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Sie alle bauten Deutschland.
Ein Geschichtsbuch für die Volksschule.


Das Erste Deutsche Reich
bis zum Westfälischen Frieden (Teil 6)

Das Rittertum

Seit der Zeit Karls des Großen hatte sich aus den Gefolgsmännern der Kaiser und Fürsten ein besonderer Wehrstand entwickelt, der seinen Kriegsdienst zu Pferde leistete. Er war nach und nach an die Stelle des Heerbannes der freien Germanen getreten. Aus ihm entwickelte sich der Ritterstand.

Die Ritter wohnten abseits vom Dorf und von der Stadt in einer Burg. Diese lag entweder auf einem Berge, oder sie war im Tiefland von Wasser umgeben. Eine starke Mauer und ein tiefer Graben gaben ihr Schutz. Ritter konnte nur werden, wer aus ritterlichem Geschlecht stammte oder von einem Fürsten wegen besonderer Verdienste in den Ritterstand erhoben wurde. (Tapferkeit, Gefolgschaftstreue.) Der Ritterstand sonderte sich nach und nach vom übrigen Volk ab. Den Bauern sah er nicht als ebenbürtig an.

Zur Blütezeit des Rittertums unter den Hohenstaufen waren die Ritterburgen Pflegestätten hoher deutscher Kunst und Kultur.

 
Auf der Burg Lichtenstein

Wieder einmal war es Mai. Die silbernen Wellen des Gebirgsbaches plätscherten lustig bergab. In dem klaren Wasser spiegelte sich himmelblaues Vergißmeinnicht. Forellen schnellten aus der Flut empor, und Bachstelzen hüpften wippend von einem Stein zum anderen.

Eine Ritterburg
Eine Ritterburg.
Hoch über den grünen Wipfeln der Buchen ragte die Ritterburg Lichtenstein auf, umglänzt von den Strahlen der Maiensonne. Dem Reiter, der aus dem Walde auf die weite Lichtung herausritt, ging bei ihrem Anblick das Herz vor Freude auf. Er war am Ziel.

Schnell nahm er seine Fiedel, die er sorgsam in seinen Reisemantel gewickelt hatte, zur Hand, und bald klangen Saitenspiel und Gesang zur Burg hinauf, begleitet von dem tausendstimmigen Chor der Waldvögel.

Schon hatte des Wächters Horn vom weitausschauenden Bergfried den Gast gemeldet. An der Brustwehr des Burggrabens stand die neugierige Jugend und horchte in das Tal hinab, in dem die jungfrische Männerstimme durch den frühlingsfrohen Bergwald sang:

    "Der kalte Reif tat kleinen Vögeln weh,
    daß sie nicht mehr sangen.
    Jetzt hör ich sie wieder lieblicher als eh',
    da die Wiesen prangen."

Im Pförtnerhaus trank der große Kunz schnell in tiefen Zügen den Humpen leer. Dann eilte er zum Burgtor, vor dem der prächtige Schimmel schon ungeduldig mit den Hufen scharrte.

Rasselnd ging die schwere Zugbrücke nieder, und knarrend öffneten sich die beiden Torflügel. Im Burghof stand schon der Ritter, umringt von der erwartungsvollen Jugend. Mit anmutiger Bewegung legte der fahrende Sänger die linke Hand an den zierlichen Stoßdegen. Mit der anderen zog er höflich das Samtbarett mit der langen, nickenden Reiherfeder vom lockigen, blonden Haar und verneigte sich ehrfürchtig vor dem Hausherrn. Er sprang behende vom Pferde und zog schnell das enganliegende Lederwams glatt. Fröhlich reichte Graf Heinrich von Lichtenstein dem Ankömmling die Hand: "Welche freudige Überraschung! Seid herzlich gegrüßt auf meiner Burg, viellieber Herr Walther von der Vogelweide!"

Darauf wandte sich der Graf an die Kinder, Junker und Ritterknechte, die sich inzwischen angesammelt hatten: "Nun laßt alle Arbeit ruhen. Jägerbursche, stecke einen Frischling an den Spieß! Schenk und Kellermeister, holt ein Faß besten roten Weines aus dem Keller! Ihr, meine sangeskundigen Töchter, bringt eure Harfen, und auch Ihr, ehrwürdiger Burgkaplan, begleitet Deutschlands liebsten Sängermeister zu seinen Weisen."

Der Sänger wurde reichlich bewirtet. Nach dem Mahl trafen sich der Graf, seine Familie und die ritterlichen Damen und Herren in dem großen Rittersaal. Dann geleitete auf einen Wink des Burgherrn ein Knappe den gerngesehenen Gast hinein.

Der Minnesänger
Der Minnesänger.
"Vieledler Herr Walther von der Vogelweide! Ihr seid weit im Lande herumgekommen und habt unterwegs erfahren, was in der großen Welt geschieht. Singt uns davon in euren Liedern."

Der Vogelweider entgegnete ernst: "Wenig Erfreuliches kann ich euch erzählen." Dann nahm er auf dem schön geschmückten Sessel in der Mitte des großen Raumes Platz. In den Nischen der hohen Fenster, durch welche die warme Maiensonne hineinflutete, und auf den erhöhten Sitzen verteilten sich die Zuhörer um den Sänger und wandten kein Auge von ihm. In seinem Gesicht lag Trauer. "Bruderkrieg zerreißt das deutsche Volk. Zwei Fürsten streiten um die Königskrone. Doch der Papst von Rom freut sich darüber. Anstatt Frieden zu stiften, hetzt er Deutsche gegen Deutsche. Vernehmt mein Lied."

Der Sänger schloß die Augen und griff in die Saiten seiner Harfe. Mächtig klangen die ernsten, vollen Töne durch den hohen Rittersaal:

    "Ei wie christlich' wohl der Papst nun lacht,
    Wenn er zu seinen Welschen sagt, ich hab's also gemacht,
    Er sagt: Ich hab zwei Deutsche unter eine Krone jetzt gebracht,
    Die sollen nun das Reich zerstören und verwüsten.
    Derweilen füllen wir die Taschen und die Kisten.
    Sie gehen an meinem Gängelband, ihr Gut ist alles mein,
    Ihr deutsches Silber fließt in meinen welschen Schrein.
    Ihr Pfaffen, esset Hühner, trinket Wein in Freuden.
    Und laß die deutschen 'Tölpel' ruhig Hunger leiden."

Die Töne verklangen. Graf Heinrich seufzte betrübt. "Es ist ein Jammer um unser deutsches Land. Wie oft schon tobte der Bürgerkrieg durch seine Gaue."

"Laßt mich nun ein Lied zum Ruhme Deutschlands singen," bat der Sänger. Wieder schlug er die Saiten der Harfe an, und sein Lied erfüllte die Herzen der Hörer mit Glück und Stolz:

    "Ich hab Lande viel gesehen,
    Nahm der besten gerne wahr,
    Aber übel müßte mir geschehen,
    Brächt ich je mein Herz dazu,
    Daß ihm besser könnt gefallen
    Fremde Art und Sitte.
    Deutsche Zucht geht mir vor allen.
    Von der Elbe bis zum Rhein
    Und von West bis Ungarland
    Sollen wohl die besten sein,
    Die ich in der Welt erkannt.
    Und ich mag wohl recht zu schauen.
    Gutes Wesen, schöne Zier. -
    Nun ich schwör bei Gott, daß hier
    Sind die herrlichsten der Frauen.
    Deutscher Mann ist stark erzogen,
    Engelrein die Frau'n und schön.
    Wer sie schilt, der ist betrogen,
    Anders kann ich's nicht verstehn.
    Hohe Tugend, reine Minne,
    Wer sie suchen will,
    Komm in unser Land!
    Da ist Minne viel,
    Lange möchte ich leben darinne."

Jubelnder Beifall dankte Herrn Walther von der Vogelweide. Der Graf winkte. Schnell nahte ein Knappe und überreichte dem Sänger einen bis an den Rand mit edlem Wein gefüllten Becher. Sich höflich verneigend, nahm ihn der Vogelweider und rief mit lauter Stimme durch den Saal: "Heil dem ritterlichen Gastgeber!" In tiefen Zügen leerte er den goldenen Pokal und gab ihn dankend dem Edelknaben zurück. Dann ergriff er von neuem die Harfe und sang Lied für Lied von des Deutschen Reiches Not und des Deutschen Reiches Macht und Herrlichkeit. Erst die hereinbrechende Nacht machte dem Jubel ein Ende.

Noch mehrere Tage blieb der Sänger auf der Burg. Dann verließ er reich beschenkt den freigebigen Herrn, um weiterzuziehen in deutschen Landen an die Höfe der Bischöfe und Fürsten.

 
Das Städtewesen

Entstehung der Städte

An den alten Stützpunkten der Römer, an Kaiserpfalzen, Königs- und Bischofssitzen, Klöstern und wichtigen Verkehrspunkten waren Städte entstanden. Im Osten des Reiches wurden sie von den Sachsenkaisern zum Schutze gegen die Raubzüge der Slawen und Ungarn angelegt.

 
Die Stadt und ihre Bewohner

Inneres einer mittelalterlichen Stadt
Inneres einer mittelalterlichen Stadt.
Alle Städte waren befestigt, ähnlich wie Burgen (Wall, Graben, Mauer, Tor), und besaßen zum Unterschied vom Dorf das Marktrecht. Handwerker und Kaufleute ließen sich dort nieder. Bewohner des Landes, die dem Grundherrn unterstellt waren, kamen in die Stadt und wurden frei. ("Stadtluft macht frei!") Die Städte wuchsen. Handel und Gewerbe blühten auf. Die Handwerker schlossen sich zu Zünften oder Innungen zusammen. Die Zünfte überwachten die Ausbildung der Lehrlinge, setzten die Preise fest und waren dafür verantwortlich, daß nur gute Waren angefertigt wurden.

Der Dom zu Speyer
Die Kaufleute vereinigten sich zu Gilden. Aus ihrer Mitte gingen die Ratsherren und Bürgermeister hervor. In späterer Zeit konnten auch Mitglieder der Zünfte in den Rat der Stadt aufgenommen werden.

Die Städte wurden reich und Mittelpunkte des geistigen Lebens des deutschen Volkes (Albrecht Dürer und Peter Vischer - Nürnberg - waren Schöpfer hervorragender Kunstwerke, Hans Sachs - Nürnberg - war Dichter. Peter Henlein - Nürnberg - erfand die Taschenuhr, Johann Gutenberg - Mainz - die Buchdruckerkunst.) Herrliche Dome, Rat- und Zunfthäuser geben uns noch heute Kunde von dem hohen Stande der Baukunst. Deutsche Kaufleute gründeten
Das Münster in Straßburg
Niederlassungen in ganz Europa und verbreiteten dort deutsche Kultur. Die Städte waren vielfach die Stützen der Kaisermacht. Sie brauchten für ihren Handel Ruhe, Ordnung und Sicherheit auf den Landstraßen. Das aber verschaffte ihnen am besten eine starke Reichsgewalt. Darum stellten die Städte den Kaisern nicht nur Kriegsknechte, sondern unterstützten sie auch mit Geldmitteln. Als Dank dafür erhielten sie das Recht der Selbstverteidigung, das Zoll- und Münzrecht und eigene Gerichtsbarkeit. Einzelne Städte wurden sogar zu Reichsstädten erhoben, d.h. sie waren nicht einem Landesherrn, sondern nur dem Kaiser unterstellt.

In vielen Städten nisteten sich Juden ein. Sie wohnten in abgesonderten Straßen, im Judenviertel oder Ghetto. Der deutsche Bürger wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Jedes ehrbare Handwerk war ihnen untersagt. Sie durften aber Geld gegen Zinsen ausleihen. Dieses Recht mißbrauchten sie in rücksichtslosester Weise und betrogen die Bürger. Darum machte sich die Empörung gegen die fremdrassischen Blutsauger in Judenverfolgungen Luft. Sie wurden vertrieben und suchten im Osten und Südosten Europas Unterkunft. Da sie aber im Besitz des Geldes waren und die Fürsten stets Geld brauchten, durften sie immer wieder zurückkehren.

 
Die Hanse

Nach dem Untergang der Hohenstaufen fehlte dem Kaufmann der Schutz des Reiches gegen die Herrschsucht kleiner Fürsten und die Gewalt der
Das Rathaus in Lübeck
Das Rathaus in Lübeck.
Raubritter. Nun schlossen sich die Städte zu Bündnissen zusammen. Der mächtigste Städtebund war die Deutsche Hanse. Die Bundeshauptstadt war Lübeck. Hier hatten sich um 1250 Kaufherren der Küstenstädte von Mecklenburg und Pommern zum Schutze des Handels gegen See- und Straßenräuber verbündet. Bald traten auch andere Städte dem Bunde bei. Zur Blütezeit im 14. Jahrhundert reichte die Macht der Hanse von Nowgorod im Osten bis London im Westen, von Breslau und Köln im Süden bis Bergen in Norwegen. Der norddeutsche Kaufmann war Herr
Koggen der Hanse
Koggen der Hanse.
der Nord- und Ostsee. Unter dem Schutze seiner Orlogschiffe holten seine Koggen aus Riga und Reval Getreide, Hanf und Flachs, und aus Nowgorod Pelze, Wachs, Honig u. a. Von Schweden brachten sie Eisen, Kupfer und Heringe, aus Bergen Fische. In London war ein eigenes Häuserviertel, der Stahlhof, Lagerplatz für Tuche. Brügge in Flandern war Treffpunkt der nord- und süddeutschen Kaufmannschaft. Hier tauschte man Gewürze aus Indien und Seide aus China gegen Tuche, Pelze und Eisenwaren.

Es waren stolze, wagemutige Männer, die hanseatischen Kaufherren. Ihre Niederlassungen bildeten Pflanzstätten deutscher Sitte, deutscher Kultur und deutscher Kunst. Zwar mieden sie den Krieg, aber wer ihren Handel schädigte, den traf die Schärfe ihres Schwertes. Als König Waldemar von Dänemark die Stadt Wisby auf Gotland zerstörte und von den Schiffen, welche durch den Sund fahren wollten, hohen Zoll verlangte, da eroberte die Hanse Kopenhagen und zwang Waldemar zum Frieden. Seeräuber trieben ihr Unwesen in Ost- und Nordsee. Ihr berüchtigtster Führer war Störtebeker. Hamburger Schiffe fingen ihn bei Helgoland; in Hamburg wurde er mit zahlreichen seiner Spießgesellen hingerichtet.

Als im 15. Jahrhundert die Fürsten Norddeutschlands mächtig wurden, zwangen sie ihre Städte, aus der Hanse auszuscheiden. Dänemark und Schweden gewannen nach und nach die Vorherrschaft in der Ostsee. Um 1600 schloß die Königin Elisabeth von England den Stahlhof und hob alle Vorrechte der Hanseaten auf. Nach dem Westfälischen Frieden war die Zeit der Hanse vorbei. Nur Bremen und Hamburg haben ihre Sonderstellung im Reiche bis in unsere Zeit beibehalten und den alten Unternehmungsgeist bewahrt. Von hier aus zogen später deutsche Kaufleute wieder in die Welt hinaus, gründeten Niederlassungen in fremden Ländern und arbeiteten so am Bau Deutschlands mit.

 
Das Bauerntum

Das deutsche Volk war im Mittelalter, wie einst in der germanischen Zeit, ein Bauernvolk geblieben. Der Bauernstand war der wichtigste Stand im Reiche. Seine Lage hatte sich jedoch grundlegend geändert. Diese Änderung hatte schon im Frankenreich begonnen.

Die Kriegszüge in ferne Gegenden führten den Bauern lange Zeit von seinem Hofe fort. Der Hof litt Not. Die Kosten für Ausrüstung und Bewaffnung konnten vom Bauern kaum noch getragen werden. Großgrundbesitzer (Grafen, Ritter, Bischöfe, Klöster) übernahmen den Kriegsdienst für den Bauern. Dafür mußte dieser sich dem Grundherrn unterstellen, ihm einen Zins zahlen und Dienste leisten. Ein Teil der Bauern wurde unfrei. Anfangs waren ihre Lasten gering. Aber im 10. und 11. Jahrhundert versuchten weltliche und geistliche Herren, die Abgaben zu erhöhen und auch freie Bauern sich untertan zu machen. Aus diesem Grunde folgten im 12. Jahrhundert viele dem Rufe: "Nach Ostland wollen wir reiten." Nun fehlte es im Reiche bald an Arbeitskräften. Darum suchten die Grundherren ihre Leute zu halten und setzten die Lasten herab. Zu gleicher Zeit stiegen infolge besserer Bewirtschaftung die Erträgnisse des Ackers. Der Bauernstand wurde wohlhabend.

Stolz und selbstbewußt steht der freie Bauer auf seinem Hofe. Den Haustürpfosten ziert eine besondere Hausmarke, häufig eine Rune. Sie kündet, daß sein Geschlecht seit Urväter Zeiten auf eigenem Grund und Boden sitzt. Vergnügt tummelt sich das junge Volk auf dem Dorfanger. Mädchen und Frauen tragen farbenprächtige Kleider und Schmuckstücke. Auch das Wams der Männer ist mit Knöpfen und Schnallen reich verziert. Ein Kurzschwert hängt am breiten Gürtel.

Gar zahlreich waren die Feste, die zu den verschiedensten Zeiten des Jahres vom ganzen Dorfe gemeinsam gefeiert wurden. (Julfest, Fastnacht, Ostern, Pfingsten, Johannisfeuer.) Was uns von den Sitten und Bräuchen unserer germanischen Vorfahren erhalten wurde, verdanken wir dem deutschen Bauerntum.

Vom 15. Jahrhundert ab verschlechterte sich die Lage des Bauern wieder. Der Osten war besiedelt. Abwanderungen der sich stark vermehrenden Bevölkerung konnten nicht mehr erfolgen. Nun suchten die Grundherren wieder ihre Macht über die Bauern auszudehnen. Sie erhöhten die Lasten und machten viele sogar zu Leibeigenen, d. h. zu Sklaven. Die freien Bauern versuchten sie mit Gewalt in Abhängigkeit zu bringen. Ganz besonders grausam war bereits im 13. Jahrhundert der Erzbischof von Bremen vorgegangen. Im Lande Stedingen am Unterlauf der Weser hatten friesische Bauern das Sumpfgebiet urbar gemacht. Der Bremer Erzbischof verlangte von ihnen einen Zins. Als sie diesen ablehnten, zog er mit einem Ritterheer gegen sie, wurde aber geschlagen. Da verbreitete der scheinheilige Kirchenfürst über sie die übelsten Greuelgerüchte, bezeichnete sie als Ketzer und forderte zum Kreuzzug gegen sie auf. Trotz tapferster Gegenwehr wurden die Stedinger 1234 bei Altenesch besiegt und ein großer Teil von ihnen erschlagen.

Erfolgreicher waren die Schweizer in den Kantonen Schwyz, Uri und Unterwalden. Sie schlugen die Grafen von Habsburg und blieben frei.

Auch die Dithmarschen Bauern in Schleswig kämpften anfangs erfolgreich gegen den König von Dänemark. Aber im Jahre 1559 erlagen sie doch der Übermacht und mußten sich Dänemark unterwerfen.

Am trostlosesten war die Lage den Bauern in Süddeutschland. Hier gab es eine Unzahl kleiner Grafen und Ritter, die nur wenig Land besaßen, aber üppig leben wollten. Dazu brauchten sie Geld. Der Bauer mußte zahlen; seine Lasten wurden unerträglich. Darum kam es hier zu häufigen Bauernaufständen. Am bekanntesten ist der Aufstand eines Geheimbundes im Elsaß und in Baden, der sich Bundschuh nannte (nach den Schnürschuhen der Bauern im Gegensatz zu den hohen Stiefeln der Ritter). Er wurde aber bald niedergeschlagen. Zu einer allgemeinen Erhebung kam es zu Luthers Zeit. Die Bauern hörten die Ansicht Luthers über "die Freiheit eines Christenmenschen" und verglichen damit ihre eigene, menschenunwürdige Lage. Sie forderten in 12 Artikeln unter anderem Herabsetzung der Lasten, Aufhebung der Leibeigenschaft, Rückgabe der Allmende, d. h. des Waldes, der Weide und des Wassers an die Dorfgemeinde, freies Jagd- und Fischereirecht, freie Wahl des Pfarrers und eine Reichsreform. Ihre Forderungen waren berechtigt und bescheiden und wurden auch von zahlreichen Rittern anerkannt, unter anderen von Ulrich v. Hutten und Götz v. Berlichingen. Aber die Fürsten und Herren lehnten die Forderungen ab. Darum kam es 1525 zum Bauernkrieg. Den Bauern fehlte die einheitliche Führung. Einzelne wilde Haufen stürmten die Burgen, Schlösser und Klöster, brannten sie nieder und erschlugen ihre Insassen. Da schlossen sich die Fürsten und Städte zusammen, besiegten die Bauern in blutigen Kämpfen und unterjochten sie vollständig.

 
Das Faustrecht und die Feme

Bald nach dem Tode Barbarossas begann in Deutschland die schlimme Zeit des Faustrechts. Fürsten, Grafen und Ritter schalteten wie kleine Könige und bekämpften sich in blutigen Fehden. Raubritter überfielen die Kaufmannszüge, plünderten sie aus, schleppten den Kaufherrn auf ihre Burg und gaben ihn erst gegen hohes Lösegeld frei. Dem Bauern raubten sie sein Vieh und seine Habe. Niemand sorgte für Recht und Gerechtigkeit. Da griff das Volk zur Selbsthilfe. In Westfalen hatte sich noch das altgermanische Freigericht, die Feme, erhalten. Den Vorsitz führte der Freigraf; ihm zur Seite standen die Freischöffen oder Wissenden (die das Urteil weisen, finden). In der Zeit des Faustrechts dehnte die Feme ihre Macht über ganz Deutschland aus. Sie richtete über Mord, Raub und Gewalttat und forderte auch Fürsten und Ritter vor ihren Richterstuhl. Die Verhandlungen fanden an einem geheimen, nur den Freischöffen bekannten Ort statt. Vor dem Hause des Angeklagten erschien des Nachts der Bote der Feme, schlug drei Späne aus dem Tor und steckte die Vorladung in die Kerbe. Erschien der Beschuldigte nicht, so wurde er verurteilt, verfemt. 3 Freischöffen lauerten ihm auf, erhängten ihn oder stachen ihn nieder. Als Zeichen, daß hier die Feme gerichtet hatte, steckten sie ein Messer in die Erde. Gar manche Missetat wurde auf diese Weise gesühnt, manche Gewalttat aus Furcht vor der Feme unterlassen.

 
Es entsteht ein neues Weltbild

Seit der Einführung des Christentums waren altgermanische Auffassungen über Rechtswesen, Sitten und Gebräuche mehr und mehr zurückgedrängt worden. Das gesamte geistige Leben des deutschen Volkes war unter den Einfluß der Kirche und Roms geraten und undeutsch geworden. Der Papst wachte ängstlich darüber, daß sich daran nichts änderte. Wer es wagte, sich den Anschauungen der Kirche entgegenzustellen, wurde in den Bann getan oder als Ketzer verbrannt. Erfindungen und Entdeckungen erschütterten das alte Weltbild.

Den Chinesen und wahrscheinlich schon den alten Indern war seit Jahrhunderten das Schießpulver bekannt. Durch die Araber kam es nach Spanien und von dort weiter nach Europa. Seine Anwendung gestaltete das Kriegswesen um und führte den Untergang des Rittertums herbei.

Die Araber kannten auch den Kompaß. Ein Italiener verbesserte ihn. Nun war es kühnen Seefahrern möglich, auf den Ozean hinauszufahren und die Welt zu erforschen. Von Spanien aus versuchte Christoph Kolumbus, ein Genuese, den Seeweg nach Ostindien zu finden. Er fuhr nach Westen und entdeckte dabei 1492 Amerika neu. Der Portugiese Vasco da Gama umfuhr die Südspitze Afrikas und fand 1498 den Seeweg nach Ostindien. Aus den fernen Ländern brachten Amerika- und Indienfahrer fremde Pflanzen, Silber und Edelsteine mit. Eine neue Welt tat sich auf.

Von besonderer Bedeutung war die Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johann Gutenberg 1450. Bis dahin gab es nur geschriebene Bücher. Sie wurden meist von Mönchen gefertigt, waren sehr teuer und konnten nur von wenigen gelesen werden. Nun aber war es möglich, die Bücher billiger herzustellen, so daß sie von vielen gelesen werden konnten. Diesem Umstand war es zu verdanken, daß sich Luthers Schriften so schnell verbreiteten.



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