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Bd. 3: Die
grenz- und volkspolitischen Folgen
des Friedensschlusses
IV. Gebietsverlust durch erzwungene Abtretung
oder Verselbständigung (Teil 4)
4) Hultschin
Dr. Reinhold Weigel
Regierungsdirektor, Oppeln
Das Hultschiner Ländchen im südlichen Teile des Kreises Ratibor ist
nach Artikel 83
des Versailler
Friedensdiktates ohne jede Volksabstimmung der
Tschechoslowakei zugesprochen und am 4. Februar 1920 von der
Tschechoslowakei in Besitz genommen worden. Die Grenze ist in dem
Friedensvertrage derart bestimmt, daß von einem Punkte der Kreisgrenze
etwa 2 km südöstlich von Katscher eine westlich von Kranowitz
verlaufende Linie nach einem Punkte an der Oder hart südlich an der
Eisenbahnlinie
Ratibor-Oderberg führt. Das abgetretene Gebiet ist 333 qkm groß und
zählt in 38 Gemeinden 50 513 Einwohner. Den Mittelpunkt des
Ländchens bildet die Stadt Hultschin mit 4357 Einwohnern. In
wirtschaftlicher Hinsicht kann man das Hultschiner Ländchen als ein
Agrarland mit starkem industriellem Einschlag bezeichnen. Von
ausschlaggebender Bedeutung für das ganze Gebiet sind die
Steinkohlengruben in Petershofen mit einer Belegschaft von 2744 Mann. Die
Förderung betrug im Jahre 1918 696 300 Tonnen. In besonders hoher Kultur
befindet sich die Viehwirtschaft des Hultschiner Ländchens. Die
Großgrundbesitzer, vor allem die Lichnowskysche Herrschaft Kuchelna und
die beiden Rothschildschen Herrschaften Beneschau und Schillersdorf, gingen
führend in der Feldbestellung, Viehhaltung und musterhaften
Wirtschaftsführung voran. Die Flachsfabrik in Kuchelna, eine der
größten in Europa, verarbeitete jährlich 128 000 Zentner Flachs.
Durch die Abtretung wurde die deutsche Leinenindustrie besonders schwer
geschädigt. Auffallend groß ist im Hultschiner Ländchen der
Waldbestand mit 5200 Hektar Waldfläche in großen
zusammenhängenden Forsten, die einen entsprechenden Holzertrag lieferten.
Durch die Abschnürung der Hultschiner Wälder von ihrem
natürlichen Absatzgebiet wurde die oberschlesische Industrie in
empfindlicher Weise geschädigt. Eine Eigentümlichkeit sind die
Maurer- und Hausiererdörfer
Deutsch-Krawarn, Kauthen, Bolatitz, Schepankowitz, deren Einwohner
während des Sommers nach Berlin, Hamburg, Dresden und den westlichen
Großstädten auf Maurerarbeit gingen oder als Hausierer in ganz
Deutschland und Teilen Österreichs herumzogen. [306] Hinsichtlich der beruflichen Gliederung sind
etwa zwei Drittel der Bevölkerung mit ihren Angehörigen in der
Land- und Forstwirtschaft tätig, während ein Drittel im Bergbau und
in der Industrie beschäftigt ist. Die glückliche Verbindung von
Industrie und Landwirtschaft förderte in auffallender Weise das soziale
Wohl der Bevölkerung.
Die Hultschiner sind ein biederes, aufgewecktes, gemütreiches und
wanderlustiges Volk. Geistige Regsamkeit, Fleiß, Einfachheit, Sparsamkeit
und besonders Heimatliebe kennzeichnen den Volkscharakter. Als Haussprache
sprechen die Hultschiner die mährische Mundart. Tschechische Literatur war
im Hultschiner Ländchen niemals vorhanden. Den Hultschinern war es
unbequem, Unterhaltungen, die über den Rahmen eines alltäglichen
Gespräches hinausgehen, mährisch zu führen. Die Leute selbst
benutzten bei ihren geschäftlichen Rücksprachen mit Vorliebe die
deutsche Sprache, weil sie sich damit leichter verständlich machen konnten.
Dies hatte dazu geführt, daß nicht nur die jüngere, sondern auch
die Bevölkerung mittleren Alters die deutsche Sprache vollständig
beherrschte, leicht und gern anwandte und sich mehr und mehr darauf
beschränkte, das Mährische nur im häuslichen Verkehr zu
verwenden. Irgendeine Hinneigung zur tschechischen Bevölkerung jenseits
der österreichischen Grenze bestand vor dem Kriege nicht. Zu keiner Zeit
bestand im Hultschiner Ländchen eine tschechische Partei, die etwa den
Anschluß an die Tschechoslowakei erstrebt hätte. Mit der deutschen
Sprache und Kultur war im Hultschiner Ländchen auch deutsches
Fühlen und Denken bei der Bevölkerung in ungeahnt starker Weise
eingezogen. Tradition, Geschichte und Erinnerungen sind untrennbar mit dem
Deutschen Reiche verknüpft. Seine ganze Entwicklung in geistiger und
wirtschaftlicher Hinsicht verdankt das Hultschiner Ländchen
ausschließlich deutscher Führung und deutscher Arbeit.
Darum ging ein einziger Schrei ehrlicher Entrüstung und Empörung
durch die Bevölkerung des schönen Oppalandes, als die Abtretung des
Hultschiner Ländchens Anfang des Jahres 1919 bekannt wurde. Mit
Zähigkeit und Ausdauer führten die Hultschiner bis zur Abtretung des
Ländchens den Kampf um das Selbstbestimmungsrecht. In der Stadt
Hultschin und in allen Dörfern fanden Protestkundgebungen
allergrößten Umfanges statt, die unmittelbar aus dem Volke heraus
und ohne jede amtliche Beeinflussung entstanden. Die Hultschiner legten in der
Öffentlichkeit des
In- und Auslandes Verwahrung dagegen ein, daß sie wie eine Ware
verschachert werden sollten. Sie waren entrüstet über das schwere
Unrecht, das ihnen durch die Vorenthaltung des vom Präsidenten Wilson
verkündeten und gewährleisteten Selbstbestimmungsrechtes
zugefügt werden sollte. Sie wiesen ständig mit allem Nachdruck
darauf hin, daß ihnen völlig unbegründet das Recht
abgesprochen würde, durch eine freie [307] Abstimmung über ihre zukünftige
Staatszugehörigkeit selbst zu bestimmen. Der Verfasser veranstaltete eine
freiwillige Volksabstimmung, bei der 93,7% der Bevölkerung sich
innerhalb zwei Tagen für das Verbleiben beim Deutschen Reich
erklärte und gegen die Vorenthaltung des Selbstbestimmungsrechtes und die
Zurücksetzung gegenüber der übrigen Bevölkerung
Oberschlesiens Einspruch erhob. Fürst Lichnowsky, der frühere
deutsche Botschafter in London, bat den englischen Staatssekretär des
Äußeren Balfour in einem dringenden Telegramm, den Hultschinern
das Selbstbestimmungsrecht zu erwirken. Der Kreisausschuß Ratibor wandte
sich am 9. Juli 1919 mit mehreren Denkschriften an die alliierten Mächte.
Die Hultschiner Frauen sandten einen Protest an die Frauen der ganzen Welt und
baten den Papst um Unterstützung in der Erlangung des
Selbstbestimmungsrechtes. Die Belegschaft der Kohlengruben von Petershofen
versicherte mehr als einmal in Massenversammlungen ihre Treue zum Deutschen
Reiche. Der Verfasser führte weiterhin zahlreiche Deputationen, deren
Teilnehmer sich aus allen Schichten der Bevölkerung zusammensetzten,
zum amerikanischen Geschäftsführer Dyer, zum Vorsitzenden der
Interalliierten Kommission in Berlin General Dupont, zum Leiter der für
Oberschlesien bestimmten Militärkommission Oberst Tidbury, nach Prag
zum Präsidenten Masaryk, zum damaligen Ministerpräsidenten Tusar
und Minister des Äußeren Dr. Benesch, klärte alle
maßgebenden Stellen über die wirtschaftlichen, sozialen und
nationalpolitischen Verhältnisse im Hultschiner Ländchen auf und
begründete eingehend die Forderung des Selbstbestimmungsrechtes.
Schließlich suchte der Verfasser noch Anfang 1920 in Paris durch
aufklärende Informationen die entscheidenden Verhandlungen zu
beeinflussen. Immer und immer wieder muß festgestellt werden, daß
sich die treudeutschen Hultschiner niemals mit dieser ungewollten Vorenthaltung
des Selbstbestimmungsrechtes einverstanden erklärt, sondern ständig
schwere Anklagen gegen die interalliierten Staatsmänner erhoben haben, die
in äußerst leichtfertiger Weise die Hultschiner Frage ohne Kenntnis
der eigenartigen nationalpolitischen Verhältnisse entschieden haben. Gerade
in der Hultschiner Frage handelt es sich um eine außergewöhnliche
Verletzung aller völkerrechtlichen Grundsätze.
Einen geradezu erbitterten Kampf um das Verbleiben bei Deutschland
mußten die drei Dörfer Haatsch, Owschütz und Sandau
führen. Nach Artikel 83
des Friedensvertrages sollte eine aus sieben
Mitgliedern bestehende Kommission, und zwar fünf Mitglieder der
Alliierten und Assoziierten Mächte, ein Pole und ein Tschechoslowake, 14
Tage nach Inkrafttreten des Friedensvertrages an Ort und Stelle die Grenze
zwischen Polen und der Tschechoslowakei festlegen. Die im Vertrage bestimmte
Grenzfestsetzung zwischen Polen und der [308] Tschechoslowakei und die Ernennung des
polnischen Mitgliedes der Grenzkommission ist ein sehr anfechtbarer Punkt des
Friedensvertrages. Trotz der erdenklichsten nationalen Willenskundgebungen
wurden die Dörfer Haatsch am 19. Dezember 1922 und Sandau am 14.
März 1923 durch die neugebildete Grenzregulierungskommission, an deren
Verhandlungen dann ein deutscher Delegierter beteiligt war, der Tschechoslowakei
zugesprochen. Auch diese Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes muß
wieder gutgemacht werden.
Die Hultschiner haben ständig Rechtsverwahrung gegen das begangene
Unrecht eingelegt und die Forderung nach nachträglicher Gewährung
des Selbstbestimmungsrechtes erhoben. Nach der Abtrennung hofften die
Hultschiner auf Grund der zahlreichen Versprechungen und Kundgebungen der
tschechischen Regierungsorgane, die Tschechoslowakei werde den mit den
Ententehauptmächten geschlossenen Minoritätenvertrag vom 10.
September 1919 zur Anwendung bringen und das okkupierte Gebiet nach den
Grundsätzen der Freiheit und Gerechtigkeit verwalten. Die Hoffnungen auf
die gemachten Versprechungen wurden arg enttäuscht. Die von den
tschechischen Verwaltungsorganen in schärfster Form betriebene
"Rücknationalisierung" verursachte in der ersten Zeit große Erregung
in der gesamten Bevölkerung, die bis zum heutigen Tage ihre treudeutsche
Gesinnung nie verleugnet hat. In wirtschaftlicher Hinsicht wirkte die Abtrennung
geradezu verhängnisvoll. Die tschechoslowakischen Behörden
kümmerten sich nicht darum, den Hultschiner Landwirten, die ihre Produkte
ausschließlich in die oberschlesischen Industriegemeinden gesandt hatten,
neue Absatzmärkte zu erschließen. Die Steuerschraube wurde in
empfindlicher Weise angezogen. Die Einbringung von Steuerrekursen wurde den
Landwirten nach Beseitigung der deutschen Amtssprache fast unmöglich
gemacht.
Auch die Bodenzuteilungsreform wurde in den Dienst der
Tschechisierungsbestrebungen gestellt. Der Großgrundbesitz wurde durch
die politische Grenzziehung zerrissen. Besonders geschädigt wurden die
Berg- und Bauarbeiter, die bisher im oberschlesischen Industriegebiet gearbeitet
hatten und nun durch die Abtretung des Ländchens ihrer Arbeitsstelle
verlustig gingen. Der Handel verlor seine Beziehungen zu deutschen Firmen und
fand nicht schnell genug neue
Absatz- und Bezugsgebiete. Die Spar- und Darlehnskassen fanden infolge der
überstürzten Abtretung nicht mehr die Zeit, das in den
Provinzialkassen angelegte Geld rechtzeitig abzuheben und in der Währung
des neuen Staates anzulegen. Heute kann man von einem frisch pulsierenden
Wirtschaftsleben im Vergleich zum Friedensstande nicht sprechen. Während
Deutschland durch das unberechtigte Herausreißen eines überaus
wertvollen Stückes deutschen Bo- [309] dens aus dem lebendigen Organismus des
oberschlesischen Wirtschaftskörpers schwer geschädigt worden ist,
hat die Tschechoslowakei, die das Hultschiner Ländchen für die
Volksernährung in keiner Weise braucht, nur einen geringen
wirtschaftlichen Zuwachs zu verzeichnen.
Vor allem aber ist die Hultschiner
Bevölkerung als leidtragender Teil der wirtschaftlichen Verelendung
preisgegeben. Das gesamte Wirtschaftsleben wurde nach der Abtretung politisiert.
Wer sich nur in der geringsten Weise für die Erhaltung der deutschen
Kulturgüter einsetzte, erlitt wirtschaftlich schweren Schaden. Die
Hultschiner haben bis jetzt einen geradezu bewunderungswürdigen Kampf
um die politischen und kulturellen Rechte geführt. Bis in die letzte Zeit
hinein hat die Tschechoslowakei den Hultschinern alle staatsbürgerlichen
Rechte vorenthalten und den im Jahre 1920 über den Bezirk Hultschin
verhängten politischen Ausnahmezustand auch heute noch nicht aufgehoben.
Sämtliche selbstgewählten Gemeindevertretungen wurden ohne
jegliche Befragung der Bevölkerung aufgelöst. Neben den Eingriffen
in die kommunale Selbstverwaltung schuf die überstürzte
Einführung der gesamten tschechoslowakischen Gesetzgebung auf dem
Gebiete des Zivil- und Strafrechts eine ungeheuerliche Rechtsunsicherheit und Verwirrung. Die
Versammlungsfreiheit wurde unterbunden. Verhaftungen, Haussuchungen,
Grenzschikane, Übergriffe der tschechischen Beamten,
Geld- und Freiheitsstrafen kennzeichneten die neue Herrschaft. Bereits am 20. Juni
1920 protestierten in einer Interpellation im Prager Parlament die
sozialdemokratischen Abgeordneten Jokl, Heeger und Haas gegen die Gewaltakte
im Hultschiner Ländchen.
Daß die überwiegende Mehrheit der
Bevölkerung sich zum Deutschtum bekannte, zeigte sich bei der am 16.
Februar 1921 angeordneten Volkszählung. Tausende von Personen wurden
zur nachträglichen Änderung ihrer Angaben bezügl. ihrer
Volkszugehörigkeit gezwungen. Wer sich weigerte, die als deutsch
angegebene Nationalität in die tschechoslowakische umzuändern,
wurde schwer bestraft. Die Gemeinde
Deutsch-Krawarn zahlte allein 36 000 Kc. Strafe. Durch Streichung in den Listen
wurde das deutsche Element auf 19,8%, herabgedrückt, um auf diese Weise
dem Hultschiner Ländchen die Minderheitsschutzgesetzgebung zu entziehen
und die deutsche Amtssprache auszurotten. Am 3. März 1921 brandmarkten
die sudetendeutschen Abgeordneten die Vergewaltigung der freien
Entschließung und die Fälschung der Zählergebnisse. Erst Mitte
des Jahres 1923 wurden zum erstenmal die Gemeindewahlen ausgeschrieben, die
am 16. September 1923 trotz der großen Wahlbeeinflussung den deutschen
Parteien einen überwältigenden Sieg brachten. Auch das Ergebnis der
Neuwahlen am 16. März 1924 war für die tschechischen Parteien
vernichtend. Besonders bemerkenswert war der Wahlerfolg [310] der deutschen Parteien trotz des Verbotes
deutscher Wahlversammlungen und der Verbreitung deutscher Flugblätter
bei den ersten Parlamentswahlen im Hultschiner Ländchen am 15.
November 1925. Für die deutschen Parteien wurden 14 990 Stimmen
abgegeben. Die tschechischen Parteien erhielten 8037, die Kommunisten 1207
Stimmen. Auf die deutschen Parteien entfielen demnach 61,64% aller abgegebenen
Stimmen. Am 17. Dezember 1925 forderten die sudetendeutschen Abgeordneten in
einer Interpellation erneut die Aufhebung des politischen Ausnahmezustandes. Die
Gemeindewahlen in 20 Gemeinden am 16. Oktober 1927 führten zu einer
Befestigung des deutschen Einflusses in den Gemeindeparlamenten.
Wohl der
schwerste Schlag wurde vor kurzem der Hultschiner Bevölkerung durch die
politische Aufteilung des Hultschiner Ländchens zugefügt, indem ein
Teil abgetrennt und dem politischen Bezirk
Troppau-Land zugeteilt wurde. Trotz der Zerreißung der Einheit des
Hultschiner Ländchens errangen am 2. Dezember 1928 die Hultschiner bei
den Wahlen in die
Landes- und Bezirksverwaltung einen gewaltigen Wahlsieg. Von ungefähr
25 000 Stimmen wurden nicht weniger als 14 200 Stimmen für die deutschen
Listen abgegeben. Bei den Parlamentswahlen am 27. Oktober 1929 erhielten die
deutschen Parteien 12 734 Stimmen, die tschechischen Parteien 8978 Stimmen und
andere nichttschechische Parteien 1163 Stimmen. In dem historischen Hultschiner
Ländchen beträgt demnach der Anteil der Deutschen 55,70% und der
Tschechen 39,2%. In den an den Troppaulandbezirk abgetretenen zwölf
Gemeinden des Hultschiner Ländchens wurden aber über 4000
deutsche Stimmen abgegeben, so daß die diesmal erreichte Stimmenzahl der
deutschen Parteien das schon günstige Ergebnis der früheren Wahlen
noch übertrifft. Die Hultschiner, die auch heute noch unter dem politischen
Ausnahmezustand leben müssen, führen demnach einen erbitterten
Kampf um die politische Gleichberechtigung.
In besonders schlimmer Weise wird
die Rücknationalisierung von tschechischer Seite auf kulturellem Gebiete
betrieben. Die tschechische Regierung stellte sich einfach auf den Standpunkt,
daß die Bevölkerung des Hultschiner Ländchens slawischen
Blutes sei und daher tschechisiert werden müsse. Sämtliche deutsche
Schulen, mit Ausnahme der beiden deutschen Schulen in Zauditz und
Thröm, wurden geschlossen, obwohl die Gemeinden des Hultschiner
Ländchens durch schriftliche Eingaben und durch Deputationen die
Beibehaltung der deutschen Schulen oder wenigstens die Möglichkeit zur
gründlichen Erlernung der deutschen Sprache gefordert hatten. Die
Bevölkerung gab sich mit der Erdrosselung des deutschen Schulwesens
nicht zufrieden und trat spontan in den Schulstreik ein. Die
Bezirkshauptmannschaft in Hultschin bekämpfte den Schulstreik mit
drakonischen Maßnahmen und löste den zum Schutz der
Bevöl- [311] kerung vor der Abtrennung am 15. Januar 1920
gegründeten
deutsch-mährischen Volksbund auf, der besonders für die Erhaltung
der deutschen Schulen gekämpft hat. Durch Verordnung vom 4. Mai 1920
wurden die Vorschriften des Reichsvolksschulgesetzes über die Errichtung
von Privatschulen für das Hultschiner Ländchen außer Kraft
gesetzt. Auch Minderheitsschulen wurden nicht anerkannt. Vergebens wandten
sich Deputationen an das Ministerium für Kunst und Volksaufklärung
in Prag. Vergebens waren die zahlreichen Interpellationen der deutschen Parteien.
Am 24. Juni 1928 überreichte der Senator Franz Scholz dem
Präsidenten Masaryk eine Denkschrift, in der die Forderungen der deutschen
Hultschiner auf Errichtung deutscher Volksschulen eingehend begründet
wurden. Es ist von internationaler Bedeutung, daß die Behinderung der
Aufnahme von Hultschiner Kindern in den Troppauer Schulen, die
Unterdrückung des deutschen Privatunterrichts, die Bestrafung der Eltern,
die ihren Kindern deutschen Privatunterricht erteilen ließen, durch die
Erkenntnisse des Obersten Verwaltungsgerichts vom 18. Januar 1923, 19.
Dezember 1925, 20. April 1927, 27. Oktober 1927 und 31. Januar 1928 als
ungesetzlich bezeichnet wurden. Die tschechoslowakischen Behörden haben
also in der Schulfrage eine schwere Niederlage erlitten. Die bisherige tschechische
Verwaltungspraxis ging dahin, jede geistige Regung der Hultschiner zu
unterdrücken und die Tschechisierung ohne jede Rücksicht auf
Wirtschaft und Kultur durchzuführen. Bereits am 14. August 1922 richteten
die eingeborenen Vertreter des Hultschiner Ländchens eine eingehende
Denkschrift und einen Appell an den Völkerbund, worin auf die
Drangsalierungen hingewiesen und gebeten wurde, zur Prüfung der
Beschwerden der Bevölkerung eine internationale
Prüfungskommission zu entsenden.
Auf Grund ihrer nationalen Selbstbehauptung bleiben die Hultschiner fest
eingegliedert in die deutsche
Kultur- und Schicksalsgemeinschaft. Die Zweisprachigkeit ändert nichts an
ihrer deutschen Kultureinstellung. Die Hultschiner glauben unbeugsam und
hoffnungsvoll an den Tag der gerechten Revision des Friedensvertrages, der ihnen
die Selbstbestimmung und damit die Freiheit in nationalpolitischer und
wirtschaftlicher Beziehung bringen wird.
Schrifttum
A. Weltzel, Die Besiedelung des nördlich der Oppa gelegenen Landes. 2
Teile. Leobschütz 1890/91, Verlag C. Kothes Erben.
R. Weigel, "Das
Hultschiner Ländchen." Aus Oberschlesien, ein Land deutscher
Kultur, Gleiwitz 1921,
S. 79-82.
R. Weigel, Das Wirtschaftsleben im
Hultschiner Ländchen. Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer
Oppeln, Jahrgang [312] 30, 1924 und Jahrgang 31, 1925.
R. Weigel, Die Hultschiner im Kampf um
Selbstbestimmungsrecht und Erhaltung des
Deutschtums. Deutsche Welt 1926. Heft 5 und 6
(Schlesien-Heft).
R. Weigel, Die Hultschiner und ihr Kampf um die deutsche Schule. Deutsche
Arbeit 1926, Heft 6.
P. Miketta, Die wirtschaftlichen Verhältnisse im
Hultschiner Ländchen. Diss. Breslau 1922.
L. Dubowy, Die sozialen
Verhältnisse im Hultschiner Ländchen. Diss. Breslau 1923.
Ch. Thilo, Die Bevölkerung-, Siedlungs- und Wirtschaftsverhältnisse
im Hultschiner Ländchen. Beiträge zur Schles. Landeskunde,
Breslau 1925.
J. Slany, Parlaments- und Pressestimmen über das
Hultschiner Ländchen. Verlag Drechsler, Troppau. 1928.
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