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Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917

[584] Kapitel 9: Der Feldzug gegen Rumänien1
Oberst Rudolf Frantz

1. Beiderseitige Feldzugsvorbereitungen.

Am 27. August 1916, abends, übergab der rumänische Gesandte in Wien die Kriegserklärung an Österreich; noch am selben Abend überschritten rumänische Truppen die Grenze Siebenbürgens. Damit trat ein neuer Feind gegen den Vierbund auf den Plan, ein Feind, mit dessen Bundesgenossenschaft zu rechnen, man nach den Friedensabmachungen berechtigt gewesen war. Eine besondere Überraschung konnte diese Kriegserklärung allerdings nicht mehr bringen; sie war der Abschluß der lauernden Haltung, die Rumänien während des ganzen Krieges gezeigt und die, je nach Lage auf der Ostfront, von unverhüllter Feindseligkeit bis zu scheinbarer Freundlichkeit gewechselt hatte. Der Gedanke, hier gewaltsam Klarheit zu schaffen, hatte immer zurückgestellt werden müssen, da andere Aufgaben sich vordrängten. Die Vorbereitungen für [585] einen Feldzug gegen den treulosen Bundesgenossen hatten sich auf Besprechungen zwischen den verantwortlichen Leitern des Krieges beschränken müssen. Zuletzt war zu Beginn des Jahres 1916 im deutschen Großen Hauptquartier eine Vereinbarung zwischen dem General v. Falkenhayn und dem bulgarischen Oberbefehlshaber, General Jekow, getroffen worden mit dem überraschenden Ergebnis, daß sich die Beziehungen zu Rumänien wieder erheblich besserten. Als aber im Sommer 1916 die Brussilow-Offensive die österreichisch-ungarische Ostfront in schwere Kämpfe verwickelte, spitzte sich die Lage wieder zu; die Agenten des Vielverbandes fanden in Bukarest willige Ohren. Man mußte im Lager der Mittelmächte den rumänischen Angelegenheiten wieder erhöhte Aufmerksamkeit schenken, und am 28. Juli wurde in Pleß zwischen dem General v. Falkenhayn, dem General Conrad v. Hötzendorf und dem bulgarischen Obersten Gantschew ein Abkommen über ein gemeinsames Handeln im Falle eines feindlichen Auftretens Rumäniens geschlossen. Diesem Abkommen trat bald darauf auch Enver Pascha gelegentlich eines Zusammentreffens mit den Generalen v. Falkenhayn und v. Conrad in Budapest bei. Man war sich klar darüber, daß die Rumänen wohl zunächst in Siebenbürgen einbrechen würden, um sich diesen heißbegehrten Siegespreis zu sichern. Selbst aber einer rumänischen Offensive zuvorzukommen oder wenigstens ausreichende Kräfte in Siebenbürgen bereitzustellen, dazu waren die Mittelmächte bei der gespannten Lage auf den anderen Fronten nicht imstande. Die deutschen Divisionen, die General v. Falkenhayn trotz der noch immer tobenden [586] Somme-Schlacht freigemacht hatte, wurden durch Erschütterung der österreichisch-ungarischen Fronten in Wolhynien, Galizien und den Karpathen verschlungen.2 So mußte man sich auch jetzt im wesentlichen auf Pläne und vorbereitende Maßnahmen beschränken.

Feldmarschall v. Mackensen sollte den Oberbefehl über diejenigen Streitkräfte übernehmen, die südlich der Donau im nördlichen Bulgarien bereits standen und noch zu versammeln waren. Es handelte sich um die aus einigen Divisionen zusammenzustellende 3. bulgarische Armee unter dem Befehl des Generals Toschew. Dazu sollte eine aus Mazedonien entnommene gemischte deutsche Abteilung unter Oberst Bode treten. Enver Pascha hatte den Antransport von ein bis zwei türkischen Divisionen in Aussicht gestellt. Dazu kamen die im Donau-Schutz stehenden schwachen Abteilungen, einige schwere deutsche Batterien und die österreichisch-ungarische Donau-Flottille. Die Vorbereitungen für die Eröffnung des Feldzuges hatte der Feldmarschall zu treffen.

Die Feldzugseröffnung war nach dem im Juli vereinbarten Plane so gedacht, daß Feldmarschall v. Mackensen zunächst in die Dobrudscha einfallen und etwa bis zu deren engsten Stelle vordringen sollte. Dann waren möglichst starke Kräfte herauszuziehen, um bei Sistow die Donau zu überschreiten. Dazu wurde der österreichisch-ungarische Donau-Brücken-Train in die Gegend von Sistow geschafft und dort, gedeckt durch die Donau-Insel Belene, verankert. Während [587] des Einfalls in die Dobrudscha sollten österreichisch-ungarische Verbände das Vordringen der rumänischen Hauptkräfte in Siebenbürgen aufhalten, bis deutsche und österreichisch-ungarische Verstärkungen zur Aufnahme der entscheidenden Offensive herangeführt waren.

Um den Oberbefehl über die in Siebenbürgen zu versammelnden Deckungstruppen zu übernehmen, wurde unter dem General der Infanterie Arz v. Straußenburg, einem geborenen Siebenbürger Sachsen, das Oberkommando der österreichisch-ungarischen 1. Armee in Klausenburg aufgestellt. Die Armee setzte sich zusammen aus den Verbänden, die von Mitte Juli ab allmählich nach Siebenbürgen geschoben worden waren. Es waren die 61. Landsturm-Infanterie-Division, die 11. Honved-Kavallerie-Division, beide sehr abgekämpft und erholungsbedürftig; zu ihnen kamen im August die 51. Honved-Infanterie-Division und die 71. Infanterie-Division. Außerdem wurden aus Marschbataillonen, Landsturm, Etappentruppen und den zu Bataillonen zusammengestellten Arbeitern der Kohlengruben von Petroseny noch einige Brigaden gebildet, deren Gefechtswert bei der Art ihrer Zusammensetzung und ihrer mangelhaften Bewaffnung zunächst fragwürdig war.

Übersichtskarte von Rumänien

[Beilage 1 zu Bd. 2]
      Übersichtskarte von Rumänien.      [Vergrößern]
Die Grenze zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien, deren Verteidigung der 1. Armee oblag, folgt im allgemeinen dem Kamm der Transylvanischen Alpen, jener alten Völkerscheide zwischen Orient und Okzident. Dieser gewaltige [588] Gebirgszug, der in den folgenden Kämpfen eine bedeutende Rolle spielen sollte, beginnt an der Donau bei Orsova, um zunächst als Cerna-Gebirge nach Norden zu verlaufen und sich dann als Vulkan-Gebirge scharf nach Osten zu wenden. In der Richtung nach Osten findet er seine Fortsetzung in den Cibiner und Fogaraster Alpen, dem La Omu-Stock und Bodza-Gebirge, um dann zwischen Kronstadt und Focsani wieder nach Norden umzubiegen und in das breite Gebirgsland der Wald-Karpathen überzugehen. Auf der Nordseite fallen die Transylvanischen Alpen nach Siebenbürgen im allgemeinen schroff ab, während sich der Abfall nach der walachischen Ebene allmählich und in mehreren Stufen vollzieht. Dafür sind in Siebenbürgen dem eigentlichen Grenzwalle eine Anzahl niedrigerer Gebirgsstöcke vorgelagert, wie das Hatzeger Gebirge im Westen und das Persaner Gebirge mit dem Geister-Walde im Osten, der das Becken von Kronstadt, das Burzenland vom übrigen Siebenbürgen abschließt. Die Transylvanischen Alpen erheben sich bis über 2500 m und tragen fast durchweg Hochgebirgscharakter, der sich in der geringen Besiedlung der Hänge ausdrückt. Über das Gebirge führt eine große Zahl von Pässen von sehr verschiedener Gestalt. Während der Szurduk-Paß, durch den der Jiul-Fluß, und der Rote-Turm-Paß, durch den der Alt-Fluß sich ihre Wege von Siebenbürgen nach Rumänien bahnen, tiefe Einschnitte darstellen, die man richtiger nicht als Paß, sondern als Klamm [589] bezeichnen müßte, und durch die fast eben verlaufende Kunststraßen führen, überschreiten die übrigen Pässe das Gebirge in erheblichen Höhen, bis zu 1200 m, und bieten dementsprechend Truppenbewegungen, namentlich in winterlicher Jahreszeit, nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Hier sind außer dem Vulkan-Paß die sechs aus dem Kronstädter Becken nach der Walachei führenden zu nennen: der Törzburger, der Tömöser, der auch die Bahn Kronstadt - Bukarest aufnimmt, der Altschanz-, Tatrang-, Tatarhavas- und Bodza-Paß.

Die österreichisch-ungarische Heeresleitung in Teschen rechnete damit, daß bei überraschendem rumänischen Angriff die Grenzlinie nicht gehalten werden würde, und hatte daher die Anlage einer Verteidigungsstellung hinter der mittleren Maros bis zur Einmündung der Kleinen Kokel, und dann dieser folgend, angeordnet, in die nötigenfalls ausgewichen werden sollte. Diese Stellung hatte ihre Front nach Süden, von wo man den Einbruch der rumänischen Hauptkräfte erwartete. Da der 1. Armee außerdem der Schutz der linken Flanke der in der Bukowina kämpfenden österreichisch-ungarischen 7. Armee zufiel, war das obere Maros-Tal westlich Ohla - Toplica durch eine Stellung mit der Front nach Osten zu sperren.

Am 15. August ordnete General v. Arz den Aufmarsch seiner Streitkräfte in den Verteidigungsabschnitten an der Grenze an, wo sie am 20. bereitstanden. Die Grenze selbst durfte allerdings nicht besetzt werden, da man aus politischen Gründen eine Herausforderung Rumäniens noch unter allen Umständen vermeiden wollte.

Während alle diese Feldzugsvorbereitungen der Mittelmächte unter der schwierigen Lage auf anderen Fronten zu leiden hatten, waren die Rumänen in der glücklichen Lage gewesen, in Ruhe und ungestört von langer Hand her ihre Maßnahmen zu treffen. Das rumänische Heer zählte im Frieden fünf Armeekorps und zwei Kavallerie-Divisionen; es sollte im Mobilmachungsfalle auf 22 Infanterie- und zwei Kavallerie-Divisionen gebracht werden, wobei die Divisionen erster Linie sehr stark waren. Sie zählten an Infanterie 20 Bataillone, übertrafen also die deutschen Divisionen mit ihren neun Bataillonen um mehr als das Doppelte.

Während der ersten Kriegsjahre hatte Rumänien die über die Transylvanischen Alpen nach Siebenbürgen führenden Pässe stark befestigt; Infanterie- und Artilleriewerke, teilweise mit Geschützen in Panzerungen waren überall entstanden. Auch das Wegenetz im Gebirge war verbessert, zahlreiche neue, bis zur Grenze führende Kunststraßen angelegt worden.

Als der Krieg erklärt wurde, war die Mobilmachung seit langem vollendet, seit langem stand der Grenzschutz gegen Siebenbürgen, ebenso wie in der Dobrudscha gegen Bulgarien; auch die Donau-Sicherungen waren ausgestellt. Am 17. August war Bündnisvertrag und Militärkonvention mit dem Vielverband abgeschlossen. Der Aufmarsch begann. Die linke Flügelgruppe, die [590] 1. Armee, nahm unter dem Befehl des Generals Culcer Aufstellung auf breitem Raume von der Donau bei Orsova bis zum Roten-Turm-Paß. Ihr gehörten die 1., 2., 11. und 13. Infanterie-Division an. Eine Mittelgruppe, die 2. Armee, unter General Grainiceanu wurde im Raume von Campulung bis westlich Focsani versammelt, mit der 3., 4., 5. und 6. Infanterie-Division. Die rechte Flügelgruppe, 4. oder Nordarmee genannt, sammelt sich unter General Presan in der Moldau um Tirgul - Ocna. Zu ihr traten die 7., 8., 9. und 14. Infanterie-Division. In der Dobrudscha trat die 3. Armee zusammen, mit der 10., 15., 19. Infanterie-Division; sie wurde entsprechend den Abmachungen mit Rußland durch das XXXXVII. russische Korps verstärkt, wobei man hoffte, daß die bulgarischen Truppen gegen Russen nicht fechten würden. An der Donau sicherte eine Division von Turnu-Severin bis Alexandria. Außerdem stand eine Reservegruppe von mindestens drei Divisionen südwestlich Bukarest im Raume Alexandria - Giurgiu - Zimnicea bereit, unter Ausnutzung des Eisenbahnnetzes nach Bedarf verschoben zu werden.

Den Oberbefehl führte der König; Chef des Generalstabes war General Iliescu. So trat die rumänische Heeresmacht, in Stärke von 600 000 bis 700 000 Mann, wohlausgerüstet und vorbereitet in den Kampf. Man hoffte, leichtes Spiel zu haben und billigen Siegespreis davonzutragen. Der neue Feind sollte den Mittelmächten den Fangstoß geben.


1 [1/584]Die Schlacht im Cerna-Bogen.
      Gleichzeitig und im operativen Zusammenhang mit dem Feldzug gegen Rumänien spielten sich an Vardar und Cerna schwere Kämpfe ab, die im Falle gegnerischen Erfolges die Lage auf dem Balkan von Grund auf geändert hätten. War es auch ein Kampf an bulgarischer Front, stellten auch bulgarische Divisionen die große Mehrzahl der Kämpfer, und waren die deutschen Einheiten wenig zahlreich, so muß der "Schlacht im Cerna-Bogen" doch Erwähnung geschehen. Ein deutsches Heeresgruppenkommando (Otto v. Below), ein deutsches Armee-Oberkommando befehligten dort, und deutsche Truppen waren es schließlich, welche die in ihren Zielen und in ihren Kräften groß gedachte Offensive des Generals Sarrail zum Scheitern brachten.
      Im Frühjahr 1916 hatte die deutsche Oberste Heeresleitung endgültig von einem Angriff auf Saloniki Abstand genommen. Die deutsche 11. Armee, rechts und links von bulgarischen Divisionen umschlossen, hielt mit diesen beiderseits des Vardar vom Prespa-See bis zur Struma die Wacht dicht an der griechischen Grenze. Die vielfachen Stellungskämpfe im glühendheißen Sommer 1916 hatten Veränderungen in den beiderseitigen Fronten nicht herbeigeführt.
      Erst im August 1916 gingen die bulgarischen Divisionen wieder zur Offensive über. Südlich und südöstlich Monastir erhoffte die 1. bulgarische Division davon eine erhebliche Verbesserung ihrer Stellung. Die Offensive der 2. bulgarischen Division bezweckte durch Vorgehen bis an die Struma zwischen der Belasica-Planina und der Küste des Ägäischen Meeres auch eine taktische Stellungsverbesserung, vor allem aber den Gewinn der Meeresküste und des lange erstrebten Hafens Kavalla.
      Bei der bulgarischen 2. Division hatte der Angriff den erstrebten Erfolg; bei der bulgarischen 1. Division wurden anfänglich Fortschritte gemacht, Florina erobert, aber die beherrschenden Höhen am Ostrovo-See konnte sie nicht gewinnen.
[585] In diese Kämpfe hinein drängte sich die beginnende Offensive Sarrails. Als Rumänien nach jahrelangem Zögern sich zum Eingreifen in den Krieg an der Seite der Alliierten entschloß, erhielt Sarrail die Weisung, einmal durch einen energischen Angriff die ihm gegenüberstehenden starken bulgarischen Kräfte zu binden, um sie vom Eingreifen gegen Rumänien abzuhalten, zum andern aber der von Nordosten - von der Donaumündung her - beabsichtigten Offensive der Rumänen und Russen durch einen Angriff in nordöstlicher Richtung entgegenzustreben. Gelang es auf diese Weise, die Bulgaren zwischen zwei Fronten zu zwingen, ihre Reihen zu durchbrechen, so war nicht nur das bulgarische Heer vernichtet, Serbien befreit, sondern auch die mühsam von den Mittelmächten erkämpfte Verbindung nach der Türkei zerrissen und diese letztere wehrlos der Entente ausgeliefert, damit aber auch der sehnsüchtig erstrebte nahe Verbindungsweg nach Rußland geöffnet.
      Die Sarrail zur Verfügung stehenden Kräfte waren seither in ihrer Gliederung und auch an Zahl erheblich gewachsen. Zu den französischen und englischen Divisionen, die über zahlreiche und modernste Kampfmittel verfügten, waren sieben serbische Divisionen (sechs Infanterie-, eine Kavallerie-Division) getreten, sehr gut ausgebildet und ausgerüstet, und eine russische Brigade; italienische Divisionen standen in naher Aussicht. So stand ihm eine an Zahl und Ausrüstung erhebliche Überlegenheit zur Verfügung, dazu eine kurze, leistungsfähig ausgebaute Eisenbahn und für Kraftwagenverkehr verbesserte und vermehrte Straßen. Das alles mußte um so mehr ins Gewicht fallen, als die Oberste Heeresleitung infolge der furchtbaren Anspannung durch Verdun, Somme und Luck die deutschen Kräfte überall bis auf das irgend Erträgliche hatte vermindern müssen. Aber sie glaubte nach dem bisherigen passiven Verhalten Sarrails auch nicht an eine große Offensive an dieser Stelle.
      Nur aus dieser Voraussetzung ist es zu erklären, daß die bulgarische Heeresleitung sich [586] zu jenen Offensivunternehmungen entschloß, die - wie schon ausgeführt - an der Struma erfolgreich waren, auf dem rechten Flügel nach Anfangserfolgen zum Stehen kamen.
      Fast gleichzeitig mit der Offensive Rumäniens nach Siebenbürgen begann der Angriff Sarrails auf breiter Front. Gegen die an der Struma stehende bulgarische 2. Division scheiterte er völlig; gegen die in der Mitte stehende deutsche 11. Armee (sie umfaßte außer der Führung nur noch wenige deutsche, sonst bulgarische Verbände) blieb der Angriff in den Anfängen stecken. Er hatte Erfolg bei der auf dem rechten (westlichen) Flügel stehenden bulgarischen 1. Division. Sie mußte das erst vor kurzem gewonnene Gelände von Florina wieder dem Gegner überlassen. Das schlimmste aber war der schwere moralische Rückschlag, den die Division nicht zu meistern vermochte und der sich auch schon bald auf andere Divisionen und die Führung übertrug. Hinzu kam, daß infolge der geradezu jämmerlichen rückwärtigen Verbindung der Verpflegungs- und Munitionsnachschub außerordentlich gering war. Der an sich tapfere bulgarische Soldat war zum Angriff erzogen; in der Verteidigung gegen einen alle modernsten Kampfmittel überreich gegen ihn einsetzenden Gegner fühlte er sich verloren.
      Sofort sollte Deutschland helfen; es waren fast keine Bitten mehr, sondern Forderungen, die Bulgarien stellte. Die furchtbare Beanspruchung des großen Verbündeten konnte und wollte Bulgarien nicht sehen. Trotzdem versprach die Oberste Heeresleitung Hilfe und brachte sie - nicht in der Zahl, wie sie zum großen Erfolg nötig gewesen wäre, und infolge der Entfernungen und der schlechten Verbindungen erst nach längerer Zeit. Die erste Unterstützung war mehr moralischer Art: der Führer der 11. Armee, General v. Winckler, tauschte mit dem bulgarischen General das Kommando der Mitte gegen das des geschlagenen Flügels; und die Oberste Heeresleitung bestimmte ein Heeresgruppenkommando unter General Otto v. Below [587] zur einheitlichen Befehlsführung an der ganzen Front. Seine erste Maßregel war das Herausziehen deutscher Verbände aus den nicht mehr bedrohten Fronten und ihr Heranführen zum rechten Flügel. So gering die tatsächliche Hilfe war, die Deutschland sofort geben konnte, so genügte sie doch, um eine drohende schwere Niederlage mit ihren unabsehbaren weiteren Folgen zu verhindern. Wohl wich die ganze Front unter schweren Kämpfen zurück; aber selbst die den Feinden gelingenden taktischen Durchbrüche sollten keine entscheidenden Folgen nach sich ziehen. Mit der Übernahme des Befehls übernahmen die Deutschen jedenfalls ein außerordentliches Wagnis und eine schwere Verantwortung.
      Die Kämpfe bei Florina endeten Ende September mit dem Rückzug der Bulgaren auf die Stellungen südlich Monastir. Von Anfang bis Mitte Oktober folgten außerordentlich schwere Angriffe gegen die Stellung auf dem Nordufer der (hier in westöstlicher Richtung fließenden) Cerna. Noch bevor die von den verschiedensten Kriegsschauplätzen in Transport gesetzten deutschen Verstärkungen eingetroffen waren, mußte die Kampffront zurückverlegt werden. Während dieser Bewegung trafen die Jäger-Bataillone 12, 11, Reserve 9, die Infanterie-Regimenter 42, 146 und Artillerieverbände ein. Sie sollten sofort einheitlich eingesetzt werden, um die verlorene Stellung wiederzugewinnen und die Alliierten in und über die Cerna zurückzuwerfen. Wenn das auch infolge der Erschöpfung der Bulgaren und der starken feindlichen Überlegenheit nicht gelang, so hatte der Gegenangriff doch den Erfolg, daß die serbische Angriffslust verging. Erst nach einer fast zweiwöchigen Ruhe vermochte Sarrail am 27. und am 29. Oktober die Serben noch einmal zu einem energischen Angriff aufzupeitschen.
      Ob er selbst an einen Erfolg geglaubt hat, ist nicht festzustellen; jedenfalls war ihm der Angriff von Paris aus befohlen. Die verzweifelte Lage der Rumänen forderte gebieterisch Hilfe; sie konnte nur indirekt durch Sarrail gebracht werden. - Der Angriff blieb ohne Erfolg.
      Noch einmal erging von Paris die drohende Aufforderung, erneut anzugreifen und [588] einen Erfolg zu erzwingen. So scharf war der Befehl formuliert, daß man den General vor ein Kriegsgericht zu stellen drohte. So setzte Sarrail am 9. November noch einmal seine ungeheure materielle und seine vielfache personelle Überlegenheit ein. In den Tagen vom 10. bis 14. November spielten sich in den Gebirgswüsten Mazedoniens Kämpfe stärkster Erbitterung ab. Und diesmal hatte der alliierte Angriff einen greifbaren Erfolg. Die bulgarische Front - südlich und östlich Monastir - gab nach. Und wenn auch die völlige Erschöpfung der Serben und das energische Eingreifen deutscher Verbände es verhinderten, daß der Durchbruch sofort ausgenutzt wurde, so mußte der stark vorwärts gestaffelte rechte Flügel zurückgenommen werden, obschon der hier erfolgte französische Angriff glänzend abgeschlagen worden war. In der Nacht vom 14. zum 15. November wurde Monastir geräumt; gleichzeitig ging die deutsch-bulgarische Front in eine weiter nördlich liegende Aufnahmestellung zurück.
      An dieser scheiterten, obschon die abermals in Antransport gesetzten deutschen Verstärkungen noch nicht eingetroffen waren, die weiteren Angriffe. Und als am 24. November Sarrail noch einmal zu einem Gewaltangriff ansetzte und ihn auch an den nächsten Tagen rücksichtslos fortsetzte, mußte er ergebnislos bleiben. Die jetzt angekommenen und sofort eingesetzten deutschen Verstärkungen gaben der Front eine solche Stärke, daß alle Angriffe scheiterten.
      Schon seit Anfang November hatten die Truppen in dem rauhen, unwirtlichen Hochgebirgsgelände Witterungsunbilden schlimmster Art ertragen müssen; jetzt setzte der mazedonische Winter mit einer solchen Stärke ein, daß auch die Serben nicht mehr zum Kampf schreiten konnten.
      Monastir hatte geräumt werden müssen - eine moralische Einbuße. Die Bulgaren allein wären dem Angriff der Alliierten erlegen. Deutsche Führung und deutsche Truppen hielten 1916 den Ansturm der Alliierten aus, der mit seiner erfolgreichen Wiederholung 1918 den Zusammenbruch einleiten sollte. ...zurück...

2 [1/586]S. Seite 460 f. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte