[175]
Der grenzdeutsche
Gürtel (Teil 10, Forts.)
Das Sudetendeutschtum
und die Deutschen in der Slowakei (Teil 4)
Der sudetendeutsche Daseinskampf gegen die
Tschechen
Überblickt man den Aufstieg des tschechischen Volkes unter den
Völkern Europas während des letzten Jahrhunderts, so versteht man
das Wort, daß die Tschechen diese Epoche mit goldenen Lettern in das
Buch ihrer Geschichte schreiben können. Am Anfang fehlte es ihnen noch
an einer die Massen durchsetzenden Führerschaft. Bis 1860 gab es in
Böhmen keine ausgesprochen tschechische, d. h. keine eigentlich
nationale Mittelschule (Mittelschule im österreichischen Sinn bedeutet
Gymnasium und verwandte Schularten). Aber nach der Gründung des
ersten tschechischen Gymnasiums in Prag reihte sich Anstalt an Anstalt. In den
siebziger Jahren war das gesamte tschechische Schulwesen im großen und
ganzen auf den Stand des deutschen gebracht; im Jahre 1881 erhielten die
Tschechen ihre eigene Universität, bald darauf auch ihre erste nationale
technische Hochschule, und schon erhoben sich allenthalben in Österreich
Klagen wegen der Überflutung mit tschechischen Beamten und Technikern
aller Klassen und Gruppen.
Dasselbe Volk, das um 1800 noch kein gebildetes Bürgertum besaß,
das den Deutschen nach alter Gewohnheit das Gesinde stellte, dessen fähige
Köpfe die angestammte Art, nicht etwa gezwungen, sondern freiwillig und
selbstverständlich wie ein bäuerliches Gewand ablegten, um den
Anschluß an die deutsche Bildung zu erlangen, dasselbe Volk, das einer
seiner Kenner und edelsten Söhne, der Slawist Dobrowsky, für einen
absterbenden, in der Gegenwart nicht mehr berechtigten Volksrest gehalten hat,
dieses Volk erreichte im Jahre 1871 die Anerkennung der Selbständigkeit
der böhmischen Krone. Es trotzte durch acht Jahre in einer
unüberwindlichen Obstruktion; es trat im Jahre 1879 unter den
günstigsten politischen Voraussetzungen wieder in den Reichsrat ein; es
blieb der Trumpf der Habsburger gegen die staatserhaltenden Deutschen; es
lieferte den parlamentarischen Eckpfeiler in einer ganzen Anzahl
österreichischer Regierungen; es besaß seinen eigenen
Landsmannminister, stellte eine unabsehbare Reihe tschechischer,
national-bewußter Regierungsminister, die die Amtszeit zur Unterbringung
und Versorgung ihrer Volksgenossen benützten, wurde der entscheidende
Faktor der österreichischen Innenpolitik und führte durch sein
Verhalten im Weltkriege schließlich den Zusammenbruch des
österreichischen Kaiserstaates herbei! Solche Erfolge und Wirkungen
ließen sich nur auf der Grundlage einer wohlgefügten politischen
Macht erzielen, niemals aber von einem geknuteten, wehrlosen, nur auf
Haus und Herd und ein bescheidenes Fortkommen bedachten Stamm, als den sich
die Tschechen in ihrer regen Auslandsarbeit so gerne hingestellt haben.
[176] Vor allem waren sie
vor dem Weltkrieg im Besitze einer national geschlossenen Wirtschaft.
Erzeugung, Handel und Banken standen bei den Tschechen auf dem Boden der
nationalen Idee. Die Lehre vom "Svůj k svému" ("der Seine
zum Seinen"), vom Boykott der deutschen Ware, hatte ihre Früchte
getragen. Langsam aber sicher wurden die deutschen Erzeugnisse aus dem
Verbrauch, der Deutsche aus den Fabriken des tschechischen und gemischten
Gebietes, die er früher beherrscht hat, hinausgedrängt. Der deutsche
Fabriksherr konnte sich in der national gewordenen tschechischen Umgebung
nicht mehr halten. Das tschechische Gebiet wurde immer mehr zum
Selbstversorger; die tschechische Erzeugung schloß sich zu
Verbänden zusammen. Das Handwerk und Gewerbe in den Städten
wurde national bewußt; die tschechische Bauernschaft organisierte sich
wirtschaftlich; aus den Anfängen des gewerblichen und bäuerlichen
Kreditwesens erwuchsen einflußreiche, nationalgesinnte Banken, die
sich - sehr zum Unterschied von den "solideren", rein wirtschaftlich
gerichteten deutschen - bis zum Weißbluten in den Dienst ihres
Volkes stellten. Eine ihrer wichtigsten und gefährlichsten Waffen wurde
der Personalkredit. Man borgte den Volksgenossen auf den guten Namen, auf das
anständige Gesicht hin; man verlor natürlich, aber man gewann noch
öfter. Das nationale Wirtschaftsleben geriet dadurch in Fluß. Die
vorhandenen Wirtschaftskräfte wurden angespannt; man traute sich etwas
zu; man kam vorwärts. Darüber ging das Deutschtum der
Landeshauptstädte in die Brüche. Kleine tschechische
Landstädte, wie Kolin und Pardubitz, entwickelten sich zu wichtigen
Industrieorten. Noch überwiegen die Deutschen durch ihre bedeutende
Webindustrie, in der chemischen Erzeugung, in der Glasverarbeitung und
anderem mehr. Doch schon waren der Produktenhandel und die
Rübenindustrie zum großen Teile tschechisch; viele, früher
sehr bescheidene tschechische Unternehmungen aller Zweige waren
wettbewerbsfähig geworden; Erzeugung und Handel wurden durch den
Anteil der Tschechen an der Prager, Brünner und Olmützer
Handelskammer kontrolliert. Über die Gliederung im kleinen erhebt sich
die "Živnostenská banka" als tschechische Zentralbank. Sie
beherrschte Innerböhmen; sie drückte mit Kraft gegen das deutsche
Gebiet und stand selbst auf dem Wiener Weltmarkt unverächtlich da. Sie
war nach dem Umsturz sofort imstande, die Geldgeschäfte eines ganzen
Staates zu besorgen. Hinter der tschechischen Volkswirtschaft, die dem
tschechischen Volke diente und ausschließlich von tschechischen
Männern geführt wurde, stand die gesamte tschechische Intelligenz,
die Presse aller Parteien, standen die politischen Organisationen, die
Parlamentarier, die Vereine und vor allem die zu großen Leistungen
befähigte, mit eiserner Kraft betriebene nationale Schutzarbeit.
Nun war die Zeit vorüber, in der deutsche Beamte im tschechischen Gebiet
regierten. Die Gemeindeverwaltung lag fest in tschechischer Hand. Die Vorteile
der österreichischen Gesetzgebung, welche die Gemeinde mit ihrer vollen
Selbstverwaltung bedacht hatte, wurden bis zum letzten ausgenützt. Jede
tschechische Siedlung wurde zu einer Burg, in der die Geselligkeitsvereine, die
Plänkler, der Sokol (Turn- [177] verein) und die
Ortsgruppen der Schutzvereine das Fußvolk, die Gemeindevertretung die
eingebaute Artillerie vorstellten. Feind war der Deutsche in jeder
Gestalt; die heiße Sehnsucht aller aber war der Tag, an dem "der letzte
deutsche Fuß auf tschechische Erde tritt".
So schob sich denn, nachdem das geschlossene Sprachgebiet gereinigt war, die
Masse der stellensuchenden tschechischen Arbeiter, Beamten, Handwerker und
Kaufleute ins deutsche Gebiet, teils durch die Überbevölkerung der
ackerbautreibenden Heimat gezwungen, teils durch die tschechischen
Schutzvereine planmäßig hingelenkt. Es war, als ob ein neuer
Kreuzzug gepredigt worden wäre und der Menge unsichtbare Fahnen
vorangetragen würden: so gut und ruhig war das Gewissen aller, die sich
gegen den Feind in Bewegung setzten. In ihrer Brust lag die Lossprechung
für alle begangenen und zukünftigen Sünden, da sie das Los
des Grenzers auf sich nahmen, der die Heimat entbehren, die verhaßte
Sprache sprechen muß. Die große Begabung der Tschechen für
alles Zivilisatorische, ihre Unbeschwertheit in metaphysischen Dingen, ihr starker
politischer Sinn kamen ihnen wunderbar zugute. Alle individuellen Unterschiede
schwiegen in nationalen Fragen. Mit seltenem Geschick handhabte die Schule ihre
Einheitsschablone, durch die sie den Normaltschechen in den Mechanismus der
nationalen Organisation eingliederte. Wie mit Hämmern wurden gewisse
Grundsätze auf immer in die Köpfe der heranwachsenden Jugend
gekeilt. Die tschechische Presse führte die begonnene Arbeit an den
Erwachsenen fort. Eine Geschäftspresse gab es nicht. Alle Angelegenheiten
des Volkslebens gelangten in den Zeitungen im nationalen Sinn zur Sprache.
Die nationale Haltung der tschechischen Sozialdemokratie führte zu ihrer
Lostrennung von der deutschen Bruderpartei und zum praktischen Austritt aus der
Internationale. Der böhmische Hochadel schloß sich aus feudalen
Gründen an die Tschechen an und verschaffte ihnen Eingang auf seinem
Großgrundbesitz. Die tschechische Priesterschaft stellte ihren
Nationalismus über Katholizismus und Christentum und wurde zum
zähesten Vorkämpfer im deutschen Gebiet, da aus dem
liberalgesinnten sudetendeutschen Volk keine Priester mehr hervorgingen. Die
tschechische Staatsbeamtenschaft entsprach zumindest dem
Bevölkerungsschlüssel und stand im politischen und Gerichtsdienst
um wenige Hundertteile zurück. Im Eisenbahnwesen, bei der Post
überwog sie; in den Zentralstellen blieb ihr bis zum Minister hinauf kein
Posten verschlossen. Im deutschen Wien gab es nicht weniger tschechische
Beamte als in Prag.
In ihrem Stammesgebiet waren die Tschechen Herren. Sie besaßen die volle
Selbstverwaltung. Jede Äußerung des öffentlichen Lebens war
national tschechisch. Ihre Wirtschaft war organisiert und bis auf einen kleinen
Bruchteil jüdischer und deutscher Unternehmen in tschechischem Besitz.
Die Beamtenschaft in diesem Gebiete war bis auf kleine Reste tschechisch. In den
Landesbehörden führten und regierten die Tschechen. Im Wiener
Parlament bildeten ihre Politiker das Zünglein an [178] der Wage.
Sämtliche Zentralbehörden waren mit Tschechen untermischt und
durch das tschechische Volk beaufsichtigt. In allen staatlichen und
parlamentarischen Ausschüssen saßen Tschechen. Im heimischen
Stammesgebiet war nicht bloß die amtliche Verkehrssprache mit den
Parteien, sondern auch die innere Amtssprache tschechisch, obwohl dies gegen
das Gesetz verstieß. Nur mit den Zentralbehörden wurde deutsch
verkehrt. Der Aktenwechsel zwischen Selbstverwaltungskörpern und
staatlichen Behörden war gleichfalls tschechisch. Trotz dieser praktischen
Autonomie in sprachlicher Beziehung verhinderten die Tschechen die
Abgrenzung eines rein deutschen Gebiets in der Verwaltung und sahen jeden in
dieser Richtung unternommenen Versuch als einen Angriff auf die Unteilbarkeit
der Länder der böhmischen Krone an.
Wer glaubt unter solchen Umständen noch an die Fabel vom
unterdrückten Tschechentum? Ihr ganzes
Unterdrücktsein - und die Tschechen fühlten sich
unterdrückt! - rührte von dem brennenden Wunsche her, in
den böhmischen Ländern die Herrschaft an sich zu reißen, das
Reich von 1619, sei es nun mit oder gegen Österreich, wieder aufzurichten
und das sudetendeutsche Volk dem tschechischen Volksgedanken zu
unterwerfen. Wenn jene fanatische Idee von der Erbeinheit,
Selbständigkeit, Unteilbarkeit und uranfänglichen tschechischen
Nationalität und Kultur der gesamten Sudetenländer gelten sollte, so
war von vornherein bei den Tschechen an nichts anderes zu denken, als an den
Versuch, die dreieinhalb Millionen Deutschen niederzuringen und zu
entnationalisieren. Deshalb ist es auch schwer zu glauben, daß jemals von
innen heraus eine Wendung von diesem Ziele ab bei den Tschechen erfolgen
sollte. Der tschechische Kampf gegen das Deutschtum wird nicht eher
aufhören, als bis sie es entweder zu widerstandslosen Atomen zerschlagen
haben, oder äußere Rücksichten sie zwingen, nicht nur sein
Dasein, sondern auch sein Recht auf seinen Boden, seine Kultur und seine
Selbstbestimmung anzuerkennen.
Niemand, der das Tschechentum kennt, hätte daran zweifeln können,
daß die tschechische Gesinnung, sobald sich die Möglichkeit zeigte,
sich von den alliierten Mächten einen selbständigen tschechischen
Staat errichten zu lassen, sofort in ihrem Deutschenhaß über alle
Grenzen hinausgehen würde. Den eindrucksvollsten Beweis dafür
bildet die berüchtigte Schrift von Hanuš Kuffner: Unser Staat
und der Weltfrieden. Mit diesem Dokument verhält es sich
(nach Mitteilungen von Professor Anton Klement, Wien, in Heft 7 der
Süddeutschen Monatshefte vom April 1925)
folgendermaßen:
"Im Verlaufe des Zeitungskampfes
über die Frage, ob die Tschechen, die daheim, oder die, die im Auslande an
dem Zusammenbruch des alten Österreich arbeiteten, mehr Verdienste um
den tschechischen Staat hätten, teilte der erste tschechische
Landesverteidigungsminister und Senator Wenzel Klofáč in einem
Aufsatz »Die revolutionären Vorbereitungen der Tschechen«
in seinem Parteiblatte Ceske Slovo vom 4. Dezember 1923 mit, daß
er im Mai 1914 mehrmals mit dem »unbedingten und
kompromißlosen antiösterreichischen« Professor Masaryk
zusammengekommen sei, der ihm bekannte, daß er, im Gegensatz zu
anderen, mit dem Alter [179] immer radikaler werde.
Sie hätten sich auf einer Linie gefunden und im Mai 1914 ihre Pflicht
getan. Unter anderem habe Klofáč im Mai 1914 den russischen
Konsul Jukowski in Prag aufgesucht und ihn gebeten, dem russischen
Außenamt mitzuteilen, daß es bald zum Kriege kommen werde.
Ebenso habe er den russischen Botschafter in Wien, Schebeko, auf den
unmittelbar bevorstehenden Krieg aufmerksam gemacht, und der russophile
Abgeordnete Dr. Markow, der Klubhospitant des Klofáč, sei
eigens nach Petersburg gereist. Noch im Mai 1914 habe Klofáč den
ersten Plan über die Zerreißung Österreichs vorgelegt. Da bei
der neuen Karte Europas strategische Rücksichten eine große Rolle
spielen würden, habe Klofáč »den guten Tschechen
und gewesenen Offizier Hanuš Kuffner«, den Verfasser der
Hussitenkriege, aufgefordert, als Fachmann seine Gedanken zu korrigieren
und selbst eine Karte auszuarbeiten. Kuffner sei dem Wunsche nachgekommen
und die Originalkarte habe Klofáč dem russischen Gesandten in
Wien, Schebeko, eine Kopie dem russischen Konsul Jukowski in Prag
übergeben, um sie Sasonow zu senden. So geschehen im Mai 1914, vor
dem Fürstenmord in Sarajewo!"
Die Kuffnersche Schrift selbst ist 1922 in deutscher
Übersetzung, mit sämtlichen Kartenbeilagen, bei E. Strache in
Warnsdorf in Böhmen erschienen. Der tschechische Text erschien 1918
nach dem Zusammenbruch in der tschechischen Volksbuchhandlung von
J. Seringer in Prag-Weinberge und ist heute nicht mehr zu haben. [Scriptorium merkt an: aber bei uns im
Faksimile hier online!] Nach einer Vorbemerkung in der
tschechischen Ausgabe selbst gibt diese im wesentlichen den Inhalt der
Denkschrift wieder, die im Spätsommer 1917 von tschechischer Seite "den
berufenen Faktoren", d. h. den leitenden Staatsmännern der Entente
und dem Präsidenten Wilson, überreicht worden war. Die
Broschüre befaßt sich mit der nach dem Weltkriege im tschechischen
Sinne notwendigen Umgestaltung Europas und sieht die Vorbedingungen
für einen dauernden Weltfrieden in der Reduktion Deutschlands auf ein
kleines Binnengebiet zwischen dem Harz, den Alpen, dem Rhein und dem
Fichtelgebirge als "deutsche Reservation", und in der Errichtung eines
mächtigen Tschechenstaates auf Kosten Deutschlands, Österreichs
und Ungarns. Solle Prag bestehen können, so müßten Berlin
und Wien als Hauptstädte verschwinden; Prag müsse die Elbe bis
nahe Hamburg und die Donau von Regensburg bis Ofen beherrschen. An den
Tschechenstaat, d. h. an Böhmen, Mähren und die Slowakei,
sei noch anzugliedern die
Ober- und die Niederlausitz bis dicht vor Berlin, Schlesien bis an die Oder, die
zwischen dem tschechischen und dem polnischen Reiche die Grenze zu bilden
habe, das Vorland des Fichtelgebirges und des Böhmerwaldes bis
einschließlich Regensburg, mit vorgeschobenen
Brückenköpfen nach Süden, endlich ein breiter Streifen
südlich der Donau bis an den Neusiedler See.
Nach Mitteilung des Autors sind von der letzten Fassung dieser Denkschrift durch
die tschechischen Delegierten in Versailles der Friedenskonferenz 150 Exemplare
übergeben worden. Man kann sich denken, daß, als die deutsche
Ausgabe erschien, die tschechische Regierungspresse peinlich
berührt war. Sie bezeichnete die Schrift selbst als "allerhand Wahn" und
ihren Verfasser als einen "in Politik dilettierenden Prager Kinobesitzer". In dem
Bericht des früheren tschechischen Wehrministers und Senators
Klofáč, den Professor Klement zitiert, erscheint aber Kuffner,
[180] der übrigens
schon seit langem in panslawistischen Kreisen durch seine Bücher bekannt
war, als sachverständiger Historiker und militärischer Fachmann.
Seine These, der Tschechenstaat müsse stark gemacht werden, da er
zukünftig "als Wächter des Friedens dem Raubtier Deutschland an
der Gurgel bleiben müsse", und sein phantastischer Plan, Deutschland bis
auf die verbleibende "Reservation" an die Tschechen, Polen, Dänen,
Engländer und Holländer zu verteilen, sind ganz aus tschechischem
und panslawistischem Geiste geboren. Es versteht sich von selbst, daß nach
Kuffner im Inneren des tschechischen Staates selbst auch der letzte Schatten von
politischem Deutschtum auszumerzen war. Um dies ganze Stück noch
durch den Augenschein zu illustrieren, sei aus den Karten, die der Kuffnerschen
Schrift, d. h. also der tschechischen Denkschrift an die Pariser
Friedenskonferenz, beilagen, die wichtigste, Nr. 3, hier unten
wiedergegeben.
Kuffner bezeichnet alle Gebiete
östlich der Linie: Wesermündung zum Golf von Triest als
östliche, d. i. slawische Interessenzone (Soušové
Pásmo).
Die Gebiete, welche er die Tschechen für ihren
eigenen Staat fordern läßt, sind in der Karte als karierte Fläche
gekennzeichnet. Die Nordgrenze des Südslawischen Staates ist durch einen
Gürtel senkrechter Schraffen dargestellt.
[181] Westlich des Gürtels schräger Schraffen ist das Gebiet der
mittelländischen, d. i. französischen Einflußzone
(Pásmo Středozemni).
Der Bereich der "Nordseeinteressen" ist auf der Karte
punktiert.
"Německa Reservace" soll die
"Deutschen-Reservation" sein, welche die Tschechen als Rest des Deutschen
Reiches bestehen lassen.
"Středomezi" ist der Rest von
Österreich, innerhalb der tschechischen und südslawischen
Zone.
Übersetzungen der in der Karte
vorkommenden Namensbezeichnungen: |
Dolnolabi |
Niederelbien |
Chotěbuz |
Kottbus |
Odrolabi |
Oderelbien |
Lipsko |
Leipzig |
Vezeřansko |
Weserstaat |
Rěza |
Riesa |
Kolin |
Köln |
Ferno |
Pirna |
Kobylance |
Koblenz |
Cheb |
Eger |
Mohuc |
Mainz |
Řezno |
Regensburg |
Basilej |
Basel |
Hlinec |
Linz a. D. |
Viden |
Wien |
Budin |
Ofen (tschechisch) |
Solnohrad |
Salzburg |
Pešt |
Pest (madjar.) |
Styr. Hradec |
(steirisch) Graz
|
Těšin |
Teschen |
Sv. Hypolit |
St. Pölten |
Vratislav |
Breslau |
Brankobrod |
Frankfurt |
Inomosti |
Innsbruck |
|
Bezeichnend genug sagte in einer Prager Parlamentsrede am 27. Januar 1921 Dr.
Kramář, der mit dem späteren Minister Dr. Benesch
Vertreter der Tschechen bei der Friedenskonferenz gewesen war, es sei damals
nicht möglich gewesen, alle tschechischen Wünsche zur
Erfüllung zu bringen. Nur Frankreich sei ganz auf der tschechischen Seite
gewesen. Damals schätzte man bei den alliierten Verhandlungen in Paris
und beim Friedensschluß in Versailles, als der Völkerbund
gegründet wurde, daß es zwanzig Jahre dauern würde, bis auch
Deutschland Mitglied des Völkerbundes werden könne. Diese
zwanzig Jahre begegnen uns seitdem wiederholt in Äußerungen von
tschechischer Seite, die sich alle darauf beziehen, daß der alte Streit mit den
Deutschen in den Sudetenländern zugunsten der Tschechen ausgetragen
werden müsse, solange die politische Lage in Europa für diese noch
ausgesprochen günstig sei; glücke es in dieser Zeit nicht, so
werde es vielleicht für immer zu spät sein. Nur ganz
vorübergehend scheint auch bei einzelnen tschechischen Führern die
Idee aufgetaucht zu sein, ein erträgliches Auskommen mit den Deutschen
sei zweckmäßiger als der Zank. So sagt am 21. Dezember 1918 der
damalige Ministerpräsident Kramář im
Revolutionsausschuß:
"Wir wollen, daß die Deutschen
bei uns bleiben. Das ist ein Moment, auf das wir bei jeder Beurteilung unseres
Verhältnisses zu den Deutschen notwendig sehen müssen. Wir
wollen, daß sie für immer an die tschechische Republik gefesselt
seien, und wir wollen die Einheit und Unteilbarkeit unserer Länder. Das ist
unser Credo. Dann aber ist, wie ich glaube, jedes Hervorkehren des Sieges und
der Macht, und insbesondere jedes außerordentliche und aufreizende
Zurschautragen, geradezu eine Sünde an der Zukunft unseres Staates. Wir
haben den Deutschen freiwillig versprochen, daß wir sie national, kulturell
und wirtschaftlich nicht bedrücken werden. Da wir dies in einem
feierlichen Augenblick unserer ersten Nationalversammlung taten, so sind wir
verpflichtet, dies wörtlich zu halten. Ich hoffe, daß dies die Politik
nicht bloß einiger Politiker sein wird, sondern daß sich auch unser
Volk an diese Politik der Gerechtigkeit, von der wir ja Jahrzehnte hindurch
gesprochen haben, gewöhnen und daß diese Politik auch [182] dann bleiben wird,
wenn wir die Macht haben und über das Schicksal der andern, die mit uns
im gemeinsamen Staate leben werden, entscheiden
werden."
Ganz ähnlich äußerte sich der Landesverteidigungsminister
Klofáč, ebenso wie Kramář ein Politiker von
ausgesprochen national-tschechischer Gesinnung. Umso merkwürdiger
berührten unmittelbar danach die Worte Masaryks in seiner
Präsidentenbotschaft vom 22. Dezember 1918, auch das von den Deutschen
bewohnte Gebiet sei "unser", d. h. tschechisches Gebiet, und werde
"unser bleiben". Masaryks Behauptung, die Tschechen hätten den
Staat ursprünglich aufgebaut, sie hätten ihn erhalten und bauten ihn
jetzt von neuem auf, wodurch sich die staatsrechtliche Stellung der "als
Emigranten und Kolonisten" ins Land gekommenen Deutschen bestimme, mag
für einen politische Agitator und Verfasser gewöhnlicher
Tendenzschriften hingehen. Für einen Mann von der Bildung des ersten
Präsidenten der tschechoslowakischen Republik kann sie nur schwer als
gutgläubig hingenommen werden. Daher kann es in der Tat niemanden
Wunder nehmen, daß der abschließende Satz seiner Botschaft: "In
dem Ausbau einer wahrhaft demokratischen Autonomie haben wir ein geeignetes
Mittel zur Lösung der nationalen Frage" bis heute eine unwahre Floskel
geblieben ist. Daß der Kampf um die nationale Unterdrückung heute
nicht mehr mit den Mitteln der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert, sondern
anders geführt wird, bedeutet nichts für das gewollte
endgültige Ergebnis.
Die Minderheiten in der tschechoslowakischen
Verfassung und Gesetzgebung
Für die Tschechen war es nur selbstverständlich, daß die
Unterdrückung der Minderheiten bereits mit der Verfassung begann. Diese
rührt von dem tschechischen Revolutionsausschuß her, der nicht
bloß Verordnungen für das Land erteilte, sondern ihm auch Gesetze
gab, und sogar eine Verfassung, ohne daß jemals an die Minderheiten eine
Einladung ergangen wäre, sich an ihrer Schaffung zu beteiligen. Die
Verfassung der tschechoslowakischen Republik ist nicht aus einer freien
Willenserklärung der Gesamtheit ihrer Einwohner hervorgegangen, sondern
sie ist oktroyiert. Sie ist aber noch mehr als das, sie bedeutet auch einen Bruch
oder wenigstens eine Umgehung des Friedensvertrags, den die
tschechoslowakische Republik mit den "alliierten und assoziierten
Mächten" geschlossen hat. Um diese Behauptung zu beweisen, ist es
notwendig, die einzelnen Bestimmungen jenes Vertrages durchzugehen, soweit
sie sich mit den jetzigen Minderheiten befassen. Es heißt in:
"Artikel 1: ... in
Erwägung, daß die Völker Böhmens,
Mährens und Schlesiens, sowie das Volk der Slowakei sich aus freiem
Willen (!!) zu vereinigen beschlossen und sich tatsächlich vereinigt
haben, verpflichtet sich die Tschechoslowakei zu folgenden
Grundsätzen:
Artikel 2: ... allen Bewohnern vollen und ganzen
Schutz ihres Lebens und ihrer Freiheit zu gewähren ohne Unterschied ihrer
Abstammung, Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse und
Religion.
[183] Artikel
7: Alle tschechischen Staatsbürger werden vor dem Gesetz gleich sein
und werden die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte
genießen, ohne Rücksicht auf die Rasse, Sprache und
Religion. Den tschechischen Staatsbürgern wird keinerlei
Beschränkung auferlegt werden in bezug auf den freien Gebrauch
irgendeiner Sprache im privaten oder Handelsverkehr, in Angelegenheit der
Religion, der Presse oder öffentlichen Kundgebungen jedweder Art oder in
öffentlichen Versammlungen. Unbeschadet der Einführung einer
Amtssprache durch die tschechoslowakische Regierung wird den
tschechoslowakischen Staatsbürgern anderer Zunge als der tschechischen
eine angemessene Möglichkeit des mündlichen und schriftlichen
Gebrauchs ihrer Sprache vor Gericht (das heißt nach
englisch-amerikanischem Sprachgebrauch: im Verkehr mit den Behörden)
geboten werden.
Artikel 8: Die zu ethnischen, religiösen
und sprachlichen Minderheiten gehörigen Staatsbürger werden
rechtlich und tatsächlich dieselbe Behandlung und die gleichen
Bürgschaften genießen wie die übrigen tschechoslowakischen
Staatsbürger. Insbesondere werden sie das gleiche Recht haben,
humanitäre, religiöse oder soziale Einrichtungen, Schulen
und andere Erziehungsanstalten auf eigene Kosten zu errichten, zu leiten und
zu beaufsichtigen, mit dem Rechte, sich ihrer Sprache frei zu bedienen
und ihre Religion hier frei auszuüben.
Artikel 9: Betreffend den öffentlichen
Unterricht wird die tschechoslowakische Regierung in Städten und
Bezirken, in welchen ein beträchtlicher Bruchteil tschechoslowakischer
Staatsbürger anderer als tschechischer Zunge ansässig sind,
angemessene Möglichkeit bieten, um den Kindern dieser
tschechoslowakischen Staatsbürger den Unterricht in ihrer eigenen Sprache
zu verbürgen. Diese Bestimmung wird jedoch die tschechoslowakische
Regierung nicht hindern, den Unterricht in der tschechischen Sprache
obligatorisch zu machen. In Städten und Bezirken, in welchen ein
beträchtlicher Bruchteil tschechoslowakischer, ethnischen, religiösen
oder sprachlichen Minderheiten angehöriger Staatsbürger
ansässig ist, wird diesen Minderheiten ein gerechter Anteil am
Genuß und an der Verwendung der durch den Staatsvoranschlag, durch
Gemeinde- und andere öffentliche Voranschläge den
öffentlichen Fonds für einen
Erziehungs-, religiösen oder humanen Zweck zugeteilten Beträge
gewährleistet."
Kann man, ohne alle Einzelheiten aufzuzählen, die Rechte von
Minderheiten in einem großen Vertragswerk genauer und gewissenhafter
umschreiben? Wie aber lauteten dann, im Gegensatz zu diesem, zwischen der
Republik und ihren Schöpfern über die Minderheitenrechte
geschlossenen Vertrag die entsprechenden Stellen in der tschechoslowakischen
Verfassung vom 29. Februar 1920, gar nicht erst zu reden von deren
Durchführung? Sie lauten:
"Wir, das tschechoslowakische
Volk (d. h. die Tschechen und die Slowaken), haben in der Absicht,
die vollkommene Einheit des Volkes zu befestigen, gerechte Satzungen in der
Republik einzuführen, die ruhige Entwicklung der tschechoslowakischen
Heimat zu sichern, dem allgemeinen Wohle aller Bürger dieses Staates zu
dienen... eine Verfassung angenommen. Dabei erklären wir, das
tschechoslowakische Volk, diese Verfassung... im Geiste der im Losungswort der
Selbstbestimmung (!) enthaltenen modernen Grundsätze
durchzuführen."
Schon aus diesen Sätzen geht die Auffassung hervor, daß, abgesehen
von der durchaus unwirklichen Fiktion, wonach Tschechen und Slowaken "ein
Volk" sein sollen, diese Bestimmungen der Verfassung ein Diktat dieses
doppelköpfigen "Staatsvolks" für alle übrigen Bewohner des
Staatsgebiets sein sollen.
[184] Nachdem der
Grundsatz der Selbstbestimmung verkündet ist, heißt es in § 128
desselben Dokuments:
"Der Unterschied in Religion und
Sprache ist keinem tschechoslowakischen Staatsbürger in den Grenzen
der allgemeinen Gesetze (!) hinderlich (!), namentlich in bezug
auf den Zutritt zum öffentlichen Dienst, zu Ämtern und
Würden oder in bezug auf das Ausüben irgendeines Gewerbes oder
Berufs."
Man vergleiche diesen Wortlaut mit der im Friedensvertrag enthaltenen freien
und unbedingten Zusicherung gleichen Rechts. Der Friedensvertrag
gehört zu den Staatsgrundgesetzen der tschechoslowakischen Republik.
Hier aber wird bestimmt, daß ein gewöhnliches, mit einfacher
Stimmenmehrheit beschlossenes Gesetz imstande sein soll, das international
bestimmte Recht der Minderheiten nach Belieben einzuschränken. Dem
Gesetz braucht nur eine allgemeine Form gegeben zu
werden - in dieser Praxis ist man in Prag sehr
geübt - damit der formellen Forderung, es solle kein Widerspruch
zur Verfassung entstehen, genügt wird. Damit der
tschechisch-nationale Staat aber auf keinen Fall zu kurz kommt, bestimmt
P. 4 von § 128:
"Hierdurch (nämlich durch P. 3)
werden die Rechte nicht berührt, welche den Organen des Staates
in diesen Richtungen nach den geltenden oder künftig zu
erlassenden Gesetzen aus Gründen der öffentlichen Ordnung
und der staatlichen Sicherheit sowie der wirksamen Aufsicht
zustehen."
Ganz ähnlich lauten die Abschwächungen in bezug auf die Schulen
und die Verteilung der öffentlichen Mittel. Die letzteren werden den
Minderheiten überhaupt nur noch im Rahmen der allgemeinen, für
die öffentliche Verwaltung geltenden Vorschriften (!)
zugebilligt. Der im Friedensvertrag enthaltene Ausdruck: "gerechter Anteil" ist
bezeichnenderweise in der Verfassung urkundlich ersetzt durch die Wendung
"angemessener Anteil". Wir werden zu hören bekommen, was man von
tschechischer Seite als "angemessen" gegenüber den Minderheiten
betrachtet.
Wenn man die obige Bestimmung der Verfassung recht deuten will, so muß
man auch eine Reihe von später erlassenen Gesetzen und Verordnungen
zum Vergleich heranziehen. Nach dem Sprachengesetz vom
29. 2. 1920 ist die "tschechoslowakische" Sprache als Staatssprache
überall verhandlungsfähig und, wenn man so sagen darf,
souverän. Die Minderheitensprachen als solche genießen
überhaupt keinen rechtlichen Schutz. Dieser wird nur in der tschechischen
Sprache gewährt. Die nichttschechischen Sprachen sind nur insofern zum
Gebrauch zugelassen, als sie in Gerichtsbezirken mit einer Minderheit, die mehr
als 20% ausmacht, von tschechoslowakischen Staatsbürgern gesprochen
werden. Dieser feine Unterschied ist genau festzuhalten, denn die tschechische
Sprache wird z. B. als Ortsnamen bildend angesehen, die
Minderheitensprache dagegen nicht. Ortsnamen der deutschen und madjarischen
Gemeinden genießen keinen Rechtsschutz, auch wenn die Orte
ausschließlich und immer nur von Deutschen oder Madjaren bewohnt
wurden.
[185] Die Grundzüge
des gesamten Sprachen- und überhaupt des Minderheitenrechts nach
allgemein tschechischer Auffassung lassen sich in die folgenden Sätze
zusammenfassen: Es gibt nur ein Volk auf tschechoslowakischem
Boden: das staatenbildende, souveräne tschechoslowakische.
Minderheits-Völker und folglich auch
Minderheits-Sprachen kennt die tschechoslowakische Gesetzgebung nicht. Sie
sieht nur einzelne Staatsbürger vor sich, die eine
Minderheits-Sprache sprechen. Diesen Staatsbürgern erkennt das Gesetz
gewisse bescheidene Rechte zu. Wie es in der Tschechoslowakei kein deutsches
Volk gibt, so gibt es auch keine deutschen Gemeinden, sondern höchstens
tschechoslowakische mit 100% Minderheitsbevölkerung. Es gibt keinen
deutschen Boden, kein deutsches Gebiet, keine deutsche Heimat. Alles ist
tschechoslowakischer Boden, der immer stärker von Tschechen durchsetzt
werden muß, damit das Heimat- und Stammesgefühl der
Minderheiten zerbrochen und ihre Heimat aus einem geschichtlichen,
volkskundlichen, stammlichen und kulturbiologischen Besitz in ein bloßes
Verwaltungsgebiet verwandelt wird. In diesem Charakter des Kampfes liegt auch
der tiefste Grund dafür, daß sich die Minderheiten mit der
behaupteten rechtlichen Stellung des tschechischen Volkes und der tschechischen
Sprache nicht abfinden können.
Die Sprachenverordnung
Die durchaus politische Grundeinstellung des tschechischen Volkes, in dessen
nationalem Leben es kaum eine Äußerung gibt, die nicht politisch
bestimmt wäre, und dessen Instinkte mit so merkwürdiger
Bestimmtheit den humanen, religiösen, überhaupt den
metaphysischen Vorstellungen abgewendet sind, tritt auf allen Gebieten des dem
Deutschtum angesagten Kampfes in der strategischen Anlage des Feldzuges wie
in der taktischen Durchführung hervor. Die politische Lebensanschauung
des Tschechentums zeichnet sich aus durch eine vollkommen ungezügelte
Selbstsucht, durch die Unfähigkeit, Recht als Recht zu erkennen, sobald es
einem anderen Volke zum Vorteil gereicht, durch innere Unaufrichtigkeit in jeder
Auseinandersetzung mit dem Gegner und durch blinden Haß gegen alles
Deutsche. Aus diesen Gründen wird auch niemand erwarten, daß
die im Frühjahr 1926 ergangene Sprachenverordnung der
tschechoslowakischen Regierung etwas anderes darstellt, als einen neuen
Vorstoß in den Lebensraum der Minderheiten, der ihr volkliches Dasein
vollends zerstören und für die Zukunft unmöglich machen
soll.
Durch die Sprachenverordnung, die am 3. Februar 1926 publiziert wurde, ist
das Tschechische zur Staats- und öffentlichen Sprache schlechthin
geworden, an deren Stelle nur ausnahmsweise eine Minderheitssprache verwendet
werden darf. Das Tschechische ist die Sprache der Amtsführung, die
Sprache aller Gerichte, Ämter und staatlichen Unternehmungen im
gesamten Staatsgebiet. Es ist die Sprache der Eintragung in die öffentlichen
Bücher, der Kundmachungen, der Gesetzgebung. Es ist überall und
unter allen Umständen verhandlungsfähig und rechtswirksam, sei es
[186] nun bei einer
staatlichen Behörde oder im Wirkungskreise eines
Selbstverwaltungskörpers. Es ist die Sprache aller behördlichen
Erledigungen und Entscheidungen, wenn auch in Gerichtsbezirken mit mehr als
20prozentiger Minderheit die Minderheitssprache zur tschechischen Erledigung
hinzutreten "kann", ohne daß ein gesetzlicher Zwang zu ihrem Gebrauche
vorläge.
Dagegen ist das Deutsche (und ebenso das Madjarische, Polnische und
Ruthenische) überall dort vollständig rechtlos, wo die Tschechen
über eine 80prozentige Mehrheit verfügen. Deutsche Eingaben
werden hier ausnahmslos zurückgewiesen. Sie versäumen die
gesetzlichen Fristen und begründen überhaupt keine
rechtsgültige Handlung, auch dann nicht, wenn sie sich auf einen
Gegenstand im geschlossenen Minderheitsgebiet beziehen. Außer dem
Druckmittel der Rechtsungültigkeit und Versäumnis sehen die
verordnenden Ministerien verfassungswidrige Geldstrafen, für Beamte
Disziplinarstrafen vor, um den Gebrauch des Tschechischen zu erzwingen.
Personen, welche Tschechisch verstehen, aber es im Verfahren nicht gebrauchen
wollen, können durch Strafen dazu angehalten werden. Deutsche
Parteien,1 welche das Tschechische nicht
beherrschen, müssen sich bei Verhandlungen in diesem Gebiete einen
Rechtsfreund nehmen, welcher sie tschechisch vertreten kann. Die Wahlfreiheit
wird dadurch eingeschränkt, die tschechische Anwaltschaft bevorzugt.
Sprachunkenntnis schützt vor keinen Rechtsfolgen, weder auf der Seite der
Partei, noch auf der des Rechtsanwalts.
Durch diese Bestimmungen ist der tschechische Siedlungsboden, also der
größere Teil des Staatsgebietes, vollständig gegen die
Minderheitssprachen abgeriegelt, da sie auf seinem Umkreis keine
Rechtsfähigkeit besitzen.
Andererseits wird der Volksboden der Minderheiten und die
tatsächlich vorhandene Abgrenzung der Siedlungsgebiete durch die
Sprachenverordnung geleugnet, da die Staatssprache, also das
Tschechische, bzw. Slowakische, überall verhandlungsfähig ist und
jede Beschränkung ihres Gebrauchs nach dem Schutzgesetz bestraft wird.
Erinnern wir hier daran, daß die Tschechen die Gebiete der Minderheiten
mit Staatsangestellten durchsetzen, künstliche tschechische Minderheiten
aufpäppeln und das fremde Volksgebiet durch die Bodenreform
durchlöchern, so begreift man die Empörung der Minderheiten
über die Sprachenverordnung, welche der Unterwühlung der
angestammten Heimat sozusagen den rechtlichen Abschluß und die
gesetzliche Weihe zu verleihen trachtet.
Selbstverständlich sind nach der Verordnung auch alle staatlichen
Unternehmungen und Anstalten tschechisch zu führen,
gleichgültig, ob sie sich im tschechischen oder im Minderheitsgebiet
befinden. Da die Verordnung nicht bloß vom
Innen-, Finanz- und Handelsministerium gezeichnet ist, sondern sich auch auf
[187] das Ministerium
für öffentliche Arbeiten und auf das
Gesundheitsministerium (!!) erstreckt, so ist nicht bloß jede staatliche
Tabakfabrik, Flußverbauung oder Aktion gegen die Wohnungsnot, sondern
auch jedes Säuglingsheim, jedes Krankenhaus und jedes Altersheim in
tschechischer Sprache zu leiten. Im Briefwechsel oder im mündlichen
Verkehr dürfen sich staatliche Anstalten und Unternehmen einer
Minderheitssprache nur dann bedienen, wenn es unbedingt notwendig ist.
Gegebenenfalls ist "eine andere, als eine Minderheitssprache" zu verwenden. Mit
diesem Ausdruck ist das Französische oder Englische (!!) gemeint.
Es kann also vorkommen, daß ein staatliches Unternehmen mit einem
deutschen Kaufmann im deutschen Sprachgebiet französisch verkehrt, nur
um nicht in deutscher Sprache mit ihm verhandeln zu müssen.
Die Sprache der Zollämter wird unter eine eigene Verordnung gestellt
werden; wie diese ausfallen wird, ist leicht vorauszusagen. Die Finanzverwaltung
hat tschechisch zu amtieren. Auch die Dienstsprache der Gendarmerie ist
tschechisch. Nur im mündlichen Verkehr mit der Ortsbevölkerung ist
es den Gendarmen "erlaubt", sich einer Minderheitssprache zu bedienen. Auf die
Postämter und die Eisenbahnen erstreckt sich die Verordnung
nicht - weil in diesen die tschechische Amtssprache tatsächlich schon
seit Jahren durchgeführt ist. Vertritt ein Amt in einem Verfahren staatliche
Interessen, so hat es sich unter allen Umständen des Tschechischen zu
bedienen. Alles öffentliche Buchwesen ist tschechisch zu führen. In
den Minderheitsgebieten "kann" auch noch eine Minderheitssprache gebraucht
werden, aber maßgebend ist der tschechische Wortlaut.
Staatsbeamte, Laienrichter und Gerichtsbeisitzer müssen vollkommen
Tschechisch können. Nichttschechische Beamten haben sich innerhalb von
sechs Monaten einer amtlichen Sprachprüfung zu unterziehen. Wer sie
nicht besteht, wird nicht befördert, verliert seine leitende Stelle, wird
abgebaut oder in den Ruhestand versetzt. Sogar Richter dürfen aus
sprachlichen Ursachen von ihrem Amt entfernt werden.
Daß in der Sprachenverordnung auch die Gemeinden und
Selbstverwaltungskörper, diese Bollwerke des Heimatbodens, nicht
vergessen worden sind, ist selbstverständlich. Tschechische Eingaben
müssen von allen Gemeinden angenommen und erledigt werden,
auch in solchen Gebieten, wo kein Mensch tschechisch versteht. Dazu muß
man sich immer vorstellen, daß es in Böhmen und Mähren
geschlossene deutsche Sprachgebiete gibt, in denen das Tschechische für
die Bevölkerung eine absolute Fremdsprache ist, und die von rund drei
Millionen Menschen bewohnt werden.
Schließlich bezieht sich die Sprachenverordnung auch noch auf alle Arten
von Kammern und Berufsvereinigungen: Handels- und Gewerbekammern,
Ingenieurkammer, Rechtsanwälte, Genossenschaften. Diese haben selbst
die Zeugnisse für die Lehrlinge in tschechischer Sprache auszustellen,
wobei für die Ausstellung in einer Minderheitssprache wieder nur das stets
wiederkehrende Wörtchen "kann" abfällt. [188] Im stillen hofft man
dabei auf eine Entwicklung, die die Minderheiten dazu bringen soll, sich nicht
einmal dieses "kann" zu bedienen.
Alles in allem wird die Sprachenverordnung von dem Grundgedanken beherrscht,
daß das Tschechische die eigentliche und allein wirklich berechtigte
Sprache der Öffentlichkeit bildet, und daß Minderheitssprachen
daneben nur im Rahmen des Unerläßlichen und Unvermeidlichen
geduldet werden. Nicht in einer einzigen Wendung der Sprachenverordnung oder
des Sprachengesetzes wird den Minderheiten als solchen oder den
Minderheitssprachen ein Recht oder eine Geltung zuerkannt. Nicht ein einziges
Mal fällt das Wort "Völker", "Berechtigung" oder
"Gleichberechtigung der Sprache", wie etwa im Artikel 19 der
österreichischen Verfassung von 1867. Nur "Personen" haben, insofern sie
einer Minderheit angehören, gewisse, ganz selbstverständliche und
gar nicht vorzuenthaltende Rechte, nirgends aber werden diese Rechte einer
Gemeinde, einem Bezirk, einem Selbstverwaltungskörper, einem
Minderheitsvolk zuerkannt.
Damit stellt sich die Sprachengesetzgebung der Tschechoslowakei in den
schärfsten Gegensatz zu jeder vernünftigen Lösung der
nationalen Frage. Sie rechnet grundsätzlich. Für dieses scheinbare
politische Rätsel gibt es nur eine Erklärung aus der tschechischen
Seele heraus: die nationale Frage soll mit Gewalt entschieden werden, weil das
Tschechentum nach seiner ganzen Charakterveranlagung die Austragung im
Bösen innerlich wählen muß. Die Zukunft des
tschechoslowakischen Staates ist damit ausdrücklich nicht auf das Recht
und auf billige Rücksichten gestellt, sondern auf die Macht.
Völkercharaktere aber pflegen Völkerschicksale zu sein.
Die Praxis der Verwaltung gegen die
Minderheiten
Die Tschechen haben ihr nationales Gewaltziel triebmäßig
erfaßt; sie besitzen aber auch die entsprechende politische
Macht und die Fähigkeit der Verwaltungsorganisation,
entsprechend ihrer Begabung für alle äußeren Seiten der
Politik, um das Ziel methodisch und wirksam zu verfolgen. Die starke
tschechische Hand äußert sich zunächst und vor allem in der
Handhabung des Parlaments. Im ersten Parlament gab es 72 deutsche Vertreter
von 296 Abgeordneten; in der zweiten Kammer, im Senat, die Hälfte. Im
ganzen in der Opposition standen 117 Abgeordnete. Dieses starke Drittel des
Hauses war ohne jeden politischen Einfluß. Die ganze Macht in beiden
Kammern lag in den Händen eines von den Regierungsparteien
gegründeten Fünferausschusses, der berüchtigten Pětka.
Diese leitete sämtliche Geschäfte der beiden Häuser und
bereitete die Anträge und Beschlüsse vor. Die Parlamentssitzungen
sanken dadurch zum reinen Abstimmungsmechanismus herab, der nur noch nach
außen die Maske des demokratischen Staates festhielt. In Wirklichkeit
handelte es sich um eine nationale Oligarchie. Die Abgeordneten der
Minderheiten erhielten von den Anträgen der Regierung erst dann
Kenntnis, wenn sie im Druck verteilt wurden. Eine Vorbereitung auf den
Gegenstand war unmöglich, da die Anträge [189] sofort in Verhandlung
kamen und noch in der gleichen Sitzung erledigt wurden. Eine Kritik derselben
war zwecklos, da das Abstimmungsergebnis dank der Vorarbeit und den
Vereinbarungen der Pětka von vornherein feststand. Selbst die wichtigsten
Gegenstände wurden in wenigen Stunden durchgepeitscht. Auch für
die Beratung des Staatshaushalts standen nur einige Tage zur Verfügung.
Die sachlichsten Einwendungen der Minderheiten wurden abgelehnt, und das
sogar dann, wenn ihre Berechtigung von den Tschechen in offener Sitzung
zugegeben wurde. Interpellationen wurden nicht beantwortet oder mit blutigem
Hohn zurückgewiesen. Beständig kehrte das Lied von der
Illoyalität der Minderheiten wieder, von denen man gestreichelt werden
wollte, obwohl man sie am Halse würgte. Niemals hätte man
eingestanden, daß man sie vom ersten Augenblick an als Objekt der
tschechischen Politik behandelt und ehrliche Unterhändler mit den
Worten davongejagt hatte: "Mit Rebellen verhandeln wir nicht!" Man
forderte Loyalität, als ob die Zugehörigkeit zur Tschechoslowakei
an sich ein Gut wäre, ohne sich zur geringsten Gegenleistung zu
verpflichten. Nicht umsonst kehrte in Parlament und Presse das Wort von
den Tschechen als Herren bis zum Überdruß wieder. Man verlangte
die bedingungslose Unterwerfung der "Besiegten".
Unter solchen parlamentarischen Verhältnissen haben die Minderheiten
weder in der Volksvertretung, noch bei der Verwaltung eine
Kontrollmöglichkeit. Da die Ministerien fast ausschließlich mit
tschechischen Beamten besetzt und von der alten österreichischen
Beamtenschaft nur wenige nicht ersetzbare Angestellte in den
Zentralbehörden zurückgeblieben, alle anderen pensioniert oder
davongejagt waren, so konnten sich alle Ministerien in
tschechisch-nationale Ämter verwandeln, bei denen der Obmann des
Sokols oder die tschechischen sogenannten Schutzvereine größeren
Einfluß hatten als alle Minderheiten innerhalb und außerhalb des
Parlaments zusammengenommen. Genau so wie bei den
Zentralstaatsbehörden ging es bei den Landesämtern. Die gesamte
Verwaltung hat sich zu einer Beamtenherrschaft im tschechischen Sinne
entwickelt, in der von "Selbstverwaltung" kaum noch die Rede ist. Besonders tief
schnitt das Gesetz vom 7. Februar 1919, die neue Gemeindeverordnung, ein. Sie
beseitigte das selbstverständliche
Einnahme- und Ausgabenrecht der Gemeinden dadurch, daß eine eigene
Gemeindefinanzkommission bestimmt wurde, deren Mitglieder zur Hälfte
von der Regierung ernannt werden. Der § 23, dessen Geltung dreimal
verlängert wurde und erst mit dem Ende des Jahres 1923 erloschen ist, gab
der Regierung das Recht, nach ihrem Gutdünken bestehende
städtische und ländliche Gemeinden zu vereinigen und zu trennen,
ohne daß die Gemeinden zuzustimmen brauchten oder auch nur befragt
werden mußten. Dieser Paragraph wurde ausschließlich dazu
verwandt, deutsche Gemeinden mit tschechischen zusammenzukoppeln und
dadurch künstlich tschechische Mehrheiten herzustellen. Dies geschah
besonders mit den alten deutschen Städten Brünn und Olmütz,
die [190] als deutsche
Städte älter sind als z. B. Berlin und seit den Zeiten der
Hohenstaufen immer deutsche gewesen waren. Der Paragraph traf auch eine
Anzahl von deutschen Dörfern, die man mit tschechischen, die zwei
Stunden weit entfernt waren, in eine Gemeinde zusammenzog. Erwähnt sei
noch, daß die Regierung es in der Hand hat, durch das Soldatenwahlrecht
den Ausfall der Wahlen wesentlich mitzubestimmen. Schon bei den ersten
Wahlen im Jahre 1919 wurde diese Möglichkeit gehörig
ausgenützt. Städte mit so starker natürlicher deutscher
Mehrheit wie Iglau und Znaim erhielten eine Besatzung von einigen tausend
tschechischen Soldaten und damit ebensoviele tschechische Wähler. So
ging die deutsche Mehrheit in der Gemeindevertretung verloren, und selbst in den
vollkommen deutschen Städten läßt sich auf diese Weise
wenigstens eine tschechische Minderheit erzielen.
Ein Gesetz vom 20. März 1919 trennte die Finanzverwaltung von der
politischen Verwaltung und nahm den Gemeinden das Recht, die Steuern selbst
einzuheben. Alle Steuern müssen an das staatliche Steueramt gezahlt
werden, und dieses weist den Gemeinden ihren Teil zu. Dadurch sind sie bis zur
Hilflosigkeit von den Staatsbehörden abhängig. In Gemeinden,
namentlich Städten, wie Reichenberg und Troppau, die sich zu sehr deutsch
fühlen, wird die Polizeiverwaltung der Stadt genommen und in die
Hände des Staates gelegt, der aber der Gemeinde die Kosten dafür
auferlegt. Da die öffentliche Sicherheit, die polizeilichen Meldungen, das
Paßwesen, der Grenzverkehr, die Waffenscheine, die Vereine und
Versammlungen die Pressepolizei, die Theater, alle Unterhaltungen und
Schaustellungen, die Verkehrs- und Gasthausordnung der Staatsaufsicht
unterliegen, so kann im gegebenen Falle dafür gesorgt werden, daß in
der ausersehenen Gemeinde Kirchhofsstille eintritt.
Wie die Minderheiten- und speziell die deutschen Gebiete bei der Verwendung
der öffentlichen Mittel behandelt werden, dafür kann die folgende
Übersicht ein Zeugnis sein - vorausgeschickt, daß vom
Ertrag der Steuern und sonstigen Abgaben in der Tschechoslowakei
verhältnismäßig ein viel höherer Prozentsatz auf die
deutschen Gebiete entfällt als auf die nichtdeutschen. Es standen
z. B. nach dem Etatsplane für das Jahr 1922 für neue
Eisenbahnlinien 100 Millionen Kronen im Budget. Keine von ihnen
berührte eine Station im deutschen Gebiet. Von 69 Millionen Kronen
für Wasserbauten kamen nur 9 Millionen auf das deutsche Gebiet. Von 122
Millionen für Hochbauten der Zentralverwaltung entfiel nicht ein Heller auf
die Minderheitengebiete. Von 16,7 Millionen für amtliche Bauten der
politische Verwaltung kamen 1,5 Millionen auf Gebäude im deutschen
Gebiet, von 21,6 Millionen der Postverwaltung 0,7 Millionen. Das
Justizministerium errichtete Bauten für 17,1 Millionen, davon 0,45
Millionen im deutschen Sprachgebiet. Das Ministerium für
öffentliche Arbeiten verwandte von 5,3 Millionen nur 0,3 Millionen
für die verstaatlichte und tschechisierte Badeanstalt in Joachimsthal im
Erzgebirge. Das Gesundheitsministerium widmete 0,2 Millionen von 44,1
Millionen dem deut- [191] schen Gebiet, aber auch
das nur zum Zweck der Verstaatlichung, d. h. des Bäderraubes, in
Karlsbad. Das Ministerium für soziale Fürsorge beanspruchte 5,2
Millionen für tschechische, nichts dagegen für deutsche Zwecke. Die
tschechische Universität in Prag erhielt 5,7, die deutsche 0,225 Millionen;
die tschechische technische Hochschule 7,5, die deutsche 1 Million. Die mittleren
Fachschulen in Böhmen erhielten 4,2 Millionen, davon die deutschen nicht
einen Heller. Die tschechische Hochschule in Brünn erhielt 22,6, die
Scriptorium merkt an:
Daß diese Praxis der Benachteiligung
der deutschen Minderheit
in den Jahren, die auf die
vorliegende Schrift folgten,
konsequent fortgesetzt wurde, zeigt
diese Statistik aus dem Jahre
1935! |
deutsche 0,9 Millionen. Dasselbe Bild wiederholt sich bei den Gymnasien und
ähnlichen Anstalten und bei den Volksschulen. Auch im Voranschlag
für das Jahr 1924 änderte sich nichts im Verteilungsschlüssel
der Vorjahre. Für 1925 sind auch nur geringe Änderungen zu
bemerken. Wiederum entsteht bei einem Aufwand von 111 Millionen für
neue Bahnen kein Eisenbahnkilometer im deutschen Gebiet. Auf dem Gebiet der
Wasserbauten erscheint ein größerer Betrag für eine Talsperre
bei Schreckenstein a. d. Elbe, deren Wirkung sein wird, daß der
Hauptumschlag für den Verkehr auf der Elbe vom deutschen ins
tschechische Gebiet hinaufverlegt werden kann.
Der Betrieb der Post und Eisenbahn, zweier Fachgebiete mit einem riesigen
Umsatz, ist fortgesetzt immer stärker tschechisiert worden. Nicht nur die
Summen für Bauten und andere Investitionen fallen in
unverhältnismäßiger Höhe den Tschechen zu, sondern
auch die regelmäßigen Ausgaben der Verwaltung kommen
hauptsächlich ihnen zugute. Die Steuerleistung der Minderheitengebiete ist
für diese selbst nicht mehr produktiv. Man entnimmt ihrer Wirtschaft von
staatswegen unausgesetzt Mittel; aber man führt ihnen nichts mehr zu. Aus
den Zentralbehörden, aus der Beamtenschaft und aus der Verteilung der
Staatsaufträge sind die Minderheiten hinausgedrängt. Auf diese
Weise ist es unvermeidlich, daß besonders die deutschen Gebiete zu
stagnieren beginnen, während die tschechischen aufblühen.
Das Prinzip "Stärkung der Tschechen und Schwächung der
Deutschen" wurde nicht nur in der Staatswirtschaft mit dem größten
Nachdruck, sondern auch in der Privatwirtschaft zur Wirkung gebracht. Dazu
gehört zunächst die planmäßige Zerschneidung aller
Beziehungen der Wirtschaft, namentlich der Industrie, in den sudetendeutschen
Gebieten mit Wien. Weiter wurde eine Vermögensabgabe eingeführt,
und diese traf durch ihre Staffelung bis hinauf zu 40% besonders die großen
Vermögen, d. h. wiederum hauptsächlich die deutsche
Industrie und den deutschen und madjarischen Großgrundbesitz. Ebenso
wurden durch das Gesetz über die österreichischen Kriegsanleihen
besonders die Minderheiten betroffen, da sich die Tschechen teils
überhaupt von der Anleihezeichnung zurückgehalten, teils ihren
Besitz noch vor 1918 abgestoßen hatten. Von
10 - 12 Milliarden Kronen an österreichischer Kriegsanleihe,
die auf das Gebiet der Tschechoslowakei fielen, war höchstens ein
Fünftel in tschechischem Besitz. Wenn man den tschechischen Zeichnern
auf andere Weise half, so konnte die Nichteinlösung der Anleihe benutzt
werden, um die sudetendeutsche Wirtschaft niederzuringen.
[192] Sehr tiefgehende
Wirkungen hatte der Umstand, daß die tschechoslowakische Regierung
nicht die Konti der tschechoslowakischen Staatsbürger bei der
österreichischen Postsparkasse in Wien übernahm. Auch durch diese
Maßregel wurden die tschechischen Firmen nur unwesentlich betroffen.
Dagegen verloren viele sudetendeutsche Unternehmen den größten
Teil ihrer flüssigen Geldmittel. Es ist bezeichnend für das doppelte
Maß, mit dem man sich auf seiten der Regierung zu messen gewöhnt
hat, daß es der Živnostenská banka, der tschechischen
Hauptbank, gelang, ihr Wiener Postsparkassenkonto, das sich auf einige hundert
Millionen österreichischer Kronen belief, in die Tschechoslowakei
einzuführen und die Nostrifizierung durchzusetzen, während alle
nichttschechischen Unternehmen ihr Geld in den Strudel der
deutschösterreichischen Krone hineingezogen und ihr Guthaben in Nichts
zerrinnen sahen. Von diesem Hundertmillionengeschenk an die
Živno-Bank, das auf Kosten der tschechoslowakischen Staatsbürger
ging, meldete keine Ministerrede und kein Staatsvoranschlag, wie von so
manchen anderen Schiebungen im großen auch nicht, die der tschechischen
Hochfinanz gelangen und ungestraft durchgingen. Man wußte, wie wichtig
es war, die tschechische Wirtschaft, und sei es selbst auf Kosten der allgemeinen
Staatswirtschaft, vor Schaden zu bewahren.
Der Grundgedanke aller dieser Maßnahmen, von denen wir übrigens
nur einen Teil angeführt haben, war, nicht nur die Kosten, die sich aus der
Übernahme der Staatshoheit über die tschechoslowakischen Gebiete
ergaben, so niedrig wie möglich zu halten, sondern gleichzeitig auch
die Wirtschaft der deutschen Minderheiten so schwer wie möglich zu
belasten. Außerdem aber schuf sich die tschechoslowakische
Parlamentsmehrheit noch durch eine ganze Flucht von Wirtschaftsgesetzen die
Mittel, um das wirtschaftliche Leben der Minderheiten zu knebeln und das der
tschechischen möglichst günstig auszugestalten. Eine ganze Reihe
von Handelskommissionen, in denen die Minderheiten gar nicht oder fast nicht
vertreten waren, durch Regierungsverordnung geschaffene Hauptstellen und
Zwangssyndikate besorgten die tschechischen Interessen und erhielten
dafür staatliche Mittel. Es entstanden amtliche Zentralen für den
Handel und die Wirtschaft mit Zucker, Spiritus, Melasse, Leder, Leinen, Obst,
Kunstdünger, Papier, Holz, Knochen, Baumwolle, für die
Metall-, Glas-, Emaille-, Stein- und Holzindustrie. Nicht weniger als zwölf
Kommissionen und sechzehn Zwangssyndikate wurden gebildet, alle um die
tschechische Industrie an die Spitze zu bringen und die Minderheitswirtschaft zu
kontrollieren. Jeder deutsche Fabrikant mußte seine Rechnungen für
die auszuführenden Waren im Original und mit Nennung nicht etwa eines
Zwischenkäufers, sondern des Kunden selbst einreichen, wenn die Ausfuhr
erlaubt werden sollte. Außerdem war von dem betreffenden Ausfuhrartikel
ein Muster beizulegen. Auf diesem Wege erhielt das mit Tschechen besetzte und
für die tschechische Wirtschaft arbeitende Handelsamt Einblick in alle
wesentlichen Umstände der Erzeugung und des Verkaufs bei der
sudetendeutschen Industrie.
[193] Die Postsparkassen und
Postscheckämter bekamen ebenfalls die Aufgabe, der tschechischen
Wirtschaft andauernd flüssige Geldmittel zuzuführen. Um die
fallierenden tschechischen Privatbanken, wie z. B. die
Bohemia-Bank, zu halten, wenn sie sich in Warengeschäften und fremder
Valuta verspekuliert hatten, wurde durch das Gesetz vom
10. 10. 1924 ein allgemeines Zwangsfonds der Geldanstalten
geschaffen, zu dem jede Bank 1% aller den Einlegern gutgeschriebenen Zinsen
beitragen muß. Die Verwaltung dieses Fonds erhielt ein
zwölfgliedriger Ausschuß, auf dessen Zusammensetzung die Banken
keinen Einfluß hatten. Die Führung des Fonds und damit eine
gewaltige Einlage erhielt eine tschechische Bank. Mit dem Fonds werden
tschechische Banken gestützt; Minderheitsbanken läßt man
fallieren.
Durch das Bädergesetz wurden alle Heilquellen - bekanntlich liegen die
berühmten böhmischen Bäder alle im deutschen
Gebiet - für den Staat beschlagnahmt und dem Gesundheitsminister
unterstellt. Dieses Gesetz bot die Handhabe dafür, um in skandalöser
Weise die berühmten Bäder von Marienbad dem Tepler Kloster
wegzunehmen, das Marienbad gegründet, seit Jahrhunderten verwaltet und
zu seiner Berühmtheit gebracht hat. Banken, Sparkassen und
Aktiengesellschaften müssen Tschechen in die Zahl ihrer
Verwaltungsräte aufnehmen und Aktien an Tschechen verkaufen. Die
Handelskammern wurden, wo sie nicht unter tschechischer Führung
standen, unter Verwaltungskommissionen mit tschechischer Mehrheit gestellt.
Amtliche Informationen ergehen zuerst und vor allem an die tschechische
Wirtschaft. Bei der Ausschreibung öffentlicher Arbeiten erhalten
tschechische Firmen die Aufträge, da sie ihre Preise mit amtlicher
Unterstützung aufstellen können. Minderwertige und schlecht
geleitete tschechische Unternehmungen können deutsche Firmen
unterbieten, weil sie sicher sind, daß ihnen eine Preisüberschreitung
nachträglich bewilligt wird. In den privaten Bergbau wußte man
durch Drohungen und amtliche Vorstellungen tschechische Direktoren und
amtliche Werkmeister hineinzuschieben. Muß ein Unternehmen mit Absatz
an die Staatsverwaltung rechnen, so muß es sich zur Auslieferung von
Aktien an die tschechischen Banken verstehen, deutsche Angestellte abbauen und
tschechische aufnehmen.
Wir haben uns nunmehr überzeugt, wie der Verfassungsaufbau der
tschechoslowakischen Republik, wie die Durchsetzung aller deutscher
Sprachgebiete mit planmäßig dorthin gebrachten tschechischen
Elementen, wie die Beseitigung des deutschen Beamtentums und die
Zerstörung der Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden, und wie endlich
das Prinzip der wirtschaftlichen Schwächung alles dessen, was deutsch ist,
zugunsten des Tschechentums ein großes und geschlossenes
Kampfsystem gegen den deutschen Bevölkerungsteil innerhalb des Staates
bilden. Die Tschechen werden offiziell nie zugeben, daß sie einen
solchen Kampf führen, und wo sie einzelne Maßnahmen auf keine
Weise leugnen können, da werden sie behaupten, sie seien nicht im Angriff,
sondern in der Abwehr. Es gehört zu der [194] tschechischen Art,
daß sie kein inneres Bedürfnis nach Aufrichtigkeit empfindet, und
daß es sie keinerlei moralische Überwindung kostet, in der
bestimmtesten Form und mit den autoritativsten Wendungen das direkte und
nachweisbare Gegenteil der Wahrheit zu versichern. Wer die Tschechen
kennt - und am besten werden sie natürlich von den
Sudetendeutschen gekannt - läßt sich dadurch nicht
verblüffen. An anderen Stellen aber hat die tschechische Methode oft genug
Erfolg, was kein Wunder ist, da die große Mehrheit aller
ausländischer Beurteiler von den tatsächlichen Verhältnissen
in den Sudetenländern keine Vorstellung hat. Derjenige Punkt, bei den es
den Tschechen am meisten darauf ankommt, das Ausland falsch zu informieren,
ist immer wieder ihre These von dem alten, ursprünglichen und alleinigen
Besitzrecht des tschechischen Volkes auf den gesamten Boden der
Sudetenländer. Dies ist die geschichtliche Unwahrheit, auf die das
Tschechentum sein staatliches Dasein, seine Herrschaft und seine
Unterdrückungsansprüche gegenüber den Deutschen baut.
Von dieser Unwahrheit lebt es; mit ihrem Sturz würde es seine
gewaltpolitischen Ansprüche aufgeben und die sudetendeutsche
Bevölkerung als mit der tschechischen innerhalb der Grenzen des
tschechoslowakischen Staates gleichberechtigt anerkennen müssen. Um
dieser Notwendigkeit zu entgehen, hat es den Angriff auf die Deutschen
außer von den genannten Seiten auch noch von zwei besonders
gefährlichen her eröffnet, dem Bodenbesitz und der
Schule. Wie beschäftigen uns zunächst mit der ersten: der
fälschlich sogenannten Bodenreform.
Scriptorium merkt an:
Mehr zum Thema
tschechische Bodenreform
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Die Bodenreform
Die "Bodenreform" in der Tschechoslowakei ist nicht mit Unrecht als eine der
größten wirtschaftlichen Umwälzungen bezeichnet worden, die
sich während der letzten Jahrhunderte in Mitteleuropa ereignet haben. Ein
Siebentel der Acker- und Wiesenfläche auf dem Gebiete der Republik,
d. h. mehr als die Hälfte von Württemberg, und fünf
Achtel des gesamten Waldbodens, d. h. soviel wie das ganze Rheinland,
werden enteignet und aus den Händen deutscher oder neutraler Besitzer in
tschechische übergeführt - mit dem Anschein einer
Besitzreform zugunsten der kleinen Bauern auf Kosten der
Großgrundbesitzer.
Von tschechischer Seite wird für die Bodenreform außer dem
Argument, daß der Bauernbesitz vermehrt werden müsse, auch noch
das andere angeführt, es seien nach der Schlacht am Weißen Berge
1619 die alten tschechischen Geschlechter vernichtet und die ihnen genommenen
Güter habsburgisch gesinnten, deutschen Adligen zugeteilt worden. Diese
Behauptung wurde schon als eine - vielleicht
geglaubte - Propagandalüge gekennzeichnet. So beweist z. B.
das Protokoll der Güterkonfiskationen vom Jahre 1623 für
Mähren, das in einem Neudruck des Verlags von Heinrich Slovák
in Kremsier vorliegt, daß die deutschen Grundbesitzer, entsprechend ihrem
Anteil an der Gesamtzahl, von der Konfiskation genau so betroffen wurden wie
die tschechischen. Die neuen Gutsherren wurden lediglich nach ihrer Stellung
zum Kaiser, [195] nicht nach ihrer
Volkszugehörigkeit, ausgesucht, und man findet unter ihnen ebenso
offenkundig Tschechen, wie italienische und spanische Offiziere oder deutsche
Adlige.
Eine Umwälzung von der Größe der tschechoslowakischen
Bodenreform mußte sich auf "gesetzliche" Grundlagen stützen
können. Daher wurde wiederum eine Reihe sogenannter "allgemeiner"
Gesetze beschlossen, um eine bestimmte Gruppe von Staatsbürgern
zugunsten einer anderen bestimmten Gruppe zu ruinieren.
Zunächst einmal wurden mit dem Gesetze des Revolutionsausschusses vom
16. 4. 1919 die allgemeinen Vorbedingungen für den
Besitzwechsel geschaffen. Durch seine Bestimmungen wurde jeder Besitz
getroffen, der aus mehr als 150 ha landwirtschaftlichen Bodens bestand
oder überhaupt größer als 250 ha war. Aller
darübergehende Grundbesitz wurde beschlagnahmt, das Verteilungsrecht
für den ergriffenen Boden dem Staate zuerkannt und zur
Durchführung der Aufteilung das berüchtigte Bodenamt errichtet,
das unmittelbar dem Ministerrat unterstellt und selbst der Kontrolle des
Parlaments entrückt war. Für seine Zwecke wurde dieses Amt mit
unbeschränkter Vollmacht ausgerüstet, nach Gutdünken zu
beschlagnahmen oder zu belassen, wie es ihm am dienlichsten schien.
Grundsätzlich wurde eine mäßige Ersatzpflicht anerkannt,
doch der Besitz von Ausländern, adeligen Stiftungen und Personen, die sich
im Weltkrieg gröblich gegen die tschechoslowakische Nation vergangen
hatten (!), von jeder Entschädigung ausgenommen. Der
beschlagnahmte Boden war vor allem den Angehörigen der bewaffneten
Macht, Kriegsinvaliden und Siedelungsgenossenschaften zuzuteilen. Für
den Fall, daß derselbe für den örtlichen Bedarf nicht
ausreichen würde, erhielt das Bodenamt die allgemeine Erlaubnis, auch
unter die obengenannte Grenze herunterzugehen. Mit dem Gesetz vom 11. Juni
1919 wurde ein Verwaltungsausschuß geschaffen, der sich aus zwölf
ehrenamtlich ernannten Mitgliedern zusammensetzte, unter denen sich kein
einziger Nichttscheche befand.
Die Bestimmungen über die Verteilung werden in dem interessanten Gesetz
vom 30. 1. 1920 zusammengefaßt, das bereits erkennen
läßt, worauf die sogenannte Bodenreform eigentlich abzielt. Der
beschlagnahmte Besitz, heißt es, ist kleinen Landwirten, Häuslern,
Gewerbetreibenden und landwirtschaftlichen Angestellten zuzusprechen,
besonders aber Legionären (die tschechischen Legionäre waren
solche Soldaten, die im Weltkriege aus der österreichischen Armee zu den
Russen übergelaufen und später in Rußland zu besonderen
Formationen zusammengestellt worden waren), Soldaten und Invaliden. An der
Spitze der Berechtigten sollen Offiziere und Unteroffiziere der Legion stehen,
dann verwundete Angehörige des tschechischen Heeres und so weiter.
Besitzwechsel und Vererbung stehen unter Beaufsichtigung des Bodenamtes. Hat
der gesetzlicher Erbe keine körperliche und "geistige" Eignung, das Gut zu
verwalten, d. h. ist er nicht streng tschechisch gesinnt, so kann er zugunsten
eines anderen ausgeschaltet werden.
[196] Geradezu barbarisch
sind die Bestimmungen des Gesetzes vom 8. 4. 1920, betreffend die
Übernahme des beschlagnahmten Bodens und die Entschädigung der
Besitzer. Sechs Monate vor der Konfiskation erfolgt die Kündigung. Als
Entschädigung wird eine alte österreichische Krone einer
tschechischen gleichgesetzt, d. h. es wird ein Siebentel vom Werte, den der
Besitz vor dem Kriege besaß, festgesetzt. Die Taxierung erfolgt
ausschließlich durch das Bodenamt. Sämtliche Lasten des alten
Besitzes und die Versorgungsansprüche der ehemaligen Angestellten
werden von der Entschädigungssumme abgezogen. Was übrig bleibt,
kann der Staat auszahlen, wann es ihm paßt; er kann die Auszahlung aber
auch unterlassen und sie mit 3% "verzinsen" (!) und mit 1½%
amortisieren. Durch diese Bedingungen werden die Besitzer wie ihre Angestellten
auf das Härteste betroffen.
Bis zum Jahre 1922 fehlte das zur Durchführung der Beschlagnahme
notwendige Geld. Das Bodenamt begnügte sich daher, Baustellen zu
verkaufen, zerstreute Bodenflächen zu verteilen und freiwillige
Verkäufe der bisherigen Besitzer zu genehmigen. Von 1922 an ging man an
die eigentliche Aufgabe. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß der
ursprüngliche Gedanke der Neusiedlung, der
Heim- und Wohnstättengründung im Rahmen der tschechischen
Bevölkerung undurchführbar war, da sich die Menschen
für eine so große Fläche Neuland begreiflicherweise nicht
auftreiben ließen. Das Bodenamt sah sich daher genötigt, die
ursprüngliche Absicht, übrigens ohne Veränderung der
gesetzlichen Grundlagen, zu verschieben und folgende drei Arten der Aufteilung
festzuhalten: 1. Zuweisung des Großgrundbesitzes an die bäuerlichen
Anrainer, 2. Bildung von Restgütern, also Schaffung eines
Großbesitzes im kleineren Maßstabe, nur unter
Personenwechsel, 3. freihändiger Verkauf ganzer Meiereihofeinheiten.
Stellenweise versuchte man es mit Siedlungsgenossenschaften, doch gleichfalls
mit wenig Erfolg. Die wirkliche Kolonisation hätte mehrere Jahrzehnte
gebraucht. Da aber eine Veränderung der politischen
Machtverhältnisse in Europa nicht ausgeschlossen erschien und der
Besitzwechsel innerhalb weniger Jahre durchgeführt sein mußte, so
kam es hauptsächlich zur Vergebung an die Anrainer und zur Bildung von
Restgütern. Außerdem wurden Generalabkommen der bisherigen
Besitzer mit den neuen tschechischen Übernehmern geduldet und die
oberste Grenze des Besitzes von 150 ha auf 250 ha, schließlich
sogar in manchen Gegenden auf 400 ha hinaufgerückt. Zuletzt wurde
sogar der freihändige Verkauf der Güter an tschechische
Käufer gestattet, wenn sich der Kaufpreis unter 140% der staatlich
festgesetzten Summe hielt.
Aus dieser Gebarung ergibt sich mit restloser Klarheit, daß die angebliche
Absicht einer sozialen Reform, wenn je vorhanden, längst in den
Hintergrund getreten ist, und daß lediglich das Motiv des nationalen
Besitzwechsels die treibende Kraft der sogenannten Bodenreform bildet.
Über den Umfang der Verteilung gibt ein zu Neujahr 1925 erschienener
Aufsatz des Präsidenten des Bodenamtes Viškoský amtliche
Auskunft, nach welchem von den in Betracht kommenden
900 000 ha Acker- [197] und Wiesenland bis
Anfang 1925 rund 509 000 ha zugeteilt und 138 000 ha
verkauft worden waren. In der tschechischen Presse werden auch andere Zahlen
genannt. Der Besitzwechsel erstreckte sich auf 764 Großgrundbesitze mit
2848 Meierhöfen. Bei der Aufteilung wurden 858 Restgüter
geschaffen, welche ein Fünftel der beschlagnahmten Fläche
umfaßten. Durch die Bodenreform sollen 400 000 Familien
beteilt worden sein, die ein bis zwei Hektar Land erhalten haben.
Von besonderem Interesse ist die Bildung eines neuen tschechischen "Landadels"
(Adelstitel sind in der Tschechoslowakei abgeschafft), der sich zwar mit
dem alten nicht an Besitz messen kann, doch immerhin über stattliche
Güter verfügt. Durch diese Neubildung wird die "Allgemeinheit" der
erlassenen Gesetze, die, wie Landwirtschaftsminister Hodža
ausdrücklich erklärt hat, die Vernichtung der
Großgrundbesitzerklasse zum Ziele hatte, in das merkwürdigste Licht
gestellt. Daß durch die Bodenbeschlagnahme eine bestimmte Schicht der
Bevölkerung getroffen werden sollte, ergibt sich auch aus der Enteignung
der industriellen Objekte des Großgrundbesitzes. Während
nämlich andere Staatsbürger so viele industrielle Unternehmen
betreiben dürfen, wie sie wollen, hat man den Großgrundbesitzern
u. a. "beschlagnahmt": 16 Brauereien nebst anderen ähnlichen
Unternehmen, 9 Ziegeleien, 52 Mühlen, 10 Sägen, 33 Fabriken, 109
Gasthäuser und 444 Häuser. Es dürfte selbst den erprobten
tschechischen Juristen schwer fallen, diese "Enteignung" mit den
Staatsgrundgesetzen in Einklang zu bringen.
Ungemein bezeichnend ist der geschichtliche Ablauf der Bodenreform und die
Reihenfolge ihrer Durchführung. Während nämlich die
Verteilung des Großgrundbesitzes im tschechischen Gebiet an die Anrainer
keinem Anstand unterlag, durfte natürlich keine Zuteilung an die
benachbarten Bauern im Gebiete der Minderheiten geschehen. Da aber die
notwendigen tschechischen Kolonisten für das Minderheitsgebiet, in dem
gesiedelt werden mußte, nicht so leicht zu bekommen waren, so wurde die
Bodenreform zuerst im geschlossenen tschechischen Gebiet durchgeführt
und das Minderheitsgebiet einstweilen zurückgestellt, bis die notwendigen
tschechischen Siedler herangeholt waren. In der Verlegenheit griff man sogar auf
die tschechischen Minderheiten in Wolhynien, die man zum Teil in die
Tschechoslowakei zurückführte. Da aber weiters die enteigneten
Wälder hauptsächlich an der Grenze, also im Gebiete der
Minderheiten lagen, so kam man bei den Wäldern von der Zuteilung
ganz ab und führte sie in Staatsbesitz über, und das trotz eines
wirtschaftlichen Mißerfolges, wie er kaum mehr überboten werden
kann. Dagegen wurde den deutschen und madjarischen Städten, die selber
schöne Wälder besaßen und sie zum Teil musterhaft in
Ordnung hielten, nicht eine verknorpelte Fichte zugewiesen, weil der Gedanke zu
verlockend war, die großen Waldgebiete an den Grenzen zuerst zur
Tschechisierung der Forstbeamten, dann der Holzarbeiter, dann der
abhängigen industriellen Unternehmen und Gasthäuser und
schließlich auch zum äußeren tschechischen Anstrich der
ganzen Gegend zu benützen.
[198] In welchem
Maße der Besitzwechsel weite tschechische Kreise dazu verführte,
sich gewissenlos zu bereichern, und wie sehr die angeblich soziale Reform in
Korruption versank, kennzeichnen wir am besten wiederum durch die Wiedergabe
tschechischer Zeitschriften. So sagen die Lidové listy im Oktober
1925:
"Aus der Bodenreform ist dank der
Parteiwirtschaft eine Sache geworden, die auch der Vorstand des Bodenamtes
selbst als Schweinerei bezeichnen mußte. Heute ist nicht ein einziger
Vordermann in der Agrarpartei, der sich nicht ein Restgut aneignete oder es
wenigstens versprochen bekommen hätte. Die Hälfte der
Abgeordneten, abgesehen davon, daß sie den vom Schweiße ihrer
Eltern benetzten Boden verderben, verließen die ererbten Gründe und
wirtschaften heute auf Restgütern. Die
Ministerial- und Bankbeamten, besonders in den Ministerien, haben heute ebenso
Restgüter wie die Zuteilungskommissäre, während die
Beamten der Großgrundbesitzer, die ihr ganzes Leben der Bewirtschaftung
des Bodens widmeten, auf schlechtbezahlten Stellen
sitzen."
Das nationale Blatt Národní osvobození vom
5. 4. 1925 äußert sich folgendermaßen zu
derselben Sache:
"Gegen die verdächtige Eile in
der Durchführung der Bodenreform muß protestiert werden. Durch
diese Taktik wurden eine Reihe von Parzellierungsgesellschaften ins Leben
gerufen, welche sich vom kleinen Landvolk mästen und dieses bis zum
letzten Groschen aussaugen. Der Bodenspekulation wurden die Türen
angelweit geöffnet. Dazu schweigt man. Niemand hat den Mut, den
Schuldigen Halt zu gebieten. Es wäre nicht so weit gekommen, wenn es
eine hinreichende parlamentarische Kontrolle
gäbe."
Der Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Bodenamtes selber
ist mit dem folgenden Abschiedsbrief von seiner Ehrenstelle
zurückgetreten:
"Trotz aller gegebenen
Versicherungen erhellt aus unzähligen Fällen die Tatsache, daß
die Bodenzuteilung einseitig und parteiisch durchgeführt wird, daß
die Zuteilungskommissäre entweder auf eigene Faust oder unter dem Druck
politischer Faktoren für bestimmte Bodenwerber ein strengeres Maß
anlegen, als es im Gesetz vorgesehen ist. Die unhaltbaren Zustände im
Bodenamt ergeben sich ferner aus der journalistischen Tätigkeit und dem
persönlichen Auftreten der Beamten des Bodenamtes bei öffentlichen
Versammlungen. In den gemischtsprachigen Gebieten wird die
Bodenzuteilung sowohl bei der Kleinzuteilung als auch bei der Zuteilung der
Restgüter trotz aller Warnungen derart durchgeführt, daß
die ansässige Bevölkerung nur in geringem Maße befriedigt
wird. Besonders kraß ist der Mangel an Verständnis für
die größere Entfaltung des Genossenschaftswesens und die
zunehmende Zahl der Arbeitsuchenden, die infolge der Bodenreform ihre
Existenz verloren haben und nach Verbrauch der Abfindungssumme das Heer der
Arbeitslosen vermehren. Ich bemühte mich mit aller Kraft, diesen
zahlreichen Übelständen, die nur Verbitterung und Widerwillen
hervorrufen müssen, die Stirne zu bieten; doch alle meine Bestrebungen,
denen ich meine Kräfte widmete und die selbst meine Gesundheit
untergraben haben, erwiesen sich als nichtig."
Es kommt nicht häufig vor, daß auf der tschechischen Seite
Bekenntnisse dieser Art abgelegt werden. Um so bedeutsamer sind sie dort, wo sie
tatsächlich geschehen. Sie bezeugen, daß die Entnationalisierung des
nicht in tschechischer Hand befindlichen Grund und Bodens das Ziel der
tschechischen Politik ist. Der tschechische Na- [199] tionalstaat ist so lange
nicht nur der Idee, sondern auch der Wirklichkeit nach eine Unwahrheit, solange
der Grund und Boden nicht ganz in tschechischer Hand ist. Daher die
"Bodenreform".
[164b]
Sudetendeutsche Jugend.
|
Die Schulpolitik
Das nächste Gebiet, auf dem wir uns die Angriffs- und
Zerstörungspolitik der Tschechen gegen das Deutschtum zu
vergegenwärtigen haben, ist das der Schule. Die Tschechen
verteidigen ihre antideutsche Schulpolitik mit der Behauptung, im alten
Österreich sei ihr nationales Unterrichtswesen unterdrückt worden,
und deshalb sei es notwendig, auf seinen Ausbau jetzt besondere Sorgfalt zu
verwenden. Ferner wird gesagt, im alten Staate hätten das deutsche und das
madjarische Schulwesen eine übermäßige Förderung
erfahren, darum müsse es jetzt auf ein normales Maß
zurückgeführt werden. Diese Behauptungen sind falsch. Im Jahre
1871 gab es:
Schulen in |
tschechisch |
deutsch |
Bevölkerung nach der
ersten Zählung von 1880 |
tschechisch |
deutsch |
Böhmen |
55,5 v.H. |
43,5 v.H. |
Böhmen |
62,8 v.H. |
37,2 v.H. |
Mähren |
63,7 " |
32,3 " |
Mähren |
70,4 " |
29,4 " |
Schlesien |
22,2 " |
52,4 " |
Schlesien |
22,9 " |
48,9 " |
Setzt man den Bestand von 1871 gleich Hundert, so wuchs bis 1915
die Bevölkerung auf: |
die tschechischen
Schulen auf: |
die deutschen
Schulen auf: |
in Böhmen |
130 |
171,6 |
150,8 |
" Mähren |
130 |
183,7 |
144,2 |
" Schlesien |
145 |
179,5 |
146,4 |
Das heißt mit anderen Worten, daß das tschechische
Volks- und Bürgerschulwesen den kulturellen Tatsachen entsprechend zwar
etwas später ausgebaut wurde als das deutsche, daß es aber noch
unter österreichischer Herrschaft, von nichtssagenden ein oder zwei
Prozenten abgesehen, die Dichte des älteren deutschen erreicht
hat.
Bis gegen das Jahr 1921 hielten sich die deutschen Schulen in Böhmen und
Schlesien noch ziemlich auf dem Stande der österreichischen Zeit,
während in Mähren bereits ein starker Verfall eintrat. Seitdem haben
sich die Verhältnisse überall rasch zuungunsten des
Deutschtums entwickelt. Unter den bereits charakterisierten, durchaus unwahren
Formen wurden bis zum 1. Januar 1925 beseitigt:
in Böhmen |
1668 |
|
" Mähren |
838 |
|
zusammen seit dem Umsturz |
2506 |
Schulklassen, |
[200] von denen nur ein ganz
verschwindender Bruchteil in irgendeinem Zusammenhang wieder errichtet
wurde. Dieser Verlust macht für die Deutschen ein Fünftel ihres
Schulbesitzes im Jahre 1918 aus. Vom 1. Januar bis zum 1. Juli 1925
vergrößerte er sich um weitere 273 Klassen oder auf
24 v. H. Bis zum Ende des Jahres 1925 war durch neue
Kassierungen die Gesamtzahl der beseitigten Klassen auf 3444 gestiegen, das sind
fast ein Drittel der 11 747 Schulklassen, die zur österreichischen Zeit
für die sudetendeutsche Bevölkerung vorhanden waren.
Eins der Ziele, die das Tschechentum bei der Knebelung der deutschen Schulen
verfolgt, ist es, möglichst bald die Zeit herbeizuführen, in der die
Sudetendeutschen hauptsächlich die sogenannten niederen Berufe, die
Tschechen dagegen die "Intelligenzberufe" füllen werden. Da auch die
Beamtenlaufbahn nur den Tschechen Aussicht auf Fortkommen bietet, so wendet
sich die deutsche Jugend immer mehr dem Gewerbe und der Kaufmannschaft zu.
Um so wichtiger wird für die Deutschen daher außer der
Volksschul- das Fachschulwesen. Wie auch in dieser Beziehung die Deutschen
behandelt werden, zeigt das Beispiel von Gablonz in Böhmen, das
für bestimmte Zweige der Glasindustrie bekanntlich eine Weltstellung
besitzt, heute aber nur noch dreiklassige deutsche Schulen aufweist. Auch der
Nachwuchs an deutschen Lehrern wird beschränkt. Besonders deutsche
Lehrerbildungsanstalten sind aufgelöst worden, während alle
tschechischen Anstalten erhalten blieben.
Der Angriff der Tschechen gegen das sudetendeutsche Bildungswesen
äußert sich auf dem Gebiet der Mittelschule nicht weniger
zerstörend als auf dem der Volksschule. Unter dem Ausdruck
"Mittelschule" werden hierbei die Gymnasien, Realgymnasien und ähnliche
Anstalten, die man in Deutschland als "höhere Schulen" bezeichnet,
verstanden, und außerdem die Seminare. Im Schuljahr
1918 - 19 besaßen die Tschechen in Böhmen,
Mähren und Schlesien 127 staatliche und private Mittelschulen auf 6,2
Millionen tschechische Einwohner. Im Schuljahr
1924 - 25, sechs Jahre später, waren es 163 Schulen. Der
Zuwachs innerhalb weniger Jahre betrug also über 28%. An deutschen
Mittelschulen dagegen gab es im Jahre 1918 - 19, staatliche und
nichtstaatliche zusammengerechnet, 104. Von diesen gingen bis
1924 - 25 durch Auflösung 22 Mittelschulen, mehr als 21%
aller deutschen Anstalten, verloren. Hierzu kam noch die Auflösung von
sechs deutschen Lehrerbildungsanstalten. Im Jahre darauf wurden noch die
deutschen Lehrerseminare in Leitmeritz, Reichenberg und Olmütz beseitigt
und fünf weitere Gymnasien in Prag, Zipser-Neudorf, Znaim und
Olmütz der Auflösung zugeführt, von denen die Schulen in
Olmütz und Znaim auf eine dreihundertfünfzigjährige
Geschichte zurückblicken konnten. Durch die bevorstehende
"Schulreform" soll noch eine Reihe weiterer Anstalten "zusammengelegt", die
Hälfte also abgeschafft werden. Die sozialen und kulturellen Folgen dieser
durchgreifenden Schulzerstörung ergeben sich von selbst.
Durch ein mit raffinierter Berechnung ausgedachtes Gesetz vom
13. 7. 1922 wird der Höchstbesuch einer Schulklasse auf
achtzig Kinder festgesetzt; bis 1932 soll [201] er auf fünfzig bis
sechzig Kinder abgebaut werden. Bei der Feststellung der Schülerzahl
bleiben aber Kinder von Ausländern in einer Klasse außer Betracht.
Diese pädagogisch unsinnige Verfügung hat ihren Grund darin,
daß die Hälfte aller Ausländer, die im tschechischen
Staatsgebiet leben, Reichsdeutsche oder Österreicher sind. An
nichttschechischen Volksschulen "kann" das Tschechische als nicht
obligatorischer Gegenstand zugelassen werden. Die Minderheiten verlangen
dagegen die obligatorische Einführung, die von den Tschechen verweigert
wird, damit deutsche Kinder wegen des Wunsches, die Staatssprache zu
beherrschen, in tschechische Schulen eintreten. Schulklassen und Lehrstellen
können nur dann beseitigt werden, wenn sie den "gesetzlichen
Bestimmungen" nicht entsprechen. Dieser Grundsatz klingt liberal und human.
Man muß sich aber dabei nur vergegenwärtigen, daß bis 1932
als Höchstzahl einer Volksschulklasse achtzig Kinder "gesetzliche
Bestimmung" sind. Diese viel zu hohe Zahl ist darum angesetzt worden, damit
man deutsche (und madjarische) Schulklassen, die weniger als achtzig Kinder
haben, unter dem Vorwand der "Gesetzlichkeit" beseitigen kann. Durch den
starken Geburtenrückgang ist nämlich die Schülerzahl in
sämtlichen Klassen tief unter die so zweckmäßig ausgedachte
"gesetzliche" Grenze heruntergedrückt.
Soviel Bestimmungen, soviel Möglichkeiten, die sich gegen eine
Minderheit ausnützen lassen! Im Unterrichtsministerium und seiner
nachgeordneten Behörden sitzen nur Tschechen. Diese leiten auch das
Schulwesen der Minderheiten. Die Landesschulräte, in denen nationale
Ausschüsse noch bestehen, verwandeln sich unter der immer strafferen
Zentralisierung in reine Kanzleibehörden. Alle Initiative, alle geistige
Mitarbeit der Schulleitung und der Lehrerschaft wird erschlagen. Die
Amtsführung, die ganze Denkweise der Referenten ist von tschechischen,
politischen Rücksichten beherrscht. Der Mangel an pädagogischer
Begabung und Erfahrung wird durch um so strammere tschechische Gesinnung
verdeckt, die die Minderheiten zu fühlen bekommen. Die Lehrerschaft wird
durch den Landespräsidenten ernannt. Liebedienerische Subjekte werden
Landesschulinspektoren. Selbst Defraudanten bleiben in Amt und Würden,
obwohl die Lehrerschaft öffentlich Anklage gegen sie erhebt. Jede geistige
Unterstützung und Förderung durch die Schulbehörden ist zu
Ende. Die Bezirksschulinspektoren, unter denen sich noch tüchtige und
ehrliche Schulmänner befinden, sind ohne Einfluß. In den
Ortsschulräten herrscht der Kampf der Parteien. Über jedem Lehrer
und jeder Klasse hängt das Damoklesschwert des Abbaues. Deckung nach
oben wird zur obersten Rücksicht für Hunderte von
Lehrkörpern und Lehrpersonen. An den Schulen herrscht schon
längst keine Zucht mehr. Die unfähigsten Schüler werden bis
in die oberste Klasse geschleppt, weil jede Verminderung der Schülerzahl
verhindert werden muß. Die Lernerfolge erreichen nicht einmal die
Hälfte von den Ergebnissen der Vorkriegszeit. Die Lehrerschaft ist schlecht
bezahlt. Wer sich fortbringen will, muß eine Nebenbeschäftigung
suchen. Für die fachliche Weiterbildung bleibt weder Muße noch
Lust übrig. Junge Kräfte erhalten bei den [202] zahllosen
Auflösungen von Schulen keine Posten. Tüchtige und
nationalgesinnte Schulleiter schickt man vorzeitig in den Ruhestand und ersetzt
sie möglichst durch willensschwache und unfähige Kräfte.
Abgesehen von den 5000 rein deutschen Kindern, welche laut amtlichem Ausweis
tschechische Schulen besuchen, werden Kinder in die Anstalten des Staatsvolkes
gepreßt, wenn eines der Elternteile tschechischer Abstammung ist oder
wenn auch nur eins der Großeltern tschechisch gewesen war. Geburt in
einem tschechischen Orte verursacht selbst Personen rein deutscher Abstammung
in Schulangelegenheiten Unannehmlichkeiten. Jahrelang geht der Kampf der
"untergeordneten Behörden" um die breiten Massen der
Mischbevölkerung, die sich im Laufe der Jahrhunderte besonders in
Mähren herausgebildet hat. Eltern und Kinder werden auf die
Bezirkshauptmannschaften zitiert, bedroht, mit Strafen belegt, die Kinder ohne
Gegenwart von Zeugen geprüft, auf geringste Kenntnis des Tschechischen
hin als Tschechen erklärt.
Für die tschechischen Minoritätsschulen, die der Staat erhält,
gilt keine Beschränkung der Schülerzahl. Im mährischen
Bezirke Hohenstadt sperrte man 42 deutsche, dagegen nur 6 tschechische Klassen;
dafür errichtete man 19 tschechische Minoritätsschulen. In
Budigsdorf versetzte man den deutschen Bahnmeister in die Slowakei und
gründete in seiner Wohnung eine Minoritätsschule. Von den 13
(nicht 40 Kindern, die das Gesetz als Mindestzahl vorschreibt!) sind zwei
Schüler polnischer Herkunft, die übrigen Kinder stammen von
deutschen Eisenbahnern, die ihre Kinder in die tschechische Schule schicken, weil
sie um ihr Brot fürchten. In Pobutsch nahm man dem deutschen Schulleiter
die Wohnung weg und brachte in ihr die Minoritätsschule für 3 (drei)
Kinder einer einzigen tschechischen Familie unter. In Rippau wurde eine
tschechische Schule für elf Kinder geschaffen, von denen neun von rein
deutschen Eltern abstammen. Drei dieser Schüler stehen im fünften
Lebensjahr. In Südmähren besitzen die Deutschen (bei 636, 311 und
548 Personen laut amtlicher Zählung!) in den Orten Fröllersdorf,
Guttenfeld und Neu-Prerau keine deutsche Schule, die Tschechen (57, 136 und 91
Personen) dagegen je eine tschechische Minoritätsschule. Im Gablonzer
Bezirk - und so in vielen anderen deutschen! - kommt eine
Schulklasse nach den vielen Sperrungen auf 400 Deutsche, dagegen schon auf 250
Tschechen. In Unter-Teschau bei Schüttenhofen drängt man eine
tschechische Minoritätsschule in das Schulgebäude der
zweiklassigen deutschen Gemeindeschule und brachte eine Klasse derselben in
einem notdürftig hergerichteten Stall unter. In Haslau bei Franzensbad, wo
man die Tschechen nur vom Hörensagen kennt, wurde eine
Minoritätsschule für das einzige Kind eines tschechischen
Finanzwachtinspektors geschaffen. In Liebenstein an der bayerischen Grenze gibt
es ebensowenig wie in der Umgebung ein tschechisches Schulkind.
Nichtsdestoweniger erreichten zwei kinderlose
Legionär-Finanzer die Gründung einer Minoritätsschule. In
dem rein deutschen Mährisch-Altstadt besucht ein einziger tschechischer
Schüler neben siebzehn [203] deutschen die
neugegründete tschechische Schule. In Altkinsberg bei Eger gibt es nur ein
einziges Kind tschechischer Abstammung, das übrigens auch vollkommen
deutsch spricht. Für diesen Schüler kam eine Minoritätsschule
zustande, die man in die Wohnung des hinausbeförderten Försters
verlegte.
Nach allem Bisherigen wird niemand erwarten, daß es den deutschen
Hochschulen besser ergangen ist als den Volks- und Mittelschulen. Wie gering die
Aufwendungen für die deutsche Universität in Prag und für
die beiden technischen Hochschulen in Prag und Brünn ausgefallen sind,
haben wir bereits gesehen. Die tschechischen Hochschulen dagegen werden zu
hochmodernen Anstalten umgewandelt. In der bergbaulichen Hochschule in
Příbram ist die deutsche Abteilung beseitigt worden. An der
Kunstakademie in Prag, die doppelsprachig organisiert ist, ist die Zahl der
deutschen Lehrer, den bedeutenden Leistungen der Sudetendeutschen auf dem
Gebiet der bildenden Kunst zum Trotz, auf zwei zusammengeschmolzen. An der
deutschen technischen Hochschule in Brünn, von der es heißt,
daß sie auch aufgelöst werden soll und die in allen Fächern
einen Weltruf besitzt, sind zurzeit dreizehn Lehrstühle unbesetzt! Das
Unterrichtsministerium sucht soviel wie möglich die Berufung
wissenschaftlicher Kräfte aus Deutschland und Österreich zu
verhindern. Dabei waren die Lehrkörper der sudetendeutschen Hochschulen
von jeher auf einen freien Austausch der wissenschaftlichen Kräfte
aufgebaut, für den die Landgrenze keine Rolle spielte. Die
Lehrstühle sind nicht nur schlecht bezahlt, sondern auch schlecht dotiert.
Seminare und wissenschaftliche Institute sind auf Hungerration gestellt. Für
Versuche an deutschen Anstalten ist kein Geld da. Subventionen, Stipendien,
Fonds existieren fast ausschließlich für die Tschechen. Der deutschen
Universität Prag sind die alten Universitätsgüter genommen
und auf die tschechische Universität übertragen worden. Die
für beide Prager Universitäten bestimmte Bibliothek stellt sich auf
die französische und englische wissenschaftliche Literatur ein und
vernachlässigt mit Absicht die deutsche. Dabei wird die Verwaltung der
Bibliothek so dilettantisch geführt, daß ihr von französischen
Ramschbuchhändlern wertlose Bücher in Waggonladungen
aufgehängt worden sind, darunter ganze Lager von französischen
Schulbüchern, die nichts mit der Universitätsbibliothek zu tun haben.
Während die Staatsbibliothek so ihr Geld zum Fenster hinauswirft, erhalten
die deutschen Universitätsseminare nicht einmal das Geld, ihre
Bücher binden zu lassen.
An Einzelheiten läßt sich noch viel anführen, aber Einzelheiten
bleiben immer Einzelheiten. Das Entscheidende ist der Geist. Das tschechische
Volk will die Verschlechterung, Hemmung und Einschnürung des
Schulwesens der Minderheiten, und es verlangt deshalb von seinen
Schulbehörden, daß sie keine Gelegenheit dazu versäumen. Es
gehört mit zu der Dienstverpflichtung eines jeden Beamten,
gegenüber dem deutschen und madjarischen Schulwesen auf dem Sprunge
zu stehen und sich als tatkräftig zu erweisen. So ist jede äußere
Sicherheit aus den Minderheits- [204] schulen verschwunden.
Kein Wunder, daß damit auch der Wert der geleisteten Arbeit erschreckend
zurückgeht. Tschechischerseits sieht man bloß, daß noch
immer Minderheitsschulen bestehen. Doch daß Schulen, denen man Herz
und Hirn aus dem Leibe geschnitten hat, keine Bildungsstätten sind, will
man gerade in denjenigen Kreisen nicht wahrhaben, in denen Humanität
und Demokratie zur Hausmannskost geworden sein sollen. Es ist tief
beschämend, was für eine Verlogenheit und Herzensroheit sich in
den Schulbüchern breitzumachen beginnt, besonders aber in denen
für den geschichtlichen Unterricht. Nicht nur, daß man den
Minderheiten die eigene Vergangenheit zusammenstutzt und die tschechische
Geschichte dafür unterschiebt; es ist sogar vorgekommen, daß man
Geschichtsbücher für die deutschen Mittelschulen wörtlich aus
tschechisch-nationalen Heimatkunden übersetzt, ohne ihre ausgesprochene,
die Deutschen beleidigende und vergewaltigende Tendenz zu entfernen. Vielleicht
das brutalste aller in dieser Richtung je vorgekommenen Beispiele sind, zumal in
ihrer Verbindung, zwei Propagandaschriften, die an den Schulen der
tschechoslowakischen Republik verbreitet werden und die sich beide mit der
Person des Präsidenten Masaryk beschäftigen. Die eine nennt sich
ein Märchen, gedichtet von F. Placek, und findet sich in einem von
Wenzel Suk, Realschulprofessor, und Dr. Frantisek Simek, Gymnasialprofessor,
herausgegebenen tschechischen Schulbuch für Musteraufsätze. Der
Beginn dieses "Märchens" lautet:
"Es war einmal ein großes
Reich, in dem ein hundertköpfiger Drache herrschte. Dieser Drache hatte
einen besonderen Namen. Man nannte ihn Germania. Er fraß nicht nur
einzelne Leute, sondern er griff und würgte ganze Völker, die in der
Nachbarschaft seines Reiches lebten. So unterjochte er schon viele und machte sie
zu seinen Dienern.
Es gelüstete ihn auch nach einem kleinen
Ländchen, in welchem gute, friedfertige Leute wohnten, die dem Drachen
noch niemals einen Schaden zugefügt hatten. In diesem armen, aber
schönen Ländchen lebte ein armer herrschaftlicher Kutscher mit
seinem Weibe. Sie wohnten in einer kleinen mit Stroh gedeckten Hütte und
erzogen einen kleinen Sohn, welchen sie Tomas nannten. Der kleine Tomas
wuchs heran, und als er 13 Jahre alt war, schickten sie ihn zur Prüfung in
die Welt. Er ging nun auf die Wanderschaft. Er kam in eine große Stadt, die
man Vindobona (Wien) hieß, und wollte dort ein Handwerk
erlernen. Aber diese Stadt lag schon im Nachbarreiche, wo der
häßliche Drache Germania herrschte. Dem kleinen Tomas gefiel es
nicht unter den Dienern dieses Staates, die eine fremde unbekannte Sprache
redeten und jeden fremden Staatsangehörigen quälten und plagten.
Daher schnürte er sein Ränzchen, warf es auf den Rücken und
wanderte heimwärts, über Berg und Tal, bis er wieder in sein
Dörfchen zu Vater und Mutter kam. Als er angekommen war, sagte er:
»Mutter, ich war in der Welt, und es gefiel mir dort nicht, denn dort
herrscht der hundertköpfige Drache Germania und quält alle braven
Leute. Wenn ich groß bin, töte ich
ihn!«"
In diesem Stile wird nun weiter erzählt, wie Tomas sich durchs Leben
schlug, wie er studierte, wie er eines Tages erfuhr, der Drache Germania habe
Köpfe mit verschiedenen Namen, wie Lüge, Haß, Gewalt,
Roheit, Knechtschaft,
Unehrlichkeit usw. - Köpfe, die nur von Menschen besiegt
werden konnten, die in ihren Herzen Liebe, Wahrheit,
Friedfertigkeit, Freiheit, Ehrlichkeit als strahlende Göttin- [205] nen eingeschlossen
hatten. Schließlich wurde der Drache Germania im Weltkrieg getötet,
von tapferen Rittern, mit Hilfe jener strahlenden Göttinnen. Tomas hatte sie
alle herangeholt und kehrte nach dem Siege in seine Heimat zurück, wo das
abscheuliche Ungeheuer Germania seine Tatzen noch nicht ausgebreitet hatte.
Jede Mutter zeigte ihn ihrem Kinde, Frauen und Greise weinten, den
Männern schnürte Rührung die Brust zusammen, und auf der
Stirn des Helden erglühte ein Stern: Ehrlichkeit und Wahrheit.
Dieses wilde und geschmacklose Hetzmärchen ist wie gesagt eine
Stilübung, die an tschechischen Schulen als Muster benutzt und auswendig
gelernt wird. Natürlich ist sie auch den deutschen Kindern als
abschreckende Probe tschechischer Verhetzung und Unwahrhaftigkeit bekannt.
Diesen deutschen Kindern wurde aber zum 75. Geburtstag Masaryks, 1925, eine
Lebensbeschreibung Masaryks von schulwegen in die Hand gegeben, die in den
höchsten Tönen des Lobes und der Begeisterung von seiner
Persönlichkeit spricht. Es seien nur die folgenden Stellen daraus
angeführt:
"Alle sind wir hier frei. Und die
Freiheit ist das erhabenste Geschenk, das ein gütiges Geschick den
Völkern bereitet hat. Wenn das Volk sich selbst regiert, nur seinem Herzen
und seinem Verstand gehorcht, wenn niemand sein Herr oder Bedrücker
und niemand ihm untertan ist - dann ist das die höchste Gnade und
das höchste Glück. Doch freilich nur dann, wenn alle gut, tapfer und
gerecht sind und ihre Freiheit dazu benutzen, um durch freie Arbeit und
brüderliche Liebe dem Vaterlande und ihren Mitbürgern zu dienen...
Er (Masaryk) durchwanderte Europa, Asien und Amerika, scharte treue
Kämpfer für Gerechtigkeit und Demokratie um sich, und indem er
heldenhaft an ihre Spitze trat, überzeugte er die Staatsmänner und die
öffentliche Meinung der Welt, daß in Europa der Friede so lange
nicht einziehen werde, als in den beiden Gebieten an der Elbe, in Mähren
und an der Donau nicht die Gerechtigkeit herrschen und alle Völker selbst
ihre Geschicke leiten werden..
Ja: Wahrheit, Recht, Gerechtigkeit sind auch die Erbauer
unserer Republik. Sie waren es, die auch ihre Verfassung errichtet haben, die den
Bürger aller Nationalitäten und Konfessionen, Männern wie
Frauen, vor dem Angesicht der ganzen Welt die gleichen Rechte
verbürgten...
Liebe Kinder! Laßt Euch heute von Vater Masaryk,
Eurem ersten Präsidenten, viel, recht viel erzählen. Sprecht selbst
miteinander von ihm! Von seinem gewaltigen Willen. Von seinem großen
Mut. Von seinem ruhmvollen Heldenwerk. Von seinem Edelmut. Von seiner
Einfachheit. Von seiner Gerechtigkeit. Von seinen 75 Jahren voller Arbeit,
Entbehrung, Weisheit, Bescheidenheit, Wahrheitsliebe und kühnem
Mut."
Man kann sich denken, wie so etwas auf sudetendeutsche Kinder wirkt, die jedes
einzelne Wort nur als eine gewollte Verhöhnung, als zugleich
lächerlich und unwahr empfinden können. Ließ irgendwo ein
deutscher Knabe oder ein deutsches Mädchen sich beikommen, seinen
Unwillen zu äußern, die Broschüre wegzuwerfen oder zu
zerreißen, so bedeutete das nicht nur für die Kinder die
schärfsten Strafen, sondern für die ganze Schule auch die Gefahr
sofortiger Schließung.
Leider bleibt es jedoch nicht bei der Zerrüttung des Geistes der Schule, die
sich in gewissen Grenzen noch durch Familie und nationales Leben wettmachen
ließe. [206] Die meisten Anstalten
erreichen heute nicht einmal das äußere Lehrziel. Es gibt hunderte
von Schulen, an denen man sich mit der Hälfte dessen begnügen
muß, was man in Österreich für unerläßlich
gehalten hat. Die sudetendeutsche Schule lebt also nicht nur in einer Zeit der
äußeren Einbuße, sondern in einem ausgesprochenen Verfall
des Unterrichts, dessen soziale Folgen sich heute noch gar nicht übersehen
lassen. Den madjarischen Schulen geht es um nichts besser.
Die Beamtenpolitik
Wir haben nun die tschechischen Kampfziele und Methoden in der Hauptsache
kennengelernt. Als ihre notwendige Ergänzung ergibt sich weiter ein
bestimmtes, zur Herrschaft gebrachtes System der öffentlichen Verwaltung
und Amtführung in der tschechoslowakischen Republik. Das tschechische
Volk und daher auch die tschechische Regierung verlangen von jeder
Amtshandlung, daß sie der Stärkung des tschechischen Einflusses
und der Tschechisierung der nichttschechischen Teile des Gesamtstaates dient.
Nachdem sich das Tschechentum ohne Verhandlung mit den Minderheiten,
obwohl diese mehr als ein Drittel der Staatsbevölkerung ausmachen, als
alleinherrschend und alleinberechtigt erklärt, nachdem es seine ganze
Zukunft auf die Karte der politischen Unterdrückung gesetzt hat, bleibt ihm
nichts anderes übrig. Die Tschechen haben es nicht nur gedacht, sondern
auch wiederholt ausgesprochen, daß sie die rücksichtslose
Tschechisierung so lange durchführen müssen, wie die politischen
Machtverhältnisse in Mitteleuropa es ihnen gestatten, die dazu notwendige
Gewalttätigkeit gegen die Deutschen auszuüben. In der
Staatsverwaltung wurde das Unternehmen in zwei aufeinanderfolgenden
Abschnitten durchgeführt. Der erste umfaßte die Tschechisierung der
zentralen Behörden. Dieses Ziel ist restlos erfüllt. Den zweiten
Abschnitt bildet die Tschechisierung des gesamten Verwaltungsapparats in den
deutschen und madjarischen Minderheitsgebieten. Sie wird, wenn keine
besonderen Hindernisse eintreten, in wenigen Jahren vollzogen sein.
Es bleibt immerhin eine erstaunliche Leistung, daß die Tschechen imstande
waren, den plötzlich auftauchenden ungeheueren Bedarf an tschechischen
Beamten zu decken. Da die Ministerien und die leitenden Provinzposten sofort
mit Tschechen besetzt und ganze Heere von Beamten - man redet von
40 000 - in die Slowakei geschafft wurden, kann man sich einen
Begriff davon machen, wieviel Menschen auf einmal gebraucht wurden. Es
beweist aber die Tatsache, daß man diese schätzungsweise
75 000 neuen Kräfte aufgebracht hat, in welchem Ausmaß die
österreichischen Mittelschulen die Tschechen mit Intelligenz versorgt
haben. Natürlicherweise riß eine so einzigartige Nachfrage
Tausende von Abenteurern empor, die im Staatsdienst nichts als
persönliche Bereicherung suchten. Prag und die Ministerien wimmeln
von solchen fraglichen Existenzen, und die Slowakei hat sich in eine Art
Goldsucherland für Glücksritter verwandelt, die den Diebstahl im
großen betreiben und [207] dabei wenig zu
wagen, alles zu gewinnen haben, weil eine Krähe der anderen kein Auge
aushackt. Die Tschechen haben es zustande gebracht, die an sich höchst
gutmütigen Slowaken bis zu der bedingungslosen Forderung zu treiben,
daß die tschechischen Beamten bis auf den letzten Mann aus der Slowakei
weichen.
Bei den Ministerien in Prag handelt es sich um Neubildungen, für die von
vornherein nur Tschechen in Betracht kamen. In der Provinz dagegen
mußten bereits bestehende Behörden, an denen der
Beamtenkörper von altersher aus Tschechen und Deutschen gemischt war,
tschechisiert werden. Dazu erfolgte zunächst die Absetzung
ungezählter nichttschechischer Beamter von den leitenden Posten. Beamte
von Ruf in ihrem Fach wurden auf Schreiberposten versetzt und Amtsdirektoren
und Bezirkshauptleute über Nacht pensioniert oder jungen und
unerfahrenen, aber stramm tschechischen Kräften unterstellt. Dazu
kommen rücksichtslose Versetzungen. Ein Nichttscheche wird aber
grundsätzlich nur als Arbeiter verwendet und von der Kenntnis der inneren
Vorgänge ferngehalten. Es gibt Fälle, in denen deutsche Beamte die
ganze Konzeptarbeit leisten, in der sie unersetzlich sind. Für die Leistung
der Unterschriften aber, die ein deutscher Beamter früher selbst auf die
Akten setzte, sind jetzt besonders bezahlte tschechische Beamte von
höherem Range da, die ohne ihre deutsche Arbeitskraft keinen Finger
rühren könnten.
Für die deutschen Beamten, die im Dienste bleiben wollten, wurden
allgemeine Sprachprüfungen angeordnet. Das Tschechische gehört
wegen seiner Laute und seiner Biegung zu denjenigen Sprachen, die in
jugendlichen Jahren erlernt sein wollen. Wenn aber ein hochverdienter und
bejahrter Mann sich nach qualvollen Bemühungen, tschechisch zu erlernen,
dazu außerstande sah, wenn er sich der Prüfung nicht unterzog oder
ihr nicht entsprach, so wurde er entweder minderqualifiziert, in den Ruhestand
versetzt oder einfach entlassen. Gegenüber dem Bewußtsein, ein
lang geübtes Amt so gut zu versorgen wie ein anderer, trat die
Sprachverfügung notwendig in das Licht der bloßen nationalen
Schikane. Das Stück Brot, das der Staat dem Beamten deutscher Herkunft
noch reichte, wurde bitter, weil die Angst vor neuen Verordnungen oder
unvorhergesehenen Tücken es beständig vergällte. Dazu kam
die wachsende Einsicht, daß alles Selbstbescheiden und Ducken doch nichts
helfen wird, da es den Tschechen ums Ganze ging. Gerade zu Weihnachten 1924
trat das Gesetz über den Abbau der Staatsbeamten in Kraft. Es wurde
selbstverständlich mit der Notwendigkeit von Sparmaßnahmen
begründet und verfügte, daß im Jahre 1925 ein Zehntel der
staatlichen Angestellten abzubauen und die Aufnahme neuer Kräfte bis auf
weiteres zu sperren sei. Beide Maßnahmen richteten sich gegen die
Minderheiten und in erster Linie gegen die Deutschen. Eine Zusage, daß der
Beamtenabbau alle Nationalitäten gleichmäßig treffen soll, war
vom Ministerium auf keine Weise zu erreichen. Natürlich verfielen dem
Abbau zunächst, nach der formalen Bestimmung des Gesetzes, die
"minderqualifizierten" Kräfte, namentlich also die Deutschen, die bei
weniger als zehn Dienstjahren die einfache Entlassung erhielten, mit ein paar
[208] Monatsgehältern
als Abfindungssumme, bei mehr als zwanzig Dienstjahren die Versetzung in den
Ruhestand mit Gebühren. Die tschechische Regierung ist Meister in der
Hervorbringung "allgemeiner" Bestimmungen, die sich praktisch gegen ganz
bestimmte Gruppen richten. So auch bei der "Minderqualifizierung". Sie legt auch
Gewicht darauf, ihren Zwang zu erreichen, ohne vor dem Ausland eine schlechte
Figur zu machen. Daher die Bestimmung im Abbaugesetz, daß nur
diejenigen Beamten, die sich freiwillig für den Abbau melden, die volle
Abfindungssumme erhalten; die übrigen jedoch nur 50%. Das Gesetz betraf
sowohl die eigentlichen Staatsangestellten als auch die Lehrer. Ausgenommen
vom Abbau wurden alle früheren tschechischen Legionäre. Nach
dem Jahrbuch der tschechoslowakischen Republik für das Jahr 1925 gab es,
die Lehrer ungerechnet, 342 000 Beamte und Staatsangestellte. Von diesen
waren nur 17% oder rund 60 000 deutscher Herkunft, d. h.
6 - 7% weniger, als dem Bevölkerungsanteil entsprach; in der
Hauptsache natürlich innerhalb des deutschen Sprachgebiets, wo die
Bevölkerung deutsch als ihre Muttersprache hat und in der Mehrzahl das
Tschechische ebensowenig kennt und versteht, wie es in Schlesien, Sachsen oder
Bayern verstanden wird. Daß es sich um etwas anderes handelt, als um
Ersparnisse, beweist z. B. der Wahlaufruf der tschechischen
Nationalsozialisten vom November 1925:
"Überall dort, wo sich die
tschechischen Sozialisten eingewurzelt haben, sind die Spuren ihrer Arbeit
ersichtlich. Nationale Verteidigung, Außenpolitik, Post, Eisenbahn, neben
vielem anderem, sind heute die allertschechischsten Ressorts, wo es uns zu
allererst gelangt, die an der Nation verübten Fehler gutzumachen. Wir
sprachen nicht davon, um unsere Widersacher nicht aufmerksam zu machen.
Die tschechoslowakischen Sozialisten haben dort, wo sie Einfluß hatten,
alle Konsequenzen unserer Befreiung durchgeführt. Die Eisenbahn
möge hier als Beispiel dienen. Sie ist heute das einzige (!)
Fachbereich der Staatsverwaltung, das, in acht Direktionen dezentralisiert,
überall die nationale Mehrheit schützt. Zehntausende
tschechischer Beamter und Angestellter wurden im sogenannten deutschen
Sprachgebiet angesiedelt, und die Staatsverwaltung errichtete neue Häuser
für sie mit Tausenden von Wohnungen."
Selbstverständlich haben für diese tschechischen Beamten
ebensoviele nicht tschechische Platz machen müssen. Tausende
beschäftigungsloser oder halbversorgter Menschen müssen nun von
den Minderheiten erhalten und samt ihren Familien mitgeschleppt werden,
obwohl deren Wirtschaft an und für sich schon unter der schwersten
Belastung arbeitet. Diesem nationalen Minus steht ein doppeltes Plus auf
Seite der Tschechen gegenüber, die ihre Leute erstens versorgen und
überdies aus diesem sozialen Vorteil den größten politischen
Gewinn schlagen. Darüber verschieben sich alle Aussichten für das
äußere Fortkommen. Die Zugehörigkeit zur "Staatsnation"
entwickelt sich zu einem rentablen Geburtsvorrecht, das den jungen
Tschechen für sein ganzes Leben sicherstellt, während die
Angehörigen der Minderheiten mit dem lebenslangen Kampf auf Erwerb
und Arbeitsplatz zu [209] rechnen haben und wie
mit einem körperlichen Fehler behaftet zurückstehen, wo andere in
Freuden genießen dürfen.
Bei den Postämtern im reindeutschen Gebiet sind bereits ein Drittel, ja, die
Hälfte, an manchen Stellen sogar 80% der bisherigen deutschen Beamten
entfernt, und etwa die Hälfte aller bisher deutsch verwalteten Postanstalten
ist mit Tschechen besetzt. Auf den Eisenbahnen im deutschen Gebiet ist das
Verhältnis noch ungünstiger. Gendarmerie, Staatspolizei und
politischer Dienst sind schon lange tschechisiert. Auch im Finanzdienst werden
die Deutschen nicht mehr lange vorhalten. Dann steht der Weg in die
Gemeinden offen, bei denen der tschechische Legionär schon heute laut
Entscheidung des obersten Gerichts den Vorrang vor jedem anderen Bewerber hat,
auch im deutschen Gebiet. Hat erst jede deutsche Gemeinde auf diese Weise ihre,
wenn auch noch so kleine und künstliche tschechische Minderheit, hat
diese ihre politischen Vertreter in den Gemeinderäten, kontrollieren
aufgedrungene tschechische Beamte in den Stadtämtern die übrige
Beamtenschaft der Gemeinde, dann ist "der Ring der Minderheiten"
durchbrochen, dann ist der Tscheche Herr, nicht nur im Hause, sondern in allen
Wohnungen. Schon ist das neue Gesetz bereitet, das der Gemeindesteuer eine
Höchstgrenze vorschreibt und die Steuergebarung der
Selbstverwaltungskörper in völlige Abhängigkeit von der
Staatsverwaltung bringt. Die Zeit ist nicht mehr ferne, in welcher jede Gemeinde
in der Tschechoslowakei, dank der Strangulierung ihrer
Vermögensverwaltung, zum Hilfsorgan eines rein bureaukratischen
Staatsapparates herabsinken wird. Dann können die Minderheiten nicht
einmal mit der Gemeinde als politische Zelle rechnen; dann geht es um das Letzte
und Schwierigste im nationalen Kampfe, um den geistigen Widerstand von Mann
zu Mann und die Erweckung idealer Kräfte in jedem einzelnen
Volksgenossen.
Am rücksichtslosesten tschechisiert die Eisenbahn. Ihre Beamten sind
überhaupt zugleich nationale Polizisten, die es als ihre Pflicht betrachten, in
allem "die verkürzten Rechte des tschechischen Volkes wieder herzustellen
und die Meute der verkappten Insurgenten zu bewachen". Der Bahnkassierer
wacht darüber, daß er nicht fälschlich eine
deutsch-tschechische Fahrkarte statt einer tschechischen ausgibt, der Portier,
daß er den Zug nicht deutsch ausruft, der Schaffner, daß er den
deutschen Fahrgast nicht deutsch anspricht, das Bahnamt, daß keine
deutschen Aufschriften in den Zügen geduldet werden, der tschechische
Vorsteher, daß die Beamten immer zuerst an ihre nationale Pflicht denken.
Alle wachen sie über einander. Alles wird tschechisch gemacht. Man trete
in eine Bahnhofswirtschaft und überzeuge sich von der
Volkszugehörigkeit des Wirtes und seiner Angestellten. Von der Aufschrift
auf den Aktenbündeln im Keller bis zu dem tschechisierten Stationsnamen
am Dachfirst, von den Menschen im Haus und auf der Strecke bis zur Abwicklung
des ganzen Dienstbetriebes soll es, und das im deutschen Gebiet, nur noch
Tschechen geben. Der Tscheche muß auch hinein in jedes deutsche
Örtchen, muß Wohnungen beschlag- [210] nahmen, Häuser
enteignen, Wohnungen für die zugeschobenen tschechischen Angestellten
bauen, tschechische Volkshäuser errichten, Schulen verlangen, Vereine
gründen, Umzüge veranstalten, Festgäste auf Kosten des
Staates hereinführen. Nach der offiziellen Lesart ist die Tschechoslowakei
der freieste, demokratischste, fortgeschrittenste, reichste und glücklichste
Staat in Europa, bewohnt von dem edelsten und gutmütigsten Volk der
Erde. Die Vertreter dieses gutmütigsten und edelsten Volkes aber weinen in
der Positur von Friedensboten über die Häuser, über die
Äcker, über den Boden, die einstweilen noch nicht die ihren sind,
und mit der Kraft der alten Propheten ermahnen und beschwören die
Zeitungen ihr tschechisches Volk, "nicht abzulassen von dem, was unser war"
(d. h. von der Gesamtheit des sudetendeutschen Volksbodens), seine Macht
zu gebrauchen, den Erbfeind auszurotten bis zum letzten Mann, das ganze Land
von allem Nichttschechischen zu läutern und jede Erinnerung daran
auszulöschen. Es gibt nur eine deutsche Aufschrift, die
öffentlich geduldet wird: "Sparkassa" an den kommunalen
Geldeinlagestellen.
Sie alle wissen, worum es sich handelt. Das tschechische Postfräulein kann
die deutschen Telephonnummern nicht erlernen, der tschechische
Briefträger findet die Gasse nicht, in der er selber wohnt, falls der
unkundige auswärtige Absender die alte deutsche Bezeichnung anwendet,
Drahtnachrichten werden verstümmelt, Telephongespräche
behorcht. Auch vor Gericht hat der Staatsanwalt vor allem auf die Interessen des
Tschechentums zu achten. Durch die Nationalisierung und durch die von den
Tschechen eingeführte Versetzbarkeit hat die Rechtsprechung in solchem
Maße gelitten, daß in nationalen Dingen der Nichttscheche von
vornherein damit rechnen muß, seine Sache zu verlieren. Tausende von
Rekursen und Vorstellungen vor Gericht sind nicht imstande, die gesetzliche
Ordnung in sprachlicher Beziehung herzustellen; denn die Machthaber
wünschen, daß über den heutigen Stand der
Sprachgesetzgebung hinaus "Tatsachen" geschaffen werden.
Das Hultschiner
Ländchen
Wir haben den Kreis der auf Vernichtung des deutschen Volkstums und des
deutschen nationalen Bewußtseins abzielenden tschechischen
Maßnahmen nunmehr im großen und ganzen durchmessen und
könnten dem Leser das Urteil überlassen, ob er sich durch das
vorgeführte Material überzeugt geben will. Es gibt aber noch ein
kleines Gebiet innerhalb der heutigen tschechoslowakischen Grenze, das
besonders behandelt werden muß, weil es das einzige Stück Land ist,
das - gegen den Willen seiner Bevölkerung - durch das
Versailler
Friedensdiktat vom Deutschen Reiche abgetrennt und der
Tschechoslowakei übereignet worden ist. An ihm läßt sich
noch einmal, wie an einem konzentrierten Musterbeispiel im kleinen, die ganze
Gewaltsamkeit und innere Unwahrhaftigkeit der Politik zeigen, die das
Tschechentum zu verfolgen für gut hält. Es handelt sich um das
Hultschiner Ländchen.
[211] Das Hultschiner
Ländchen ist ein Stück von Oberschlesien, gehört zum
südlichen Teil des Kreises Ratibor und umfaßt rund 340 qkm
mit beinahe 50 000 Einwohnern. Den wirtschaftlichen Mittelpunkt bildet
das Städtchen Hultschin mit etwas über 3 000 Einwohnern.
Die Landwirtschaft ist in besonders hoher Kultur, teils als Großgrundbesitz,
der den Familien Lichnowsky und Rothschild gehörte, teils als Kleinbesitz
mit Gemüsebau. Berühmt ist die Flachskultur auf dem
Lichnowskyschen Besitz, die im Jahre 1918 gegen 130 000 Zentner Flachs
hervorbrachte. Im Südosten, bei Petershofen, liegt Steinkohle von hoher
Qualität. Im Jahre 1918 wurden gegen 700 000 Tonnen
gefördert.
Die Bevölkerung des Hultschiner Ländchens ist von
mährischem Stamme, dabei aber stark deutsch durchsiedelt. Die
mährische Sprache, eine Mundart des Tschechischen, wird
hauptsächlich im häuslichen Verkehr verwendet; Unterhaltungen, die
über den Rahmen eines alltäglichen Gespräches hinausgehen,
pflegten in deutscher Sprache geführt zu werden, da den Leuten die
kulturellen Ausdrücke in ihrer Mundart nicht geläufig waren.
Jedermann beherrschte das Deutsche und konnte sich gewandt darin
ausdrücken. Politisch waren die Hultschiner stets Deutsche, begeistert
für Volk und Heimat. Gerade in den Zeiten der Not und nach dem
Zusammenbruch haben sie ihr Festhalten am Deutschtum durch reichliche
Opferwilligkeit und Treue bewiesen. Eine tschechische Partei hat es unter ihnen
niemals gegeben; kein Mensch dachte an die Möglichkeit, von Deutschland
getrennt zu werden. Die Tschechen aber verlangten trotzdem in Versailles die
Abtretung des Hultschiner Ländchens und setzten sie tatsächlich
durch. Beim Bekanntwerden dieser in Artikel 83 des Friedensvertrages
enthaltenen Bestimmung erhob die gesamte Bevölkerung Widerspruch,
forderte das Verbleiben bei Deutschland und vor allen Dingen die
Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes. Nicht eine einzige Stimme
erhob sich für die Trennung von Deutschland. Der Kreisausschuß
Ratibor richtete mehrere Eingaben an den Obersten Rat. Fürst Lichnowsky,
der frühere deutsche Botschafter in London, bat den englischen Minister
Balfour telegraphisch, sich ganz entschieden für die Gewährung
eines Plebiszits einzusetzen. Dr. Weigel führte viele Abordnungen
der Bevölkerung nach Weimar, Berlin, Prag und Paris und erhob und
begründete ständig die Forderung des Selbstbestimmungsrechts. Die
Hultschiner Frauen wandten sich mit einer Eingabe an den Papst, den sie um
sofortiges Eingreifen baten. Um der Öffentlichkeit des
In- und Auslandes den Beweis für die treue Anhänglichkeit zum
deutschen Vaterlande zu geben, veranstalteten die Hultschiner selbst eine
Volksabstimmung, bei der sich 93,7% der Abstimmungsberechtigten für
das Verbleiben beim deutschen Reiche erklärten. Die Hultschiner haben
ständig gegen das begangene Unrecht Rechtsverwahrung eingelegt und
bestehen auch heute noch auf der Forderung des Selbstbestimmungsrechts.
Nach der Abtrennung hätte man erwarten dürfen, daß die
Tschechoslowakei nach Artikel 86 des Friedensvertrags den zwischen den
Ententehauptmächten und der [212] Tschechoslowakei
geschlossenen Minoritätenvertrag vom 10. September 1919 zur
Anwendung bringen und das okkupierte Gebiet nach den Grundsätzen der
Freiheit und Gerechtigkeit verwaltet werde. Schon wenige Wochen nach der
Besetzung brachte die tschechische Bezirkshauptmannschaft in Hultschin durch
ihre willkürlichen Verwaltungsmaßnahmen die ganze
Bevölkerung in große Erregung. Das Hultschiner Ländchen
wurde in den Ausnahmezustand versetzt. Alle bürgerlichen Rechte wurden
unterbunden. Die Versammlungsfreiheit wurde aufgehoben. Den deutschen
Parteien wurde eine Zeitlang alle Versammlungen verboten. Obwohl viele
Gemeindeabordnungen den tschechischen Landespräsidenten in Troppau
gebeten hatten, die deutschen Schulen mit Rücksicht auf das wirtschaftliche
Fortkommen der Bevölkerung in dem bisherigen Umfange bestehen zu
lassen und die einheimischen Lehrer beizubehalten, wurde gegen den Wunsch der
Eltern der tschechische Unterricht überall mit Gewalt eingeführt.
Spontan ausgebrochene Schulstreiks waren die natürliche Folge. Ohne
Befragung der Bevölkerung wurden sämtliche
Gemeindevertretungen aufgelöst und Verwaltungskommissionen
eingesetzt. Neben den Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung schuf die
überstürzte Einführung der gesamten tschechoslowakischen
Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivil- und Strafrechts eine ungeheuerliche
Rechtsunsicherheit und Verwirrung. Paß- und Steuervorschriften erbitterten
die Bevölkerung. Das gesamte wirtschaftliche Leben kam zum Stillstand
und lag eine Zeitlang völlig darnieder. Es war zunächst für die
Hultschiner eine Unmöglichkeit, sich in wirtschaftlicher Hinsicht neu
einzurichten. Die tschechischen Behörden haben sich bis jetzt nicht im
geringsten darum gekümmert, den Hultschiner Landwirten, die ihre
Produkte ausschließlich in die oberschlesischen Industrien sandten, neue
Absatzmärkte zu erschließen. Die Steuerschraube wurde in
empfindlicher Weise angezogen. Die Eintragung von Zwangshypotheken war
keine Seltenheit. Auch heute noch zahlen die Bauern nur Steuervorschüsse,
die in ganz willkürlicher Weise festgesetzt sind. Kein Landwirt hat bis jetzt
einen endgültigen Steuerbescheid erhalten.Wer sich nur im geringsten
für die Erhaltung der deutschen Kulturgüter einsetzte, erlitt
wirtschaftlich schweren Schaden. Die Einbringung von Steuerrekursen wurde den
Landwirten nach Beseitigung der deutschen Amtssprache fast unmöglich
gemacht. Auch die Bodenreform wurde in den Dienst der
Tschechisierungsbestrebungen gestellt. Grund und Boden wurde nur den
Leuten gegeben, die ausdrücklich ihre tschechische Gesinnung durch
Beitritt zu einem tschechischen Verbande kundgaben. Die
Spar- und Darlehnskassen, die Ein- und Verkaufsgenossenschaften fanden infolge
der überstürzten Abtretung nicht mehr die notwendige Zeit, das in
Provinzialkassen angelegte Geld rechtzeitig abzuheben und in der Währung
des neuen Staates anzulegen. Die Folgen waren empfindlicher Geldmangel und
große Geldverluste bei den Schwankungen am Devisenmarkt.
In ganz auffallender Weise hat sich inzwischen die Lage der Arbeiterschaft
verschlechtert. Besonders schwer geschädigt wurden die nach Tausenden
zählenden Berg- [213] und Bauarbeiter, die im
oberschlesischen Industriegebiet arbeiteten. Durch den alle Wochen
geänderten Paßzwang, der mit Unkosten und schwersten
Zeitverlusten verbunden war, gerieten die Arbeiter in große Erregung, die
noch dadurch gesteigert wurde, daß man ihnen die deutschen Zeitungen
nahm. Noch heute arbeiten hunderte von Hultschinern im Hindenburger und
Beuthener Revier und liefern dafür den Beweis, daß die
wirtschaftlichen und sozial-kulturellen Verhältnisse des Ländchens
unmittelbar mit Oberschlesien verknüpft sind, und daß der
tschechische Arbeitsmarkt gar nicht imstande ist, die Hultschiner Arbeiter
aufzunehmen. Ganz empfindlich wurde durch die Abtrennung der
Hausiererhandel geschädigt. Die politischen Grenzen mit ihren
Verkehrshindernissen und Hemmungen legten sich zwischen den Wohnsitz der
Hausierer und das Einkaufs- und Absatzgebiet. Heute kann man von einem frisch
pulsierenden Wirtschaftsleben im Hultschiner Ländchen im Vergleich zum
Friedensstande überhaupt nicht sprechen.
In geradezu sinnloser Weise ist ein überaus wertvolles Stück
deutschen Bodens aus dem lebendigen Organismus des oberschlesischen
Wirtschaftskörpers herausgerissen worden. Oberschlesien bzw.
Deutschland ist durch die unberechtigte Losreißung des Hultschiner
Ländchens sehr schwer geschädigt worden. Die Tschechoslowakei
hat nur einen sehr geringen wirtschaftlichen Zuwachs zu verzeichnen. Vor allem
aber ist die Hultschiner Bevölkerung als leidtragender Teil der
wirtschaftlichen Verelendung preisgegeben. Der wirtschaftliche Niedergang des
Hultschiner Ländchens ist vor allen Dingen darauf
zurückzuführen, daß die tschechische Landesregierung in
Troppau und die Bezirkshauptmannschaft in Hultschin das geistige Streben und
wirtschaftliche Fortkommen der Bevölkerung mit den erdenklichsten
Methoden nationaler Unduldsamkeit zu erdrosseln bemüht sind. Es
unterliegt gar keinem Zweifel, daß die Hultschiner nur in Verbindung mit
dem deutschen Kulturkreise so hervorragende wirtschaftliche und kulturelle
Leistungen hervorbringen konnten. Die bisherige tschechische Verwaltungspraxis
geht dahin, jede geistige Regung der Hultschiner zu unterdrücken und die
Tschechisierung ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Kultur
durchzuführen. Daß die überwiegende Mehrheit der
Bevölkerung sich zur deutschen Nationalität bekennt, zeigte sich bei
der Mitte Februar 1921 durch die tschechische Regierung angeordnete
Volkszählung. Tausende von Personen wurden zur nachträglichen
Änderung ihrer Angaben bezüglich der Volkszugehörigkeit
gezwungen. Wer sich weigerte, die als deutsch angegebene Nationalität in
die tschechische umzuändern, wurde schwer bestraft. Die Gemeinde
Deutsch-Krawarn zahlte allein 36 000 Kronen Strafe. Durch Streichung in
den Listen wurde das deutsche Element auf 19,8% herabgedrückt, um auf
diese Weise dem Hultschiner Ländchen den Minderheitenschutz zu
entziehen und die deutsche Sprache auszurotten. In unzähligen
Interpellationen haben im Laufe der 5 Jahre die sudetendeutschen Abgeordneten
aller deutschen Parteien im Prager Parlament diese unerhörte und
beispiellose Vergewaltigung der freien Meinung und Entschließung [214] und die zahlreichen
Gewaltakte gebrandmarkt. Bis heute haben die Hultschiner nicht das Recht
erhalten, Abgeordnete und Senatoren für das tschechische Parlament zu
wählen, so daß die Bevölkerung gar nicht in der Lage ist, ihre
Rechte und Interessen durch eigene Abgeordnete verteidigen zu lassen.
Unvergeßlich ist in der Geschichte des Hultschiner Volkes der 16.
September 1923, an dem in allen großen Gemeinden die deutschen Parteien
bei den Gemeindewahlen als Sieger aus dem Wahlkampfe hervorgingen. Auch bei
den Nachwahlen, die auf Grund des tschechischen Einspruches stattfinden
mußten, wurde ein deutscher Sieg errungen. Der Völkerbund ist
bereits mehrmals auf die durch die Tschechoslowakei begangene Verletzung der
Minderheitenrechte aufmerksam gemacht worden. Der einfachste Mann in der
Hultschiner Bevölkerung ist von der Überzeugung durchdrungen,
daß es sich gerade in der Hultschiner Frage um eine außerordentliche
Verletzung aller Rechtsgrundsätze handelt. Die Hultschiner haben den
Beweis erbracht, daß sie den unbeugsamen Willen zur nationalen
Selbstbehauptung besitzen. Aufrecht und opferfreudig kämpfen und leiden
sie weiter für eine gerechte Revision des Versailler Friedensvertrages, die
ihnen die Selbstbestimmung und damit die Freiheit in wirtschaftlicher und
nationaler Beziehung bringen wird.
Es bleibt beim
"Unversöhnlich"!
Wie sehr es sich bei den Tschechen aller Richtungen um die Auflösung des
Volkstums der Minderheiten handelt und wie ihnen deren Einverleibung in das
Staatsgebiet noch lange nicht genügt, möchten wir zum Schlusse mit
drei Äußerungen aus tschechischem Munde belegen, die alle
Hoffnungen auf eine friedliche Lösung der Nationalitätenfrage
zunichte machen.
Die erste entstammt dem Jahresbericht der "Národní jednota
pro západní a jižní Moravu" (dem
Schutzverein für das westliche und südliche Mähren), den der
Hauptsekretär dieses Vereins, Dr. Ladislaus Pallier, auf der 39.
Hauptversammlung im deutschen Auspitz erstattet hat, das an der Spitze der
Tschechisierungsliste für das deutsche Südmähren steht. In
dem Berichte heißt es:
"Durch die Oktoberrevolution haben wir
vorläufig nur den halben Kampf gewonnen. Wir müssen
daran arbeiten, die Wirtschaft zu beherrschen. Unser Befreiungswerk ist noch
nicht vollendet. Die Grenzstreifen müssen national so gestärkt
werden, daß sie in jedem Fall ein sicheres tschechisches Gebiet darstellen.
Sie müssen vom tschechischen Element bewacht und national durchmischt
werden. Es ist nicht nötig, zu befürchten, daß in diesem oder
jenem unserer Unternehmen etwas von Unterdrückung wäre. Jeder
Staat hat doch sein Recht, mit legalen Mitteln seine Grundlagen zu festigen,
besonders aber die Grenzen und Verbindungen des Landes. Es ist eine
höchst gerechte Forderung, wenn wir für das gemischte deutsche
Gebiet nur tschechische Beamte und Angestellte verlangen. Es ist doch so die
Garantie gegeben, daß dadurch [215] die Interessen des
Staates jederzeit gewahrt werden. Aber ebenso gerecht ist die Forderung,
daß diesen Beamten und Angestellten Wohnungen gesichert werden und
daß der tschechische Mensch im deutschen Gebiet wirtschaftlich
gestärkt und vom deutschen Mitbürger unabhängig gemacht
wird, indem er von den Großgrundbesitzen Boden erhält. Das sind
die Hauptpunkte, die in die stete Forderung ausklingen, daß die Regierung
immer und überall den tschechischen Charakter unserer Republik wahrt,
daß sie eifersüchtig darüber wacht, daß selbst die
geringsten Rechte der tschechischen Grenzhüter bis ins kleinste gewahrt
und kein Opfer zur Unterstützung gescheut wird. Es geht nicht um heute
und morgen; es geht um die Zukunft unseres jungen Staates".
Anmerkungsweise sei beigefügt, daß dieser Tschechisierungsverein vom
Präsidenten Masaryk im Jahre 1924 laut Ausweis mit
18 000 Kr. unterstützt wurde.
Die zweite Äußerung stammt aus dem Munde des tschechischen
Abgeordnete Fr. Sis, der im November 1925 in einer Wählerversammlung
die Meinung der tschechischen Sozialdemokraten über die
Nationalitätenfrage mit folgenden Worten umschrieb:
"Erst wenn die
Deutschen diesen Staat anerkennen, und zwar als tschechoslowakischen
Nationalstaat, in dem sie nur das Recht von Minderheiten haben (vergleiche dazu
den Schlußsatz!), erst wenn sie alle Konsequenzen der Administrative und
der Sprache, welche daraus erfließen, anerkennen, insbesondere, daß
wir ein Nationalstaat sind, der nach den Friedensverträgen fertiggestellt ist,
damit wir unsere volle nationale, wirtschaftliche und kulturelle Freiheit
hätten, erst wenn die Deutschen in der Tschechoslowakei nichts anderes
wollen, als was sie in anderen Staaten haben, wo sie als Minderheiten leben, erst
wenn sie einfach erklären, daß sie bereit sind, für den
nationalen tschechischen Charakter dieses Staates zu arbeiten, dann können
wir sie überall und zu jeder Arbeit nehmen."
Schärfer als dieser programmäßig "internationale Politiker" hat
niemand die allgemeine Überzeugung des tschechischen Volkes zum
Ausdruck gebracht.
Es bleibt dabei eine der merkwürdigsten psychologischen Tatsachen,
daß es so gut wie niemandem unter den tschechischen Führern
auffällt, daß gerade in diesem blinden und unbilligen Festhalten an
den Vorteilen einer augenblicklichen europäischen Konjunktur der Keim
zum sicheren Untergang des tschechoslowakischen Staates liegen könnte.
Auch der Außenminister Benesch (und damit beziehen wir uns auf die dritte
Äußerung) begnügte sich in seiner Rede im
Außenausschuß vom 31. Oktober 1925 mit einer bloßen
Drohung gegen die Minderheiten:
"Es ist nötig, daß auch bei uns
im Innern von allen Klassen und Nationen, besonders aber von den
Deutschen, aus dem Friedensvertrag von Locarno die richtigen
Konsequenzen gezogen werden. Ich zweifle nicht, daß die neue
internationale Konsolidierung allen, die noch Illusionen gehegt haben, diese
Illusionen [216] nehmen werden.
Ich glaube, daß ich nicht lange auseinander zu setzen brauche, was das
bedeutet!"
Aber Herr Benesch, Minister der tschechoslowakischen Republik, irrt, wenn er die
Illusionen nicht unter die realsten Mächte einreiht, mit denen sich seine
Politik zu beschäftigen hat. Er sorgt sich als ein ehrlicher Freund seines
Volkes; aber er erkauft dessen augenblicklichen Vorteil um den unausrottbaren
Haß seiner vergewaltigten Nachbarn. Der kluge Mann glaubt, ihm inmitten
wogender Wellen eine sichere Insel bauen zu können, doch ohne daran zu
denken, daß nur die freundliche Gesinnung der Nachbarvölker die
Wohlfahrt des seinigen gewährleisten kann.
Es ist ein Charakterzug der Tschechen, daß sie, wie ihre Geschichte zeigt,
noch jedesmal, wenn sie die politische Macht im Lande besaßen, ihre Kraft
überspannt haben. Die Tschechen haben ihren Staat auf Gewalt gebaut und
die Minderheiten hineingepreßt. Sie bemühen sich, ihnen ihr
Volkstum zu nehmen. Sie entziehen ihnen die Lebenslust, indem sie sie kulturell
unterdrücken. Sie zertrümmern ihren Volkszusammenhang; sie
nehmen ihnen den Boden; sie rauben ihnen ihre Heimat. Sie haben eine
maßlose Erbitterung gesät, die den politischen Ausgleich verhindern
wird, wenn die Reihe, ihn zu suchen, an das tschechische Volk kommt. Sie haben
sich selber Lügen gestraft, selber gegen ihre jahrzehntelangen Beschwerden
Zeugnis gegeben. Sie haben nicht das Recht, sondern die Macht gesucht. Ihre
bitteren Klagen haben nicht aus der Sehnsucht gestammt, sich selber zu leben; sie
haben die Gier zur Mutter gehabt. Sie haben endlich die Macht erlangt, aber
darüber die sittliche Berechtigung, sie zu verwenden, verloren.
Damit sind die Tschechen in einen neuen Abschnitt ihrer Geschichte
getreten. Der moralische Ansporn, den sie unter Österreich
besaßen, hat seine Kraft verloren. Schon meldet sich auf allen Linien der
geistige und sittliche Verfall. Die Tschechen besitzen weder einen Dichter, der die
Zeit ihrer Macht besingen könnte, noch einen bildenden Künstler,
Musiker oder Denker und Mahner, der ihnen den Weg weisen würde. Nicht
das innerlich Kulturmächtige, sondern nur das Zivilisatorische, die
Organisation, der Apparat, die Mache steht in Blüte. Schon klagen die
Alten über die nationale Lässigkeit und Gleichgültigkeit der
Jugend, während der "Feind" sich besinnt, sich
zusammenzuschließen anfängt, sein Sinnen und Trachten auf die
Freiheit richtet, an seiner Einigkeit arbeitet. Die Rollen sind vertauscht; das Spiel
kann wieder von neuem beginnen!
Wer vermag zu sagen, wie lange es dauern wird? Ob Jahrzehnte oder vielleicht
Jahrhunderte? Unenträtselbar liegt die Geschichte der Völker im
Schoße der Zukunft. Nur das Eine ist gewiß, daß das
schwächste Recht das stärkste Unrecht zerfrißt. Auch das
gewaltigste Gebirge sinkt vor Wind und Welle in Schutt und Grieß
zusammen.
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