[158]
III. Die Verdrängung von Arbeitsplatz und
Scholle
2. Die deutschen Bodenverluste durch die
tschechoslowakische Bodenreform
Scriptorium merkt an:
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In fast allen europäischen Staaten, die Versailles und St. Germain ihre
Entstehung oder Vergrößerung zu verdanken haben, wurde nach dem
Friedensschluß eine Neuverteilung der Besitzverhältnisse an Grund
und Boden vorgenommen. Es ist eine charakteristische Erscheinung der
Bodenreformen in all diesen Staaten, daß sie zwar als eine für die
Innenkolonisation und zur Neubildung landwirtschaftlicher Betriebe notwendig
gewordene soziale und wirtschaftliche Maßnahme deklariert wurden, sich
aber überall als eine gesetzlich sanktionierte Enteignung
landwirtschaftlichen Siedlungsbodens der fremdnationalen Volksgruppen in den
neuen "Nationalstaaten" entpuppten.
Wie es das Streben der Tschechen war, in den Besitz der sudetendeutschen
Industrie zu gelangen, so war es in gleichem Maße ihr Sinnen und Trachten,
in den Besitz sudetendeutschen Grundes und Bodens zu kommen. Schon seit
Jahrzehnten wurde von den Tschechisierungsvereinen der Ankauf deutschen
landwirtschaftlichen Bodens systematisch betrieben, vornehmlich an der
Sprachengrenze.
Der eigene Staat bot den Tschechen nunmehr die Möglichkeit, die
Machtmittel des Staates in den Kampf um den Siedlungsraum zu stellen. Durch
das Bodenbeschlagnahmegesetz vom 16. April 1919 wurde der Raub an fremdem
nationalen Boden sanktioniert. Die tschechoslowakische Bodenreform
gehört nach der bolschewistischen Bodenverteilung zu den
einschneidendsten Eingriffen in das Privateigentum. Jeder über
150 ha große landwirtschaftliche Besitz und jeder über
250 ha große land- und forstwirtschaftliche Besitz wurde
beschlagnahmt und zur Aufteilung bestimmt. Die bisherigen Besitzer hatten
lediglich Anspruch auf land- und forstwirtschaftlichen Besitz in dem eben
angegebenen Umfang von 150 bzw. 250 ha. Für den
übernommenen beschlagnahmten Besitz wurde eine Entschädigung
gezahlt, die den Bodendurchschnittspreisen der Jahre 1913 bis 1915 entspricht,
wobei jedoch eine Aufwertung gesetzlich verboten wurde. Außerdem
erhielten die Besitzer nur einen Teil der Entschädigungssumme bar
ausgezahlt. Der größte Teil wurde ihnen in Staatspapieren
überreicht. Als Bewerber für den aufzuteilenden Boden kamen in
erster Linie der Staat, der das alleinige Anforderungsrecht hatte, in Frage, ferner
physische Personen, unter denen die tschechischen Legionäre den Vorzug
hatten.
Schon diese beiden Bestimmungen zeigen die Tendenz der Bodenreform und
Wälderverstaatlichung. Durch die Bestimmung des Gesetzes, daß der
Boden von Personen, welche "während des Krieges eine feindliche Haltung
gegen das tschechische Volk" eingenommen hätten, ohne
Entschädigung enteignet werden [159] könnte,
beweist klipp und klar, daß es sich hier entgegen den
Amnestiebestimmungen des Friedensvertrages um einen Racheakt handelt und
damit eine planmäßige Entgüterung der nichttschechischen
Volksgruppen durchgeführt werden sollte. Die Motivenberichte und
die von den tschechischen Politikern gehaltenen Reden widerlegen die
tschechischen Versicherungen, dem Völkerbund und der
europäischen Öffentlichkeit gegenüber, daß die
Bodenreform eine unpolitische, rein soziale Maßnahme darstellt. Der
Generalreferent über das Gesetz, der tschechische Abg. Binovec,
tschechischer Sozialdemokrat, hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom
20. April 1920 ausdrücklich bemerkt, die Bodenreform sei ein Akt "der
Wiedergutmachung des Unrechts und der Sünden, die der Adel in der
Schlacht am Weißen Berg an unserer Nation begangen hatte". Auf dem
Parteitag der tschechischen Nationaldemokraten vom 27. III. 1922
begründete das Mitglied des Verwaltungsausschusses des Bodenamtes
K. Kral die Bodenreform damit, daß der Boden
überführt werden müsse, "in die Hände von der Nation
und dem Staat treuen Leuten..... und damit das Unrecht wieder gut gemacht
werde, das die Premysliden dadurch begangen haben, daß sie den deutschen
Kolonisten Grund und Boden gaben und insbesondere durch die grausame
Konfiskation nach der Schlacht am Weißen Berge....".67
Und so ließen sich eine Reihe von Aussprüchen maßgebender
tschechischer Politiker, aber auch Funktionäre des staatlichen Bodenamtes,
die für eine unparteiische und tendenzlose Durchführung der
Bodenreform sorgen sollten, anführen, die unumwunden zugeben,
daß es den Tschechen bei der Durchführung der Bodenreform
weniger darum ging, eine soziale Reform, sondern vielmehr eine nationale
Aktion durchzuführen.
a) Bodenverteilung in den Sudeten- und
Karpathenländern vor der Bodenreform
Vor der Bodenreform zeigte die Verteilung des bäuerlichen Bodens und
Besitzes folgendes Bild:
Länder |
Zwergbesitz |
Kleinbesitz |
Mittelbesitz |
Großgrundbesitz |
unter 1 ha |
1 - 5 ha |
5 - 10 ha |
10 - 50 ha |
50 - 100 ha |
über 100 ha |
Sudetenländer |
868.915 |
1,358.368 |
103.497 |
146.773 |
4.181 |
2.308 |
Karpathen-
länder |
ein Joch1 |
1 - 5 Joch |
5 - 20 Joch |
20 - 200 Joch |
über 200 Joch |
98.000 |
169.000 |
207.000 |
49.000 |
5.443 |
11 Joch = 0,575 ha. |
[160] Der bäuerliche
Besitz in den Sudetenländern umfaßte eine Fläche von
2,521.734 ha oder 21,4% der Gesamtfläche dieser Länder.
Dagegen betrug der Anteil des Großgrundbesitzes an der
Gesamtfläche dieser Länder 2,688.403 ha oder 36,99%. Diese
Bodenverteilung ließ bereits vor dem Kriege auf deutscher und
tschechischer Seite die Rufe nach einer Verkleinerung des
Großgrundbesitzes und Aufteilung des Bodens an Neusiedler oder
Kleinbauern laut werden, wodurch man der Landknappheit für die
Neubildung bäuerlicher Betriebe und der dadurch zum Teil bedingten
Landflucht zu steuern hoffte.
In den Karpathenländern war das Verhältnis zwischen
bäuerlichem und Großgrundbesitz noch krasser. Hier befanden sich
4,467.983 Joch Grund und Boden in den Händen des
Großgrundbesitzes und nur 522.000 Joch in bäuerlichem Besitz.
Betrug der Anteil des Großgrundbesitzes an bebaubarem Boden 16% der
Gesamtfläche der Sudetenländer, so war der Hundertsatz in den
Karpathenländern 28. Die angeführten Zahlen zeigen zur
Genüge die Reformbedürftigkeit der Bodenverteilung, die hier eine
starke agrarkommunistische Bewegung ausgelöst hatte.
Die Notwendigkeit einer Bodenreform in den Sudeten- und
Karpathenländern war also durchaus gegeben. Die Forderung nach Freigabe
von Grund und Boden, die bei aller Anerkennung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit und Notwendigkeit des Großgrundbesitzes
für die Sicherstellung der Ernährung für die gesamte
Staatsbevölkerung erfolgte, war daher nicht gegen den
Großgrundbesitz als solchen gerichtet, sondern erfolgte aus sozialen und
volkspolitischen Gründen und wurde von einzelnen
Großgrundbesitzern auch als berechtigt anerkannt und erfüllt. Eine
großzügige Lösung dieses notwendigen Bodenproblems
scheiterte im alten Österreich-Ungarn aber an dem Widerstand des
Großteils des Adels und des Klerus. Wenn nun der neue Staat in
Revolutionszeiten von sich aus die Initiative ergriff, um bei völliger
Achtung des nationalen Besitzstandes eine neue Regelung der
Bodenbesitzverhältnisse herbeizuführen, die, wie er angab, die
Riesenlatifundien auf ein Höchstmaß beschränken, die
Neubildung bäuerlicher Betriebe ermöglichen und die
Innenkolonisation fördern sollte, wobei die früheren Bodenbesitzer
nach dem Bodenwert entschädigt worden wären, so nahm er
fürwahr Anlauf zu einer großen wirtschaftlichen und sozialen Tat, die
für andere Staaten hätte beispielgebend wirken können.
Die tschechoslowakische Bodenreform aber erfolgte weder aus
wirtschaftlichen, noch aus sozialen Gründen, sondern einzig und allein aus
nationalpolitischen. Sie war von vornherein als nichts anderes als eine vom
Staat legalisierte gewaltsame Entgüterung der nationalen Volksgruppen
gedacht und durchgeführt.
Zusammenfassend läßt sich demnach sagen, daß die
Bodenreform in erster Linie darauf abzielte, den geschlossenen deutschen und
magyarischen Siedlungsraum mit Tschechen und Slowaken zu durchsetzen.
[161] b) Die Durchführung der
Bodenreform
Die nachstehende Gesamtübersicht zeigt die Ausmaße des
beschlagnahmten und neuverteilten Bodens bei Auflassung des Bodenamtes am 1.
Mai 1935:
Interessant ist eine Übersicht über die Größenklassen
des beschlagnahmten Bodens. Es wurden beschlagnahmt:
|
Zahl
der Fälle |
in
Hektar |
in Pro-
zenten |
|
|
bis |
250 ha |
203 |
41.745 |
1,0 |
über |
250 |
bis |
500 ha |
694 |
287.594 |
6,1 |
über |
500 |
bis |
1.000 ha |
411 |
283.466 |
7,1 |
über |
1.000 |
bis |
5.000 ha |
455 |
988.635 |
24,6 |
über |
5.000 |
bis |
10.000 ha |
72 |
490.015 |
12,2 |
über |
10.000 |
bis |
50.000 ha |
73 |
1.358.609 |
33,8 |
über |
50.000 |
bis |
100.000 ha |
2 |
140.662 |
3,5 |
über |
100.000 |
|
|
3 |
469.889 |
11,7 |
Ein Vergleich der Größenklassen des beschlagnahmten Bodens unter
den Ländern des Staates ergibt dieses Bild:
Bis 250 Hektar
wurden beschlagnahmt in: |
|
in Fällen |
Hektar |
Böhmen |
71 |
12.646 |
Mähren-Schlesien |
29 |
4.336 |
Slowakei |
119 |
24.069 |
Karpathenrußland |
16 |
2.428 |
|
[162] Von über
250 bis 1000 Hektar
wurden beschlagnahmt in: |
|
in Fällen |
Hektar |
Böhmen |
331 |
155.964 |
Mähren-Schlesien |
122 |
62.975 |
Slowakei |
611 |
287.899 |
Karpathenrußland |
67 |
31.329 |
|
Von über 1000 bis 50.000 Hektar
wurden beschlagnahmt in: |
|
in Fällen |
Hektar |
Böhmen |
217 |
1,206.291 |
Mähren-Schlesien |
132 |
594.644 |
Slowakei |
250 |
1,101.088 |
Karpathenrußland |
20 |
71.881 |
|
Über 50.000 Hektar wurden
beschlagnahmt in: |
|
in Fällen |
Hektar |
Böhmen |
2 |
233.727 |
Mähren-Schlesien |
1 |
125.991 |
Slowakei |
1 |
83.079 |
Karpathenrußland |
1 |
133.270 |
Nahezu 56 Prozent des gesamten in Karpathenrußland beschlagnahmten
Bodens umfassen diese 133.270 Hektar!
Bei der Durchführung der Bodenreform sind mehrere Aktionen zu
unterscheiden:
1. Die Zuteilung an langjährige Kleinpächter.
Diese Zuteilung erfolgte mit vollständiger Ausschaltung des
Staatsbodenamtes durch die Bezirksgerichte. Die Zuteilungsform war jedoch nicht
bloß auf die Pächter beschlagnahmten Bodens beschränkt, sie
wurde auch auf beschlagnahmefreien Besitz, und zwar auf
Staats-, Kirchen-, Stiftungs- und landtäflichen Besitz ausgedehnt. Die
Aktion ist seit Jahren beendet, die Ergebnisse sind unabänderlich.
|
Zuteilung von |
|
beschlagnahmtem Boden |
|
nicht beschlagnahmtem Boden |
|
in ha |
Anzahl der Bewerber |
auf 1 Bewerber
entfielen ha |
in ha |
Anzahl der Bewerber |
auf 1 Bewerber
entfielen ha |
Böhmen |
66.034 |
79.550 |
0,83 |
16.509 |
19.481 |
0,85 |
Mähren-Schlesien |
12.349 |
19.600 |
0,63 |
3.087 |
5.095 |
0,61 |
Slowakei |
7.497 |
8.519 |
0,88 |
97 |
2.608 |
0,038 |
Karpathenrußland |
2 |
3 |
0,66 |
948 |
1.686 |
0,56 |
|
|
Tschechoslowakei |
85.882 |
107.672 |
0,80 |
20.641 |
28.870 |
0,71 |
Die Zuteilung fand vor allem in den historischen Ländern statt. Sie ist die
einzige Aktion im Rahmen der Bodenreform, die unparteiisch durchgeführt
worden ist.
[163] 2. Die
Bauaktion.
Die Unterstützung der Bautätigkeit durch Bereitstellung billigen,
beschlagnahmten, zu Bauzwecken geeigneten Baugrundes erfolgte teils durch das
ordentliche Zuteilungsverfahren, teils wurde durch ein eigenes abgekürztes
Verfahren die Übernahme geeigneter Flächen ermöglicht. Das
Gesamtergebnis gibt nachfolgende Tabelle wieder:
|
Anzahl
der Bauführer |
Zugeteilt
wurden
in ha |
Auf 1
Bauführer
entfallen ha |
Böhmen |
37.102 |
6.375 |
0,17 |
Mähren-Schlesien |
15.769 |
3.161 |
0,20 |
Slowakei |
22.824 |
5.015 |
0,22 |
Karpathenrußland |
3.543 |
812 |
0,23 |
|
|
Tschechoslowakei |
79.238 |
15.363 |
0,19 |
Das abgetretene Ausmaß ist, vom landwirtschaftlichen Standpunkt gesehen,
völlig belanglos (1,2%), hingegen kommt dieser Maßnahme
große soziale Bedeutung zu.
3. Die zerstreut liegenden Parzellen.
Auch hier wurde beschlagnahmter Grundbesitz in einem abgekürzten
Verfahren den Bewerbern ins Eigentum übertragen. In Betracht kamen
jedoch nur abgesplitterte Feldparzellen, die mit den Hofgrundstücken in
keinem Zusammenhang standen. Zu erwähnen ist noch, daß diese
Zuteilungsform nur in Böhmen, Mähren und Schlesien angewandt
wurde.
|
Anzahl
der Bewerber |
Ausmaß
in ha |
Auf 1
Bauführer
entfielen ha |
Böhmen |
16.333 |
8.766 |
0,54 |
Mähren und Schlesien |
1.255 |
536 |
0,43 |
|
|
Tschechoslowakei |
17.588 |
9.302 |
0,53 |
4. Die Innenkolonisation.
Das Ergebnis der Innenkolonisation ist:
|
Böhmen |
Mähren
und
Schlesien |
Slowakei |
Karpathen-
rußland |
Tschecho-
slowakei |
Errichtete Siedlungen |
390 |
191 |
2.054 |
222 |
2.857 |
Zugeteiltes Ausmaß in ha |
5.739 |
2.319 |
22.473 |
3.013 |
33.544 |
Den neugegründeten Gemeinden
wurden als Gemeindebesitz
zugeteilt in ha |
--- |
--- |
2.057 |
454 |
2.511 |
Gesamtausmaß des kol. Bodens in ha |
5.739 |
2.319 |
24.530 |
3.467 |
36.055 |
Durchschnittliche Größe
einer Kolonie in ha |
14,7 |
12,1 |
10,9 |
13,6 |
11,7 |
[164] Wirtschaftlich
genommen ist die Innenkolonisation eigentlich das Ergebnis, das man von der
Bodenreform erwartet hatte. Sie bringt die notwendige Stärkung des
mittleren Bauernstandes, der Stütze des Staates und der Landwirtschaft. Die
technischen Fehler, vor allem aber die ausschließlich nationale Zielsetzung
der tschechoslowakischen Kolonisation, das Sprach- und Siedlungsgebiet der
nichttschechischen Volksgruppen mit Hilfe von tschechischen und slowakischen
Siedlern zu durchsetzen, haben dazu geführt, daß die Innensiedlung
auf das heftigste umkämpft wurde. Diese Zielsetzung hatte zur Folge,
daß auf die fachlichen Kenntnisse der Bewerber wenig Gewicht gelegt
wurde, ein Umstand, der das Ergebnis zeitigte, daß die Kolonisation
praktisch versagt hat. Es sei nur erwähnt, daß die Kolonisten
ausschließlich der tschechischen
und slowakischen Nation - unter ihnen auch
Auswanderer - angehören und daß die Siedlungen mit
Ausnahme zweier nur im deutschen und ungarischen Siedlungsgebiete errichtet
worden sind.68
So wurden z. B. in Weigersdorf und Hohenstadt Auslandtschechen (aus Polen)
angesiedelt. Hier wählten die Ausländer sogar gesetzwidrig bei den
Gemeindewahlen 1923 mit. Auf die beim Obersten Gericht erhobene Beschwerde
wurde die Ungesetzlichkeit des Vorganges anerkannt, aber das
unrechtmäßig errungene Mandat verblieb den Tschechen.69
5. Die Bildung von Restgütern.
Die Restgüter haben die Aufgabe, das vorhandene Gebäudekapital
der aufzuteilenden Meierhöfe zu verwerten und kleinere Großbetriebe
zu schaffen. In manchen Fällen ermöglichten sie, durch Tausch nicht
beschlagnahmten Boden zur Aufteilung zu gewinnen.
Insgesamt wurden 1972 Restgüter gebildet, die an 1762 Bewerber zugeteilt
wurden. Das Ausmaß beträgt 170.993 ha landwirtschaftlichen
Bodens und 25.912 ha sonstigen Bodens, insgesamt 196.905 ha. Auf
ein Restgut entfallen durchschnittlich 86,7 ha landwirtschaftlichen Bodens
und 99,8 ha insgesamt. Die dem Staate und die im
Minderheitensiedlungsgebiete den Tschechen zugeteilten Restgüter sind
jedoch als geschlossene Wirtschaftseinheiten erhalten geblieben
(Durchschnittsgröße zirka 180 ha landwirtschaftlichen
Bodens), so daß die oben errechnete durchschnittliche Größe
der übrigen Restgüter [165] eine
beträchtliche Herabsetzung erfahren muß. Auch bei den
übrigen Restgütern tritt, verstärkt durch die mangelhafte
Auswahl der Bewerber, die Landwirtschaftskrise in vollem Umfange zutage. Nur
die gesetzlichen Bedingungen (zu jeder, selbst exekutiven Übertragung
muß die Zustimmung des Bodenamtes eingeholt werden) haben es vielfach
verhindert, daß die Restgüter ihren Eigentümer gewechselt
haben. Trotzdem hat eine nicht unbeträchtliche Anzahl bereits den zweiten,
ja vielleicht schon den dritten vom Bodenamt genehmigten Eigentümer. 96
Restgüter hat der Staat erhalten, die Länder 19, Bezirke und
Gemeinden 60, Landeskulturräte 8, Genossenschaften 101 und sonstige
juristische Personen 88. Von den physischen Personen haben die durch die
Bodenreform geschädigten Pächter, Beamten und Angestellten 974
Restgüter erhalten, während 624 Restgüter sonstigen
Bewerbern, unter ihnen Großkaufleuten, Staatsbeamten, Lehrern,
Advokaten, Abgeordneten sowie deren Verwandten zugeteilt wurden.
Die politisierte Durchführung der Reform, die Massenbefriedigung der
Wähler haben dazu geführt, daß die Bildung der
Restgüter vielfach unwirtschaftlich erfolgte. Bei sehr vielen
Restgütern ist das Gebäudekapital viel zu groß, indem kaum
ein Drittel der ursprünglichen Hoffelder belassen sind, überdies
wurden vielfach die entlegensten Felder den Restgütern zugeteilt.
6. Die Abverkäufe nach § 7 des Beschlagnahmegesetzes.
Der Abverkauf beschlagnahmten Bodens unterliegt der Genehmigung des
Staatsbodenamtes, das auch die Käufer bestimmt. Insgesamt wurden 1433
Objekte mit einem Ausmaß von 28.573 ha landwirtschaftlichen
Bodens und 560.218 ha sonstigen Bodens, insgesamt 588.701 ha an
1353 Bewerber verkauft.
Die Erwerber sind der Staat mit 114 Liegenschaften, die Länder mit 5,
Gemeinden und Bezirke mit 654, Genossenschaften und Verbände von
Gemeinden mit 16, Genossenschaften mit 446, Urbarialisten mit 44, sonstige
juristische Personen mit 40, durch die Bodenreform geschädigte Beamte
und Pächter mit 5 und sonstige Bewerber mit 175 Liegenschaften. Die
Zuteilungen an die Gemeinden umfassen mit wenigen Ausnahmen nur einige
wenige Hektar, desgleichen die an die Urbarialisten. Unter den sonstigen
Bewerbern verbergen sich wiederum Anwälte,
Privatpersonen usw.
7. Die Kleinzuteilung.
Sie umfaßt mehr als 51,43 Prozent des aufgeteilten landwirtschaftlichen
Bodens. Sie ist nicht nur wegen des bedeutenden Ausmaßes die wichtigste
Aktion, sondern im Wege der Kleinzuteilung sollte doch eine systematische
[166] Neuregelung und
Verbesserung der Besitzverhältnisse verwirklicht werden. Das Ergebnis der
Kleinzuteilung ist aus folgender Tabelle zu ersehen:
|
Anzahl
der
Bewerber |
landw.
Boden |
Ins-
gesamt |
Auf 1 Bewerber
entfallen in ha |
landw. Boden |
insgesamt |
Böhmen |
118.600 |
179.519 |
205.851 |
1,51 |
1,74 |
Mähren-Schlesien |
96.914 |
82.214 |
98.936 |
0,85 |
1,02 |
Slowakei |
146.740 |
209.586 |
317.964 |
1,43 |
2,16 |
Karpathenrußland |
13.423 |
10.841 |
18.645 |
0,81 |
1,39 |
|
Tschechoslowakei |
375.677 |
482.160 |
641.396 |
1,28 |
1,70 |
Nach Durchführung der Bodenreform war der Anteil des
Großgrundbesitzes an der Bodenfläche von 22 v. H. auf
5,3% der organisierten landwirtschaftlichen Bodenfläche herabgesunken.
Es ist festgestellt worden, daß der den alten Eigentümern belassene
landwirtschaftliche Boden Zubehör der Forstwirtschaft und Industrie bildet,
so daß kaum 3% des ehemalig vom Großgrundbesitz bebauten
landwirtschaftlichen Bodens in seinem Besitz verblieben sind. Insgesamt sind
90 v. H. des landwirtschaftlichen Bodens des
Großgrundbesitzes neu verteilt worden. Der Forderung nach Enteignung des
Großgrundbesitzes ist fast restlos Rechnung getragen worden.
c) Die Auswirkung der
Bodenreform
1. Wirtschaftlich.
Eine genaue Untersuchung der Besitzveränderungen der agrarischen
Bodenfläche zeigt, daß die sogenannte Bodenreform und Enteignung
des Großgrundbesitzes in der Praxis sich als eine "Besitzreform" darstellt
und daß sie eigentlich zu einer Latifundienbildung geführt hat. Nach
einer interessanten Studie Georg Schlögls in dem Prager Regierungsorgan
Deutsche Landpost70 stieg die
Großzuteilung von landwirtschaftlicher Nutzfläche von Jahr zu Jahr.
Ende 1934 betrug sie bereits 943.592 Hektar oder 53,8% gegenüber der
kleinen Zuteilung von 809.764 Hektar oder 46,2%. Diese Zahlen zeigen in aller
Deutlichkeit den Charakter einer "Besitzreform" der tschechoslowakischen
"Agrarrevolution". Heute zeichnen für die Bewirtschaftung der
Nutzflächen des Großgrundbesitzes nicht mehr Einzelpersonen, sie
sind aus vererbtem Familienbesitz in den Besitz von Staat, Parteigenossenschaften
und Kapitalskonzernen übergegangen, werden zentral und
unpersönlich verwaltet und werden zu Latifundien im wahrhaften Sinne des
Wortes zusammengezogen. Für die Wirtschaft auf dem staatlichen Boden
gibt Georg Schlögl folgende interessante Zahlen an:
[167] "Die Tschechoslowakei
hat ihren vom alten Österreich und ehemaligen Herrscherhaus
übernommenen Boden von 713.384 Hektar mit Hilfe der Bodenreform
beinahe auf das Doppelte vermehrt. Heute bewirtschaftet der Staat gegen 1,4
Millionen Hektar Boden, also fast ein Zehntel der 140.493 Quadratkilometer
Bodenfläche der ganzen Republik. Von der 4,662.700 Hektar messenden
Waldbodenfläche ist mehr als ein Viertel in staatlicher Bewirtschaftung.
Der größte Staatsbetrieb, »die Staatsforste und
Güter«, untersteht dem Landwirtschaftsministerium und verwaltet
allein 1,157.280 Hektar und außerdem noch 31.105 Hektar
Stiftungsgüter. Zum Betrieb gehören 44 Sägen, 3
Zuckerfabriken, 3 Molkereien, 8 Bierbrauereien, 13 Brennereien, 1 Bergwerk, 1
Faßbinderei, 11 Ziegeleien, 1 Glasfabrik,
insgesamt 11.350 Wohn- und Wirtschaftsgebäude aller Art.
Außerdem ist dieser Staatsbetrieb an Aktiengesellschaften und
verschiedenen wirtschaftlichen Institutionen beteiligt. Der Bilanzwert dieser
Beteiligungen betrug zum 31. Dezember 1933 insgesamt
63,037.397,95 Kc. Der übrige staatlich bewirtschaftete Boden im
Ausmaße von mehr als 200.000 Hektar verteilt sich auf verschiedene
Ministerien und staatliche Anstalten, so unterstehen die militärischen
forstlichen Betriebe im Ausmaße von 48.718 Hektar dem
Verteidigungsministerium, ein Teil der Schulgüter dem
Unterrichtsministerium, ein anderer Teil der Schulgüter und
Versuchsanstalten dem Landwirtschaftsministerium. Auch
der Besitz des Kapital-Konzerns Latorcia im Ausmaße von 115.000 Hektar,
an welchem der Staat beteiligt ist und der nach dem Jahre 1967 an den Staat
zurückfallen soll, gehört hierher, ebenso die vom Bodenamte
vorübergehend verwalteten Bodenflächen. Nach den
Staatsrechnungsabschlüssen lassen sich nur die Betriebsergebnisse der
staatlichen Bodenbewirtschaftung für die »Staatswälder und
Staatsgüter« und die militärischen Forste feststellen.
Nachstehend wird der Erfolg für diese 1,2 Millionen Hektar messenden
Flächen für die letzten drei Jahre angeführt:
Verwaltungszweige |
Jahr |
Ausmaß
Hektar |
Erfolg der
Wirtschaft
Verlust in Kč |
Staatswälder und Staatsgüter |
1931 |
1.068.234 |
64,752.385,65 |
|
1932 |
1.109.331 |
63,099.982,-- |
|
1933 |
1.124.402 |
36,592.229,50 |
Militärische Forste |
1931 |
48.233 |
6,163.141,35 |
|
1932 |
48.235 |
9,946.426,05 |
|
1933 |
48.718 |
7,961.054,05" |
Zum Schluß seiner interessanten Darlegung erklärte Georg
Schlögl: "200.000 Menschen mehr müßten Arbeit, Brot und
Obdach auf den Staatslatifundien haben, dann könnte einigermaßen
die Tatsache entschuldigt werden, daß auf die Wirtschaft des staatlich
bewirtschafteten Bodens in den letzten [168] drei Jahren hunderte
Millionen aus Steuergeldern zugeschossen wurden. So belasten aber den Staat
auch noch die Millionen, welche Jahr für Jahr als
Arbeitslosenunterstützung für diejenigen ausgegeben werden
müssen, welche von den Staatslatifundien vom Boden und von der Arbeit
ausgesperrt werden. Es ist widersinnig, dafür nur die Holzabsatzkrise
verantwortlich zu machen, da auf 1,4 Millionen Hektar Boden, auch wenn er
vorwiegend Waldboden ist, auch andere Arbeits- und Lebensmöglichkeiten
sein müssen, als die Holzerzeugung. Der arbeitende Mensch drang einst
mit einfachem Rüst- und Werkzeug in den Urwald, in Moor und Sumpf und
schuf sich nur durch Arbeit neue Lebensmöglichkeiten und eine Heimat,
aus der er nun von der Wirtschaft der Staatslatifundien wieder verdrängt
wird.["]
[168]
Diese arbeitswillige Jugend will schaffen, will die entnervende
Arbeitslosigkeit, an der sie keine Schuld trägt, überwinden. Hier wird
der Kommunismus keinen dankbaren Boden finden.
|
Was sich auf den Staatslatifundien im großen abspielte, wiederholt sich auf
den meisten sogenannten Restgütern, die nur in den seltensten Fällen
wirklichen Landwirten zugeteilt wurden.
[169] Von den vielen
Beispielen über die Auswirkung der Bewirtschaftung der Restgüter
wird in der Landwirtschaftlichen Fachpresse vom 11. Januar 1935
folgender krasser Fall geschildert: Am 28. Dezember 1934 wurde das Restgut
Peterhof bei Netolitz beim Bezirksgericht Netolitz öffentlich versteigert.
Der Hof gehörte zur Schwarzenbergschen Herrschaft Netolitz, welche
gleich am Beginne der Bodenreform im Jahre 1921/22 enteignet und aufgeteilt
wurde. In jahrhundertelanger Kulturarbeit wurde dieser Hof zu einer der
Hauptmeiereien ausgestaltet, wo auch die Direktion der Herrschaft ihren Sitz
hatte. Knappe 12 Jahre haben genügt, um den reformierten Hof, der einst
mehr als 100 Leuten ständig Arbeit und Brot gab, so
herunterzuwirtschaften, daß als letztes nur die Zwangsversteigerung blieb.
Ursprünglich waren beim Restgute 100 Hektar, durch weitere Zuteilungen
von leichteren Böden verblieben aber schließlich nur 60 Hektar bei
dem großen Gebäudekapital. In der kurzen Spanne Zeit von
zwölf Jahren verbrauchten sich an diesem Restgute nicht weniger als vier
Wirtschafter. Vor der Bodenreform standen in den geräumigen
Ställen: 18 Pferde, 36 Ochsen, vier Stiere, 56 Kühe, 34 Kalbinnen
und 187 Schweine. Im Zeitpunkt der Versteigerung waren Ställe und
Scheunen leer, der Hof ohne jedes lebende und tote Inventar, auf den Feldern
nichts gesät und nichts geackert. Die buchmäßige
Verschuldung des Gutes war auf 576.000 Kc angewachsen, darunter
59.000 Kc Steuerschulden. Der Zuteilungspreis betrug nach Angabe des
Bodenamtes 253.557 Kc, der Schätzwert im Zeitpunkt der
Versteigerung war noch immer 403.513 Kc, das niederste Angebot
269.000 Kc. Zugeschlagen wurde das Gut um den Versteigerungspreis von
350.000 Kc dem Hofpächter Franz Stobor aus Opalice bei Budweis,
der nun als fünfter Wirtschafter sein Glück auf dem Hofe versucht.
Man könnte auch über diesen Fall eines zugrundegewirtschafteten
Restgutes, bei welchem die bücherlichen Gläubiger um mehr als
200.000 Kc kamen, zur Tagesordnung übergehen, würde er
nicht sinnfällig zeigen, wie verantwortungslos in der Bodenreform
eigentlich in wenigen Jahren zerstört wurde, was durch jahrhundertelange
Arbeit ganzer Generationen mit Mühe und Sorgfalt aufgebaut war.
Die im Zuge der "Bodenreform" erfolgte Enteignung und Zerschlagung der
Herrschaft Clam-Gallas hatte sich seinerzeit auch auf den Meierhof
Nieder-Ullersdorf im Bezirke Friedland erstreckt. Zu diesem gehörten
Gründe im Ausmaß von 116 Hektar mit
Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, einem herrschaftlichen
Garten usw., alles in sehr gutem Zustande. Das Gut, dessen Felder und
Waldbestand sich entlang der reichsdeutschen Grenze ausbreiten, dürfte
einer der ertragreichsten Höfe der Herrschaft gewesen sein. Es war
ausgezeichnet bewirtschaftet, und zwar durch den Pächter Walter Henrici,
der auch den Meierhof Bullendorf gepachtet hatte und im ganzen Umkreise als
tüchtiger Landwirt rühmlich bekannt war.
[170] Dieser günstigen
Situation machte die Durchführung der Bodenreform ein Ende. Der Hof
wurde enteignet, der Pächter Henrici, der Ausländer war,
mußte die ihm liebgewordene Gegend verlassen. An seine Stelle trat durch
die Entscheidung des staatlichen Bodenamtes ein früheres Revisionsorgan
des Finanzministeriums namens Fr. Polednik. Dieser bekam 1926 das ganze,
damals mit etwa 2,000.000 Kc zu bewertende Objekt in Pacht und sollte es
um den billigen Preis von 270.000 Kc ins Eigentum erhalten. Doch es kam
ganz anders und die Bewohner der Umgebung erinnern sich nur mit gemischten
Gefühlen des fremden "Hofherrn".
Dieser wirtschaftete so, daß die Felder und alles, was zum Hof
gehörte, mit Riesenschritten verwahrlosten. Das Ende vom Liede war,
daß der Pächter Polednik binnen einem Jahre mit hohen Schulden in
Konkurs geriet, ja sogar verhaftet werden mußte. Die gegen ihn erhobenen
Beschuldigungen lauteten auf betrügerische Krida, Gewalttätigkeit,
Verletzung des Schutzgesetzes, Beleidigung der Beamten usw. Unter recht
unrühmlichen Umständen kam er vom Meierhofe. Ihm folgte als
neuer Hofherr im Jahre 1927 Ing. Oldrich Wachtl aus Turnau, dem zusammen mit
seiner Gattin das Restgut vom Bodenamte zu billigem Preise in Besitz
übergeben wurde. Doch auch diesem war leider das Glück nicht
hold, obgleich Ing. Wachtl als gewesener Professor einer landw. Schule
Fachmann war. Auch er geriet in Schulden, woran hier die einsetzende scharfe
Krise in der Landwirtschaft freilich nicht ohne Einfluß geblieben ist. Der
einst so schöne Meierhof Nieder-Ullersdorf kam schließlich unter den
Hammer und wurde nun beim Friedländer Bezirksgerichte zwangsweise
versteigert auf Antrag der "Obecna spořitelna" in Jitschin, die mit
einer Forderung von 338.500 Kc am Restgute interessiert ist.
Bei einem Schätzwerte von 671.544 Kc wurde das Gut von der
"Zivnostenska zalozna" in Turnau um 560.000 Kc erstanden. Es
wird aber eine weitere, sehr bedeutende Summe nötig sein, um den einst so
blühenden, großen Landwirtschaftsbetrieb wieder auf die Höhe
zu bringen und rentabel zu gestalten.71
In seinem Bericht über das Bodenamt erklärte dessen
Präsident, Dr. Ing Vozelinek, im Budgetausschuß des
Abgeordnetenhauses, das Bodenamt mit seinen Fonden sei eigentlich eine
große Staatsbank. Es verwalte 480.000 Konten und stehe mit 151
Geldanstalten in dauernder finanzieller Verbindung. Der Bilanzumsatz des
Entschädigungsfondes betrug von Beginn der Reform bis Ende 1933 28
Milliarden Kc, der Umsatz des Kolonisationsfonds im selben Zeitraum 4
Milliarden Kc. Die Zahlungsverbindlichkeiten des Amtes seinen
Gläubigern gegenüber machen noch heute über eine halbe
Milliarde Kc aus, [171] denen an Forderungen
an die mit Boden Beteilten 1.100 Millionen Kc gegenüberstehen. Von
dieser Schuld entfallen 20 Prozent auf Kleinzuteilungen, 6 Prozent auf
Restgüter und 74 Prozent auf den Staat. Die Kredithilfe, die den Beteilten
direkt aus Mitteln des Bodenamtes gewährt wurde, beträgt 850
Millionen Kc, zu einem Durchschnittszinsfuß von 4 Prozent.72
Diesen Ziffern des Präsidenten des Bodenamtes muß man die Ziffern
der Verschuldung der Nutznießer gegenüberstellen und die
Wirtschaft der durch die Bodenreform geschaffenen Neuordnung erfährt
eine blitzartige Beleuchtung.
Zu den Nachrichten einiger tschechoslowakischer Blätter, wonach die
Rückstände der Nutznießer der Bodenreform mit
Einschluß des Staates über eine Milliarde betragen, erfährt die
Deutsche Landpost am 8. Februar 1935 von authentischer Seite
folgendes:
Die tatsächlichen Schulden dieser Nutznießer betrugen Ende 1933
über 1.164 Millionen Kc. Davon entfielen auf die kleinen Nutznießer
und Kolonisten 240 Mill. (zirka 13 Prozent). Ende 1934 wurden diese
Rückstände bei allen Gruppen auf 10 Prozent ermäßigt.
Nur beim Staat bleibt die Höhe der Rückstände für
Boden im Ausmaß von rund 400.000 Hektar unverändert, bezw.
erhöht sich um die geschuldeten Zinsen, wodurch das Gleichgewicht des
Bodenreformfonds bedenklich bedroht wird. Die Finanzgesetze der drei letzten
Jahre enthalten die Ermächtigung des Finanzministers zur Beschaffung von
Krediten zur Bezahlung des verstaatlichten Bodens. Doch wurde bisher diese
Ermächtigung offenbar mit Rücksicht auf die Spannungen am
Geldmarkt nicht angewendet. Es ist fraglich, ob die Rückstände des
Staates noch vor jenem Zeitpunkt ausgeglichen werden, da das Bodenamt am 1.
Mai 1935 in eine Abteilung des Landwirtschaftsministeriums umgewandelt
wurde.
Daß man auch bei der Verteilung des restlichen Bodens trotz der schlechten
Erfahrungen und der trostlosen Wirtschaftslage nur nach nationalpolitischen
Gesichtspunkten vorgehen wird, läßt eine Rede des tschechischen
Abgeordneten Chloupek erkennen.
Im Verlauf der Prager Kammerdebatte über den Staatsvoranschlag
für das Jahr 1935 machte als Berichterstatter für das Kapitel
"Bodenamt" der Regierungsabgeordnete Chloupek davon Mitteilung, er habe "in
Berlin die Durchführung der deutschen Kolonisation an Hand von
Landkarten studiert", die ihm gezeigt haben, daß "Hitlerdeutschland nicht
so sehr an Brot, als an Kommisbrot gelegen" sei. Man kolonisiere systematisch
alle Grenzgebiete, insbesondere gegen Polen und die Tschechoslowakei und man
siedle dort "militärisch und politisch verdiente Leute an, die in der Lage
sind, die in grenzpolitischer Hinsicht in sie gesetzten Erwartungen zu
erfüllen." Diese Tatsache verpflichtet die Tschecho- [172] slowakei, das Werk der
Bodenreform beschleunigt abzuschließen. Er erwähnte, daß
gegenwärtig insbesondere im Westen der Republik die Durchführung
von Kolonisation verlangt werde. Dort habe die Arbeitslosigkeit die
Aufmerksamkeit dieser Frage zugewendet. Man müsse diese Aufgaben
kritisch behandeln.
Auch bei uns, das sagte der Berichterstatter ganz offen, wird es notwendig sein,
das durch die Bodenreform eingeleitete Werk, das einen nationalen
Charakter (!) habe, sicherzustellen. Es wäre Schwäche, wenn
wir die Bodenreform nicht konsequent durchführten. Ein weiteres Problem
ist durch die Frage der Auswahl der Kolonisten gegeben, von einer neuen
Kolonisierung ohne Sicherstellung der früheren zu sprechen, wäre
unlogisch.
Damit kündigte er freimütig an, daß die Aufteilung des
restlichen beschlagnahmten Bodens nur an Tschechen erfolgen werde.
2. Sozial.
Mit der Durchführung der Bodenreform vollzog sich eine andauernde
Zerstörung von Arbeitsplätzen. Die letzte amtliche Bilanz über
die Versorgung der Dienstnehmer zum Stand vom 1. Januar 1935 veranschaulicht
folgende Übersicht:
Art der Versorgung |
Kategorie der
Dienstnehmer |
Beamte |
Angestellte |
Deputa-
tisten |
ständige
Arbeiter |
insgesamt |
a) Bodenzuteilung: |
|
Anzahl |
541 |
1.950 |
7.235 |
6.864 |
16.590 |
Betrag |
10,939.209 |
15,703.308 |
34,387.824 |
20,943.945 |
81,974.286 |
b) Geldentschädigung: |
|
Anzahl |
1.411 |
2.418 |
10.609 |
16.945 |
31.383 |
Betrag |
43,667.285 |
23,697.439 |
54,850.572 |
58,312.133 |
180,527.429 |
c) weitere Beschäftigung: |
|
Anzahl |
168 |
669 |
4.969 |
5.978 |
11.784 |
Betrag |
--- |
--- |
--- |
--- |
--- |
d) Pensionen: |
|
Anzahl |
277 |
874 |
2.201 |
1.257 |
4.609 |
Betrag |
1,243.864 |
1,887.559 |
2,914.775 |
1,546.481 |
7,592.679 |
e) Jubiläums-Aktion: |
|
Anzahl |
42 |
178 |
508 |
1.850 |
2.578 |
Betrag |
--- |
--- |
--- |
--- |
2,383.936 |
f) An Pensionen wurden
außerdem bisher ausbezahlt:
Zusammen: |
--- |
--- |
--- |
--- |
84,142.384 |
Anzahl |
2.439 |
6.089 |
25.522 |
32.894 |
66.944 |
Betrag |
55,850.358 |
41,288.306 |
92,153.171 |
80,802.559 |
356,620.714 |
[178] 356 Millionen
Aufwand zur Versorgung der Dienstnehmer auf dem reformierten Boden! "Keiner
von den 14 europäischen Staaten, welche in der Nachkriegszeit
Bodenreform durchführten, hätte so viel für die Sicherstellung
derer ausgelegt, welche durch die Eingriffe des Staates in die Latifundien in ihrer
Existenz geschädigt wurden", steht im Staatsvoranschlag 1935.
Mit diesen Worten will das Bodenamt das grenzenlose Unrecht verdecken, das
durch die Bodenreform einem ganzen arbeitsamen Stand zugefügt wurde.
Richtig wäre es vielleicht zu sagen, in keinem der 14 Staaten wurde die
Agrarrevolution so rücksichtslos auf Kosten der Arbeitnehmer ausgetragen,
wie in der Tschechoslowakei. Das Bodenamt hat in den Versorgungslisten die
letzte Lohnsumme dieser Opfer einer sozialen Reform ausgewiesen. Nur bei
einem Minimum von 5.000 Kc für einen Arbeitsplatz beträgt
die Lohnsumme bei 70.000 Fällen 350 Millionen, also für ein
einziges Jahr so viel, als das Bodenamt überhaupt aufgewendet hat. Dabei
sind die vernichteten Versorgungsansprüche gar nicht in Rechnung gestellt.
Den Opfern der Bodenreform wurde also kaum ein Zwanzigstel des Schadens
ersetzt, der ihnen durch die Eingriffe des Staates in wohlerworbene Rechte
zugefügt wurde. Was sie erhielten, war die
Arbeitslosenunterstützung für ein Jahr und dann rückten sie
ein in das große Heer der Arbeitslosen, dessen Grundstock die Opfer der
Bodenreform schon zur Zeit der Konjunktur zu bilden begannen.
Daran ändert nichts, daß nach den Tabellen 16.590 Bodenzuteilungen
und 11.784 andere Beschäftigung erhielten. Eine an sich ausreichende
Bodenzuteilung erhielten nur die 541 Beamten mit 69,5 Hektar im Durchschnitt
und allenfalls die 1950 Angestellten mit 4,2 Hektar. Die Zuteilung bei den
Deputatisten betrug nur 1,6 Hektar, bei den ständigen Arbeitern gar nur 1,1
Hektar, wovon keine Familie ohne zusätzlichen Arbeitsverdienst leben
kann, somit auch von einer Versorgung mit Boden gar nicht gesprochen werden
kann. Von den mit weiterer Beschäftigung versorgten Dienstnehmern sind
heute keine 10 Prozent mehr auf den selber Not leidenden und
Unterstützung und Entschädigung fordernden Restgütern, so
daß auch die an sich günstigsten Arten der Versorgung durch
Bodenzuteilung und weitere Beschäftigung das Abgleiten in Not und
Arbeitslosigkeit nicht verhindern konnten.
In der Wirklichkeit gibt es Restgüter, welche gegen früher nicht den
fünfzigsten Teil mehr an Löhnen, umgerechnet auf den Hektar,
zahlen, oder ehemalige Restgutserwerber sind froh, wenn sie nach Verlust ihres
Gutes und Vermögens wieder als Aufseher im Taglohn auf dem
verbliebenen Restbesitz des alten Dienstherrn das Gnadenbrot essen
können. Das Bodenamt weiß dies alles, es weiß auch sehr gut,
daß zu den ausgewiesenen 67.000 noch wenigstens 30.000 zu zählen
sind, welche ohne jede Entschädigung ihren Arbeitsplatz verloren und
weitere Tausende, deren Posten auf den alten und neuen Großgütern
kassiert [174] werden, wofür
nicht allein die Krise, sondern auch die andauernden Eingriffe der Bodenreform
die Schuld tragen.73
Die Bodenreform hat aber nicht nur Hunderttausende um Brot und Existenz
gebracht und einen in die hunderte Millionen gehenden Lohnausfall bewirkt,
sondern vor allem die Landflucht gesteigert. Eine sich von Jahr zu Jahr steigernde
Landflucht gehörte auch in den Sudeten- und Karpathenländern zu
den charakteristischen soziologischen Erscheinungen dieser Ländereien in
den Jahrzehnten der Vorkriegszeit. Sie war einmal bedingt durch die zunehmende
Industrialisierung vornehmlich der Sudetengebiete, andererseits durch den Mangel
an anbaufähigem Boden zur Neubildung bäuerlicher Betriebe und
der Unmöglichkeit der weiteren Erbteilung der kleinen und mittleren
landwirtschaftlichen Betriebe ohne Gefährdung ihrer
Ertragsfähigkeit. Die Neuerwerbung von Grund und Boden zur Hemmung
der Landflucht scheiterte an dem Widerstand der Großgrundbesitzer,
große Flächen freizugeben. Man setzte also in eine staatlich
durchgeführte Bodenreform zur Förderung der Innenkolonisation und
Neubildung landwirtschaftlicher Betriebe schon vor dem Kriege große
Hoffnung, den gewaltigen Strom der Landflüchtigen abzudämmen
und erhob, wie eingangs erwähnt, die Forderung nach einer
vernünftigen Bodenreform. Die von der Prager Regierung
durchgeführte "soziale" Bodenreform hat die Landflucht nicht
abzuschwächen vermocht, im Gegenteil, sie nur weiter gefördert.
Nach der Volkszählung vom Jahre 1930 stieg die
Gesamtbevölkerung des Staates von 13,612.424 im Jahre 1924 auf
14,729.536 oder um 1,117,112 Seelen.
Der Zuwachs betrug in Gemeinden
|
|
bis |
2.000 |
Einwohner . . . . |
3,22 % |
mit |
2.000 |
bis |
5.000 |
Einwohner . . . . |
10,62 % |
mit |
5.000 |
bis |
10.000 |
Einwohner . . . . |
12,02 % |
mit |
10.000 |
bis |
20.000 |
Einwohner . . . . |
14,30 % |
mit |
20.000 |
bis |
50.000 |
Einwohner . . . . |
15,05 % |
mit |
50.000 |
bis |
100.000 |
Einwohner . . . . |
24,09 % |
über |
|
|
100.000 |
Einwohner . . . . |
21,78 % |
Diese amtliche Statistik zeigt, daß der Bevölkerungszuwachs
durchwegs in ansteigendem Maße den Städten und Industriegebieten
zugute kommt, keineswegs den Landgemeinden. Würde diese Statistik
nicht als hinreichender Beweis für die gesteigerte Landflucht im Jahrzehnt
der Bodenreform gewertet werden, die folgenden Zahlenübersichten
sprechen eine ganz eindeutige Sprache.
Die Tschechoslowakei ist in 418 Bezirksgerichtssprengel eingeteilt, wobei Prag
mit seinen 900.000 Einwohnern als ein Bezirk gilt. In diesen 418 Bezirken zeigt
sich folgende Bevölkerungsbewegung:
[175]
Land |
Zahl der
Bezirke |
Davon haben
Bevölkerungs-
verlust |
Bevölkerungs-
gewinn |
Böhmen |
224 |
101 |
123 |
Mähren-Schlesien |
105 |
29 |
76 |
Slowakei |
77 |
1 |
76 |
Karpathenrußland |
12 |
--- |
12 |
|
|
|
418 |
131 |
287 |
Diese 131 Bezirke liegen in durchaus ländlicher Gegend mit
überwiegend landwirtschaftlicher Betätigung ihrer Einwohner.
In Böhmen verloren: |
3 |
Bezirke mehr als |
10 |
% der Bevölkerung |
|
34 |
" "
" |
5 |
% " " |
|
32 |
" "
" |
2,5 |
% " " |
|
32 |
" weniger " |
2,5 |
% " " |
In Mähren u. Schlesien verloren: |
3 |
Bezirke mehr als |
5 |
% der Bevölkerung |
|
8 |
" "
" |
2,5 |
% " " |
|
18 |
" weniger " |
2,5 |
% " " |
In der Slowakei verlor: |
1 |
Bezirk weniger als |
5 |
% der Bevölkerung. |
In Südböhmen weisen 55 ländliche Bezirke trotz
Geburtenüberschuß einen Bevölkerungsverlust von 61.902
Seelen oder durchschnittlich 1.127 Seelen auf.
Diese Ziffern sind insofern noch von Bedeutung, weil sie zeigen, daß die
Landflucht hauptsächlich in Böhmen gesteigert wurde, dem
industrialisiertesten und von mehr als zwei Millionen Deutschen bewohnten
Lande.
Ihren klarsten Ausdruck aber findet die Landflucht im Jahrzehnt der Bodenreform
in den nachstehenden Ziffern. Zur Land-, Forst- und Teichwirtschaft
gehörten absolut und relativ nach dem Stand der Volkszählung im
Jahre:
|
Böhmen |
Mähren |
1890 |
2,374.838 |
40,65 % |
1,388.551 |
48,17 % |
1900 |
2,254.512 |
35,68 % |
1,364.435 |
43,76 % |
1910 |
2,184.826 |
32,28 % |
1,303.231 |
38,57 % |
1921 |
1,977.450 |
29,69 % |
1,177.649 |
35,27 % |
1930 |
1,710.723 |
24,06 % |
1,017.993 |
28,56 % |
|
Slowakei |
Karpathenrußland |
1921 |
1,817.878 |
60,63 % |
408.871 |
67,63 % |
1930 |
1,892.042 |
56,81 % |
480.856 |
66,29 % |
Demnach beträgt der Rückgang der in der
Land-, Forst- und Teichwirtschaft beschäftigten Bevölkerung
in Böhmen |
266.727 |
oder |
5,63 % |
in Mähren |
159.656 |
" |
6,71 % |
|
|
insgesamt |
426.383 |
oder |
6,17 %. |
[176] Demgegenüber
steht eine absolute Zunahme in den Karpathenländern:
Slowakei |
74.164 |
Karpathenrußland |
71.985 |
|
|
insgesamt |
146.149 |
Trotz dieser absoluten Zunahme in den Karpathenländern zeigt der Anteil
der Gesamtbevölkerung des Staates bei einer Bevölkerungszunahme
von über 1 Million eine Abnahme der in der
Land-, Forst- und Teichwirtschaft beschäftigten Bevölkerung von
281.234 Personen. Diese Zahl ist von den früheren Jahrzehnten nicht
erreicht worden,
denn zwischen |
1890 u. 1900 |
nahm die Zahl der Beschäftigten um |
120.326 |
|
1900 u. 1910 |
" " " "
"
" |
69.686 |
|
1910 u. 1921 |
(Kriegsjahrzehnt) "
" |
207.376 ab, |
trotzdem die absolute Bevölkerungszunahme in diesen Dezennien
durchweg größer war als in dem der Bodenreform. Der relative Anteil
aber der in ländlichen Berufen Tätigen ist
in Böhmen |
um |
5,63 % |
|
in Mähren |
" |
6,71 % |
|
in der Slowakei |
" |
3,82 % |
und selbst |
in Karpathenrußland |
" |
1,34 % |
|
im Jahrzehnt der Bodenreform zurückgegangen.
Das Bodenamt gibt an, daß es im Laufe seiner Tätigkeit mehr als
600.000 Bodenerwerbern Grund und Boden zugeteilt hat. Wenn trotzdem die
ländliche Bevölkerung bei einem Geburtenüberschuß
zurückgegangen ist, sogar weit mehr als in den Jahrzehnten vorher, dann
beweist die Tatsache zur Genüge, daß die tschechoslowakische
Bodenreform den sozialen Forderungen nicht entsprochen hat. Das Ergebnis der
Volkszählung des Jahres 1930 zeigt, daß im Jahrzehnt der
Bodenreform 12.958 neue bäuerliche Betriebe errichtet wurden. (Die Zahl
der vernichteten dürfte nur um ein geringes kleiner sein.) Dafür aber
ist die Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft als Arbeiter und Beamte
Tätigen um 159.000, d. i. um mehr als ein Viertel,
zurückgegangen, wurden doch allein durch die Bodenreform nach Angaben
des Bodenamtes nicht weniger als 67.238 Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz
gebracht, womit noch lange nicht die Gesamtzahl erreicht ist!
So vielgestaltig die sozialen Auswirkungen der Bodenreform sind, die
markantesten Erscheinungen sind, daß sie die Landflucht gesteigert und den
Grundstock des Arbeitslosenheeres geschaffen hat.
3. Nationalpolitisch.
Von dem aufgeteilten oder in die staatliche Verwaltung überführten
Ackerboden und Waldboden lagen
[177] im sudetendeutschen
Grenzgebiet |
750.000 ha |
in der Slowakei und in den ungarischen Grenzgebieten |
591.000 ha |
in Karpathenrußland |
162.000 ha |
|
|
Zusammen: |
1,503.000 ha |
|
|
im tschechischen Gebiet enteignet |
250.375 ha |
|
|
Bisher enteignet |
1,753.375 ha |
|
|
Diese Bilanz zeigt also in aller Deutlichkeit, daß von der Bodenreform in
erster Linie der Siedlungsraum der nicht tschechischen Volksgruppen im Staate
betroffen wurde.
Seit 1925 wurde das deutsche Gebiet planmäßig mit einer Schicht
tschechischer Grundbesitzer überzogen, die allmählich tschechisches
Gesinde an sich ziehen und so das deutsche Element vom Grunde
verdrängen. Allem Anschein nach sind die neuen Besitzer auf Grund einer
geheimen Abmachung mit dem Bodenamt nicht nur zum Halten von
tschechischem Gesinde, sondern auch zur Beschäftigung tschechischer
Professionisten verpflichtet. Es sollen Vertragsstrafen bei Nichterfüllung
vorgesehen sein. Infolge der chauvinistischen Tendenz arbeitet das Bodenamt mit
den seltensten Mitteln. Es treibt sogar Heiratspolitik. Einem deutschen
Pächter wurden Tschechinnen zur Brautwahl präsentiert. Er bekam
den Meierhof nur unter der Bedingung, daß er eine von ihnen heirate. In
einem Falle wurden einem Tschechen die besten Felder zu Kolonisationszwecken
weggenommen, weil er eine Deutsche geheiratet hatte. Die Zahl solcher Beispiele
für nationalistische Übergriffe ließe sich beliebig
vermehren.
Im Anhang ist in der Tabelle V dem
Ergebnis der Kolonisierung die
Bevölkerungsbewegung nach den bisher erschienen statistischen
Gemeindelexikonen für Böhmen, Mähren und Schlesien
gegenübergestellt.
Aus dieser Zusammenstellung geht folgendes hervor:
"Die Kolonisierung erfolgte
bloß in 5 Gemeinden mit tschechischer
Mehrheit Groß-Nehwizd, Gerichtsbezirk Brandeis, Schirowitz,
Gerichtsbezirk Lobositz, Großmalowitz, Gerichtsbezirk Netolitz,
Hohenstadt, Gerichtsbezirk Hohenstadt und
Klokočov-Klogsdorf im Gerichtsbezirk Freiberg. Im übrigen wurde
durchwegs im deutschen Gebiet bzw. im überwiegend deutschen Gebiet
kolonisiert.
In den Karpathenländern erfolgte die Kolonisierung
vorwiegend im ungarischen Sprachgebiet. Ein Vergleich ist hier noch nicht
möglich, da das diesbezügliche Gemeindelexikon noch nicht
erschienen ist. Die Kolonisierung diente somit nicht einem rein wirtschaftlichen
und sozialen Zweck, sondern der Tschechisierung. In sechs Gemeinden wurde
dieser Zweck vollständig erreicht, Sullowitz, Tschischkowitz, Klein
Czernosek und Priesen, Bezirk Lobositz, Aichen im Bezirk
Mährisch-Neustadt, Mißlitz und Socherl im Bezirk
Mährisch-Kromau erhielten tschechische [178] Mehrheiten und
beinahe in allen übrigen Gemeinden konnten die Tschechen mehr oder
weniger zunehmen, während die Deutschen fast durchweg
Bevölkerungseinbußen erlitten. Damit ist aber keineswegs gesagt,
daß diese Auswirkungen allein auf die Kolonisierung
zurückzuführen wären. Tatsache ist, daß in vielen
Fällen 2 bis 4 deutsche Arbeiterfamilien einem tschechischen Kolonisten
weichen mußten, dessen Siedlungsstelle auf bestem Kulturboden gebildet
wurde, der früher zumeist eine bessere Menschenbesetzung aufzuweisen
hatte als nach der Kolonisierung. Infolgedessen weisen auch alle kolonisierten
Bezirke einen Rückgang der landwirtschaftlichen Bevölkerung aus.
Deutlich tritt dies in den rein ländlichen Gemeinden und Bezirken hervor,
wie beispielsweise im Podersamer Bezirke, wo beinahe alle betroffenen
Gemeinden wohl eine starke Zunahme der tschechischen Bevölkerung
aufweisen, aber einen Bevölkerungsabgang insgesamt, weil die
landwirtschaftliche deutsche Bevölkerung infolge der Kolonisierung
abwandern mußte. Wie in den rein ländlichen Bezirken die
Kolonisierung auf gut mit Menschen besetztem Kulturboden sogar zum
Entvölkerungsfaktor werden kann, zeigt das Beispiel der Kolonie Holeckov
in der Gemeinde Großmalowitz, Bezirk Netolitz, übrigens das
einzige Beispiel in den historischen Ländern, in welchem eine ganz neue
Ortschaft gegründet wurde. In der Gemeinde Großmalowitz mit einer
Gesamtfläche von 843 ha wurde der Hof Rabin mit einem
Ausmaße von 409 ha aufgeteilt und kolonisiert. 143 kleine
Bodenerwerber aus 8 Gemeinden erhielten 263 ha Boden, also
1,84 ha im Durchschnitt. Außerdem wurde ein Restgut und die neue
Ortschaft Holeckov mit 12 Siedlungsstellen gegründet, welche zur Zeit der
Volkszählung 63 Köpfe zählte. Trotzdem sank die
Bevölkerungszahl der an der Bodenreform beteiligten Gemeinden um 264.
Die unmittelbar betroffene Gemeinde Groß-Malowitz, welche vom Jahre
1880 bis 1921 trotz Kriegsverluste einen Gewinn von 13 Köpfen ausweisen
konnte, verzeichnete im Jahrzehnt der Bodenreform einen Verlust von 39
Köpfen trotz der dazugehörigen neuentstandenen Ortschaft Holeckov
mit 63 Köpfen. Die Menschenbesetzung war vor der Bodenreform dadurch
größer, daß am Hofe insgesamt 178 Personen arbeiteten, 12
Angestellte und 166 Deputatisten und Arbeiter, welche mit den
Familienangehörigen insgesamt 376 Köpfe zählten, so
daß schon auf 1 ha 1 Kopf kam. In dieser tschechischen
Gemeinde wurde der Verlust des Arbeitsplatzes noch durch eine kleine Zuteilung
ausgeglichen. Im deutschen Gebiet bedeutet aber jede Ansetzung eines
tschechischen Kolonisten den Verlust von 2 bis 4 deutschen Arbeitsplätzen.
Ziehen wir die Folgerungen aus dem bisherigen Ergebnis der Kolonisierung, so
kann festgestellt werden:
Die Kolonisierung diente in erster Linie
nationalpolitischen Zwecken, der Tschechisierung. Sie brachte Kolonisten auf
besten Kulturboden mit einer guten Besetzung von arbeitenden Menschen, welche
den Kolonisten weichen mußten und hat infolgedessen in rein
ländlichen Gegenden, in denen die früher auf dem [179] Boden arbeitenden
Leute nicht in andere Berufszweige ausweichen konnten, sogar die Landflucht und
Arbeitslosigkeit vermehrt. Die Ausstattung der Kolonien mit kostspieligen
Gebäuden und anderen Einrichtungen belastet nicht nur den Kolonisten,
sondern auch den Staat derart, daß der wirtschaftliche Zweck, freie Bauern
auf freier Scholle zu schaffen, nicht erreicht wurde. Die bisherige Kolonisierung
ist der klarste Beweis dafür, daß gegen den Wortlaut und Geist der
Verfassung den Staatsbürgern der Minderheiten Lebensrecht, Lebensraum
und Arbeitsplatz genommen wurde. Dabei muß weiter festgehalten werden,
daß beispielsweise allein im Jahre 1934 trotz Exekutionsschutz 2654
landwirtschaftliche Anwesen zu Schleuderpreisen versteigert wurden. In einem
Jahre wurden also ebensoviele Bauern vom Exekutor vom Boden vertrieben als
Kolonisten in 10 Jahren mit einem Aufwand von über 400 Millionen auf
einen Boden gesetzt wurden, der zumeist gar nicht kolonisationsbedürftig
war."74
Mit der Durchführung der Bodenreform ist der Kampf um den deutschen
Grund und Boden nicht abgeschlossen. Der Staat hat seinen Hauptschlag gegen
den Siedlungsraum der nichttschechischen Volksgruppen geführt.
Kleinarbeit ist den staatlich subventionierten und mit den tschechischen
Großbanken zusammenarbeitenden Tschechisierungsvereinen
überlassen, die nun systematisch an die Erwerbung deutschen Grundes und
Bodens gehen.
Anläßlich der 50jährigen Gründungsfeier der
nordböhmischen "Jednota" erklärte deren Obmann, Senator
Hruby (Sozialdemokrat!), daß die Tschechisierungsvereine heute noch
nötiger erscheinen als vor dem Kriege, weil sich auch jetzt noch "das
Besitztum im Norden in den Händen der Deutschen befindet". Man scheint
dem nun abhelfen zu wollen. Ein in den tschechischen Blättern
veröffentlichter Aufruf der "Jednota" verrät nur zu deutlich,
daß man gerade die Zeit der größten wirtschaftlichen Not, die
Zeit des Hungerns und des Elends dafür ausnützen will, um
deutschen Besitzstand in tschechische Hände überzuführen
und den Notstand der Sudetendeutschen zur weiteren Tschechisierung zu
mißbrauchen. In dem Aufruf der "Jednota" wird erklärt,
daß die 750.000 tschechischen Grenzer im gemischten und
sudetendeutschen Gebiete "ihre endliche Befreiung und wirtschaftliche
Stärkung erwarten" und "sich ihrer großen und historischen Aufgabe
bewußt sind". Sie verlangen eine nationale Steuer von 50 h auf den
Kopf "zur wirtschaftlichen Stärkung und zum Besitzankauf aus fremden
Händen in Nordböhmen", um so einen "wirtschaftlichen Wall gegen
den nationalen Widersacher zu errichten".75
[180] Im Zuge der
tschechoslowakischen Verhandlungen über die Entschuldung der
Landwirtschaft wurde der Statutenentwurf eines Institutes bekanntgegeben, das
unter dem Namen "Bauernbank" vor allem die Konvertierung landwirtschaftlicher
Schulden besorgen soll. Wie sich nun herausstellt, ist die Konvertierung
landwirtschaftlicher Schulden einer der Zwecke, keineswegs
der Hauptzweck der Anstalt! Hauptzweck der Anstalt scheint vielmehr
eine ins Unvorstellbare gehende Regelung der persönlichen
Eigentums- oder Pachtverhältnisse an landwirtschaftlichem Grund und
Boden zu sein. Zu ihren Aufgaben soll nämlich u. a. gehören:
1. Erwerb landwirtschaftlichen oder für die Landwirtschaft
geeigneten Bodens. 2. Vorbereitung des Bodens für seine
Zuteilung. 3. Zuteilung des Bodens in Eigentum oder Pacht.
4. Landwirtschaftliche Kreditvermittlung und Bereitstellung. Die
Erfüllung dieser Aufgaben soll durch ein Enteignungsprivileg, durch ein
gesetzliches Vorkaufsrecht und schließlich durch die
Zurverfügungstellung der notwendigen finanziellen Mittel sichergestellt
werden.
Um sich vorstellen zu können, was die Durchführung jener Aufgaben
für das Sudetendeutschtum bedeuten kann, muß man an eine Aktion
erinnern, die in wenigen Jahren hunderttausende ha deutschen Bodens in
tschechische Hände überführt hat, an die Bodenreform. Mit
sozialen und ethischen Motiven wurde diese Aktion zur Regelung des
Grundeigentums begründet, deren offizielle Tendenz, wie im
nächsten Abschnitt dargestellt wird, dahin ging, den Großgrundbesitz
durch Enteignung landwirtschaftlichen Bodens zu verringern und freiwerdenden
Boden zur Schaffung mittleren und kleineren Grundbesitzes zu verwenden, deren
inoffizielles Ziel es aber war, deutschen Boden in tschechische Hände
überzuführen.
Mit dem Tschechisierungserfolg der Bodenreform scheinen die Tschechen nun
nicht mehr zufrieden zu sein. Die Statuten der Bauernbank beweisen das.
In der Statuierung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts für allen
landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Boden, in der
Einräumung des Enteignungsprivilegs zur Erfüllung der
Zwecke (!) der Bank und in dem finanziellen Aufbau des Instituts offenbart
sich kein Wunsch der Landwirtschaft, sondern die unverhüllte Forderung
aller Organisationen nach Tschechisierung sudetendeutschen Gebietes und nach
der Brechung aller Festungen sudetendeutscher wirtschaftlicher und
völkischer Widerstandskraft! Hier wird die Erfüllung einer
Forderung zugesagte, die die schlimmsten Chauvinisten seit langem erheben und
verlangen!
Die Tatsache, daß eine entgeltliche Übertragung an den vom
bisherigen Eigentümer gewählten Käufer dann nicht
zustandekommen kann, wenn die Bauernbank von ihrem Vorkaufsrechte
Gebrauch macht, bedeutet, daß die Bank jeden zur Übertragung
kommenden sudetendeutschen Besitz an sich ziehen kann, wenn eine einzige
Voraussetzung gegeben ist: die finanzielle Potenz der Bank, die
Verfügung über die notwendigen Mittel! Und für diese
scheint man im Statuten- [181] entwurf in einer Weise
vorgesorgt zu haben, die die Angelegenheit der Bauernbank aus dem
landwirtschaftlichen Bereich herausholt und sie in den Mittelpunkt des gesamten
sudetendeutschen Interesses stellt. Die Bank soll sich nämlich die
erforderlichen Mittel nicht nur durch Pfandbriefemissionen, durch die Ausgabe
ewiger oder amortisabler Renten, durch die Ausgabe von
Investitionsschuldverschreibungen und Kassenscheinen, sondern auch durch die
Entgegennahme von Büchel- und Kontokorrenteinlagen beschaffen
können!
Das Tempo der Tschechisierung ist gegeben durch die wirtschaftliche Macht, die
hinter ihr steht. Die Bauernbank hat die Mittel zu liefern, die es
ermöglichen sollen, das bisherige Tempo zu vervielfachen. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß sie mehr als der Entschuldung der Entnationalisierung
dienen und dort einsetzen soll, wohin die Bodenreform nicht gereicht hat, wo
ähnliche Bemühungen bisher fehlgeschlagen sind und wo sich
sudetendeutsche Widerstandskraft am ungemindertsten erhalten hat: Im
Bauerntum! Damit ist die Bauernbank zu jener Institution geworden, deren Sein
oder Nichtsein entscheidet über die Erhaltung sudetendeutschen
Bodenbesitzes oder über seine Verminderung! Das ist der Sinn des
sudetendeutschen Kampfes gegen sie.76
Der Hauptausschuß der Národni Jednota für
Ost- und Nordmähren hat beschlossen, eine organisierte Evidenz zum
Erwerb von deutschem Boden und landwirtschaftlicher Anwesen, sowie auch
anderer Objekte zu schaffen. Insbesondere bei den Versteigerungen in
Nordmähren und im Kuhländchen werden Aufkäufer
teilnehmen und alle geeigneten Objekte aufkaufen. Da bei den Versteigerungen in
der jetzigen Krise zumeist nur der Ausrufspreis erzielt wird, handelt es sich fast
durchwegs um gute Geschäfte. Die zum Kauf notwendigen Gelder
verschafft die Nár. Jed. Da die Nár. Jed. bei jedem
Bezirksgericht, wie in jedem Staatsamt ihre Vertrauensmänner hat, ist es
für sie sehr einfach, den verschuldeten deutschen
Grund- und Hausbesitz genau in Evidenz zu führen und zu jeder
Versteigerung, die für Tschechisierungszwecke in Betracht kommt,
Aufkäufer zu entsenden.
Die Prager Národni Politika vom 19. Dezember 1934 richtet an
die vermögende tschechische Öffentlichkeit einen Aufruf, in dem es
heißt:
"Infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten stehen überall, besonders
aber im verdeutschten Gebiet, zahlreiche Wirtschaftsobjekte, Fabriken,
bäuerliche Anwesen, Wälder, Grundstücke usw. zum
Verkauf. Der Preis der Realitäten ist oft niedrig und ihre deutschen Besitzer
kommen häufig auch zu Tschechen und sogar zu den tschechischen
Schutzvereinen (!), um ihnen diese Realitäten zum Kauf anzubieten.
Wenn die tschechischen Schutzvereine genug Mittel zu diesen Transaktionen
hätten, würde dies eine ungeheure wirtschaftliche Stärkung
des Tschechen- [182] tums im Grenzgebiete
bedeuten. Es gibt gemischte Gemeinden, die auf diese Weise geradezu ihrem
tschechischen Ursprung wiedergegeben werden können. Aber auch
tschechische Einzelpersonen, besonders kapitalstärkere, sollten den
gemischten Gebieten nicht ausweichen. Sie könnten dort leicht und billig,
ihren Bedürfnissen entsprechend, Objekte erwerben, die nach dem
Aufhören der Krise - bei billigen Arbeitskräften in den
Gebirgsgegenden - einen bedeutenden Ertrag abwerfen würden.
Außerdem würden sie in hohem Maße den
Restitutionsprozeß in den Gemeinden und Gebieten fördern, die
einstens rein tschechisch (??) waren. Das wäre die wertvollste
patriotische Arbeit."77 - Hyänen des
wirtschaftlichen Schlachtfeldes!
Und die Arbeiten und Aufrufe sind nicht umsonst und ohne Erfolg. Es vergeht
wohl kaum eine Woche, in der nicht neue deutsche Bodenverluste gemeldet
werden. So führt der planmäßige staatliche und private
tschechische Bodenkampf zu einer Verengung deutschen Lebensraumes und zu
einem weiteren Verlust deutscher Arbeitsplätze. Damit erfährt aber
auch der natürliche Lebensquell der deutschen Volksgruppe, das
Bauerntum, eine Verengung, da die Neubildung des sudetendeutschen
Bauerntums fast unmöglich gemacht wird. Schon in der Vorkriegszeit
machte sich in den sudetendeutschen Grenzgebieten eine Bodenknappheit
bemerkbar und ließ den Ruf nach einer Parzellierung des
Großgrundbesitzes zwecks Neubildung bäuerlicher Wirtschaften laut
werden. Die Bodenreform hat eine Vergrößerung der
sudetendeutschen kleinbäuerlichen Wirtschaften unmöglich
gemacht.
Über die volkspolitische Auswirkung und Bedeutung dieses Bodenkampfes
wird an anderer Stelle noch eingehend zu sprechen sein.
Das Bodenamt in Prag kann mit seiner Bilanz zufrieden sein, denn es hat seine
ihm gestellte Aufgabe erfüllt und den Boden, den der Staat beschlagnahmt
hat, nach den Richtlinien der Regierung aufgeteilt. Die Bilanz, die das
tägliche Leben aus seiner Arbeit gegeben hat, ist im Vorstehenden skizziert
worden. Der bäuerliche Boden als die Grundlage allen Lebens
verträgt keine willkürlichen Experimente und mechanischen
Eingriffe. Wir erleben es im großen in Sowjetrußland und im kleinen
in der Tschechoslowakei, wie sich der Boden mit unerbittlicher Naturgewalt
rächt, wenn man ihn ständig in Unruhe hält und ihm schlechte
Wirtschafter aufzwingt. Verfall des Geschaffenen und Rückfall in einen
geradezu chaotischen Zustand sind die charakteristischen Erscheinungen dieser
Bodenreformen Die Bodenspekulation aber wirft das einzige Erträgnis aus
dem Boden ab.
[183] In den nachfolgenden
Sätzen78 ist die tschechoslowakische
Bodenreform in nicht zu übertreffender Form charakterisiert worden:
"Wir haben in unserem Staate (d. i. die
Tschechoslowakei) in 15 Jahren 2 Millionen Hektar im Wege der Bodenreform an
andere Eigentümer und Wirtschafter gebracht und vergeben, der
Innenkolonisation, der Siedlung und Rücksiedlung zu dienen. Über
der revolutionären Besitzreform und der nationalpolitischen Zielsetzung
wurde aber außer acht gelassen, daß der meiste Boden an schlechtere
Wirtschafter kam und die Spekulation schrankenlos die Herrschaft über den
reformierten und nicht reformierten Boden antreten konnte. Es wurden soziale
und kulturelle Traditionen zerstört, mehr als Zehntausende organisch
gewachsene Betriebe vernichtet oder doch aufgelöst, ohne nennenswerte
neue Betriebe und Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Für einen
neuen demokratischen Adel wurden alte ererbte Adelssitze und Schlösser
freigemacht und mehr als hundertausende Menschen von ihren
Arbeitsplätzen am Land entfernt und zum großen Teil in der Zeit des
Mieterschutzes sogar um ihr Obdach beraubt. Man wollte denen, die auf diese
Tatsachen hinwiesen, nicht Glauben schenken, bis sich herausstellte, daß in
den kulturell hochstehenden Sudetenländern im Jahrzehnt der Bodenreform
1921 - 1931 in Böhmen 269.666 und in
Mähren/Schlesien 159.656, zusammen also 429.322 zur Urproduktion
gehörige Menschen vom Lande gewichen sind und auch in den dünn
bevölkerten und überwiegend land- und forstwirtschaftlichen
Karpathenländern mit einer Fülle von organischen
Siedlungsmöglichkeiten die land- und forstwirtschaftliche
Bevölkerung relativ gleichfalls bedeutend zurückgegangen ist und
der ländliche Zuwachs auch schon vom Osten her auf den Arbeitsmarkt
drücken mußte.
Keine Statistik wird darum herumkommen, daß zur
Landflucht, zur Flucht aus der landwirtschaftlichen Arbeit und zur Vermehrung
der Arbeitslosigkeit die Bodenreform wesentlich durch Zerstörung von
Betrieben und Arbeitsplätzen am Lande beigetragen hat. Die mechanische
Bodenaufteilung und Bodenverteilung hat nicht so sehr den wirklichen Hunger
nach Boden und nach Arbeit gestillt, als vielmehr den Hunger nach
Rest- und Waldgütern, nach Spekulationsgewinnen, nach
national- und parteipolitischen Stellungen. Es wird ein langer organischer
Siedlungs- und Rücksiedlungsprozeß notwendig sein, um den Hunger
nach Arbeit zu stillen und um wenigstens soviele Leute wieder aufs Land
zurückzubringen, als in der Bodenreform vom Lande weichen
mußten."
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