Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917
Kapitel 8: Die Abwehrkämpfe im
Westen
1915 (Forts.)
Generalleutnant William Balck
2. Die Schlacht an der
Somme.
(Hierzu die Skizzen 23 und 24, Gelände der Sommeschlacht, auf Beilage
2.)
[Scriptorium merkt an: der Einfachheit halber sind diese
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Die Vorbereitung.
Nach Abschluß der Herbstkämpfe 1915 im Artois und in der
Champagne beschäftigten sich die Generalstabschefs der
verbündeten Heere der Entente mit neuen Angriffsgedanken, deren
Verwirklichung um so aussichtsreicher wurde, als Zahl und Kampfwert der
englischen Neubildungen dauernd zunahmen und auch der Munitionsvorrat der
Heere wuchs. Was die Erwartungen für das Jahr 1915 nicht gehalten hatten,
hoffte man vom Jahre 1916. Anfang Dezember 1915 [541] traten Joffre, Haig,
Alexejew und Cadorna in Chantilly zu einem Gedankenaustausch über die
Grundlage für den Feldzugsplan für 1916 zusammen.
"Eine allgemeine Offensive wurde
beschlossen, sobald die erwarteten englischen Verstärkungen eingetroffen
wären und die russische Armee sich erholt hätte. Die
Ergänzung des russischen Materials dauerte aber länger, als man
angenommen hatte, da die für Rußland bestimmten Transporte sich
verzögerten. Die Russen konnten im Frühjahr noch nicht zur
Offensive bereit sein, wie man in Chantilly angenommen hatte. Auch die
englischen Vorbereitungen verzögerten sich. Ursprünglich hatten die
Engländer nicht an der Somme, sondern weiter nördlich angreifen
wollen, um die Stützpunkte der
U-Boote an der Küste in ihre Hand zu bringen. Am 14. Februar 1916
einigte man sich aber in einer Besprechung zwischen Joffre und Haig dahin,
daß die Franzosen beiderseits der Somme, die Engländer
nördlich der Somme bis Arras angreifen sollten. Der Beginn wurde auf den
30. Juni festgelegt, während die russische Offensive am 15. Juni einsetzen
sollte."20
Der englische Oberbefehlshaber, Sir Douglas Haig, seit 16. Dezember 1915
Nachfolger des Marschalls Lord French, war für ein noch weiteres
Hinausschieben des Angriffs bis in den Herbst hinein, da die Ausbildung eines
großen Teils der Offiziere und Mannschaften der Neubildungen noch nicht
hinreichend gefördert war; "je länger der Angriff verschoben werden
könnte, desto größer muß die voraussichtliche Wirkung
sein". So war ursprünglich eine Entscheidungsschlacht größten
Stils gedacht; als dann aber die deutschen Angriffe auf Verdun sich entwickelten,
eine Krisis sich vorbereitete, Österreich am 15. Mai, ohne den deutschen
Verbündeten von diesem Entschluß in Kenntnis zu setzen, aus
Südtirol in Italien einbrach, trat die baldige Entlastung der
Verbündeten in den Vordergrund. Ein Mitte Juni losbrechender russischer
Großangriff unter General Brussilow sollte rechtzeitig deutsche
Kräfte vom Westen nach dem Osten ablenken. Eine weitere Gefahr
für Deutschland sollte durch den Kriegseintritt Rumäniens
geschaffen werden.
Die Krisis von Verdun nahm für die Verbündeten ernsteren Umfang
an. Die französische Regierung, beeinflußt durch die Ansichten des
für den Besitz von Verdun warm eintretenden Generals Pétain,
drängte zur baldigen Offensive, um die Festung zu entlasten. Aber weder
Joffre noch Haig wollten einem früheren Beginn des Angriffs vor dem
verabredeten Zeitpunkt zustimmen. Jedenfalls hat die deutsche Oberste
Heeresleitung vergeblich gehofft, daß die Engländer sich durch die
deutschen Erfolge bei Verdun zu einem vorzeitigen Angriff in Flandern oder im
Artois verleiten lassen würden. Die Inanspruchnahme der Franzosen vor
Verdun machte es allerdings unmöglich, daß die Angriffe an der
Somme in der ursprünglich geplanten Stärke erfolgen konnten. Bei
den ersten Ent- [542] würfen hatte
Foch den Hauptangriff nördlich der Somme mit 39 Divisionen auf
50 km Front ausführen wollen, während den
Engländern nördlich von den Franzosen ein Angriff in 20 km
Breite zufallen sollte. Tatsächlich konnte der Angriff nur in einer
Gesamtbreite von 37 km zu beiden Seiten der Somme ausgeführt
werden. Franzosen (Reginald Kann) behaupten, daß infolge der starken
Inanspruchnahme der Franzosen vor Verdun der Hauptangriff den
Engländer zugefallen sei, die in ihrer taktischen Ausbildung noch nicht auf
der gewünschten Höhe gestanden hätten.
Die alliierte Heeresleitung hatte als Angriffsfront die von der 1. deutschen
Armee - General der Infanterie Fritz v. Below, Chef des Stabes
Generalmajor Grünert (seit dem 2. Juli Oberst v. Loßberg),
Armee-Hauptquartier Bourlioncourt), - besetzten Abschnitt gewählt,
der seit Monaten als ruhige Front galt. Die Möglichkeit, durch einen
Vorstoß über Bapaume und Péronne die nördlichen
Teile der deutschen Front unhaltbar zu machen und den Krieg nach Belgien
hineinzutragen, schien naheliegend.
"Das Gelände in der Picardie ist
eine teilweise leicht, teilweise kräftiger gewellte Ebene, fruchtbar und gut
angebaut, mit vielen wohlhabenden Dörfern und wenigen kleinen
Waldparzellen durchsetzt. Für die Verteidigung gegen Westen sind
besonders die Höhe nördlich von Thiepval (151), Martinpuich (154)
und weiter zurückgezogen die Erhebungen von Geudécourt,
Lesboeufs (145), Morval, dann die Hochfläche von Sailly (128 m)
von Bedeutung. Zwei Wasserläufe bilden starke Einschnitte.
Zunächst der Somme-Fluß. Er läuft kanalisiert durch eine
versumpfte Niederung von Süden her bis an die ehemalige Festung
Péronne (seit 1906 und 1907 entfestigt) heran, dann mit starken
Windungen in hauptsächlich westlicher Richtung. Durch den vorteilhaft
geführten Kanal von St. Quentin steht die Somme in Verbindung mit
der Schelde, durch den Crozat-Kanal mit der Oise. Zwischen den Dörfern
Curlu und Eclusier unterbrechen Windungen des Flusses mit den von ihnen
umschlossenen Sumpfwiesen auf eine Breite von 4 km senkrecht das
beiderseitige Grabensystem, an dessen Stelle zu beiden Seiten des Flusses nur
Drahthindernisse vorhanden waren.
Einen ähnlichen, allerdings nicht ganz so
bedeutungsvollen Einschnitt bildet der aus der Gegend von Warlencourt
kommenden Ancre-Bach, welcher von Nordosten nach Südwesten durch
die Stadt Albert hindurch der Somme zuströmt, die er hinter der feindlichen
Front westlich Corbie erreicht. Seine Niederung durchschneidet zwischen den
Dörfern Thiepval und Hamel die hier etwas nach Südwesten
zurückgebogene englische Ausgangsstellung."
So gliedert sich das Gebiet der Somme-Schlacht in drei Abschnitte: den
Nordabschnitt, rechts von der Ancre von Gommécourt bis Hamel, den
mittleren Abschnitt von Thiepval bis Curlu und den Südabschnitt links der
Somme von Frise bis Vermandovillers. Die Dörfer und Waldstücke
des Schlachtfeldes wurden zu Stütz- und Brennpunkten des gewaltigen
Ringens.
[543] Die feindliche Stellung
war ein Jahr lang nur von Franzosen besetzt gewesen, bis die Engländer im
Spätsommer 1915 einen größeren Teil übernahmen. Der
Punkt, an welchem sich die englische und französische Front nach
Ausführung der Verschiebungen Ende Juni 1916 berührte, liegt auf
einer geraden Linie zwischen dem Nordrande von Combles und dem
Südrande von Carnoy. Nach französischer Auffassung besaß
die vorderste deutsche Stellung zwischen der Ancre und Soyécourt starke
Stützpunkte in den Dörfern Thiepval, Ovillers, La Boisselle,
Fricourt, Mametz, Curlu, Frise, Dompierre und Soyécourt; sie bestand im
allgemeinen aus drei Grabenlinien hintereinander in einer Gesamttiefe von 500 bis
1000 m. Zwischen den Linien befanden sich zahlreiche Unterstände
für Mannschaften mit Maschinengewehren. Eine zweite deutsche Stellung
zog sich von Grandcourt über Pozières, Bazentin, Longueval,
Guillemont, Maurepas, Herbécourt, Assevillers, Belloy auf Ablaincourt.
Sie war von der vordersten Linie so weit zurückgezogen, daß sie der
Wirkung des auf die erste Stellung gerichteten Feuers einigermaßen
entzogen war; sie hatte nur ein bis zwei Grabenlinien, war aber durch ein starkes
Drahthindernis geschützt. Zwischen der ersten und zweiten Stellung waren
Anlagen geschaffen, um die seitliche Ausbreitung eines Einbruchs
einzuschränken. Im rückwärtigen Gelände fehlte es an
vorbereiteten Anlagen.
Mit außergewöhnlicher Gründlichkeit wurden von
Engländern und Franzosen die Angriffsvorbereitungen durchgeführt.
Nicht nur die Straßen wurden verbessert, sondern Rollbahnen für den
Grabenverkehr gebaut. Die Schützengräben wurden für
Bereitstellen von Sturmtruppen erweitert, große Niederlagen von
Schießbedarf, Schanzzeug, Lebensmittel und Verbandmaterial angelegt.
Besondere Aufmerksamkeit wurde der Unterbringung der Truppen und ihrer
Wasserversorgung gewidmet. Die Erfolge des Angriffs sollten in der Mitwirkung
weit überlegener Luftstreitkräfte und durch einen Masseneinsatz von
Rohren mit unerschöpflicher Munitionsmenge begründet werden.
Derartige Vorbereitungen ließen sich der Kenntnis des Verteidigers nicht
entziehen. Von Mitte November ab mehrten sich die Anzeichen, daß die
Stellungen der Verbündeten nördlich der Somme den
Engländern, südlich des Flusses den Franzosen überlassen
wurden. Die Anwesenheit bekannter französischer Angriffsdivisionen
wurde festgestellt. Am 20. übernahm das Generalkommando XVIII.
|
Armeekorps den Befehl für das XXIII. Reservekorps. Schon Ende
November fiel vor dem Nordflügel der Armee beiderseits der Ancre ein
Zunehmen von Barackenbauten auf. Nach kurzer Zeit wurde die Zahl der
englischen Divisionen nördlich der Somme vermehrt; auffallend war der
häufige Wechsel dieser Divisionen, die nach kurzem Verweilen in vorderer
Linie wieder zurückgezogen wurden. Ende April standen schon
zwölf englische Divisionen vor den vier Divisionen der 1. Armee am
rechten Ufer der Somme. Richtig sah man in diesen Anordnungen Anzeichen
einer bevorstehenden Offensive, konnte aber mangels von Kräften und
Munition nicht daran [544] denken, ihnen mit
einem reiflich erwogenen Angriff zuvorzukommen, da alle Kräfte durch die
Kämpfe um Verdun in Anspruch genommen waren.21 Im April wurde eine Division (2.
Garde-Reserve-Division) zur Verfügung gestellt, die nördlich der
Ancre, wo sich die feindliche Überlegenheit bislang am meisten
fühlbar machte und man infolgedessen zunächst einen Angriff
befürchtete, eingesetzt wurde. Hier wurden die Divisionsabschnitte bis auf
6 km verringert, während auf der übrigen Armeefront ihre
Breite noch immer 7,5 km betrug. Von Mitte April ab wurde das feindliche
Feuer heftiger; ein bestimmter Plan war beim Feinde jedoch noch nicht zu
erkennen; neben Mörsern traten jetzt auch Langrohre von 24 cm
Kaliber auf. Eine Unternehmung des
Reserve-Infanterie-Regiments 111 mußte am 30. Juni abgebrochen werden,
da der Feind mit schwerem Feuer aller Kaliber antwortete.
Im Mai wurden zwei Divisionen aus der Front der 2. Armee22 herausgezogen und durch die 22.
Reserve-Division ersetzt, die nach kurzer Zeit der Ruhe ihre bei Verdun erlittenen
Verluste noch nicht völlig hatte ersetzen können; auch wurden
zahlreiche moderne schwere Batterien durch weniger wirksame Batterien ersetzt.
Als Ersatz trafen dann ein: eine
Infanterie-Division, die Feldartillerie einer anderen Division und 17 leichte
Feldhaubitz-Batterien. Im Mai ließ die feindliche Feuertätigkeit nach,
das Feuer machte aber gegen Ende des Monats den Eindruck, als wenn der Feind
sich ganz wesentlich verstärkt hätte; es begann anscheinend jetzt eine
planmäßige Artillerievorbereitung. Anfang Juni verdichteten sich die
Angriffszeichen noch weiter; zwei frische, als besonders gut bekannte
französische Divisionen des XX. Korps lösten die Engländer
auf dem Südflügel nördlich der Somme ab, so daß auch
eine Teilnahme der Franzosen an dem Angriff wahrscheinlich wurde, um so mehr,
da Nachrichten über feindliche Angriffsvorbereitungen auch südlich
der Somme sich vermehrten. Man glaubte, im Juni nicht fehlzugehen, wenn man
die voraussichtliche Ausdehnung des feindlichen Angriffs von
Gommécourt im Norden bis 8 km südlich der Somme, etwa
bis zur Römerstraße von Amiens nach St. Quentin, in
40 km Ausdehnung annahm. So konnte man nach früheren
Erfahrungen mit einem Angriff von 20 bis 30
Infanterie-Divisionen rechnen. Bei der Abwehr deutscher Unternehmungen
beteiligte sich im Juni immer nur wenig Artillerie, obwohl man Zweifel
über die anwesende starke Artillerie nicht mehr haben konnte. Nach
vorübergehender Pause im Artilleriefeuer nahm das Feuer gegen Ende des
Monats wieder zu. Gegen [545] Stellungen, von denen
Patrouillenunternehmungen ausgegangen waren, wurden regelmäßig
am nächsten Tage starke Feuerüberfälle aller Kaliber gerichtet.
Absichtlich wurden von den Engländern Patrouillenunternehmungen
unterlassen, um nicht Gefangene zu verlieren.
Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte trotz der hohen Anforderungen, die der
Angriff auf Verdun und die Unterstützung der schwachen Bundesgenossen
in Galizien stellte, versucht, den Wünschen der 1. Armee um Vermehrung
von Artillerie und Luftstreitkräften nachzukommen. Sehr bedenklich war
die auf der ganzen Front herrschende Munitionsknappheit. Es rächte sich
die unzureichende Kriegsvorbereitung, der immer noch nicht abgeholfen war.
Hatte auf eine rechtzeitige Gegenoffensive verzichtet werden müssen, so
wurde auch der Gedanke verworfen, im Angriffsgelände die
Verteidigungslinie vor Beginn des Sturmes rückwärts zu verlegen. Es
wären hierdurch wohl dem Feinde Schwierigkeiten im Vorbringen seiner
Geschütze bereitet, doch hätte man auch sicherlich einen Teil der
Geschütze stehen lassen müssen; allerdings wären wohl
für den Augenblick Verluste vermieden worden. "Schließlich
wäre das Manöver aber nur auf einen Tausch vorzüglicher
Stellungen gegen weniger gute und auf eine kurze Verzögerung der
Entscheidung hinausgekommen, während der Generalstabschef Wert darauf
legte, diese bald herbeizuführen. Durch einen vorübergehenden
Aufschub war auf deutscher Seite wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren, weil
die dann bestehen bleibende Spannung die
Entschluß- und Bewegungsfreiheit fortdauernd weiter
beeinträchtigte."23 Ganz anders aber stand es mit dem
Gedanken, durch planmäßiges Zurücknehmen eines
Stellungsteiles einen eigenen Gegenangriff größeren Maßstabes
vorzubereiten.
Der Schwerpunkt der deutschen Verteidigung lag bislang in der starren
Behauptung der durch Hindernisse geschützten ersten Linie; die
Feldartillerie griff bei der Verteidigung mit ihren leichten Batterien durch
Sperrfeuer ein, während die schweren Batterien sich die erkannten
feindlichen Batterien, und, sobald das Auffüllen der feindlichen
Gräben mit Sturmtruppen erkannt oder vermutet wurde, diese zum Ziel
nahmen. Verlorene Grabenstücke wurden selbstverständlich
wiedergenommen. Die 1. Armee hatte auf das schärfste das freiwillige
Aufgeben von Grabenstücken verboten, um die Zähigkeit der
Verteidigung zu steigern. Die Neuartigkeit der Handgranate führte wohl
dazu, daß diese im Vergleich zum Gewehr überschätzt
wurde.
Glaubte die Entente in einem noch nicht ausreichenden Munitionseinsatz eine
Ursache des Mißerfolges in den Herbstschlachten 1915 zu erblicken, so
sollte jetzt in Verbindung mit einer ausgesprochenen Überlegenheit in der
Luft, die sich in der Schußbeobachtung und in dem Eingreifen der
Flugzeuge in den Erdkampf geltend machte, eine derartige Munitionsmenge
eingesetzt werden, daß nach [546] menschlichem
Ermessen jeder Widerstand des Verteidigers vernichtet werden mußte. So
entstand die "Materialschlacht", die im Angriff und in der Verteidigung nur durch
rechtzeitige Anspannung der sämtlichen Rüstungsindustrien
durchgefochten werden konnte. Versäumnisse der Heimat rächten
sich bitter an der Truppe, die diesen Sturm auszuhalten hatte.
Die in den ersten Wochen aus der Heimat herangeführte Munition reichte
auf deutscher Seite kaum für das Sperrfeuer und für die notwendigste
Unterstützung der Infanterie aus. Die feindliche Führung suchte sich
die Ergebnisse der Herbstschlacht nützlich zu machen, erstrebte für
den Angriff nicht mehr derartig weite Ziele, begnügte sich mit Angriffen,
denen nur beschränkte Ziele gesteckt waren, um dann nach erneuter
Vorbereitung den Angriff gleichmäßig auf der ganzen Front
weiterzuführen. Dieses "Hindurchfressen" durch ein Stellungsgebiet wurde
zum Kennzeichen der Somme-Schlacht. Ursprünglich wollte die
Heeresleitung mit 39 Divisionen in 50 km Breite zu beiden Seiten der
Somme angreifen, während weiter nördlich in 20 km Breite
der englische Angriff erfolgen sollte. Der starke Kräfteverbrauch vor
Verdun zwang jedoch, die Zahl der französischen Divisionen erheblich zu
verringern.
Deutscherseits war man im Zweifel, ob die Franzosen südlich der Somme
an dem Angriff teilnehmen würden. Man glaubte ihre Kräfte bei
Verdun im Verbluten. Als Mitte Juni nach einigen Regentagen der Himmel sich
aufklärte und sogleich eine planmäßige deutsche
Lufterkundung einsetzte, zeigten die Lichtbilder, daß die Franzosen in
fieberhafter Tätigkeit auch ihren Abschnitt bis Chaulnes zum Angriffsfeld
ausgebaut hatten: im Laufe einer Woche waren Hunderte von neuen
Batteriestellungen entstanden, die durch ein weitverzweigtes
Förderbahnnetz mit riesigen Munitionslagern verbunden waren. Die
Vorbereitungen ließen die Munitionsmengen, die der Feind zur
Zertrümmerung der deutschen Stellungen zu verwenden gewillt war, ahnen.
Aber das südlich der Somme eingesetzte deutsche Generalkommando
vermochte sich nicht so schnell von der einmal gewonnenen Auffassung der Lage
freizumachen; der Glaube an die Unwahrscheinlichkeit eines ernsten
französischen Angriffs wirkte stärker als die nackten Tatsachen, die
das Lichtbild meldete.
Die deutsche 2. Armee grenzte im Norden mit ihrem rechten Flügel etwa
12 km südlich Arras an die 6., im Süden im
Oise-Tal an die 7. Armee. Die Frontbreite der 2. Armee betrug 93 km.
Etwa die Hälfte der Front zwischen Gommécourt und
Vermandovillers zu beiden Seiten der Somme war mit Sicherheit als
bevorstehendes Angriffsfeld erkannt. Vor Beginn der
Somme-Schlacht hatte das Armee-Oberkommando auf dem Angriffsfelde zwei
durch den Fluß getrennte Gruppenkommandos geschaffen: Im
Norden das XIV. Reservekorps mit fünf Divisionen (Generalleutnant
v. Stein) in 36 km Ausdehnung, im Süden das XVII.
Armeekorps (General der Infanterie v. Pannewitz) mit vier Divisionen in
33 km Ausdehnung. Zur Verfügung standen nördlich
zwei [547] (185.
Infanterie-Division und 10. bayerische
Reserve-Division) und südlich eine (15.) Division (General
v. Frentz) in Reserve. Unzweifelhaft waren aber diese Gefechtsbreiten noch
immer viel zu groß, falls man nicht eine einheitliche offensive Verwendung
der Reserven geplant hatte.
Nördlich der Ancre stand seit Mai, rechts an die 2.
Garde-Reserve-Division anschließend, die 52., südlich des Flusses
bis an La Boisselle heran (an der Straße
Albert - Bapaume), die 26. Reserve-Division (General
v. Moser).24 Es folgte dann in 9 km
Ausdehnung bis zur Mulde südlich Montauban die 28.
Reserve-Division (Generalmajor v. Hahn) und schließlich in
6 km Breite die 12.
Infanterie-Division (Generalleutnant Chales de Beaulieu) bis nach Curlu an der
Somme. Ein breites Drahthindernis sperrte die
Somme-Niederung. Die 185. Infanterie-Division und das bayerische
Infanterie-Regiment 16 verstärkten die 28.
Reserve-Division, ein unter Befehl des Kommandeurs der 10. bayerischen
Reserve-Division, unter General Burkhardt, zusammengestellter Verband war
hinter den rechten Flügel gezogen. Von dem vor Verdun
zurückgegangenen VI. Reservekorps (General der Infanterie
v. Goßler) wurde erst am 26. Juni die 12.
Reserve-Division von Cambrai nach Bapaume vorgezogen; am 1. Juli folgte auch
die 11. Reserve-Division.
Südlich der Somme standen die 121. und bei Estrées, Belloy und
Barleux die 22.
Reserve-Division,25 auf beide verteilt die Division
v. Frentz. Dann kamen die 11., 35. und 36.
Infanterie-Division. In dem links anschließenden Abschnitt des Gardekorps
standen die 2. und 1. Garde-Division, dann die 15. Landwehr-Division.
Das Feuer des Feindes im Mai und in der ersten Hälfte des Juni hatte
bezweckt, die Grundlage für die Artillerievorbereitung festzustellen,
einzelne deutsche Batterien durch den zusammengefaßten Beschuß
schwerer und leichter Kaliber zu vernichten. Schon Mitte Mai meldete der
Verteidiger die ausgesprochene Überlegenheit der feindlichen Artillerie, so
daß eine wirksame Gegenvorbereitung nicht mehr möglich war. Vom
22. Juni machte sich eine eigentliche Angriffsvorbereitung fühlbar, indem
zunächst durch Schrapnellfeuer der Verkehr unterbunden wurde; dann
richtete sich vom 24. ab der Beschuß der übermächtigen
feindlichen Artillerie derart auf die deutschen Stellungen, daß das Feuer
gegen einzelne Grabenstücke schärfer, als bei früheren
Großangriffen, zusammengefaßt wurde, und starker
Gasbeschuß ("vom 24. Juni bis 1. Juli auf 25 km an vierzig Stellen")
eingeschoben wurde. Stark beschossene Teile blieben noch einige Zeit unter
Schrapnellfeuer. Vom 25. ab richtete sich das Feuer auch gegen die
Somme- [548] Brücken, dann
wurde auch das Hintergelände vergast. Gleichzeitig begann das
Trommelfeuer gegen die Infanteriestellungen. In der letzten Woche vor dem
Angriff unternommene Erkundungsvorstöße des Feindes gaben
Auskunft über die Wirkung. Die von Anfang an nicht sehr breiten
Hindernisse waren weggefegt, die Fernsprechverbindungen vernichtet; ein tiefes
Trichterfeld war entstanden, in dem die deutsche Infanterie noch immer aushielt,
obwohl ein sehr großer Teil der Unterstände nicht mehr neueren
Anforderungen entsprach. Die Verpflegungsvorräte waren vorzeitig
verbraucht, so daß neue Verpflegung nur durch Mannschaften vorgebracht
werden konnte. Reserve-Infanterie-Regiment 111 - als
Beispiel - hatte aber während dieser Beschießung nur verloren
4 Offiziere 89 Mann. Die Unterstützung durch eigene Artillerie wurde von
Tag zu Tag merklich schwächer. Am 25. hatten feindliche Flugzeuge einen
Angriff auf deutsche Fesselballone gemacht und neun zum Absturz gebracht.
Auch in den nächsten Tagen hatten die Angreifer Truppen in den
vordersten Gräben gezeigt, was jedesmal Abgabe von Sperrfeuer zur Folge
hatte, das aber von Tag zu Tag schwächer wurde. Am 29. traf ein
Überläufer ein, der den Angriff auf den 30., 9 Uhr 30 Minuten
vormittags (deutsche Zeit), nördlich und zwei Stunden später
südlich der Somme ankündete.26
Rechtzeitige Gefechtsbereitschaft wurde angeordnet, ein Angriff erfolgte jedoch
an diesem Tage noch nicht. Aber wie sahen die Gräben aus! Trichter reihte
sich an Trichter, die Unterstände vielfach eingedrückt, andere halb
verschüttet, das Drahthindernis fortgefegt. Trümmerhaufen von
Eisenbahnschienen und Betonblöcken gaben die Stellen an, wo einst
Postenunterstände gewesen waren, Wellblechfetzen, Schurzholzrahmen,
leere Konservenbüchsen, zerschmetterte Gewehre,
Ausrüstungsstücke und Tote verrieten die Lage der vorderen
gänzlich verschwundenen Gräben. Etwas besser sah es im zweiten
und dritten Graben aus: hier waren noch unzusammenhängende
Grabenstücke vorhanden, denen man ihre frühere Gestalt ansah.
Zerstört waren alle Verbindungsgräben. So schien dem Feinde die
deutsche Stellung sturmreif zu sein. Ob aber auch der Kampfesmut des
Verteidigers gebrochen war, das konnte erst der Sturmtag selbst lehren.
Die Überlegenheit des Feindes in der Luft war erdrückend. Tag
für Tag tummelten sich die feindlichen Flugzeuge in der Luft,
überflogen die Stellungen der Infanterie und die Hauptstraßen,
photographierten die Verteidigungsanlagen, schossen ihre schweren Batterien ein,
belästigten Truppen durch Maschinengewehrfeuer und warfen Bomben auf
Unterkunftsorte ab. Unterstützt wurde die Feuerleitung aus Fesselballonen.
Die deutschen Batterien konnten dagegen nicht aufkommen, ihnen waren die
Augen ausgestochen; [549] einzeln aufsteigende
Fesselballone waren Angriffen feindlicher Flieger ausgesetzt. Nur mühsam,
unter dauernden Verlusten konnten die an Zahl beschränkten deutschen
Flugzeuge ihre Aufgaben lösen; trotzdem gelang es der Geschicklichkeit
ihrer Führer doch, auch dem Feind Verluste beizubringen und für die
Schlachtenleitung wichtige Nachrichten zu sammeln. An Fliegerkräften
verfügte die 2. Armee nur über 5
Feldflieger-, 3 Artillerieflieger-Abteilungen, 13 Staffeln von Kampfgeschwadern
und etwa 30 Kampfeinsitzer. Einzelne der Abteilungen waren erst vor kurzem aus
dem Osten eingetroffen; ihre Besatzungen hatten zum Teil noch nicht
genügend Erfahrungen auf dem westlichen Kriegsschauplatz. Von den
Kampfgeschwadern war eins in der Neuausrüstung mit
Großflugzeugen begriffen. Bei den Kampfeinsitzern mangelte es dauernd an
erfahrenen Führern, auch der Nachschub an leistungsfähigen
Flugzeugen genügte nicht. Für ernste Kämpfe gegen starke
feindliche Luftstreitkräfte waren die Fliegerkräfte unzureichend.
Der Angriff vom 1. Juli 1916 ab.
Die ersten Morgenstunden des 1. Juli verliefen durchaus ruhig. Um 9 Uhr
(deutsche Zeit) begann allgemeines Feuer auf der ganzen Front; starke
Beimischung von Nebel- und Gasgeschossen zeigte jedem Manne, daß jetzt
endlich nach einer Artilleriebeschießung von rund 180 Stunden Dauer ein
ernsterer Angriff bevorstehe.
Die feindliche Oberste Heeresleitung wollte mit der englischen 4. Armee (Sir
Henry Rawlinson) mit sechs Armeekorps (vom linken Flügel ab die Korps:
VII., VIII., X., III., XV., XIII.) zu je drei Divisionen, mit dem linken Korps gegen
Gommécourt, mit dem rechten gegen Montauban, mit 15 Divisionen in
erster und vier in zweiter Linie, 9 Uhr 30 Minuten vormittags in 26 km
Frontbreite zum Sturm vorgehen, dem sich gleichzeitig das als Angriffstruppe bei
Verdun bewährte XX. französische Korps bis zur Somme
anschließen sollte. Links sollte die 3. Armee von Hebuterne nördlich
die Aufmerksamkeit der Deutschen fesseln. Die Korps waren erst kurz vor der
Schlacht zusammengestellt; die meisten Divisionen hatten zwei Brigaden mit je
650 m Front im ersten Treffen, jede Brigade zwei Bataillone in vier Wellen
in erster und zwei in zweiter Linie. Befehlsgemäß sollten die
Engländer am ersten Tage Puisieux, Miraumont und Martinpuich, bis
7 km hinter dem vorderen deutschen Graben, erreichen.
Erst zwei Stunden später sollte der Angriff südlich der Somme unter
General Foch (16 km Front) mit sieben Divisionen in erster und fünf
in zweiter Linie folgen. Man hoffte auf diese Weise, die deutschen Reserven nach
dem Nordufer abzulenken. Starke Kavallerie wurde hinter der Front
bereitgehalten, um den Erfolg des Infanteriesturms auszunutzen. Sprengungen
sollten vorhandene Minenfelder vor der deutschen Stellung vernichten.
Um 10 Uhr 30 Minuten (deutsche Zeit) schwieg das Feuer wie mit [550] einem Schlage: der
Sturm brach auf der Nordfront los, während das Artilleriefeuer vorverlegt
wurde. Aber auch der Verteidiger war bereit. Zwischen der Ancre und der Somme
(20 km) standen drei deutsche Divisionen (26., 28.
Reserve-Division und 12. Infanterie-Division); gegen diese richtete sich der
Angriff von zwölf englischen und drei französischen Divisionen,
unterstützt von einer gewaltig überlegenen Artillerie und Luftkraft.
Wohl niemals war ein Angriff mit solcher Überlegenheit unternommen.
Auf dem äußersten rechten Flügel nördlich der Ancre
scheiterten die englischen Angriffe ohne weiteres. Am 2. baten die
Engländer um Waffenstillstand, um ihre Toten zu begraben.
Die deutsche Stellung südlich der Ancre bestand aus drei gut ausgebauten
Gräben mit 150 bis 200 m Abstand. Hinter dem zerschossenen Dorf
Beaumont, am Wege nach diesem Dorfe der Stützpunkt der "Grallsberg"
(genannt nach dem Kommandeur
Reserve-Infanterie-Regiments 99), auf dem linken Flügel (genannt nach
Generalleutnant v. Wundt, Kommandeur der 51.
Reserve-Infanterie-Brigade) das "Wundt-Werk", das die Engländer als
"Wunderwerk" bezeichneten.
Hinter der 26. Reserve-Division war rechtzeitig die zusammengestellte Division
Burkhardt27 herangezogen, die mit dem Regiment
99 die Besetzung von Thiepval übernahm, das die Alliierten richtig als den
Stützpunkt des Angriffs erkannt, aber zunächst für den Angriff
noch ausgespart hatten. Eine Angriffswoge wurde von Anthuille gegen die
völlig zerschossene, vorspringende Ecke östlich des Dorfes und
gegen Höhe 141 angesetzt. Der Nordangriff richtete sich, St. Pierre
Divion freilassend, gegen den Hauptstützpunkt, die "Schwabenseite"
nördlich Thiepval. Kräftige, tief gegliederte
Angriffsstöße wurden nach einer Minensprengung gegen
9./Regiments 99 gegen Beaumont, dann südlich gegen das von Teilen des
Infanterie-Regiments 180 kraftvoll verteidigte Ovillers geführt. Bis auf die
nördlich und südlich von Thiepval gerichteten Angriffe wurde der
Einbruch abgewiesen oder durch Gegenstöße den zähe
aushaltenden Abteilungen wieder Luft gemacht. Im Nordangriff von Thiepval war
es den Engländern gelungen, die Feste "Schwaben" zu nehmen. Der hier
befehligende Brigadekommandeur, General v. Auwärter, wollte von
drei Seiten, von Norden, Nordosten und Südosten, zum Gegenstoß
ansetzen. Befehlserteilung und Bereitstellung verzögerten sich von 11 bis
um 3 Uhr, während noch einmal südlich von Thiepval die
Engländer zum Sturm gegen Höhe 141 antraten. Vor der
"Schwabenfeste" kam der deutsche Gegenangriff zum Stehen; erst nach noch
einmal zusammengefaßtem Artilleriefeuer brach ein zweiter Sturm los, der
den Stützpunkt wieder in deutsche Hand brachte; die stark
zerpflückte Ulster-Division kam zum Zurückfluten. In der Nacht
wurden die Kämpfe bei Thiepval fortgesetzt, bei Ovillers die englische 8.
durch die 12. Infanterie-Division abgelöst. Aber die deutsche Linie hielt.
Im [551] Abenddunkel entstand
ein Engländernest im "Granatloch" südwestlich Thiepval, dessen
Ausbau in der Nacht gelang. Am 2. ließen die Kämpfe nach, so
daß mehrfach die Artillerie der Division dem linken Nachbar helfen konnte.
Ein Vermischen der deutschen Verbände war unvermeidlich gewesen.
Gegen die 9 km breite Stellung der 28.
Reserve-Division28 richtete sich der Angriff von sechs
englischen Divisionen (9 deutsche gegen 72 englische Bataillone). Wohl war die
deutsche erheblich durch Artillerie29 verstärkt, aber was wollte das
bei der Größe des Abschnitts (Sperrfeuerabschnitte 500 bis
600 m) und der gewaltigen Überlegenheit des Feindes bedeuten!
Südlich der Straße
Albert - Bapaume entstand gleich beim ersten Sturm ein
Engländernest von 1600 m Breite und 400 m Tiefe. Das
tiefgelegene und über ein Jahr lang heiß umstrittene Boisselle wurde
vorübergehend genommen, die letzten Verteidiger vermochten aber im hin
und her wogenden Kampfe noch bis zum 6. Juli auszuhalten. Die rechts
anschließende 26.
Reserve-Division zog ihre noch verfügbaren Reserven hinter den bedrohten
linken Flügel und war entschlossen, auszuhalten, selbst, wenn der Feind
versuchen würde, seinen Einbruch in Richtung auf Pozières zu
erweitern. Eine schwere Lage entstand für die drei Kompagnien Regiments
Nr. 111, die das dicht hinter dem vorderen Graben liegende Fricourt verteidigten.
Der Angriff kam aber an dieser Stelle überhaupt nicht vorwärts. Der
Ort war völlig zusammengeschossen, doch gewährten die
Unterstände selbst gegen den Einschlag von
24-cm-Granaten Schutz. Zwei an der Nordseite des Ortes eingebaute
Sturmabwehrgeschütze verhinderten das Vorgehen des Feindes aus dem
Engländernest und unterstützten wirksam die Verteidigung einer von
nur zwei Kompagnien schwach besetzten Riegelstellung auf den Höhen
südlich Contalmaison östlich Boisselle.
Nicht so günstig verlief die Verteidigung des
Reserve-Infanterie-Regiments 110 und der links anschließenden 12.
Infanterie-Division. Hier gelang ein Einbruch bis zu den weithin sichtbaren
Dörfern Mametz und Montauban, die unter den feindlichen Granaten ihre
Widerstandsfähigkeit verloren hatten. Die Verstärkung des
Regimentsabschnitts durch Infanterie-Regiment 190 kam jedenfalls nicht mehr
rechtzeitig genug. Die nördlich der Dörfer in den Mulden eingebaute
deutsche Artillerie wurde mit dem größten Teil ihrer Munition
vernichtet, nur wenige Geschütze konnten schließlich in eine zweite
Stellung zurückgeführt werden. Am Nachmittag gelang es den
Engländern, eine östlich Fricourt heldenhaft aushaltende
Gefechtsgruppe einzuschließen, die aber ihren Widerstand weiter fortsetzte.
Trotzdem eine englische Batterie bis in die Gegend von Mametz vorgezogen
wurde und obwohl im Süden und im Norden die Verteidiger von [552] Fricourt schwer
bedrängt wurden, hielt die Dorfbesatzung dennoch weiter aus. Weiter
östlich hatten (noch auf dem Nordufer der Somme) die Franzosen sich in
den Besitz von Curlu (an der Straße
Albert - Péronne) gesetzt, wurden aber durch deutsche
Gegenstöße zur Abwehr gezwungen.
In den späten Nachmittagsstunden versuchte der Feind, aus dem
Engländernest mit stärkeren Kräften gegen die Höhe an
dem Wege Fricourt - Contalmaison vorzustoßen; zweimal
vermochten zwei schwache Kompagnien, unterstützt durch die beiden
Sturmabwehrgeschütze, diesen Angriff bei Fricourt abzuwehren. Die
Verbindung der 111er mit den beiden Nachbarregimentern war schon seit Stunden
verloren gegangen. Die Verluste im zehnstündigen Nahkampf waren sehr
schwer, Mangel an Munition und Handgranaten machte sich empfindlich
fühlbar. Der Regimentskommandeur beschloß, in der Dunkelheit
Fricourt zu räumen, im Anschluß an die beiden Kompagnien, die
noch immer aushielten, die Trümmer des in 3 km Breite ringenden
Regiments am Rande des Wäldchens von Mametz zusammenzufassen. Es
war höchst Zeit, denn schon hatten die Engländer die Höhe
nördlich des Ortes Fricourt genommen. Nur ein schmaler Streifen war noch
für den Rückzug frei. Die Räumung der vorderen Stellung
gelang, in Fricourt aber hielten sich noch immer Versprengte; erst am Nachmittag
des 3. gelangten die Engländer in den Besitz des Ortes. Das bayerische
Infanterie-Regiment 16, das schon vor der Schlacht zu Arbeitszwecken der 28.
Reserve-Division unterstellt gewesen war, besetzte mit einem Bataillon
Groß-Bazentin und Longueval; der Kommandeur erhielt dann Befehl, im
Anschluß an die 12. Infanterie-Division zum Nachtangriff gegen die
Höhe westlich Montauban vorzugehen. Der Anschluß konnte aber
nicht hergestellt werden; als das Regiment im Morgengrauen allein antrat, geriet es
in heftiges Artilleriefeuer, wurde dann in Einzelkämpfe verwickelt, so
daß es erst in der Dunkelheit die noch ganz unzureichend mit einem
einzigen Graben ausgebaute zweite Stellung wieder erreichen konnte. Ein in der
Nacht auf Montauban unternommener Gegenstoß des
II./Infanterie-Regiments 16 wurde abgewiesen, die Truppe für die
nächsten Tage in die Abwehrkämpfe um Bazentin verwickelt.
Am 1. Juli wurde im Anschluß an die 12.
Infanterie-Division zunächst die 12., dann auch die 11.
Reserve-Division vorgezogen, die während des Kampfes ihre Stellungen
übernahmen. Am 3. abends übernahm der General
v. Goßler den Befehl über die drei Divisionen. Das VI.
Reservekorps konnte, da die erste Stellung vom Feinde genommen war, nur noch
die zweite verteidigen (Nordspitze des
Trônes-Waldes) über Hardecourt bis zum Westausgang von Hem,
dann über Cléry bis Halle. Mit Ausnahme eines kleinen
Stücks nördlich der Hem Ferme befand sich die ganze Infanterie des
Korps in einem einzigen flachen Graben, der noch dazu erst im Entstehen war.
Mit Ausnahme eines von Guillemont und Maurepas führenden
Annäherungsgrabens fehlte jede Verteidigung nach rückwärts.
Die Stel- [553] lungen lagen auf dem
vorderen Hange. Es fehlte an Maschinengewehrständen im
Zwischengelände und Unterständen. Für
rückwärtige Reserven war keine Unterbringung vorgesehen. Die
dritte Stellung war erst in den Anfängen des Ausbaues. Die eigene schwere
Artillerie war noch zu schwach, um nur annähernd mitsprechen zu
können; man hatte sich zunächst nur mit einer Verstärkung
durch Feldartillerie begnügt. Noch am 3. Juli waren bei der 12.
Reserve-Division nur vier 12-cm-Kanonen und sieben schwere Feldhaubitzen
vorhanden. Für den Einsatz der Verstärkungsartillerie war sehr wenig
vorbereitet. Am 4. Juli wurde die 12.
Infanterie-Division durch die 11. Reserve-Division abgelöst.
Der 2. Juli verlief verhältnismäßig ruhig. Die Verteidigung
wurde neu geordnet und acht neu eingetroffene Batterien herangeführt,
auch die Ablösung der völlig niedergekämpften 28.
Reserve-Division benutzt, in der Nacht zum 4. im Anschluß an die 26.
Reserve-Division die Verteidiger in eine Stellung von Contalmaison nach der
Höhe südlich
Groß-Bazentin zurückzunehmen.30
Am 3. wurden mehrere englische Angriffe auf der Front der 26.
Reserve-Division abgewiesen. Vor St. Pierre Divion und nördlich Thiepval
gewann der Feind die deutschen vorderen Gräben, die er aber in dem
Gegenstoß des bayerischen
Reserve-Infanterie-Regiments 8 unter schweren Verlusten räumen
mußte. Auch die Höhe 141 konnte von dem
Reserve-Infanterie-Regiment 99 gehalten werden. Hinter der Front trafen zwei
neue englische Korps ein (II. für Weiterführung des Angriffs auf
Thiepval bestimmt und weiter südlich das I.
Anzac-Korps.31) Nur vorübergehend konnten
frische englische Truppen unter Mitwirkung von Fliegern und unterstützt
von starkem Artilleriefeuer in Ovillers eindringen. In Boisselle, das nur von drei
halben Kompagnien Infanterie-Regiments 180 verteidigt wurde, wurde die Lage
immer ungünstiger. Vergeblich hatte die englische 12.
Infanterie-Division hier einzubrechen versucht. Unhaltbar wurde die Lage aber,
sobald es dem Feinde gelang, beiderseits über Ovillers und Contalmaison
vorwärts zu kommen. So wurde die Räumung des Dorfes vorbereitet
und in der Nacht vom 3. zum 4. ungestört ausgeführt; erst in der
Nacht zum 5. drangen die Engländer in Boisselle ein.
Südlich des Flusses griffen die Franzosen mit sieben Divisionen in erster
und fünf in zweiter Linie in 16 km Ausdehnung an. Der Aufschub
des Angriffs um zwei Stunden scheint hier tatsächlich eine
Überraschung begünstigt zu haben. Es gelang, die vordere Linie der
121. Infanterie-Division zu überrennen und fast alle Geschütze der
Division zu nehmen. (Die Franzosen wollen 60 Feldgeschütze erbeutet
haben.) In fortschreitenden Kämpfen gelang es den Franzosen am 2., den
Westrand von Herbécourt - Assevillers zu gewinnen und
sich an Estrées [554] heranzuschieben. Von
Vermandovillers ab wurde die alte Stellung weiter gehalten. In der Nacht zum 3.
ging die 121. Infanterie-Division in die Linie
Biaches - Barleux - Belloy zurück, angeblich, um
"hierdurch ihre Ablösung durch die von der Obersten
Heeresleitung antransportierten Heeresreserven zu erleichtern."
Tatsächlich mußten aber die Truppenausladungen von
Péronne nach Cartigny und Roisel zurückverlegt werden.
So war auf dem Südteil der Front der Abschnitt von Hardecourt bis Fay
verloren gegangen. Recht empfindlich wurde in den nächsten Tagen das
vom Südufer gegen die weiter nördlich und weiter westlich besetzt
gebliebenen Stellungen gerichtete Flankenfeuer. Der 3. Juli blieb ohne
Infanterieangriffe, doch lagen die deutschen Stellungen dauernd unter schwerem
Feuer. Am 3. schob sich die französische Infanterie vorsichtig tastend bis
an die neuen deutschen Stellungen heran. Mitten zwischen beiden Linien lag
völlig verlassen das Dorf Flaucourt, das erst in der nächsten Nacht
vom Gegner besetzt wurde. Patrouillen stellten fest, daß der Feind sich an
den Osträndern des Dorfes eingegraben hatte. Am Abend setzte ein neuer
französischer Vorstoß gegen die 22.
Reserve-Division in der Linie
Belloy - Estrées - Soyecourt ein. Belloy wurde
genommen, Versuche aber, noch weiter Gelände zu gewinnen, wurden
durch Gegenstoß verhindert. Am 5. wurde das IX. Armeekorps (General der
Infanterie v. Quast) zwischen dem XVII. Armeekorps und der Somme
eingeschoben. Auf dem äußersten rechten Flügel wurde zwar
eine Kompagnie in Halle auf das Nordufer gedrängt, die aber noch
rechtzeitig die dort geschlagene Kriegsbrücke sprengen konnte; dann
stießen die Franzosen auf den von der Division v. Liebert besetzten
Ort Biaches, der für die nächsten Wochen zu einem besonders
starken Stützpunkt sich entwickelte, nachdem er am 11. einmal für
kurze Zeit in französischen Händen gewesen war.
Am Nachmittag des 4. setzte schweres, den Boden gründlich
aufweichendes Regenwetter ein. Schanzarbeiten, das Nachziehen und
Munitionieren der Artillerie wurden ganz besonders erschwert. Am 4.
mußten sich endlich die östlich Fricourt eingeschlossenen Teile des
II. Bataillons Regiment 111 ergeben. Die abgekämpfte badische Division
wurde durch die 3. Garde-Division, dann durch die 183.
Infanterie-Division abgelöst. Eine Vermischung aller Verbände war
unvermeidlich. Zu beiden Seiten der Straße
Albert - Bapaume wurden Ovillers, eine Deckung hart östlich
Boisselle auf Höhe 129 und Contalmaison gehalten. Die Kämpfe
nördlich der Straße kamen nicht zur Ruhe. Trotzdem gelang die
Ablösung der 26. Reserve-Division durch die Division Burckhardt. Die
württembergische Division mußte trotz ihrer großen Verluste
bereits am 5. noch einmal auf das Gefechtsfeld zurückgeführt
werden, als am Abend starke englische Truppen gegen Ovillers und Contalmaison
vorgingen, um vor allem sich in den Besitz von Pozières zu setzen. Es
gelang den Engländern, sich auf dem Hang von Höhe 129
südlich Pozières festzusetzen, ein Nachtangriff war ohne Erfolg.
Contalmaison [555] hielt. Auch um
Ovillers, das von Garde-Füsilieren (Division Burckhardt) besetzt war,
wurde schwer gerungen.
Jedes Vordringen des Feindes über Contalmaison hinaus mußte das
Aushalten in den Stellungen von Thiepval und nördlich unmöglich
machen. Die Truppe war am Ende ihrer Kräfte. Das II. Bataillon des
Infanterie-Regiments 15 war die einzige Reserve der Division. Munition war recht
knapp. Guten Erfolg hatte ein unter dem Schutz des Regens unternommener
Angriff von 14 Kompagnien der 3.
Garde-Division aus der Gegend von Flers und Martinpuich. Es gelang, kurz vor
Mitternacht unter dem Schutze eines wolkenbruchartigen Regens Contalmaison
und am nächsten Tage auch den Wald von Mametz zu nehmen. In
schwerem Kampfe wurde der Mametz-Wald vom III. Bataillon des
Lehr-Regiments und III. Bataillon des bayerischen
Infanterie-Regiments 16 gehalten, aber schließlich mußten die
zusammengeschossenen Truppen weichen; noch einmal machte ein
Gegenstoß Luft, dann ging der
Mametz-Wald endgültig verloren. Auch weiter südlich um den
Trônes-Wald und um Hem entwickelten sich schwere Kämpfe. In
dem anhaltenden Artilleriefeuer wurde die Lage immer schwieriger; alle
Versuche, die Stellung verteidigungsfähig zu halten, waren vergeblich. Das
III. Bataillon des bayerischen Infanterie-Regiments 16 zählte nur noch 6
Offiziere, 230 Mann. Die Anstrengungen der Engländer richteten sich
immer deutlicher gegen den Trônes-Wald; Tag für Tag erfolgten
Angriffe. Gelang es den Engländern auch einmal, in den Wald
einzudringen, so setzte sofort ein Gegenstoß ein, der den Wald wieder
zurückeroberte. Die deutsche Artillerie war niedergekämpft und
konnte nicht mehr helfen. Nach acht Stunden wurde
Groß-Bazentin von den Engländern genommen, auch die
Widerstandskraft des III. Bataillons bayerischen
Infanterie-Regiments 16 im Wäldchen östlich des Dorfes versagte
schließlich. In Longueval vermochte das II. Bataillon, unterstützt
durch das III. Bataillon Infanterie-Regiments 26 wenigstens bis zur Dunkelheit
auszuhalten und dann den Rückzug anzutreten. I. Bataillon
Infanterie-Regiments 16, zwischen Groß-Bazentin und Longueval
völlig eingeschlossen, erlag heldenmütig im zähen Nahkampf.
Nur einen Teil des Bataillons traf das bittere Los der Gefangenschaft. Als in der
Nacht zum 15. die Trümmer des
Infanterie-Regiments 16 gesammelt wurden, wurde der Verlust in der
14tägigen Schlacht auf 72 Offiziere, 2559 Mann festgestellt. Es war
vernichtet!
Am 8. ging aber Contalmaison wieder verloren, englische Schützen
vermochten am 9. in den Trümmern des südwestlichen Teils von
Ovillers32 festen Fuß zu fassen und
Longueval sich gegenüber einzunisten. Schwer sind diese
hin- und herwogenden Kämpfe zu verfolgen: Angriff und
Gegen- [556] stoß wechselten
miteinander, jeder Schritt vorwärts mußte vom Feinde durch Feuer
und Blut erkauft werden; namentlich waren es die geschickt auftretenden
Maschinengewehre, die das Rückgrat der deutschen Verteidigung bildeten.
Endlich, am 14., wurde auch der Widerstand in Ovillers gebrochen. Von allen
Seiten umstellt, ohne Patronen, ohne Wasser und Verpflegung, streckten
völlig erschöpft am 16. früh 2 Offiziere, 124 Mann mit 8
Maschinengewehren der Garde-Füsiliere die Waffen. Vor den tapferen
Gefangenen ließ der Sieger präsentieren! Der Sieger hatte vom 9. ab
fünf Divisionen eingesetzt (12., 19., 32., 25. und 48.
Infanterie-Division).
Der Kampf um Ovillers war nur ein Glied des am 11. durch starke
Artillerievorbereitung eingeleiteten Angriffs gewesen. In den dunklen
Morgenstunden des 14. Juli gingen fünf in der Nacht herangeführte
englische Divisionen zum Angriff gegen
Groß- und Klein-Bazentin und Longueval vor. Die beiden Bazentins
wurden genommen, in Longueval leistete die 3.
Garde-Infanterie-Division noch erbitterten Widerstand, obwohl schon gleichzeitig
einzelne Sturmabteilungen in den Delville-Wald eindrangen. Im ganzen war der
Einbruch in das deutsche Stellungsgebiet bis zu 1800 m Tiefe
gelungen.
Während des Kampfes übernahm das Generalkommando des IV.
Armeekorps, General der Infanterie Sixt v. Armin,. den Befehl, hielt mit
der 7. Infanterie-Division Pozières und setzte mit der aus der Gegend
südöstlich Bapaume durch Nachtmarsch herangeführten 8.
Infanterie-Division zum Gegenstoß ein, der den
Delville-Wald zurückgewinnen sollte. Es erfolgte dann nach
kräftiger Artillerievorbereitung am Morgen des 18. bei starkem Nebel ein
planmäßiger Gegenangriff, der die Deutschen noch einmal in den
Besitz des
Delville-Waldes und dann von Longueval brachte. Der rechte Flügel der
Infanterie aber geriet in das Feuer der eigenen Artillerie und mußte teilweise
wieder zurückgenommen werden. Der Nachteil, mit Truppenteilen von vier
Divisionen angreifen zu müssen, die zu diesem Zweck erst
zusammengefaßt werden mußten, machte sich durch die
Unvollständigkeit des Erfolges bemerkbar. Links von dem Kampffelde der
8. Infanterie-Division hielt gegenüber allen Angriffen die 10. bayerische
Infanterie-Division. Gefährlicher war der Vorstoß der englischen 3.
Infanterie-Division am 15. zwischen dem
Fourreaux-Walde und Longueval, der Fortschritte machte, so daß die
Gefahr eines Durchbruches nahelag.33
Auf dem rechten Flügel des VI. Reservekorps hielt die 12.
Reserve-Division ihre Stellung; rechtzeitig war noch am 13. die 123.
Infanterie-Division (Sachsen) zwischen 12. und 11.
Reserve-Division eingeschoben, der rechte Flügel der 12.
Reserve-Division nach Ginchy zurückgebogen, bei Sailly die 24.
Reserve-Division bereitgestellt und die 8. bayerische
Reserve-Division aus der Gegend von Ham nach Rancourt durch Nachtmarsch
herangezogen, und teilweise bei der [557] 11.
Reserve-Division eingesetzt, die 23. (sächsische)
Reserve-Division wurde hinter die 11. Reserve-Division gezogen. Die
Gefechtskraft dieser Division näherte sich ihrem Ende.
Was wollten aber diese Verstärkungen angesichts der Überlegenheit
des Feindes an Menschen und Artillerie bedeuten! In der Dunkelheit der ersten
Morgenstunden gelang es der 12.
Reserve-Division, die Zuckerfabrik von Longueval wiederzunehmen, sie
mußte sie aber am Abend wieder räumen. Ein Gegenstoß gegen
den Delville-Wald hatte ebensowenig Erfolg, wie ein Nachtangriff um
Mitternacht des 16. Mit Einzelangriffen war nichts zu machen, es bedurfte des
einheitlichen Angriffs starker Kräfte. Nur Gegenstöße konnten
die Engländer an einer Ausbeutung ihrer unzweifelhaften Erfolge hindern;
so kam es in den nächsten Tagen dank dem heldenmütigen
Kämpfen der Verteidiger nicht zu dem ernstlich befürchteten
Durchbruch der Engländer. Heftiges Feuer richtete sich gegen die an die
Einbruchsstelle anschließenden Stellungsteile. Am 17. löste die
sächsische 24. Reserve-Division die 12. Reserve-Division ab; die 8.
bayerische Reserve-Division sollte Unterkunft in der Gegend von Moislains und
Longueval beziehen, wurde dann nach Ronsoy und Umgegend
zurückverlegt.
Während der Kämpfe bei Longueval hielten sich die Franzosen
sichtlich mehr zurück.
Was hatten aber die deutschen Truppen geleistet? Die an Zahl und Munition
unterlegene, von wenigen Fliegern unterstützte deutsche Artillerie bildete
das Knochengerüst der Verteidigung; an ihrem Sperrfeuer brach sich die
Hauptkraft der feindlichen Angriffe. Die deutsche Infanterie, auf das
äußerste erschöpft, hielt aus in ungenügenden
Deckungen, ermuntert durch das Beispiel ihrer wenigen Führer;
glänzend bewährte sich wieder die alte, auf die Selbständigkeit
des einzelnen Mannes gerichtete Friedenserziehung. Die 10. bayerische
Infanterie-Division, zusammengestellt aus den verschiedensten Verbänden,
hielt aus; ihre Frontbreite betrug 9,3 km, am 11. hatte sie kampfbereit in 16
Bataillonen nur noch 6200 Gewehre. Dazu trat die starke
zahlenmäßige Überlegenheit der nach kurzem Einsatz immer
wieder abgelösten englischen Truppen. Diese griffen zwar schneidig an und
hielten auch zähe aus, aber die deutsche Infanterie war doch entschieden
besser. So entstanden bei dem Einsatz frischer und überlegener
Kräfte immer neue Kämpfe um einzelne Stützpunkte, so
z. B. um den Delville-Wald, um den
Trônes-Wald und gegen das Dorf Guillemont, und ununterbrochenes
Ringen um die Trümmerhaufen von Pozières. Obgleich die
Engländer Verluste nicht scheuten, die Überzahl auf ihrer Seite
hatten, waren ihnen schnelle Erfolge versagt. Guillemont vermochte noch bis in
den September hinein auszuhalten; ebenso war es mit Thiepval, obwohl die
Engländer schon am 23. in das Dorf eingebrochen und die Verteidiger
(Infanterie-Regiment 104) nur noch 900 Gewehre stark waren. Um den
Delville-Wald zu halten, mußten noch die brandenburgischen Regimenter
52 und 12 eingesetzt werden. In diesen
hin- und herwogenden [558] Kämpfen hatten
die Engländer acht Divisionen einsetzen müssen, ohne ihren Erfolg
vom 14. ausbauen zu können. Diese Kämpfe sind lehrreich und
verdienen besondere Beachtung. Erst am 27. vermochte der Feind in Longueval
und in den Delville-Wald einzudringen; ein von der 5.
Infanterie-Division geplanter Gegenstoß unterblieb, da die Division
abgelöst und abbefördert werden sollte; die Nachfolgerin
übernahm nicht die Aufgabe.
Auf dem Nordufer hatten unterdes französische Truppen, von Curlu
Abteilungen im Somme-Tal vorschiebend, Hem erreicht, sogar den Westrand der
Vorstadt von Péronne, St. Radegonde, genommen und
schließlich in Hardecourt festen Fuß gefaßt.
Sehr viel bedeutender waren die Erfolge auf dem Südufer
gewesen. Die Franzosen hatten nach ihrem ersten Erfolge, um den
Zusammenhang mit den Engländern aufrechtzuerhalten, dem Angriff
südlich der Somme geringere Beachtung geschenkt, obwohl diese
Angriffsrichtung für den Verteidiger vielleicht am empfindlichsten
gewesen wäre. Die Stärke der Franzosen ermöglichte nicht,
zwei Angriffsrichtungen gleichmäßig beizubehalten; so entschieden
sie sich für den Angriff nördlich der Somme, den sie vom
Südufer durch flankierendes Feuer dauernd unterstützen
konnten.
Die 121. Infanterie-Division war durch die zusammengestellte Division Liebert
abgelöst, links von ihr waren die 17. und 18.
Infanterie-Division eingetroffen. Weiter im Süden gelang es den Franzosen,
das von der 11. Infanterie-Division gehaltene Estrées zu umstellen, Belloy
zu nehmen und Vorstellungen vor Biaches und Barleux zu gewinnen. Ein
Nachtangriff auf Biaches in der Nacht vom 4. zum 5. scheiterte im Sperrfeuer.
Nach anhaltendem gewaltigen Artilleriefeuer gelang es den Franzosen am 9.,
zunächst Biaches, dann
La Maisonette-Ferme auf Höhe 97 und Barleux zu nehmen.
Ein Gegenstoß von zwei Kompagnien des
Grenadier-Regiments 89 nahm Barleux und dann am 10. auch
La Maisonette wieder. Am 11. gingen die Franzosen noch einmal
südlich der Somme zum Angriff vor, der aber blutig abgewiesen wurde;
ebensowenig Glück hatte ein Sturmversuch auf Barleux. Unter dem
Eindruck dieses Erfolges gingen deutsche Truppen zum Angriff vor und nahmen
noch einmal Biaches; ein feindlicher Vorstoß gewann dann Maisonette, wo
der Franzose sich für die nächsten Wochen behauptete. Weniger
Glück hatten die Franzosen, das Wäldchen auf der
Maisonette-Höhe und das tief liegende Biaches wiederzugewinnen. Hier
hielt der Verteidiger, obwohl vom Nordufer durch Feuer belästigt und
für den Verkehr auf den Somme-Kanal beschränkt, aus. Nach
Abwehr wütender Angriffe am 16. und 17. trat hier für die
nächsten Tage Ruhe ein. Auch weiter südlich war das heiß
umstrittene Estrées noch immer in deutscher Hand, nördlich
Soyécourt ging die Verteidigungslinie in die alten, vom 1. Juli ab
behaupteten Schützengräben über.
Während dieser schweren Kämpfe fand eine Neugliederung der
Befehls- [559] verbände statt.
Es hatte sich als unmöglich herausgestellt, von einer einzigen Befehlsstelle
aus die Verteidigung zu leiten. Vom 19. ab wurden die Divisionen in zwei Armeen
gegliedert: nördlich der Somme die 1. Armee gegen Engländer und
Franzosen, General der Infanterie Fritz v. Below, Chef des Stabes Oberst
v. Loßberg,
Armee-Hauptquartier Bourlon; südlich des Flusses die 2. Armee, General
der Artillerie v. Gallwitz, Chef des Stabes Oberst Bronsart
v; Schellendorff,
Armee-Hauptquartier St. Quentin. General v. Gallwitz sollte die
allgemeine Leitung der Schlacht haben. Richtiger wäre es wohl gewesen,
ein besonderes Heeresgruppenkommando zu bilden.
Nördlich der Somme fochten am 19. Juli die Gruppe Stein (XIV.
Reservekorps): 2. Garde-Reserve-Division, 52. Infanterie-Division, 26.
Reserve-Division (nicht eingesetzt 117.
Infanterie-Division), - Gruppe Armin (IV. Armeekorps): 10. bayerische
Infanterie-Division, 7. Infanterie-Division, 8.
Infanterie-Division - Gruppe Goßler (VI. Reservekorps): 24.
Reserve-Division, 123. Infanterie-Division, 11. Reserve-Division.
Auf dem Südufer bei der 2. Armee: Gruppe Quast (IX. Armeekorps):
Division Liebert, 17.
Infanterie-Division, 18. Infanterie-Division, 11.
Infanterie-Division - XVII. Armeekorps: 35.
Infanterie-Division, 36. Infanterie-Division, dann weiter anschließend das
Gardekorps.
Der 19. war vom Feind sichtlich der Artillerievorbereitung gewidmet. Auf dem
Nordufer wurden zum Angriff für den 20. acht englische und zehn
französische Divisionen bereitgestellt. Südlich des Flusses wollte
man bei einem Angriff nach Aussage eines Überläufers
Kämpfe um die Örtlichkeiten vermeiden; die französische
Führung hoffte, gegen die Linie
Biaches - Vermandovillers die Deutschen zum Gegenangriff etwas
aus der Gegend östlich Barleux in nordwestlicher Richtung verleiten zu
können, um dann durch eigenen Vorstoß aus der Gegend von Lihons
diesen Gegenangriff vernichtend in der Flanke zu treffen und in die Somme zu
werfen. Die Brücken über den Fluß sollten von der
französischen Artillerie unter Feuer gehalten werden.
Der Erfolg war gering. Nur östlich von Hardecourt gelang es den
Franzosen, die Garde-Infanterie-Division in einer Breite von 3 km um
800 m nach dem Westrande von Maurepas zurückzudrängen.
Die Engländer haben in ihrem Heeresbericht die Tatsache eines
großen gemeinsamen Angriffes überhaupt vollständig
verschwiegen, die Franzosen ihre unbedeutenden Erfolge phantastisch aufgeputzt,
um über ihre tatsächlichen Mißerfolge zu täuschen. Von
nun an versuchten die Feinde in Abständen von wenigen Tagen immer aufs
neue, mit Aufgebot ihrer ganzen Angriffskraft die deutschen Linien zu
erschüttern. Am 20., 24., 27., vor allem am 30. Juli setzten auf
größeren Frontabschnitten zu beiden Seiten der Somme nach
verschwenderischer Artillerievorbereitung Infanteriestürme ein. Nur am 25.
gelang es den Teilen der frisch eingetroffenen I.
Anzac- [560] Korps,
Pozières zu nehmen. Verfrühte Gegenangriffe (27. Juli) hatten
keinen Erfolg. Auf englischer Seite wurde das
Armee-Oberkommando 5 (Sir Hubert Gough) mit dem Angriff auf Thiepval
betraut, während die 4. Armee südlich der großen Straße
auf Bapaume durchbrechen wollte. Agentennachrichten vom 27. machten auf
einen Großangriff am 30. aufmerksam. An diesem Tage gelang es den
Engländern zum ersten Male, vorübergehend in das von der 24.
sächsischen Reserve-Division verteidigte Guillemont einzudringen; ein
Gegenstoß, an dem sich auch die zur Ablösung bestimmten
Württemberger der 27. Infanterie-Division beteiligten, warf den Feind
wieder hinaus.
Das heiß umstrittene Thiepval, vom Westen und vom Süden
bestürmt, dauernd von Artillerie beschossen, hielt noch immer aus, ebenso
Bois des Fourreaux; vor Guillemont war wohl vom Feinde die Sturmentfernung
erreicht, mehrfach war die Einnahme des Ortes gemeldet, aber dennoch verwehrte
die schwache Besatzung jedes Vordringen des Feindes. Schwierig war die Lage
auf dem Südflügel der 1. Armee. Maurepas und Clery wurden
gehalten, bei St. Radegonde und Biaches jedes Vordringen der Feinde in
der Somme-Niederung verhindert.
Im Kampfgebiet der 2. Armee hatten die Deutschen die von La Maisonette
gekrönte Höhe 97 mit ihrem Einblick in das Hinterland aufgeben
müssen. Die Trümmer von Barleux wurden vom
Infanterie-Regiment 75 heldenmütig behauptet, Estrées war in
Feindeshand, auch in Soyécourt und Vermandovillers waren Fortschritte
gemacht, aber die Dörfer waren keineswegs in feindlichem Besitz.
Bei Dreslincourt (nordwestlich Nesle) war deutscherseits eine
21-cm-Marinekanone von 25 km Schußweite eingebaut, die vom 31.
ab den Entladebahnhof von Guillaucourt unter Feuer nahm, jedoch den weiteren
Ausbau des Bahnhofs nicht zu verhindern vermochte. Deutliche
Angriffsvorbereitungen im Abschnitt Lihons bis Quesnoy (teilweises Verschieben
der ersten Stellung über die Drahthindernisse hinaus, Vermehren der
feindlichen Artillerie um 30, z. T. schwere Batterien) machten das
Armee-Oberkommando 2 auf bevorstehende Gefahren aufmerksam.
Die Höhe der Verluste läßt sich zur Zeit für die
Franzosen überhaupt nicht feststellen. Die Engländer haben an der
Somme im Juli verloren: 7140 Offiziere und 52 113 Mann.
Die Schlacht war zugunsten der über die Industrie der halben Welt
verfügenden Entente zu einer "Materialschlacht" geworden, in der von
beiden Seiten ein bis dahin unerhörter Aufwand mit Artillerie und
Munition, auf feindlicher Seite auch mit Menschen getrieben wurde. Aber
dennoch waren nach dem ersten Erfolg auf beiden Flußufern nur
unerhebliche Fortschritte gemacht, eigentlich war die Schlacht seit Mitte Juli zum
Stehen gekommen.
"Wieder zeigten sich die
unübertrefflichen kriegerischen Eigenschaften des
da- [561] maligen deutschen
Soldaten in bestem Licht. Stets in der Minderzahl fechtend, gab er unter dem
Wüten der übermächtigen feindlichen Angriffsartillerie nur
schrittweise dort nach, wo ein Behaupten in der Tat zur menschlichen
Unmöglichkeit geworden war. Immer war er bereit, dem Gegner etwa
Gewonnenes wieder zu entreißen, jede Schwäche desselben
auszunutzen. Die Verluste in dem hartnäckigen Ringen waren bei Feind
und Freund stark, bei ersterem aber zweifellos schwerer als bei den Deutschen.
Wenn es schon am Abend des zweiten Schlachttages ganz sicher gewesen war,
daß der von den Engländern und Franzosen geplante Durchbruch
nicht glücken würde, so wußte die Oberste Heeresleitung nach
Ablauf der ersten Schlachtwoche bestimmt, daß es den Gegnern auch
diesmal nicht beschieden sein würde, ihr Ziel durch die
Abnutzungskämpfe zu erreichen, zu denen sie nach Fehlschlagen des
Durchbruchs notgedrungen übergegangen waren."34
Die Sommeschlacht im August.
Mit dem August beginnend, der dem Feinde den dürftigsten
Geländegewinn brachte, zeigte die Schlacht bis zu ihrem Ende im
November den Eindruck eines einzigen, ununterbrochenen Ringens auf der
ganzen Front, ohne daß die Kampftätigkeit auch nur einen
Augenblick nachgelassen hätte. Gerade in dieser monatelangen Dauer lag
das Furchtbare, alles Nervenzerreißende dieses Ringens, dem die bis dahin
unerhörte Masse der Kampfmittel ihr weiteres charakteristisches
Gepräge gab.
[Beilage 2 zu Bd. 2]
Skizze 24: Gelände der Sommeschlacht. [Vergrößern]
(Die stark gezeichnete Linie kennzeichnet die deutsche Stellung
im ersten Drittel des August 1916.)
|
"Ganz deutlich heben sich indessen
aus dem geschlossenen Gesamtbilde solche Gruppen von Kämpfen hervor,
die sich als besondere Kampfanstrengungen unserer Gegner kennzeichnen, und
aus ihrer Mitte treten einzelne Tage noch besonders als
»Großkampftage«35 hervor. Unter diesen
größeren Anstrengungen der Feinde lassen sich solche unterscheiden,
die den Gesamtangriff auf der ganzen Front oder auf sehr großen
Frontabschnitten bringen, und solchen, in denen der Feind seine ganze Kraft auf
die Eroberung einzelner, ihm wichtig erscheinender Geländeabschnitte oder
Stützpunkte, wie Dörfer oder Waldstücke, zusammenrafft. Das
Ergebnis derartiger größerer Anstrengungen sind in vielen
Fällen Geländefortschritte des Feindes gewesen, welche in ihrer
Gesamtheit ein unter furchtbaren Opfern erkämpftes und nur sehr
allmähliches Zurückdrängen der vordersten deutschen Linien
ermöglicht haben. Auch konnte es nicht ausbleiben, daß jeder
derartige Fortschritt Verluste an Mannschaften und gelegentlich auch an Material
zufügte. Überblickt man indessen das Gesamtergebnis der Schlacht,
so darf ausgesprochen werden, daß die Errungenschaften des Feindes
außer jedem Verhältnis zu dem ungeheueren Aufgebot an
Menschenleben und Kriegsmaterial stehen, das jene an die Erreichung von Zielen
gesetzt haben, von denen sie höchstens einen Bruchteil haben verwirklichen
können."36
[562] Und wie urteilt der
Feind?
"Es war ein deutliches Zeichen der
Entwertung der deutschen Soldaten, daß die Ouvertüre (d. h.
Artillerievorbereitung) besser war als die Aufführung des Stücks. Die
Maschinen waren so wuchtig als jemals, aber das Menschenmaterial schwand
dahin und das freie Empfinden trat auf beiden Seiten hervor, welches das
Übergewicht auf der einen und den Niedergang auf der anderen Seite
bezeichnet. Die Leichtigkeit, mit der sich Gefangene ergaben, das häufige
Versagen, Stellungen zu halten, und das dauernde Mißlingen, sie
wiederzunehmen, bestätigen alle dieselbe
Folgerung."
Anfang August hielt die 1. Armee südlich der Ancre
Pierre-Divion, dann die Höhe von Thiepval (26.
Reserve-Division, 16. Infanterie-Division, 1.
Garde-Division), umspannte von Norden und Osten das Dorf Pozières
und die Windmühlen-Höhe östlich dieses Dorfes (117.
Infanterie-Division) als weit vorspringenden Punkt, dann führte die Linie
nach dem Westrande von Martinpuich (40.
Infanterie-Division) zurück, schnitt die Nordspitze des Bois des Fourreaux
ab, hielt Ginchy (26. Infanterie-Division) und Guillemont (27.
Infanterie-Division), führte dann über Maurepas (18. bayerische
Reserve-Division, dann 23. Reserve-Division) nach der Höhe westlich
Clery und begleitete dann die Somme auf dem Nordufer bis zur Vorstadt St.
Radegonde.
Bei Biaches lag der rechte Flügel der Stellung der 2. Armee 5 km
östlich (d. h. rückwärts) des linken Flügels der 1.
Armee. Vor Clery suchte eine von der zweiten Stellung der 1. Armee an der
Somme entlang führende Defensivflanke diesen Übelstand
auszugleichen. Dicht hinter dem rechten Flügel stand die Gruppe des
Generals v. Quast: 28.
Infanterie-Division, 1. Garde-Reserve-Division und 4.
Garde-Division, dann 11. Infanterie-Division. Mit ihrem linken Flügel hielt
die 2. Armee wie zu Beginn der Schlacht mit dem Generalkommando der Garde
(2. Garde-Division, 44. Reserve-Division und 15.
Landwehr-Division) die alte Stellung etwa von Straße
Foucancourt - Estrées - Villers - alte
Römerstraße) nach Süden und grenzte südlich Roye an
die 7. Armee.
Auf feindlicher Seite scheint der Mangel an Schießbedarf und an frischen
Truppen sowie die Notwendigkeit, die Wege auszubessern, hemmend auf die
Fortführung des Angriffs eingewirkt zu haben. Von 58 in Frankreich
anwesenden englischen Divisionen waren 36 an der Somme eingesetzt, 16
Divisionen zum zweiten und dritten Male, 6 Divisionen galten bereits als nicht
mehr angriffsfähig. Die Engländer beabsichtigten, durch Vorgehen
vom Westen über die Ancre und durch gleichzeitiges Vorgehen von
Pozières und Ovillers die Einbruchslücke im Norden zu erweitern,
dann durch Vorstoßen an der Straße
Albert - Bapaume weiter Raum zu gewinnen.
Der Aufschub eines einheitlichen großen Angriffs kam natürlich den
deutschen Verteidigungsarbeiten zugute. Und doch fehlte noch sehr viel, so war
u. a. die Stellung westlich Combles nur durch ein Drahthindernis
bezeichnet. Von [563] kleineren
Kämpfen seien genannt: am 2. August fiel die
Manacu-Ferme an der Somme in französische Hände. Besondere
Anstrengungen machten die Engländer, Guillemont zu erobern, doch hier
waren keine Fortschritte für sie möglich. Seit dem 5. machten sie
Versuche, bei Pozières vorwärts zu kommen, doch auch hier wurde
ein größerer Geländegewinn verhindert. Mehrfache deutsche
Gegenangriffe gegen Pozières mußten schließlich eingestellt
werden. Weiter südlich wurde das Dorf Maurepas von der
sächsischen 24.
Infanterie-Division gehalten, die links an der Somme Anlehnung fand. Ein
größerer Angriff gegen den Ort Maurepas fiel gerade mit der
Ablösung zusammen. Am 10. hatten die Franzosen eine Sturmstellung
südlich des Dorfes genommen und am 12. den Südteil des Dorfes um
so leichter erobert, als bei der ablösenden Truppe eine 1100 m breite
Lücke zu den nicht abgelösten Teilen der 8. bayerischen
Reserve-Division entstanden war. Auch die vom
Fourreaux-Walde ausgehenden Angriffe unter Abblasen von Gas der englischen 2.
und 55. Infanterie-Division gegen das vom Infanterie-Regiment 124 verteidigte
Guillemont und gegen
Faffemont-Ferme (Infanterie-Regiment 127) machten nur geringe Fortschritte.
Am 16. mußte die Kampftruppe vom
Infanterie-Regiment 127 nach 16 Kampftagen abgelöst werden durch die
Ruhebataillone der Regimenter 123 und 124, aber ein bevorstehender Angriff
zwang, die abgelöste Truppe wieder einzusetzen. Als dann endlich am 21.
die württembergische Division durch die 11.
Infanterie-Division abgelöst werden sollte, erfolgte ein neuer Angriff gegen
Faffemont und Guillemont, der indessen abgewiesen wurde. Nur
vorübergehend waren Engländer in Guillemont eingedrungen.
Der Feind war dauernd in besserer Lage und konnte seine Truppen nach Bedarf
durch frische Truppen ablösen lassen, während die deutsche
Führung gezwungen war, auf die eben abgelöste,
ruhebedürftige Truppe immer wieder zurückzugreifen. Und dennoch
scheiterten alle Versuche des Feindes, bei Guillemont und Bazentin
durchzubrechen. - Die Artillerie konnte überhaupt nicht
abgelöst werden, sie mußte trotz der Einbuße an Material und
Personal aushalten.37
In den damaligen deutschen Berichten kehrt die Klage über die
zunehmende Hitze immer wieder. Das feindliche Feuer erschwerte die Bestattung
der Leichen, so daß die Truppe stark unter dem Leichengeruch zu leiden
hatte. Ruhrerkrankungen waren nicht zu vermeiden; unter solchen
Verhältnissen ließ die moralische und physische Spannkraft
nach - aber dennoch hat die Truppe ausgehalten.
Dem Vorgehen gegen Guillemont hatte sich auch der Angriffsflügel von
Pozières und Ovillers angeschlossen; es waren frische englische
Divisionen, die jedoch nur in schweren Kämpfen geringen Gewinn
erreichten.
[564] Am 17. konnten die
von Maurepas vorgehenden Franzosen geringen Erfolg erzielen; ein Vorgehen in
Richtung auf Guillemont wurde abgewiesen. Am Vormittag des 18. setzte
besonders heftiges Artilleriefeuer ein; die gleich darauf am Nachmittag von
Thiepval bis zur Somme vorbrechende feindliche Infanterie konnte nördlich
Ovillers, südlich Martinpuich, südöstlich des
Delville-Waldes und bei Guillemont geringfügige Fortschritte machen;
weiter südlich wurden jedoch alle Angriffe verlustreich abgewiesen. Auch
am 19. kam der Angriff nicht weiter.
Im Abschnitt von Thiepval war das Vorgehen des Feindes wohl verlangsamt, aber
nicht verhindert worden. Östlich Thiepval bis zur Mouquet Ferme stand die
16. Infanterie-Division, im Dorfe und nördlich die 26.
Reserve-Division, links von Mouquet Ferme anschließend die 1.
Garde-Infanterie-Division. In den fortgesetzten, Tag und Nacht andauernden
Kämpfen hatte die 16.
Infanterie-Division schwere Verluste erlitten. Am 23. wurde diese Division
abgelöst durch die 4.
Garde-Division, welche bis zum 20. August südlich der Somme
gekämpft hatte. Diese Ablösung mußte sich im Feuer
vollziehen, die neue Truppe trat auch sofort in schwere Kämpfe. Der Feind
suchte anscheinend vom Westen aus den
Ancre-Grund und von der Mouquet Ferme Thiepval zu nehmen. Wenn der Feind
sein Ziel noch nicht ereichte, so vermochte er sich doch, wenn auch unter
schweren Verlusten, immer näher heranzuarbeiten. Am 27. fanden in den
Abendstunden viermal Angriffe gegen Thiepval und Mouquet Ferme statt; auch
am 28. ein Abendangriff, der südlich Thiepval in die deutschen Stellungen
eindrang; III. Bataillon Reserve-Infanterie-Regiments 93 und 5. Kompagnie 5.
Garde-Regiments wurden im Rücken angegriffen, aber im Gegenstoß
gelang es, die Engländer wieder herauszuwerfen. Zum Glück
für die Verteidiger trat Regen ein, so daß auch der Angriff
schwieriger wurde. Gräben und Granatlöcher füllten sich mit
knietiefem Schlamm, der jedes Vorwärtskommen unmöglich machte;
schlechte Sicht beeinträchtigte zudem die artilleristische Tätigkeit.
Der 30. und 31. verliefen ohne besondere Ereignisse. Die "feuerarmen" Stunden
konnten dazu ausgenutzt werden, die Verteidigungsfähigkeit der Stellung
zu verbessern. Zum ersten Male gelang es am 31. August abends wieder, die
gesamte Infanterie der Division mit warmer Verpflegung zu versehen, nachdem
tagelang es den Essenholern nicht möglich gewesen war, selbst in der
Nacht nach vorne zu gelangen.
Die Division, welche ihre Feldartillerie noch teilweise auf dem Südufer
gelassen hatte, mußte ihre Infanterie durch Infanterie anderer
Verbände ablösen; erst am 17. September wurde auch der
Divisionsstab zur 4. Armee in Flandern abgegeben.
Der Gewinn der Alliierten war im August recht gering; bastionsartig sprangen
Mouquet Ferme, der Hauptteil von Ginchy und Guillemont, in die neu gewonnene
feindliche Stellung hinein. Auch Flers und die nordöstliche Ecke des
Delville-Waldes wurden gehalten. Fraglich war es
aller- [565] dings, wie lange diese
Örtlichkeiten noch würden aushalten können. Vom 24. Juni
bis zum 10. August hatte der Verteidiger 24 Divisionen angesetzt und verlor 2217
Offiziere 95 491 Mann; die 10. bayerische
Infanterie-Division 198 Offiziere 8427, die 26.
Reserve-Division 162 Offiziere 7410 Mann! - Das waren die
größten Verluste der deutschen Divisionen.
Auf dem Südufer der Somme war nach dem ersten Erfolg die Zeit der
Vorbereitung für einen neuen Angriff gewidmet. Schweren Herzens
mußte man sich wegen Mangels an Munition und Mannschaften
entschließen, von einer Wiedereroberung der Orte Belloy, Estrées
und Barleux Abstand zu nehmen. Die zugeführte Munition reichte nur zur
Abwehr von Angriffen aus. Bis zum 13. wurden die beiden
Garde-Divisionen zu der im Kampf stehenden 1. Armee abgegeben. Seit Mitte des
Monats vermehrten sich die Anzeichen für zunehmende Vorbereitungen
eines größeren Angriffs, so daß das
Armee-Oberkommando 2 nicht überrascht war, als am 21. ein
französischer Angriff gegen Soyécourt stattfand; es gelang, den
Angriff abzuweisen; ein noch bestehenbleibendes Franzosennest konnte in der
Nacht vom 22. zum 23. gesäubert werden. Ende des Monats machte sich
starke Artillerietätigkeit gegen die Front von Barleux und Estrées
geltend; am Abend des 31. brach der Angriff in 9 km Front mit sechs
Divisionen los, der aber auf der Front
Barleux - Estrées schon im Keime erstickt wurde; auf der
Front Estrées - Soyécourt gelangte der
französische Angriff bis in den zweiten Graben; ein Gegenstoß warf
den Feind zurück, ein Franzosennest in 100 m Ausdehnung wurde
am 1. September durch Infanterie-Regiment 85 beseitigt. Beim XVII. Armeekorps
kam der Angriff nicht aus dem Graben heraus.
Die Sommeschlacht im September.
Die Augustkämpfe hatten die großen Erwartungen der Entente nicht
erfüllt. Verlustreiche Kämpfe waren ohne vorteilhaften
Geländegewinn geblieben, ohne daß es möglich gewesen
wäre, zu einem umfassenden Angriff zu gelangen, der neben
örtlichen auch operative Vorteile zu verwirklichen vermochte. Wären
Thiepval und Mouquet Ferme gefallen, hätten die Engländer
Martinpuich und Courcelette nehmen können, dann hätte sich eine
Umfassung der deutschen Stellung nördlich der Ancre ermöglichen
lassen. Aber die über alles Erwarten zähe deutsche Verteidigung hielt
stand und trotzte der gegen die angesetzten Übermacht an Geschossen und
Menschen. Schon am 22. August sprach Lloyd George die Befürchtung aus,
daß ein Durchbruch der deutschen Stellungen überhaupt nicht
gelingen könne. Am 27. wurde von den Ententeheerführern die Frage
der weiteren Fortsetzung der Offensive besprochen. Während die Richtung
des französischen Durchbruchs ursprünglich auf Péronne
erfolgen sollte (diesem Ziele waren die Franzosen schon im Juli recht nahe
gekommen), wurde der Zielpunkt für den französischen Nordangriff
jetzt nach Bertincourt (ostsüdöstlich Bapaume) verlegt. Den
französischen Truppen südlich der Somme wurde ein Erweitern des
Angriffs- [566] raums
südöstlich der als ehemalige Römerstraße
gekennzeichneten Straße
Foucaucourt - Estrées - Villers aufgegeben und damit
auf die ursprüngliche Durchbruchsrichtung auf Péronne verzichtet.
Der französische Nord- und Südangriff gingen auseinander; letzterer
sank zum Nebenangriff herab. Durch methodisch fortgeführte Angriffe mit
beschränktem Ziele sollten die Deutschen allmählich
zurückgedrückt und mürbe gemacht werden. Die Artillerie
sollte erobern, die Infanterie besetzen. Empfohlen wurde, erst an der einen, dann
an einer anderen Stelle anzugreifen; man erleichterte dadurch nach einem Erfolge
das Nachziehen der Artillerie und das Einrichten der Stellungen, während
der Verteidiger gezwungen wurde, seine Aufmerksamkeit erst auf einen, dann auf
einen ganz anderen Geländeteil zu richten. In diesen Weisungen lag eine
Gefahr, sich bietende Kampfvorteile nicht auszunutzen.38
Südlich der Somme übernahm General Michelet den Befehl
über die französischen Divisionen. Die französischen
Stellungen waren im August sorgfältig ausgebaut, Sappenköpfe
waren vorgeschoben und untereinander verbunden, zahlreiche Verbindungswege
führten nach rückwärts und erleichterten das Vorführen
der Angriffstruppen. Die Artillerie war bis in die Linie
Ommiecourt - Flaucourt - Belloy und Estrées
vorgezogen. Beim Armee-Oberkommando 2 erwartete man einen Angriff
südlich der Somme etwa gegen die Linie
Barleux - Vermandovillers, schon um die Lage des weit
vorgedrungenen französischen Südflügels für den
Nordangriff auszunutzen, die deutschen Truppen in das
Somme-Tal hinter den rechten Flügel der deutschen Stellung
herabzuwerfen. Auch mit einer Ausdehnung des Angriffs nach Süden etwa
bis in die Gegend von Chaulnes wurde seit dem 20. Juli39 gerechnet, denn auch hier waren die
Angriffsarbeiten abgeschlossen. Die Angriffe gegen die 2. Armee (General der
Artillerie v. Gallwitz) wurden durch massenhaftes Artilleriefeuer
eingeleitet, das sich gegen das IX. Armeekorps, dann auch gegen das XVII.
Armeekorps richtete, das in der alten Stellung östlich Lihons stand,
während gleichzeitig heftiges Artilleriefeuer vom jenseitigen
Somme-Ufer herüberscholl; denn auch dort war ein Großangriff in
Vorbereitung. Gefangene, die gemacht wurden, stellten einen Angriff in zwei
Tagen in Aussicht. Am 3. September begann der Angriff gegen Chilly und
Barleux, wurde aber durch Artilleriefeuer abgewiesen; auf der übrigen
Front konnten die Angriffe nicht aus den Gräben herauskommen. Vom 4.
früh ab nahm die Beschießung an Stärke und Ausdehnung zu,
so daß sich das Angriffsfeld des Feindes im Norden bis Barleux (IX.
Armeekorps) und im Süden bis Chilly (20 km) ausdehnte. Hier zeigt
sich zum ersten Male ein Versuch zum umfassenden Angriff im Anschluß
an den Durchbruch. Der Bruchpunkt der beiden Fronten wurde bei Deniecourt
und Soyécourt gehalten durch die [567] Division Franke (2.
Landwehr-Division, verstärkt durch
Reserve-Infanterie-Regiment 68). Bei der 17.
Infanterie-Division wurde ein zweimaliger, kräftig geführter Angriff
abgewiesen, während beim XVII. Armeekorps bei Chilly ein Einbruch
gelang. Dann gingen Soyécourt und Chilly verloren, während um
Vermandovillers noch weitergerungen wurde. Der Gruppe Quast (IX.
Armeekorps) wurden die 11. Infanterie-Division, 46. Reserve-Division und 15.
Reserve-Division überwiesen. In Erwartung eines weiteren Angriffs wurden
schon Batterien des IX. Armeekorps über die Somme
zurückgenommen. Bei dem XVII. Armeekorps waren die Verluste an
Gefangenen nicht unbedeutend gewesen. Man gab als Grund an, die Stollen seien
zu tief angelegt gewesen, so daß die Mannschaften nur nach und nach ihre
Feuerstellung gewinnen konnten. Die französischen Kräfte reichten
aber nicht aus, den zweifellos erreichten Angriffserfolg fortzusetzen. Eine
Wiederholung des Angriffs in der Nacht fand nicht statt; erst im Laufe des 5.
wurden die 17. und 18. Infanterie-Division angegriffen. Doch gelang es, die
Franzosen im Nahkampfe zurückzuweisen. Die Division Franke vermochte,
im entschlossenen Draufgehen Vermandovillers wiederzunehmen. In Erwartung
einer weiteren Fortsetzung des Angriffs wurden die 11.
Infanterie-Division und 10. Ersatz-Division der Gruppe Quast, die 15.
Reserve-Division der 17. Infanterie-Division überwiesen. Die 46.
Reserve-Division blieb noch Armeereserve. Die Anlage einer Riegelstellung
nördlich Péronne wurde vorbereitet. Der 6. begann mit gesteigerten
Angriffen, die bis in die Nacht anhielten, doch vermochten die 17. und 18.
Infanterie-Division ihre Stellungen zu behaupten. Bei der Division Franke
drangen Franzosen in den Park von Deniecourt ein, ebenso gewannen sie Raum
bei Bernay und Vermandovillers. Eine Ablösung der stark mitgenommenen
Truppenteile war unerläßlich; so wurde die 18.
Infanterie-Division durch die 10. Ersatz-Division, die Division Franke durch die
11. Infanterie-Division abgelöst; die 17. Infanterie-Division mußte
noch in ihrer Stellung bleiben, da eine verwendungsbereite Division
augenblicklich noch nicht vorhanden war.
Am Vormittag des 7. bereitete ein Artilleriefeuer weitere Angriffe vor, die dann
am Nachmittag erfolgten und bis in die Nacht hinein dauerten: Chilly wurde dem
XVII. Armeekorps entrissen. - Die Ursachen für das Nichtgelingen
der Abwehr wurden gesehen in dem Munitionsmangel, der auf das
Zerstörungsfeuer zu verzichten und das Feuer vielfach im entscheidenden
Augenblick einzustellen zwang; außerdem waren nicht alle Divisionen
ausreichend für den Grabenkampf vorgebildet.
Vom 8. ab ließ der Angriff nach, nur am Abend fand ein Nachtangriff statt,
der vom IX. Korps glatt abgewiesen wurde. Am 11. wurde endlich die 17.
Infanterie-Division durch die 58. Infanterie-Division abgelöst und nach
Cartigny (südöstlich Péronne) zurückgenommen, wo
sie als Reserve stehen blieb, falls der Feind auf der Linie
La Maisonette - Barleux durchbrechen sollte. Am 13.
nachmittags [568] wurden sie und die
rechts anschließende 28.
Reserve-Division angegriffen, wobei diese weiter Raum verlor. Ein Angriff gegen
das XVII. Armeekorps am 14. hatte keinen Erfolg. Es verging kein Tag ohne
Angriffsversuche. Am 16. übernahm der General v. Kathen (XXIII.
Reservekorps) den Befehl in dem ehemaligen Abschnitte des IX. Armeekorps. Ein
vom Feinde am 17. versuchter Angriff kam nicht zur Ausführung, so
daß die Franzosen zum Spaten greifen mußten; dann setzte sich in den
Nachmittagsstunden der Angriff südwestlich Barleux bis südlich
Vermandovillers fort. Dem stark überlegenen Feinde gelang es, die
deutsche Front schließlich zurückzudrücken, so daß die
Stellung etwa östlich des Weges
Barleux - Horgny verlief, von dort in westlicher Richtung nach der
Nordwestecke von Fresnes, dann nördlich vor Genemont, hart westlich
Bovent, 300 m südöstlich Vermandovillers, dann zur alten
Stellung zurück. Der völlig umfaßte Stützpunkt in
Deniecourt und das Dorf Vermandovillers mußten auf Befehl des
Armee-Oberkommandos geräumt werden. Schwere Verluste, auch an
Gefangenen, waren unvermeidlich gewesen.
Die Angriffskraft der Franzosen war jetzt erschöpft. Der Oberbefehlshaber
rechnete nicht mit einer Weiterführung des Angriffs, so sehr die Lage auch
dazu aufforderte; namentlich gegen die 28.
Reserve-Division noch ein neuer glücklicher
Angriffsstoß, - der Durchbruch wäre hier der Entente
gelungen.
In den Kämpfen des September machte sich auf deutscher Seite der Mangel
an Munition besonders fühlbar, auch ließ die Ausbildung des
Nachersatzes für diese schweren Kämpfe zu wünschen
übrig; aber trotzdem bestanden die deutschen Truppen auch diese Probe
glänzend. Gegen Ende des Monats verstärkte sich das
französische Artilleriefeuer; aber ein Wechsel bereitete sich vor, die
deutsche Munitions- und Materialzufuhr wurde reichlicher. Verstärkungen
an Luftstreitkräften fanden statt, so daß der Verteidigungskampf unter
günstigeren Bedingungen geführt werden konnte. Aber noch immer
war dem Mangel an Luftfrontkämpfern nicht abgeholfen.
Wie verliefen unterdes die Ereignisse nördlich der Somme bei der 1.
Armee (General der Infanterie Fritz v. Below)? Die englische
Führung hoffte, den deutschen Widerstand bei der vorspringenden, vom
Angreifer auf Nahentfernungen umfaßten Ecke von Guillemont und Ginchy
leicht überwinden zu können. Gegen diese Punkte richteten sich die
Angriffe der englischen Übermacht. Es wurden hier am 1. September von
der Somme bis Maurepas acht französische, dann links anschließend
bis Beaumont (nördlich der Ancre) zum Angriff angesetzt 14 englische
Divisionen, während der Verteidiger auf der gleichen Strecke nur acht
Divisionen in erster und sieben in zweiter Linie hatte. Nebel und Regen
erschwerten die Beobachtung des massenhaften, zu beiden Seiten der Somme
einsetzenden Artilleriefeuers, das sichtlich auf Ginchy und Guillemont
zusammengefaßt wurde. Obwohl auf den Flügeln umfaßt, hielt
die Besatzung dieser Dörfer aus. Am 3. September wurde der
Großkampf in [569] 30 km
Ausdehnung von der Somme bis Beaumont fortgesetzt. Die Franzosen brachen in
6 km Ausdehnung mit fünf Divisionen vor, nahmen Le Forest
und Clery und wollen in diesem Kampfe zwölf Geschütze und 50
Maschinengewehre erbeutet haben. In diese Kämpfe wurde auch die seit
dem 25. August vom linken Somme-Ufer herübergezogene 2.
Garde-Infanterie-Division verwickelt. Es kam zu schweren
Stellungskämpfen zwischen Maurepas und Forest; am 3. September gelang
es den Franzosen, die sächsische Stellung südlich des Weges
Forest - Maurepas und den größten Teil des
Kampfbataillons der Elisabether (I. und ein halbes III. Bataillon)
einzuschließen und nach hartnäckiger Gegenwehr zur
Waffenstreckung zu zwingen. Nur einige Leute konnten sich nach Priez Ferme
durchschlagen. Ein Gegenangriff am nächsten Tage vermochte die
Lücke wieder zu schließen.
Der rechte englische Angriff richtete sich gegen die seit Wochen heiß
umstrittenen Dörfer Guillemont und Ginchy. Von der 111.
Infanterie-Division hielten mit ihren Kampfbataillonen
Infanterie-Regiment 164 Faffemont Ferme, daran schloß nördlich
Füsilier-Regiment 73 an, dann in Guillemont
Infanterie-Regiment 76, in Ginchy, das zum Teil bereits genommen war, das
Füsilier-Regiment 35. Die Engländer überrannten am 3.
September, 11 Uhr vormittags, die 164er in Faffemont Ferme, doch die schwache
eingeschlossene Besatzung kämpfte heldenmütig weiter, mußte
sich dann, als alle Gegenangriffe abgewiesen und alle Kampfmittel
erschöpft waren, am 5. schließlich ergeben. Guillemont40 war durch schweres
undurchdringliches Sperrfeuer von den zurückgehaltenen Teilen
abgeschnitten, mußte schließlich dem Ansturm mehrerer Divisionen
erliegen, nachdem die schwache Besatzung (276 Gewehre vom II. Bataillon
Infanterie-Regiments 76) den Ort in ununterbrochenem Kampfe verteidigt hatte.
Die Verluste waren schwer. Die Besatzung unter dem schwerverwundeten Major
Nau, von zwei Seiten angegriffen, mußte sich endlich den Engländern
ergeben, nachdem die Widerstandskraft völlig erschöpft war. Ginchy
ging für einige Zeit verloren, wurde dann aber wiedergenommen; nur
Guillemont blieb, nachdem ein Gegenstoß abgewiesen war, in Feindeshand.
Das Regiment 76 hatte während seines Einsatzes 32 Offiziere und 1660
Mann verloren.
Auch im Nordabschnitt wurde mit wechselndem Glück
weitergekämpft. Mouquet Ferme ging verloren, wurde dann aber noch
einmal für kurze Zeit wiedergenommen. Ein englischer Nachtangriff, vom
Fourreau-Walde ausgehend, wurde rechtzeitig erkannt und abgewiesen.
Am 4. und 5. gingen die Kämpfe mit Stoß und Gegenstoß
weiter. Mit aller Zähigkeit wurde ein gegen den
Leuze-Wald gerichteter Angriff abgewiesen. Die Truppe hielt in ihren
mangelhaften zerschossenen Deckungen auch noch weiter [570] aus. Auf die
französische Nordfront richteten sich vergeblich deutsche
Gegenstöße gegen Le Forest und Clery. Frische
französische Divisionen wurden zum Nachstoß eingesetzt; sie
nahmen l'Hopital Ferme, den
Anderlu- und Marrières-Wald. Es trat jetzt für einige Tage Ruhe
ein. Am 10. verlor die 185. Infanterie-Division endlich Ginchy und den
Höhenrücken westlich des Dorfes mit seinen Beobachtungsstellen.
Die Höhe konnte auch am 12. den Engländern nicht wieder entrissen
werden. - Seit dem 10. richteten die Franzosen ihre ganze Feuerkraft gegen
Rancourt und Bouchavesnes. Sie konnten erst am 12. vor Rancourt und auf
Höhe 145 auf Sturmentfernung festen Fuß fassen, dann das
Eroberte gegen einen Flankenstoß von Fregicourt halten; schließlich
wurde auch östlich Bouchavesnes der Anstieg zur Höhe 130
genommen, der Ort allseitig umstellt, so daß es der 6. französischen
Jäger-Brigade gelang, allerdings unter schweren Verlusten, den Widerstand
der wenigen deutschen Kompagnien zu brechen. Am Nachmittag war auf der
ganzen Front, von dem
Anderlu-Wald bis zur Somme, ein Kampf im Gange. In der Nacht hielten die
deutschen Truppen die ungefähre Linie
Douage-Wald nach Osten, südlich an der Priez Ferme vorbei, östlich
im Bogen um Bouchavesnes herum und dann westlich von Feuillaucourt bis zur
Somme. Teilkämpfe fanden in den nächsten Tagen auf der ganzen
Front statt. Die Franzosen begnügten sich mit dem Gewonnenen, sie
wehrten einen Gegenstoß gegen Höhe 130 ab und setzten sich
endlich am 14. in Priez Ferme am Wege
Rancourt - Combles fest. Die Franzosen hatten sich hiermit in den
Besitz einer vorgeschobenen Stellung gesetzt. Die nunmehrige deutsche
Hauptstellung wurde bezeichnet durch
Courcelette - Martinpuich - Flers, durch
Höhe 154 südwestlich
Les Boeufs - Morval - Combles - Rancourt und
Moislains.
Angesichts dieser Stellung hatte die feindliche Führung folgende Absicht
für die Weiterführung der Kämpfe:
"Zunächst die Höhen
südlich der Ancre zu halten, mit der 4. englischen Armee zwischen Morval
und Le Sars vorzustoßen, dann mit dem linken Flügel der 4.
Armee Martinpuich und Courcelette zu umfassen. Sobald unsere Angriffe die
Linie von Morval erreicht haben werden, ist der Zeitpunkt gekommen, den linken
Flügel über den Höhenrücken von Thiepval
vorzuschieben. Auch treffen unsere Verbündeten Anstalten, um rechts von
uns die Angriffsbewegungen im engen Zusammenwirken von der Somme bis zu
den Hängen oberhalb Combles fortzusetzen, ihre Hauptanstrengung aber
gegen die Dörfer Rancourt und Frégecourt zu richten, um so die
Abschließung von Combles zu vollenden und den Weg für den
Infanterieangriff auf Sailly und Saillisel zu
öffnen."
Die Verteidigungsstärke von Combles wurde von den Verbündeten
ganz erheblich überschätzt. Am 13., 8 Uhr früh, begann die
planmäßige Beschießung der deutschen Stellung. Der bald
deutlich sich aussprechende Angriff bestimmte die 1. Armee, von einer
Wiedereroberung von Ginchy Abstand zu nehmen. Hingegen wurde ein
Gegenangriff gegen das am 12. September verloren gegangene [571] Gelände in
Aussicht genommen. Es waren zwei Teilangriffe gegen Bouchavesnes geplant,
einer unter dem Kommandeur des XXVII. Reservekorps, General
v. Schenck, der andere unter der Führung des kommandierenden
Generals des XVIII. Armeekorps, Generals v. Ehrenthal. Besser wäre
es wohl gewesen, statt zweier Teilangriffe einen einzigen Angriff unter
einheitlicher Führung auszuführen. Am 13. September waren im
Anrollen die 37.
Infanterie-Brigade der 213. Infanterie-Division (Ausladung bei Rumilly), die 214.
Infanterie-Division (Ausladung bei Gouzeaucourt), die 211.
Infanterie-Division (Ausladung bei Fresnoy und Eisigny), dann folgte vom 15. ab
das XXVI. Reservekorps aus Flandern. Der 18. war für den Angriff in
Aussicht genommen. Die deutschen Angriffspläne kreuzten sich mit
gleichen Absichten des Feindes. Am Abend des 15. lief die deutsche Linie
nördlich um Courcelette, im Nordosten am Rande von Martinpuich,
führte weiter nördlich um Flers herum und bog dann östlich
Ginchy wieder in die alte Stellung ein.
Am 16. gelang es der englischen 41.
Infanterie-Division nach sehr starker Artillerievorbereitung mit Hilfe von zehn
zum ersten Male vor dem Feinde angewandten Tanks,41 Flers zu nehmen und den noch von
einer Kompagnie Infanterie-Regiments 18 gehaltenen
Fourreaux-Wald zu säubern, dann auch den Widerstand in Martinpuich und
Courcelette zu beseitigen. Weiter vorgedrungene Abteilungen behaupteten sich in
einem anfänglich in seiner Bedeutung unterschätzten
Engländernest zwischen Les Boeufs und Morval. Die beiden
englischen Divisionen des rechten Flügels übernahmen den
Flankenschutz gegen Combles, das man beim Angriff zunächst aussparen
wollte. Auch die Franzosen machten bei Rancourt und Priez Ferme Fortschritte.
Vor Combles berührten sich die inneren Flügel der Engländer
und Franzosen.
Der ursprünglich auf den 18. angesetzte deutsche Gegenangriff auf
Bouchavesnes wurde am 20. ausgeführt. Es fehlte an Munition, auch war
die Befehlsgliederung nicht glücklich gewesen. Der frontal angesetzte
Angriff führte in den Sperrfeuerbereich der feindlichen Artillerie und
stieß auf eine vollbesetzte französische Stellung, hinter der mit
geringen Abständen Reserven bereit standen. Ein Gegenangriff aus
flankierender Richtung hätte, solange Thiepval aushielt, vielleicht mehr
Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Einbruch gelang zwar, doch mußte
angesichts des Einsatzes der feindlichen Reserven das Gewonnene wieder
aufgegeben werden. So war der gut vorbereitete Angriff aus zwei Korpsbezirken
mißlungen, weil die einheitliche Leitung fehlte.
Ebensowenig Erfolg hatte ein auf Mouquet Ferme unternommener Gegenangriff.
Die nächsten Tage brachten dem Feinde örtliche Gewinne, die
für den [572] Angriff von Vorteil
sein mußten. So wurde die Mühle von Martinpuich genommen; die
Ziegelei von Combles ging unter Einbuße von 3 Offizieren und 97 Mann
verloren. Ein Versuch, mit unzureichenden Mitteln das Engländernest
zwischen Mornal und Les Boeufs zu nehmen, mißlang.42 Die feindliche Artillerie war im
Umsetzen begriffen, weit vorgeschobene Munitionslager sollten auch für
ein Vorgehen der feindlichen Artillerie benutzbar bleiben. Das starke feindliche
Feuer hatte die ungenügenden deutschen Deckungen eingeebnet, es fehlte
an Hindernissen und Unterständen. Nur dem Umstande, daß die
unbestritten in der Luft herrschenden feindlichen Flieger die in
Granatlöchern eingenistete deutsche Infanterie ihren Batterien nicht
einwandfrei bezeichnen konnten, war es zu danken, daß die Truppe
überhaupt aushalten konnte. Aber gegen Bombenabwurf und
Belästigen der Nachschübe durch Maschinengewehrfeuer gab es
keinen Schutz.
In Erwartung des Angriffs waren weitere abgekämpfte Divisionen
abgelöst worden; es standen am 24. September:
Abschnitt A.
Gruppe Stein (XIV. Reservekorps): 2.
Garde-Reserve-, 62. Infanterie- und 26.
Reserve-Division; dahinter abgelöst oder in Ablösung begriffen: 18.
Reserve-Division als Heeresgruppen-Reserve, 89.
Reserve-Brigade II. bayerischen Armeekorps.
Abschnitt B.
Gruppe Sixt v. Armin (IV. Armeekorps): 7., 8.
Infanterie-Division, 6. bayerische Infanterie-Division, 50.
Reserve-Division; abgelöst: 7. Reserve-Division.
Abschnitt C.
Gruppe Hügel (XXVI. Reservekorps): 52.
Reserve-Division, 51. Reserve-Division, 213.
Infanterie-Division; abgelöst: 10. Infanterie-Division als Reserve der
Obersten Heeresleitung, im Antransport 17.
Reserve-Division.
Abschnitt D.
Gruppe Schenck (XVIII. Armeekorps): 54.
Reserve-Division, 21., 25., 212. Infanterie-Division; abgelöst: 185.
Infanterie-Division, 45. Reserve-Division, 13. Infanterie-Division.
Nach stärkster Artillerievorbereitung43 begann am 25. nachmittags
der [573] Angriff, der
zunächst das von der 51.
Reserve-Division (Reserve-Infanterie-Regiment 234) besetzte Combles frei
ließ, wo sich die inneren Flügel der Franzosen und Engländer
berührten. Zwischen Combles und dem
Pierre-Vaast-Walde vorgehend, gewannen die Franzosen Frégicourt
(östlich Combles) und weiter östlich an der Straße
Rancourt - Sailly einen alten deutschen Graben. Dann stellten sie ihr
Vorgehen ein. Weiter nördlich nahmen die Engländer Les Boeufs
(52. Reserve-Division) und begannen, die deutsche Stellung in breiter Front nach
Süden aufzurollen und Morval
(Reserve-Infanterie-Regiment 236 der 51. Reserve-Division) zu nehmen. Nur auf
einem schmalen, langgestreckten Streifen war noch eine Verbindung zwischen
dem völlig umfaßten Combles und dem Ort Sailly möglich, wo
aus der schwachen Reserve und zusammengestellten Versprengten eine schwach
besetzte Aufnahmestellung gebildet wurde. Die Befestigungen waren ganz
unzureichend. Ein Durchbruch konnte nicht mehr verhindert werden; ein
Glück, daß die feindlichen Führer diese Lage nicht erkannten.
In der Nacht wurde Combles zweckmäßig auf Befehl des
Brigadekommandeurs unter Mitführung der transportfähigen
Verwundeten ohne alle Verluste geräumt und damit zwei tapfere Bataillone
vor der Gefangennahme gerettet. Im Morgengrauen drangen französische
und englische Patrouillen in den Ort ein und beschossen sich gegenseitig;
stärkere Abteilungen rückten erst gegen Mittag ein. Anstatt
nachzustoßen, nahmen die Franzosen in der Nacht vom 25. zum 26. eine
Neugruppierung ihrer Kräfte vor, indem sie ihre Front um zwei
Divisionsbreiten weiter links schoben; dadurch konnten sie ihre taktischen
Vorteile nicht ausnutzen. So konnte es auch gelingen, in der nächsten Nacht
fünf zusammengeschossene Geschütze, die in der Stellung des
Feindes stehen geblieben waren, zurückzuführen.
Am 26. wurde erkannt, daß die Stellungen von Thiepval bis östlich
Martinpuich gehalten waren. Der linke Flügel der 50.
Reserve-Division war ein Stück auf Eaucourt l'Abbaye
zurückgedrückt, hielt aber im
Gallwitz-Riegel nach Nordosten und nördlich Gueudecourt Anschluß
an die 6. bayerische Infanterie-Division. Sie hatte Verbindung mit der 52.
Reserve-Division westlich und südwestlich Le Transloy, die 51.
Reserve-Division stand mit ihrem rechten Flügel zwischen Sailly und
Morval, mit ihrem linken Flügel nordöstlich Frégicourt. Die
neugebildete 213. Infanterie-Division (ehemals 37. Infanterie-Brigade) stand in
einem Riegel nördlich Rancourt, die 214.
Infanterie-Division am Südwestrande des Waldes von St. Pierre
Vaast mit Anschluß nach links nordöstlich Bouchavesnes an die
Stellung der linken Flügelgruppe (Schenck).
Als Heeresgruppenreserve wurden vorgeführt: hinter den
Südflügel der Gruppe Stein die
Marine-Infanterie-Brigade, der später (29. September) die 4.
Ersatz-Division folgen sollte; weiter südlich die 6. bayerische
Reserve-Division mit Anfang bei Francourt, die 18.
Reserve-Division im Raume
Bus Lechelle - Neuville - Ytres, die 15.
Infanterie-Division vom Osten her mit Anfang bei Etricourt, die 10.
Reserve-Division vom Osten her mit Anfang bei Nurlu. [574] In den nächsten
Tagen schoben sich die Verbündeten von Rancourt und Morval
näher an Sailly heran. Versuche, den
Pierre-Vaast-Wald zu nehmen, wurden abgewiesen.
Weiter nördlich fiel am 26. Gueudecourt und am nächsten Tage
Eaucourt l'Abbaye. Ernstere Angriffe wurden nicht mehr unternommen; die
abgekämpften Divisionen wurden zurückgezogen. Nach Einnahme
von Morval war auch für die englische 5. Armee die Zeit gekommen. Nach
kurzer Ruhepause in Bapaume war die württembergische 26.
Reserve-Division allerdings unter erheblich günstigeren Bedingungen in
ihrem alten Abschnitt von Thiepval wieder eingerückt. Seit dem 14. hatten
die Engländer außer Mouquet Ferme auch weiter westlich das
"Wunderwerk"44 genommen. Die Stärke der
deutschen Stellung in Thiepval lag in den zahlreichen unterirdischen Bauten und
in dem Vorhandensein mehrerer selbständiger Stützpunkte; so
nördlich des Dorfes der Friedhof, dann die "Feste Schwaben" und
nördlich Mouquet Ferme die "Feste Stauffen".
Die Engländer hatten hier eine Division als Stellungsdivision, zwei
Divisionen (11. und 18.) waren zum Sturm bestimmt. Zur Vorbereitung des
Angriffs wurde die Artillerie von vier Divisionen zusammengefaßt und vier
Tanks bereitgestellt. Die Angriffstruppen gingen sorgfältig von Graben zu
Graben vor; das gab dem Verteidiger Zeit, für den Fall des Einbruchs eine
zurückgezogene Stellung vorzubereiten. Das für kurze Zeit auf die in
Aussicht genommene Einbruchsstelle zusammengefaßte
Zerstörungsfeuer aller Kaliber erschütterte die Widerstandskraft des
Verteidigers. Das Feuer wurde vorverlegt, die Sturmtruppen so dicht
herangeschoben, daß sie zum Einbruch kommen konnten, ehe noch die
Schwaben ihre Deckungen verlassen hatten. Östlich Mouquet Ferme
scheint der Einbruch zuerst gelungen zu sein. Aber jede einzelne Gruppe hielt aus.
Die Reste des "Chateau" von Thiepval bildeten einen Stützpunkt, der erst
genommen werden konnte, als ein Tank wie ein Sturmbock gegen ihn angesetzt
wurde. Die Kämpfe gingen auch in der Nacht weiter. Am Vormittag des 27.
wurden drei frische britische Divisionen eingesetzt (1. und 2. kanadische auf den
Flügeln, 2. englische in der Mitte). Im Laufe des Tages wurde dann
Thiepval genommen, vorübergehend auch die Stauffenfeste,45 aber gleich durch einen deutschen
Gegenstoß wieder verloren. Die Kämpfe gingen weiter. Deutschen
Gegenstößen gelang es, den Nordteil der Feste Schwaben und St.
Pierre Divion zu halten, obwohl die Schwaben dauernd die Anstürme
frischer Sturmtruppen abzuwehren gehabt hatten. Der Kampf um Thiepval ist
wohl die höchste Leistung des Verteidigers an der Somme; keine Truppe
hat wohl so lange an dieser Front ausgehalten, wie die 26.
Reserve-Division. Thiepval selbst wurde vom
Infanterie-Regiment 180 verteidigt; leider lassen sich die Verluste nicht
feststellen. Im [575] September, vom 21. bis
31., hatte das Regiment verloren 23 Offiziere 799 Mann. Die Engländer
wollen in den Kämpfen um Thiepval 3500 Mann verloren haben. Wohl
selten hat sich eine Minderzahl so heldenmütig gegen eine
erdrückende Übermacht gewehrt. Erst in den ersten Oktobertagen
konnte der deutsche Widerstand außerhalb des Dorfes gebrochen und die
englische Linie gegen die Ancre vorgeschoben werden.46
Franzosen und Engländer waren im Lauf des September mehr wie einmal
ihrem Ziele nahe, die deutsche Stellung zu durchbrechen; sie haben die Gunst der
Lage nicht erkannt, jedenfalls nicht ausgenutzt. Auf deutscher Seite sind vielleicht
im September die größten Anstrengungen gemacht, die im
Angriffsgebiet nur aus Granattrichtern ohne Hindernisse und ohne
Unterstände bestehende Stellung zu halten.
Combles - Thiepval bezeichnen den Höhepunkt der Schlacht.
Endlich konnte man deutscherseits über ausreichende Munition und
über eine hinreichende Zahl von Luftstreitkräften verfügen;
die Aussichten wurden entsprechend günstiger. Die Schlacht hatte ihren
Höhepunkt überschritten. Die Verluste blieben schwer; aber jetzt war
nach Ansicht der Führung ein Durchbruch ausgeschlossen, der nach dem
Verlust von Combles tagelang gedroht hatte.
Die Oktoberkämpfe in der Somme-Schlacht.
Es ist das Zeichen der Kämpfe des Oktobermonats, daß nunmehr
auch die heftigsten feindlichen Angriffe unter ungeheueren Menschenverlusten
fast ohne jeden Erfolg an der erstarkten Front der
Somme-Kämpfer abprallen. Und dabei ließen die feindlichen
Anstürme im Oktober keineswegs nach. Ihre artilleristische Vorbereitung
steigerte sich womöglich noch, und der rücksichtslose Einsatz
gewaltiger Truppenmassen, die vielfach in geschlossenen Verbänden gegen
die deutsche Feuerlinie geworfen wurden, bekundete aufs deutlichste die feste
Entschlossenheit der Feinde, um jeden Preis die
Somme-Schlacht zu dem gewollten Ende zu bringen.
Für die Engländer ergab sich ganz naturgemäß die
Aufgabe, ihren Erfolg südlich der Ancre nach Einnahme von Thiepval zu
erweitern; für die Franzosen mußte das nächste Ziel bilden die
Besitznahme der Höhe von Sailly und Erweitern der vom General Michelet
südlich der Somme gewonnenen Vorteile.
Von der bis zum 30. September vom Feinde erreichten Gefechtslinie senkt sich
das Gelände zu einer flachen Mulde, welche nach Nordwesten aus der
Gegend von Sailly - Saillisel, von Le Transloy und Ligny,
Tilloy vorbei, dann in westlicher Richtung an Irles vorbei in der Gegend von
Miraumont in das Ancre-Tal einmündete. Aus der Linie von Morval nach
Thiepval ziehen sich einzelne [576] Rücken nach
diesem Grunde, von denen am meisten die von Flers und Morval in die Augen
fallen. An der Straße nach Bapaume erhebt sich die Butte de Warlencourt,
ein alter Grabhügel. Für die Verbündeten kam es darauf an,
sich in den Besitz der von Flers, von Le Sars und von Morval hinziehenden
Höhenrücken, dann in den Besitz von Sailly zu setzen.
Zuerst begannen die Angriffe auf der englischen Front an der Straße nach
Bapaume, wo das 1. und 2.
Matrosen-Regiment das Infanterie-Regiment 26 der 7.
Infanterie-Division abgelöst hatte und bei Eaucourt l'Abbaye die 6.
bayerische Infanterie-Division eingetroffen war, die mit
Infanterie-Regiment 17 Le Sars hielt. Eaucourt l'Abbaye mit seinen
Anschlußlinien ging nach erbittertem Widerstande verloren. Die deutsche
Kampflinie wurde vom Südrande von Le Sars bis in eine
vorbereitete Stellung südlich Höhe 122 (südlich
Le Barque) zurückgenommen. Der Kampf in diesem Gelände
dauerte unter stärkster beiderseitiger Artillerietätigkeit weiter an, die
sich nach Osten weiter ausdehnte. Bei Gueudecourt vermochten die
Engländer keine Fortschritte zu machen. Auch bei Sailly machten die
Franzosen nur geringe Fortschritte. Vom 6. früh herrschte besonders
schweres Artilleriefeuer mit der Hauptrichtung auf Sailly, in den Abendstunden
einsetzende Erkundungsvorstöße wurden abgewiesen. Das Feuer
wurde auch die Nacht hindurch fortgesetzt.
Am 7. machten Überläufer auf einen bevorstehenden Angriff
aufmerksam, den die deutsche Führung bereits vorausgesehen hatte. Die
Lage der deutschen Truppen war nicht ungünstig. In Erwartung eines
Angriffs konnte die 6. zwischen 6. bayerische
Reserve-Division und 7. Reserve-Division, ebenso auf dem linken Flügel
der Gruppe Stein die 28. eingeschoben werden; sodann wurden fünf weitere
Divisionen, die demnächst zu Ablösungen in Frage kamen,
bereitgestellt (5. Ersatz-Division, XIX. Armeekorps, 16.
Infanterie-Division, 211. Infanterie-Division). Vier weitere Divisionen (8.
Ersatz-Division, 103., I. bayerische Reservekorps) waren in der Ausbildung
begriffen und die 19. Reserve-Division bei Valenciennes als Reserve der Obersten
Heeresleitung verwendungsbereit. Die Gelegenheit, einen Schlag zu führen,
war vorhanden.
Am 8. griffen die Alliierten auf der ganzen Front an; nördlich der Ancre
und bei Eaucourt l'Abbaye erst in den Abendstunden, an den anderen Stellen
schon im Morgengrauen. Sars (vom
Reserve-Infanterie-Regiment 36 - 4.
Ersatz-Division - verteidigt) ging verloren. Der Massenangriff löste
sich in eine Anzahl von Teilangriffen auf, so daß kein Fortschritt zu
verzeichnen war. Auch an den nächsten Tagen waren die Kämpfe
festgesetzt. Die Franzosen schoben
sich - äußerst vorsichtig aus der Linie
Morval - Rancourt vorgehend - gegen Sailly vor, das von der
18. Infanterie-Division gehalten wurde. Seine Wegnahme war bei seiner
überhöhten Lage geboten, wenn die Verbündeten bei
Le Transloy durchbrechen wollten. Nach Norden dehnte sich der Kampf bis
Thiepval aus, wo endlich die "Schwabenfeste" von den Engländern [577] besetzt wurde. Die
feindliche Führung beabsichtigte, einen großen Angriff gegen Sailly
zu führen, hierbei auch die günstige Lage des
Pierre-Vaast-Waldes auszunutzen. Infanterie-Regiment 68 und das
Reserve-Infanterie-Regiment 76 leisteten aber hier solch erbitterten Widerstand,
daß erst am 15., nach 40stündiger kräftiger
Artillerievorbereitung, die Feinde in den Südwestteil von Sailly
eindrangen.
Zwischen Courcelette und Les Boeufs setzten am 12. Oktober fünf neu
angegliederte Divisionen vergeblich zum Durchbruch an. Trotz kräftigen
Einsatzes machte sich die Verstärkung der deutschen Artillerie so
fühlbar, daß der Feind nur geringfügige Fortschritte machen
konnte. Eine besondere Verstärkung erfolgte durch den Einbau schwerer
Marinekanonen (vier von 24 cm, eine von 35 cm, zweier
Mörser von 28 und eines Mörsers von 42 cm Kaliber). Die
Mörser sollten gegen Stützpunkte nahe hinter der vorderen Linie und
gegen besonders lästige Batteriegruppen eingesetzt werden. Am 17.
konnten die Engländer bei Eaucourt l'Abbaye geringen Raum gewinnen,
die Franzosen sich auch im Nordteil von Sailly festsetzen, so daß am 18.
auch der Ostteil des Dorfes, verteidigt von Teilen der 16.
Infanterie-Division und 1. bayerischen
Infanterie-Division, verloren ging; aber Saillisel und das nordöstlich
gelegene Le Transloy hielten weiter aus. Dicht östlich von Sailly lag
in rechtzeitig vorbereiteten Gräben die 1. bayerische und 16.
Infanterie-Division. Ein Gegenangriff wurde sofort angeordnet, mußte aber
zunächst noch aufgeschoben werden. In der zweiten Hälfte des
Monats hatten die Engländer unter Einsatz von Tanks Raum gewonnen.
Angriffsvorbereitungen wurden in größerem Umfange nördlich
der Ancre festgestellt, doch dann kamen die Angriffe noch nicht zur Entwicklung.
Zum Teil mag es daran gelegen haben, daß die Verbündeten
erhebliche Schwierigkeiten in dem Umsetzen und Munitionieren ihrer Batterien
fanden. Das seit dem 23. einsetzende starke Regenwetter erschwerte die
Weiterführung des Angriffs und erhöhte die Anstrengungen47 für Freund und Feind.
Südlich der Somme auf dem Kampffelde der 2. Armee sollte starkes
Artilleriefeuer beiderseits Vermandovillers Angriffe vorbereiten, die aber am 2.
Oktober nicht zur Entwicklung kamen; nach wiederaufgenommener
Beschießung hatte auch am 6. ein Angriff aus der Linie
Deniecourt - Vermandovillers - Lihons keinen Erfolg. Auch
ein neuer Angriff hatte dasselbe Schicksal; dann erfolgte, nachdem Bovent
unhaltbar geworden war und geräumt werden mußte, am 10. ein
Einbruch bei Genermont, den am 14. ein Gegenstoß des
Infanterie-Regiments 150 beantwortete, der es wieder in den Besitz des Ortes
brachte. Auch in Ablaincourt kam es zu hartnäckigen Ortskämpfen;
dann dehnte sich auch der französische Angriff weiter nach Norden aus, so
daß sich die französische Linie [578] von
Villers - Carbonel und Fresnes - Mazancourt behaupten
konnte. Die Gelegenheit, einen Durchbruch zu erzwingen, lag sehr nahe. So
versuchten die Franzosen am 18., aus der Linie
Biaches - Maisonette vorgehend, die flache deutsche Stellung
einzudrücken. Der 11. Reserve-Division gingen zwischen beiden Punkten
500 m des Grabens der vordersten Linie verloren, die durch einen
Gegenstoß am 21. teilweise wiedergenommen wurden. Größere
Bedeutung hatte der schon seit längerer Zeit vorbereitete Versuch, die am
16. Juli verloren gegangene Maisonette Ferme durch frische Truppen
(Reserve-Infanterie-Regiment 360), die an einem Übungswerk ausgebildet
waren, nach kräftiger Artillerievorbereitung wiederzunehmen. Am 29.
Oktober hatte dieser Angriff Erfolg, der eine ganze Anzahl verloren gegangener
Beobachtungsstellen wieder in deutschen Besitz brachte. Ein schöner
Erfolg zum Monatsabschluß!
Die Sommekämpfe im November. Der Abschluß der
Schlacht.
Die Oktoberkämpfe hatten die Verbündeten in den Besitz des
Westrandes der Hochfläche von Sailly gebracht, sonst hatte es sich in
diesen Wochen nördlich und südlich der Somme eigentlich nur um
die Eroberung eines Vorfeldes vor die Septemberstellung gehandelt. An schweren
Anstrengungen hatte es auf der ganzen Front nicht gefehlt; aber der Gewinn war
nur sehr dürftig gewesen, stand jedenfalls in gar keinem Verhältnis
zu dem Einsatz.
Mit der Fortführung des englischen Durchbruchsversuches aus der Linie
Le Sars - Le Transloy und eines französischen
Angriffs über Sailly, wobei anscheinend der Kampf um den stark
befestigten Pierre-Vaast-Wald vermieden werden sollte, mußte gerechnet
werden. Die deutschen Stellungen, im Kampfe entstanden, waren recht
dürftig. Da der Gegner immer dichtauf folgte und die Arbeit durch Feuer
störte, so gab die Truppe den Granattrichterstellungen den Vorzug. Die
Gräben waren zu niedrig und zu schmal, nicht einmal
zusammenhängend, dabei völlig verschlammt und ohne wesentliche
Einrichtungen, ohne Hindernisse und fast ohne Stollen. Auch die zweite und dritte
Stellung waren noch gänzlich unfertig. Man hatte mit der Bauleitung durch
Zivilingenieure recht unliebsame Erfahrungen gemacht. Blendwerke an den
Straßen und in Ortschaften, an den weniger bequemen Stellen wenig oder
nichts oder auch Unzweckmäßiges und Unvollendetes
(v. Moser). Die Stellungen waren trotz aller Mühe und Verluste
niemals wohnlich, niemals fertig und niemals gegen einen ernstlichen Angriff
verteidigungsfähig. Das zunehmende schlechte Wetter erhöhte die
Anstrengungen und drängte zur Entscheidung oder zum Einstellen der
Kämpfe.
Gesteigertes Artilleriefeuer, das durch Regenwetter beeinträchtigt wurde,
lenkte frühzeitig die Aufmerksamkeit auf die Strecke Butte de
Warlencourt - Sailly; die schon im Oktober vermutete Ausdehnung
des Angriffs über die Ancre fand weitere Bestätigung. Jedenfalls
mußte mit einem Großangriff noch vor [579] Eintritt der
ungünstigen Jahreszeit im Winter gerechnet werden. Versuche des XV.
Armeekorps, am 1. November den Gegner aus den Trümmern von Sailly zu
vertreiben, waren trotz erbitterter Kämpfe nicht gelungen. Ebensowenig war
eine Einnahme der Franzosennester am Nordwestrande des
Pierre-Vaast-Waldes möglich gewesen.
Sorgfältige Beobachtung hatte rechtzeitig die Aufmerksamkeit auf die
Angriffsstellen gerichtet, so daß eine Überraschung nicht
möglich war. Das schon am 4. gesteigerte Feuer wurde auch in der Nacht
zum 5. fortgesetzt, so daß starkes Streufeuer auf der ganzen Armeefront
lag, das sich in der Nacht, namentlich zwischen Gommecourt und Bouchavesnes,
mehrfach zum Trommelfeuer steigerte. Von 6 Uhr vormittags ab begann die
eigentliche Vorbereitung des Angriffs. Nördlich der Somme richteten sich
Feuerüberfälle gegen den Abschnitt
Serre - Beaumont, die aber die Verteidigungsartillerie nicht so
lahmlegte, daß sie nicht über die Somme hinweg in den Kampf
eingreifen konnte, wo der Schwerpunkt des feindlichen Feuers lag.
Am 5. November - dem Jahrestag der Schlacht von Inkerman, in der
französische Waffenhilfe den Engländern das Ausharren auf dem
Schlachtfelde ermöglicht
hatte - brach der Angriff in breiter Front los. Nördlich der Ancre
hatten die 26. Reserve-Division und 28. Reserve-Division ihre Stellungen
getauscht; dann waren die beiden linken Divisionen der Heeresgruppe Stein durch
58. und 38. Infanterie-Division abgelöst. Südlich der Ancre wurden
zehn englische und sechs französische Divisionen von Le Sars bis an
den Pierre-Vaast-Wald eingesetzt. In der Nacht zwischen 2 und 4 Uhr wurden von
Gueudecourt ausgehend nächtliche Angriffe in schmaler Front durch die 2.
Infanterie-Division abgewiesen. Das Trommelfeuer setzte um 6 Uhr vormittags
ein. Zwei australische Divisionen traten gegen Warlencourt an, konnten infolge
des kräftigen Sperrfeuers und des tief aufgeweichten Bodens in die
völlig verschlammten vorderen Gräben der 4.
Garde-Division eindringen, sogar vorübergehend die Butte de Warlencourt
nehmen, wurden dann aber überall herausgeworfen. Nachdem am
Nachmittag eine englische Division abgelöst war, begann ein neuer Angriff
nach erheblicher Feuersteigerung der Artillerie. Die Kämpfe dauerten bis in
die Nacht. Die Verluste der 4. Garde-Division auch an Geschützen waren
schwer; nachdem aber noch die Batterien des 6.
Garde-Fußartillerie-Regiments eintrafen, konnte jeder Angriff in den
nächsten Tagen rechtzeitig im Keime erstickt werden.
Auch ein Angriff längs der Straße
Flers - Bapaume wurde abgewiesen. Sturmtruppen, die zwischen
Flers und Combles aufmarschierten, wurden rechtzeitig erkannt und beschossen;
trotzdem erfolgte ein Angriff, der aber unter sehr schweren Verlusten scheiterte;
gegen Abend wurde der Angriff noch einmal vergeblich wiederholt. Ein Angriff
gegen Sailly konnte bis in die Abenddämmerung durch die Artillerie
verzögert werden; dann entwickelten sich bei der [580] 30.
Infanterie-Division schwere Nahkämpfe, in denen schließlich ein
Stück der Trichterstellung nordöstlich Sailly und ein nach
Süden vorspringendes Schützengrabenstück verloren gingen.
Sonst scheiterten alle Angriffsversuche.
Im Abschnitt Sailly und Pierre-Vaast-Wald kam es zu einem Waldkampf; von
Norden her waren Franzosen bis auf etwa 300 m an den Weg
Rancourt - Gouvernement Ferme vorgedrungen. Von Baumont und
Bouchavesnes setzten zweimal, um 12 Uhr mittags und 5 Uhr 40 Minuten
nachmittags, Angriffe ein, die vorübergehend im Westrande eindrangen,
dann aber durch das energische Eingreifen des
Reserve-Infanterie-Regiments 113 und Infanterie-Regiments 75 wieder
herausgeworfen wurden. Südlich der Straße
Bouchavesnes - Moislans beschränkte sich der Feind nur auf
ein Beschießen der deutschen Stellungen. Der Großangriff auf der
ganzen Front war gescheitert. Die Verluste waren sehr schwer. Am 6. wurde das
Artilleriefeuer wiederholt, Angriffsversuche wurden aber schon im Feuer der
deutschen Artillerie erstickt. Die Verbündeten hatten die Zeit für
einen neuen Angriff gekommen geglaubt, nachdem einige frische Divisionen
eingetroffen waren. Das Vorwerfen von Batterien wurde vorbereitet, auch schon
Kavallerie zum Ausbeuten des Erfolges bereitgestellt. Statt eines einzigen
Angriffes kam es jedoch nur zu Teilangriffen, die überall leicht abgewiesen
wurden.
Minensprengungen.
[528a]
Kämpfe im Pierre St.
Vaast-Walde 1916.
Sturmtruppangriff nach der Sprengung.
|
Zwischen den auf nahe Entfernung sich gegenüberliegenden Kampflinien
entwickelten sich unterdes hin und her wogende Kämpfe, in denen bis zum
12. November den Franzosen die Örtlichkeiten bis auf den Ostrand von
Saillisel entrissen wurden. Am 14. scheiterte ein umfassender Angriff der
Franzosen auf den St.-Pierre-Vaast-Wald; dann wurde ihnen am 15. durch
Handstreich das Dorf Saillisel wieder entrissen und am Nachmittag nach
größerer Artillerievorbereitung der von den Franzosen besetzte
Nordostrand des St.-Pierre-Vaast-Waldes durch zwei Bataillone
Füsilier-Regiments 73 wieder gesäubert. Von nun an
beschränkte sich die Tätigkeit der Franzosen auf
bedeutungs- und erfolglose Vorstöße in der gleichen Gegend.
Dagegen hatten um die Monatsmitte die Engländer einen Erfolg an der
Ancre gegen die Gruppe Stein. Schon in den letzten Oktobertagen hatten sie
begonnen, unter Einsatz von Munition schwersten Kalibers durch andauerndes
Wirkungsschießen einen großen Angriff vorzubereiten. Am 13.
November begünstigte starker Nebel den längst geplanten
Vorstoß, der sich in überraschendem Vorbrechen von neun
Divisionen zu beiden Seiten der Ancre auswirkte. Angriffsziel: Beauregard
Ferme, 6,5 km hinter der Front. An je einer Stelle nördlich und
südlich der Ancre stieß der Angriff durch und vermochte zwischen
beiden Durchbruchsstellen bei St. Pierre Divion tapfer kämpfende
Truppen in Flanke und Rücken zu fassen, dann nach Beseitigung des
Widerstandes des Verteidigers auch das nordöstlich gelegene Beaumont
und am nächsten Tage auch noch Beaucourt zu nehmen. Vier englische
Divisionen (18., 19., 32. und 39.) unter [581] Mitwirkung von drei
Tanks48 vermochten an der Ancre die
Angriffslinie nach Grandcourt und Miraumont vorzutragen, damit die inneren
Flügel der britischen 4. und 5. Armee annähernd auf gleiche
Höhe zu bringen. Ein weiter nördlich gegen Serre gerichteter Angriff
wurde abgewiesen.
Am 18. November verdichtete sich die Angriffstätigkeit der
Engländer zu einem ausgesprochenen Durchbruchsversuch. In der
Frühe steigerte sich das Artilleriefeuer zu gewaltiger Heftigkeit; hinter der
englischen Front zeigte sich starke Kavallerie. Auf der ganzen Front von Serre bis
Eaucourt l'Abbaye griffen sechs Divisionen an. Nördlich der Ancre
konnten die Engländer über den
West- und Südrand von Serre hinausdringen; deutsche
Gegenstöße vermochten diese Fortschritte einzudämmen. Die
bei Signy Ferme und Auchonvillers bereitgestellte englische Kavallerie fand keine
Gelegenheit, einzugreifen. Südlich der Ancre brachen die Engländer
in den Morgenstunden in dichten Wellen vor, drangen nördlich Courcelette
vorübergehend in die deutschen Stellungen ein, wurden dann aber durch
einen sofort einsetzenden Gegenstoß zurückgewiesen. Im Laufe des
Tages erfolgten noch zwei Angriffe. Erst am Nachmittag gelang es dem Angreifer,
in Grandecourt festen Fuß zu fassen. Nach starkem Trommelfeuer machten
die Franzosen am Nachmittag am
Pierre-Vast-Wald einen Angriff, der abgewiesen wurde. Es hatten angesetzt die
Engländer nördlich der Ancre neun gegen fünf deutsche
Divisionen, südlich des Flusses über elf gegen fünf
Divisionen, im französischen Abschnitt sieben gegen fünf deutsche
Divisionen. Sehr viel empfindlicher war die artilleristische Überlegenheit.
Der Durchbruchsversuch, an dessen furchtbarer Ernsthaftigkeit nicht zu zweifeln
ist, war so völlig fehlgeschlagen, daß er im englischen Heeresbericht
überhaupt nicht erwähnt wird. Unverkennbar ließ die
Angriffsstimmung jetzt auch bei den Engländern nach.
Der 18. November war der letzte Großkampftag an der Somme. Der
englische Angriff wurde völlig abgewiesen. Unbedeutende und
völlig ergebnislose Vorstöße und starke
Artillerietätigkeit kennzeichnen den Rest des November und auch des
Dezember. Dann ließ das Artilleriefeuer nach. Aber der Kleinkampf ging
weiter. Die Entente begnügte sich mit dem Besitz des erreichten
Geländes; auch die deutschen Verbände konnten an den weiteren
Ausbau ihrer Stellungen denken und für die Truppe günstigere
Lebensbedingungen schaffen.
Im November kam die Schlacht südlich der Somme fast zu einem
vollständigen Stillstande. Ernsthaft gerungen wurde nur um den Besitz des
Ortes Pressoire und des südlich gelegenen Waldes. Beide
Stützpunkte gingen am 7. November verloren. Vergeblich wurde versucht,
sie wiederzugewinnen. Artilleriekämpfe gingen aber ununterbrochen fort,
bis auch hier im Dezember Ruhe eintrat. Der feindliche Geländegewinn war
ganz unbedeutend. Dann entstand hinter der
Somme-Stellung die Siegfriedstellung. Hierdurch wurde der [582] vorspringende Bogen,
der die Linie der letzten Kämpfe zwischen Arras und Soissons, zwischen
Scarpe und Aisne bezeichnete, durch Ausbau der Sehne dieses Bogens von etwa
190 km auf etwa 140 km verkürzt, wodurch günstigere
Kampfbedingungen geschaffen und etwa zehn Divisionen gespart werden
konnten. Vorbereitungen wurden getroffen, daß ein Angriff über das
Vorfeld der Siegfriedstellung wenig Aussichten für diesen bieten
konnte.
An den Führer der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern richtete
der Oberste Kriegsherr nachstehendes Handschreiben:
"Unter Eurer Königlichen
Hoheit hervorragender Führung in ernster Lage sind die
französisch-englischen Angriffe zum Stehen gebracht, der Durchbruch
gescheitert, die Schlacht an der Somme für uns gewonnen. Nur dadurch
wurden die vernichtenden Schläge in Rumänien ermöglicht.
Der noch vor Jahresabschluß veröffentlichte Bericht des Generals
Haig erwähnt nichts von der Absicht eines Durchbruchs durch die
deutschen Stellungen. Und doch bestand eine solche Absicht bei der englischen
und französischen Führung. Die hohen Verluste und der gewaltige
Einsatz von Material hatte in fünf Monaten keinesfalls einen Bodengewinn
von nur 15 km gerechtfertigt, ohne den deutschen Kampfesmut zu brechen.
Das Ziel unseres Angriffs, berichtet Haig an seine Regierung, war ein dreifaches:
1. den auf Verdun ausgeübten Druck zu erleichtern, 2. die
Verbündeten auf anderen Plätzen zu unterstützen und es dem
Feinde unmöglich zu machen, von der Westfront Truppen wegzunehmen,
3. die Kräfte des Feindes zu zermürben. Alle diese Zwecke sind im
wesentlichen erreicht."
Der Bericht ist sichtlich mit den erreichten Erfolgen in Übereinstimmung
gebracht.
Die Verluste der Kämpfenden sind nur unzureichend bekannt. Die
deutschen Divisionen haben von Beginn der Schlacht (24. Juni bis 19. Juli) 6052
Offiziere 267 921 Mann verloren. Eingesetzt waren 69 deutsche
Divisionen, einige mehrere Male. Einzelne Divisionen haben über 5000
Mann verloren, so z. B. die 6. bayerische
Reserve-Division 128 Offiziere, 6112 Mann. Von der Entente hatten 53 englische
und 51 französische Divisionen gekämpft. Die englischen Verluste
werden auf etwa 400 000 Mann geschätzt. Jedenfalls sah sich das
Kriegsministerium veranlaßt, schon im Oktober 400 000 Mann
wegen der Riesenverluste an der Somme zum Auffüllen der Lücken
einzuberufen; die Presse forderte die Verlängerung der Wehrpflicht vom
41. auf das 45. Jahr, die Befreiungen vom Dienst erheblich einzuschränken.
Tatsächlich wurden für die Ersatztruppenteile die 18jährigen
eingezogen. In Frankreich sah man sich gezwungen, ebenfalls auf die
18jährigen zurückzugreifen.
Die französischen Verluste werden wohl niemals amtlicherweise bekannt
werden. Man nimmt an, daß die Alliierten der Angriff 750 000 Mann
gekostet hat.
Am 16. November fand in Chantilly eine Besprechung zwischen Joffre und Haig
statt, an der auch die Militärbevollmächtigten von Italien,
Rußland, Bel- [583] gien, Serbien und
Rumänien teilnahmen. Die französische Regierung drängte auf
baldige Fortsetzung des Angriffs. Joffre hatte im Herbst 1916 ursprünglich
vorgeschlagen durch Fortsetzung des Angriffs an der Somme und durch
andauernde Inanspruchnahme der Deutschen eine große Offensive im
Frühjahr 1917 vorzubereiten. Sir Douglas Haig erklärte jedoch,
daß seine Truppen einer längeren Ruhe bedürften, um sich zu
erholen und um die Ausbildung der Verstärkungen zu
vervollständigen. So wurde denn beschlossen, daß die
verbündeten Armeen Mitte Februar sich zur Offensive bereitstellen sollten,
um zu verhindern, daß den Mittelmächten 1917 wiederum die
Initiative zufalle. Nach der Angabe General Mangins entwarf Joffre am 27.
November den Operationsplan. Auf der erweiterten Front der
Somme-Schlacht sollten die Franzosen zwischen Oise und Somme, die
Engländer zwischen Bapaume und Vimy am 1. Februar angreifen; am 20.
Februar sollte ein Angriff der mittleren Heeresgruppe in der Champagne zwischen
Pontavert und Reims folgen. Sir Douglas Haig gibt in seinem Bericht an das
Kriegsministerium an, daß die englische Operation bezweckt habe, den nach
Abschluß der Somme-Schlacht bei Bapaume nach Westen vorspringenden
Bogen der deutschen Stellung von der Ancre und von Arras aus anzugreifen und
gleichzeitig sich in Besitz der Vimy-Höhen nördlich Arras zu setzen.
Eine weiterreichende operative Absicht habe diesem Angriff nicht zugrunde
gelegen, vielmehr sei die Hauptoffensive später in Flandern geplant
gewesen. Ein neues taktisches Verfahren wurde im Gegensatz zur
Somme-Schlacht vorgesehen. Der Angriff sollte in möglichster Breite
erfolgen und als erstes Ziel die Wegnahme der feindlichen Artillerie erstreben.
Durch möglichst schnelle Aufeinanderfolge der Angriffe und durch sofortige
Ausnutzung der Erfolge, durch "Kraft und Schnelligkeit", hoffte man, zum
Durchbruch zu gelangen.49 Zu der frühzeitigen Offensive
kam es nicht. Die Ereignisse von 1916 hatten die Stellung des Generals Joffre
erschüttert. Auch Foch war in Ungnade gefallen. Ihn ersetzte der General
Nivelle. Bei Beginn des Krieges war er noch Artillerieoberst gewesen. Er war mit
den Angriffsplänen Joffres nicht einverstanden und änderte diese
nach seinen Gedanken um, wodurch er den Beginn des Angriffs um mehrere
Wochen hinausschob.
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