SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor

 
Süddeutschland - Eberhard Lutze

Stuttgart und Karlsruhe

Die Hauptstädte Württembergs und Badens zusammen zu betrachten ist in mancherlei Hinsicht aufschlußreich. Beide Städte sind als Haupt- und Residenzstädte groß geworden. Ihre Geschichte hat nicht die Größe und Reichswichtigkeit wie die von so mancher süddeutschen Reichsstadt. Aber deren Glanz ist manches Mal durch den Industrierauch seit dem vorigen Jahrhundert stumpf und matt geworden. Stuttgarts und Karlsruhes Seele ist der Hof gewesen. Stuttgart hat die Krisis, die mit der Abdankung der Fürstenhäuser 1918 für jede Residenzstadt gegeben war, längst überwunden; Karlsruhe trägt noch an dem Verlust. Es schwingt noch immer dünne feine Hofluft um die Stadt des Baumeisters Friedrich Weinbrenner. Unnötig zu betonen, daß die stillere Hauptstadt Badens gegenüber dem betriebsamen Stuttgart als Stadt mehr Gesicht, die Kunst, auch die lebende, dem Stadtgeist schärferes Profil verliehen hat. Das schwäbische Stuttgart und das fränkisch-alemannische Karlsruhe sind die Vororte des deutschen Südwestens, die Träger neuzeitlicher Kultur für diesen Raum, die schöpferischen Erben alter Reichs- und Bischofsstädte.

Stuttgart liegt überaus geschützt in einem weich gemuldeten Talkessel, zu dessen Höhen sich die Häuser in Terrassen hinaufziehen. Unvergleichlich, wenn [797] man mit einem Nachtzuge einen der Tunneleingänge zur Stadt verläßt und die Lichterfülle gewahr wird, deren oberste Reihen geraden Weges in die Sterne hineinzuwachsen scheinen. Die Talsohle hat dem Wachsen der Stadt im vorigen Jahrhundert nicht mehr ausgereicht.

Stuttgart. Der Hauptbahnhof.
[775]      Stuttgart. Der Hauptbahnhof.

Wenn man vom Turm des schönen, 1914 bis 1927 von Paul Bonatz und F. E. Scholer gebauten Bahnhofs, des Wahrzeichens des modernen Stuttgart, hinabblickt, wird deutlich, daß die charakterlose, aber stets belebte Hauptgeschäftsstraße, die Königstraße, sich wie eine Schlagader durch die Anlage der Innenstadt zieht.

Stuttgart. Altes Schloß.
[772]      Stuttgart. Altes Schloß.

Gleich links breitet sich der Schloßplatz, der einer der schönsten Plätze in Deutschland hätte werden können, mit dem unangetastet gebliebenen genießerischen Schloßgarten; hinter dem alten Schloß die Altstadt: der Marktplatz mit einigen schönen niederschwäbischen Fachwerkhäusern, einige winkelig gebrochene malerische Gassen, die Stiftskirche und die Leonhardskirche. Das ist alles.

Stuttgart. Marktplatz mit Stiftskirche.
[771]      Stuttgart. Marktplatz mit Stiftskirche.

Stuttgart. Neues Schloß.
[774]      Stuttgart. Neues Schloß.
Der höfische Teil mit dem ausgedehnten stolzen, wenn auch etwas frostigen Neuen Schloß und der daran anschließenden Akademie, dem Landestheater und dem wahrhaft majestätischen säulengeschmückten Königsbau ist unter Einschluß des Schloßgartens etwa dreimal so groß wie der Bezirk der Altstadt. Dieses Verhältnis ist nicht nur als Repräsentation einer Residenzstadt des 18. und 19. Jahrhunderts und als gewachsener Organismus einer mittelalterlichen Bürgerstadt zu deuten, sondern spiegelt die tatsächlichen Verhältnisse dieser geschichtlich so merkwürdigen Stadt wieder. Es wurde bereits von den Tunneln gesprochen, deren es für jede Stuttgart berührende Bahnlinie bedarf. Und es führen alle Württemberg schneidenden Schienenwege, z. T. unter erheblichen Umwegen, auf doppelt und dreifach geführten Bogenstellungen in die Haupt- und Verwaltungsstadt des Landes. Vor dem Zeitalter der Eisenbahnen liefen die Landstraßen nicht nach Stuttgart zusammen. Erst die Eisenbahn hat Stuttgart groß gemacht. Seit 1864 trägt die Bahn den Verkehr bis an den Schloßplatz. Die Residenz-, Wohn- und Beamtenstadt wächst sich zum Industrie- und Handelsplatz aus. Heute ist Stuttgart die lebendigste süddeutsche Großstadt, mit Leipzig Vorort des deutschen Verlagswesens und Buchhandels, durch das in mächtigem Ausbau stehende Institut des Auslandsdeutschtums Sammel- und Mittelpunkt aller die Heimat mit den fernen Volksgenossen verbindenden Fragen.

Stuttgart. Deutsches Auslandsinstitut.
[773]      Stuttgart. Deutsches Auslandsinstitut.

Die steile Kurve der Bevölkerungsbewegung spricht mehr als viele Worte: um 1630: 8300 Einwohner; um 1635: etwa 4000; 1800: 20 000; 1843: 44 000; 1870: 92 000; 1931: 341 000; 1935: 415 000. Die Entwicklung ist dabei keinesfalls einseitig verlaufen. Die Weisheit eines allbeliebten Fürstenhauses und seiner Regierung hat für eine gesunde Zentralisierung Sorge getragen, die zu dem Werden einer Großstadt beitrug, in deren Körper ein gesunder Geist leben konnte. Die Zentralisierung war eine vollkommene: die Behörden, Unterrichts- und Forschungsanstalten (Technische Hochschule) - bis auf die Landesuniversität, die in Tübingen belassen wurde -, die Staatssammlungen, zwei Theater, die Garnison - alles wurde nach Stuttgart gelegt, das verkehrsungünstig in einem engen Talkessel gelegen, fast über Nacht zum Mittelpunkt des Landes wurde.

[798] Wenn Städte nur nach der Gunst der Lage eine Zukunft haben würden, so hätte Cannstatt die Entwicklung Stuttgarts nehmen müssen. Als günstiger Neckarübergang ist es eine uralte Siedlung, wo sich Heerstraßen aus allen vier Himmelsrichtungen kreuzten; es blühte nach den Schlägen des 17. und 18. Jahrhunderts als vornehmes Mineralbad weiter und ist heute als eingemeindeter Stadtteil Stuttgarts ein Industrieviertel der Hauptstadt. Verkehrsgeographisch lag Cannstatt im Mittelalter denkbar günstig, weil die Reichsstraßen fast alle anders liefen als die nach der Landeshauptstadt zielende, die Täler nutzende Führung des Eisenbahnweges. Karl Gerok, der seit 1832 im Tübinger Stift lebte, beschreibt in seinen Jugenderinnerungen, wie die Studenten damals den Weg über die Filderebene von Tübingen nach Stuttgart nahmen, wenn das Semester zu Ende war oder Feiertage vor der Tür standen. "Das war damals eine lebhafte Landstraße, ein Stück des uralten Verkehrsweges zwischen Ulm und Schaffhausen. Da begegnete sich der wandernde Handwerksbursche mit Ranzen und Knotenstock und der flotte Student auf seinem Klepper oder in einem windschiefen Chaischen... In scharfem Trabe rasselte der gelbe Postwagen daher mit dem blasenden Schwager auf dem Sattelpferd, während der achtspännige Frachtwagen mit dem klingenden Blechbehänge seiner stämmigen Rosse sich in gemessenem Schritte fortbewegte, der Fuhrmann im blauen Staubhemde zur

Weil der Stadt (Württemberg). Keplerdenkmal.
[778]      Weil der Stadt (Württemberg). Keplerdenkmal.
Seite. Der Filderbauer im langen weißen Kittel führte seine Krauthäupter nach der Stadt, und die rotbäckige Dorfdirne trug ihren Grasbund auf dem Kopf nach Hause. Über den Kornfeldern aber jubilierten die Lerchen, und am östlichen Horizont hinter den Kirchtürmen stattlicher Dörfer zog sich die blaue Bergkette der Schwäbischen Alb hin mit ihren Burgen vom Hohenzollern bis hinab zum Hohenstaufen. Jetzt wächst Gras auf dieser Landstraße. Keine wohlbeleibte Frau Hirschwirtin trägt in Echterdingen dem Bruder Studio die dampfende Sauerkrautschüssel mehr auf, und der prächtige Eichentisch in der Krone zu Waldenbuch, mit den vielen hundert eingeschnittenen Burschennamen, steht verlassen, wenn er überhaupt noch steht in der einsamen Ecke, in der kein Studentenwitz und kein Burschenlied mehr klingt. Die Eisenbahn hat den Verkehr links und rechts abgelenkt von der uralten Schweizer Straße." Heute sausen die Autos, fahren die Radler wieder die Straße, und Waldenbuch und Echterdingen bewahren noch die Züge, die der Dichter der "Palmblätter" beschreibt. Aber Gerok hat richtig gesehen: die Eisenbahn hat über die Landschaft und das über sie regierende Stuttgart ein neues eisernes Zeitalter heraufgeführt. Man kann es so ausdrücken: Stuttgart hat das zukunftsreiche Erbe Cannstatts angetreten. Selbst die Fernzüge müssen sich die Verzögerung gefallen lassen, die die Einfahrt in das von steilen Höhen versperrte Stuttgarter Tal bedingt. Die Landeshauptstadt sitzt "wie eine Spinne im Netz" (A. Penck).

Kirchberg (Jagst).
[780]      Kirchberg (Jagst).

Die für eine moderne Großstadt ungewöhnlich schöne Lage hat schon früh begeistertes Lob gefunden. Ulrich von Hutten schrieb 1519: "Nicht leicht hat Deutschland eine schönere Gegend als diese, das fruchtbarste Gefilde, wunderbar gutes und gesundes Klima, Berge, Wiesen, Tal, Flüsse, Quellen, Wälder, alles auf das anmutigste; Früchte wie nirgends sonst, Wein, wie man ihn in [799] diesem Lande erwarten kann. Stuttgart selbst nennen die Schwaben das irdische Paradies, so lieblich ist es gelegen." Fraglich, wie die Anfänge der Siedlung zu denken sind, ob aus dem "Stuten-Garten" - dem Gestüt des Hirsauer Abtes - oder einer Wasserburg der Grafen von Württemberg. Feststeht, daß die Stadt bereits 1286 ansehnlich war, daß sie dank der von Hutten gepriesenen Fruchtbarkeit der Filderebene und der Vorliebe der Grafen von Württemberg gut gedieh. Graf Ulrich der Erlauchte machte sie zur Hauptstadt seiner Grafschaft; 1483 wurde Stuttgart Residenzstadt; als Kurfürst Friedrich die Königswürde erlangte, wurde es Königsstadt. Wie sehr das Gedeihen der Stadt von der staatlichen Bevorzugung abhängig war, zeigt die Verlegung der Residenz nach dem 1709 von Herzog Eberhard Ludwig gegründeten Ludwigsburg. Zwar kehrte Karl Alexander 1734 wieder nach Stuttgart zurück, aber Herzog Karl Eugen residierte seit 1764 erneut in Ludwigsburg und später in Hohenheim. Dieser Wechsel kostete Stuttgart 4700 Einwohner!

Ludwigsburg. Der Schloßhof.
[776]      Ludwigsburg. Der Schloßhof.

So gehören Ludwigsburg und Hohenheim, Solitude und Monrepos eng zur Stuttgarter Geschichte. Ludwigsburg hat sich den Charakter der Rokokoresidenz mit dem von Nette und Frisoni erbauten Schloß schön bewahrt; die Schachbrettanlage der Stadt ordnet sich dem Schloß unter. Die unferne Festung Hohenasperg verkörpert die düstere Seite des absolutistischen Zeitalters gegenüber dem heiteren Eindruck der zweiten Residenzstadt Württembergs, der Herzog Karl in dem schön am See gelegenen Monrepos ein vornehm gebautes Lustschloß schenkte (1763). Demselben Herzog dankt die Solitude auf waldiger Höhe westlich von Stuttgart ihre Entstehung, "worauf er, von dem Getümmel und den Täuschungen der Welt sich erholend, Stunden der Muse und der Zurückgezogenheit verleben zu können hoffte". Die durch Schillers Jugendzeit bekannte Militärakademie der spartanisch gelenkten Karlsschule wurde auf der Solitude mit 14 Zöglingen von Herzog Karl begründet. Merkwürdig zwiespältig lebt die Erinnerung an diesen despotischen, zügellosen Herrscher im Volke weiter, dem von der Sage übernatürliche Kräfte angedichtet werden, dessen unerbittliche Härte aber in späteren Jahren gemildert wurde durch die fürsorgliche Leidenschaft zu seiner Akademie, eine Wandlung, die möglicherweise unter dem Einfluß seiner ihm als Reichsgräfin von Hohenheim angetrauten Freundin Franziska von Leutrum geschah. Schloß Hohenheim, das "Karl Herzog" seiner nicht sehr gebildeten, aber hingebungsvollen Hausfrau schenkte, beleuchtet eine dritte Seite des herzoglichen Charakters: den Sport der Landwirtschaft, den Karl in den kuriosen Formen seines Jahrhunderts pflegte. So ließ er auf 64 Morgen eine kleine Weltgeschichte in Miniaturbauten darstellen: eine gotische Kapelle, antike Denkmäler, ein Schweizerhaus, einen Konzertsaal - alles bunt durcheinander. Daneben legte er viel bewunderte Wintergärten nach russischem Muster an. Schiller, der häufig in Hohenheim weilte, haben die Anlagen zu seiner Elegie "Der Spaziergang" angeregt.

So spiegelt auch Hohenheim die denkwürdige Abfolge der schwäbischen Hauptstadt wieder. Der alte Sitz der Bombaste von Hohenheim, der Familie des berühmten Theophrastus Bombastus Parazelsus, des großen Arztes, [800] Philosophen und Alchimisten der Reformationszeit, wurde zum stattlichen, mit Kasernen verbundenen Landsitz eines absolutistischen Fürsten, um seit 1904 als Landwirtschaftliche Hochschule, die auch im Ausland einen guten Ruf besitzt, akademische Würde mit der alten, der Filderebene eingewurzelten landwirtschaftlichen Tradition zu verbinden. Ludwig Uhland besingt den prosaischen Reiz der Filder:

    "Auch unser edles Sauerkraut -
    Wir sollen's nicht vergessen;
    Ein Deutscher hat's zuerst gebaut,
    Drum ist's ein deutsches Essen.
    Wenn dann ein Fleischchen weiß und mild
    Im Kraute liegt, das ist ein Bild
    Wie Venus in den Rosen".

Alles dies, was zum Lobe der Stuttgarter Tallage gesagt, was Uhland in zierlichem Humor über die landwirtschaftliche Gunst des Umlandes gedichtet hat, trifft für Karlsruhe nicht zu. Es liegt tellerflach im Walde. Sein Geburtstag ist so genau wie wohl selten bei einer Stadt festzulegen. Mit der am 17. Juni 1715 vollzogenen feierlichen Grundsteinlegung des Schloßturmes waren zugleich die Fundamente der zukünftigen badischen Hauptstadt gelegt. Und dies kam so: Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach hatte ein Jahr vorher kurzerhand beschlossen, seine Residenz von Durlach wegzulegen. Die schön zu Füßen des Turmberges gelegene Festungsstadt war, nachdem sie schon im 30jährigen Kriege böse Tage erlebt hatte, im Jahre 1689 ein Opfer des Sonnenkönigs geworden. Auch die Karlsburg, die Residenz der Markgrafen, war in den Brandfackeln des Mélacschen Kriegszuges aufgegangen. Nur mühselig, mit Geldsorgen kämpfend, hatte Karl Wilhelm den von seinem Vater begonnenen Neubau eines Schlosses fortführen lassen. Die Durlacher waren überdies nicht gut auf ihren Landesherrn zu sprechen. Ihnen paßten die Frondienste am Rhein nicht länger, das Geld zum neuen Schloß drückte sie, der niedrige Heupreis und das hohe Wachtgeld. Der lockere Lebenswandel ihres Markgrafen stand in verantwortungslosem Gegensatz zu der Not der Zeit. Im Verfolg der Mißlichkeiten, die ihm die Vorwürfe über seine 60 Frauenzimmer zählende Bedienung eintrugen, seiner Vorliebe für die Bühne, seiner Sitte, mit Mädchen auf die Jagd zu reiten, die in Husarenuniformen gesteckt waren, beschloß er, seinen Durlachern den Rücken zu kehren. Mitten in den wildreichen Hardtwald verlegte er sein "Karlsruhe", wo er in Muße der Jagd und sonstigen persönlichen Neigungen nachgehen wollte. Es blieb nicht bei dem Schloß "Favorite". Aber es ist bezeichnend, daß der Turm dieses Schlosses zum Mittelpunkt der Stadtanlage gemacht wurde, eine sprechende Illustration des von Ludwig XIV. geprägten Wortes: "L'Etat c'est moi": der Staat bin ich. Karlsruhe wurde eine Zirkelstadt. Beruht die Anlage Mannheims auf der Grundform des Quadrates, so ist die von Karlsruhe fächerförmig. Nach eigenen Angaben des Fürsten wurde der Ingenieur Jakob [801-816=Fotos] [817] Friedrich von Batzendorf mit der Durchführung betraut. Ein Kreisrund, durch das 16 Durchmesser gelegt wurden; die 32 verlängerten Radien strahlen in 9 Stadtstraßen und 23 Waldalleen aus. Lineal und Zirkel bestimmen auf dem Reißbrett das Werden einer Stadt! Man arbeitete schnell. Nach drei Monaten standen schon eine Reihe von Holzbauten, deren Bewohner durch Privilegien - wie freies Bauholz, Zusicherung von Leibesfreiheit - zum Siedeln angespornt waren. Die Häuser wurden durchweg nach holländischen Modellen errichtet. 1775 war - nach Planänderung unter Karl Friedrich, dem Nachfolger des Gründers - das Schloß beendet. 1815 hatte Karlsruhe 15 000 Einwohner. Die Straße lenkte den Verkehr von Durlach um zur neuen Hauptstadt, die es auch im neuen Großherzogtum blieb. Die Eisenbahn hat vollends diese Entwicklung zum Abschluß gebracht.

Karlsruhe, Baden. Das Schloß.
[702]      Karlsruhe (Baden). Das Schloß.

Hundert Jahre nach der Gründung: der aufgeklärte Rheinbundfürst Karl Friedrich verleiht der Stadt durch seinen Baumeister Friedrich Weinbrenner das Gesicht, das es noch heute trägt, aus spätbarocken und klassizistischen Zügen zusammengesetzt. Geblieben ist der alte Grundgedanke: das Schloß im Brennpunkt, die Stadt Folie. Geblieben ist bei dem in Rom geschulten, in Karlsruhe geborenen Künstler der große städtebauliche Wurf. Die achsial laufende feierliche Karl-Friedrich-Straße ist eine wirkungsvolle Abfolge klassisch-kühler Denkmäler, symmetrischer Baugruppen, aufeinander abgestimmter Plätze und Häuser. Das moderne Leben freilich ist dem Stadtkern ferngeblieben; es ist still in den Bogengängen um den Schloßplatz, fast ausgestorben in den Radialstraßen, im Fasanengarten und im Hardtwald. Die Kaiserstraße ist die Hauptader geworden: sie führt statt zum Schloß an den Rheinhafen.

Mit der Schaffung dieses städtischen Hafens hatte das moderne Karlsruhe die ihm drohende zukünftige Gefahr, von der Schiffahrtsstraße des Rheines abgeschnitten zu sein, glücklich beseitigt. Das Tiefgestade des Rheines wurde zu den Kaianlagen ausgenützt; bis an den Rand des Hochgestades konnte sich die Stadt ausdehnen, der in der Richtung zum Gebirge durch den schlechten Baugrund eines Bruchlandes natürliche Grenzen gesetzt sind. Wie die Finger einer Hand greifen die stattlichen Hafenbecken am

Kundgebung der DAF.
[774]      Kundgebung der DAF.
Ende eines 1900 Meter langen Stichkanals bis unmittelbar vor den Stadtteil Mühlburg. 200 Jahre nach der Stadtgründung: das sich wirtschaftlich gut entfaltende Karlsruhe, die Haupt-, Residenz- und Hafenstadt, Sitz der zweitältesten deutschen Technischen Hochschule, voll regen musikalischen und künstlerischen Lebens, die Stadt, in der Hans Thoma lebte, hatte allen Anlaß, 1915 ihr Jubelfest würdig zu begehen. Der Krieg hat die geplanten Festlichkeiten zunichte gemacht, das Jahr 1918 große Hoffnungen begraben. Karlsruhe steht am Anfang einer neuen Entwicklung. 140 Jahre früher hatte Badens zweite Zirkelstadt Mannheim, ihrer Residenzwürde entkleidet, vor einem gleich einschneidenden Wendepunkt ihrer Geschichte gestanden. Sie ist zur größten Stadt Badens emporgeblüht.

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite


Deutsches Land: Das Buch von Volk und Heimat,
      besonders die Kapitel "Baden" und "Schwaben".

Das Buch der deutschen Heimat
Hermann Goern, Georg Hoeltje, Eberhard Lutze und Max Wocke