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Heft 5:
Verbrechen an deutschen Offizieren

[i]
Zum Geleit

[Scriptorium merkt an: dieses Geleitwort steht am Anfang eines jeden Heftes der Serie, daher verweisen wir hier statt einer Wiederholung auf denselben Abschnitt in Heft 1.]

[2]
Vorwort

In diesem Heft hören wir, welcher grausamen und unwürdigen Behandlung auch die deutschen Offiziere auf dem Schlachtfelde und im Gefangenlager ohne Rücksicht auf Alter und Rang ausgesetzt waren. So wie der Offizier in Angriff und Abwehr der Führer seiner Leute war, so wie er im Nahkampf Schulter an Schulter neben ihnen kämpfte, so mußte er auch den Kelch der Leiden in Feindes Hand genau so wie der einfache Mann bis zur Neige leeren. Auch er wurde bei der Gefangennahme ausgeraubt bis aufs Hemd, auch ihm wurden Schulterstücke, Abzeichen und Knöpfe abgerissen; mancher Franzose und Engländer hatte es sogar auf seine Mißhandlung besonders abgesehen; vor allem waren die Einwohner, wo sie eines gefangenen deutschen Offiziers ansichtig wurden, besonders gemein, spuckten ihn an, beschimpften und mißhandelten ihn.

Gewiß gab es Gefangenlager, in denen der Offizier besser untergebracht und verpflegt wurde als der Mann, aber das war doch nur selten der Fall, gab es doch auch Mannschaftslager, in denen es die Leute besser hatten. Im allgemeinen hatte der Leutnant in der Gefangenschaft dieselbe schmachvolle Behandlung zu erdulden wie der Musketier! Vielleicht war das auch gut so; denn gemeinsam ertragenes Leid schmiedet die Menschen zusammen. So wissen wir, daß aus dieser gemeinsam verlebten Schreckenszeit auch manches Freundschaftsverhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen entstand, das bis zum Tode andauern wird. Auch das ist gut so, denn so werden die leider künstlich geschaffenen Gegensätze zwischen beiden am leichtesten überbrückt.

Der Offizier ist ein Teil des Volksganzen, aus dem Volke geboren und mit ihm verwachsen auf Gedeih und Verderben. Hat das gesamte deutsche Volk erst erkannt, daß der Offizier kein bevorzugtes Sonderwesen, sondern Blut von seinem Blute ist, so wird und muß Mißtrauen und Hader fallen. Möge dieses Heft dazu beitragen!

Zwei Kriegsbeschädigte.

[3]
Von den Besten unseres Volkes, über deren ruhmloses und entsetzliches Ende bisher keine Kunde in die deutschen Lande gedrungen ist

Nach den Berichten des Musketiers Knapp von der 5. Komp. Inf.- Reg. Nr. 97 marschierte die Truppe von der Grenze aus nach Luneville. Sie wählte den Weg am Rhein-Marne-Kanal und ging dann links nach Luneville weiter. Nach dem Durchmarsch durch das erste Dorf kam der Befehl, auszuschwärmen. So näherten sich die Deutschen dem Flecken Crion, der, wie später festgestellt wurde, bereits vom Feinde verlassen war. Eine vorgeschickte Patrouille fand an der Kirchhofsmauer 20-25 deutsche und französische Leichen. Bei fünf deutschen Gefallenen vom Infanterie-Regiment Nr. 70 fiel die gleichmäßige Lage auf. Eine nähere Untersuchung ergab, daß sie sämtlich im Genick eine etwa 4 Zentimeter lange, 4 Millimeter breite Stichwunde hatten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Verletzungen auf Bajonettstiche zurückzuführen waren. Nur ein einziger wies noch eine Schußverletzung am Bein auf. Gleichmäßig lagen sie mit dem Gesichte auf der Erde, so daß die Stichwunden sofort auffallen mußten. Unter den fünf Gefallenen befand sich ein Offizier, der mit den Musketieren so, wie er mit ihnen gekämpft hatte, gemeinsam mit ihnen abgestochen und hingemordet worden war.

Mit der 11. Kompagnie des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 12 hatte der Landwehrmann Oskar Sommerfeld an der Schlacht bei Charlemont teilgenommen und wurde gegen Morgen des 14. September 1914 am Zeigefinger verletzt. Nach einem Notverband durch den Arzt erhielt er den Befehl, zur Verbandsstelle im Schlosse Charlemont zu gehen, um von dort rückwärts geschafft zu werden. Inzwischen war die Stellung überrannt worden und Sommerfeld wurde mit anderen Verwundeten gefangengenommen. Vom Fenster des Schlosses aus beobachtete er nun, wie ein deutscher Arzt mit der Roten-Kreuz-Binde am Arm durch den Park auf das Schloß zugeritten kam. Kurz vor dem Eingang tötete ein Schuß das Pferd; der Arzt selbst hatte offenbar einen Brustschuß erhalten, denn aus der Uniform [4] fing das Blut zu sickern an. Er brach zusammen; zwei französische Infanteristen stürzen sich auf den Wehrlosen, rissen ihre Seitengewehre los und bohrten dem Arzt beide Augen aus. So hat der unglückliche Träger der Genfer Rote-Kreuz-Binde noch eine Stunde lang an Ort und Stelle gelegen. Kein Mensch weiß, was aus ihm geworden ist, da die deutschen Gefangenen nachher in die Dachkammer des Schlosses eingesperrt wurden.

Unschuldig hat weiter im September 1915 bei Arras durch Mörderhand der Feldwebelleutnant Jahnke mit 20 Getreuen seiner Kompagnie nach ehrenvollem Kampfe und Abgabe seiner Waffen nach den Erzählungen des Unteroffiziers Korzoneck von der 10. Kompagnie Reserve- Infanterie-Regiments Nr. 20 sein Leben lassen müssen.

Mit Handgranaten haben Ende September desselben Jahres während der Champagneschlacht französische Henkersknechte die Hauptleute Paßmann, von Rappart und den Leutnant Israel, nachdem sie gefangengenommen waren, beworfen und durch Bajonettstiche dann getötet.

Zwischen Bergnase 3 und der Nußbaum-Allee wurde am 27. September 1915 in einem Artilleriebeobachtungsstand der Schlosser Franz Preuß von der 12. Kompagnie des Landwehr-Infanterie-Regiments 87 mit noch zehn Mann vorübergehend bei einem Durchbruch der Franzosen gefangengenommen. Einige der Leute wollten sich ergeben, warfen ihre Waffen weg und krochen aus dem Unterstande hervor, indem sie ihre Hände hoch hoben und riefen: "Pardon Messieurs". "Nix Pardon - Revanche Arras - nix camerade" war die Antwort. Schüsse krachten, und die deutschen Soldaten wälzten sich im Blute. Nicht weit vom Unterstande lag ein junger Leutnant vom Infanterie-Regiment Nr. 35 durch einen Hüftschuß schwer verwundet auf dem Schlachtfelde. Als die Stellung wieder genommen und den Gefangenen ihre Freiheit zurückgegeben war, eilten sie sofort zu dem verwundeten Offizier, um zu helfen. Er lag tot da; mit Bajonettstichen hatten Bestien das junge Leben ausgelöscht.

Ebenso traurig ist das Ende des Leutnants Rolf von der dritten Kompagnie des 9. bayerischen Infanterie-Regiments, der am 24. Juli 1916 bei Ban de Sapt beim Überrennen der Linie in einem tiefen Unterstande mit anderen Kameraden durch den Gegner überrascht wurde. Ein Durchschlagen war nicht mehr möglich: zwei Franzosen hatten sich vor den Eingang des Stollens gelegt und schossen ununterbrochen hinein. Da jeder Widerstand zwecklos erschien, entschloß sich der Offizier, sich zu ergeben. Mit erhobenen Händen kroch er aus dem Stollen heraus: die Franzosen schossen ihn sofort nieder mit den Worten: "Offizier allemand nichts Pardon." Die anderen Leute nahm man als Gefangene mit.

Ein Verbrechen, das seinesgleichen sucht, ist die Tat eines französischen Alpenjägers, eines Burschen im Alter von 15-18 Jahren, bei Careney. Hier fiel am 9. Mai 1915 der Krankenträger Fuchs aus Michelfeld von dem 7. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment gegen ½1 Uhr mittags in französische Gefangenschaft. Beim Verbinden des durch die Schulter geschossenen Leutnants Kihn war der Bayer Augenzeuge, wie das Scheusal [5] von einem Menschen den Oberleutnant und Regimentsadjutanten Konrad, dann den schwerverwundeten Leutnant Kihn sowie den Vizefeldwebel Schmidt in Gegenwart eines französischen Sergeant-Major niederknallte. Auf eine Entfernung von 20 Meter erhielt der erste Offizier einen Kopfschuß von hinten, Leutnant Kihn einen tötlichen Brustschuß auf 8-10 Schritte von vorn. Der Feldwebel fiel auf 12 bis 13 Schritt Entfernung durch einen Brustschuß aus dem Infanteriegewehr dieses Mordgesellen. Was hat diesem Kerl die Veranlassung zur Tat gegeben? War es Mordlust, Blutgier oder Rache für Verletzungen des Kriegsrechts dieser drei unschuldigen Boches? Die beste Antwort mag die große Nation in Paris als Verfechterin des Völkerrechts selbst geben!

Noch viel weniger Grund zur Selbstjustiz hatte jener französische Offizier, der am 11. November 1916, um 3 Uhr nachmittags, vor den Augen gefangener deutscher Offiziere und Mannschaften mehrere Stunden nach erfolgter Gefangennahme hinter der dritten französischen Linie den Leutnant der Reserve Jörgens von der 5. Kompagnie des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 28 mit seinem Revolver auf dem Abtransport ums Leben brachte.

Nach seiner Verwundung am 9. Mai 1915 schleppte sich der Leutnant Jena von der 10. Kompagnie des 10. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments in den Sanitätsunterstand, wo ihn der Sanitätssoldat Pröll verband und den inzwischen eingedrungenen Gegner, bat den Offizier mit nach rückwärts schaffen zu dürfen. Diese Bitte schlug man ihm ab und schaffte ihn als Gefangenen versehentlich in falscher Richtung gegen die deutsche Linie. Sobald die Franzosen diesen Irrtum bemerkt hatten, machten sie kehrt, schlugen denselben Weg in umgekehrter Richtung ein und kamen somit an dem früheren Unterstande wieder vorbei. Hier fand Pröll seinen Verwundeten Leutnant mit eingeschlagenem Schädel an gleicher Stelle liegen, an der er ihn hatte verlassen müssen.

In den Vogesen wurde am 27. April 1914 in Haute-Montroy der Führer der Artillerie-Munitionskolonne Nr. 1 der 1. bayerischen Ersatz-Division, Hauptmann Kirchhof oder Kirchhofer, gefangengenommen und mit etwa 100 Mann in einen Stall gesperrt. Der Hauptmann verlangte einen Stuhl und etwas Wasser. Einige Alpenjäger erkundigten sich später noch einmal eingehend nach dem Offizier. Wenige Minuten darauf fielen 6 Schuß, die offenbar sämtlich dem Führer gegolten haben, der sich an die Tür gesetzt hatte und tötlich getroffen zusammenbrach. Am nächsten Morgen gegen 4 Uhr schaffte die Mordbande die Leiche aus dem Stalle. Offenbar hatte man sich des deutschen Offiziers rasch entledigen wollen, da die Franzosen vermuteten, daß er bei der Nähe der deutschen Infanterie seine Leute zur Flucht auffordern könnte.

Beim Versuch, sein Notizbuch nach erfolgter Gefangennahme zu zerreißen, mußte der Leutnant Maurer von der 6. Kompagnie des 11. bayerischen Regiments am 3. August 1916 bei Fleury sein Leben lassen. Weit und breit fiel kein Schuß mehr. Maurer war zusammen mit dem Unteroffizier Kammerl von der 6. Kompagnie des 11. bayerischen Infan- [6] terie-Regiments im Begriff, durch den französischen Graben rückwärts zu gehen, als sein Mörder, ein französischer Offizier, ihn anrief und aufforderte, stehenzubleiben. Dem Befehl wurde sofort nachgekommen. Der Franzose trat auf 2 Schritt heran, zog seinen Revolver und schoß mittels Kopf- und Unterleibsschusses den gefangenen deutschen Kompagnieführer über den Haufen. Der Offizier war sofort tot.

Dem ersten Bataillon des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 242 lagen am 3. 9. 1916 bei Bouchavesnes französische Alpenjäger gegenüber. Der praktische Arzt Schottenloher hatte etwa 27 Verwundete in vorderster Linie gesammelt und war damit beschäftigt, sie zu verbinden, als die Stellung überrannt wurde. Man trieb den deutschen Arzt durch das Sperrfeuer hindurch zur französischen Stellung, um ihn dem Regimentskommandeur vorzuführen. An Ort und Stelle durften nur die Schwerverwundeten liegen bleiben; alle Leichtverwundeten - gleichzeitig ob sie gehen konnten oder nicht - wurden mit Waffengewalt gezwungen, offen nach hinten zu laufen. Durch Brust- und Bauchschuß hierbei tötlich getroffen, sank der Leutnant Günther der 3. Kompagnie zu Boden.


Das Urteil eines Franzosen über seinen Offizier

Daß selbst Franzosen mit Abscheu von der Haltung ihrer Offiziere wehrlosen deutschen Gegnern gegenüber sprechen, beweist ein Bericht des Maurers Leonhard Dumont von der 2. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 43, der bereits am 12. März 1917 sich dahin ausließ, daß er infolge der Scheußlichkeiten der französischen Offiziere an wehrlosen Besiegten jede Lust am Kriege verloren habe. Er führte einen Vorgang, der ihn besonders mitgenommen hat, ins Feld und berichtete, wie am 3. April 1915 die 5. Kompagnie bei einem Angriff auf einen deutschen Posten im Priesterwalde verschiedene Gefangene gemacht habe. An jenem Abend habe ihm sein Kamerad Sidrat erzählt, er habe zusehen müssen, wie der französische Kompagnieführer Hauptmann Maillot einem auf der Bahre liegenden wehrlosen deutschen Offizier eine Kugel durch den Kopf gejagt und ihn dadurch getötet habe. Sidrat selbst habe voller Empörung über diese gemeine Tat seinem französischen Führer zugerufen, er sei "faineant et lache". Der Offizier habe sich lange noch mit ihm herumgestritten über die Rechtmäßigkeit der Tötung dieses deutschen Offiziers; er selbst habe befürchtet, wegen Beleidigung bestraft zu werden. Begreiflicherweise sei aber keine Anzeige erfolgt.

Auf ebenso tragische Weise ist am 4. 5. 1917, abends gegen 7 Uhr, nach tagelangem Trommelfeuer auf Grund von Nachrichten des Metzgers Carl Vogt von der 9. Komp. des Infanterie-Regiments Nr. 135 der Kompagnieführer Oberlt. Kummer ums Leben gekommen. Die Kompagnie war umzingelt worden und mußte sich ergeben. Dicht hinter der ersten französischen Stellung wechselte der Major der angreifenden französischen Truppen noch ein Paar Worte mit dem Oberleutnant, nahm dann seine Browning zur Hand und schoß aus 3 Schritt Entfernung auf Kummer, [7] der unbewaffnet war. Noch einmal versuchte dieser, der zu Boden gesunken war, sich aufzurichten; da sprang die Ordonnanz des Majors herbei und trümmerte dem armen Offizier mit dem Kolben den Schädel ein.

Am 16. April 1917 fiel der Reservist Hausladen von der 1. Kompagnie des 12. bayer. Infanterie-Regiments mit seiner Kompagnie beim Angriff der Franzosen auf Givencourt in Feindeshand. Man sperrte die Gefangenen in einen Unterstand und ließ sie ungefähr eine Stunde dort schmachten. Dann befahl man ihnen, sich fertig zu machen, um sie nach rückwärts zu führen. Als erster trat der Oberleutnant Staub aus dem Unterstand heraus; er war kaum zehn Schritt gegangen, als er von einem französischen Offizier von hinten mit einem Revolver unter höhnischen Bemerkungen in den Kopf geschossen wurde. Der deutsche Oberleutnant brach zusammen und war sofort tot.

In einem Lazarett zu Paris hatte der verwundete Leutnant Zeidler vom Infanterie-Regiment Nr. 86 Aufnahme gefunden. Neben ihm lag schwerverwundet der Kompagnieführer der 12. Kompagnie desselben Verbandes. Letzterer war am 6. September 1916 von einem französischen Offizier wegen seiner langen Verteidigung zur Rede gestellt und dann mit einem Revolver durch das Gesicht geschossen worden. Ein französischer Soldat hatte sich dann seiner mit einem Bajonett erbarmt und ihn entsetzlich zugerichtet. Unter furchtbaren Schmerzen ist der wackere deutsche Mann an den Folgen dieser Behandlung entschlafen. Kürzer waren die Qualen des Leutnants Streling von der 5. Kompagnie des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 122. 3 bis 4 Schwarze nahmen ihn nach seiner Gefangennahme in ihre Bearbeitung. Während der eine dieser Mordgesellen ihn mit dem Bajonett zusammenstach, machten sich seine achtbaren Kameraden eine Freude, den Leutnant solange als Zielscheibe zu benutzen, bis er tot war.

Nach der Gefangennahme war der deutsche Landwirt Richard Roepke auf dem Marsche nach Verdun Zeuge eines Vorfalls, der sich zwischen einem deutschen Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse und einem französischen Offizier abspielte. Beide waren in eine Unterhaltung vertieft; der französische Offizier deutete dabei auf die Auszeichnung auf der Brust des deutschen Artillerieoffiziers, riß diese herunter, warf sie in den Schmutz; dann griff er zum Revolver und schoß seinen Gegner, der keine Waffen mehr bei sich trug, über den Haufen. Wie dieser - so fiel in ähnlicher Art am 1. Juli 1916 der Leutnant Grosser vom Grenadierregiment Nr. 11 an der Somme. Auf seinen Ruf "Pardon, monsieur" streckte ihn der vernehmende französische Offizier nieder.

Ein französischer Sergeant, dessen Regimentsnummer leider nicht bekannt geworden ist, hatte es darauf abgesehen, am 4. September 1916 bei Chaulnes gefangengenommene Offiziere zu erschießen. Nachdem er bereits einmal auf den Leutnant Osang angelegt und denselben verwundet hatte, streckte er ihn dann durch einen zweiten Schuß nieder. Osang war sofort tot. Einen ebensolch entsetzlichen Tod fanden der Leutnant Schmidt von der 4. Kompagnie des 4. Badischen Infanterie-Regiments [8] Nr. 112 im Schützengraben bei Lievin am 8. Mai 1915 sowie der Leutnant Gang von der 12. Kompagnie des Grenadier-Regiments Nr. 101 am 4. September 1916 beim Sturm der Franzosen bei Chaulnes. Obwohl beide Offiziere längst entwaffnet waren, wurden sie von betrunkenen Offizieren und Mannschaften durch Revolverschüsse getötet.

Als Ordonnanz hatte der Gürtler Alois Daiminger in Dörfing von dem Kompagnieführer der 11. Kompagnie des 11. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments am Morgen des 16. April 1917 an der Aisne in der Nähe des Winterberges den Befehl erhalten, eine Meldung nach rückwärts zu schaffen. Auf dem Rückwege zu seinem Führer traf er den Leutnant Franz Brunner von derselben Kompagnie mit einer Verwundung am linken Vorderarm. Brunner hatte bereits starken Blutverlust gehabt, war sehr schwach und bat die Ordonnanz, ihn zu verbinden. Mühsam schleppte der brave Bursche den Verwundeten in einen Unterstand und machte sich an die Arbeit. Mittlerweile war die erste deutsche Linie überrannt worden - ein Entweichen aus dem Unterstande war um so weniger möglich, als der Leutnant Brunner furchtbar jammerte und die Ordonnanz es für ihre Pflicht hielt, bei ihm auszuhalten. So schnallten die beiden ab, um sich zur Übergabe fertig zu machen. Einige Minuten später schaute ein Franzose in den Unterstand und rief etwas Unverständliches hinein. Nachdem er noch einige Male gerufen hatte und man an seinen Gebärden merkte, daß er unwillig wurde, rief Brunner ihm zu: "blessé". Als Antwort flog eine Handgranate in den Schlupfwinkel, durch deren Splitter Brunner abermals schwer verwundet wurde. Daiminger mußte durch diesen Roheitsakt seine Nächstenliebe mit dem Verluste seines rechten Fußes bezahlen. Nunmehr raffte der Leutnant seine ganze Kraft auf, um aus dem Unterstande herauszukriechen. Kaum hatte er die erste und zweite Stufe erreicht, als das welsche Blei ihn von seinen Qualen erlöste. Mit den Worten: "Au weh, au weh, in's Kreuz hat er mich geschossen" fiel der sterbende Held in die Hand seines Mörders.


Leutnant der Reserve Lammers und 21 deutsche Kriegsgefangene enden durch Meuchelmord

Eins der furchtbarsten Verbrechen, die sich unsere Gegner haben zu Schulden kommen lassen, bildet der Mord an 21 deutschen Kriegsgefangenen durch französische Truppen bei Juvincourt. Am 7. September 1914 hatte der Leutnant der Reserve Lammers vom Königin-Augusta-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4 bei Chalons eine Verletzung erlitten. Er beabsichtigte am 13. September, sich aus der Lazarettbehandlung in Laon wieder zu seinem Regiment zu begeben. In Begleitung des Hauptmanns von Frese vom Infanterie-Regt. Nr. 73, dessen Burschen Rothermund, des Vizefeldwebels d. R. Stiller und des Kraftwagenführers Nöh, fuhr er auf der Straße von Laon nach Sissonnes. Unterwegs wurden sie von einer französischen Kavalleriepatrouille beschossen; Hauptmann v. Frese wurde hierbei verwundet. Infolge dieses Überfalls beschloß man, nach Norden abzubiegen und erreichte das Schloß [9] Marchais. An dem Schloßportal wehte die Rote-Kreuz-Flagge; der Schloßwart empfing die Insassen des Wagens; Leutnant Lammers machte sich sofort daran, den verwundeten Hauptmann in dem ihnen angewiesenen Zimmer zu verbinden. Einige Zeit danach beauftragte der verwundete Offizier seinen Burschen, nach dem Kraftwagen zu sehen, um dort Sachen zu holen. Als dieser nach etwa 20 Minuten nicht zurückkehrte, bat er den Leutnant Lammers, in Begleitung des Vizefeldwebels Stiller nach dem Burschen Umschau zu halten. Auch sie kehrten nicht zurück. Erst später stellte sich heraus, daß alle drei einschließlich des Kraftwagenführers von einer französischen Radfahrerpatrouille inzwischen gefangen und fortgeführt worden waren. Dem Hauptmann von Frese gelang es, am anderen Tage zu entkommen und zu seiner Truppe zurückkehren. Über den Verbleib der vier abgeführten Gefangenen konnte lange nichts ermittelt werden. Erst im Oktober 1914 wurde gerüchtweise in Juvincourt laut, daß 21 deutsche Gefangene erschossen worden wären. Am 22. Oktober 1914 wurden Nachgrabungen an der von den Ortseinwohnern näher bezeichneten Stelle angestellt und tatsächlich die Leichen von 21 deutschen Soldaten gefunden. Soweit sich noch bei ihrem schon stark fortgeschrittenen Verwesungszustande feststellen ließ, hatten sie alle Schußwunden. Bei einer fehlten die Augen, bei der anderen war der Schädel zertrümmert. Unter ihnen befand sich auch die Leiche des Leutnants d. R. Lammers, die des Vizefeldwebels Stiller und der Grenadiere Rothermund und Nöh. Nach den Angaben der Einwohner langten am 13. 9. 14. von Südwesten stärkere französische Truppen aller Waffen in Juvincourt an, die am Montag den 14. 9. 14 den Ort in östlicher Richtung verließen. Schon an demselben Nachmittag kamen sie zurück, in ihrer Mitte jene unglücklichen Soldaten. An der Kapelle am Südwestausgang des Dorfes wurden die armen deutschen Soldaten aus der Marschkolonne plötzlich auf Befehl eines Vorgesetzten herausgezogen, in einer Linie nebeneinander aufgestellt und auf Befehl durch etwa 20 Infanteristen erschossen, während die übrigen Truppen weiter marschierten. Nach der Exekution ließ man die Ermordeten ruhig liegen. Etwa 10 Dorfeinwohner machten sich sofort daran, ein Grab zu graben.

Dieser Fall wird unter der ganzen zivilisierten Menschheit nur tiefste Abscheu hervorrufen können. Er wird ein Schandmal für die Kriegführung der großen Nation für ewig bedeuten.


Die 5. Batterie des Feldartillerie-Regiments von Scharnhorst (1. Hannoversches Nr. 10) am Morgen des 6. Oktober 1915

Die vom Regiment am weitesten vorgeschobene 5. Batterie stand am 6. Oktober 1915 in dem welligen Gelände unweit der Landstraße Somme-Py - Souain, etwa in der Höhe der Chapelle Sainte Pudentienne. In den ersten Oktobertagen wurde auch diese Batterie heftig beschossen. Es konnte kein Zweifel sein, daß die ursprünglich sicher verborgen gebliebene Batterie während des abendlichen Schießens infolge starken Mündungsfeuers vor dem dunklen Hintergrunde des Wäldchens entdeckt war. Nicht [10] umsonst schwebten die feindlichen Fesselballons, deren man täglich bis zu 13 zählen konnte, in den Lüften, und nicht vergebens schlugen Flieger, wenigstens 5 bis 6 an der Zahl, ihre Kreise über dem Batteriegelände, zugleich mit großer Kühnheit das Feuer leitend. Am 5. Oktober wurde die Batterie systematisch und am heftigsten befeuert, indem Geschosse schweren Kalibers unmittelbar vor und hinter den Geschützen einschlugen und das Munitionslager zur Explosion brachten. Um die Mannschaften nicht unnütz zu gefährden, sah sich der Batterieführer, Oberleutnant Wiers, gezwungen, dieselben, wenn nicht gefeuert zu werden brauchte, von den Geschützen zu nehmen.

Trotz ruheverheißender Meldung von der Abteilung wurde am Morgen des 6. Oktober früh alarmiert, da auf der Gegenseite die Feuertätigkeit mit erneuter großer Heftigkeit aufgenommen worden war; die vorderen Gräben lagen unter schwerem Artilleriefeuer und wurden von Minenwerfern bearbeitet; zweifellos mußte mit einem Angriff gerechnet werden. Der Batterieführer, der im langsamen Feuer in dem ihm zugewiesenen Abschnitt Sperrfeuer legte, erhielt dann auch sogleich den Befehl, Schnellfeuer abzugeben. Plötzlich vernahm der Leutnant d. R. Rudolf Jungclaus durch die eben einsetzende Kanonade vom linken Flügel und aus dem Rücken der Batterie Gewehrschüsse. Noch bevor der Batterieführer auf diese Meldung den Befehl, Näheres zu erkunden, geben konnte, erschienen die ersten durch die vordere Infanterielinie durchgebrochenen farbigen Franzosen am unteren Waldrande. Sie traten dann gleich darauf zahlreicher aus dem Rauch und Dunst hervor und stürmten unter Führung eines französischen Offiziers schnellen Laufes derartig überraschend durch die Lichtung in den Rücken der Batterie vor, daß an erfolgreichen Widerstand nicht zu denken war. "Batterie im Feuer kehrt" machen zu lassen, selbst nur mit dem nächststehenden Geschütz, ließ bei der Weitstellung der Geschütze die Kürze des Augenblicks nicht zu. Die Kanoniere zu sammeln, um sich zur Wehr zu setzen, das erforderte zu viel Zeit, denn die Batterie stand zu weitmaschig. Mit teuflischer Behändigkeit saßen die Schwarzen der Batterie im Nacken. Um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, hielt es der Batterieführer mangels Handgranaten bei der ungleichen Kräfteverteilung für das richtigste, sich zu ergeben. So gab er mit lauter Stimme den Befehl, die Verschlüsse herauszunehmen und zu vergraben, die Rundblickfernrohre zu entfernen und sich dann zu sammeln.

Der Trupp der Farbigen, dessen Zahl nicht festzustellen war, wurde von einem weißen französischen Offizier geführt. Hierauf ließ das Äußere (Bekleidung, Schuhwerk, Revolver statt Gewehr etc.) wie überhaupt das ganze Auftreten schließen. Oberleutnant Wiers trat hervor und erklärte dem Offizier, der gebrochen deutsch sprach, die Übergabe der Batterie. Während er noch mit demselben verhandelte, in erster Linie darüber, ob die Mannschaften die Mäntel, die bei den Geschützen lagen, holen dürften, drang ein Teil der Turkos, das gespannte Gewehr im Anschlag, auf den Trupp Gefangener ein; der andere stürzte sich, ohne daß der Versuch des Offiziers, sie daran zu hindern, Erfolg hatte, auf die Mannschaften, weniger um nach [11] Waffen als nach Wertgegenständen zu suchen. Diese gerade nicht behagliche Situation wurde plötzlich unterbrochen, indem die Mannschaften teilweise in eine Reihe aufgestellt wurden und die Turkos zurücktraten. Auf das Kommando "Attention" des Offiziers krachten aus kaum 10 Meter Entfernung die Schüsse; 3 deutsche Offiziere, ein Stabs- und Regimentsarzt sowie 14 brave Kanoniere sanken wortlos zu Boden.

Oberleutnant Wiers und Leutnant v. Gündel schienen zu Tode getroffen zu sein; von den Mannschaften stöhnte, bewegte und richtete sich noch mancher auf. Der Regimentsarzt Dr. Dohrn war am Knie getroffen und wurde von den niederstürzenden Kameraden mit zu Boden gerissen. Man konnte deutlich beobachten, wie die Halunken noch mehrmals auf die am Boden Liegenden feuerten, sich dann auf sie stürzten und die Taschen zu durchstöbern anfingen. Laut wimmerte der Leutnant v. Gündel noch; ein Schwarzer versetzte ihm den letzten Schlag. Der Leutnant d. R. Jungclaus hatte bei diesem ersten Morden einen Streifschuß am linken Knie erhalten. Währenddessen hatten sich die Farbigen auf und davon gemacht; einige Minuten später kam ein neuer Trupp von 5 bis 6 Kerlen, durchsuchte wiederum die Taschen und nahm an sich, was er gebrauchen konnte. Auf jeden, der sich noch bewegte, wurde rücksichtslos geschossen. Dieses Plündern und Morden wiederholte sich wohl viermal - wahrscheinlich immer von anderen Kerlen. Auf diese Weise hat Jungclaus noch 4 bis 5 Schüsse erhalten, davon 2 oder 3 ins Gesäß. Im ganzen hatte man ihm 6 oder 7 Schüsse beigebracht, von denen der eine durch die Bauchdecke eingedrungen, einer den rechten Oberschenkel zerschmettert und einer in den linken Hoden gedrungen war. Lediglich dem Umstande, daß er infolge der stark blutenden Wunden förmlich in einer Blutlache schwamm, daß er sich gänzlich bewegungslos verhielt, und wohl auch, daß er etwas abseits gedeckt lag, hatte er es zu verdanken, daß die Farbigen annahmen, der Tod wäre bereits auch bei ihm eingetreten. Vergebens suchte man bei ihm nach Fingerringen; bei anderen Kameraden, wie beim Oberleutnant Wiers, glaubt er, gesehen zu haben, wie die Bestien dieselben von den Fingern gerissen haben. Er wie der Regimentsarzt Dr. Dohrn, der sich ebenfalls in einer großen Blutlache liegend totstellte, beobachteten, wie vor allem die Manteltaschen durchstöbert, die Zeitungen herausgezogen wurden und dabei die Worte fielen: "Seulement des journaux". Dann betrachteten sie die Offiziersabzeichen und sagten: "trois officiers tous morts". Das furchtbarste war jedoch, daß das Lumpengesindel einem der Kanoniere, der ganz besonders flehentlich um sein Leben bat, noch lebend die Augen ausstachen. So haben 14 Kanoniere und 2 Offiziere durch diese Mordtat ihr Leben lassen müssen.


Mord an zwei Offizierstellvertretern

Am 28. September 1918 wurde der Offizierstellvertreter Heinrich Schütz vom 1. Marine-Infanterie-Regiment, 11. Kompagnie, bei einem Fluchtversuch durch Backenschuß verwundet und nach Abnahme der Wertsachen von englischen Mannschaften erschossen.

[12] Den gleichen Tod durch Mörderhand erlitt der Offizierstellvertreter Helmuth Strauch vom 2. Marine-Infanterie-Regiment, der nach seiner Gefangennahme bei Miraumont am 24. August 1918 mit einigen Mannschaften nach rückwärts geschickt worden war. Auf der Straße Irles - Miraumont wurde er von zwei englischen Offizieren angehalten und auf englisch angesprochen, was nicht verstanden wurde. Der eine englische Offizier zeigte auf den englischen Brotbeutel, den Strauch umhatte, zog ohne weiteres seinen Revolver und schoß den Offizier-Stellvertreter in den Unterleib und als der Getroffene nicht sofort tot war, noch in die Brust, worauf der Tod eintrat.


Die Verstümmelung der Leiche eines deutschen Artillerieoffiziers

Selbst vor dem toten Gegner hat der Franzose keine Achtung. Kurz nach der Erstürmung des großen Danon fand am 21. August 1914 eine deutsche Patrouille die Leiche eines Beobachtungsoffiziers der Artillerie, der man, an einem Baum mit dem Kopfe nach unten hängend, den rechten Arm aus der Schulter gehauen und in jedes der beiden Augen einen der beiden Anschnallsporen getrieben hatte. Noch ganz frisch bluteten Arm und die Augen; die Tat mußte kurz vorher geschehen sein. Da die Leiche keine Schußverletzungen aufwies, hatte man offenbar den Offizier mit bestialischer Grausamkeit zu Tode gemartert. Gleich schlimm wie diese Kulturträger haben in der Weltgeschichte wohl nur noch wilde Völkerschaften ohne jede Kultur gehaust.

Damit sei dieser Abschnitt beendet. Nur eine kleine Auswahl unglücklicher deutscher Helden konnte hier namhaft gemacht werden. Der Platzmangel verbot ein anderes. Aber die aufgeführten Verbrechen, die an den besten Söhnen eines Volkes verübt worden sind, genügen vollkommen, um zu beweisen, mit was für ritterlichen Gegnern die Toten gekämpft haben. Diese Scheußlichkeiten sind in der Geschichte bisher unübertroffen. Sie geben weiter einen deutlichen Beweis von der Nichtachtung der internationalen Gebräuche des Krieges und der Gebote der Nächstenliebe gegenüber einem wehrlosen tapferen Gegner durch Angehörige von Nationen, die den Anspruch erheben, zu den Kulturträgern gerechnet zu werden. Wie sonderbar doch, daß gerade die Menschen, die nach Eintritt der Waffenruhe als Hüter des internationalen Kriegsrechts auftreten wollen und sich in den heftigsten Vorwürfen gegen den "Boche", dem das Leben von Weib und Kind nicht einmal heilig ist, ergehen, während des ganzen Krieges derartige Verbrechen ausführen konnten!

Die Toten ruhen auf welschem Boden; von ihren letzten qualvollen Stunden ist bisher keine Kunde in das deutsche Volk gedrungen, kein Richter gefunden, der über ihre Mörder die gerechte Strafe verhängt. Trotzdem sind sie nicht umsonst dahingesunken. Denn, wenn es wahr sein sollte, daß es in der Geschichte eine ausgleichende Gerechtigkeit gibt, so wird diese früher oder später die gerechte Sühne für derartige Verbrechen, durch die der Menschheit unnützerweise so viel Intelligenz entrissen ist, finden.

Ehre ihrem Andenken!

[13]
Die ersten Stunden in der Gefangenschaft

Traurig ist das Los der Offiziere und Ärzte gewesen, die nach ehrenvollem Kampfe und treuester Pflichterfüllung die Waffen strecken und die goldene Freiheit mit der schweren Last einer an und für sich schon nicht leichten Gefangenschaft vertauschen mußten. Wenn sie auch nicht erwarten dürften, daß sie aller Leiden nach der Gefangennahme enthoben seien, so konnten sie wenigstens Anspruch auf eine anständige Behandlung erheben. Wie es ihnen ergangen ist, davon mögen die nächsten Zeilen Zeugnis geben.


Glücklich wieder entronnen

Nur wenige Stunden befand sich der Bergpraktikant Bernhard Siebert in Gefangenschaft. Am 9. Oktober 1918 abends gegen 6 Uhr griff der Feind bei Neuvilly in der Nähe von Le Cateau an. Es gelang ihm, die deutsche Truppe zu umzingeln und jede Gegenwehr wäre zwecklos gewesen. Mit dem Rufe "Pardon" hoben die Deutschen ihre Hände hoch und wurden etwa 15 Mann stark mit anderen Gefangenen vom Infanterie-Regiment Nr. 143 rückwärts geschafft. Etwa 100 Meter mögen sie gegangen sein, als plötzlich die sie begleitenden Engländer ihre Gewehre und Revolver auf das Häuflein richteten und sie sämtlich niederstreckten. Auf Leute, die noch Lebenszeichen von sich gaben, wurde wiederholt geschossen, Siebert selbst hatte bei diesem grauenhaften Gemetzel einen Revolverschuß in die Lunge erhalten und stellte sich sofort tot. Seine neben ihm liegenden Kameraden hatten mitunter drei Schüsse. Der Gegner hatte nicht eher mit der Schießerei aufgehört, bis seine Opfer verendet waren. Waffen hatten die Unglückseligen nicht bei sich; sie waren ihnen alle vor dem Gemetzel abgenommen worden. Irgendeinen Anlaß zu diesem Roheitsakt hatte keiner gegeben. Nachdem die Engländer noch etwa zwei Stunden in der Umgebung alle wimmernden Verwundeten niedergemacht hatten, mußten sie sich zurückziehen; Siebert fiel als einziger Überlebender in die Hand deutscher Pioniere, die für seine Unterbringung im Lazarett sorgten.

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Die Erlebnisse des Leutnants Scholl vom 9. bayerischen Infanterie-Regiment

Bei dem Angriff der Engländer in der Richtung Fleers wurde der Leutnant d. Res. Eugen Scholl vom Rekrutendepot 1 des 9. bayerischen Infanterie-Regiments durch einen Lungenschuß schwer verwundet. Einige Leute hoben ihn aus dem Graben und schafften ihn rückwärts. Dies hatte ein Kanadier beobachtet. Mit dem Rufe "An Officer" sprang er auf ihn zu, hielt ihm sein Bajonett vor den Kopf, holte sich Munition aus der Tasche und legte, sein Gewehr ladend, auf ihn an, trotzdem er sehen mußte, daß der deutsche Offizier schwer verwundet und am Oberarm gelähmt war. Mit dem gesunden Arm versuchte der Verwundete den Tobenden von seiner Tat abzuhalten, mußte ihn aber, da noch andere Kanadier hinzukamen, gewähren lassen. Viermal legte der betrunkene Mordbube an; die erste Kugel drang in das rechte Ellenbogengelenk und führte die vollkommene Gebrauchunfähigkeit des Armes herbei. Die zweite Kugel ging durch den linken Unterarm-Rockteil, wodurch die Armbanduhr der linken Hand zerschmettert wurde; der dritte Schuß ging fehl, weil der Betrunkene beim Schießen hin- und herwankte, ein vierter drang in den linken Oberarm. Nicht genug damit, versetzte der Kanadier dem deutschen Offizier, der durch seine erste Verwundung und die übrigen Schußwunden vollständig ermattet zusammengesunken war, noch einen Bajonettstich in den Rücken und verließ ihn, weil er ihn wahrscheinlich für erledigt hielt. Gleich ihm hörte man rechts und links deutsche Verwundete um Hilfe schreien, welche von den Kanadiern in bestialischer Weise mit den Bajonetten niedergemetzelt oder erschossen wurden. Als der Leutnant Scholl nach einiger Zeit aus der tiefen Ohnmacht, in die er versunken war, erwachte, stand vor ihm ein lächelnder Engländer und labte ihn aus seiner Feldflasche. Freund und Feind wurden zunächst zum englischen Verbandsplatz geschafft; irgendwelche Speise bekamen die Verwundeten nicht, trotzdem sie den ganzen Tag noch nichts genossen hatten. Deutsche Stabs- und Oberärzte, die meist leicht oder unverwundet in englische Gefangenschaft geraten waren, halfen hier und versuchten mit den wenigen Verbandpäckchen, mit Taschentüchern und durchgeschwitzten Hemden Hilfe zu bringen. Eigenes Verbandzeug stellten die Engländer nicht zur Verfügung, konnten es auch nicht, da es ja für ihre eigenen Verwundeten an derartigem Stoff mangelte. Unter Begleitung deutscher Offiziere wurden die schwerverwundeten deutschen Soldaten zu einer Sammelstelle gebracht und von dort mit Sanitätsautomobilen nach Fricourt geschafft. Hier waren sie sich selbst überlassen; von den Ärzten ließ sich keiner sehen, ohne Nahrung und Pflege, den blanken Rasenboden unter einem Zelte als Lager, ohne Decken, mußten sie nachts frieren. Trotz der schweren Verwundung des Leutnants Scholl zwang man ihn, während einer zweistündigen Weiterfahrt neben dem Chauffeur zu sitzen. Er bekam immer und immer wieder Blutspucken und war während der ganzen Fahrt dem französischen Pöbel preisgegeben. In Haili wurden sie abseits von englischen Verwundeten in der Nähe eines etwa 100 Zelte umfassenden Zeltlazaretts aufgestellt bezw. [15] auf den Boden niedergelegt. Ein Feldwebel mit einem Soldaten erschien und nahm den Verwundeten ihr gesamtes Hab und Gut an Geld, Uhren, Ringen ab. Ein großer englischer Posten befahl den Gefangenen, sich ins Gras zu schmeißen. Nach drei Tagen des Hungerns wurde einem jeden eine Tasse Kaffee und ein Butterbrot gereicht. Ringsherum standen englische Verwundete, Rote-Kreuz-Schwestern und Sanitätspersonal, die sich über die deutschen Soldaten lustig machten. Als es zu dunkeln anfing und kalt wurde, wandte sich der Lt. Scholl an den Posten, wies auf das Genfer Abkommen hin und verlangte den Kommandanten zu sprechen, weil sich keiner um sie kümmere und die Gefahr bestände, daß der Starrkrampf eintreten könne. Lächelnd erwiderte der Engländer, auf sein aufgepflanztes Seitengewehr hindeutend, das sei der Kommandant. Erst am nächsten Morgen, nachdem die Gefangenen steif gefroren waren, wurden sie in ein Zelt geführt, in dem sie wenigstens gegen Regen und den französischen Pöbel geschützt waren. Einen Doktor bekamen sie nicht zu sehen; er erschien meistens nur dann, wenn ein Gefangener gestorben war, um den Tod festzustellen.


Leutnant Luehr rettet durch einen Trick sein Leben

Am 4. Oktober 1917 sah der Leutnant Luehr bei Becelare, wie die Engländer rücksichtslos jeden Gefangenen, der in ihre Hände fiel, niedermachten: Ein Mann winkte mit dem Taschentuch, man schoß ihn über den Haufen; einen Mann, der die Hände hochhob, traf das gleiche Los. Dann stürmten etwa 10 Engländer mit aufgepflanztem Seitengewehr auf ihn selbst zu, beschimpften ihn und wollten ihn erstechen. Ihrer Aufforderung und ihrem Brüllen: "Hände hoch, Hände hoch" kam der deutsche Offizier nicht nach, da er wußte, daß dann auch sein Los entschieden war. Die anstürmenden Kerle nahmen ihm Koppel und Fernglas ab und gaben ihm durch Winken mit der Hand die Richtung an, in der er den englischen Linien zueilen sollte. In diesem Augenblick erhielt der Offizier einen Schuß von hinten; er stürzte zusammen und fiel hierbei mit dem Gesicht in den Schlamm eines Granattrichters. Ein Engländer kam jetzt auf ihn zu, offenbar um sich von seinem Tode zu überzeugen, schüttelte ihn an der Schulter und rief dabei: "Kamerad, Kamerad!" Da der Leutnant nicht antwortete, nahm er an, daß er tot sei, und machte sich auf und davon.


Die anständige Behandlung unserer deutschen Offiziere und Ärzte durch die Engländer

Schwer verwundet fiel am 8. September 1914 bei Orly der Oberleutnant Nickisch von Rosenegk in englische Gefangenschaft. Man plünderte den hilflosen deutschen Offizier völlig aus, ließ ihm auf dem nackten Körper nur ein schmutziges französisches Bauernhemd, das man ihm übergeworfen hatte, und einen deutschen Soldatenmantel liegen. In diesem erbärmlichen Aufzuge schaffte man ihn durch Frankreich und von da unter schlechtester Behandlung nach England.

Ebenso erging es dem Stabsarzt Dr. Hesper, [16] welcher mit anderen Kameraden am 13. September 1914 bei Oeully den Engländern in die Hand fiel. Vollkommen ausgeplündert, verhöhnt, gestoßen und geschlagen, in erbärmlichen Unterkunftsstätten, unter schlechten hygienischen Zuständen, unter der Roheit und Raubsucht englischer Offiziere, Ärzte und Soldaten leidend, jagte man die Gefangenen von Ort zu Ort. Etwa früh ½9 Uhr des 15. September 1916 fiel mit mehreren Angehörigen des 23. Infanterie-Regiments im Foureaux-Wäldchen der Stabsarzt Dr. Theodor Staab aus Würzburg in Gefangenschaft. Als sich die Engländer dem Sanitätsunterstand, vor dessen Eingange die Genfer Rote-Kreuz-Flagge auf weißem Grunde in deutlich sichtbarer Weise hin und her flatterte, näherten, warfen sie, obwohl kein Schuß aus dem Unterstande fiel, Handgranaten hinein. Dann machten sie sich daran, die Anwesenden zu berauben, ihnen selbst ihre Privatbriefe abzunehmen, schafften sie rückwärts und steckten sie in ein Erdloch, das weder verschließbare Türen noch Fenster hatte. Hier mußte der deutsche Arzt ohne jegliche Decke übernachten; die Mannschaften trieb man aufs freie Feld, wo sie die kommenden Nächte unter freiem Himmel verblieben. Ihre Bitte nach warmem Essen wurde abschlägig beschieden, man reichte den gefangenen Offizieren als Nahrung eine Art Hundekuchen. Einer der Offiziere, der Leutnant Leib vom 17. bayerischen Infanterie-Regiment, wurde zum Hauptquartier gerufen, um dort über die deutschen Stellungen vernommen zu werden. Nach seiner Rückkehr erzählte er, daß er die Auskunft verweigert habe und dafür den ganzen Tag allein auf einer Wiese hätte sitzen müssen. Auf dem Weitertransport wurden die Gefangenen von dem französischen Militär und dem Zivil mit Kot und Steinen beworfen und mit Beleidigungen überschüttet. Im Viehwagen, etwa 30 Personen in einem Waggon, erfolgte der Abtransport nach den Gefangenenlagern. Die Wagen waren verschlossen und hatten keinerlei Einrichtung zur Verrichtung der Notdurft, obgleich die Gefangenen zwei Tags und zwei Nächte in ihnen zubringen mußten. Mit Hohngelächter beantwortete man ihr Verlangen, die Notdurft während des Haltens des Zuges verrichten zu dürfen. Erst nach etwa 1½tägiger Fahrt ließ man den Insassen des Wagens Zeit, zu diesem Zwecke den Wagen zu verlassen. Umher standen englische und französische Offiziere mit Weibspersonen, um sich darüber lustig zu machen, wie sie zur Verrichtung ihrer Notdurft aus dem Wagen kletterten. Am 19. September, dem vierten Tage nach der Gefangennahme, wurde zum ersten Male etwas Warmes, und zwar Tee, mit kaltem Cornedbeef und Hundekuchen gereicht. Dann ging der Seetransport nach England vor sich. Zwei Tage und zwei Nächte sperrte man die Offiziere in einen Raum mit Betonboden ohne jegliche Decken; offenbar diente der Raum zum Viehtransport.

Ähnlich erging es dem Stabsarzt Dr. Minkel, der zu gleicher Zeit mit Angehörigen des 18. bayerischen Infanterie-Regiments gefangengenommen wurde. Obwohl auch vor seinem Unterstande die Rote-Kreuz-Flagge wehte, warf der Gegner Handgranaten hinein. Auf dem Rücktransport trieb man die Schar Gefangener durch Maschinengewehrfeuer; von 30 Mann fanden hier etwa 20 den Tod. Der deutsche Stabsarzt selbst fand sofort Verwendung auf dem englischen Verbandplatz in der [17] Linie der vordersten englischen Artilleriestellung und mußte sehen, wie die deutschen Gefangenen dazu benutzt wurden, um Artilleriemunition für die Engländer zu den Geschützen zu schleppen. Ihm selbst stahl man Mantel, Rucksack und seine Instrumententasche und steckte ihn dann bei Albert mit 13 anderen Offizieren in ein Erdloch, das weder verschlossen noch gegen die Kälte geschützt war. Hier mußten die Gefangenen über Nacht bleiben. Am anderen Morgen begann das Verhör vor einem Offizier der englischen Division, der mit deutschen Worten seine Ansprache damit begann: "Es wundert mich, daß unsere Leute überhaupt noch Gefangene machen". Nach dem Verhör wurden die Offiziere auf dieselbe Art und Weise, wie es der Oberarzt Dr. Staab berichtet hat, in erbärmlichstem Zustande in Viehwagen und Pferdeställen durch Frankreich nach England geschafft.

Bei Beaumont-Hamel fiel am 13. November 1916 der prakt. Arzt Johannes Paulsen aus Düsseldorf in die Hand des Gegners. An seinem Arme trug er die Abzeichen der Genfer Konvention. Unmittelbar nach der Gefangennahme trieb man ihn rückwärts über Gelände, das unter schwerem Feuer lag, den englischen Linien zu. Dabei wurde ausdrücklich verboten, für die Zurücklegung des Weges die leeren Laufgräben, in denen man Schutz vor dem Feuer suchen konnte, zu benutzen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als durch die mit Wasser und Leichen gefüllten Granattrichter hindurchzukriechen. Selbstverständlich waren hierbei die Verluste unter den deutschen Gefangenen sehr erheblich. Hinter der Front war die Unterbringung unglaublich schlecht. Zunächst sperrte man den Arzt in einen Käfig, in dem weder Sitz noch Liegegelegenheit vorhanden war. Dann brachte man ihn in ein äußerst primitives Zeltlager, in welchem er einige Tage trotz der Nässe des Erdbodens bei äußerst dürftiger Verpflegung aushalten mußte. Unter den allerprimitivsten Verhältnissen - drei Tage lang nur im Viehwagen - erfolgte der Abtransport nach Le Havre. Das einzige Mobiliar im Wagen war ein kleiner Zinnkasten, der als Latrine dienen sollte. Von hier ging es den englischen Lagern zu; die Verpflegung und die Unterbringung ließ sehr zu wünschen übrig und war äußerst gesundheitsschädlich. In Keyworth kamen bei der Belegschaft von etwa 600 Offizieren nur etwa 30 Waschnäpfe auf das ganze Lager. Es war streng verboten, die Wasserklosetts zu gebrauchen. Dafür war ein sehr unappetitlicher Tonnenbetrieb eingerichtet worden. Die deutschen Ärzte durften kranke Kameraden nicht behandeln. Äußerst fahrlässig war die Behandlung syphilitisch Erkrankter. Nur mit Mühe konnte erreicht werden, daß bei ihnen eine Blutuntersuchung vorgenommen wurde. Wenn das Ergebnis positiv ausfiel, dauerte es trotzdem noch mehrere Wochen, bis die ersten Schritte zu einer Behandlung getan wurden.

Ebenso unwürdig behandelte man den Oberarzt d. R. Dr. Müller aus Kolberg, der am 20. November 1917 als Regimentsarzt des Infanterie-Regiments 84 in der vor dem Dorfe Harrincourt-Ribecourt gelegenen Hindenburgstellung in die Hand des Gegners fiel. Nachdem er in der ersten Zeit von 6½ Uhr bis 8 Uhr in der Umgebung seines Abschnittskommandeurs, des Hauptmanns Soldau, sich nützlich gemacht hatte, zwangen ihn [18] schwere Verluste, die beim erbitterten Kampf in der Umgebung des Bataillons-Gefechtsstandes eingetreten waren, im Unterstande selbst zu arbeiten. Einige Revolverschüsse, die in den Unterstand abgefeuert wurden, sowie der Ruf "Come here, Fritz" überzeugte den deutschen Arzt davon, daß der Engländer die Linie überrannt hatte. Als erster trat er aus dem Unterstande und wurde von einem Engländer, der mit geschwungener Handgranate vor ihm stand, in Empfang genommen. Der Nebenmann hielt bereits 10 bis 15 Uhren in seiner Hand; in demselben Augenblick war auch die Uhr und das Zigarettenetui des deutschen Arztes verschwunden. Wie eine wilde Horde stürzten sich die Kerle auf ihn, rissen ihm Oberarztsterne, Aeskulapstab, Achselstücke und Mütze vom Leibe und stahlen obendrein noch das eigene ärztliche Besteck; dann ließ man von ihm ab und plünderte die Verwundeten im Unterstande, etwa 25 Mann, in derselben Weise aus. Auf dem ersten englischen Verbandsplatz, einem sehr primitiv eingerichteten Orte, wurde, wie der deutsche Arzt sich überzeugen konnte, auf steriles Arbeiten kein großer Wert gelegt. Ein Vergleich mit unseren Sanitätseinrichtungen in vorderster Linie wäre gar nicht möglich gewesen. Gut war nur die Verpflegung. Nur wenig besser als dieser war der zweite Verbandplatz ausgestattet, bei dem der deutsche Arzt arbeiten mußte. Von 1 bis 9 Uhr abends war er unterbrochen um das Wohl der Verwundeten, hauptsächlich Engländer, bemüht. Von den englischen Ärzten verschwand einer nach dem anderen und überließ die ganze Arbeit dem deutschen Helfer. Um 10 Uhr abends sperrte man ihn als Dank in das sogenannte Gefangenlager, welches aus einem einfachen Drahtkäfig bestand. Bei Regen, Kälte und Wind, bis zu den Knöcheln im aufgeweichten Boden stehend, ohne Mantel und Kopfbedeckung, ohne Sitz- oder Liegegelegenheit, mußte der Arzt im offenen Drahtkäfig drei Nächte zubringen, bis endlich in einem verschlossenen Viehwagen der Weitertransport von Bapaume nach Le Havre erfolgte. In 24 Stunden erhielt er ¼ Dose Büchsenfleisch, 1½ Stück harten Zwieback und etwas Wasser, welches in Benzintanks gereicht wurde. Nach der Überfahrt wurden die gefangenen Offiziere und Ärzte auf die verschiedenen Lager Englands verteilt. Beim Eintreffen in Ramsgate empfing man sie johlend und schreiend und bewarf sie mit Pferdemist, Steinen und Knüppeln, so daß sie froh waren, als sie wieder hinter ihrem Stacheldraht sitzen konnten. Die Bewegung im Lager war vollkommen ungenügend, die Ernährungsbedingungen wurden von Monat zu Monat schlechter, den deutschen Ärzten war jede Behandlung der Offiziere verboten. Im Juli fand die Grippe im Lager große Verbreitung, und nach qualvollen Wochen winkte endlich dem Deutschen durch seine Aussicht auf Austausch die Hoffnung auf Befreiung.

Am 24. Oktober 1916 fiel mit Angehörigen der 2. Sanitätskompagnie der 34. Infanterie-Division beim Infanterie-Regiment Nr. 30 der Assistenzarzt Dr. Oskar Hedler in französische Gefangenschaft. Unter Führung des Hauptmanns d. Res. Tender war das 1. Bataillon des Regiments am 23. Oktober in dem ihm zugewiesenen Abschnitt links vom Thiaumontberg vorgegangen. Als Aufenthalt für den Bataillonsstab und als Verwundeten- [19] Sammelstelle wurde ein französischer Munitionsraum auf Punkt 320 angewiesen. Dort traf der deutsche Arzt etwa 40 Mann an, die zum Teil leichtere Verwundungen aufwiesen, zum Teil aber erfrorene Gliedmaßen hatten. Ihr Rücktransport konnte auch in der Nacht der Ablösung nicht erfolgen, da keine Trägerkolonnen zur Verfügung standen. Am Morgen des 24. Oktober setzte der Infanterieangriff mit voller Wucht ein. In den Sanitätsunterstand wurde eine Brandgranate geschleudert, der letzte Eingang sowie der Luftschacht durch Artillerie zusammengeschossen, so daß Gefahr bestand, daß in dem vollkommen abgeschlossenen Raume für die fast 200 Mann starke Belegung Sauerstoffmangel in kurzer Zeit eintreten würde. Der unermüdlichen Arbeit der Eingesperrten gelang es, den Luftschacht freizumachen; nach Vollendung dieser Arbeit mußte man leider merken, daß die Stellung von französischer Seite überrannt und die französische Infanterie bereits 2 Kilometer über die ehemalige deutsche Linie vorgedrungen war. Um 10 Uhr abends besetzten die Franzosen den Eingang und schafften den deutschen Arzt, der seine Verwundeten im Stich lassen mußte, nach Verdun. Hier wurde er vom 25. bis 27. Oktober mit der Behandlung der ankommenden deutschen Verwundeten betraut; am 28. Oktober erfolgte zu Fuß sein Abmarsch nach Regret, wo er und drei weitere Ärzte sowie die durchkommenden gefangenen deutschen Offiziere ohne Heizung, ohne Stroh, ohne Decke, mit äußerst mangelhafter Verpflegung bei 5 Grad Außentemperatur in einen kahlen steinernen Schweinestall gesperrt wurden, um dann nach einem Verhör bei Armeeoberkommando noch einen 24 Kilometer langen Fußmarsch auf schlammiger Straße nach Souilly zurückzulegen. Hier wurden die vier Ärzte drei Tage in einer Baracke untergebracht, die so eng war, daß man nur auf der Seite liegend Platz fand, um sich hinzustrecken. Völlig verschmutztes Stroh bildete das Nachtlager, Beleuchtung sowie Reinigungsmöglichkeit fehlten; nicht einmal ein Fetzen Papier zur Abortbenutzung war vorhanden und eine Bitte um Beschaffung desselben wurde abschlägig beschieden. Kein Wunder war es daher, daß schon nach wenigen Tagen die meisten der 25 Offiziere, die sich inzwischen hier eingefunden hatten, an starken Durchfällen erkrankten. Noch übler als den Offizieren erging es den Mannschaften, die in Trupps von 40 bis 50 nach vorn geschickt wurden, um täglich aus der Feuerzone Verwundete zurückzuschaffen. Ein Protest des deutschen Arztes half nur insoweit, als wegen Ermüdung der Leute ein zweiter Trupp von 40 Mann eingestellt wurde und die beiden Trupps nun abwechselnd vorzugehen hatten. Dreimal in der Nacht peitschte der Franzose die Leute nach vorn, und jedesmal mußten drei bis vier durch diese strenge "Befolgung des internationalen Kriegsrechts" ihr Leben lassen.


Die erste Vernehmung des Majors Kathe

Ebenso vornehm ist der Major Kathe, Kommandeur der Ersatz-Maschinengewehr-Truppen des 17. A. K., bei seiner Gefangennahme am 25. September 1915 behandelt worden. Anläßlich der Vernehmung im Joffrelager, wohin der deutsche Offizier mittels Kraftwagens geschafft [20] wurde, wurde er von einem französischen Hauptmann mit Lump und Schuft bezeichnet, weil er sich weigerte, die Stellung der Hauptverteidigungslinie nördlich Tahure zu verraten. Der französische Hauptmann drohte weiter mit Erschießen und hob seine Hand zum Schlage, indem er sagte, die deutschen Offiziere wären alle Lumpen und Schufte und dürften nicht wie Offiziere behandelt werden. Dann stieß man den Major hinaus aufs freie Feld, wo er in der Nacht vom 25. bis 26. September 1915 unter freiem Himmel bei heftigem Regen liegen mußte und schwer erkrankte. Ein französischer Sanitätsoffizier, dem er am Vormittag den 26. September 1915 vorgestellt wurde, behandelte ihn nur oberflächlich, ließ ihn in einem Maultierstall auf dem Mist volle 48 Stunden ohne jegliche Hilfe liegen. Lediglich deutsche gefangene Offiziere, die hier ebenfalls untergebracht waren, standen ihm hilfreich zur Seite.


Der Assistenzarzt Dr. Zschunke fällt in französische Hand

Tagelang hatte zwischen der Maas und Bezonvaux auf dem 2. Bataillon des Regiments 47 im Dezember 1916 schweres Feuer gelegen, welches von Tag zu Tag an Stärke zunahm. Der Gegner machte ausgiebigen Gebrauch von Gasgranaten, um endlich am 15. Dezember 1916 mit frischen starken Kräften anzugreifen. Schon im ersten Ansturm gelang es ihm, die vorderste Linie stellenweise einzudrücken; das Bataillon hatte schwere Verluste; wo der Frontalangriff nicht glückte, ermöglichte es ihm ein Durchbruch an anderer Stelle, dem zusammengeschmolzenen Häuflein von Verteidigern in die Flanke und den Rücken zu kommen. Ein Zurückschaffen der Schwerverwundeten war nicht mehr möglich; mehrfach war die Sanitätsflagge vom Verbandsunterstand heruntergeschossen, der eine Eingang war verschüttet, der andere war in Brand geraten. In dieser Lage eilte der Assistenzarzt d. R. Dr. Zschunke hinaus und gab sich mit seinen Schwerverwundeten dem Feinde gefangen. Die Franzosen ordneten den Rücktransport an, der Arzt mußte aber vor dem Unterstand unter Bewachung von drei Franzosen stehenbleiben, die ihn zwangen, die erbeuteten Kognakflaschen zu kosten, um sich zu überzeugen, daß sie nicht vergiftet waren. Ein französischer Leutnant riß ihm die Mütze vom Kopfe und auf die Bitte um Rückgabe unter dem Hinweis, daß er doch unter dem Schutze des Genfer Roten Kreuzes stände, antwortete der Gegner in höhnischer Weise: "Pour vous la guerre est fini". Gegen Abend wanderte auch er rückwärts und war einem verwundeten Franzosen behilflich. Verschiedene französische Artillerieoffiziere kamen in der Dämmerung, packten den Arzt und plünderten ihn buchstäblich aus. Dann schleppten sie ihn in ihren Unterstand, wo ihre Burschen sich nochmals seiner erbarmten. So verschwand die Wäsche, der mit Nahrungsmitteln gefüllte Brotbeutel, das Geld, die sämtlichen ärztlichen Instrumente und die Uhrkette, die Uhr selbst ließ man ihm großzügiger Weise, da das Glas zerbrochen war und die Uhr gerade stand. Noch in derselben Nacht fand Dr. Zschunke Aufnahme in einem französischen Sanitätsunterstand, in dem ein schwerbetrunkener französischer Stabsarzt in der unflätigsten Weise die deutsche [21] Verdunarmee und ihren Führer beschimpfte. In einem Nebenraum lagen auf dem kalten Boden ohne Nahrung gegen 80 schwerverwundete Deutsche, die gräßlich stöhnten. Trotz aller Vorstellungen konnte der Träger des Genfer Kreuzes für seine armen Landsleute bei der Herzlosigkeit der Franzosen nichts erreichen, er mußte sie in ihrem Elend zurücklassen, da er nach Verdun weggeschafft wurde und dort mit etwa 100 deutschen Offizieren zunächst in eine Kasematte, später teils in einen zugigen Kuhstall, teils in einen Schweinestall eingesperrt wurde. Zschunke befand sich mit etwa 80 Offizieren im Schweinestall, der durch eine Schiebetür verschlossen wurde, und in dem es aus Mangel an Fensterscheiben fürchterlich zog. Decken und Stroh waren nicht vorhanden; wer sich legen wollte, mußte sich auf den kalten Boden oder auf die in einer Ecke stehenden Ackergeräte legen. Auf einmal konnten sich überhaupt nicht alle legen; wo den einen Offizier die Kälte und der Frost auftrieb, legte sich sofort ein anderer hin. Französische Soldaten kamen herein, um den Gefangenen noch die letzten Habseligkeiten wegzunehmen. Zu zehn bekamen sie eine Fleischkonserve und etwas Brot. Da sie nichts mehr hatten, waren sie gezwungen, mit den schmutzigen Fingern den Inhalt herauszuholen, um den Hunger zu stillen. In schmutzigen Eimern wurde schmutziges Trinkwasser ohne Trinkgefäße gereicht; die unsauberen fettigen Konservenbüchsen mußten als Trinkbecher dienen. Am zweiten Tage erst winkte die Erlösung - nur die Artilleristen, an deren Aussagen den Franzosen besonders viel lag, und die ihre Aussage ständig verweigerten, mußten noch etwa zehn Tage in dieser menschenunwürdigen Unterkunft verbleiben.

Daß die Offiziere unter einer derartigen Behandlung stark mitgenommen waren, war klar. Schon beim Antreten sah der Arzt, wie ein Teil von ihnen infolge Verwundung oder Erfrierens ihrer Füße kaum noch einen Schritt gehen konnte. Trotzdem zwang man sie, den nächsten Marsch - etwa 25 Kilometer - zu Fuß zurückzulegen, wobei die französischen Kavalleristen beim Abmarsch auf die Unglücklichen mit ihren Säbeln einhieben. Man konnte sich nicht wehren. Einer nach dem andern brach unterwegs erschöpft zusammen. Als das Häuflein immer mehr und mehr zusammenschmolz, gab der Transportführer den Befehl: "Säbel in die Scheide, Karabiner geladen. Der nächste, der liegen bleibt, wird erschossen." So schleppten sich die Unglücklichen von Dorf zu Dorf, der eine den andern unter den unflätigsten Bemerkungen der Bevölkerung mitschleppend, um nachts endlich im Sammellager von Souilly zu landen. Das Lager war stark mit Stacheldraht umzogen und äußerst scharf bewacht. Außerdem suchten Scheinwerfer dauernd den äußeren Drahtzaun ab; der Bodeninhalt des Drahtes glich einem großen Sumpfe, die Offiziere wurden in Holzbaracken zusammengepfercht, wo sie ohne Decken und Stroh sich von den Strapazen des Marsches bei fürchterlicher Kälte ohne einen Bissen warmes Essen erholen sollten. In derselben Nacht noch wurde ein Mann des Bataillons erschossen, weil er sich mit einer Konservenbüchse aus einer Pfütze in der Nähe des Stacheldrahtes Wasser schöpfen wollte. Barbarisch war geradezu die Entlausung. Man mußte sich völlig entkleiden, die Sachen wurden abgegeben und die einzelnen bei der Dezemberkälte nackt über den [22] Hof nach einem Schuppen getrieben, wo sie, mit Petroleum übergossen, sich einreiben mußten, um dann ein kaltes Bad zu nehmen und in ihre indessen angeblich mit Wasserdampf desinfizierten und durchnäßten Kleider hineinzukriechen. Der Erfolg dieser grausamen Behandlungsweise war sehr bald zu erkennen. Darmkatarrh, Typhus und Ruhr, Hals- und Luftröhrenentzündungen mehrten sich von Tag zu Tag; bei den meisten trat schwere Lungenentzündung ein und führte zur Erlösung der Unglücklichen. Die Kranken mit erfrorenen Füßen durften das Revier nur verlassen, um ihre Notdurft zu verrichten. Vor dem Revier sah der deutsche Arzt einen bayerischen Landwehrmann mit blutunterlaufenen Augen und bis zum Skelett abgemagert vor einem französischen Posten knien und hörte, wie er denselben bat, ihn doch zu erschießen, da er so nicht weiterleben könne. Drei volle Tage hatte dieser Ärmste ohne Nahrung mit erfrorenen Füßen in einer Baracke gelegen, er selbst konnte zum Essenempfang nicht gehen, Kameraden, die es ihm mitbringen wollten, waren mit dem Kolben geschlagen worden, weil man meinte, sie wollten doppelte Portionen für sich empfangen. Am 24. Dezember 1916 erfolgte der Abtransport der Offiziere mit ihren Mannschaften nach dem Süden, um in Lyon in Gefangenlagern untergebracht zu werden.


Das erste Zusammentreffen des Leutnants d. R. Vick mit Engländern

Am 26. September 1917 mußte bei Becelare, wie der Musketier Heinrich Holz aus Hannover gesehen hat, ein deutscher Offizier sein rechtes Auge hergeben, weil er sich dagegen wehrte, daß ein englischer Soldat ihm die Achselstücke abreißen wollte.

Als Zugführer der 2. Kompagnie des 1. Garde-Reserve-Regiments geriet am 3. September 1916 bei einem von kanadischen Truppen unternommenen Massenangriff aus Courcelette der Leutnant d. R. Rudolf Vick in englische Gefangenschaft. Bei der Gefangennahme wurden ihm seine sämtlichen Wertsachen wie Uhr, Brieftasche, 160 M. und sogar seine Kleinigkeiten gestohlen. Von einem englischen Feldwebel und einem Bewachungskommando in Stärke von etwa 10 Mann wurde er mit seinem Kompagnieführer, dem Lt. von Brause, ins Bataillonsquartier geschafft, um hier über die Stellung der deutschen Artillerie ausgefragt zu werden. Auf dem Marsche dorthin versuchte ein Kerl von ihm die Rockknöpfe und die Achselstücke zu erhalten, und als er sich weigerte, dies zu tun, schlug er mit großer Wucht den deutschen Offizier ins Genick. Im Quartier selbst drohte man beiden Offizieren mit Erschießen, wenn sie keine Auskunft geben würden. Der englische Nachrichtenoffizier wies darauf hin, daß eine schlechte Behandlung, die Entziehung der Verpflegung und dergleichen mehr eintreten würde, falls er keine genaueren Angaben über die Zusammensetzung der deutschen Division erhalten würde. Dann schaffte man sie rückwärts nach Albert, wo sie im Schußbereich der deutschen Artillerie in ein Haus gesteckt wurden und dort auf dem Fußboden ohne Decke und Stroh und ohne Verpflegung aushalten mußten, weil sie zu einer Aussage nicht [23] zu bewegen waren. Da der Engländer einsah, daß alle seine Bemühungen umsonst seien, ordnete er nach weiteren zwei Tagen die Reise in einem schmutzigen Viehwagen unter Bedeckung eines englischen Unteroffiziers und zweier Wachmannschaften an. Am 14. September erfolgte die Überfahrt nach England. Hier erkrankte der Offizier an einer Blinddarmentzündung, um die sich der englische Arzt überhaupt nicht kümmerte. Erst auf Veranlassung eines deutschen Stabsarztes bequemte sich der Kommandant des Lagers, einen Arzt hinzuzuziehen, unter dessen Anordnung der Kranke sich langsam erholte, bis dann sein Austausch nach Deutschland in die Wege geleitet wurde.


Die Gefangennahme des Oberleutnants der Reserve Blitz und des Leutnants Heldmann

Sehr eingehend berichtet der Oberleutnant d. R. Karl Blitz über seine Gefangennahme in der Schlacht bei Loos am 25. September 1915. Nach dem Verfeuern der Munition und der Unbrauchbarmachung der Geschütze - umgangen und abgeschnitten - entschloß sich der wackere Offizier zur Übergabe. Sofort umringte der Gegner ihn und seine Leute. Als er mit dem Führer der anstürmenden Truppe sprechen wollte, schrie die Bande "kill". Auf die Frage an den englischen Offizier, der fließend deutsch sprach, was die englischen Soldaten eigentlich vorhatten, erhielt der Oberleutnant zur Antwort, "sie hätten nichts zu befürchten, sie ehrten ihren Feind; nur hätten die Leute vor dem Angriff viel Schnaps bekommen". Zu zweien wurden die deutschen Gefangenen geordnet und rückwärts den feindlichen Linien zugeführt. Kaum waren sie ungefähr 40 bis 50 Meter hinter den feindlichen Gräben, als die Engländer sich umdrehten und auf den kleinen Gefangenentrupp ein Scheibenschießen veranstalteten. Unteroffizier Netz und Kanonier Klotzbitscher mußten hierbei ihr Leben lassen, der Oberleutnant selbst erhielt einen leichten Streifschuß. In Vermelles wurde der deutsche Offizier von seinen Leuten getrennt; kurz darauf kam ein englischer Generalstabsoffizier mit einer Karte und fragte ganz aufgeregt, an welcher Stelle die 2. deutsche Artilleriestellung wäre. Eine Antwort erhielt er nicht, und wütend entfernte er sich hierauf. Einige Minuten später brachte man den Offizier mit seinen gefangenen Kanonieren wieder zusammen, stellte sie in einer Reihe auf; ihnen gegenüber machten sich 15 bis 20 Engländer zum Schusse fertig. Der Offizier sagte noch zu dem neben ihm stehenden Kriegsfreiwilligen Hahn: "Die Hunde haben uns hierhergeführt und werden auch uns noch erschießen." Soweit kam es allerdings nicht mehr, offenbar wollte der Engländer nochmals einen Einschüchterungsversuch machen, um Aussagen zu erpressen. Als auch dieser vergeblich war, schaffte man die Gefangenen am Abend rückwärts zu Gefangenensammelstellen.

Nicht viel besser erging es dem Leutnant Heldmann vom Artillerie-Regiment Nr. 61 aus Groß-Biberau, der sich als Beobachter sowohl der Gruppe Westhoek als auch der 5. Batterie seines Regiments mit mehreren Unteroffizieren und Mannschaften in dem mit Beobachtungsschacht versehenen [24] Beobachtungsunterstand westlich der Straße Brodseinde - In de Steer, südöstlich von Zonnebeke, am frühen Vormittag des 4. Oktober 1917 ergeben mußte. Schneller als man erwartet hatte, waren die deutschen Infanteriestellungen überrannt, Leutnant Heldmann war umzingelt. Da ein Widerstand völlig zwecklos erschien, entschloß er sich, sich mit seinen Mannschaften zu ergeben. Er trat an den Eingang des Beobachtungsunterstandes und rief, "We are your prisoners". Als Antwort warf man ihm eine Handgranate entgegen, welche ihm neben mehreren anderen Verletzungen den linken Unterschenkel zerschmetterte. Neben ihm sank der Kanonier Ulze von der 5. Batterie ebenfalls schwer verwundet zusammen. Der Engländer verschwand zunächst und ließ die hilflosen Verwundeten liegen. Geraume Zeit darauf näherte sich ein Soldat ganz vorsichtig, blickte sich um, riß dem Offizier Fernglas und Revolver nebst Tasche weg, um wieder auf und davonzugehen. Offenbar hatte er angenommen, daß der Offizier tot war. Erst als Leutnant Heldmann ihn bat, das Soldbuch ihm zu belassen, merkte er, daß sein Opfer noch nicht tot war; nunmehr riß er aus seiner Manteltasche seinen Revolver und schoß aus einer Entfernung von 3 Schritt den deutschen Offizier durch die Brust; dann erst suchte er das Weite. Näheres über die Personalien konnte nicht festgestellt werden. Wie der Leutnant späterhin erfuhr, hatte es sich offenbar um einen Australier gehandelt. Am nächsten Morgen starb der Kanonier Ulze, da keine Hilfe gebracht wurde. Dessen Tod mag die Veranlassung gewesen sein, daß sich ein englischer Offizier entschloß, den Leutnant Heldmann durch 4 Krankenträger zurückschaffen zu lassen. Die Leute plünderten ihn mit anderen Kameraden zusammen aus, die Achselstücke wurden heruntergerissen, Manschettenknöpfe weggenommen, die Taschen sogar aufgeschnitten. Ihm nur noch das belassen, was er unbedingt als Decke brauchte. Der ihn bei der Verbandsstelle zum ersten Mal behandelnde Arzt, dem die Soldaten die Souvenirs, wie sie die Sachen benannten, zeigten, lächelte, ohne dagegen einzuschreiten. Bei einer nochmaligen Untersuchung seiner Wunde entdeckte der Arzt den Brustbeutel mit etwa 290 Mark Inhalt; sofort bat er, das Geld umzuwechseln. Diesen Vorgang hatte offenbar ein Soldat mit beobachtet, denn auf dem Weitertransport im Sanitätsautomobil tastete dieser unter der Decke und der Bluse, um diesen Beutel zu finden; an dem Widerstande des deutschen Offiziers scheiterte sein Vorhaben und das Geld wurde gerettet. Am 8. Oktober wurde Heldmann mit 2 weiteren Kameraden und einem Vizewachtmeister in das Lazarett nach St. Omer befördert, wo sie in einem Zelte Aufnahme fanden, in dem schon einige andere verwundete deutsche Offiziere lagen. Die Unterbringung war sehr schlecht; noch während des ganzen Novembers lagen die Schwerverwundeten - durchschnittlich 15 Offiziere - in diesem ungeheizten Raume. Am Vormittag gegen 8 Uhr wurde, um etwas Licht hereinzulassen, die eine Seite geöffnet und blieb bis nachmittags 5 Uhr offen. So kam es vor, daß es in die Betten hineinschneite und es nachts öfters durch das Dach regnete. Da keine andere Hilfe da war, waren weniger schwer verwundete Offiziere gezwungen, nachts aufzustehen, um die Betten ihrer hilflosen Kameraden an [25] trockenere Stellen zu rücken. Das den Offizieren gereichte Essen war meist kalt geworden, die Teller und Bestecke sehr unappetitlich, die Menge für Verwundete wohl genügend, doch oberflächlich zubereitet und daher für Schwerverletzte ungeeignet. Patienten mit Bauchschüssen und stark Fiebernde erhielten dieselbe Kost. Der Leutnant Bender vom 5. Garde-Regiment zu Fuß, der wochenlang fast stets im heftigen Fieber lag, erhielt tagelang außer etwas Alkohol, Milch oder Fleischbrühe nichts zu essen, bis er am 16. November seiner schweren Verletzung erlag. Ebenso mangelhaft war die ärztliche Behandlung, obwohl fast täglich der englische Arzt durchs Zelt ging, ohne Gruß, die Hände in den Hosentaschen. Um seine Verwundeten kümmerte er sich nicht. Die Wunden sah er sich nur selten an; verbunden selbst hat er niemals eine Wunde. Auf die vielen Klagen der Offiziere hatte er, ohne hinzusehen, meist nur sein "All right". Die Operationen wurden - ohne die Patienten zu fragen - ausgeführt. Am 10. Oktober wurde Heldmann der linke Unterschenkel zum 2. Mal operiert, am 12. Oktober wurde er unter dem Knie abgesetzt. Die Wundbehandlung lag die längste Zeit einer Neuseeländer Schwester ob, die ihrem Deutschenhaß ständig beredten Ausdruck gab. So kam es vor, daß sie ernste Wunden mehrere Tage lang nicht verband, weil, wie sie sagte, die englischen Gefangenen in Deutschland auch schlecht behandelt würden. Zum Verbinden trug sie Gummihandschuhe, an denen die Fingerspitzen zerrissen waren. Wohl wusch sie sich vor dem Verbinden gewöhnlich die Hände, darauf verband sie die etwa 15 verwundeten Offiziere, ohne dazwischen auch nur einmal die Hände zu reinigen. Zwischendurch machte sie noch Betten, der aufgewirbelte Staub setzte sich auf das Verbandzeug und auch auf die offenen Wunden. Die Offiziere waren alle froh, als Mitte Oktober diese Schwester abgelöst wurde und der Oberarzt Sachs vom Res. Inf.-Reg. 93 sich erbot, die Offiziere zu behandeln. Gelegenheit zur gründlichen Waschung war nicht vorhanden. Nach 2 Monaten vom Tage der Verwundung ab hatte Heldmann zum ersten Mal Gelegenheit, in England den Körper zu reinigen. Zur Befriedigung der Bedürfnisse waren für die 15 Offiziere nur 2 bis 3, zeitweilig nur eine Urinflasche vorhanden, die fast nie gereinigt wurden. Einmal wurden den Herren die Haare geschnitten, rasiert wurden sie nie. Zwar war ein Rasiermesser zur Verfügung gestellt, doch fehlten Pinsel und Streichriemen. Ein Offizier, der aufstehen konnte, machte sich daran, seine schwer verwundeten Kameraden mühevoll zu rasieren. Im besonderen Maße bemühte sich der Leutnant der Reserve Mohr vom Reserve Fußartillerie-Regiment Nr. 2 in selbstloser Hingabe um das Wohl der übrigen Verwundeten. Des Nachts waren für etwa 10 Zelte nur 2 Wärter vorhanden, so daß die Schwerverwundeten oft lange vergeblich rufen mußten, bis ein Kamerad in der Kälte aufstand und ohne jegliche Kleidung, da diese allabendlich abgenommen wurde, Hilfe leistete. Dem Leutnant Heldmann war auch die Uniform geraubt und nicht wieder zurückgegeben worden. Als er dann später in England aufstehen konnte, zwang man ihn, einen Gefangenenanzug zu tragen, und lediglich dem Umstande, daß ein schon lange in Gefangenschaft schmachtender Offizier ihm eine Uniform lieh, hatte [26] er es zu verdanken, daß er nicht wie ein Sträfling deutschen Boden wieder betreten mußte.


Ein deutscher Offizier dient als Zielscheibe für einen englischen Offizier

So wie Leutnant Heldmann sein Bein verlieren mußte, hatte auch der Leutnant d. R. Rohde aus Berlin am 16. August 1917 bei Langemark seine Verwundung der Rücksichtslosigkeit eines unmenschlichen Gegners zu verdanken. Als dieser unverletzt mit seinen anderen Kameraden aus seinem Unterstande in die rückwärtige englische Linie geschafft wurde, beobachtete er plötzlich, wie beim Transport verschiedene Engländer auf ihn anlegten; er erhielt einen Schuß in den rechten Oberschenkel und brach zusammen. Da griff ein junger englischer Offizier, der in einem etwa 20 Meter entfernten Trichter von ihm lag, zum Revolver und schoß ihn in die linke Schulter. In einem wassergefüllten Trichter suchte der verwundete deutsche Offizier auf dem Bauche kriechend Schutz. Derselbe englische Offizier griff nochmals zum Revolver und jagte eine zweite Kugel dem Deutschen durch den Stahlhelm. Wohl 36 Stunden mag der deutsche Leutnant hier gelegen haben, als sich endlich ein englischer Stabsarzt mit seinem Sanitätspersonal bequemte, ihn nach rückwärts tragen zu lassen. Er war in seiner hilflosen Lage den plündernden Gegnern ausgesetzt, die ihm auch alles stahlen. In Poperinghe verlor er das rechte Bein, um von da nach England geschafft zu werden. Hier entfernte ihm ein Zivilarzt in einstündiger Operation aus der Schulter jene Kugel, die der englische Offizier in Achtung des internationalen Völkerrechts seinem Gegner beigebracht hatte.


Leutnant der Reserve Voß' erste Bekanntschaft mit Engländern

Bei Neuve-Chapelle wurde der Leutnant d. R. Otto Voß von Soldaten einer gemischten englisch-indischen Brigade gefangengenommen. Auf dem ersten Verbandsplatz mußte er von seinen eigenen Leuten hören, daß der Leutnant Schulz vom Infanterie-Regiment Nr. 16 nach seiner Gefangennahme von einem englischen Offizier aus 1 Meter Entfernung durch einen Revolverschuß durch den Kopf tötlich getroffen war. Voß wurde auf einer Bahre weggetragen. In dem englischen Laufgraben, durch den die deutschen Gefangenen rückwärts getrieben wurden, kniete ein Engländer, sein Gewehr quer über den Graben haltend, während ein anderer, in entgegengesetzter Richtung kommend, ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett entgegenhielt. Jeder Gefangene, der auch nur die geringste Miene machte, nach rechts oder links zu schauen, wurde sofort niedergemacht. Gräßlich war der Anblick, wie 5 Inder einen toten Soldaten des 11. Jäger-Bataillons aus der Nebenstellung auf 5 Bajonette aufgespießt, hinter der Front als Trophäe herumtrugen. Leutnant Voß war unverwundet gefangengenommen und stand mit erhobenen Händen den Engländern gegenüber, die betrunken waren und sehr nach Whisky rochen. Ganz deutlich hörte er, wie ein ihm gegenüber stehender englischer Soldat einen Offizier frug, ob er nicht eine [27] Handgranate unter die Gefangenen werfen oder sie erschießen dürfe. Der Offizier verneinte dies, machte aber die Bewegung des Bajonettierens und deutlich hörte der deutsche Offizier die Worte "only [the] officer". In demselben Augenblicke schon stieß der Rohling den Leutnant Voß durch den linken Oberarm quer durch die Brust, so daß das Bajonett aus der rechten Brustseite wieder herauskam. Bewußtlos brach der Getroffene zusammen und wurde dann nach Wiedererlangung der Besinnung am anderen Tage zum englischen Verbandsplatz gebracht.


Der Bericht des Leutnants Bauer vom Infanterie-Regiment Nr. 42

Einen kurzen schönen Bericht gibt der Leutnant Bauer vom Inf.-Regt. Nr. 42 aus Friedland in Mecklenburg über sein erstes Zusammentreffen mit den Franzosen:

"Am 29. Oktober 1918 mittags südlich des Dorfes Reconorance in französische Gefangenschaft geraten, wurde ich noch am selben Tage zusammen mit anderen Kameraden nach Avaux, nördlich Reims, abgeführt und in die dortige Gefangenensammelstelle abgeliefert, wo wir einzeln verhört wurden. Mein Verhör verlief folgendermaßen: Um Mitternacht gab mir ein französischer Posten ein Zeichen, ihm zu folgen, und führte mich in ein Zimmer, worin sich ein französischer Dolmetscheroffizier und ein Schreiber befanden. Der französische Offizier empfing mich mit den Worten: Du Schwein kannst doch Karten lesen!? Als ich darauf nichts erwiderte, wiederholte er seine Frage in noch barscherem Tone. Ich protestierte nun gegen diese Art von Behandlung und fügte hinzu, daß ich als deutscher Offizier selbstverständlich Karten lesen könne. Hierauf hieß mich der französische Offizier an den in der Mitte des Zimmers stehenden und mit einer Generalstabskarte bedeckten Tisch treten und ihm die Abschnitte der mir bekannten Truppenteile zeigen. Als ich nun erwiderte, daß ich deutscher Offizier sei und keine Aussagen machen würde, erfaßte er mit der rechten Hand mein Genick und stauchte meinen Kopf mehrmals auf die Tischplatte. Ich sagte dem französischen Offizier, daß er auch auf diese Weise mir keine Aussagen entlocken würde, worauf ich von ihm einen Backenstreich erhielt, dem er die Worte hinzufügte: Was guckst Du mich so dumm an? Nun fragte er mich nach meinen Personalien, und als er hörte, ich sei aktiver Offizier, sagte er zu mir: Da habe ich ja gerade den rechten! und versetzte mir noch einen Backenstreich. Meiner Äußerung, es sei gerade keine Heldentat, einen wehrlosen Gefangenen in solcher Weise zu behandeln, schenkte er keine Beachtung, sondern richtete abermals Fragen strategischer Art an mich. Als ich schwieg, sagte der französische Offizier zu mir: Wenn Du glaubst, daß Du nicht zu antworten brauchst, so habe ich noch andere Mittel, um Dich zu zwingen. Hiermit gebe ich Dir den dienstlichen Befehl, mir zu antworten. Diesen Befehl hast Du auszuführen. Ich antwortete: Sie können mich nicht zu Aussagen zwingen, und Sie haben auch kein Recht, irgendwelche Zwangsmaßregeln gegen mich zu ergreifen. Darauf befahl er mir, mich auszu- [28] ziehen, und ergriff eine Reitpeitsche, die er vorher einem meiner Kameraden abgenommen hatte. Als ich mich meiner Feldbluse und meiner Wolljacke entledigt hatte, peitschte mich der französische Offizier durch, indem er in der Hauptsache auf meinen bloßen Hals und auf meine Finger einhieb, und versetzte mir mehrere Fußtritte. Hierauf mußte ich den Inhalt meiner Taschen auf den Tisch legen, wobei es mir gelang, Uhr und Geldbörse zu verbergen. Alle andern Sachen, wie Brieftasche, Notizbuch, Taschenmesser, Taschenlampe, Bleistifte, Radiergummi, Zigaretten usw. ließ der französische Offizier in seinen Taschen verschwinden und gab mir nur mein Schnupftuch zurück mit den Worten: Steck ein und mache, daß Du hinauskommst, Du Schwein!

Der französische Offizier war von mittlerer Größe, ziemlich korpulent, hatte blondes Kopfhaar und blonden Schnurrbart und sprach fließend deutsch."


Ein Blick in die Abgeschlossenheit feindlicher Gefangenlager

Zum Schluß seien noch einige Eindrücke von dem eigentlichen Lagerleben wiedergegeben. Sie zeigen, wie es unseren Gegnern nur darauf angekommen ist, in unfeiner und ehrloser Art die seelischen Qualen, die geistigen Entbehrungen der den gebildeten Klassen unseres Volkes angehörenden Gefangenen auf das möglichste noch zu vermehren und in den Gefangenen nur den einen Gedanken wachzurufen, mit allen erdenkbaren Mitteln ihr trauriges Los abzuschütteln und jede passende Gelegenheit zu Fluchtversuchen auszunutzen. Viele haben hiervon Gebrauch gemacht; den meisten von ihnen ist ihr Ziel nicht geglückt, ein großer Teil hat das tollkühne Unternehmen mit dem Tode bezahlen müssen; nur wenigen ist es vergönnt gewesen, nach unsagbaren Leiden vorzeitig ihre teure Heimat wieder zu betreten.


Das Offizier-Gefangenlager Fort Barraux (Isere)

Fort Barraux liegt im Isere-Tal beim Dorfe Barraux, nördlich Grenoble, und war im Frieden angeblich von einer Artillerieabteilung belegt. Es ist ein altes, noch von Vauban erbautes Sperrfort mit 2 Gräben, wovon einer 17 Meter tief ist, und mit 2 Wällen umgeben. Nach ungefähr ¼stündiger Wanderung, zuletzt stark bergauf, erreicht man es von der Bahnstation Ponteharra an der Bahnstrecke Grenoble - Chamberg. In diesem Fort waren [29] etwa 90 Offiziere auf 3 Abteilungen A. B. C. untergebracht. Jeder Abteilung war ein älterer Hauptmann oder Major als Gruppenchef vorgesetzt, dem ein Adjutant zur Seite stand. Durch diese Offiziere ging der ganze Verkehr mit den Franzosen. Während die Abteilungen A. und B. in sehr hohen, großen und dunklen Lagerräumen untergebracht waren, hatte man die Abteilung C. in mittelgroßen, hellen Zimmern, durchweg 4 Offiziere zusammen, kaserniert. Die Stabsoffiziere bewohnten ein Zimmer allein. Jeder Offizier erhielt einen Stuhl, einen Tischplatz und einen aus zwei aufeinander gestellten Kisten gefertigten Schrank, eine Waschschüssel und ein Bett, welches aus einem eisernen Gestell, einer Matratze, einer Kopfrolle, ein bis zwei wollenen Decken und zwei Segeltuchlaken bestand. Für jedes Zimmer wurde eine schlechte Petroleumlampe geliefert und für den Kamin im Winter eine kleine Menge Holz. Die Errichtung der Zimmer und aller gemeinsamen Räume geschah auf Kosten der Offiziere. In früherer Zeit mußte sich jeder Tisch und Stuhl selbst kaufen. Lampen, Petroleum, Holz und Kohlen wurden zum Schluß noch selbst gekauft. Alle Offiziere, die mehr als 120 Frcs. Monatsgehalt hatten, mußten für ihre Gefangenschaft Miete zahlen. Die Tageseinteilung für die gefangenen Offiziere richtete sich nach folgendem Plane: Aufstehen zwischen 5 und 5¾ Uhr, Kaffeetrinken ½8 Uhr, Morgenappell 9 Uhr, Mittagessen ½1 Uhr, Abendappell mit Postausgabe 6 Uhr, Abendessen 6¼ Uhr, Schlafengehen 9 Uhr.

Der bei jeder Abteilung befindliche kleine Hof war zur Benutzung des ganzen Tages frei. Schließungszeiten richteten sich nach dem Einbrechen der Dunkelheit. Von dem Innenraum des Forts war in einer Ecke ein 66 x 26 Schritt großes Stück durch Stacheldraht zu einem Käfig abgeschlossen. Dieser große Hof wurde in erster Zeit von allen Abteilungen zugleich benutzt, morgens von 9 bis 10 Uhr und 11 bis 12 Uhr, nachmittags von 1 bis 4 Uhr. Seit Mai 1916 wurden die Abteilungen getrennt beim Spaziergang, der für jede abwechselnd von 6 bis 8 Uhr und von 12 bis 2 Uhr, 8 bis 10 und 2 bis 4 Uhr, 10 bis 12 und 4 bis 6 Uhr war. Das Betreten und Verlassen des Hofes war immer nur zu den vollen Stunden erlaubt, während der anderen Zeit blieben die Türen der Abteilungen geschlossen. Seit Monaten schon wurde um die Erlaubnis gebeten, ein bis zweimal außerhalb des Forts spazierengehen zu dürfen, wie französische Kriegsgefangene in Deutschland auch, aber diese Bitte wurde immer wieder abgeschlagen mit der Begründung, der Kommandant befürchte, man käme nicht zurück, nicht wegen eines Entweichens, sondern wegen der Wut der Bevölkerung auf Deutschland.

Für die Verpflegung wurden monatlich 60, später 65 Frcs. gezahlt. Das Essen war anfangs im Dorfgasthof gekocht und wurde hinauf ins Fort gefahren, später aber auf beständiges Drängen hin im Fort selbst gekocht. Eine Zeitlang war das Essen gut, doch in der Regel war es schlecht zubereitet und in Mengen zu gering. Mit dem, was es gab, war nicht auszukommen. Es wurde aber seit März 1916 erlaubt, beim Wirt alles zu kaufen, wenn der Kommandant es nicht gerade aus dem Bestellheft strich. Die Preise waren sehr hoch.

[30] Pakete aus Deutschland, die sonst in großer Zahl kamen, wurden auf ein Schreiben hin eingeschränkt. Sie waren dort, solange Kauffreiheit bestand, nicht nötig. Doch wurde öfters aus unbekannten oder kleinlichen Gründen jedes Kaufen verboten.

Das Geld hatten die Gefangenen nicht selbst in Händen, sondern es wurde von der französischen Behörde aufbewahrt, die daher auch alle Auslagen bezahlte. Geldverleihungen oder Überschreibungen im Fort waren verboten. Es kam den Franzosen darauf an, daß viel Geld von Deutschland gesandt wurde.

Das Gehaltswesen für Kriegsgefangene wurde dreimal geregelt. Zuerst erhielt ein Leutnant 102 Frcs., dann 75 Frcs. monatlich. Seit dem 1. 12.15 wurden die Gehaltssätze nach französischem Muster bestimmt. Die Abstufungen richteten sich nach dem Dienstalter seit Eintritt in das Heer oder nach dem Patent bezw. Ernennung. Reserveoffiziere erhielten immer die geringste Gehaltsstufe ihres Dienstgrades. Es erhielt jeder Leutnant d. R. danach 120 Frcs. Ein Arzt erhielt während seiner Lazarettzeit nichts, dann bis zum 1. 12. 15 im Monat 75 Frcs. und von da ab 240 Frcs.

Aus dem deutschen Mannschaftslager Romans wurde deutsche Bedienung gestellt, die alle 4 Wochen wechselte. Obwohl die Arbeit im Fort nicht leicht war - die Burschen wurden beschäftigt mit Holzhacken, Schneeschaufeln, Aufwaschen, Wassertragen - wurden zu diesem Zweck immer Halbkranke verwendet. Ständig waren im Lager ein deutscher Schuhmacher und ein Schneider vertreten, die für die Offiziere zu arbeiten hatten. Die Burschen erhielten offiziell 9 Frcs. monatlich und die Handwerker 15 Frcs.

Nach wiederholten Beschwerden war die hygienische Einrichtung des Lagers besser geworden. Die halb zugemauerten Fenster wurden wieder geöffnet, und zwar auf direkte Veranlassung eines ausgetauschten französischen Offiziers, die Abortanlagen erneuert und vermehrt. Auch Chlorkalk zur Desinfizierung wurde bereitgestellt, die Waschräume besser ausgestattet und von morgens früh bis abends spät zur Benutzung offen gelassen. Auf Kosten der deutschen Offiziere war ein alter Badeofen mit Brauseeinrichtung wieder in Stand gesetzt in der Abteilung A. So konnte jede Abteilung wöchentlich einmal ein warmes Brausebad gegen Bezahlung nehmen. Auch die Mannschaftsräume wurden besser versorgt, nachdem es dem deutschen Arzt gelungen war, sie zu besichtigen; den Franzosen gelang es aber nie, sie frei von Ungeziefer zu machen. Trotzdem 3 deutsche Ärzte im Fort waren, war die Behandlung einem französischen Arzt anvertraut. Dieser, der im militärischen Range Assistenzarzt und im Kriege verwundet war, war vor Ausbruch des Krieges als Zivilarzt im Dorfe ansässig. Täglich kam er im Auto zwischen 9 und 11 Uhr in das Fort und untersuchte die krank gemeldeten Offiziere. Der Bitte eines deutschen Arztes, an der Untersuchung teilnehmen zu dürfen, kam er nach. Schwer erkrankte deutsche Offiziere kamen nach Grenoble, doch sträubte sich ein jeder dagegen wegen der schlechten Behandlung in dem dortigen Lazarett. In den letzten Monaten wurde ein deutscher Sanitätsgefreiter im Lager zum [31] Massieren der alten Verwundungen angestellt. Die Instrumente waren mangelhaft; es fehlten insbesondere solche für Ohren und Zähne. Zum Behandeln der Zähne kam zuerst ein Dentist, später ein Zahnarzt aus Grenoble ins Fort. Er nahm für Amalgam- 35 Frcs., für Porzellan- und Zementplomben 45 Frcs., für Abschleifen 10 Frcs.

Als militärische Bewachung befand sich im Fort folgende Besatzung: 1 Kapitän, 1 Leutnant, 5 Adjutanten, 4 Sergeanten und etwa 120 Unteroffiziere und Mannschaften. Bei der Ankunft im Fort wurde man vom Kapitän scharf ins Verhör genommen; den inneren Dienst in den einzelnen Abteilungen machte immer ein Adjutant, der dem Kapitän für die Abteilung verantwortlich war, den Appell abhielt und die Befehle sowie die Post überbrachte. Nach wiederholter Beschwerde wurde später der Appell von einem Offizier abgehalten. Täglich fanden 2 offizielle Appelle und zwischendurch einer zu unbestimmter Zeit statt. Außerdem ging ein Aufseher täglich dreimal durch die Abteilung, zählte die Offiziere und sah nach, was gemacht wurde. In der Nacht ging die Wache viermal durch alle Zimmer und überzeugte sich durch Augenschein, ob jeder in seinem Bett wäre. Das Haus war immer mit Schloß und Riegel verschlossen; nur zur Spaziergangszeit wurde es zum Eintritt und Austritt einige Minuten jede Stunde geöffnet. Alle Fenster waren stark vergittert. An allen vier Seiten des Hauses standen Posten, die sich gegenseitig beobachten konnten. In der Nacht wurde jede Hauswand durch Acetylen taghell beleuchtet. Die Posten mußten sich gegenseitig zurufen: "sentinelles prenez garde à vous" und der letzte meldete: "chef des postes, rien de nouveau" was aber häufig lautete: "chef des boches, rien de nouveau". In Zeiten gesteigerten Mißtrauens oder wenn Offiziere Arrest hatten, stand auch im Hause ein Posten. Die Wachen waren draußen so aufgestellt, daß sie in Abteilung C. die kleinsten Bewegungen im Zimmer sehen konnten. Wenn irgend etwas verdächtig war, wurde eine allgemeine Untersuchung befohlen, bei der jedoch selten etwas gefunden wurde. Es blieb immer noch genügend Zeit, um verräterische Sachen zu beseitigen. Die Untersuchung erstreckte sich auf alles, Bett, Tisch, Schränke, Wäsche, Bücher usw. Alle 8 bis 14 Tage fand eine oberflächliche Hausuntersuchung statt, die feststellen sollte, daß kein Fluchtversuch geplant sei, die Eisenstäbe wurden nach durchsägten Stellen, die Wände und Wandschränke nach hohlen Stellen abgeklopft. Von den Offizieren in A. und B. wurde ein großer Fluchtversuch geplant, der am Vortage seiner Ausführung, dem 6. Mai 1916, entdeckt wurde. Es waren in 6 Monaten zwei über 19 Meter lange Tunnels gegraben, um hinter die Postenkette zu kommen. Von den 19 sich meldenden Offizieren erhielten 3 zwei Monate Arrest, die übrigen 4 Wochen, die in der Abteilung C. in Massenquartieren zu 5 abgesessen wurden und eine fidele Gefängniszeit darstellten, da verbotener Verkehr mit den anderen Offizieren möglich war. Nachher wurden alle Verdächtigen in die schlechteste Abteilung B gebracht und dort schlechter behandelt als die Abteilung A und C. Nach dem Fluchtversuch, zum Teil auch schon vorher, waren manche Gegenstände verboten, so z. B. spitze Metallgegenstände, Tisch-, Taschen- und Rasiermesser, Scheren und Spirituskocher. [32] Zuletzt war auch verboten, mehr als ein Paar Stiefel, Schlafanzüge, farbige Bademäntel, Ärmelwesten zu besitzen.

Als Strafen kamen hauptsächlich vor bei unpünktlichem Aufstehen bis zu 14 Tage Briefentzug, bei Fluchtversuchen 4 - 8 Wochen Arrest und Strafversetzung in das Lager Mons oder Entervaux. Eine Zeitlang waren infolge des Fluchtversuchs die Franzosen so nervös geworden, daß sie mehrere Offiziere ohne Grund in Einzelhaft setzten. Mit dem Posten zu sprechen, war natürlich streng verboten. Aber deren Bekanntschaft war durch die Revierstube bald gemacht, und dann erzählten sie gern. In ersterer Zeit waren nur Auxiliaires und ältere Leute als Bewachung da; später kamen als Wachmannschaften Genesende vor ihrem Eintritt in die Front, so daß häufig ein Wechsel eintrat. Deren Stimmung war recht wechselnd. Untereinander waren die Posten sehr mißtrauisch. Sie beobachteten sich gegenseitig genau. Wenn man mit ihnen sprach, vergaßen sie bald ihren Haß auf Deutschland und die Deutschen. Im Monat konnten die Gefangenen vier Karten und zwei Briefe zu sechs Seiten zu Zeiten, wo es ihnen beliebte, absenden. Geldsendungen an die Gefangenen wurden um 20 Prozent gekürzt. Vom Fort waren Geldsendungen nach Deutschland nie erlaubt. An Zeitungen konnten gehalten werden: die meisten Zeitungen Frankreichs, die Times und der Corriere della sera, Mailand. Die beiden letzteren wurden mit einer Schere scharf zensiert, bisweilen auch die französischen Blätter. Deutsche Berichte konnten nur in Schweizer Zeitungen gelesen werden, welche die Posten zusteckten. Durchschmuggeln von deutschen Zeitungen in Konservendosen, Kuchen, Kistenwänden hatte nur bis 14. März 1916 Erfolg, als die Franzosen bei Paketberaubungen diese Berichte fanden. Seitdem wurden für ankommende Pakete verschärfte Bestimmungen erlassen, von Zigarren 2 - 10 Prozent durchbrochen, alle Konservendosen im Depot geöffnet; der Inhalt durfte nur ohne Dose auf einem Teller mitgenommen werden. Früher durften alle 14 Tage Pakete nach Deutschland gesandt werden; jetzt stand es im Belieben des Kommandanten. Es wurden fortgeschickt: Wäsche, Anzüge, Schuhe, Bücher, Dosen, bis die französische Behörde dies alles verbot. Später wurde das Verbot wieder aufgehoben mit der Bestimmung, daß Bücher vier Wochen vorher abgegeben werden und Kleider und Schuhe nur zertrennt abgesandt werden mußten. Trotzdem war eine ganze Reihe Möglichkeiten gegeben, um geheime Nachrichten vom Fort Barraux nach Deutschland und umgekehrt zu bringen.

Öfters kamen höhere französische Offiziere zur Besichtigung des Lagers. Selten wurden aber Wünschen gegenüber Besserungen geschaffen. Mehr schon erreichten die beiden spanischen Ärzte, die angeblich auf Bitten der französischen Regierung die deutschen Lager mit den französischen vergleichen sollten. Diese behaupteten, Fort Barraux wäre eines der schlechtesten Lager.





Die Bestie im Weltkriege:
Verbrechen an deutschen Offizieren.
Verbrechen an deutschen Volksgenossen.

Herausgegeben von zwei Kriegsbeschädigten.