgesehen, daß bei Kämpfen einer Kavalleriedivision aus
einem Teil der Ärzte und Sanitäts- [412] mannschaften mit Hilfe
des Sanitätsvorratswagens, der sich bei der großen Bagage befand,
eine Sanitätsstaffel gebildet werden sollte. Diese theoretisch geplante
Maßnahme ist wohl kaum zur Ausführung gelangt. Jedenfalls nicht
bei den Bewegungen der Kavallerie im Osten, die viel zu rasch und mit zu
großer Zerstreuung der Verbände sich abwickelte. Infolgedessen
blieb die Kavallerie auf die Hilfe angewiesen, die die wenigen Ärzte oder
die Sanitätsmannschaften bringen konnten; im übrigen stützte
sie sich auf die Hilfe in der Nähe befindlicher Infanterie. Für die
Ärzte bei der Kavallerie im Osten blieb vielfach nichts anderes übrig,
als Kranke und Verwundete nach notdürftiger erster Versorgung auf
beigetriebenen Wagen (Panjewagen) mit den Verpflegungsfahrzeugen zum
nächsten Lebensmittelempfangsort zurückzuschicken. Dies bedeutete
für manchen eine ernste Gefahr, war aber nicht zu umgehen, da ein
Zurücklassen im Quartier, das so gut wie niemals wieder betreten wurde,
selbstverständlich unmöglich war. Auch die Durchführung der
so wichtigen Schutzimpfungen war vielfach mit großen Schwierigkeiten
verbunden, weil die oft lange Zeit, z. B. auf Patrouille, abwesenden
Offiziere und Mannschaften dem Arzt nicht zugeführt werden konnten.
Neben der Krankenbehandlung und der ersten Hilfstätigkeit im Kampf auf
den vordersten Hilfsplätzen (Truppenverbandplatz,
Sanitätsunterstand) oblag den Truppenärzten usw. die
wichtige Überwachung der Truppe in gesundheitlicher Beziehung.
Fortgesetzte Belehrung, die Durchführung geeigneter Maßnahmen
(Schutzimpfung, Desinfektion, Entlausung, Raterteilung bei der Unterkunft und
Verpflegung u. a. m.) war für sie ein wichtiges
Arbeitsfeld. Auch das eigene Beispiel wirkte dabei mit. Wenn beim deutschen
Heer im Weltkriege im Gegensatz zu früheren Kriegen keinerlei
stärkere Ausbreitung von Kriegsseuchen stattfand, wenn vor allem die
Heimat, zumal nach Rückkehr der Truppen, im großen davon frei
geblieben ist, so ist dies nicht zum wenigsten den deutschen
Militärärzten und ihren Helfern, ihrer unermüdlichen
Fürsorge, peinlichen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu verdanken.
Die rangältesten Sanitätsoffiziere der Truppenteile stellten am 1., 11.,
und 21. jeden Monats zehntägige Truppenkrankentransporte auf. Diesen
diente als Grundlage das Truppenkrankenbuch, das jede Formation
(Kompagnie usw.), jede Kolonne, jede Behörde, jedes Feldlazarett
über alle Angehörigen ihres Bestandes, die ärztlich behandelt
wurden, zu führen hatte.
Die Truppenärzte wirkten auch bei der Aufstellung der namentlichen
Verlustlisten mit, die an das Zentralnachweisebureau im preußischen
Kriegsministerium gingen und von dort veröffentlicht worden sind.
Einige Ausführungen über den Sanitätsdienst in vorderster
Linie seien hier nachgeholt.9
Schon während des Bewegungskrieges zeigte sich bei den der Truppe
zugeteilten Ärzten immer mehr der Drang, mit dieser zusammen in den
Kampf zu [413] gehen. Dieses
Verlangen entsprach ebensosehr dem Wunsch des Arztes, den Verwundeten
möglichst schnell seine sachgemäße Hilfe zu leisten, als
ebenso der Beobachtung, daß die Anwesenheit des Arztes für die
Truppe einen außerordentlich wertvollen moralischen Faktor darstellte. Die
große Zahl der vor dem Feinde gefallenen oder mehr oder weniger
schwerverwundeten Ärzte der vorderen Linie hat bewiesen, wie diesem
Verlangen entsprochen worden ist. Hielt sich der Arzt beim Kampf in vorderster
Linie auf, ließ sich auch der Abtransport der Verwundeten von vornherein
in geordnete Bahnen lenken. Frühzeitige Benachrichtigung der weiter
rückwärts gelegenen Verbandplätze, namentlich des
Hauptverbandplatzes, erleichterte die Arbeit der Sanitätskompagnien und
ersparte den Krankenträgern unnötiges Herumsuchen, vor allem des
Nachts, beschleunigte also die Räumung des Gefechtsfeldes. Für
viele Verwundete bedeutete jede Stunde, die sie der ärztlichen Hilfe
früher zuführte, Möglichkeit der Erhaltung des Lebens
(Kopf-, Bauchschüsse!).
Mit dem Einsetzen des Stellungskrieges mit seinem ausgedehnten Grabensystem
wurde die Anwesenheit von Ärzten in der vordersten Stellung ohne
weiteres zur Notwendigkeit. Nicht allein um den Verwundeten Hilfe zu leisten,
sondern ebenso um leichter Erkrankte zu behandeln, vor allem um den
Gesundheitsdienst und die allgemeine Hygiene zu sichern. Allmählich
erstanden tief und schußsicher eingebaute Sanitätsunterstände
mit allen Einrichtungen. Der Arzt überwachte von hier aus die hygienischen
Anlagen (Latrinen usw.), die Verpflegung und Trinkwasserversorgung,
behandelte leichter Erkrankte und Verwundete bei der Truppe und regelte den
Abschub. Die Sanitätsunterstände waren vielfach nach Bau und
Einrichtung geradezu Kunstwerke mit musterhaftem Betrieb; sie haben sich
hervorragend bewährt.
Feldsanitätsformationen.
Die Hauptstütze des Sanitätsdienstes bei den fechtenden Truppen
sollten die Feldsanitätsformationen (Sanitätskompagnien,
Feldlazarette) bilden. Die Sanitätskompagnien sollten den Verwundeten in
größerem Maße, als es bei den Truppen möglich war,
ärztliche Hilfe bringen und für ihre Beförderung in die
Feldlazarette sorgen; die Feldlazarette sollten die von den Verbandplätzen
oder unmittelbar vom Schlachtfeld zugeführten Verwundeten in Pflege
nehmen. Aus den späteren Ausführungen wird zu ersehen sein, wie
sich die Kranken- und Verwundetenversorgung tatsächlich gestaltete.
[416a]
Deutsches Feldlazarett unter englischem Artilleriefeuer
(Flandernschlacht).
|
In der bei Kriegsausbruch maßgebenden Gliederung der
Feldsanitätsformationen (für jedes Armeekorps 3
Sanitätskompagnien und 12 Feldlazarette) traten im Laufe des Krieges
wesentliche Änderungen ein. Zunächst in der Organisation der
Sanitätskompagnien. Diese unterstanden dem Befehl eines Offiziers als
Kommandeur. Die Verantwortung für den ärztlichen Dienst trug der
Chefarzt, der wie die übrigen Ärzte bei der
Sanitätskompagnie, bis auf einen [414] als Truppenarzt
zugeteilten Oberarzt, dem Kommandeur nicht unterstellt war. Es zeigte sich sehr
bald, daß diese Doppelung der Befehlsbefugnisse auf die Dauer unhaltbar
war. Dazu kam, daß infolge der großen Verluste an Offizieren
allmählich auch die bei den Sanitätskompagnien vorhandenen
Offiziere an die Truppen überwiesen und ihre Stellen mit
Offizierdiensttuern besetzt werden mußten. Ferner ergab sich die
Notwendigkeit, der Infanteriedivision ständig Feldlazarette zuzuteilen, weil
sonst die ordnungsmäßige Versorgung der Verwundeten und Kranken
nicht durchzuführen war. Deshalb wurde im Jahre 1917 eine
grundsätzliche Neuorganisation bei den Feldsanitätsformationen
vorgenommen:
Die Sanitätskompagnien, die sich als zu schwerfällig erwiesen
hatten, wurden um etwa ein Drittel verkleinert; sie wurden, wie bereits das
Feldlazarett, auch in militärischer Beziehung dem Befehl des Chefarztes
unterstellt; die Offiziere fielen also fort. Die Sanitätskompagnie
gehörte von nun an mit zwei Feldlazaretten ständig als fester
Bestandteil zu der Infanteriedivision.
Aus dem durch Verringerung der Feldlazarette bei den Armeekorps und durch
Verkleinerung der Sanitätskompagnien gewonnenen Personal und Material
wurden Sanitätskompagnien und Feldlazarette zur Verfügung der
Armeen, Heeresgruppen und der Obersten Heeresleitung geschaffen, die als
"Armeesanitätskompagnie, Armeefeldlazarett" außerhalb des
Verbandes der Divisionen und Armeekorps standen.
Bei den Feldlazaretten wurde bis auf die Zuteilung eines Zahnarztes nichts
geändert.
Jede Infanteriedivision behielt somit ständig ihre eigenen
Sanitätsformationen für sich. Bei stärkeren
Kampfhandlungen usw. traten zur Verstärkung des Hilfsdienstes und
als Ablösung die vorgenannten Armeesanitätskompagnien und
Armeefeldlazarette in Tätigkeit.
Verwendung der Feldsanitätsformationen.
(Von Generaloberarzt Dr. v.
Heuß - München.)
Die Verwendung der Feldsanitätsformationen wird erst verständlich,
wenn man sie im Zusammenhang mit dem Truppensanitätsdienst
betrachtet; nur so können Tätigkeit und Leistungen recht
gewürdigt werden.
Der enge Zusammenschluß der drei Gruppen: Truppe,
Sanitätskompagnie, Feldlazarett kam schon Ende 1914 zum Ausdruck. Ihm
ging voran die außerordentlich feste Verankerung des
Sanitätspersonals - Sanitätsoffiziere,
Sanitätsunterpersonal und Krankenträger - in der Truppe. In
kürzester Zeit war in den einzelnen Bataillonen dieses
"Sanitätskorps" der Truppe mit seinem Bataillonsarzt und beide mit den
einzelnen Kompagnien aufs engste zusammengeschweißt. Die
Angehörigen des Sanitätsdienstes waren zu vollwertigen Kameraden
geworden. Das Bewußtsein, daß Ärzte,
Sanitätsmannschaften und Krankenträger [415] mit ihrer Truppe
marschierten, mit ihr in den Kampf eintraten, im Kampfe rücksichtslos sich
für die Verwundeten einsetzten, sie versorgten, sie aus dem Feuer brachten
oder mit ihnen verwundet wurden und fielen - dieses Gefühl der
gesicherten Versorgung im Falle der Verwundung übertrug sich derart auf
die Truppe, daß es zu einem moralischen Faktor wertvollster Art in allen
Lagen wurde. Zwei Momente zeigen, wie sehr diese Auffassung über die
Wertigkeit des Sanitätspersonals Platz gegriffen hatte. Unter den Anfang
September 1914 mit dem Eisernen Kreuz Ausgezeichneten befanden sich schon
mehrere Sanitätsunteroffiziere und Krankenträger. Sie fehlten dann
nie mehr bei der Verleihung weiterer Auszeichnungen (E. K. I).
Mitglieder des Sanitätskorps der bayerischen Truppen wurden mit der
silbernen und goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, wobei der Vorschlag
warm befürwortet von den Kompagnien usw. selbst ausging. Ein
zweites Bild: Schied ein Sanitätsdienstgrad oder Krankenträger aus,
so erfolgte der Ersatz nur unter strengstem Maßstab. Die Kompagnien
gaben nur wirklich gute Leute, die feuererprobt waren, für den
Übertritt in den Sanitätsdienst ab. Jedermann wußte, wie
wertvoll der Sanitätsunteroffizier und die vier Krankenträger der
Kompagnie waren und was sie für den Ernstfall bedeuteten.
So wurde das Sanitätskorps des Regiments eine in sich geschlossene, durch
hohe Pflichterfüllung und Blut zusammengeschweißte, mit der
Truppe engverbundene Gruppe von Soldaten und Kameraden.
Mit dieser "Sanitätsformation der Truppe" trat sehr rasch, gezwungen durch
die Verhältnisse, die Sanitätskompagnie in engste Fühlung.
Die übliche Eingliederung der Sanitätskompagnie in die
Marschordnung der Division wurde nicht mehr lange eingehalten. Die Fülle
der Verwundeten war zu groß. Der Abtransport der Verwundeten seitens der
Truppe mittels requirierter Wagen war gar nicht durchführbar. So
mußte die Sanitätskompagnie rasch herangezogen und der
eigentlichen Gefechtsstaffel eingegliedert werden. Der Wagenhalteplatz wurde
möglichst vorgeschoben, die Züge der Krankenträger so rasch
wie möglich nach vorn gezogen.
Doch erst der Stellungskrieg schuf für die Sanitätskompagnie feste
und brauchbare Verhältnisse zur eigentlichen Front. So entstanden
Frühjahr 1915 vorgeschobene Wagenhalteplätze, die sich etwa in
Höhe des Bataillonsgefechtsstandes befanden oder von diesem aus in
kurzer Zeit zu erreichen waren. Herbst 1915 wurde dieser enge Kontakt zwischen
Truppe und Sanitätskompagnie noch mehr ausgebaut. Es treten zu dem
Gefechtssanitätsunterstand ständig mehrere Patrouillen unter
besonders tüchtigem Führer. Sie bringen abends das angeforderte
Sanitätsmaterial, Verwundetenverpflegung, Sauerstoffapparate usw.
Während ihrer Anwesenheit arbeiten sie an dem Unterstand, der oft zur
Sehenswürdigkeit wird. Der mit dem Auto vorgezogene Chirurg vermag
hier vollgültig zu operieren; Behandlung innerer Kranker mit Bettruhe ist
möglich. Verpflegsstationen dienen [416] zur Labung; selbst
Bäder wurden eingerichtet. Hier arbeiten überwiegend
Angehörige der Sanitätskompagnie in 24stündiger
Ablösung. Stehen Gefechtshandlungen bevor, so werden die Patrouillen
verstärkt und nach dem zu erwartenden Bedarf verteilt. So ergibt sich eine
lückenlose Sanitätskette von dem Unterstand des Zugführers
über den des Kompagnieführers zum
Bataillons-, von da zum Regimentssanitätsunterstand, sofern diese nicht
räumlich zusammengelegt sind. Die Krankenträger der
Sanitätskompagnie transportierten oft schon aus den vordersten
Unterständen ab, so daß die Krankenträger der Truppe dieser
überhaupt nicht entzogen werden. Mit anderen Worten, die
Sanitätsmannschaften der Truppe pendeln von vorne zum
Bataillonssanitätsunterstand; die Krankenträger der
Sanitätskompagnie pendeln von diesem zum Wagenhalteplatz. Wo dieser
bombensicher eingebaut war, konnte der Abtransport von weit vorne beginnen.
Das Ideal wurde wiederholt dadurch erreicht, daß wegekundige und
schneidige Autoführer mit dem Sanitätsauto bis zum Eingang des
Gefechtssanitätsunterstandes vorfuhren.
So waren die Krankenträger der Sanitätskompagnie vielfach zu
einem Bestandteil der Truppe geworden. Die Feuerprobe dieser
Zusammengehörigkeit bestanden sie in den schweren Kämpfen der
Sommeschlacht, bei Verdun, an der Aisne, in der Champagne usw. Bei
Nacht marschierten die Patrouillen von den so weit als möglich
vorgeschobenen Hauptverband- und Wagenhalteplätzen vor; bei Tage
kehrten sie zurück, je vier einen Schwerverwundeten auf der Schulter
tragend, den Knotenstock in der freien Hand, in voller Ruhe, todesmutig immer
wieder die Feuerzone durchschreitend. Die heroische Art dieser Leistung
nötigte auch dem Feinde Achtung ab, so daß er diese
Verwundetentransporte mit seinem Feuer offensichtlich schonte. Am Chemin des
Dames befanden sich Krankenträger einer Sanitätskompagnie in den
vordersten Linien in den großen Höhlen, so daß es
möglich wurde, Schwerverwundete durch den Aillettegrund in der kurzen
Zeit von 2½ - 3 Stunden bis zum Operationstisch am
Hauptverbandplatz zu bringen. - Bei der großen Offensive vor
Amiens stiegen die Krankenträger einer Sanitätskompagnie fast zu
gleicher Zeit wie die stürmende Truppe aus dem Schützengraben; bei
dem Angriffe vor Reims (Juli 1918) leisteten sie in der rückgängigen
Bewegung unter schwersten Verlusten ihr Bestes; in den
Rückzugsgefechten Herbst 1918 waren sie manchmal die letzten, die mit
den Kameraden von der Front die aufzugebende Stellung unter dem feindlichen
Feuer verließen. Ihnen zur Seite standen die unerschrockenen Fahrer mit
Pferd und Wagen, die nicht selten bis an die vordere Linie heranfuhren, im
Galopp ankommend, langsamen Schrittes, schwer beladen im Feuer
abfahrend.
|
Die Abtransportmöglichkeiten besserten sich noch mehr durch die
Zuteilung der Krankenkraftwagen zur Sanitätskompagnie. Diese Zuteilung
bewährte sich im Stellungskrieg; sie war unendlich wertvoll 1918 in der
großen Offensive und den sich anschließenden schweren
Abwehrkämpfen. Der zweigeteilte Pendel- [417] betrieb der Wagen
erwies sich auch hier als das beste: Transport von vorne zum Hauptverbandplatz
und zurückfahren; Transport von dort nach dem Feldlazarett und
zurück. Das zuverlässigste Transportmittel blieb aber stets der
Pferdekrankenwagen. Mit dem Sankawagen10
zusammen konnte er auch bei schlechten Wegen Großes leisten. Im Osten
(Balkan) und im Gebirgskrieg (Italien) traten die Tragtiere hinzu, die Wagen und
Kraftwagen ersetzen mußten. In stundenlangen Märschen, durch
glühende Talhitze oder aus eisigen Bergeshöhen brachten sie,
geführt und begleitet von Sanitätspersonal oder
Krankenträgern, die Verwundeten zum Verbandplatz. So zogen sie auch
vor Verdun, als das Alpenkorps mitkämpfte, still und stetig ihre Wege.
Auch hinsichtlich ihrer Hauptaufgabe, Einrichtung des Hauptverbandplatzes,
dehnte die Sanitätskompagnie ihre Tätigkeit über die
ursprünglich für sie vorgesehene Aufgabe aus. Zunächst
äußerlich! Ohne sich zu teilen, schickt die Kompagnie ihre vorderen
Spitzen in die kämpfende Truppe und schaltet neben dem Wagenhalteplatz
zwischen Hauptverbandplatz und Truppe einen vorgeschobenen, mit Ärzten
und Sanitätspersonal besetzten und wohl ausgestatteten Verbandplatz ein,
so daß Noteingriffe gemacht werden können. Dann erst folgt der
Hauptverbandplatz. Diese Dehnung des Wirkungskreises konnte
naturgemäß nur im Stellungskrieg erfolgen. Aber auch hinsichtlich
der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit erfolgte eine wesentliche
Vergrößerung des Arbeitskreises. So nimmt der Hauptverbandplatz
stellenweise einen stationären Charakter an. Chirurgische und innere
Stationen, die zum Teil in vollstem Betrieb arbeiteten, wurden eingerichtet;
daneben, je nach Anwesenheit von Fachärzten,
Augen- und Ohrenstationen. Er wurde so oft zu einer vollständigen
Filterstelle für Ruhr- und schwer Gaskranke, auch zur Spezialstation
für Kopf- und Bauchschüsse. In allen diesen Fällen hat sich
die Einrichtung ausgezeichnet bewährt. Die
Voraussetzung - gute Fachärzte - mußte
selbstverständlich erfüllt sein.
Ein besonders wertvolles psychologisches Moment ergab sich durch diesen
stationären Betrieb in folgendem. Die Krankenträger sahen mit
eignen Augen die Wirkung ihres raschen, unter den schwierigsten
Verhältnissen durchgeführten Transportes. Die Rettung des
Verwundeten war nicht zuletzt ihnen zu verdanken. Dies spornte immer wieder zu
neuer Kraftleistung an, so daß an Großkampftagen die letzten
Kräfte mit Freude hergegeben wurden. Die Ärzte aber und das
gesamte Sanitätspersonal arbeiteten ebenfalls mit doppelter Freude, da sie
die Früchte ihrer Arbeit verfolgen konnten. Das wirkte auch in
wissenschaftlicher Hinsicht anregend. Manch gute wissenschaftliche Arbeit aus
dieser Zeit war die Folge.
Für die Truppe war es sehr wertvoll, zu wissen, daß ihre leichter
erkrankten oder verwundeten Angehörigen in nächster Nähe
bleiben konnten. Dies bedeutete [418] eine leichtere
Rückkehr zur Truppe. Selbstverständlich wurde die Zahl der
stationären Kranken am Hauptverbandplatz doch immer in bemessenen
Grenzen gehalten. Für die Verwundeten selbst bestand ein wesentlicher
Vorteil darin, daß die Dauer des Transportes verkürzt wurde, ein
wichtiger Umstand bei schweren Verwundungen, insbesondere bei
Bauchverletzungen.
Eine derartig ausgedehnte ärztliche und stationäre Tätigkeit
wurde besonders gefördert dadurch, daß die Stelle des Chefs der
Sanitätskompagnie 1917 (s. S. 414) mit einem
Sanitätsoffizier besetzt wurde. Die Konzentrierung des gesamten Dienstes
darauf, daß Verwundete und Kranke so rasch wie möglich dem
behandelnden Arzt zugeführt wurden, und der ganze innere ärztliche
Betrieb des Hauptverbandplatzes ließen sich wirklich erst dann
beeinflussen, als die gesamte Befehlsgewalt in einer ärztlichen Hand
vereinigt war. Selbstverständlich bedarf es vollsten Einsetzens der Person
des Chefarztes, auch an der Front, der die Patrouillen zugeteilt sind. Sicherlich ist
die Führung der Sanitätskompagnie durch einen
Sanitätsoffizier nicht zum Nachteil der Arbeit der Kompagnie
ausgefallen.
Da den Sanitätskompagnien oft eine große Divisionszahnstation
angegliedert, ausgedehnte Badeanlagen und
Desinfektions- (Entlausungs-) Anstalten von ihr angelegt und unterhalten wurden,
mußte sich die Tätigkeit vielseitig und segensreich ausgestalten.
Weniger angenehm als die Tätigkeit der Divisionssanitätskompagnie
war die der Heeressanitätskompagnie. Sie hatte keine feste
Zugehörigkeit, wurde oft nur an kritischen Punkten eingesetzt oder wurde
zur Unterstützung der Krankentransportabteilung, mehrfach auch beim Bau
und der Einrichtung von Lazaretten oder hygienischen Anlagen verwendet. Dies
bedeutete Loslösung von der Kampftruppe, zu der sie sich als
Frontformation zugehörig fühlte, auch fortgesetztes
Verschobenwerden von einer Arbeitsstelle zur anderen, ein Umstand, der hier und
da die Stetigkeit der Arbeit vielleicht beeinflußt hat.
Der kurze Überblick bedarf noch der Ergänzung dahin, daß die
Sanitätskompagnie der Division als Verpflegsstation und
Sanitätsdepot oft Großes zu leisten hatte. Insbesondere die laufende
Versorgung der Truppen mit Sanitätsmaterial, aber auch das Heranschaffen
der großen Materialmengen und deren Hinausgabe an die Truppe vor
großen Offensiven stellte gewaltige Anforderungen an den Apotheker der
Kompagnie. Es gehörte guter Überblick und weites Vorausschauen
dazu, um stets den Anforderungen aller Truppen gerecht zu werden. Endlich ist
noch der Tätigkeit der Geistlichen zu gedenken, die sich bei vielen
Sanitätskompagnien befanden und, wie das oft der Fall war, mit den
Patrouillen bis zur Front vorgingen, um den Schwerverwundeten dort den oft so
notwendigen letzten Trost zu bringen. Die Geistlichen haben sich durch ihre
Hingabe und Unerschrockenheit an allen Orten unvergeßliche Verdienste
erworben.
[419] Im Bewegungskrieg
sowohl 1914, wie auch 1918 bei den großen Offensiven wurde die
Sanitätskompagnie nur mehr gewaltiger Durchgangspunkt.
Größter Andrang und Unmöglichkeit, alles bewältigen
zu können, war das Zeichen dieser Zeiten. Hier traten die Feldlazarette der
Division in besondere Beziehung zu der Sanitätskompagnie.
Im Stellungskrieg war der Aufgabenkreis des Feldlazaretts ein fest umschriebener.
Meist war es hinter der Sanitätskompagnie gestaffelt, so daß der
Verwundetentransport gleichmäßig in das eine und andere Lazarett
erfolgen konnte, oder es wurde als Lazarett zu bestimmter Verwendung
herausgenommen und ständig am gleichen Ort eingesetzt (z. B.
Gaslazarette, besondere chirurgische Stationen, Seuchenlazarette). Dies bedeutete
eine völlige Loslösung von dem einzelnen Truppenverband.
Derartige Lazarette gehörten zu bestimmten Gruppen und bildeten in ihrer
Art kleinere, vorgeschobene Kriegslazarette mit ausgesuchten Fachärzten
und ausgewählten Behandlungsmethoden. Neben dem stationären
Betrieb hatten diese Feldlazarette, genau so wie die Sanitätskompagnien,
die hygienischen Einrichtungen des Ortes mit zu versehen.
Anders im Bewegungskrieg! 1914 herrschte noch das Bestreben, die Feldlazarette,
trotz ihres mobilen Charakters, so lange wie möglich an einem Platze
eingesetzt zu lassen; 1918 bei der großen Offensive ging das nicht mehr,
wenigstens solange das Tempo der Offensive ein sehr rasches war. Die
Feldlazarette mußten so schnell wie möglich folgen, oft neben und
mit der Sanitätskompagnie zusammenarbeiten; wenn diese
weiterrückte, die Verwundeten übernehmen und ihren Abtransport
durchführen. Dies war besonders in jenen Gebieten vorwärts von
St. Quentin notwendig, wo es wohl noch Ortsnamen aber keine Orte mehr
gab. Hier war Transport alles. Es waren die furchtbarsten Tage für Arzt und
Verwundete, die trotz rascher Hilfe lange auf Unterkommen in einem stabilen
Lazarett warten und zuerst noch die beiden unwegsamen
Schützengrabenzonen passieren mußten. In diesen Wochen der
Arbeit in jenem zerstörten Gebiet haben die Feldlazarette neben
ärztlicher, außergewöhnliche organisatorische Arbeit geleistet.
Aus Ruinen und Unterständen haben sie Unterkünfte für kurze
stationäre Behandlung geschaffen. Die praktische Schulung jedes einzelnen
in jahrelanger Zusammenarbeit des ganzen Personals, die angesammelten
Erfahrungen haben sich in diesen Zeiten gewaltigster Anspannung in einziger Art
ausgewirkt; das gleiche gilt für die letzte Offensive Juli 1918, sowie
für die Herbstschlacht und die Rückzugsgefechte. Einrichtung wie
Abbruch der einzelnen Formationen erfolgte schließlich in Stundenspanne.
Eine derartige Schlagfertigkeit erlaubte jede Maßnahme von seiten der
Vorgesetzten; denn die Durchführbarkeit war gesichert. Das
Bewußtsein lückenlosen Zusammenarbeitens der drei Faktoren
(Frontsanitätskorps, Sanitätskompagnie, Feldlazarett) gab auch der
Truppe ein Gefühl der Sicherheit; sie wußte, der Verwundete war gut
betreut.
[420] Eine den gewaltigen
Leistungen der Feldsanitätsformationen gerechte Schilderung würde
der Beifügung von Zahlen bedürfen. Sie erschöpfend zu
bringen, ist kaum je möglich. Doch können einige Zahlen aus dem
Tagebuch des Chefarztes einer bayerischen Sanitätskompagnie zur
Erläuterung dienen.
In der großen Offensive verliert die Infanteriedivision vom 21. März
bis 3. April 1918 an Toten 397, Verwundeten 1603, Vermißten 379,
Gaskranken 74, Kranken 599, zusammen 3082.
Am Hauptverbandplatz der Sanitätskompagnie gehen am 1. Tag der
Offensive 630 Verwundete durch, während der ersten 6 Tage 1854
Verwundete.
Bei der Offensive vor Reims, 15. - 21. Juli 1918, gehen vom 15. abends bis 16.
abends durch: 899 Verwundete und Gaskranke; im ganzen innerhalb von 6 Tagen
1396 Verwundete und Kranke, darunter Operationen, Amputationen und
große Wundrevisionen 165 (im Unterstand gemacht).
Vom 19. - 23. August 1918 verliert die Division 1261 Mann; davon geht der
größte Teil durch den Hauptverbandplatz der
Sanitätskompagnie und die beiden Feldlazarette.
In der ruhigen Stellung der Champagne vom 25. Juli bis 12. Oktober 1917 wurden
2016 Verwundete und Kranke durch den Hauptverbandplatz der
Sanitätskompagnie versorgt, die einen großen Teil hiervon
stationär behandelte.
Diese wenigen Zahlen sind nur Stichproben aus Bewegungs- und Stellungskrieg.
Sie bedeuten nicht nur Gezählte, sondern auch Behandelte, Operierte,
Verbundene, mit Arzneien Versorgte, Verpflegte und im Durchgangsbuch
Eingetragene.
Tage und Nächte standen die Sanitätsformationen im Dienste, oft
Tage und Nächte ohne Schlaf. Neben der gewaltigen physischen
Anstrengung wirkte auf Arzt und Helfer die Umgebung ein, oft nur ein Haus, oft
ein Unterstand, oft ein Zelt. Darüber und daneben Wind und Wetter,
schweres und leichtes Feuer, Flieger. Dazu die seelische Erschütterung,
wenn ein bekanntes Gesicht nach dem anderen kam, die Unsicherheit des
Verlaufes so mancher Kampfhandlung und endlich der Übermacht der
Anforderung gegenüber das Gefühl, nicht mehr rasch genug helfen
zu können. Dann freilich wieder das stolze Gefühl, innerhalb der
Kampfeszone zu stehen und trotz aller Schwierigkeiten und Fährnisse
wirkliche erste Hilfe im besten Sinne des Wortes zu leisten.
Gefahr und Verluste spielten dabei keine Rolle. Sie gehörten zu dem
täglichen Leben und schufen eine wirkliche Familie wirklicher Helfer.
Etappensanitätsdienst.
Das Rückgrat des Sanitätsdienstes an der Front bildete der
Etappensanitätsdienst. Diesem lag ob, die Front unausgesetzt mit
Sanitätsmaterial zu versorgen und von allem, was ihre
Verwendungsfähigkeit beeinträchtigen [421] konnte, d. h. von
den Kranken und Verwundeten, zu befreien. Diese Aufgabe fiel dem Etappenarzt
(Generalarzt, Generaloberarzt) zu.
Der Etappenarzt leitete den Sanitätsdienst im Etappengebiet nach den
Anordnungen des Etappeninspekteurs, dem er die entsprechenden
Vorschläge zu machen hatte, unter Beachtung der Weisungen des
Armeearztes, sowie des Chefs des Feldsanitätswesens.11 Seine Aufgabe war folgende:
Übernahme der Kranken und Verwundeten von den fechtenden und
Etappentruppen; Einrichtung einer ständigen Krankenpflege im
Etappengebiet; Abbeförderung der Kranken und Verwundeten und
Überführung derselben in die Pflegestätten des Etappengebiets
oder in die Heimat; Heranführung des von den fechtenden Truppen und
deren Sanitätsformationen und im Etappengebiet benötigten
Sanitäts- usw. Materials; Regelung der Freiwilligen Krankenpflege;
Überwachung des Etappengebiets in gesundheitlicher Beziehung.
Die Aufgaben des Etappenarztes gestalteten sich auf den verschiedenen
Kriegsschauplätzen - Westen, Osten, Balkan,
Kleinasien - und nach der Beschaffenheit und Ausdehnung des
Etappenbereichs anders. Die Berücksichtigung der örtlichen
Verhältnisse erforderte besondere Maßnahmen. Dazu war der
Etappenarzt auf die Mitarbeit anderer Dienststellen, insbesondere bei der
Etappeninspektion, angewiesen. Die militärischen Anordnungen waren mit
dem Chef des Generalstabs zu verabreden; beim Bau und der Einrichtung der
Krankenunterkünfte, bei der Sicherstellung der Verpflegung der Kranken,
bei der Beschaffung der Lazarettwirtschaftsmittel wirkten die Etappenintendantur
und die Etappenkommandanturen mit, die letzteren auch bei Überwachung
des Etappengebiets in hygienischer Beziehung und bei der Fürsorge
für die Zivilbevölkerung. Beim Krankentransport mußte mit
den militärischen
Transportbehörden - Bahnbeauftragter des Feldeisenbahnchefs,
Militäreisenbahndirektion, Kommandeur der
Kraftfahrtruppen - Hand in Hand gearbeitet werden. Hierzu kam nun noch
der dienstliche Verkehr mit den leitenden ärztlichen Dienststellen der
Fronttruppen, mit Armeearzt und Feldsanitätschef. Auch die
wissenschaftliche Arbeit verlangte dauernd Berücksichtigung. Die
Tätigkeit des Etappenarztes war also vielseitig, umfangreich und
verantwortungsvoll genug; sie verlangte unermüdliche, vorausschauende
Arbeit, die nie ruhte, auch nicht während der größeren
Kampfpausen, und zu den Zeiten der Großkämpfe oft nur mit
äußerster Kraftanstrengung zu bewältigen war.
Dem Etappenarzt standen ein Beratender innerer Mediziner,12 ein Beratender Hygieniker12 und ein
Armeepathologe12 zur Seite zur Unterstützung in
wissenschaftlichen Fragen. Für seine Aufgaben waren ihm unterstellt:
Kriegslazarettdirektoren mit Kriegslazarettabteilungen, eine
Krankentransportabteilung und das [422]
Etappensanitätsdepot; außerdem ein Korpsstabsapotheker. Zu ihm
gehörten ferner ein Delegierter der Freiwilligen Krankenpflege bei ihm
selbst (Etappendelegierter) und Delegierte bei den Kriegslazarettdirektoren und
bei der Krankentransportabteilung mit dem Personal der Freiwilligen
Krankenpflege und ein Delegierter mit Depotpersonal der Freiwilligen
Krankenpflege für die Bearbeitung der Liebesgaben.
Die Stärke der einzelnen Kriegslazarettabteilungen wechselte; sie ist im
Laufe des Kriegs erhöht worden; sie richtete sich nach den
Bedürfnissen und hat mehrfach folgende Höhe erreicht: 1 Chefarzt,
29 Oberstabs- und Stabsärzte, 10 Ober- und Assistenzärzte, 6
Zahnärzte, 3 Oberapotheker, 9 Feldlazarettinspektoren, 6 Unteroffiziere
und Gefreite als Schreiber, 3 Sanitätsfeldwebel, 48
Sanitätsunteroffiziere, darunter 9 Zahntechniker, 108
Militärkrankenwärter, 3 Köche, 58 Trainsoldaten, dazu
Wagen, Pferde, Feldküchen. Hierzu trat das Personal der Freiwilligen
Krankenpflege, das durchschnittlich aus 40 Pflegern, 125 Pflegerinnen
(Schwestern), 6 Laborantinnen und 16 Köchinnen bestand. Ein solches
Personal war aber auch erforderlich, um gegenüber den gewaltigen
Anforderungen die ausgedehnten Anlagen und Einrichtungen der Kriegslazarette
(wie denn eine Bettenzahl von 4000 - 6000 nichts
Ungewöhnliches war) einigermaßen ausreichend zu besetzen. Die
Einteilung erfolgte, entsprechend den vorhandenen Baulichkeiten,
gewöhnlich nach Gruppen, so daß die Kriegslazarettabteilung unter
ihrem Direktor in der Regel eine Mehrzahl von Kriegslazaretten umfaßte,
die jedes für sich wieder eine geschlossene Anlage bildete.
Als Beispiel sei (s. u.) Einrichtung und Betrieb
eines Kriegslazaretts, das in Nordfrankreich bestanden hat, geschildert. Dort lagen
die Verhältnisse günstig. Vergleicht man damit die Aufgaben, die
mit der Einrichtung eines Lazaretts in Rußland, Polen und namentlich auf
dem Balkan verbunden waren, so wird das Maß dessen, was im Kampf
gegen Schmutz, Fliegenplage und die Ungunst der örtlichen
Verhältnisse, gegen Regen, Wind und Sonnenbrand geleistet worden ist,
überhaupt erst erkennbar.
Einige Kriegslazarettabteilungen, die bei Kriegsende ihre Lazarette nach dem
Waffenstillstand nicht auflösen konnten, weil sie eine große Zahl
Schwerkranker und Schwerverwundeter aus den letzten
Rückzugskämpfen, die nicht transportfähig waren, oder
Infektionskranke bargen, blieben am Einrichtungsort in Feindesland zurück,
z. B. in Antwerpen und Bukarest. Sie haben noch schwere Zeiten
durchgemacht; insbesondere die Abteilung in der rumänischen Hauptstadt.
Dort wurden auf Anordnung des französischen Oberbefehlshabers alle
Geldbestände, Vorräte,
Arznei- und Verbandmittel und die gesamte
Sanitäts- und Wirtschaftsausrüstung beschlagnahmt; auch
mußten mehrfach besonders gut eingerichtete Anlagen geräumt
werden. Ärzte, Pflegepersonal wurden, gleichwie die Kranken, als
Kriegsgefangene behandelt. Die Verwaltung wurde der rumänischen
Militärbehörde unterstellt. Die Kranken wurden, meist nur [423] unvollkommen
genesen, sogleich zu schwerer Arbeit herangezogen. Da das gewährte
Gehalt für Ärzte, Beamte und Schwestern und die Löhnung
für das Personal nicht ausreichte, um die an sich kärgliche
Verpflegung aufzubessern, litt die Abteilung wirkliche Not. Nach unendlichen
Mühen gelang es, unter Vermittlung des Geschäftsträgers der
Schweiz, sie frei zu bekommen; sie hat Deutschland erst im Februar 1919
erreicht.13
|
Kriegslazarett.
(Von Oberstabsarzt d. L. a. D. Dr.
Blank - Barmen.)
Bestimmung der Kriegslazarettabteilungen war: "die Feldlazarette durch die
Übernahme der nicht transportfähigen Kranken frei zu machen".
Nach der Zahl der für ein Kriegslazarett vorgesehenen Ärzte und des
übrigen Personals war ursprünglich wohl auf etwa 600 Kranke
für eine ganze Kriegslazarettabteilung gerechnet. Aber wie alles im
Weltkriege ins Ungeahnte, Gigantische wuchs, so auch Umfang und
Belegungsziffern wenigstens mancher Kriegslazarette. Einige Zahlen
mögen das erläutern. Ein Kriegslazarett in Nordfrankreich hatte
z. B. im Jahre 1916 häufig an einem Tage 2000 und mehr
Zugänge, am 22. Juli 1916 sogar 3208, am 8. September 1916 einen
Krankenbestand von mehr als 6000 Kranken und Verwundeten. Dasselbe
Kriegslazarett hatte Mitte Dezember 1917 schon 7015 und Mitte April 1918 sogar
11 276 Betten. Dieses eine Kriegslazarett behandelte und verpflegte
während der 4½ Kriegsjahre 421 680 Verwundete und
Kranke.
Daß für die sachgemäße Unterbringung von solchen
Mengen die jeweils an Ort und Stelle vorgefundenen Krankenhäuser und
Kliniken nicht entfernt ausreichten, ist ohne weiteres klar, zumal wenn man
bedenkt, daß schon zur Bekämpfung der Seuchengefahren (Typhus,
Ruhr u. a. m.) eine Fülle besonderer Einrichtungen
geschaffen werden mußte und nicht immer alle Betten belegt werden
konnten. In größeren Städten fanden sich zwar neben den
Spitälern große, leidlich modern eingerichtete Schulen,
Gerichts- oder Fabrikgebäude, die sich, wenn auch mit manchen Umbauten
und Neueinrichtungen nach den Forderungen deutscher Hygiene, zu
Lazarettzwecken eigneten. Aber in kleineren Orten ergaben sich doch oft
große Schwierigkeiten. Dafür ein Beispiel:
Im Vorort einer kleinen nordfranzösischen Festung sollte auf Befehl eine
Gruppe (1/3) einer Kriegslazarettabteilung mit
über 2000 Betten eingerichtet werden. Auf einem Raum von 600 m
Länge und 100 m Breite waren vorhanden: 1 altes,
mäßig großes Siechenhaus, 3 einstöckige
Schulgebäude mit 6 und 7 Klassen, 1 Postgebäude,
1 Dorfkirche mit Pfarrhaus, 1 Näh- und [424] Kleinkinderschule,
endlich 1 Festsaal, etwa 300 Sitzplätze fassend, mit kleinem Estaminet, die
in ihrer Gesamtheit kaum Raum für die Aufstellung von 600 Betten boten,
von Wirtschaftsräumen, Kammern,
Desinfektions- und Entlausungsanstalt usw. ganz abgesehen.
Das Lazarett war als Seuchenlazarett für die Armee vorgesehen; und da auf
dem Grundstück jede Art von Kanalisation fehlte, mußte
zunächst ein Kanal von etwa 1½ km Länge und
80/90 cm lichter Weite zum nächsten Flusse gelegt werden. Die
Rohre mußten zur Erreichung des nötigen Gefälles bei dem
hügeligen Gelände an einigen Stellen mehrere Meter tief in die Erde
gelegt werden, was bei dem anhaltenden starken Frost große
Schwierigkeiten machte. Nach Rücksprache mit dem Beratenden
Hygieniker wurden für die Abwässer, vor allem der
Infektionsabteilungen, besondere Kläranlagen gebaut. Da für die
Unterbringung der geforderten Krankenzahl bei der Kürze der Zeit massive
Neubauten nicht in Frage kamen, wurden 32 Döckersche Baracken mit je
22 Betten und 6 Wutsdorff-Holzbaracken mit je 100 Betten aufgestellt. In dem
zentral gelegenen erweiterten Postgebäude fand die Küche ihre
Unterkunft. Eine der vorhandenen Schulen wurde Ausrüstungskammer
für 2500 Mann und eine andere Schule wurde
Desinfektions- und Entlausungsanstalt, die mit zwei eingemauerten Dampfkesseln
und einer Lokomobile arbeitete und bis zu 1800 Mann an einem Tage
entlauste.
Die weiten Entfernungen innerhalb des Lazaretts machten die Anlage einer
Förderbahn, 65 cm Spur, notwendig, die mit eigens dafür in
den Werkstätten der Militäreisenbahndirektion gebauten Wagen die
weiten Wege von einem Ende des Lazaretts zum anderen wirksam milderte und so
Personal und Kraft sparte. Es waren vorhanden: 4 Wagen mit isolierten
Wänden für Speisen, 2 Planwagen für
Ausrüstungsgegenstände, 2 Kipploris für Kalk und Kohle, je
einer für reine und gebrauchte Wäsche und 2 mit je 2 Krankentragen
für Kranke.
Um überall Bade- und Waschgelegenheiten und die notwendigen
Abortanlagen, sämtlich mit Wasserspülung und
Kanalanschluß, zu schaffen, wurden leichte Verbindungsbauten aus
Holzfachwerk zwischen den Baracken aufgeführt und die Wasserleitung
mit ungezählten Zapfstellen über das ganze Gelände verlegt.
Wo Umfassungsmauern auf dem Lazarettgrundstück fehlten, gab ein
2 m hoher eiserner Zaun den notwendigen Abschluß; nur zwei
Eingänge mit je einem Pförtnerhause blieben übrig;
unbefugtes Eindringen oder Entweichen wurde so unmöglich gemacht. Aus
einer alten Scheune ließen sich mit verhältnismäßig
geringen Mitteln mustergültige Vorratsräume für Lebensmittel
herstellen; das ehemalige Pfarrhaus gab das Verwaltungsgebäude ab. Die
Wohnungen für das Personal, sowohl für das militärische, wie
für das der Freiwilligen Krankenpflege, lagen außerhalb des
Lazaretts. Die alte Waschküche des Siechenhauses gab gute Räume
für die Leichenhalle und den Sektionsraum.
[425] Da die Waschanstalten
der Etappeninspektion nicht entfernt genügten, um rasch genug die
Lazarettwäsche zurückzuliefern, wurde eine eigene
Lazarettwäscherei eingerichtet mit Dampfkraft aus der nahen
Entlausungsanstalt, mit drei elektrisch betriebenen Wäschetrommeln, zwei
Zentrifugen zum Vortrocknen der Wäsche, einem sehr großen mit
Dampfrippenheizrohren erwärmten Wäschetrockenraum, dem
Mangelraum und dem Magazin für die reine Wäsche. In dieser
Wäscherei wurden täglich
1200 - 1400 Stück Wäsche abends schmutzig
eingeliefert und am nächsten Abend sauber, trocken und, wenn nötig,
ausgebessert abgegeben. Nur so war es möglich, jeden Lazarettkranken mit
frischer Wäsche zu versorgen und manchem seine Eigentumswäsche,
die vielleicht von lieber Hand aus der Heimat gestiftet war, nach etwa 24 Stunden
zurückzugeben. Sämtliche Räume des Lazaretts erhielten
elektrische Beleuchtung.
Für den Transport der mit Kranken- und
Lazarettzügen von der Front Kommenden vom Bahnhof zum Lazarett und
umgekehrt standen zu jener Zeit Krankenwagen und Krankenkraftwagen in
wünschenswerter Zahl nicht mehr zur Verfügung. So wurde eine
Abzweigung der in etwa 200 m Entfernung vorbeifahrenden elektrischen
Straßenbahn bis in das Lazarett hineingelegt und Straßenbahnwagen
für sitzende und liegende Kranke umgebaut; zweckentsprechende Anlagen
dafür natürlich auch am Bahnhof.
An zwei freien Plätzen des Lazarettes wurde aus weißen und roten
Mettlacher Platten je ein Genfer Neutralitätskreuz von 25 m
Durchmesser zusammengesetzt zum Schutz der ganzen Anlage vor feindlichen
Fliegern. Als trotzdem die Umgebung
mehrfach mit Bomben beworfen wurde,
wurden bombensichere Unterstände für viele hundert Mann
gebaut.
Einheimische Arbeiter, durch die Kommandantur bei der Mairie angefordert,
führten die Arbeit unter Aufsicht militärischer
Sachverständiger aus, bisweilen unterstützt von Leichtkranken und
Rekonvaleszenten, die noch nicht wieder kriegsverwendungsfähig waren.
Sechs Monate nach Erteilung des Befehls waren Bau und innere Einrichtung
für 2400 Betten vollendet, trotz der Schwierigkeiten in der Beschaffung des
Materials und der Knappheit der Arbeitskräfte. Die jeweils fertigen
Abteilungen wurden immer sofort belegt. Das Lazarett hat von Mitte 1917 bis
zum Kriegsende große Dienste geleistet und allen sanitären
Ansprüchen genügt. Im Jahre 1918 wurde es durch Aufstellung
weiterer 12 Baracken zu je 100 Betten und durch Hinzunahme der Kirche als
Krankenraum auf über 4000 Betten gebracht.
Transport-, Wäscherei-, Desinfektions- und Kücheneinrichtungen
reichten auch dafür noch aus. Besondere Feuerlöschkommandos
wurden gebildet zum Schutze der wertvollen Anlagen und der besonders
gefährdeten ganz bettlägerigen Kranken.
Schon Spätherbst 1914 ergab sich die Notwendigkeit, in den
Kriegslazaretten neben den äußeren und inneren Stationen besondere
Abteilungen einzurichten [426] für
Seuchen-, Augen- und Ohren-, Geistes- und Nervenkranke, für
Haut- und Geschlechtskranke, später auch für
Nieren- und Gaskranke; dann Zahnstationen, sowie Ambulatorien für
Augen- und Ohrenkranke; ferner Abteilungen für Seuchenkranke der
Zivilbevölkerung, namentlich für Typhus; für kranke
Kriegsgefangene, auch für solche, die zu Arbeitszwecken von weit
entlegenen Kriegsschauplätzen in das Etappengebiet gebracht waren
(Russen, Rumänen); endlich Abteilungen für Rekonvaleszenten,
Typhus- und Diphtheriebazillenträger, und natürlich große
Abteilungen für die zahlreichen Leichtkranken
und -verwundeten, die nur einer kurzen Behandlung bedurften.
Dank der Vorsorge und steten Fürsorge der Heeresverwaltung
genügten die Ausstattung an ärztlichem Gerät (Instrumentarien
für Operations- und Verbandsäle usw.), an
Lazarettwirtschaftsmitteln und ebenso die Pflegegeräte allen berechtigten
Ansprüchen. Es gibt wohl keine große Operation, keine noch so
feine, noch so komplizierte innere, bakteriologische und röntgenologische
Untersuchung, die nicht in den Kriegslazaretten oft und mit bestem Erfolge
durchgeführt worden wäre.
Daß ein Kriegslazarett, und wenn es noch so viel Betten aufgestellt,
Notlagerstellen vorbereitet und alle Einrichtungen getroffen hatte, in den
Brennpunkten des militärischen Geschehens nicht immer allen
Anforderungen entsprechen konnte, liegt in der Natur der Sache. Seine
Belegungsziffer war ja nicht allein abhängig von der Zahl der
Zugänge, die sich vielleicht noch annähernd voraussehen ließ,
sondern fast noch mehr von der Möglichkeit des Abtransports.
Natürlich zerstörte der Feind vor und bei Offensiven, deutschen wie
feindlichen, durch seine Flieger so viel rückwärtige
Bahnverbindungen, wie er irgend konnte; dann kamen oft tagelang keine
Lazarettzüge heran, vorhandene konnten nicht ausfahren. Eine gewaltige
Stauung von Verwundeten war die Folge. Die dann notwendig werdende
Errichtung von Notlazaretten und Leichtkrankenabteilungen in großen
Kirchen, Festsälen usw. stellte an die Kräfte der Leiter wie des
Personals ungeheuer große Anforderungen. Da gab es oft in zwei, ja drei
Tagen keine Minute Ruhe.
Wenn die Verpflegung, auf die ja für die Lazarettkranken sehr viel ankam,
durchweg vorzüglich genannt werden kann, so ist das zunächst der
vorzugsweisen Belieferung der Lazarette durch die Intendantur zu danken; aber
neben den von ihr gelieferten Dingen ließ sich durch Anbau von
Gemüsen, durch Obst aus den Lazarettgärten, wenigstens in
denjenigen Lazaretten, die lange an einem Orte blieben, mancher
außerplanmäßige hochwillkommene Genuß für die
Schwerkranken und Genesenden beschaffen. Die Zubereitung der Speisen lag
durchweg unter Aufsicht der Chefärzte und Inspektoren in den
Händen deutscher Kochschwestern, die sich ihrer Aufgabe mit
großem Eifer und Geschick entledigten; nur in den außerhalb der
eigentlichen Küchen gelegenen Spülküchen wurden
Angehörige der feindlichen Zivilbevölkerung beschäftigt.
[427] Der Dienst der
Ärzte war meist schwer, oft aufreibend; sie hätten manchen Monat
hindurch nicht die Hälfte ihrer Arbeit im "achtstündigen" Arbeitstag
erledigen können. Die ursprünglich für ein Kriegslazarett
vorgesehene Zahl von Ärzten reichte kaum in ruhigen Zeiten aus. Aber es
gelang doch immer, die Stationen, auch für die Sonderfächer, mit
tüchtigen Fachärzten zu besetzen. Die unermüdliche
Arbeitswilligkeit der Ärzte verdient ebenso hohes Lob wie der
wissenschaftliche Eifer z. B. gegenüber neuen
Krankheitsbildern, - es sei nur an Kampfgaserkrankungen
und -verletzungen, Gasbrand, Kriegsnierenentzündung, an den
veränderten Ablauf des Typhus nach der Impfung usw. erinnert.
Gab's mal ruhige Zeiten, so wurden für die Fortbildung der Ärzte und
besonders der als Unterärzte oder Sanitätsunteroffiziere tätigen
Medizinstudierenden möglichst durch Hochschullehrer Kurse abgehalten,
die eine Fülle von Anregungen boten.
Es wäre undankbar, an dieser Stelle die Pflegekräfte der
Kriegslazarette zu übergehen, zumal die Schwestern. Aufopfernd und
nimmer müde haben sie gepflegt, getröstet, Entmutigte und
Ängstliche vor schmerzhaften Eingriffen und Verbänden
aufgerichtet, bei Schwerkranken, die selbst nicht schreiben konnten, die
Korrespondenz mit den Angehörigen ihrer Pfleglinge in der Heimat
aufrechterhalten. Manche deutsche Familie verdankt der Schwester im
Kriegslazarett einen genauen Bericht über die letzten Stunden und die
Übermittlung der letzten Grüße ihres in Feindesland
Verstorbenen. Und ebenso muß die Unerschrockenheit und Treue des
Pflegepersonals, des militärischen ebenso wie des der Freiwilligen
Krankenpflege, anerkannt werden, das bei den leider nicht seltenen
Fliegerangriffen auf die Lazarette seinen Posten nicht mit dem schützenden
"Heldenkeller" vertauschte.
Neben der körperlichen Gesundung durfte natürlich die Pflege der
Psyche der Kranken nicht vernachlässigt werden. Für die
gehfähigen Kranken wurden an allen Sonntagen Gottesdienste in
besonderen Räumen, Kapellen od. dgl. abgehalten, für die ganz
Bettlägerigen auf den einzelnen Sälen. Zur Unterhaltung wurden
Spiele beschafft, für die Bettlägerigen Legespiele, für die
Gehfähigen Spiele im Freien; es wurde für Lesestoff
(Tageszeitungen, gute Bücher) gesorgt. Auch für gute Musik waren
die Kranken stets dankbar, Militärmusik, Gesangsquartett des Personals,
Streichmusik oder Solisten, die von Saal zu Saal zogen. Dann gab es Feiern an
nationalen und sonstigen Festtagen, z. B. unvergeßliche
Weihnachtsfeiern. In ruhigen Zeiten boten öfter Unterhaltungsabende eine
angenehme Abwechslung. Da stellten sich alle, die etwas zu bieten hatten,
Ärzte, Personal, auch die Schwestern, und häufig auch fast genesene
Kranke, Musiker, Redner, Rezitatoren, Komiker - bei den Kranken
besonders beliebt - in den Dienst der Sache. Die Heilerfolge in den
Kriegslazaretten können sich ruhig mit den von gut geleiteten
Krankenhäusern in der Heimat messen, dank der opferfreudigen, nie
erlahmenden Zusammen- [428] arbeit aller Faktoren.
So darf auch wohl von der Mitarbeit der deutschen Kriegslazarette im Weltkriege
gesagt werden: Sie haben an ihrem Teil das Mögliche geleistet, um
unserem kämpfenden Heere für seine Riesenaufgaben Kraft und
Gesundheit wiederzugeben und seine Stärke zu erhalten.
Krankentransportwesen.
In keinem früheren Kriege hat der Krankentransport eine derartige
Bedeutung und einen solchen Umfang erlangt, wie im Großen Kriege
1914 - 1918. Allein schon die Masse der von den Kampffronten
zurück zu den Etappen, über diese hinaus in die Heimat und
innerhalb Etappe und Heimat beförderten Kranken und Verwundeten ist so
groß, daß sie sich zahlenmäßig genau überhaupt
nicht erfassen läßt. Hierzu kommt, daß auch die
Transportmittel eine außergewöhnliche Ausbildung gefunden haben
insofern, als ganz neue Arten der Krankenbeförderung zur Anwendung
kamen, die es in früheren Kriegen nicht gab: Straßenbahn,
Kraftwagen, Seilbahn.
Die Schnelligkeit der Operationen gleich nach der Kriegserklärung, zumal
im Westen, und ihr außergewöhnlich rasches Tempo brachte das
Krankentransportwesen anfangs allerdings in manche schwierige Lage. Auch bis
bei den Truppen und namentlich bei den Kranken und Verwundeten selbst das
Verständnis für die Eigenart des Krankentransportdienstes und
dessen Notwendigkeiten durchgedrungen war, bis sich die Organisation selbst
ganz in den gesamten Heerestransportdienst eingefügt
hatte - im Frieden bestand sie ja nicht - dauerte es einige Zeit.
Reibungen und unliebsame Vorkommnisse waren in dieser Anfangszeit
unvermeidbar. Nachdem sich aber der Betrieb den Verhältnissen
angepaßt hatte, lief er überall glatt ab.
Jede Etappe verfügte über eine Krankentransportabteilung,
die - unter einem Chefarzt - dem Etappenarzt unterstellt war und zu den
Etappensanitätsformationen gehörte. Ihr ursprünglicher Etat
wurde im Laufe des Krieges fast überall wesentlich verstärkt, auch
bezüglich der Zuteilung von Personal der Freiwilligen Krankenpflege.
Diese Verstärkung war nötig, weil die Krankentransportabteilungen
ihre Aufgaben viel weiter faßten, als zunächst vorgesehen war und,
obwohl Etappensanitätsformationen, mit ihrer Tätigkeit weit vorn im
Kampfgebiet, soweit dies überhaupt möglich war, begannen. Dies
geschah in der Regel durch Einrichtung von Krankensammelstellen am
Anfangspunkt der vordersten Bahnverbindung (Feldbahn, Förderbahn,
Kleinbahn), in Verbindung mit den leitenden Sanitätsdienststellen der Front
und in Anlehnung an die Feldsanitätsformationen. Diese
Krankensammelstellen waren oft nur kleine, behelfsmäßig mit Zelten
oder Baracken eingerichtete Anlagen, stets aber mit Arzt und Pflegepersonal
besetzt und so beschaffen, daß sie den von der Kampffront ankommenden
Kranken und Verwundeten vor- [429] übergehend
Unterkunft, Verpflegung und ärztliche Fürsorge darbieten konnten.
Ihr Umfang richtete sich nach dem Bedarf, wuchs auch mit diesem, so daß
sich des öfteren während der Großkämpfe aus einer
kleinen bescheidenen Einrichtung mit wenigen Mann Besetzung und
spärlichem Durchgangsverkehr eine Anlage grüßten Stils
entwickelte, die viele Tausende beim Durchgang versorgte und zahlreiche
Lazarett- usw. Züge abfertigte.
Solche Krankensammelstellen befanden sich selbstverständlich auch an
allen größeren Eisenbahnknotenpunkten, an denen mit dem Zulauf
von Kranken aus verschiedener Richtung zu rechnen war, die aber vor allem als
Umschlagstelle dienten. Die planmäßigen Eisenbahnzüge zur
Krankenbeförderung (s. u.)
konnten aus bahntechnischen Gründen nicht immer so weit, wie
erwünscht, nach vorn geführt werden. Man war dann auf
Behelfszüge (leer zurücklaufende
Munitions- und Verpflegungszüge) angewiesen, die natürlich nur zur
Aushilfe dienten. Ferner mußten die Kranken und Verwundeten erst
gründlich gesichtet, unter Umständen Unberechtigte entfernt werden,
bevor ihr endgültiger Abtransport erfolgen konnte. Dies geschah in den
obengenannten, weiter rückwärts gelegenen Krankensammelstellen.
Innerhalb der Etappen fand dauernd ein reger Krankenverkehr statt; zahlreiche
Kranke wurden aus ärztlichen wie örtlichen Gründen in andere
Lazarette verlegt, z. B. Kranke, bei denen sich eine Infektionskrankheit
gezeigt hatte, in das zuständige Seuchenlazarett,
Nerven- und Geisteskranke in die dafür bestimmten Lazarettabteilungen,
Rekonvaleszenten in die Genesungsheime usw.
So war die Tätigkeit der Krankentransportabteilung außerordentlich
umfangreich und vielseitig; sie gestaltete sich oft schwierig darum, weil sie mit
ihren Maßnahmen sich in den großen allgemeinen Betrieb der
Eisenbahn einzufügen hatte. Dies erforderte wieder bestimmte
Fachkenntnisse der verantwortlichen Persönlichkeiten über
Zugbetrieb, Nachrichtenwesen usw. bei der Bahn.
Die am Schluß des Bandes eingefügte Skizze [Scriptorium merkt an: der Einfachheit halber von uns verkleinert
hier nachfolgend eingefügt; durch Mausclick zu
vergrößern!] zeigt, wie der Krankentransportdienst bei
einer Armee während der Sommeschlacht organisiert war. Man erkennt die
vorderste Reihe der noch während des Stellungskrieges eingerichteten
Krankensammelstellen, die, ebenso wie einige später angelegte, infolge
Beschießung aufgegeben werden mußten. Man sieht ferner die Reihe
der weit vorn gelegenen, meist kleinen Bahnhöfe, auf denen
Kleinbahnzüge die von den Hauptverbandplätzen und Feldlazaretten
herangeführten Kranken und Verwundeten aufnahmen. Weiter erkennt man
an der Vollbahn eine Reihe größerer Bahnhöfe, auf denen zum
Teil besondere Bahngleise für Lazarettzüge gebaut waren, von denen
aus der regelmäßige Abtransport mit planmäßigen
Zügen erfolgte, und ersieht schließlich aus den beigefügten
Zahlenaufstellungen die außerordentliche Leistung des Krankentransports
während einer solchen abgegrenzten Großkampfperiode.
[Anlage 3 zu Bd. 7]
Bildliche Darstellung der Abbeförderung von
Verwundeten und Kranken
aus der Schlacht an der Somme in der Zeit vom 24. 6. bis 30. 9. 1916.
[Vergrößern]
|
Für den Bahntransport auf Klein- und Nebenbahnen
hatten die Krankentransportabteilungen fast überall Eisenbahnwagen
hergerichtet, die mit Vor- [430] richtungen
verschiedenen Musters zur Aufnahme der beladenen Krankentragen, oft auch mit
Kocheinrichtungen und während des Winters mit Öfen versehen
waren. Solche Wagen liefen einzeln oder zu Zügen zusammengestellt in der
Regel in fahrplanmäßigem Verkehr, der den Lazaretten
bekanntgegeben war, und namentlich in ruhigen Zeiten
Regelmäßigkeit des Abtransports sicherte.
Die Überführung der zur Rückbeförderung bestimmten
Kranken und Verwundeten erfolgte unmittelbar von den Krankensammelstellen
oder den Lazaretten aus auf Bahnstrecken, auf Wasserstraßen und
ausnahmsweise auch mit Fußmarsch.
Auf Bahnstrecken liefen Lazarett-, Hilfslazarett-, Leichtkranken- und
Behelfszüge. - Die Lazarettzüge (planmäßige
Militär- und Vereinslazarettzüge) waren geschlossene
Sanitätsformationen mit ständigem Personal und schon im Frieden
vollständig bereitgestellter, bei den Vereinslazarettzügen des Roten
Kreuzes (s. Abschnitt 8) erst
nach der Mobilmachung beschaffter Einrichtung unter dem Befehl eines
Chefarztes (aktiver oder reaktivierter Sanitätsoffizier); bei einer Reihe von
Vereinslazarettzügen unter der Führung eines Offiziers als
Transportführer und der Leitung eines Arztes (leitender Arzt).
Der Lazarettzug (Vereinslazarettzug) beförderte nur liegende Kranke und
Verwundete; nur im Notfalle, z. B. unter den besonderen
Verhältnissen des östlichen Kriegsschauplatzes, nahm er auch
sitzende Kranke auf. Die Züge bestanden aus 24 Krankenwagen (darunter
einer für Offiziere), je einem Chefarzt- und einem Arztwagen, aus zwei
Wagen für das Personal, einem Verwaltungs- und Apothekenwagen mit
Operations- und Verbandraum, aus je einem
Küchen-, Küchenvorrats- und Wirtschaftsvorratswagen; dazu kamen
zwei Gepäckwagen, davon einer als
Wärme- (Kälte-) Schutzwagen und im Winter ein bis zwei
Heizkesselwagen. Die Züge, anfangs für 296 Lagerstellen
vorgesehen, wurden später aus bahntechnischen Gründen auf 192
Lagerstellen verkleinert und damit verkürzt. - Das Personal setzte
sich zusammen aus dem Chefarzt, ein bis zwei Hilfsärzten, einem
Feldlazarettinspektor, Sanitätsmannschaften und
Militärkrankenwärtern, Trainsoldaten; dazu Eisenbahnpersonal. Die
Vereinslazarettzüge waren ähnlich besetzt. An Stelle des
Feldlazarettinspektors trat ein Rechnungsführer; an Stelle der
Sanitätsmannschaften und Militärkrankenwärter
Krankenschwestern und Pfleger des Roten Kreuzes. Die Krankenwagen hatten an
den Stirnseiten zweiflügelige Türen; an den Plattformen ließen
sich die Schutzwände herablegen, so daß das
Hinein- und Herausschaffen der beladenen Tragen ungehindert war. In jedem
erleucht- und heizbaren Krankenwagen befanden sich Schränkchen und
Gestelle zur Aufnahme des erforderlichen Krankenpflegegeräts und ein
Abort. Die Lagerstellen für die Kranken hatten verschiedene Konstruktion;
sie wurde im Kriege wiederholt wesentlich verbessert. Da die Züge oft
weite Wegestrecken zurückzulegen hatten und dann viele Tage unterwegs
waren, zur Schonung der Kranken auch sehr langsam fuhren, so war für
[431] ärztliche
Versorgung und Verpflegung nach jeder Richtung hin Vorsorge getroffen. Die
Lazarett- und Vereinslazarettzüge stellten somit eine auf der Eisenbahn
rollende Krankenanstalt dar.
[432a]
Verladung verwundeter Gefangener in einen
Lazarettzug.
|
Die Hilfslazarettzüge waren gleichfalls für liegende Kranke
bestimmt; sie wurden aus leer zur Heimat zurückgehenden
Güterwagen zusammengestellt und waren mit Gestellen zur Aufnahme der
beladenen Krankentragen, die bei den Etappensanitätsdepots bereitlagen,
ausgestattet. Von ihnen ist in größerem Umfang nicht Gebrauch
gemacht worden; dagegen sind Leichtkrankenzüge für sitzende
Kranke in großer Zahl aufgestellt worden und haben sehr große
Fahrtleistungen erzielt. - Die Leichtkrankenzüge waren aus
Personenwagen zweiter und dritter Klasse zusammengesetzt; für sie wurde
eine große Zahl belgischer Durchgangswagen verwendet. Sie waren mit
einem Arzt als Transportführer, Pflege- und Aufsichtspersonal besetzt. In
ihnen konnten Stärkungs- und Labemittel, aber keine Vollkost gereicht
werden; die Transporte mußten an Kriegsverpflegungsanstalten der
Bahnhöfe mit Frühstück und warmer Kost verpflegt werden;
auch bedurfte es wegen der Übernachtung jedesmal besonderer
Anordnungen.
Behelfszüge wurden in dringenden Notfällen an Orten des Bedarfs
aus gerade verfügbarem Material (leere Wagen der
Munitions- und Verpflegungszüge) zusammengestellt und fuhren immer
nur auf kurze Strecken. Besondere Sitzgelegenheiten waren nicht vorhanden.
Liegende Kranke (Schwerverwundete) sollten mit ihnen nicht befördert
werden. Die Wagen wurden, wenn irgend möglich, mit
Stroh- oder Holzwolleschüttung versehen.
Vom Krankentransport zu Wasser14 ist in
wirklich großem Umfang nicht Gebrauch gemacht worden. Wenn auch die
Heeresverwaltung dort, wo er in Frage kommen
konnte - auf den Stromgebieten der Weichsel, des Rheins, in der
Ostsee - in Verbindung mit dem Roten Kreuz planmäßig
Vorkehrungen getroffen hatte und nach der Mobilmachung, z. B. in Danzig
und Königsberg, Lazarettschiffe und Hilfslazarettschiffszüge zur
Verfügung standen, so kamen größere Wassertransporte doch
nur von der Nordostfront nach Danzig zur Durchführung. Während
des ostpreußischen Feldzuges 1914 fuhren vier
Hilfslazarettschiffszüge zwischen Danzig und Königsberg, nach den
Schlachten 1915 einzelne weiter bis Libau, Wehlau, Tapiau, Tilsit, um die
überfüllten Lazarette räumen zu helfen. Während des
Winters 1914/15 mußte der Verkehr für die Schiffszüge des
Eises wegen ruhen; nur ein größeres Lazarettschiff der Marine kam
durch das Eis. Von November 1915 ab hörte der Verkehr ganz auf, weil der
Zustrom an Kranken und Verwundeten von der Nordostfront versiegte. Auf der
Oder, dem Rhein und seinen Nebenflüssen (Mosel), wie auf den
zugehörigen Kanalsystemen war der Krankenverkehr zu Wasser ganz
gering, größer auf der Donau, [432] wo
österreichischerseits mehrere Lazarettschiffe lange Zeit in vollem Betriebe
waren.
Der Wassertransport hatte für die Kranken allerdings den Vorteil, daß
Erschütterungen, sowie Belästigung durch Staub und Rauch, wie bei
der Eisenbahn, fehlten, er hatte aber den großen Nachteil der Langsamkeit,
und daß, wenn auf den Schiffen nicht besondere Einrichtungen dafür
vorhanden waren, Verpflegung und Verladung oft Schwierigkeiten bereiteten, und
daß er unwirtschaftlich war. Die Tragfähigkeit der Transportschiffe
konnte nur ganz unvollkommen ausgenutzt werden. Dazu kam noch der Umstand,
daß die Richtung der Wasserstraßen sich nur selten mit der des
Krankentransports deckte. Wo die Verhältnisse in dieser Beziehung
günstig lagen, z. B. auf der Donau, wurde vom Wassertransport mit
großem Vorteil Gebrauch gemacht; doch blieb die Zahl im Verhältnis
zu den Bahntransporten sehr beschränkt.
Krankentransport mit Fußmarsch erfolgte nur für Leichtkranke
und -verwundete aus den vordersten Linien bis zu den Sammelstellen.
Ebenso wie in der Heimat, wurde auch im besetzten Gebiet vom Krankentransport
mit der Straßenbahn, dort, wo es irgend durchführbar war, in
großem Umfange und mit Vorteil für die Kranken Gebrauch
gemacht. In Nordfrankreich z. B., das in seinen Städten und
Industriebezirken ein vortrefflich ausgebautes Straßenbahnnetz besaß,
wurden die Gleise möglichst bis zu allen Krankenanstalten15 und auf den in Frage kommenden
Bahnhöfen bis an die Ladegleise, für die Lazarettzüge
gestreckt, neben die sie parallel verlegt wurden. Das ermöglichte ein
rasches und schonendes Transportieren der Kranken von der Bahn zum Lazarett
und umgekehrt. Während der großen Abwehrschlachten und
Offensiven hat die Straßenbahn viel geleistet und damit den
Krankentransportdienst wesentlich unterstützt.
Der Feldsanitätschef regelte die Bewegungen der Lazarett-,
Vereinslazarett- und Leichtkrankenzüge im großen. Er stellte jeder
Armee (Etappe) je nach Bedarf eine bestimmte Anzahl zur Verfügung und
verwies jene auf bestimmte Liniengebiete in der Heimat, deren Lazarette die
Kranken und Verwundeten der Armee aufzunehmen hatten.
Naturgemäß wechselte der Bedarf, hing er doch vom Bestehen
ruhiger Zeiten oder dem Einsetzen von Kampfperioden ab. So kam es vor,
daß zu Zeiten der schweren Großkämpfe eine einzelne Armee
über vierzig und noch mehr Lazarett- usw. Züge
verfügte. Diese Zahl genügte manchmal nicht, weil die Züge
bei großen Entfernungen und starker Inanspruchnahme der Bahnlinien oft
lange Zeit brauchten, um nach der Entladung wieder zurückzukehren.
[433] Die
Krankentransportabteilung stand einerseits mit dem Bahnbeauftragten des
Feldeisenbahnchefs (Bba), andererseits mit dem zuständigen
Sanitätstransportkommissar (s. u.)
am Grenzübergang in der Heimat in Verbindung. Ersterer regelte im Verein
mit den Liniengebieten die Bewegung der Züge, letzterer die Verteilung der
Kranken in der Heimat, auch übernahm er die mit den
Leichtkrankenzügen eintreffenden Kranken und Verwundeten zur
Weiterbeförderung.
Die - 9 - Sanitätstransportkommissare und 1
Sanitätstransportoberkommissar als oberleitende und überwachende
Dienststelle waren schon Ende 1914 zur Regelung des Krankentransportdienstes
in der Heimat eingesetzt worden. Die ersteren hatten ihren Dienstsitz in den 9
Hauptübergangsgrenzorten Aachen, Trier, Diedenhofen, Metz, Appenweier,
Dirschau, Bromberg, Posen und Breslau. Ihre Aufgabe bestand einmal in der
Durchschau jedes durchlaufenden Zuges auf Kranke und Verwundete, die ohne
ärztliche Anweisung von der Front zurückzukehren versuchten,
ferner in der Prüfung auf etwaige Schwerkranke und Schwerverwundete,
Beigabe neuen Begleitpersonals nach Ablösung des von der Etappe
mitgegebenen, Ersatz des Krankenpflege- usw. Geräts und
Sicherstellung alles dessen, was zur einwandfreien Durchführung der
Transporte erforderlich war (Verpflegung, Lagerungsmittel, Heizung usw.).
Des weiteren oblag dem Sanitätstransportkommissar die Verteilung der mit
den Leichtkrankenzügen Eintreffenden, im Benehmen mit den
zuständigen Sanitätsämtern und Lazaretten und der
Linienkommandantur. Dann aber oblag den Sanitätstransportkommissaren
die wichtige hygienische Überwachung aller eintreffenden Transporte
(Truppen, Urlauber, Kranke), d. h. deren Durchschau auf
übertragbare Krankheiten. Hierzu waren ihnen die 23 großen
Sanierungsanstalten an den Grenzübergangsstellen, deren Betrieb sie
ständig zu überwachen hatten, unterstellt. Es war nichts
Ungewöhnliches, daß diese Anstalten bei
Tag- und Nachtbetrieb, wenn große Truppenbewegungen von einer
Kampffront zur anderen stattfanden, täglich viele Tausende abfertigten.
Daß eine solche Arbeit, von deren gewissenhafter Erledigung alles abhing,
jedesmal erhebliche Anspannung der Kräfte bedeutete, ist ohne weiteres
verständlich, ebenso wie die Arbeitsleistung, die die Versorgung und
Erledigung des Krankentransportdienstes nach den Großkämpfen
darstellte.
Das ganze System der Krankenbeförderung, wie es sich im Kriege immer
mehr vervollkommnete, hat sich aufs beste bewährt. Dieser Erfolg war nur
möglich bei einem planmäßig bis ins kleinste ausgebauten
Nachrichtendienst, der vorn bei den Divisionen einsetzte, sich über die
Zentrale beim Etappenarzt (Krankentransportabteilung) bis zum
Sanitätstransportkommissar und zum Feldsanitätschef erstreckte.
Dieser war somit dauernd über den im einzelnen vorliegenden Bedarf im
Bilde und dadurch imstande, von sich auch im großen zu disponieren.
[434] Bei der Bewegung der
Lazarett- usw. Züge sind während der Großkämpfe zu
Zeiten der stärksten Spannung des öfteren Schwierigkeiten
entstanden, weil bei Belastung der Bahn durch Munition, Verpflegung und
Kriegsgerät ihr Vorführen zuweilen zurückstehen sollte. Dann
bedurfte es harter Kämpfe und ernster Vorstellungen, um einen
verständigen Ausgleich zu erreichen. Trotzdem war es nicht zu vermeiden,
daß unter dem Druck der Verhältnisse vorübergehend
bedrohliche Stockungen entstanden, die dann tatsächlich nur sehr schwer
überwunden wurden.
Beschaffung und Nachschub der
Sanitäts- usw. Ausrüstung.
(Von Korpsstabapotheker Dr.
Prieß - Berlin.)
Für den Nachschub der Sanitätsausrüstung des Feldheeres war
bei jeder Armee ein mobiles Etappensanitätsdepot vorgesehen, das
für seinen Transport etwa 100 Eisenbahnwagen erforderte. Während
der ersten Kriegszeit16 gehörte noch eine
Kraftwagenabteilung für den Verwundetenabschub dazu. Die
Mobilmachung verlief überall glatt.
Das Etappensanitätsdepot bewirkte seinen Ersatz aus den heimatlichen
Sanitätsdepots über das zuständige
Sammelsanitätsdepot. Bereits im ersten Kriegsmonat zeigte es sich,
daß für den ungeheuren Bedarf der kämpfenden Heere die
Bestände an Arznei- und Verbandstoffen zu gering bemessen waren. Auch
reichten die dem Etappensanitätsdepot zur Verfügung stehenden
Transportmittel nicht aus. Das Heranführen von größeren
Arznei- und Verbandstoffmengen zu den Depots, sowie ihre Weiterleitung zu den
im Operationsgebiet stehenden Truppen und Sanitätsformationen bot zu
einer Zeit, in der alle Transportmittel für den Nachschub von Munition,
Verpflegung und Kriegsgerät belegt waren, außerordentliche
Schwierigkeiten; deshalb war mit allen Mitteln für einen umfangreicheren
und schnelleren Nachschub Sorge zu tragen. Es gelang allmählich durch
Ausnutzung aller Beschaffungsmöglichkeiten, sowohl in den besetzten
Gebieten als auch in der Heimat, den dringenden Bedarf der kämpfenden
Heere wie der stark belegten Feld- und Kriegslazarette zu befriedigen.
Als nach Übergang in den Stellungskrieg die Bedürfnisse der immer
mehr vergrößerten Lazarette noch weiter zunahmen und deutsche
Ärzte an der Front behelfsmäßige Einrichtungen schufen, die
den besten neuzeitigen Krankenhäusern in bezug auf
Sanitätsausrüstung nicht nachstanden, wuchs auch die Aufgabe der
Etappensanitätsdepots. Es mußten in größerem Umfange
Krankenverpflegungsmittel, besonders für Darmkranke, ärztliches
Sondergerät für Fachärzte, zahnärztliches Gerät
jeder Art, Desinfektionsmittel zur Seuchenbekämpfung, Impfstoffe,
Läuse- und Fliegen-Schutz- und -vernichtungsmittel, [435] Ratten- und
Mäusevernichtungsmittel, wollene Decken für die
Lazarettausrüstung und den
Kranken- und Verwundetentransport usw. bereitgestellt werden. Der
Ausbruch von Brustseuche und Rotz bei den Pferden erforderte das Heranziehen
von gewaltigen Mengen von Veterinärmitteln. Der Mangel an
Arzneikräutern in der Heimat führte zum Einsammeln der
benötigten Kräuter im Etappengebiet. Zerlegbare Baracken,
Krankenzelte und Betten, Wäsche, Leibbinden, Krankenverpflegungsmittel
und Krankenweine wurden durch die Sanitätsdepots in riesigen Mengen
beschafft und ausgegeben. Ferner entstanden Werkstätten für die
Instandsetzung und Neuvernickelung von ärztlichen Instrumenten und
Geräten; ebenso wurde die Beschaffung von Brillen und
Ersatzgläsern durch die Etappensanitätsdepots geregelt.
Um den Truppen und Feldsanitätsformationen den Empfang aller dieser
für die Krankenbehandlung und Gesundheitspflege erforderlichen Dinge zu
erleichtern, wurden, oft nur behelfsmäßig, weit vorgeschobene
Ausgabestellen eingerichtet, die mit einem Oberapotheker und Personal besetzt
und mit einem etwa dreitägigen Bedarf versehen waren. Diese
Ausgabestellen oder Vordepots lagen also, obwohl sie Formationsteile der Etappe
waren, im eigentlichen Kampfgebiet und sind wiederholt durch
Beschießung oder Fliegerangriff beschädigt worden.
In der Heimat wurde die Beschaffung von einwandfreiem Sanitätsmaterial
für Feldheer und Marine, wie auch für die heimischen
Reserve- und Festungslazarette zu einer Aufgabe, die nur von Fachleuten erledigt
werden konnte, die einerseits den medizinischen Bedarf und seine
Beschaffungsmöglichkeit unter den infolge des Rohstoffmangels
veränderten Verhältnissen kannten, andererseits aber auch mit der
Gliederung der Heeresverwaltung vertraut waren. Vor allem waren es die
Militärapotheker im Sanitätsdepartement des Kriegsministeriums,
bei den heimischen Sanitätsämtern
und -depots, bei den Hauptsanitätsdepots Berlin und München, bei
den chemischen Untersuchungsstellen, wie bei der Zentralbeschaffungsstelle
für Webwaren, beim Hauptgasschutzlager und bei der
Gasmaskenprüfungsstelle, die in vorausschauender Weise dafür
Sorge trugen, daß trotz des Rohstoffmangels, der sich in der Heimat immer
mehr fühlbar machte, nur wirklich einwandfreie Sanitätsmittel auf
den Kriegsschauplatz hinausbefördert wurden. Durch ihre Arbeit blieb die
Versorgung während des ganzen Krieges gewährleistet.
Auch Sonderaufgaben, die mit dem einsetzenden Rohstoffmangel an Bedeutung
gewannen, stellten sich die Etappensanitätsdepots. So ging eines erfolgreich
an die fabrikmäßige Herstellung von Seife, Hartspiritus, Glyzerin,
Kerzen und Essig, ein anderes an die Gewinnung von Milchzucker aus Molken.
Besondere Erwähnung verdient das Hauptsanitätsdepot Antwerpen,
das sich unter militärpharmazeutischer Leitung auch mit der Herstellung
von Arznei-und Verbandmitteln befaßte und z. B. den dringend
benötigten einwand- [436] freien Ersatz von
Tannalbin und Protargol schuf. Auch der Tätigkeit der chemischen
Untersuchungsstellen im Felde und im Heimatgebiet sei gedacht. Sie waren neben
ihrer übrigen Tätigkeit auf dem Gebiete der Gesundheitspflege der
Truppe in hervorragender Weise am Sanitätsmittelersatz des Heeres
beteiligt, indem sie die Untersuchung und Verwertung der im besetzten Gebiet
vorgefundenen Rohstoffe und Chemikalien, sowie die Ausarbeitung von
Verfahren zur Herstellung chemisch-technischer Erzeugnisse bearbeiteten.
Auch der Nachschub des Gasschutzgeräts und seine Instandsetzung wurde
bis zum Jahre 1917 durch die Etappensanitätsdepots ausgeführt.
April 1915 war die eigene Truppe noch ohne Gasschutzmittel. Die Herstellung
von Gasschutzmasken steckte in der Heimat noch in den Kinderschuhen.
Während die eigene Truppe ohne jeden Schutz feindlichen Gasangriffen
gegenüberstand, halfen die Etappensanitätsdepots aus. Das
Etappensanitätsdepot 2 z. B. stellte für die gesamten
Fronttruppen der Armee in wenigen Wochen sog.
Atemschützer - Mullkompressen mit
Salzlösung - her. Nach Eintreffen der Gasschutzmittel aus der
Heimat verwalteten die Etappensanitätsdepots das gesamte Gerät
(Gasschutzmasken, Rettungsapparate, Sauerstoffvorrat).
Auch bei der Marine trat mit der Mobilmachung
sofort ein größerer Bedarf an Sanitätsausrüstung ein. Die
Bordausrüstung auf den verschiedenartigsten
Kriegs- und Troßschiffen, vor allem auf den Lazarettschiffen, mußte
ergänzt oder wesentlich verstärkt, zum Teil, wie auf den zahlreichen
Minenschiffen, erst hergerichtet werden. Dies geschah seitens der beiden
Marinesanitätsdepots Kiel und Wilhelmshaven und durch das neu errichtete
Kriegssanitätsdepot Kuxhaven. Im Schutzgebiet Kiautschou war die
Kriegssanitätsausrüstung für ein Jahr ausreichend niedergelegt
worden; die Schutztruppe in Südwestafrika war gleichfalls ausreichend
versorgt. Große Bestände an Sanitätsmitteln, die noch
jahrelang für die Bedürfnisse dort genügt hätten, fielen
bei der Übergabe in den Besitz des Feindes. Für die Güte und
den Umfang dieses Materials spricht, daß die Engländer viele
Gegenstände nach Gallipoli verfrachteten und dort bei ihren
Dardanellentruppen verwandten. - Sehr viel schwieriger gestaltete sich die
Versorgung der tapferen Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika. Die bei Beginn des
Krieges vorhandene Sanitätsausrüstung war im Verhältnis zur
Kriegsdauer nur dürftig. Dem deutschen Erfindungsgeist und
Anpassungsvermögen gelang es aber auch hier, Denkwürdiges zu
leisten. Die in Ostafrika ansässigen, zur Schutztruppe eingezogenen
Apotheker konnten nicht nur durch Aufarbeiten von Rohbaumwolle den Bedarf an
Verbandwatte beschaffen, sondern auch durch Verarbeiten der im
Usambarabezirk vorhandenen Cinchonakulturen das zur
Malariabekämpfung unentbehrliche Chinin in reinem Zustande gewinnen.
Außerdem wurden verschiedene andere Drogen zur Herstellung der
für die Kriegführung benötigten Arzneimittel verwendet. Dies
ermöglichte eine ausreichende Versorgung
mit Arznei- und Verbandstoffen.
[437] Den deutschen
Bundesgenossen, Bulgarien und der Türkei, war bei Eintritt in den Krieg
u. a. auch die Lieferung von deutschem Sanitätsmaterial zugesichert
worden. Bereits Mitte November 1915 wurde in Sofia ein deutsches
Etappensanitätsdepot eingerichtet, das auch die deutsche
Militärmission in Bulgarien und die dortigen deutschen Streitkräfte
versorgte. Umfangreicher und schwieriger gestaltete sich die Versorgung der
Türkei. In den Sanitätsdepots der türkischen Heeresverwaltung
war nach dem letzten unglücklichen Balkankriege noch keine Ordnung. Mit
Eintritt der Türkei in den Weltkrieg war nicht nur die von Konstantinopel
schließlich noch erreichbare Dardanellenfront, sondern auch die im
Kaukasus, in Mesopotamien und an der Sinaifront kämpfenden Heere mit
allem, was zur Sanitätsausrüstung gehört, reichlich zu
versorgen. Dabei war zu berücksichtigen, daß den asiatischen
Verhältnissen entsprechend ein Bedarf an besonderen Arzneimitteln vorlag;
auch bedurfte es angesichts des schwierigen Transports anderer
Sanitätsbehältnisse. Die türkischen Armeen wurden von
Fleckfieber, Cholera, Typhus, Malaria und Geschlechtskrankheiten schwer
heimgesucht, zu deren Bekämpfung es zunächst überall am
notwendigsten fehlte. Nach dem Hinzutritt größerer deutscher
Truppenverbände wurde je ein deutsches Etappensanitätsdepot in
Konstantinopel, in der Sinaiwüste, in Bagdad, in Aleppo und in Damaskus
eingerichtet. Der Bedarf dieser Depots, vor allem an wirtschaftlicher
Lazarettausrüstung und an Krankenverpflegungsmitteln, war wegen der
Unmöglichkeit der Ersatzbeschaffung im Lande sehr groß. Die
Sanitätsausrüstung der für die Türkei bestimmten
deutschen Sanitätskompagnien, Feldlazarette und
Etappensanitätsdepots war in Kisten, die sich auch als Traglasten für
Tragtiere eigneten, verpackt. Jeder einzelne Mann erhielt noch eine
Taschenapotheke, die die in den Tropen notwendigsten Arzneimittel (Chinin,
Tannalbin usw.), Verbandstoffe und Wasserentkeimungsmittel enthielt.
Die Beschaffung des gesamten umfangreichen Sanitätsmaterials erfolgte
nach Anordnung des Sanitätsdepartements durch das
Hauptsanitätsdepot Berlin. Diese Zentralstelle hatte im Laufe des Krieges
in immer größerem Umfange die Beschaffung neu eingeführter
ärztlicher Geräte, Arznei- und Verbandstoffe, anfangs auch der
Gasschutzmittel, übernommen. Im Laufe des Krieges wurde es immer mehr
zu einer großen zentralen Beschaffungsstelle. Unter Leitung ihres
Chefarztes, des Generalarztes Dr. v. Tobold, dem ein
pharmazeutischer Stab von über 20 Militärapothekern zur Seite
stand, erreichte das Hauptsanitätsdepot im Jahre 1918 eine
Gesamtstärke von 1500 Köpfen.
Der unbestrittene Erfolg, den sich die deutsche Heeressanitätsleitung trotz
der immer größer werdenden Anforderungen bis zum Ende des
Krieges durch eine nie stockende Versorgung aller Verwundeten und Kranken mit
Sanitätsmitteln erworben hat, wäre trotz der vorzüglichen
Organisation des Sanitätswesens im Felde wie in der Heimat nicht
möglich gewesen, wenn nicht Deutsch- [438] land auf dem Gebiete
der Krankenpflege über eine Industrie verfügt hätte, die in
ihrer Leistungs- und Anpassungsfähigkeit in der Welt einzig dastand.
Neben der pharmazeutischen Großindustrie stand die Fabrikation von
ärztlichen Instrumenten, Gummigerät, optischen Geräten,
Röntgeneinrichtungen bereits vor dem Kriege in Deutschland auf einer
unerreichten Höhe. Die Industrien waren trotz des drückenden
Mangels an den notwendigsten Rohstoffen immer wieder in der Lage und bereit,
brauchbaren Ersatz zu liefern. An Stelle der mangelnden Baumwolle verarbeiteten
die Zellulosefabriken Holz zu brauchbarer Zellstoffwatte und Kreppapierbinden.
Papiergewebe aller Art wurden für die
Kranken- und Verwundetenpflege an Stelle der nicht mehr zu beschaffenden
Leinen- und Baumwollgewebe hergestellt. Kunstharze wurden als Ersatz an Stelle
des Kautschuks für das Heftpflaster eingeführt. Künstlicher
Kautschuk wurde wiederum für die Herstellung von unentbehrlichem
Gummigerät von der Industrie zur Verfügung gestellt. Japanischer
Kampfer, Glyzerin, Perubalsam, Kresolseife u. a. m. konnten ersetzt
werden.
Als im Herbst 1918 beim Rückzug der deutschen Streitkräfte an
allen Fronten ungeheure Mengen an deutschen Sanitätsmitteln in
Feindeshand fielen, waren die Bestände der heimischen
Sanitätsdepots noch so groß, daß sie auf Jahre hinaus für
die Versorgung aller verwundeten und kranken Krieger genügt
hätten. Nach Ausstattung der neuen Reichswehr mit den erforderlichen
Sanitätsmitteln übernahm die Heilfürsorgeabteilung des
Reichsarbeitsministeriums, der die weitere Versorgung der
Kriegsbeschädigten obliegt, den größeren Teil der
Heeressanitätsausrüstung für ihren Bedarf in den
Versorgungskrankenhäusern; entbehrliche Bestände wurden durch
das Reichsschatzministerium in großen Mengen an die deutschen
Zivilkrankenhäuser und an Ärzte abgegeben.
|