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Der grenzdeutsche Gürtel (Teil 10, Forts.)

Das Sudetendeutschtum
und die Deutschen in der Slowakei (Teil 3)

Die Slowakei und ihr Deutschtum

Die Tschechoslowakische Republik setzt sich, wie schon ihr eigentümlicher Name andeutet, aus zwei verschiedenen Teilen zusammen: der Tschechei und der Slowakei. Auch im Slowakenlande, das abgesehen von dem touristisch modern gewordenen Gebirgsgebiet der Hohen Tatra ein beinahe unbekannt gebliebener Teil Europas ist, blickt das Deutschtum auf eine mehr als zweitausendjährige Vergangenheit zurück. Im ganzen ist der slowakische Staatsteil, einschließlich der dazu geschlagenen, nicht von Slowaken, sondern von Madjaren bewohnten Teile von Ober-Ungarn, ziemlich genau so groß wie Böhmen, mit einer Einwohnerzahl von 3 Millionen. Nach der Zählung von 1921, die unter starkem tschechischen Druck stattfand, waren davon Slowaken rund 2 Millionen, Madjaren rund 640 000, Deutsche rund 140 000; der Rest waren Ukrainer, Polen, Juden und Ausländer. Bei der Zählung von 1910, zur ungarischen Zeit, ließen sich rund 900 000 Bewohner als Madjaren und rund 200 000 als Deutsche eintragen. Es ist anzunehmen, daß seit 1910 in Wahrheit weder die Zahl der Madjaren noch die der Deutschen geringer geworden ist.

Zur Zeit, da die Markomannen in Böhmen herrschten, saßen ihre Verwandten, die Quaden, nicht nur in Mähren, sondern auch in der heutigen Slowakei. Im 9. Jahrhundert bildete sich in Mähren vorübergehend ein starkes slawisches Fürstentum, das auch die Slowakei umfaßte. Der mächtigste Mährenfürst war der Herzog Swatoplok, nach dessen Tode das groß-mährische Reich den Madjaren erlag. Diese ließen sich aber nur im Tieflande der Donau und Theiß nieder und ließen die slawische Bevölkerung ungestört, bis auf die Tributpflicht, im Gebirgslande sitzen. Zeitweilig gehörte die Slowakei auch zu Polen; seit der Mitte des 11. Jahrhunderts aber ständig zu Ungarn.

Kremnitzer Sprachinsel, Trachtenbild

[220b]
      Kremnitzer Sprachinsel,
Trachtenbild.
Im Mittelalter zog sich ein breiter Streifen deutscher Siedlungen vom südlichen Rande der Karpathen bei Preßburg über das niederungarische Bergland bis nach der Zips und über das heute sogenannte Karpathenrußland bis nach Siebenbürgen. Von diesem deutschen Siedlungsgebiet sind heute, von ganz versprengten kleinen Minderheiten abgesehen, noch drei größere Reste vorhanden: Preßburg und Umgebung; die deutsche Sprachinsel von Kremnitz und Deutsch-Proben, zu der auch die deutschen Orte Hochwies und Pila hinzuzuzählen sind; endlich die Zips am Fuß der Hohen Tatra. Wir werden die geschichtliche Entwicklung des Deutschtums in diesen Gebieten in einem späteren Kapitel, im Rahmen des alten [170] Ungarn, etwas näher behandeln, weil das ungarländische Deutschtum viele Jahrhunderte lang dem ungarischen Staate angehört hat und die historischen Zusammenhänge nur von hier aus deutlich gemacht werden können. An dieser Stelle beschränken wir uns in der Hauptsache auf die gegenwärtig in Betracht kommenden statistisch-geographischen Daten.

Preßburg hat jetzt rund 100 000 Einwohner. Davon sind ein Drittel Deutsche, die übrigen sind überwiegend Madjaren. Trotzdem ist Preßburg die Hauptstadt der Slowakei geworden, und die Prager Regierung ist bemüht, hier einen großen Donauhafen und einen Hauptumschlagplatz für den tschechoslowakischen Handel zu schaffen. In der Umgebung von Preßburg finden wir Reste des früher viel stärkeren Deutschtums. Im Mittelalter war der Ost- und Westabhang der Kleinen Karpathen bis über die Fuggerburgen Blassenstein und Bibersburg hinaus stark deutsch besiedelt, und die Städte Tyrnau, Wartberg, Skalitz, Neutra usw. hatten eine überwiegend deutsche Bevölkerung. Heute gibt es nur noch einen rein deutschen Ort in den Kleinen Karpathen, Limbach, das durch seinen Wein berühmt ist. Die Ortschaften am östlichen Gebirgshang haben nur noch deutsche Minderheiten. Auf der sonst rein madjarischen Schüttinsel der Donau liegen mehrere deutsche Orte dicht bei Preßburg; außerdem noch neun ganz deutsche Gemeinden in der engsten Umgebung der Stadt. Im übrigen ist das bodenständige Deutschtum in dieser Gegend fast gänzlich verschwunden. Was noch vorhanden ist, hat aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen gute Aussicht sich zu halten und zu stärken, denn es sind verheißungsvolle Anzeichen für das Erwachsen eines deutschen Volksbewußtseins vorhanden.

Kremnitz, Marktplatz

[220a]
      Kremnitz, Marktplatz.
Die Sprachinsel von Kremnitz und Deutsch-Proben mit ihren Nebengebieten zählt heute etwa 42 000 Deutsche. Davon entfallen auf das Deutsch-Probener Gebiet elf deutsche Orte mit über 15 000 Seelen, auf das Kremnitzer, ohne die überwiegend slawisierte Stadt Kremnitz, ebenfalls elf Orte mit über 17 000 und auf das unmittelbar benachbarte Hochfließ etwa 6000 Deutsche. Der Rest wohnt in Gestalt kleiner Minderheiten in slowakischen Ortschaften. Im Gegensatz zur deutschen Bevölkerung des Preßburger Gebiets und der Zips sind die Kremnitzer und Deutsch-Probener - nicht durch eigene Schuld - wirtschaftlich und kulturell einigermaßen verarmt und infolge der Abschnürung von ihren früheren Arbeitsgebieten in Ungarn, die sie als Saisonarbeiter aufzusuchen pflegten, in Not geraten.

Deutsch-Litta bei Kremnitz
[220a]      Deutsch-Litta bei Kremnitz.
Deutsches Bauernhaus in der Kremnitzer Gegend
[220a]      Deutsches Bauernhaus
in der Kremnitzer Gegend.

Schlagendorf in der Zips

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      Schlagendorf in der Zips.
Im Bereiche der Zips gibt es rund 45 000 Deutsche. Das Gebiet, das heute die Zips genannt wird, ist in der Hauptsache das Poppertal. Derselbe Fluß heißt weiter abwärts, wo er den deutschen Boden verläßt, mit seinem slawischen Namen Poprad. Während der Lauf des Poprad nordwärts zum Dunajec und durch diesen zur Weichsel gerichtet ist, öffnen sich zwei benachbarte Täler, das Göllnitz- und das Hernadtal, mehr nach Osten und gehören mit den sie durchziehenden Flußläufen schon zum Gebiete der Theiß. Ursprünglich bildeten alle drei Täler ein zusammen- [171] hängendes deutsches Siedlungsgebiet. Dadurch aber, daß seit dem 17. Jahrhundert das Hernadtal bis auf ein paar deutsche Reste slawisiert worden ist, haben die Göllnitzer Deutschen in der Unterzips dem räumlichen Zusammenhang mit der Oberzips, den eigentlichen Zipsern im Poppertal, verloren und bilden lange nicht mehr eine so stattliche Gemeinschaft wie diese.

Östlich von der Zips gab es im Mittelalter viele deutsche Orte und Städte. Die bedeutendste Stadt war Kaschau, das aber seit dem 16. Jahrhundert allmählich aus einer deutschen eine madjarische und slowakische Stadt wurde. Ebenso ging das zahlreiche Deutschtum nördlich von Kaschau, wo sich noch Ortsnamen finden wie Siebenlinden, Stellbach, Hainburg, Grünwald, Langenfeld usw., seit dem 17. Jahrhundert allmählich unter. Nur in den Städten Eperjes, Bartfeld und Zeben haben sich kleine deutsche Minderheiten erhalten. Solche finden sich auch fast in allen anderen Städten der Slowakei, und vielfach
Auf der Weide bei den Häudörfern

[220b]
      Auf der Weide bei den Häudörfern.
trifft man mitten im slowakischen Gebiet kleine deutsche Siedlungen, die irgend einmal in früherer Zeit von der Verwaltung einer ungarischen Herrschaft herangezogen wurden.

Die Zukunft des Deutschtums in der Slowakei wird einigermaßen davon abhängig sein, wie sich das Verhältnis der Tschechen und der Slowaken untereinander und das der Slowaken zu dem gemeinsamen tschechoslowakischen Staate entwickelt. Die offizielle tschechische These lautet dahin, daß Tschechen und Slowaken zusammen nur ein Volk bilden, nämlich das tschechoslowakische. Das ist vollkommen falsch. Die beiden Völker und ihre Sprachen sind nahe verwandt, aber sie sind keineswegs identisch. Die Slowaken haben über ein Jahrtausend zu Ungarn gehört und sich während dieser Zeit mit den Madjaren im allgemeinen gut vertragen. Das gewöhnliche Volk lebte in geringem Bildungsstande, aber ehrlich und arbeitsam, und die Emporstrebenden schlossen sich sprachlich und national meist dem Ungarntum an. Hervorragende ungarische Dichter und Politiker, selbst der große ungarische Patriot Ludwig Kossuth, waren ursprünglich slowakischer Herkunft.

Während des Weltkriegs richtete sich die Absicht der tschechischen Führer von vornherein darauf, die Slowakei mit für ihren Staat zu gewinnen. Die Verhandlungen darüber wurden durch den späteren Präsidenten Masaryk mit slowakischen Vertretern in Amerika geführt und hatten den sogenannten Pittsburgher Vertrag zum Ergebnis. In diesem Dokument wurde der Slowakei nach dem Siege innerhalb des zu gründenden Gesamtstaats eine politische Autonomie zugesagt, mit eigenen Ministerien, eigenem Landtag, eigenem Schulwesen, eigenen Finanzen usw. Nachdem aber der Staat errichtet war, wurde dieser Vertrag von den Tschechen den Slowaken nicht gehalten. Nicht nur, daß die Gewährung der Autonomie unterblieb, es wurde sogar im Gegenteil, wenn auch natürlich nicht offiziell, die Slowakei als eine Art von tschechischer Kolonie behandelt. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist dort noch mehr eingeschränkt als in den tschechischen Gebieten; es werden nach der Slowakei vielfach minderwertige, d. h. ungebildete und brutale Beamten geschickt, [172] die dort willkürlich wirtschaften und sich den Haß der Bevölkerung zuziehen, und die Folge von alldem konnte nichts anderes sein, als die Entstehung einer starken slowakischen Autonomie-Partei im Prager Parlament, deren Abgeordnete unter Führung des katholischen Pfarrers Hlinka zur Opposition gehörten. Diese Stellung der Slowaken, von denen bei weitem die große Mehrheit nicht "tschechoslowakisch" sondern autonomistisch gesinnt ist, könnte durch Gewährung der versprochenen Autonomie beseitigt werden, aber das verstößt nicht nur an sich gegen das zentralistische System der Tschechen, sondern es wird auch darum abgelehnt, weil es einen "gefährlichen" Vorgang mit Rücksicht auf die Ansprüche der Deutschen darstellen würde.

Die wichtigste nationale Frage für die Deutschen in der Slowakei ist fürs erste die Schulfrage. Die seit 1867 in Ungarn einsetzende Madjarisierungspolitik nahm ihnen erst die Mittelschule, dann, seit dem Apponyischen Schulgesetz auch die Volksschule, so daß im Jahre 1918 in der Slowakei keine einzige deutsche Schule mehr bestand. Den Nutzen davon hatte das Slawentum, das immer stärker in die deutschen Orte eindrang und nicht mehr wie früher aufgesogen und eingedeutscht werden konnte. So fand der Umsturz das Deutschtum kulturell und zahlenmäßig im Rückgang. Im ganzen sind noch 37 Gemeinden rein deutsch, d. h. die Deutschen machen über 80% der Einwohnerschaft aus. 26 Gemeinden haben eine deutsche Bevölkerung von 50 - 80% und 31 eine solche von 20 - 50%. Durch die neue staatsrechtliche Stellung der Slowakei wurde eine neue Lage geschaffen. Deutsche Mittelschulen und Volksschulen sind wieder entstanden, und es fängt auch eine berufsständische deutsche Intelligenz wieder an, sich zu bilden. Das Volk ist trotz der Madjarisierung im Kern deutsch geblieben und findet sich, wenn auch langsam, in jeder Beziehung zu seinem Deutschtum zurück. Im Schuljahr 1923/24 waren schon wieder 116 deutsche Volksschulen mit beinahe 18 000 deutschen Schulkindern vorhanden. Unzulänglich ist noch das deutsche Bürger- und Mittelschulwesen.

Die Angliederung der Slowakei an die Tschechoslowakische Republik hat die politische Situation des dortigen Deutschtums ebenso verändert, wie die national-psychologische. Im ganzen hängen, in mißverstandener "Staatstreue", noch viele an den alten Zuständen der ungarischen Zeit und sind noch nicht imstande, die Vorteile ihrer neuen Stellung zu erfassen. Vom deutschen Muttervolk vergessen, von den madjarischen "Herren" zum Aussterben bestimmt, hatten sich diese deutschen Reste schon halb und halb damit abgefunden, entweder im madjarischen Staatsvolk aufzugehen oder im Slowakentum zu versinken. Nur langsam und zögernd erinnern sich manche ihres Volkstums, und oft erst dann, wenn sie von den neuen tschechischen Machthabern vor die Wahl gestellt werden, statt der bisherigen madjarischen Schulen entweder deutsche oder slowakische zu erhalten.

Trotz aller geschilderten Hemmnisse ist das Deutschtum in der Slowakei seit 1918 soweit erwacht und rege, daß Hoffnung auf seine weitere völkische Behauptung besteht. Wenn ihm etwas Hilfe wird, so werden diese vorgeschobenen Posten des [173] Deutschtums im Karpathenlande sich sogar nicht nur behaupten, sondern zu neuer Blüte geweckt werden. Schon heute sind neben den alten deutschen Siedlungen neue entstanden, weil die Aufteilung der Großgrundbesitze die Möglichkeit zu weiterer Ansiedlung von deutscher Landbevölkerung bietet. Sogar dort, wo die Deutschen fast völlig im fremden Volkstum aufgegangen waren, finden sie sich wieder zur angestammten Art zurück, und noch heute gilt in vielen slowakischen Gemeinden mit deutscher Minderheit der "Schwabe" geradezu als Autorität in allen Angelegenheiten des öffentlichen Lebens und seine Stimme wird ausschlaggebend gehört.

Die deutschbewußten politischen Parteien in der Slowakei sind in einer "Arbeitsgemeinschaft" zusammengefaßt und bemühen sich über alle trennenden Unterschiede hinweg, das Deutschtum zur Verteidigung seiner kulturellen Rechte zusammenzufassen. Durch die staatspolitische Vereinigung mit dem Sudetendeutschtum haben sie an Rückhalt gewonnen und sind nun daran, zu einer einheitlichen Organisationsform auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zu gelangen.


Angrenzend an die Slowakei erstreckt sich zwischen dieser und Rumänien im obersten Theißgebiete das autonome Gebiet von Karpathenrußland, das als eigenes Verwaltungsgebiet der Tschechoslowakei angegliedert wurde.

Die Bevölkerung dieses Gebietes setzt sich bei einer Gesamtzahl von 604 745 Seelen wie folgt zusammen: Tschechoslowaken 19 766 (3,27%), Ruthenen 372 503 (61,58%), Deutsche 10 337 (1,7%), Madjaren 103 819 (17,16%), Juden 79 722 (13,18%), Ausländer 6 873 (1,13%).

Inmitten des bunten Völkergemisches in Karpathenrußland wohnen eine größere Anzahl Deutscher, zumeist Nachkommen jener Kolonisten, die unter der Regierungszeit Maria Theresias vornehmlich auf den gräflich Schönbornschen Gütern um Munkacs angesiedelt wurden, um das Land mit Axt und Schaufel urbar zu machen. Offiziell wird die Zahl der Deutschen mit etwas über 10 000 angegeben, die angeblich in 14 deutschen Dörfern leben, welche mehrere geschlossene Kolonien in verschiedenen Teilen des Landes bilden. Es sind ihrer aber weit mehr; die Zahl der deutschen Ortschaften beträgt über 20. Die Hauptsiedlungsgebiete der karpathenrussischen Deutschen liegen in der Munkacser Ebene und im langgedehnten Waldtale des Taraczflusses. Deutsche gibt es außerdem im Theißtale, in Hust und in verstreuten Ansiedlungen an der Bahnstrecke Beregszasz - Kischnitz, sowie in einer Reihe anderer Orte im ruthenischen Gebiet. Vielfach führen diese Deutschen als Wald- und Industriearbeiter ein schweres, entbehrungsreiches Leben. Doch haben sie ihr Volkstum nicht vergessen und unter großen Opfern sich aus eigener Kraft wenigstens einen notdürftigen Schulunterricht geschaffen. Sie sind in der Vergangenheit die Träger der lokalen Verwaltung gewesen und sind es vielfach heute noch. Dort wo sie als Landwirte hausen, sind ihre Arbeitsmethoden die gleichen geblieben wie in der Heimat. Ein gewisser Wohlstand zeichnet die Deutschen vor allen [174] anderen Bewohnern aus, und auch die gehässigsten Gegner des Deutschtums müssen bekennen, daß die Arbeit und der Fleiß der Deutschen in Karpathenrußland beispielgebend und mustergültig für ruthenische Umgebung gewesen sind. Nur so waren diese Deutschen imstande, über die Grenzen ihrer ursprünglichen Siedlungen vorzudringen und kolonisatorisch zu wirken, so daß sie aus eigener Kraft den Boden deutscher Siedlung in Karpathenrußland im Laufe eines Jahrhunderts merklich erweitert haben.


Je weiter wir nach Osten vorschreiten, desto geringer wird die Zahl und desto schwieriger die kulturelle und damit die nationale Lage der Deutschen. Dabei mag es uns als ein günstiges Vorzeichen erscheinen, daß im äußersten Osten, im slowakischen und im ukrainischen Gebiete, wo kaum noch jemand an eine Wiedererweckung der dort vorhandenen deutschen Volksreste und verstreuten Splitter zu denken wagte, der große Umsturz keineswegs das Ende, sondern einen hoffnungsvollen neuen Anfang deutschen Lebens gebracht hat.

Auch die deutschen Minderheiten in den großen Städten der Republik, voran in Prag und Brünn, verdienen alle Beachtung. In Prag, wo sie noch vor einem halben Jahrhundert die Hälfte der Bevölkerung ausmachten, sind sie auf 30 000 unter 676 000 zusammengeschmolzen, stellen aber noch immer eine losgelöste Oberschicht von einer Bedeutung dar, die weit über ihre ziffernmäßige Stärke hinausgeht und haben die Universität und die technische Hochschule, ein führendes Theater und manche anderen Kultureinrichtungen und Körperschaften zu betreuen; in Brünn, wo sie künstlich in die Minderheit gedrängt wurden und noch etwa doppelt so stark sind wie das Prager Deutschtum, fällt ihnen gleichfalls die Sorge für die Technik und zahlreiche Landesanstalten zu. Zu kleinen Häuflein sind auch die Deutschen in Pilsen und Budweis zusammengesunken, oder vielmehr in dem raschen Aufschwung, den diese Städte aus der tschechischen Umgebung gewannen, sind die deutschen Bürgerschaftskerne stehen geblieben und überrannt worden. In einer Reihe anderer Städte, wo deutsche Beamte und Offiziere sich ehedem als Minderheit um deutsche Mittelschulen gruppierten, ist nach Versetzung der deutschen Staatsangestellten und Auflösung ihrer Schulen das Deutschtum ganz oder fast ganz verschwunden.

Alles in allem hat sich so eine stärkere Auseinanderlegung des deutschen und tschechischen Volkstums im Innern der Länder vollzogen, dem nun aber die planmäßige Durchsetzung und Durchsiedelung der geschlossenen Wohngebiete folgte. Diese werden von der tschechischen Politik allesamt als ursprünglich tschechische, erst später germanisierte, verdeutsche Gebiete bezeichnet und behandelt - eine Auffassung, die auf eine anfangs romantisch-idealisierende, dann planmäßig tendenziöse und unwahre Geschichtsdeutung der Tschechen zurückgeht. Aus ihr hat sich der Kampf ergeben, den das Deutschtum in der tschechoslowakischen Republik jetzt zu führen hat. Daß es ein Daseinskampf ist, ein Kampf auf Leben und Tod, wird uns das nächste Kapitel lehren.

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Das Grenzlanddeutschtum: Das Sudetendeutschtum

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Deutschtum in Not!
Die Schicksale der Deutschen in Europa außerhalb des Reiches.
Paul Rohrbach