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Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917

Kapitel 7: Der Krieg auf der deutschen Ostfront 1916   (Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel

[433] 3. Der russische Sommer- und Herbstangriff 1916.

Die Lage Ende Mai bis Anfang Juni 1916.

Ende März trat auf dem ganzen Nordabschnitt der Ostfront Ruhe ein. Sie wurde am 28. April dadurch unterbrochen, daß bei der deutschen 10. Armee die Höhe von Blizniki nebst Dorf durch Überfall nach vorherigem Trommelfeuer den Russen entrissen wurde. So verloren sie auch noch den letzten Streifen des Geländes, das ihnen als bescheidene Beute der Narocz-Schlacht verblieben war. Sie gingen in ihre alten Stellungen bei Stachowce - Zanarocze zurück, in der sie vor der Märzschlacht gestanden hatten. Der Kampf vom 28. April ist deshalb bemerkenswert, weil in ihm zum erstenmal die neuen, auf der Westfront erprobten Kampfmittel des Stellungskampfes deutscherseits zur Anwendung gelangten.

Die schweren Verluste in den Schlachten am Narocz-See und bei Postawy, vor Riga und Jakobstadt konnten die russischen Heeresleitung nicht davon abhalten, weitere größere Pläne für den Sommer 1916 zu entwerfen. Jetzt endlich sollte die "Gemeinsamkeit" der Anstrengungen aller Verbündeten zur Durchführung kommen, um die verzweifelt ringenden Mittelmächte endgültig niederzuzwingen. Mit eiserner Faust hatten die Deutschen Verdun gepackt; der Kampf zehrte am Blute Frankreichs und beraubte die französische Heeresleitung der Freiheit des Handelns. Ging Verdun verloren, so war die Gesamtlage der Entente in höchster Gefahr. Daher kam es auf schleunige Entlastung an. Englands neu aufgestellte Verbände der allgemeinen Dienstpflicht sollten an der Somme, Italiens Kraft am Isonzo, das Orientheer in Mazedonien eingesetzt werden. Zum sicheren Gelingen aller dieser Pläne galt es vor allem, daß die volle Kraft der russischen "Dampfwalze" nochmals, nunmehr aber in rücksichtslosester und ganz großzügiger Weise anlief und die Ostfront der Mittelmächte niederstreckte.

Die russische Heeresleitung entsprach dem Ruf aus dem Westen und schickte sich an, den gewaltigen Kampf damit zu eröffnen, daß sie zuerst ihre Massen in die Schale der Entscheidung warf. Dazu trat die Notwendigkeit, durch einen vollen Erfolg der russischen Waffen Rumänien zum Übertritt auf die Seite der Entente zu bewegen, denn die rumänische Heeresleitung glaubte sich nur in dem Falle genügend gesichert, wenn sie durch den russischen Siegesmarsch in Galizien bei ihrem Vordringen von Siebenbürgen auf Budapest gedeckt war.

General Alexejew entwickelte dem Zaren auf Grund dieser Erwägungen den Angriffsplan. Er beruhte auf der Berechnung, daß die russische Westfront über 2 250 000 Mann verfügte, von denen 1 600 000 nördlich, 650 000 südlich des Polesje-Sumpfgebietes standen. Die Front der Mittelmächte nordwärts dieser Scheidelinie verfügte auf 600 km Breite über 600 000 Mann (wovon 30 000 des österreichisch-ungarischen Heeres), südwärts auf 500 km über 450 000 (worunter 40 000 Deutsche). Die russische Überlegenheit war somit eine mehr als doppelte. [434] Alexejews Erwartung eines großen Erfolges gründete sich darauf, daß der geplante Stoß südlich der Polesje auf die österreichisch-ungarische Streitmacht treffen würde, zwischen die nur wenige deutsche Divisionen eingeschoben waren. Man schätzte die Kampfkraft des k. u. k. Heeres nur gering ein und glaubte, daß es seine volle Aufmerksamkeit und Kraft gegen Italien gewendet habe. Daher wurde Brussilow, dem man den höchsten Grad des schonungslosen Zufassens beimaß, beauftragt, im Südabschnitt den Sommerangriff zu führen. Kuropatkin und Ewert sollten, wie bisher, der deutschen Front in Ausfallstellung gegenüber verbleiben, sie binden und an der Abgabe von Reserven zur österreichisch-ungarischen Front hindern.

Dem Oberbefehl Brussilows wurden vier Armeen (von Norden nach Süden) unterstellt:

  • die 8. Armee Kaledin zwischen dem Südrand des Polesje und Rowno,
  • die11. Armee Sacharow südlich Rowno,
  • die 7. Armee Schtscherbatschew südlich Tarnopol,
  • die 9. Armee Letschitzki bei Chotin gegenüber Czernowitz, hinter dieser Armee das Reiterkorps Graf Keller mit 30 Regimentern.

Die Absicht war, mit diesen vier Armeen gleichzeitig anzugreifen. Wo die Front der Mittelmächte nachgab, sollte zur Vertiefung des Stoßes der Einsatz weiterer Kräfte erfolgen. Somit krankte der russische Entwurf an zwei Mängeln: Die Angriffsfront war bei 500 km Ausdehnung eine sehr breite und häufte die Massen nicht an einer bestimmten Stelle zum Durchbruch, sondern rechnete allzusehr mit der Möglichkeit, die deutsche Front nördlich der Polesje so zu fesseln, daß sie keine genügenden Kräfte zur Stützung der Südabschnitte abzweigen konnte - zwei Fehler, die sich für den Ausgang des russischen Unternehmens trotz seiner zweifellos großen Anfangserfolge bitter gerächt und schließlich sein Scheitern bedingt haben.

Der Angriff Brussilows wurde durch ein auf dem ganzen Angriffsabschnitt einsetzendes Geschützfeuer vom 31. Mai bis zur Nacht 3./4. Juni eröffnet. Wiederum lag die obere Feuerleitung in der Hand französischer Offiziere, zum Gebrauch der von Japan gelieferten schweren Artillerie war sogar japanisches Personal eingetroffen.

Auf Seite der Mittelmächte waren infolge erheblicher Abgaben an die italienische Front, wo seit dem 15. Mai 1916 der große Angriff zwischen Etsch und Brenta begonnen und am 30. mit der Erreichung der Festungsfront Arsiero- Asiago den Höhepunkt seiner Erfolge erreicht hatte, wesentliche Verschiebungen eingetreten. Am 1. Juni standen:

die Heeresgruppe Linsingen mit der
Gruppe Gronau um Pinsk im Polesje,
Armee-Abteilung Linsingen am unteren Styr,
[435]  k. u. k. 4. Armee Erzherzog Josef Ferdinand um Luck,
k. u. k. 1. Armee Puhallo am oberen Styr;
die Heeresgruppe Erzherzog Josef mit der
k. u. k. 2. Armee Boehm-Ermolli bei Brody,
Deutsche Südarmee Bothmer an der Strypa,
k. u. k. 7. Armee Pflanzer-Baltin am Dnjestr und in der Bukowina.

Im allgemeinen herrschte in den österreichisch-ungarischen Fronten große Zuversicht, belebt von dem Vertrauen, daß es unschwer gelingen werde, etwa erfolgende russische Angriffe ebenso siegreich zu brechen, wie es in allen früheren Kriegsabschnitten der Fall gewesen war. Man traute überdies der russischen Stoßkraft nicht mehr viel zu und war an Ruhe auf der Russenfront seit mehreren Monaten gewöhnt.


Die Schlacht in Wolhynien und Galizien bis zum 16. Juni 1916.

Am 1. Juni steigerte sich das russische Artilleriefeuer zum Massenschießen und zwang die Artillerie der Mittelmächte zur Abwehr. Am Frühmorgen des 4. Juni ergaben sich aus der Gesamtfront Anhaltspunkte dafür, an welchen Stellen die Russen das Schwergewicht der Feuerkraft einsetzten und voraussichtlich die Einbruchsabschnitte gewählt hatten:

  • bei Olyka an der Straße Lucz - Rowno vor der Front der k. u. k. 4. Armee,
  • bei Kozlow, westlich Tarnopol, vor dem linken Flügel der Südarmee,
  • bei Okna, nördlich Czernowitz, gegen die k. u. k. 7. Armee.

An diesen Stellen schritten die Russen um die Mittagsstunde des 4. Juni zum Angriff. Das Sperrfeuer wurde auf das Rückengebiet hinter den Fronten verlegt; in dichten Wellen traten die Sturmlinien an, gefolgt von den Kolonnen der hinteren Staffeln - das gewohnte Bild der russischen Massenangriffe, mit dem Unterschied, daß diesmal die Artillerie nachhaltiger und wirksamer vorgearbeitet hatte, als es früher der Fall gewesen war.

Der Infanterieangriff bei Olyka traf die Stellungen des k. u. k. X. Armeekorps,6 das sich unter den schwersten Verlusten und unter Aufopferung eines großen Teiles der Artillerie genötigt sah, hinter den Styr bei Luck, am 7. in eine Stellung 12 km westlich Luck auszuweichen, wo es durch die deutsche 108. und k. u. k. 29. Division Aufnahme fand.

Die Russen waren durch diesen ungewöhnlich großen Erfolg anscheinend selbst überrascht und hatten zunächst keine Kräfte zur Hand, um in die Lücke nachzustoßen, die sie in die Front der k. u. k. 4. Armee gebrochen hatten, und den Sieg durch ein Aufrollen der Nachbarfronten nach beiden Seiten hin zu erweitern. So war es ihnen nicht möglich, sofort bis in die Linie Kowel - [436] Wladimir Wolynsk - Sokal nachzudrängen und die Überreste der 4. Armee und deren deutsche Unterstützungen völlig zu vernichten.

"Es war dies eine der größten Krisen der Ostfront."7 General v. Bernhardi deckte mit der 92. Infanterie-Division und der Garde-Ulanen-Brigade im Abschnitt der Sierna nordwestlich Luck die Straße Luck - Kowel, hiermit die rechte Flanke der Armee-Abteilung Linsingen schützend. Zur Deckung der linken Flanke der k. u. k. 1. Armee nahm General Szurmay mit österreichisch-ungarischen Truppen eine Flankenstellung südwestlich Luck ein. So entstand bis Mitte Juni eine halbkreisförmige Front der verbündeten Truppen, die sich mit dem Nord- und Südflügel auf den Styr unter- und oberhalb Luck stützte und, wenn man diesen Ort als Mittelpunkt des Kreises annimmt, ungefähr 35 bis 40 km im Bogen westlich um Luck verlief. Kisielin, Lokacze, Swiniuchy bildeten die am meisten nach Westen hin zurückspringenden Punkte.

Schlacht in Wolhynien

[437]
      Skizze 20: Schlacht in Wolhynien.

Das österreichisch-ungarische Armee-Oberkommando sah sich am 6. Juni durch die Unglücksnachricht vom Zusammenbruch der 4. Armee, die auf weniger als die Hälfte ihrer Stärke gesunken war und ernste Zersetzungserscheinungen zeigte, gezwungen, den Angriff in Italien sofort abzubrechen und freiwerdende Divisionen auf den östlichen Kriegsschauplatz zu werfen. Das genügte jedoch nicht. Es blieb nichts anderes übrig, als die deutsche Oberste Heeresleitung um nachhaltige Hilfe zu bitten. Am 8. Juni trafen die Generalstabschefs der Feldheere, Falkenhayn und Conrad, in Berlin zu einer Besprechung der zu treffenden Gegenmaßregeln zusammen. Die deutsche Heeresleitung willigte ein, die erbetene Hilfe zu leisten, zunächst um den völligen Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Ostfront zu verhüten, dann aber auch deshalb, weil durch einen solchen die deutsche Stellung im Osten in unmittelbare Mitleidenschaft gezogen wurde. Auf Grund dieses Entschlusses sollten zunächst vier bis fünf deutsche Divisionen - je eine aus den Heeresgruppen Hindenburg und Prinz Leopold, drei von der Westfront - mit einigen kampfkräftigeren k. u. k. Kräften in der Gegend von Kowel unter dem Oberbefehl Linsingens zusammengezogen werden, um in allgemein südlicher Richtung anzugreifen, also dem russischen Angriffskeil in die rechte Flanke zu fallen. Erzherzog Josef Ferdinand wurde durch Kaiser Franz Josef von seiner Stellung enthoben. Für ihn übernahm Generaloberst v. Tertszczianski die beschleunigt aufzufrischende k. u. k. 4. Armee. Für Generalleutnant Stolzmann trat Oberst Hell ihm als Generalstabschef zur Seite. Die erforderliche Übereinstimmung im Handeln der k. u. k. 1. Armee mit dem der so gebildeten Angriffsgruppe wurde dadurch gewährleistet, daß sie dem Oberkommando Linsingen unterstellt wurde.

Der im russischen Heere ungewohnte Aufschwung zum ostwärts stürmenden Angriffsgeist, mit welchem die Armee Kaledin den Stoß bei Luck eröffnete und [437] mehrere Tage lang auf eine überraschend weite Strecke vortrug, flaute ab und schlug in völlige Stockung zurück, als die Russen anstatt auf die Trümmer der müden und haltlos gewordenen k. u. k. 4. Armee auf deutsche oder auf gut erhaltene österreichisch-ungarische Verbände stießen. Jetzt rächte es sich, daß Brussilow hinter dem rechten Flügel des Angriffsheeres keine ausreichende Reserven zur Stelle hatte. Daher forderte er von Ewert und Kuropatkin Truppen, um den erzielten Erfolg auszubeuten. Zwar wurden ihm einige Divisionen zugesagt und deren Abtransport nach Rowno angeordnet, allein keiner konnte sich zu großzügigem Handeln entschließen, jeder geizte mit seinen Kräften und verlor kostbare Zeit, die der deutschen Führung zugute kam.

Am 9. Juni ging die russische Armee Kaledin bei Luck in breiter Front über den Styr. Weiter unterhalb - bei Kolki, Chartorysk und Rafalowka - leisteten deutsche Truppen, vorwiegend Heeresreiterei mit starker Artillerie, den Russen [438] einigen Widerstand und gewannen Zeit, gestützt auf die leicht zu haltenden Engwege über die sumpfigen Flußniederungen. Allein mehr als Abwehr ließ sich nicht erreichen, zumal die Sümpfe infolge der Sommerhitze weithin gangbar wurden. Vor der Linie des Styr kamen die russischen Bewegungen einstweilen zum Halten.

Die k. u. k. 4. Armee stellte am oberen Stochod zur Sperrung der von Luck auf Kowel, Wladimir Wolynsk, Sokal laufenden Verbindungen neue Stellungen her, die in aller Eile befestigt und auf dem linken Flügel durch Truppen unter Bernhardi, auf dem rechten durch Teile der k. u. k. 1. Armee in Riegelstellungen geschützt wurden. Bernhardi nahm nach Norden hin Fühlung mit den deutschen Postierungen am mittleren Styr. Die k. u. k. 1. Armee stand längs der Lipa, allgemeine Front nach Norden. Ihr rechter Flügel stieß an die k. u. k. 2. Armee, die mit Front nach Osten die Linie der Ikwa bei Dubno festhielt. Aus dieser Lange entwickelten sich bis zum 16. Juni stehende Kämpfe ohne durchgreifende Entscheidung. Die Russen griffen bald hier, bald dort an, doch fehlte der Zusammenhang zu einer einheitlichen Schlachtenführung. Sie begnügten sich mit kleinen örtlichen Erfolgen, die sie mit Hilfe der in Aussicht gestellten frischen Kräfte zum entscheidenden Siege auszugestalten hofften: Kowel, Wladimir Wolynsk, Sokal waren die nächsten Ziele. Deutscherseits galt es, die unterstellten österreichisch-ungarischen Truppen wieder zu festigen und in die Hand zu bekommen, sowie den Zeitpunkt zu beschleunigen, wo die Ankunft der Verstärkungen den Beginn des Gegenangriffs gestattete.

Inzwischen kam die Schlacht auch in Galizien in Gang. Die deutsche Südarmee Bothmer deckte an der Strypa zwischen der k. u. k. 2. und 7. Armee eine Front von 70 km mit nur 5½ schwachen Divisionen: am linken (nördlichen) Flügel das k. u. k. IX. Armeekorps, in der Mitte die deutsche 48. Reserve-Division, am rechten Flügel das k. u. k. Korps Hofmann. Die Armeereserve bestand aus 3 deutschen Bataillonen und 2 Honved-Regimentern. Der Südflügel reichte bis Burkanow, wo er Anschluß an das k. u. k. VI. Armeekorps hatte. Dieses Korps gehörte der österreichisch-ungarischen 7. Armee an, von der sich das genannte und dessen rechtes Nebenkorps, das k. u. k. XIII., auf dem linken (nördlichen) Dnjestr-Ufer befanden.

Am 4. Juni, zu gleicher Zeit also, da die Russen bei Olyka die Front der k. u. k. 4. Armee zerbrachen, wurde das linke Flügelkorps der Südarmee, des k. u. k. IX. Armeekorps von der russischen 11. Armee Sacharow an der Eisenbahnlinie Tarnopol - Zborow auf den Höhen von Worobijowka - Kurowce westlich der Sereth-Niederung angegriffen. Das Korps hielt sich wacker vom 4. bis 8. Juni und sah sich erst am letzten Tage gezwungen, die zerschossenen Gräben bei Worobijowka teilweise zu räumen. Doch gelang es, dem russischen Stoß in der zweiten Linie Halt zu gebieten und seitliche russische Erfolge so abzuriegeln, daß es bei einem rein örtlichen und beschränkten Geländegewinn blieb. [439] Gleichzeitig war es der links von der Südarmee fechtenden k. u. k. 2. Armee gelungen, die Linie der Ikwa mit der Front nach Osten zu behaupten und die matten russischen Angriffe bereits durch Artilleriefeuer niederzuhalten. So blieb es dem Führer dieser Armee, Boehm-Ermolli, möglich, den von Brussilow beabsichtigen Durchbruch auf Zloczow - Lemberg und die Aufrollung der von der Südarmee gehaltenen Strypa-Front zu verhindern. Am 10. Juni konnte der russische Durchbruchsversuch als gescheitert angesehen werden. Die k. u. k. 2. Armee war in der Lage, ihren nördlichen Flügel so nach rückwärts zu schwenken, daß er den Durchstoß der Russen westlich Luck wirksam flankierte. Der südliche Flügel stützte die linke Flanke der Südarmee und konnte kleine Geländeverluste bei deren nördlichem Flügelkorps ausgleichen.

Um die weiteren Ereignisse bei der deutschen Südarmee beuteilen zu können, ist es geboten, auf die Vorgänge bei der k. u. k. 7. Armee kurz einzugehen.8 Am 4. Juni gelang es der russischen Armee Letschitzki auf dem Südflügel der Heeresgruppe Brussilow, bei Okna nördlich Czernowitz in die Front der k. u. k. 7. Armee einzubrechen, während die russische Armee Schtscherbatschew nördlich des Dnjestr gegen die k. u. k. Korps VI und XIII erfolgreich vordrang und sie unter schweren Verlusten über die Strypa zurückwarf. In den nächsten Tagen räumten die österreichisch-ungarischen Truppen, die bedeutende Einbuße an Gefangenen, Überläufern und Heeresgerät erlitten, die Stellungen nördlich Czernowitz und traten, unablässig kämpfend, den Rückzug zwischen Pruth und Dnjestr über die Linie Zaleszczeki - Sniatyn in allgemeiner Richtung auf Horodenka - Kolomea an. Nördlich des Dnjestr wurden die k. u. k. Korps VI und XIII so hart bedrängt, daß sie am 10. Juni das Ostufer der Strypa räumen und den wichtigen Straßenmittelpunkt Buczacz den Russen lassen mußten. Wenn dies Zurückweichen dieser beiden Korps nicht aufgehalten wurde, so erwuchs der deutschen Südarmee die schwere Gefahr, daß sie von den siegreichen Russen nunmehr von Süden aus umfaßt und aufgerollt wurde. Graf Bothmer hatte aber die seiner Armee drohende Umklammerung rechtzeitig erkannt und durch Antrag beim k. u. k. Armee-Oberkommando durchgesetzt, daß ihm am 10. Juni das VI., am 12. auch noch das XIII. Armeekorps unterstellt wurde. Es war freilich die höchste Zeit, daß hier eine einheitliche und kraftvolle Führung durchgriff, um die Sprengung der Ostfront am Dnjestr zu verhüten, denn nunmehr setzte die russische Armee Schtscherbatschew mit großer Wucht zum entscheidenden Stoß gegen die Gesamtfront der Südarmee an, um den bei Buczacz gegen den linken Flügel der k. u. k. 7. Armee erfochtenen Erfolg auszubeuten und die erreichte Lücke zum Auftrollen der Südarmee von Süden her auszuwerten. Das k. u. k. XIII. Armeekorps kämpfte in Rückzugsgefechten bei Barysz, 10 km westlich Buczacz; das VI. hatte die Fühlung mit dem Südflügel der Südarmee, dem Korps Hofmann, verloren [440] und hielt in Abwehrkämpfen die Höhen westlich der Strypa bei Olesza - Kurdwanowka - Gnilowody, 10 km südwestlich Wisniowczyk.

Als Bothmer endlich die dringlich erwartete Unterstellung des VI. Armeekorps übertragen worden war, erteilte er den Befehl: "Das Korps macht sofort Front und hält unter allen Umständen seine Stellungen!" Zur Entlastung und Rückenstärkung des VI. Armeekorps unterstellte Bothmer dem Führer der deutschen 48. Reserve-Division, Generalleutnant v. Oppeln, drei Bataillone und drei Batterien aus der Armeereserve mit dem Auftrag, von Burkanow her angriffsweise in den Kampf des VI. Armeekorps einzugreifen und dem russischen Angriffskeil in die rechte Flanke zu stoßen.

Allein der deutsche Gegenangriff konnte, der großen Entfernung halber, nicht mehr rechtzeitig sich geltend machen. Vielmehr griffen die Russen am 11. Juni mit Tagesgrauen die südliche Division des VI. Korps, die 12., bei Olesza an und brachen zwischen ihr und der am Nordflügel fechtenden 39. Honved-Division bei Kurdwanowka durch. Die 12. Division wich in Auflösung zurück, die Honved-Division war in der rechten Flanke bedroht. Die siegreichen Russen schwenkten zur Front nach Norden herum und drangen durch die entstandene Lücke auf der freien Hochfläche westlich Wisniowczyk gegen Podhajce, den Hauptverbindungsort hinter dem Südflügel der Südarmee, vor. Die Lage war um 9 Uhr vormittags eine für die Verbündeten außerordentlich gespannte.

Gerade im Augenblick der Not trat die deutsche verstärkte 48. Reserve-Division zum Gegenstoß so an, daß sie mit dem linken Flügel auf den westlichen Höhen des Strypa-Tales mit der Richtung nach Süden, an Burkanow - Wisniowczyk vorbei, in mustergültiger Haltung vorging. Das ganze k. u. k. VI. Korps fand seine Fassung wieder und schloß sich den Deutschen an. Die Russen wurden von der Hochfläche bei Olesza geworfen und über Jezierzany am Abend des 11. Juni bis Buczacz zurückgeworfen, das zwar in ihrem Besitz blieb, während ihnen der übrige Gewinn der letzten Kampftage entrissen und der erhoffte Durchbruch über die Strypa, den sie schon sicher in Händen zu haben glaubten, hinfällig gemacht wurde. Ein schöner Erfolg der deutschen Truppen, um so mehr, als vor der ganzen übrigen Front der Südarmee bis nordwärts hinauf an die Straße Zborow - Tarnopol die russischen Angriffe verlustreich gescheitert waren.

Am 12. Juni, dem Tage, wo auch das k. u. k. XIII. Armeekorps unter den Oberbefehl Bothmers trat, erteilte er ihm den Befehl, auf den Höhen am Ostufer der Gnila-Lipa Front zu machen und sich zu endgültigem Widerstand bereit zu halten. In dieser Stellung fand es seine Festigkeit wieder und wies einen russischen Angriff ab. Daher ließ Schtscherbatschew am 13. südlich Wisniowczyk an der Strypa den nördlichen Flügel des k. u. k. VI. Armeekorps scharf angreifen und die 39. Honved-Division, die in diesem Kampfe erhebliche Verluste erlitt, von neuem bis auf die Hochebene von Kudwanowka - Kotuzow zurückdrängen. Noch- [441] mals lag die Gefahr nahe, daß die Russen sich den Weg nach Podhajce frei machen würden. Es blieb dem Oberkommando der Südarmee in dieser Lage keine andere Wahl, als wiederum die Reserven des k. u. k. Korps Hofmann und der deutschen 48. Reserve-Division unter Generalleutnant v. Oppeln zum Entlastungsstoß gegen die Nordflanke des russischen Einbruchskeils heranzuführen. Der Angriff brachte zwar das Vorschreiten der Russen zum Halten, konnte aber doch nicht verhindern, daß sich der Feind in großer Stärke dicht vor den Höhen von Kurdwanowka, Gnilowody, Kotuzow eingrub, bedeutende Reserven im Strypa-Tal nördlich Buczacz bereitstellte und immer neue schwere Batterien in den Kampf brachte.

Am 14. Juni wurde erneut bei sengender Hitze mit großer Erbitterung und wechselndem Erfolg gerungen. Gegen Abend ritt je eine Kosaken- und Tscherkessen-Brigade zur Attacke gegen die bis aufs äußerste erschöpfte, durch Verluste gelichtete 39. Honved-Division an, gefolgt von dicken Infanteriemassen und zahlreichen Feldbatterien. Die Überraschung glückte: die Honved-Division wurde durchbrochen und begann auf Podhajce zurückzugehen; die brennenden Dörfer Gnilowody und Kotuzow fielen in die Hände der Russen; die Angriffstruppen unter dem Befehl des Generals v. Oppeln mußten die rechte Flanke bei Kurdwanowka zurückbiegen und das Gelände dem Feinde freigeben. Schon richtete sich das russische Geschützfeuer auf Podhajce, schon schien das k. u. k. VI. Korps geschlagen, die Verbindung mit dem XIII. gelöst, der Verband des Südflügels der Südarmee gesprengt. Allein Graf Bothmer hatte gerade noch zur rechten Zeit eine neue Reserve von drei Bataillonen und vier Batterien aus der Mittelfront der Armee loszumachen gewußt, um sie zur Schließung der gefährlichen Lücke bei Podhajce bereits am Abend des 14. Juni einzusetzen. Mit einbrechender Dunkelheit prallten die Russen auf den Höhen und südöstlich Podhajce somit auf frische Truppen. Durch den unerwarteten Widerstand getäuscht, überschätzten sie die dünne Linie des Gegners und verschoben, selbst durch den langen Kampf ermattet und auseinander gekommen, den weiteren Angriff auf den Frühmorgen des 15. Juni. Hiermit war die Lage für die Verbündeten gerettet. Die Russen verloren kostbare Zeit, die sich nicht mehr einbringen ließ.

Am 15. Juni, bald nach Tagesanbruch, griffen die Russen in weitem Bogen die Stellung bei Podhajce an. Allein sie stießen auf geordneten, festgeschlossenen Widerstand, den sie trotz Entfesselung eines mächtigen Artilleriefeuers und immer wiederholten Stürmen nicht zu bewältigen vermochten. Da griff die Kampfgruppe des Generals v. Oppeln zum drittenmal in den Gang der Schlacht ein und führte mit deutschen und k. u. k. Truppen einen so kraftvollen Gegenangriff in die russische Nordflanke, daß die Russen gezwungen waren, den Stoß gegen Podhajce aufzugeben und Reserven wie Artillerie zur Abwehr des Flankenangriffs herumzuwerfen. Allein der Erfolg der Gruppe Oppeln war nicht mehr aufzuhalten. Auf der ganzen Gefechtsfront kamen die Russen ins Wanken; sie [442] verloren die Höhen von Kotuzow und Gnilowody, worauf sie gegen Abend auf den Talrand am Westufer der Strypa nordwestlich und westlich Buczacz zurückgingen.

So konnte sich die Front der Südarmee am 16. Juni schließen und festigen; eine glänzende Leistung, die der überragenden Führung Bothmers, der Entschlossenheit Oppelns, der unverwüstlichen Angriffskraft der deutschen Kämpfer und dem hierdurch bedingten Aufschwung der verbündeten Truppen zu verdanken ist. Zweifellos haben es die Russen an dem nötigen Schneid in beträchtlichem Maße fehlen lassen, denn sonst hätten sie gleich im Anfang der Schlacht mit ihrer versammelten Kraft den Stoß über die Linie Koropiec - Monasterzyska - Podhajce zur Sprengung der Verbindung zwischen der Südarmee und der k. u. k. 7. Armee durchführen können. Der Ehrenname "Fels Bothmer", wie er damals durch ganz Galizien erklang, war wohlverdient.

Am 16. Juni behauptete sich die deutsche Südarmee von Worobijowka an der Straße Zloczow - Tarnopol, wo sie zu erfolgreichen Gegenstößen schritt, über Kozlow bis Wisniowczyk auf den Höhen, die das Tal der Strypa im Osten begleiten, dann sprang die Front auf das Westufer dieses Flusses zurück und schloß einen Bogen, der durch die Hauptpunkte Kurdwanowka, Barysz, Potokzloty bezeichnet wurde. Solange sich die k. u. k. 7. Armee am Südufer des Dnjestr in der Gegend östlich Kolomea, mit dem Nordflügel etwa bei Horodenka, hielt, war ihr Anschluß an den Dnjestr nicht gefährdet, somit ihre Südflanke nicht bedroht. Im weiteren Verhalten der k. u. k. 7. Armee lag somit das Geschick der Südarmee.

Am Abend des 16. Juni 1916 war die Lage der Ostfront der Verbündeten in großen Zügen:

Die russische Heeresgruppe Brussilow meldete für die Zeit vom 4. bis 16. Juni die Gefangenenzahl auf 120 000 Mann, dazu eine Beute von 130 Geschützen und 260 Maschinengewehren.

Die Armee Kaledin lag vor dem Abschnitt des mittleren Stochod, im Bogen westlich Luck bei Kisielin - Lokacze - Swiniuchy und im Gelände südlich der Polionka bis an die untere Lypa, fest, ohne in Richtung auf Kowel - Wladimir Wolynsk - Sokal nach den Anfangserfolgen noch nennenswertes Gelände erringen zu können. Vielmehr hatte sie sich vielfacher Gegenangriffe der Heeresgruppe Linsingen zu erwehren.

Armee Schtscherbatschew stand an der Plaszewka gegen Armee Puhallo in unentschiedenem Kampf und hatte an der Ikwa den Widerstand der Armee Boehm-Ermolli nicht brechen können.

Armee Schtscherbatschew mußte sich mit geringem frontalen Geländegewinn gegen die deutsche Südarmee begnügen.

Den bedeutendsten Erfolg hatte Armee Letschitzki in der Bukowina errungen, wo die Armee Pflanzer-Baltin zwischen Pruth und Dnjestr bis in die Höhe der Südarmee wich und, wie vorgreifend bemerkt sei, am 17. Juli Czernowitz räumte.

[443] Jetzt galt es für die Heeresgruppe Brussilow, auf beiden Flügeln die Angriffsbewegung fortzuführen: in Wolhynien westlich Luck gegen Kowel - Wladimir Wolynsk - Sokal, südlich des Dnjestr gegen Stanislau - Tartaren-Paß. Machten diese Angriffe Fortschritte, so wurde das Mittelstück der feindlichen Front zwischen dem Quellgebiet des Styr und dem Dnjestr von selbst zum Rückzug gezwungen und hiermit für die Russen der Weg nach Lemberg frei. Allein die Verluste der Heeresgruppe Brussilow waren in jenen Kämpfen bedeutend größer gewesen, als man gerechnet hatte. Der Mangel an Reserven machte sich fühlbar. Es blieb kein anderer Weg, als von der Heeresgruppe Ewert und Kuropatkin schleunigst frische Kräfte heranzuziehen, um die Stoßkraft der Heeresgruppe Brussilow zu erhöhen. Jetzt rächte es sich, daß Alexejews Plan zu wenig Rücksicht auf den Grundsatz genommen hatte, daß man da, wo die Entscheidung erzwungen werden sollte, alle irgendwie verfügbaren Kräfte häufen muß. Der Zeitverlust mußte sich bitter fühlbar machen.

Die beiden Heeresleitungen der Verbündeten hatten durch die Verluste an Leuten, Heeresgerät, Gelände bei der k. u. k. 4. und 7. Armee eine Enttäuschung erlitten. Allein der Siegeszug der Russen war nach blendenden Anfangserfolgen dennoch ins Stocken geraten; jetzt kam es darauf an, aus der Ostfront nördlich des Sumpfgebiets deutsche Reserven heranzuziehen, um die weiteren Fortschritte des Feindes zu hemmen, leider aber auch deutsche Truppen der Westfront, k. u. k. Verbände dem italienischen Kriegsschauplatz zu entnehmen. Waren die deutschen Truppen auf dem Nordabschnitt der Ostfront trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der Russen abkömmlich, so wurden die Abgaben auf dem französischen Kampfplatz ebenso schmerzlich vermißt, wie die Entnahme österreichisch-ungarischer Verbände im Entscheidungsraum zwischen Etsch und Brenta. Jedenfalls war die russische Heeresleitung entschlossen, die ersten Fortschritte mit rücksichtsloser Wucht zu vollenden, während die Verbündeten nicht gewillt waren, weiteren Boden aufzugeben.


Die Schlacht in Wolhynien und Galizien vom 17. Juni bis Ende Juli 1916.

Am 16. Juni 1916 stellte sich die Heeresgruppe Linsingen in einem Bogen von Radziwilow (östlich Brody) bis Rafalowka am Styr auf einer Strecke von fast 100 km Ausdehnung zum einheitlichen und konzentrischen Angriff gegen Luck bereit:

  • die k. u. k. 1. Armee Puhallo von Radziwilow quer über den Styr und die Lipa bis in die Gegend von Swiniuchy, Front nach Nordosten;
  • die k. u. k. 4. Armee Tertszczanski quer über die Straße Wladimir Wolynsk - Luck im Raum Swiniuchy - Lokaczy - Kisielin, Front nach Osten;
  • die Gruppe v. der Marwitz mit dem deutschen X. Armeekorps (19. und 20. Infanterie-Division), der deutschen 108. Infanterie-Division, da- [444] hinter als Reserve die k. u. k. 29. Infanterie-Division, bei Turyjsk (zwischen Wladimir Wolynsk und Kowel), Front nach Südosten;
  • die Gruppe Bernhardi mit der deutschen Infanterie-Division Rusche, der k. u. k. halben 45. Schützen-Division, dem k. u. k. II. Armeekorps am Styr bei Sokul - Kolki;
  • das k. u. k. Korps Fath, die Polenlegion Puchalski, das k. u. k. Kavallerie-Korps Hauer und die 11. Honved-Kavallerie-Division Czito am Styr von Kolki abwärts zum Anschluß an das deutsche XXXXI. Reservekorps der Gruppe Gronau.

Bevor alle diese, aus den verschiedensten Bestandteilen bunt gemischten Truppenverbände zum einheitlichen Angriff vom 17. Juni ab übergehen konnten, schritten auch die Russen zum Angriff. So entwickelte sich ein hin und her wogendes Kämpfen zwischen Angriff und Verteidigung, bei welchem weder der deutsche Angriffsgedanke einheitlichen Ausdruck finden, noch auch das Vordringen der Russen gleichzeitig durchgeführt werden konnte. Je nachdem beiderseits frische Truppen in die wogende Schlacht geworfen wurden, flammte der Kampf bald hier, bald dort auf und führte zu Erfolgen vorübergehender Art.

Auf dem Styr-Bogen bei Sokul - Kolki gingen die über den Fluß vorgeschobenen Vortruppen der Gruppe Bernhardi an den dahinter liegenden Abschnitt des Styr zurück, weshalb eine allgemeine Rückverlegung der Front bis in das Polesje-Sumpfgebiet seitens der nördlich der Gruppe Bernhardi fechtenden Teile notwendig wurde. Hieraus entwickelten sich heftige Stellungskämpfe an den Styr-Engen. Die Verbündeten behaupteten diesen Abschnitt mit wechselndem Glück, doch waren sie nicht in der Lage, das Ostufer des Styr wiederzugewinnen. Besonders heftig wurde bei Grusiatny gekämpft, am linken Styr-Ufer halbwegs Sokul und Kolki, wo die Russen über den Fluß eingebrochen waren. Nach mehrtägigem Gefecht blieben Ort und Übergang den Verbündeten. Die bayerische 11. und die preußische 107. Infanterie-Division traten als willkommene Verstärkungen zur Gruppe Bernhardi, die hierdurch befähigt wurde, den Russen den Vormarsch auf Kowel zu wehren, obwohl Brussilow gerade an dieser Stelle der Armee Kaledin starke Reserven zuführte, um den großen strategischen Knotenpunkt Kowel zu gewinnen. Die Gruppe Bernhardi erwies sich den größten Anstrengungen des Feindes, an diesen Stellen durchzubrechen, gewachsen. Die Kämpfe am unteren Styr spielten sich als Gefechte um Fluß- und Sumpfengen ab, bei denen sich die von einzelnen deutschen Verbänden unterstützten k. u. k. Truppen tapfer hielten. Am 20. Juni konnte der Widerstand der Verbündeten am Styr als siegreich gelten.

Der Angriff bei der Gruppe v. der Marwitz und bei der k. u. k. 4. Armee ging nur langsam vorwärts, weil die Verstärkungen nur in Pausen, gleichsam tropfenweise flossen, auch an schwerer Artillerie Mangel herrschte. Als erste Staffel traf die deutsche 43. Reserve-Division bei Gorochow ein. Zusammen mit [445] der k. u. k. 48. und 61. Infanterie-Division und dem k. u. k. Kavallerie-Korps Leonhardi bildete sie eine Kampftruppe unter dem preußischen General der Kavallerie v. Falkenhayn, um den Raum zwischen der k. u. k. 1. und 4. Armee auszufüllen.

Mit Hilfe dieses erheblichen Zuwachses an Kampfkraft kam der Angriff der Verbündeten am 21. Juni in lebhafteren Gang. Allein es entwickelte sich von Stellung zu Stellung, von Abschnitt zu Abschnitt ein mühsames, nur langsam fortschreitendes Ringen, denn die Russen hatten Verteidigungslinien in engem Abstand hintereinander angelegt, die sie zähe hielten und, falls verloren, durch Gegenstöße sofort wieder zu nehmen suchten. Am 25. Juni hatten erreicht: k. u. k. 1. Armee mit dem linken Flügel Zwiniacze, Gruppe Falkenhayn mit der Mitte Bludow, k. u. k. 4. Armee Watin - Sadowo - Zaturcy (an der Straße Wladimir Wolynsk - Luck), Gruppe v. der Marwitz Gegend östlich Kisielin mit den Hauptkräften bei Wedczyny - Dorosino, wo sie Anschluß an die Gruppe Bernhardi hatte, deren rechter Flügel um diese Zeit an der Eisenbahn Kowel - Rowno focht und sich von dort in das Gelände zwischen Sokul am Styr und Janowka am Stochod erstreckte.

Die auf den Erfolg des konzentrisch gegen Luck vorgehenden Angriffes der Verbündeten gesetzte Erwartung erfüllte sich nur insoweit, als die durch den Stoß der Armee Kaledin geschaffene Lücke wieder geschlossen und dem Gegner weiterer Geländegewinn streitig gemacht wurde, mochte er auch noch so viele Reserven in den Kampf werfen. In der Hoffnung, die Russen westlich Luck zu umfassen und abzuschnüren, wurde eine Neugliederung der verbündeten Streitkräfte vorgenommen, wobei der Druck auf die feindliche Südflanke im Vordergrund stand, mit der Absicht, die Russen von der Hauptstraße Luck - Wladimir Wolynsk abzudrängen und gegen die Sümpfe des Stochod zu drücken. Die gemeinsame Leitung übernahm General v. der Marwitz, dem hierzu unterstellt wurden:

  • der linke Flügel der k. u. k. 1. Armee an der Lipa, verstärkt durch die soeben eingetroffene deutsche 22. Division, durch die deutsche 108. und die k. u. k. 7. Infanterie-Division;
  • die Gruppe Falkenhayn.

Die hierdurch notwendig werdenden Truppenbewegungen machten die Verschiebung des Angriffes auf den 29. Juni notwendig. Heftiges Regenwetter erschwerte die Artilleriewirkung und das Vorgehen der Infanterie auf dem tief durchweichten Lehmboden Wolhyniens. Am 1. Juli begann der allgemeine Angriff. Bis zum 2. abends arbeitete er sich zwischen der Lipa und Polionka auf der fast 20 km breiten Front bis in die Linie Zloszewka - Ugrinow, 5 km tief, vor, allerdings unter nicht geringen Verlusten. Russische Gegenstöße gegen den rechten Flügel aus dem Styr-Tale herauf wurden abgewiesen. Die russische Stellung bei Bludow konnte nicht genommen werden. Die k. u. k. 4. Armee, das deutsche X. Armeekorps und die Gruppe Bernhardi errangen einzelne örtliche [446] Erfolge, mußten sich aber im wesentlichen darauf beschränken, den gewonnenen Boden festzuhalten und russische Gegenstöße zu dämpfen. Man gewann den Eindruck, daß die Russen nicht gewillt waren, den Bogen westlich Luck leichten Kampfes aufzugeben.

Gegen die untere Styr-Front setzte der rechte Flügel der russischen Armee Kaledin vom 4. Juli ab äußerst heftige Angriffe an. Bei Sokul behauptete sich der rechte Flügel der Gruppe Bernhardi - k. u. k. Korps Fath - gegen ungestüme russische Vorstöße und hielt enge Fühlung mit dem deutschen X. Armeekorps nach rechts. Dagegen nahmen die Russen Kolki und setzten westlich der Stadt über den Styr. Kobyli geriet in ihren Besitz, auch der bei Sokul in der Enge zwischen Styr und Stochod, Front nach Südwesten, kämpfenden bayerischen 11. Infanterie-Division, die Unterstützungen nach Kobyli entsandte, gelang es nicht, den Ort wiederzunehmen. Unterhalb Kolki, bei Kolodia, überschritten die Russen den Styr. So mußte der linke Flügel, das Korps Fath, weichen. Diese Bewegung bewirkte, daß alle am Styr abwärts stehenden verbündeten Abteilungen den Styr-Abschnitt aufgeben und am 7. Juli hinter den Stochod zurückgehen mußten, dessen Übergänge bei Smolary, Zarecze, Toboly, Lubieszow gehalten wurden. Nicht weniger als zehn Infanterie-Divisionen hatten die Russen dazu eingesetzt, dem Gegner den Bogen des Styr bei Kolki - Chatorysk - Rafalowka zu entreißen. Ihr Gewinn betrug auf 50 km Breite etwa 7 km Tiefe Sumpfgelände. Die Verbündeten hatten sich ohne erhebliche Verluste loslösen können.

Das Zurückbiegen des linken Flügels der Heeresgruppe Linsingen vom Styr an den Stochod machte es erforderlich, für alle Fälle wenigstens kleine Reserven am westlichen Stochod-Ufer bereitzuhalten, um ein weiteres Vordringen über den Stochod zu verwehren. Da um diese Zeit ein sehr bedeutender Angriff gegen die Armee-Abteilung Woyrsch bei Baranowitschi einsetzte und deutscherseits Verstärkungen dorthin entsendet werden mußten, blieb dem Generalobersten v. Linsingen keine andere Wahl, als vorläufig den Angriff im "Bogen von Luck" einzustellen, um sich so mit dem zu begnügen, was man gewonnen hatte. Es kam nicht darauf an, Gelände zu erobern, sondern die Russen zu binden und ihre weitere Bewegung westlich Luck zu lähmen.

In diesem Sinne befahl Linsingen, am 7. Juli die Angriffe einzustellen. Er ordnete an: es befestigen und halten

  • die Gruppe Marwitz die Front Malewo - Zloczewka - Ugrinow - Bludow,
  • die k. u. k. 4. Armee Bludow - Zaturcy - Kisielin,
  • das deutsche X. Armeekorps Kisielin - Solotwin (östlich Ozierany),
  • die Gruppe Bernhardi, welcher Korps Fath und die weiter nördlich stehenden k. u. k. Verbände unterstellt blieben, die Stochod-Linie von Solotwin an abwärts.

Da deutlich zu erkennen war, daß die Russen sehr starke Kräfte mit Hilfe [447] der geschickt angelegten Eisenbahnen des Polesje-Sumpfgebietes zum Angriff gegen die Stochod-Linie häuften und der deutschen Heeresleitung die Behauptung dieses Abschnittes zur Deckung des Dreiecks Kowel - Pinsk - Brest Litowsk erforderlich schien, wurden alle zunächst eintreffenden Verstärkungen westlich des Stochod bereitgestellt: bayerische Kavallerie-Division, zusammengesetzte Infanterie-Division Clausius, 108. Infanterie-Division, 9. Kavallerie-Division, 1. Landwehr-Division, 75. Reserve-Division, somit sehr erhebliche Kräfte. Außerdem erhielt Gruppe Marwitz die Weisung, gegen die Südfront der Armee Kaledin kräftig vorzustoßen, um hierdurch die Russen zu fesseln und von der Stochod-Linie abzuziehen. Hieraus entwickelten sich vom 9. bis 15. Juli heftige Kämpfe um die Hauptübergänge des Stochod bei Sokul - Janowka, Kaszowka, Smolary, Zarecze, Toboly, Lubieszow. An vielen Stellen bei und zwischen diesen Übergangspunkten gelangten die Russen, die auf der genannten Front etwa zwölf Infanterie-Divisionen in den Kampf zu bringen vermochten, an den Fluß. An den meisten Stellen wurden sie sofort abgewiesen, an anderen drangen sie zwar auf das westliche Ufer vor, mußten aber vor den Gegenstößen der deutschen und österreichisch-ungarischen Verfügungstruppen nach zum Teil heftigem Gefecht wieder auf das Ostufer zurückweichen. Mitte Juli bildete der Stochod die Trennungslinie der Gegner. Im Kampfraum westlich Luck wurde während der genannten Zeit ohne Entscheidung gefochten. Russische Vorstöße scheiterten an dem Widerstand der gut befestigten Stellungen der Verbündeten, die ihrerseits sich auf örtliche Angriffe ohne nennenswerten Geländegewinn beschränkt sahen.

Inzwischen hatten sich südlich des Dnjestr Kämpfe abgespielt, die für die k. u. k. 7. Armee neue Verluste an Gelände bedeuteten.9 Von Abschnitt zu Abschnitt kämpfend, ging diese Armee vor der russischen 9. Armee Letschitzki, die durch das Reiterkorps Graf Keller und die demselben zugeteilten Schützenbrigaden sowie durch Zuzug aus der Heeresfront Kuropatkin verstärkt worden war, aus der Bukowina zurück. Am 28. Juni gelangten die Russen mit ihrem Nordflügel bis in die Linie Zabie - Kuty - Zablotow - Obertyn - Niezwiska am Dnjestr und standen bereit, mit dem linken Flügel gegen die Waldkarpathenpässe, mit der Mitte über Kolomea vorzugehen und mit dem rechten Flügel eine Lücke am Dnjestr zwischen der k. u. k. 7. Armee und der deutschen Südarmee zu stoßen.

Die k. u. k. 7. Armee war entschlossen, zur Deckung des Raumes von Kolomea die Flußlinien des Bystrec, des Czeremosz und der Czerniawa zu halten, bis die in Halicz auszuschiffenden deutschen Verstärkungen zur Stelle sein konnten:

  • die 105. Infanterie-Division aus dem Verbande der 11. Armee in Mazedonien,
  • die 119. Infanterie-Division von der Narocz-Front.

[448] Die k. u. k. Heeresleitung hoffte jedoch vergeblich, in der angegebenen Linie zum endgültigen Halt zu kommen und mit Hilfe der beiden deutschen Divisionen sowie der vom italienischen Kriegsschauplatz eiligst heranbefohlenen eigenen Divisionen zum allgemeinen Gegenangriff zu schreiten. Brussilow verlangte von Letschitzki, daß er diesmal die feindliche Front entscheidend brechen werde. Allein die Russen wurden auf ihrem Nordflügel am Dnjestr, bei Niezwiska und an der Czerniawa unter schweren Opfern abgewiesen. Dagegen erzwangen sie bei Kuty die Übergänge über den Czeremosz, nahmen am 28. Kosow, am 29. Pistyn und drückten den Feind hinter die Pistynka zurück. Von Süden her bedroht, mußte General v. Pflanzer-Baltin den Abschnitt der Czerniawa räumen. Kolomea ging verloren. Um einer Zersplitterung der Gesamtfront vorzubeugen, ordnete das Armee-Oberkommando an, daß die k. u. k. 7. Armee in die Linie Berezow - Peczenizyn - Sadzawka - Ottynia zurückgenommen werden sollte. Die deutsche 119. Infanterie-Division stellte sich hinter dem Nordflügel dieser Front bei Tysmienica bereit.

Das Oberkommando der deutschen Südarmee hatte, um die Verbindung im Dnjestr-Tal mit der k. u. k. 7. Armee sicherzustellen, eine gemischte Abteilung Leide der k. u. k. 15. Infanterie-Division vom XIII. Armeekorps über den Strom nach Piotrow in die große Schleife entsandt. Durch den unglücklichen Verlauf der Kämpfe bei Kolomea mußte sich auch Generalmajor Leide zum Rückzug nach Tlumacz entschließen. Während dieser Bewegung wurde die Abteilung am 29. Juni von den russischen Reitermassen der unter dem Grafen Keller - der in diesen Kämpfen schwer verwundet wurde - vereinigten Kavallerie-Korps mehrmals sehr ungestüm angegriffen, ein Beispiel großzügiger Kavallerieverwendung auf der Verfolgung. An den Staffelattacken, die auf 3 km Front und in 6 Wellen erfolgten, nahmen nach russischem Bericht 150 Schwadronen teil, denen mehr als 20 Batterien Unterstützung leisteten. Die Reiterstürme, die sich am 30. wiederholten, wurden unter den schwersten Verlusten abgewiesen.

Am 1. Juli 1916 erreichte die Spannung bei der k. u. k. 7. Armee den Höhepunkt: es sollte sich erweisen, ob es Brussilow und seinem Armeeführer Letschitzki gelingen könne, sich nochmals den Weg über die Karpathen-Pässe nach Ungarn zu öffnen. Deutscherseits hatte man alles getan, was möglich war, um der k. u. k. 7. Armee Verstärkungen zuzuführen: außer den beiden genannten Divisionen 105 und 119 wurde der deutschen Südarmee die deutsche 1. Reserve-Division überwiesen, wo sie mit der bereits dort verwendeten 48. Reserve-Division den Kern des auf Angriffsstöße gestützten Widerstandes wurde. Diese Division gab nach Bedarf einzelne Bataillone an die k. u. k. 7. Armee ab. Zeitweise fochten Abgaben deutscher Truppen, zusammen etwa eine Division, aus Verbänden der 105. und 119. Infanterie-Division, verstärkt durch solche der 48. Reserve-Division, auf dem Südflügel der k. u. k. 7. Armee in den Karpathen beim Tartaren-Paß.

[449] Die Oberste Heeresleitung war mit inneren Vorgängen im k. u. k. Heere, die sich nicht allein auf der Luck-, sondern auch auch der Dnjestr- und Karpathen-Front nachteilig erwiesen, nicht einverstanden. "Um ihnen vorzubeugen", schrieb General v. Falkenhayn,10 "forderte der Generalstabschef eine zweite Sicherung durch Zusammenfassung der Front zwischen Pripjet und Dnjestr unter dem Befehl des Generalfeldmarschalls v. Mackensen. Die Überlassung einer Machtfülle an einen Teilführer, wie sie hiernach dem Feldmarschall zugedacht war, hatte gewiß hinsichtlich der Einheitlichkeit der Kriegsleitung manche Bedenken gegen sich. Indessen glaubte man sie in Berücksichtigung der Notlage und der Persönlichkeit des Feldmarschalls zurückstellen zu dürfen. Das k. u. k. Armee-Oberkommando wehrte sich aber auch gegen diese Absicht entschieden, indem es betonte, daß durch ihre Verwirklichung gerade in der gegenwärtigen Kriegslage eine diminutio capitis für das Armee-Oberkommando eintreten müsse, die verderblich wirken würde. Da diese Behauptung im Augenblick nicht zu widerlegen war und außerdem nördlich des Dnjestr nur noch die k. u. k. 2. Armee nicht unter deutschem Einfluß stand, wurde von der Berufung des Feldmarschalls vorläufig abgesehen. Aus dem gleichen Grunde gelang es auch Ende Juni noch nicht, die damals ins Auge gefaßte ähnliche Verwendung des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg zu verwirklichen. Dagegen trat der deutsche General v. Seeckt als Stabschef zur k. u. k. 7. Armee, die sich in dem Raum südlich des Dnjestr bis zur rumänischen Grenze befand. Das k. u. k. Armee-Oberkommando übernahm endlich die Verpflichtung, keine wichtigeren operativen Entschlüsse ohne vorherige Vereinbarung mit der Obersten Heeresleitung zur Ausführung bringen zu lassen." Stegemann11 fügt diesen Erwägungen, die man bei Abwertung der Kriegführung der Verbündeten auf der Ostfront in Rechnung stellen muß, hinzu: "Es war der deutschen Obersten Heeresleitung zwar gelungen, das Äußerste zu verhüten und durch Einsetzen deutscher Divisionen die gewaltigen Stoßkeile Brussilows am Stochod und an der Worona12 abzustumpfen, aber zu operativen Gegenmaßnahmen hatten weder Zeit noch Kräfte gereicht. Auch die Abwehr war nicht überall geglückt. Die Truppen Österreich-Ungarns besaßen nicht mehr die nötige Standfestigkeit, um ohne Einsatz deutscher Verbände zu fechten. Nur wo der Deutsche erschien, festigte sich die Front."

Durch die deutschen Truppen verstärkt, gewann die k. u. k. 7. Armee die Kraft, am 1. Juli zum Gegenangriff auf beiden Flügeln zu schreiten und die Kämpfe zwischen den Karpathen und dem Dnjestr aus der rückgängigen Bewegung in ein Vorgehen zu verwandeln. Hierzu wurden zwei Angriffsgruppen gebildet:

[450]  auf dem südlichen Flügel im Gebirge am rechten Pruth-Ufer bei Berezow die Gruppe Feldmarschalleutnant Nemeszek, bestehend aus der k. u. k. 44. Schützen-Division und 3 Bataillonen der deutschen 105. Infanterie-Division,
        auf dem nördlichen Flügel am rechten Dnjestr-Ufer bei Tlumacz die Gruppe Generalleutnant v. Kraewel, bestehend aus der deutschen 119. Infanterie-Division, 6 Bataillonen der deutschen 105. Infanterie-Division, der k. u. k. verstärkten Halbbrigade Leide.

Auf beiden Angriffsfeldern wurden am 1. und 2. Juli erhebliche Fortschritte gemacht. Vom 3. ab setzte ein mit starken Kräften geführter Gegenstoß der Russen ein, der sie bis zum 6. auf dem Südflügel und am Dnjestr vorwärtsbrachte. Am Abend dieses Tages hielten die verbündeten Truppen die Front des Karpathen-Grenzkammes südöstlich des Tartaren-Passes, diesen Paß selbst, weiter nördlich die Höhen des westlichen Pruth-Ufers, weiterhin die Linie westlich Delatyn - Ottynia - Tlumacz fest, um bei Nizniow Anschluß an den Dnjestr zu halten. Der Angriffsgedanke der Verbündeten war fehlgeschlagen, trotz mehrfacher Teilerfolge hatte sich das Übergewicht nicht herstellen lassen. Es gebrach an genügenden frischen Kräften, um eine großzügige Angriffsbewegung zwischen Karpathen und Dnjestr aufzunehmen, den russischen Südflügel zu werfen, die Bukowina vom Feinde zu säubern und auf Rumänien Eindruck zu machen.

Daher entschloß sich das k. u. k. Armee-Oberkommando zu einer schärferen Zusammenfassung der Kräfte, wozu auch die vorerwähnten Anregungen und Forderungen der deutschen Obersten Heeresleitung Anlaß gaben, denen man hiermit den Boden der Berechtigung entziehen wollte. Vom 20. Juli ab wurde die ganze Front von der deutschen Südarmee an (einschließlich) bis in die Karpathen dem neugeschaffenen Heeresgruppenkommando des Erzherzogs-Thronfolger Karl unterstellt, dem unterstellt wurden:

  • die deutsche Südarmee Bothmer von der Straße Zloczow - Tarnopol bis auf das südliche Dnjestr-Ufer nördlich Tlumacz,
  • die neugebildete k. u. k. 3. Armee Köveß von Tlumacz bis an den oberen Pruth,
  • die k. u. k. 7. Armee Pflanzer-Baltin vom oberen Pruth in den Waldkarpathen bis an die rumänische Grenze.

Generalmajor v. Seeckt kam als Generalstabschef zum Erzherzog, beigegeben war der k. u. k. Oberst Freiherr v. Waldstätten. Von der italienischen Front wurden beträchtliche Verstärkungen der neu aufgestellten Heeresgruppe zugeführt. Deutscherseits traten die 2. Jäger-Brigade als "Karpathenkorps" und die 200. Infanterie-Division Conta in den Verband der k. u. k. 7. Armee.

Inzwischen hatten in Wolhynien sehr ernste, für die verbündeten Waffen an vielen Stellen ungünstige Kämpfe stattgefunden. In der Nacht 15./16. Juli griff der Nordflügel der russischen 11. Armee Sacharow den Ostflügel der Gruppe [451] Marwitz in der Linie Malewo am Styr - Ugrinow mit großer Übermacht an und zwang die dort kämpfenden drei k. u. k. Divisionen (48. und 61. Infanterie-, 7. Kavallerie-Division) unter sehr schweren Verlusten zum Abzug bis hinter die Lipa, nachdem das Eingreifen deutscher Truppen zu Gegenstößen keine Wendung hatte bringen können. In der folgenden Nacht mußten auch die noch östlich des Styr bei Werben stehenden Teile über Beresteczko hinter den Fluß zurückgenommen werden; die Russen hatten hier bedeutende Massen mit einer überwältigenden Artillerie zum Zweck bereitgestellt, die k. u. k. 1. Armee Puhallo von Osten her aufzurollen und von der Verbindung mit der k. u. k. 2. Armee Boehm-Ermolli abzusprengen. General v. der Marwitz sandte seine deutschen Gruppenreserve, 6 Bataillone stark, der k. u. k. 1. Armee zu Hilfe und unternahm Entlastungsangriffe bei Zwiniacze - Gorochow mit deutschen Truppen - vergebens: die k. u. k. 1. Armee blieb im Weichen und stand am 24. abends in der Front nordöstlich Brony - Lobaczewka beiderseits des Styr. Gruppe Marwitz hielt die Front Lobaczewka - Zwiniacze - Gorochow und warf weitere Vorstöße der Russen zurück.

Die k. u. k. 1. Armee hatte eine Niederlage erlitten und war in starker Verwirrung. Daher wurde sie am 25. Juli aufgeteilt: was westlich des Styr stand, trat unter die Gruppe Marwitz, unter dessen Oberbefehl Generalleutnant Dieffenbach die Führung der vereinigten deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen übernahm, während der Abschnitt westlich des Styr an die k. u. k. 2. Armee überging. Die Russen setzten ihre Angriffe mit rücksichtslosem Kräfteverbrauch fort. Die Gruppe Dieffenbach warf an vielen Stellen die sehr heftigen Russenstöße zurück und schritt zu mehrmaligen Gegenangriffen. Indessen verliefen die Kämpfe der k. u. k. 2. Armee so ungünstig, daß sie bis zum 28. Juli den ganzen Geländestreifen bei Brody mit dieser wichtigen Stadt räumen und in einer Stellung Zalosze am unteren Sereth - Jasianow an der Straße Zloczow - Brody - unterhalb Boldury am Styr sich weit vom Feinde absetzen mußte. Durch dieses erhebliche Zurückschwenken sah sich auch Gruppe Dieffenbach genötigt, die Front trotz der bis dahin erfolgreichen Kämpfe bis in die Linie Szczurowice - Lobaczewka mit der Front nach Osten zurückzubiegen.

Nachdem die Russen in den Kämpfen bei Beresteczko und Brody unverkennbar große Erfolge erreicht hatten, setzten sie am 28. Juli den von ihnen erhofften Entscheidungsstoß zum Durchbruch auf Wladimir Wolynsk und Kowel an. Hierzu sollten vorgehen:

  • die 8. Armee Kaledin gegen die k. u. k. 4. Armee und das deutsche X. Armeekorps in der Linie Swiniuchy - Zaturcy - Dorosin,
  • die neu eingeschobene, durch das frisch aufgefüllte Gardekorps verstärkte Gruppe Bezobrazow gegen Gruppe Bernhardi von Dorosin - quer über die Eisenbahn Rowno - Kowel - Janowka - Kaszowka am Stochod,
  • die Armee Lesch der Heeresgruppe Ewert gegen die Stochod-Übergänge von Kaszowka nördlich.

[452] Ein schweres Ringen begann. Die russische Garde, kaukasische, turkestanische, sibirische Kerntruppen spannten sich aufs äußerste an, um nach Gastrommelfeuer den Durchbruch zu erzwingen. Auf Seite der Verbündeten waren die Reserven um Kowel und Wladimir Wolynsk so bereitgestellt, daß sie überallhin unverweilt geworfen werden konnten, wo die Russen durchgebrochen waren, oder eine Abriegelung der Einbruchsstellen sich als erforderlich erwies. Die Zusammenfassung in Gefechtstruppen mit gehöriger Tiefengliederung machte sich bestens bezahlt: deutscherseits fochten die Gruppen Litzmann, Falkenhayn, Bernhardi in der Front Kisielin - längs des oberen Stochod bis an die Eisenbahn Janowka - Kaszowka - Gulwitschi - Stobywocha und weiter am Stochod abwärts bis in das Sumpfgebiet gegen Pinsk hin, Schulter an Schulter mit k. u. k. Truppen, ihnen Halt und Kraft zu Gegenstößen verleihend. Die Front südlich der Eisenbahn Rowno - Kowel blieb fest und brachte alle russische Angriffe zum Scheitern. Indessen mußte das sogenannte "Stochod-Knie" bei Janowka - Kaszowka vom k. u. k. II. Armeekorps geräumt und eine neue Stellung auf der Sehne des Bogens bezogen werden. Bei Stobywocha, wo die Russen über den Stochod gekommen waren, warf sie der Gegenangriff der deutschen verstärkten Division Clausius zurück. Die Schlacht am Stochod, die in den ersten Augusttagen erlosch, blieb - unabhängig von den Geländeverlusten - ein Mißerfolg der russischen, ein Erfolg der verbündeten Waffen. Auf beiden Seiten waren große Verluste eingetreten, viel stärkere aber bei den Russen wie bei deren Gegnern. Der Weg nach Kowel und Wladimir Wolynsk war für Brussilow nochmals gesperrt, die Folgen der Niederlage bei Beresteczko und Brody, die den Ansturm der Russen auf Lemberg zu ebnen schienen, einigermaßen ausgeglichen.


Die Bildung der Heeresfront Hindenburg.

      "Es war dies eine der größten Krisen der Ostfront", schreibt Ludendorff,13 "die Hoffnung, daß die k. u. k. Truppen die unbefestigte Stellung hielten, war nur gering. Wir wagten es, uns noch weiter zu schwächen, auch Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern nahm das gleiche auf sich. Obschon die russischen Angriffe jeden Augenblick von neuem beginnen konnten, wurde weiter gestreckt, einzelne Regimenter wurden freigemacht, um den linken Flügel der Heeresgruppe Linsingen nordöstlich und östlich Kowel zu stützen. Wich dieser noch weiter zurück, so war nicht auszudenken, wohin wir kommen würden. Es waren ungemein ernste Tage, wir gaben alles weg und wußten wohl, daß uns keiner helfen konnte, wenn der Feind uns angriff... Noch waren diese Kämpfe (bei Riga) nicht abgeschlossen, als Ende Juli wiederum sichere Anzeichen für die Fortsetzung der Angriffe bei Baranowitschi und gegen den Stochod in seinem ganzen Laufe vorlagen. Mit banger Sorge sahen wir ihnen entgegen, die [453] Truppen waren durch die steten Kämpfe erschöpft und mußten weite Fronten decken, die k. u. k. Truppen hatten jedes Zutrauen zur eigenen Kraft verloren und bedurften überall des deutschen Rückhalts. Bis zum Stochod überblickten wir die Lage, weiter südlich waren wir nicht so im Bilde. Wir wußten nur, daß jetzt auch Generaloberst v. Boehm-Ermolli bei Brody Angriffe erwartete, und daß der Russe seine Angriffe zwischen Dnjestr und Karpathen mit aller Kraft fortsetzte und weiter im Gebirge nach dem Kamm zu Gelände gewann. General Graf Bothmer war wie ein Fels in der brandenden See weiterer feindlicher Angriffe im wesentlichen Herr geblieben."

Die Überzeugung, daß zwischen der deutschen Obersten Heeresleitung und dem k. u. k. Armee-Oberkommando eine beiderseits vollbefriedigende Übereinstimmung über die Regelung der Kommandoverhältnisse doch nicht zu erlangen war, führte zur Erwägung, die heikle Frage am zweckmäßigsten und schnellsten durch eine unmittelbare Vereinbarung zwischen den beiden Kaisern zu lösen. Da die Unterstellung der ganzen Ostfront am Widerstand des k. u. k. Armee-Oberkommandos, vertreten durch dessen Chef Conrad, scheiterte, übernahm Kaiser Wilhelm die Aufgabe, einen gangbaren Ausweg zu vermitteln. Bei einer Besprechung im deutschen Großen Hauptquartier zu Pleß, an welcher Hindenburg, Ludendorff, Erzherzog Friedrich und Conrad teilnahmen, wurde die ebenso notwendige wie ersehnte Einigung vollzogen. Mit dem 28. Juli übernahm Hindenburg, ihm zur Seite Ludendorff als Chef des Stabes, den Oberbefehl über die Nordostfront bis einschließlich der k. u. k. 2. Armee. Er unterstand der deutschen Obersten Heeresleitung, die für das Gebiet südlich des Pripjet vorherige Vereinbarung mit dem k. u. k. Armee-Oberkommando zusicherte. Die Armeen des Südflügels wurden die "Heeresgruppe Erzherzog-Thronfolger".

      "Niemand wird des Glaubens sein," urteilt Generalleutnant v. Cramon,14 "daß der Name Hindenburg allein die Lage im Osten ändern konnte. Jedem wird es einleuchten, daß der Feldmarschall mit dem Kommando auch die Verantwortung übernahm und dadurch der ganzen Front näherrückte. Ohne zeitraubende Umwege über zwei Heeresleitungen und ohne täglichen Kampf mit persönlichen Empfindlichkeiten konnte er nunmehr an seiner Front Ordnung halten. Mit seiner Befehlsübernahme begann das systematische Einschieben deutscher Verbände in die Front der Verbündeten und ein weitgehender Offizieraustausch. Die Heere lernten sich gegenseitig kennen, sie gewannen Einblick in ihre Eigenart, das wechselseitige Interesse stieg und, abgesehen von einzelnen Unentwegten und einzelnen Entgleisungen, hat die Sache dabei unendlich viel gewonnen. Mir ist von sehr vielen alten und jungen österreichisch-ungarischen Offizieren mit überzeugender Offenheit erzählt worden, daß sie das Zusammengehen mit deutschen Truppen und die Tätigkeit unter deutschem Kommando schon lange [454] gewünscht und durch die Erfahrung keinerlei Enttäuschung erlitten hätten. Im Soldatenmund hießen die in die Front eingeschobenen deutschen Verbände die »Korsettstangen«. Die Bezeichnung mag nicht gerade geschmackvoll sein, das Bild an sich war richtig."

Das Hauptquartier der Heeresfront Hindenburg kam von Kowno nach Brest-Litowsk, wo er am 2. August den Oberbefehl antrat. Generaloberst v. Eichhorn übernahm, an Stelle Hindenburgs, unter Beibehalt seines Oberkommandos über die 10. Armee, den Heeresgruppenbefehl über die Armee-Abteilung Scholtz und die 8. Armee Otto v. Below. Die 12. Armee Fabeck trat unter den Befehl der Heeresgruppe Prinz Leopold von Bayern, die außerdem die 9. Armee, die Armee-Abteilungen Woyrsch und Gronau umfaßte. Die Heeresgruppe Linsingen und die k. u. k. 2. Armee blieben in der bisherigen Befehlsgliederung.


Die Schlacht in Wolhynien und Galizien im August, September, Oktober 1916.

An Verstärkungen traf für die Verbündeten hinter der Ostfront zunächst das türkische XV. Armeekorps (19. und 20. Division) unter Jakob Schefki Pascha von Konstantinopel über Belgrad in Galizien ein.

      "Ich habe von Anfang an diese Abgabe für einen Fehler gehalten und halte sie auch heute noch dafür... Die Türkei war, bei klarer Beurteilung der Gesamtlage im Jahre 1916, nicht mehr imstande, ihre eigenen Gebiete und Grenzen zu schützen... Die nach Europa abgegebenen türkischen Truppen mußten ein ganz anderes Bild bieten als diejenigen in der Türkei selbst. Denn bei ersteren wurden vor dem Abtransport alle minderwertigen Offiziere und bei jeder Division Tausende von körperlich minderwertigen Mannschaften mit den besten Offizieren und Mannschaften der zurückbleibenden Truppen vertauscht. Die abzugebenden Divisionen erhielten die gesamte gute Bekleidung und Ausrüstung, die für die ganze Armee bestimmt waren. Sie wurden auf den vollen Etat gebracht, sogar unter Zuweisung von Reservemannschaften über diesen Etat, während die Frontstärke der in der Türkei verbleibenden Truppen und ihre Qualität dauernd gemindert wurde. Auch durften gemäß Befehl des Kriegsministers nur die besten Offiziere und die besten Ersatzmannschaften den Truppen in Europa nachgesandt werden."15

Das türkische XV. Armeekorps sollte ursprünglich die Heeresgruppe Linsingen verstärken, wurde dann aber, als sich eine Notlage ergab, der deutschen Südarmee überwiesen. "Die Türken haben sich im Rahmen der deutschen Südarmee gut geschlagen, obschon sie eine ihnen ganz neue Kampfweise zu lernen und zu führen hatten."16

Als Verstärkung für die Heeresgruppe Linsingen traf die deutsche 10. Landwehr-Division ein. Drei weitere, frisch aufzufüllende deutsche Divisionen wurden für die Ostfront in Aussicht gestellt: zwei für die Heeresfront Hindenburg, eine [455] für Erzherzog-Thronfolger. Einstweilen mußte sich Hindenburg mit den denkbar geringsten Reserven behelfen.

      "Wir machten noch wenige Kavallerie-Regimenter sowie eine gemischte Abteilung in Stärke von 3 Bataillonen und einigen Batterien unter General Melior frei. Diese hatten wir bereits der k. u. k. 2. Armee zugesagt. Sie wurde sofort dorthin abgefahren. Unsere einzige Reserve für eine Front von etwa 1000 km bestand demnach nur in einer durch Artillerie und Maschinengewehre verstärkten Kavallerie-Brigade - kein beneidenswerter Zustand, wenn man täglich darauf gefaßt sein muß, an weit entlegenen Stellen auszuhelfen. Es ist aber doch ein Zeichen dafür, was wir Deutschen geleistet haben."17

Nach kurzer Atempause setzte sm 3. August 1916 die Schlacht in Galizien und Wolhynien wieder mit erneuter Wucht ein. Auf verbündeter Seite wurde zunächst in den Wald-Karpathen südöstlich des Tartaren-Passes ein Vorstoß angesetzt, um die Russen vom Karpathen-Kamm nahe der rumänischen Grenze abzudrängen. Hier wurde eine Gruppe Conta gebildet, deren Kern die deutsche 200. Infanterie-Division war. Sie nahm bereits am 3. August die beherrschenden Bergkuppen Ludowa (1466) - Baba Ludowa (1583) zurück, konnte aber im Czeremosz-Tal abwärts, durch Gegenstoß russischer Reserven aufgehalten, keinen Raum gewinnen. Am 10. traf bei Kirlibaba im Tale der Goldenen Bistritz die deutsche 1. Infanterie-Division ein, die dem General v. Conta unterstellt wurde; doch konnten keine weiteren Fortschritte in dem schwierigen Gebirgsgelände gewonnen werden. In der Gegend des Tartaren-Passes hielt die meist aus k. u. k. Landsturmtruppen bestehende Gruppe Krauß mit Hilfe der deutschen 2. Radfahr-Brigade die Gebirgsübergänge. In vielfach wechselnden Kämpfen wurden die Russen an der Bezwingung der Paßenge verhindert und hiermit ihr Einmarsch nach Ungarn auf der ganzen Kammstrecke von Kirlibaba bis zum Tartaren-Paß gesperrt.

Während dieser Karpathen-Kämpfe, die über den Rahmen örtlichen Abringens trotz ihrer Heftigkeit nicht hinausgingen, richtete die russische Armee Letschitzki ihren geschlossenen Angriff gegen den nördlichen Teil der Front zwischen Karpathen und Dnjestr. Die dort eingesetzten deutschen und österreichisch-ungarischen Verbände der k. u. k. 3. Armee (deutsche 105. und 119. Infanterie-Division - Gruppe Kraewel - und k. u. k. I. und VIII. Armeekorps, k. u. k. 6. Kavallerie-Division) mußten am 9. August hinter den Abschnitt der Bystrzyca zurückgehen. Hiermit wurde Stanislau aufgegeben, der linke Flügel bei Jezupol an den Dnjestr geschoben. Nach dieser beträchtlichen Rückwärtsbewegung blieb der Südarmee Bothmer keine andere Wahl, als auf Anordnung des Heeresfrontkommandos am 11. August in die Linie Mariampol am linken Dnjestr-Ufer - Zawalow an der Zlota Lipa - Koniuchy - Zborow zurückzugehen. [456] So gab sie das heiß umstrittene Gelände bei Podhajce und den Abschnitt der oberen Strypa auf, nicht infolge eines unmittelbaren Drucks auf die eigene Front, sondern durch die ungünstigen Ereignisse bei der Nachbararmee hierzu genötigt. Die Loslösung der Südarmee vom Gegner vollzog sich in tadelloser Haltung in zwei Nachtmärschen, wobei die Nachhuten in harten Kämpfen das Nachdrängen des Gegners hinhielten. Vom 14. August ab griffen die Russen mit großer Wucht die neue Stellung der Südarmee an. Am Dnjestr und südlich dieses Flusses stellte das soeben eintreffende deutsche XXIX. Reservekorps Gerok die Verbindung zwischen der Südarmee und der k. u. k. 3. Armee her. Nordwärts dieser Gruppe kämpften zwischen den k. u. k. Armeekorps die deutsche 108. Infanterie- und 1. Reserve-Division sowie das türkische XV. Armeekorps. Die Hauptkämpfe fanden bei Horozanka, Zawalow, Brzezany, Koniuchy statt. Wie früher, so hielt auch in der neuen Stellung die Südarmee unerschüttert stand und zwang die Russen zum Beginn des Stellungskampfes nieder.

Bei der k. u. k. 2. Armee griffen die Russen am 2. August den Abschnitt der sogenannten Sereth-Teiche bei Zalosce - Markopol an. Zur Stützung dieser sehr bedrohten Frontstelle traf die deutsche 197. Infanterie-Division Eben ein, um mit der k. u. k. 195. Infanterie-Division die "Gruppe Eben" am Südflügel der k. u. k. 2. Armee zu bilden. Nach mehrtägigen Kämpfen mußte sie vor Angriffen sehr überlegener russischer Kräfte die obere Sereth-Linie räumen und in Richtung auf Zloczow bis auf die Höhen von Perepelniki zurückgehen. Hindenburg sandte seine zur Zeit letzte Reserve - die gemischte Abteilung Melior (drei Bataillone, drei Kavallerie-Schützen-Regimenter, einige Batterien) zur Unterstützung. Sie kam gerade noch zur rechten Zeit, um die Straße Zloczow - Lemberg zu decken und die Fühlung der k. u. k. 2. Armee mit der Südarmee sicherzustellen. Am 22. August war die Front der Verbündeten so gefestigt, daß der beabsichtigte Durchbruch der Russen auf Zborow - Zloczow vereitelt war. Die k. u. k. 2. Armee hatte sich mit der Hilfe deutscher Unterstützungen gehalten.

Genommene russische Waldstellung bei Kiselin nordwestlich Luzk, Wolhynien.
Genommene russische Waldstellung bei Kiselin
nordwestlich Luzk (Wolhynien).      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 418.

Der Totenwald bei Kiselin.
Genommene russische Waldstellung –
der Totenwald – bei Kiselin. Das Bild zeigt
das Ergebnis siebzehnmaliger nutzloser, russischer
Massenstürme gegen deutsch-österreichische
Stellungen.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 419.
Auch im Gefechtsraum östlich Wladimir Wolynsk - Kowel setzten die Russen Anfang August den Angriff mit großem Ungestüm fort. Die Hauptbrennpunkte der Dauerschlacht waren Swiniuchy, Höhe 281 östlich, Zselwow, Zaturcy, Kisielin, von dort ab in nordöstlicher Richtung der Stochod, dann die Sehne des Stochod-Knies westlich Janowka - Kaszowka, weiterhin wiederum der Stochod. Im Raume Torczyn - Stobychwa gingen sechs frische russische Korps gegen Kowel - Wladimir Wolynsk vor: am rechten Flügel das sibirische I. Korps bei Trojanowka, das turkestanische I. um Kaszowka, am linken Flügel (südlich der Eisenbahn Rowno - Kowel), das XXIII. und XXXXIX. sowie die beiden Gardekorps.

Am 28. Juli, abends, schritten die Russen nach gewaltiger Artillerievorbereitung zum Sturm. Am Südflügel wurden Teile der k. u. k. 4. Armee nordöstlich Swiniuchy eingedrückt; erst dem deutschen Gegenstoß, bei dem sich die Schützen der 2. Garde-Kavallerie-Brigade hervortaten, gelang es, die Lage wiederherzu- [457] stellen. Nördlich davon hielten die Deutschen und deren Verbündete das wichtige Kisielin. Vor dem Stoß des russischen II. Gardekorps mußte das deutsche X. Korps nördlich Kisielin den Stochod-Abschnitt räumen, allein schon am folgenden Tage eroberte es das verlorene Gelände zurück. Südlich Janowka gewannen die Russen ebenfalls am linken Stochod-Ufer Raum; hier, wie nördlich Kaszowka ging das k. u. k. Korps Fath hinter den Abschnitt des Stawok-Baches zurück. Bei Zarecze drangen die Sibirier über den Fluß, allein die 11. bayerische Infanterie-Division riß die österreichisch-ungarischen Reserven zum Gegenstoß vor und gewann den Stochod-Abschnitt zurück.

Um den Stawok-Abschnitt, wo am 2. August die Turkestaner rücksichtslos angriffen, wurde mehrere Tage und Nächte hindurch mit höchster Zähigkeit gerungen, bis auch hier der Gegenstoß der deutschen Reserven dem Gegner jeden Geländegewinn abschnitt. Noch weiter nördlich - bei Lubieszow bis gegen Pinsk hin - griffen die Russen das deutsche XXXXI. Reservekorps der Armee-Abteilung Gronau an. Durch den Einsatz der deutschen 86. Infanterie-Division gelang es, vorübergehenden Geländegewinn des Gegners abzudichten.

Die Russen, durch die örtlichen Erfolge ermutigt, führten in der Nacht zum 8. August frische Kräfte in die Schlacht, um durch Zusammenfassung aller Verbände gegen den Stawok-Abschnitt, der nur noch einen Tagesmarsch von Kowel liegt, den Einbruch zu erzwingen. Bis zum 11. August ließ Kaledin, durch Brussilow getrieben, Tag um Tag, Nacht um Nacht Welle auf Welle gegen die deutschen und österreichisch-ungarischen Stacheldrahtverhaue heranprallen, um die drei bis jetzt errungenen Einbruchsstellen - bei Trystan südlich der Eisenbahn, bei Janowka und am Stawok - auszuweiten und auf dem westlichen Stochod-Ufer Bewegungsfreiheit zu gewinnen. Die Verbündeten, schwach mit Reserven ausgestattet, erlitten zwar schwere Verluste und waren zeitweise dem Erliegen nahe. Allein sie besaßen die Spannkraft, sich trotzdem zu halten. Bei Janowka vermochten die Russen bis in die zweite Linie des Grabennetzes einzudringen, um wieder hinausgeworfen zu werden. Bei Smolary und Zarecze wurden vorübergehend geringe Grabenteile von den Russen genommen. Am 11. abends waren die Kräfte der Russen verbraucht. Mit Ausnahme eines kleinen Geländestückes im Stochod-Bogen, der ihnen blieb, wurden sie überall zum Rückzug auf das rechte Flußufer genötigt. Durch geradezu furchtbare Verluste gelichtet, waren sie einstweilen nicht mehr imstande, die Blutopfer des Angriffs auf sich zu nehmen. Die Heeresgruppe Linsingen hatte in der Abwehrschlacht am Stochod am 28. Juli bis 11. August gesiegt.

Der Eintritt Rumäniens in den Krieg an der Seite der Entente durch die Kriegserklärung an Österreich-Ungarn am 27. August hatte zur Folge, daß Generalfeldmarschall v. Hindenburg zum Chef des Generalstabes des Feldheeres berufen wurde, neben ihm General Ludendorff als Erster Generalquartiermeister. Den Oberbefehl an der Ostfront im bisherigen Befehlsbereich Hindenburgs über- [458] nahm Prinz Leopold von Bayern, dem General Hoffmann als Chef des Stabes zur Seite trat.

Die beiden Heeresleitungen der Verbündeten waren Ende August 1916 der Ansicht, daß sich der ungeheure Angriffsstoß Brussilows nach den Stürmen am Stochod, am oberen Sereth, an der Zlota Lipa, vor Stanislau und in den Wald-Karpathen unter unerhörtem Blutopfer totgelaufen habe und zum Abflauen gekommen sei. Zuletzt hatte er rund 100 Divisionen im Kampf gehabt, denen zuletzt 82 verbündete - davon 32, die allmählich von anderen Fronten herangezogen worden waren - gegenüberstanden. Die sehr großen Anfangserfolge der Russen an Geländegewinn wie an Kriegsbeute hatten keine Auswertung gefunden. Der Durchbruch auf Brest Litowsk, Lemberg und nach Ungarn blieb ihnen versagt. Sie mußten sich mit dem Troste abfinden, die Franzosen bei Verdun und die Italiener entlastet, Rumänien zum Eintritt in den Krieg veranlaßt zu haben.

Indessen war die russische Heeresleitung nicht gesonnen, sich mit diesen halben Erfolgen zufrieden zu geben. Vielmehr hatte eine Übereinkunft zwischen Rußland und Rumänien festgelegt, daß ersteres sofort nach der rumänischen Kriegserklärung seine volle Kraft zu neuen Angriffen gegen die Ostfront der Verbündeten einzusetzen habe, um Rumänien zu entlasten und ein Höchstmaß an verbündeten Streitkräften zu binden. Demgemäß beeilte sich die russische Heeresleitung, schleunigst die gelichteten Armeekorps der Heeresgruppe Brussilow durch Nachschub aufzufrischen. Die neue Angriffsabsicht Brussilows forderte:

  • Armee Letschitzki greift die Karpathen-Front vom Tartaren-Paß ab nach Südosten hin an und öffnet die nach Ungarn und Siebenbürgen führenden Verbindungen;
  • Armee Schtscherbatschew greift über die untere Zlota Lipa den Südflügel der deutschen Südarmee an;
  • Armee Sacharow geht gegen die Fühlungsstelle zwischen der deutschen Südarmee und der Armee Boehm-Ermolli vor, um beide von den inneren Flügeln aus aufzurollen und hiermit den Weg auf Lemberg freizumachen;
  • Armee Kaledin und die Armee-Abteilung Bezobrazow gehen als Hauptstoßteil - zusammen nicht weniger als 23 Front-Divisionen - nochmals in Richtung auf Kowel - Wladimir Wolynsk - Sokal vor.

Aus diesen Angriffsbefehlen entwickelten sich vom 27. August ab von neuem gewaltige Kämpfe auf der Gesamtfront vom Pripjet bis in die Wald-Karpathen, die, stoßweise seitens der russischen Heerführung angesetzt, den Verbündeten noch eine Kette schwerer Kämpfe und mehrmalige sehr ernste Belastungen brachten.

Am 31. August 1916 begannen auf der ganzen Kampffront die russischen Angriffe.

Auf dem Nordflügel der Verbündeten lag die russische Stoßrichtung auf der [459] schon mehrmals hart umstrittenen Front Swiniuchy - Szelwow - Zaturcy der k. u. k. 4. Armee. Die k. u. k. 70. Infanterie-Division wurde bei Szelwow an ihrem Nordflügel durchbrochen, doch gelang es dem von Norden her flankierenden kraftvollen Eingreifen der deutschen 10. Landwehr-Division, den Feind schon am gleichen Tag wieder aus der Stellung hinauszuwerfen. Bei Swiniuchy brachen die Russen in die Gräben der k. u. k. 11. Infanterie-Division ein. Sie erlitten hierbei ungeheure Verluste - am 31. August ließen sie 5000 Leichen vor der Front der genannten Division liegen.18 Am 1. September nahmen sie die Trümmer des Städtchens Swiniuchy, um am Abend, in beiden Flanken gefaßt, unter großer Einbuße an Gefangenen wieder vertrieben zu werden. Am 2. September lagen die Russen, durch Verluste erschöpft, still. Am 3. liefen sie nochmals bei Szelwow - Swiniuchy an, ohne auch nur einen Schritt Boden zu gewinnen. Die k. u. k. 4. Armee hatte sich mit den deutschen Nebentruppen überall gehalten.

Südwärts von Kaledin schritt vom 31. August die Armee Sacharow bei Zborow - Perepelniki auf der Hochfläche zwischen den Quellgebieten der Flüsse Sereth, Strypa, Styr, Bug beiderseits der Hauptstraße und Eisenbahn Tarnopol - Lemberg zum Angriff. Hier traten vorwiegend reichsdeutsche Truppen ins Gefecht. Im Raum der k. u. k. 2. Armee wies die Gruppe Eben, neben einzelnen österreichisch-ungarischen Verbänden aus der deutschen 115., 195., 197. Infanterie-Division bestehend, den russischen Angriff glatt ab. Am Nordflügel der deutschen Südarmee drängten die Russen die k. u. k. 32. Infanterie-Division auf eine Tiefe von 5 km zurück und hielten diesen Gewinn gegen Wiedereroberungsversuche fest. Am 1. September griff die Gruppe Melior zum Gegenstoß ein und entriß dem Gegner die ganzen blutig erkauften Geländestreifen. Neue russische Angriffe vom 2. bis 5. September zerschellten an der festen Haltung der verbündeten Truppen.

Besonders schwierig, ja geradezu gefahrdrohend, gestaltete sich die Lage bei den Hauptteilen der deutschen Südarmee. Hier raffte sich die russische Armee Schtscherbatschew am 31. August zu gewaltigen Angriffsstößen mit der Absicht auf, am nördlichen Ufer des Dnjestr aufwärts gegen Lemberg vorzugehen und die Südarmee nach Norden hin abzudrängen. Der Angriff traf das k. u. k. VI. und XIII. Korps, vom 2. September ab auch das k. u. k. Korps Hofmann. Die Heeresgruppenleitung Erzherzog-Thronfolger warf deshalb zur Stützung des bedrängten Abschnitts aus dem Verbande der k. u. k. 3. Armee am südlichen Dnjestr-Ufer die deutsche 105. und 119. Infanterie-Division in die wild und unentschieden wogende Schlacht. Das VIII. Korps verlor bei Horozanka Boden, auch Korps Hofmann konnte sich bei Brzezany trotz opfermutigen Eingreifens des aus der Reserve herbeieilenden bayerischen 4. Infanterie-Regiments nicht [460] behaupten. So mußte am 5. September, um die Einheit der Front zu wahren, die Kampflinie der deutschen Südarmee in dem Abschnitt Halicz am Dnjestr - Bolszowce - Lipnica Dolna längs des westlichen Ufers der Narajowka zurückgezogen werden, um von Lipnica Dolna über Mieczyszczow bei Brzezany Anschluß an die alte Stellung längs der Zlota Lipa zu gewinnen. Der Geländeverlust betrug auf einer Breite von 26 km eine Höchsttiefe von 15 km, dazu eine nicht unerhebliche Einbuße an Gefangenen und Heeresgerät. Diese Notlage zwang dazu, am 2. September die auf der Fahrt nach Siebenbürgen begriffene deutsche 3. Garde-Infanterie-Division nach der Narajowka abbiegen zu lassen. Ebenso wurde das türkische XV. Armeekorps hier eingesetzt. So entstand an der Narajowka-Front und deren nach Nordosten vorgetragenem Flügel in der Gesamtlinie Halicz - Brzezany die Gefechtsgruppe des deutschen Generals v. Gerok, zusammengesetzt aus deutschen, österreichisch-ungarischen, türkischen Truppen. Am 5. und 6. September stieg die "Schlacht an der Narajowka" auf ihren Höhepunkt, um am 8. mit dem Erlahmen der Russen zu enden, die trotz sehr großer Verluste an der vortrefflichen Haltung der Verbündeten absplitterten und keinen Boden über den Abschnitt der Narajowka gewinnen konnten.

In den Karpathen machte die linke Flügelarmee der Heeresfront Brussilow besonders lebhafte Anstrengungen, um sich der Pässe zu bemächtigen und den Aufmarsch des rumänischen Heeres in Siebenbürgen zu entlasten. Hier hatten die deutschen Truppen - die soeben eintreffende 117. und die dort schon seit längerer Zeit kämpfende 200. Infanterie-Division - im Rahmen der k. u. k. Truppen ernste und verlustreiche Kämpfe zu bestehen. Sie wurden damit eingeleitet, daß die deutsche 117. Infanterie-Division südöstlich des Tartaren- (Jablonica-) -Passes am 28. August die den Übergang beherrschende wichtige Bergkuppe Kukul (1542) nahm. Am 31. August eröffneten die Russen den Angriff gegen die von der deutschen 200. Infanterie-Division besetzten Berge im Gebiete der Goldenen Bistritz und des Bialy (Weißen) Czeremosz. Generalleutnant v. Conta zog seine Truppen in eine kürzere, daher leichter zu haltende Verteidigungslinie Kuppe Pnewie (1585) - Kuppe Ludowa (1466) - Czernahora (2026), zurück. Links neben der deutschen 200. Infanterie-Division hielten das k. u. k. I. Armeekorps und die k. u. k. 3. Kavallerie-Division den Tartaren- und Pantyr-Paß, während sich nach rechts hin die 40. Honved-Infanterie-Division, die deutsche 1. Infanterie-Division auf der Höhenfront Tomnatic (1560) und Capul (1661) anschlossen. Noch weiter nach Südosten hin wurde die "Dreibünderecke" bei Kirlibaba, Jakobeny, Dorna Watra durch das k. u. k. XI. Armeekorps, die k. u. k. 8. Kavallerie- und 11. Honved-Kavallerie-Division gedeckt. Um diese ganze Front im zerklüfteten Gebirge, das keine Unterkunftsorte bot und den Nachschub außerordentlich erschwerte, wurde vom 4. September mit äußerster Erbitterung um jede Höhe, jeden Grabenabschnitt, jede Schlucht gekämpft, da die Russen entschlossen waren, ohne Rücksicht auf Verluste über das Gebirge in die [461] Täler des oberen Szamos und der oberen Theiß vorzudringen und dort dem linken Flügel der Rumänen die Hand zu reichen. Am 7. September räumte die deutsche 1. Infanterie-Division den Tomnatic, am 8. auch die südöstlich davon gelegenen Kuppen und ging auf den Grenzkamm, dann auf ungarischem Boden hinter dem Tal des Cibo zurück. Die Lage der k. u. k. 7. Armee, die nach dem Rücktritt des Generals v. Pflanzer-Baltin von General Freiherr v. Kirchbach befehligt wurde, gestaltete sich so gefahrdrohend, daß erhebliche Verstärkungen - darunter die bayerische 10. Infanterie-Division - in die Wald-Karpathen anstatt nach Siebenbürgen gesandt werden mußten. Nur so gelang es, unter harten Nahkämpfen, an denen die deutschen Truppen in hervorragender Weise beteiligt waren, den Russen den Eingang nach Siebenbürgen und Ungarn zu sperren.

Brussilow gab sich mit den bescheidenen Erfolgen des ersten Septemberangriffes nicht zufrieden, sondern ordnete nach einigen Ruhetagen, die der Neuordnung der erschütterten Verbände und der Heranführung bedeutender Verstärkungen gewidmet waren, von Mitte September 1916 ab erneute Angriffe auf der ganzen Front von der Poljesje bis in die Wald-Karpathen an, um möglichst viele Kräfte der Mittelmächte vom westlichen, italienischen, rumänischen Kriegsschauplatz nach Wolhynien und Galizien abzulenken.

Auf dem Nordflügel begann der Russenangriff gegen die k. u. k. 4. Armee und gegen die Armeegruppe Litzmann am 15. September in der Front Swiniuchy - Szelwow - Zaturcy - Kisielin - Eisenbahnlinie von Rowno nach Kowel mit einer bis zum Trommelfeuer gesteigerten Beschießung, worauf am 16. der tiefgestellte, mit gewaltigen Massen geführte Anlauf begann. Am 19. und 20. September erreichte die Schlacht ihren Höhepunkt. Die Russen nahmen Grabenstücke bei Szelwow und Swiniuchy, die sie in den folgenden Tagen durch die Gegenstöße der Verteidiger zum größten Teil wieder verloren. Am 27., abends, war die Gesamtstellung zugunsten der Verbündeten wiederhergestellt, der Mißerfolg der Russen vollendet.

Nicht anders verlief der Kampf in der Mitte der Schlachtfront. Hier wiesen am 16. und 17. September die deutsche 195. und 197. Infanterie-Division - Gruppe Eben - zusammen mit den k. u. k. Nachbartruppen, die russischen Angriffe gegen die k. u. k. 2. Armee bei Perepelniki, vom 23. bis 25. bei Zborow ab. Vorübergehende Geländeverluste wurden durch das Eingreifen der Armeereserve, die deutsche Abteilung Melior, wieder ausgeglichen.

Die deutsche Südarmee wurde gleichfalls am 16. nach mächtigem Artilleriefeuer auf der ganzen Front Halicz - Brzezany angegriffen. Deutsche, österreichisch-ungarische, türkische Truppen stemmten sich dem Anprall entgegen, der bei Lipnica Dolna auf das westliche Narajowka-Ufer vordrang. General v. Gerok entriß den Russen durch Einsatz der Abschnittsreserve alle Vorteile wieder. Am 24. waren die früheren Stellungen der Verbündeten durchweg zurückgewonnen.

[462] Auf der Karpathen-Front hatte die k. u. k. 7. Armee, namentlich die deutsche 200. Infanterie-Division, der die Festhaltung einer 50 km breiten, sehr unübersichtlichen Gebirgskette zufiel, vom 16. bis 20. September äußerst heftige Angriffe zu bestehen. Sie endeten damit, daß die Russen die errungene Anfangserfolge unter dem Druck der Gegenstöße wieder aufgeben mußten.

Trotz der beträchtlichen Opfer, welche die Heeresgruppe Brussilow in allen diesen Kämpfen und Stürmen erlitten hatte, trieb ihr Oberbefehlshaber die erschöpften und gelichteten Massen Ende September und Anfang Oktober 1916 zu neuen Angriffen an, geleitet von dem Streben, die für die Rumänen höchst unglückliche Kriegseröffnung zu bessern.

Die Armee Kaledin ging nach einem mehrstündigen Trommelfeuer am 1. Oktober zum Massenstoß auf die Schlüsselstellung bei Swiniuchy gegen die k. u. k. 4. Armee und gegen das deutsche X. Armeekorps bei Zaturcy - Kisielin vor. Allein der Unterschied gegen die früheren Russenangriffe auf diesem Kampfgebiet wurde bald erkennbar. Wohl prallten, durch Artillerie- und Maschinengewehrfeuer aus den eigenen rückwärtigen Linien bearbeitet, immer neue Angriffswellen gegen die festen Stellungen der Verbündeten heran; allein es gebrach an Kraft, Geist, Willen, den Kampf durchzubringen. Die Stöße wurden immer matter, um am 5. Oktober abzuflauen.

Ebenso scheiterten die Anstürme der Armee Sacharow an der Straße Brody - Zloczow gegen die k. u. k. 2. Armee am 30. September und 1. Oktober. Die deutsche Südarmee hatte südlich Brzezany besonders heftige Angriffe auszuhalten, die aber nach einigen Schwankungen von den verbündeten Truppen abgewiesen wurden. Das türkische XV. Armeekorps erlitt schwere Verluste, behauptete aber trotzdem seine Stellungen bei Brzezany. In den Wald-Karpathen fanden nur Kleinkämpfe statt.

Nach kurzer Pause, die Brussilow zur Bereitstellung abermals neuer Kräfte gegen die als aussichtsreich erkannten Einbruchspunkte benutzte, flammte am 5. Oktober die letzte Schlacht des "Brussilow-Angriffs" auf, um nochmals einen groß angelegten Entlastungsstoß zugunsten der Rumänen zu machen.

      "Um diese Zeit", schreibt General Wassili Gurko,19 "waren die Angriffsunternehmungen bei allen Armeen des Generals Brussilow ins Stocken geraten. Das erklärt sich aus der Erschöpfung an Reserven. Die auf allen Fronten noch verbliebenen Reserven mußten zur Verlängerung des linken Flügels der russischen Front an der siebenbürgischen Grenze abgeschickt werden. Der Hauptgrund aber für unsere geringe Angriffsfähigkeit war der Mangel an artilleristischen Mitteln, die ebenso durch den Brussilowschen Angriff wie durch die Nebenunternehmungen bei Riga und in Richtung Baranowitschi erschöpft waren. Schließlich hatte sich der Feind gegenüber den Abschnitten, wo wir angriffen, derartig verstärkt, daß er an jeder [463] beliebigen Stelle genügende Reserven zur Abwehr unserer Vorstöße aufstellen konnte, selbst wenn sie anfänglich erfolgreich waren."

In der Tat - die deutschen Tagesberichte über die Aussagen der Anfang Oktober 1916 eingebrachten Gefangenen teilten mit, daß diese bitter über Verpflegungsmangel, Übermüdung, entmutigende Wirkung der furchtbaren Blutopfer in den monatelangen vergeblichen Angriffen klagten. Trotz allem peitschte Brussilow seine Armeen zu einer letzten Verzweiflungsanstrengung auf.

In Wolhynien wurden die Trümmer der Armee Kaledin mit der "Garde-Armee-Abteilung" Bezobrazow zu einer neuen "Besonderen Armee" unter General Romejko Gurko mit dem Auftrag vereinigt, noch einen letzten Vorstoß gegen die k. u. k. 4. Armee zum Durchbruch auf Wladimir Wolynsk zu unternehmen. Nach längerem Artilleriefeuer erfolgte der allgemeine Ansturm am 8. Oktober sowohl gegen die Front Szelwow - Swiniuchy wie auch gegen die Stochod-Linie von Janowka - Raszowka bis hinab nach Lobaczewka. Nirgends gelangten die Russen an die Stellungen der Verbündeten heran; an den meisten Punkten hielten die Verteidiger den Gegner schon durch Artilleriefeuer nieder oder zwangen ihn in die Gräben zurück. Die Angriffskraft war auch bei den besten Gardetruppen, bei den Sibiriern, Turkestanern, Kaukasiern erloschen.

Gegen die k. u. k. 2. Armee wendeten die Russen Gasgranaten und Gasminenwerfergeschosse an und griffen am 5. Oktober erfolglos bei Jasionow (Straße Brody - Zloczow) an. Weiter südlich dauerten die bald hier, bald dort aufflammenden Angriffe bei Perepelniki - Zborow bis zum 15. Oktober fort, ohne den Russen trotz schwerer Verluste irgendwelche Ergebnisse zu bringen. Ende Oktober trat Sacharow den Oberbefehl in der Dobrudscha an; an seiner Stelle übernahm Klembowski die 11. Armee.

Gegen die deutsche Südarmee stürmten am 5. Oktober 7 Divisionen an der mittleren Narajowka beiderseits Lipnica Dolna vor; am nächsten Tage erfolgte ein Massensturm bei Brzezany - beide ohne Erfolg. Die Kämpfe wiederholten sich am 8., 15. und 16. Oktober. General v. Gerok, der an der Narajowka den Befehl führte, schritt am 22. Oktober zum Gegenstoß und nahm die Stellungen zurück, die seit dem 16. September am westlichen Narajowka-Ufer im Besitz der Russen gewesen waren. Am 30. Oktober setzten die Russen nochmals zum Angriff an, verloren aber durch die deutschen Gegenstöße bei Lipnica Dolna, durch die türkischen und österreichisch-ungarischen bei Mieczyszczow erhebliches Gelände. Vergebens unternahmen die russischen Divisionen am 2. November noch einmal verzweifelte Versuche, sich der Narajowka-Übergänge bei Lipnica Dolna zu bemächtigen. Ihre Kraft war verbraucht. Sie beschränkten sich auf eine wenig wirksame Beschießung der Narajowka-Front mit Artillerie und Minenwerfern.

In den Wald-Karpathen, wo jetzt Kaledin an der Spitze der neugebildeten russischen 8. Armee stand, blieb es am 9. Oktober und den folgenden Tagen bei [464] matten Angriffen gegen die k. u. k. 3. und 7. Armee und deren deutsche Hilfstruppen, die den Feind an der Bystrzyca sowie am Pantyr- und Tartaren-Paß blutig abwiesen.

Der erste Schnee fiel in den Karpathen; Nebelschleier und Raureif legten sich auf die Landschaft zwischen dem Gebirge und dem Sumpfgebiet, als Ende Oktober 1916 die Stürme des "Brussilow-Angriffes" einschliefen und Ruhe auf der Dauerfront eintrat. Die Verbündeten hatten, von den anfänglichen Mißerfolgen und großen Verlusten bei Luck, Czernowitz, Brody abgesehen, mit einer erheblichen Minderheit an Streitern den russischen Gewaltanstrengungen getrotzt und ihnen die Wege nach Brest Litowsk, Lemberg, Ungarn, Siebenbürgen verlegt. Die bessere Führung und die Unterstützung des zum Teil versagenden k. u. k. Heeres durch die deutschen Verbände hatten über die ungestüme, unbeholfene russische Stoßwut gesiegt.

Brussilow ist es auch nicht annähernd gelungen, die ihm gesteckten Ziele zu erreichen. Die ersten großen Erfolge bei Luck und in der Bukowina gaben der Entente zu übertriebenen Hoffnungen Anlaß und wurden von ihr bereits als der Anbeginn einer siegreichen Wendung begrüßt, die sich auch in der Entlastung der Franzosen bei Verdun, in dem - allerdings langsamen - räumlichen Fortschritt der Engländer-Franzosen an der Somme, in dem Bodengewinn der Italiener am Isonzo äußerte. Allein, ebenso wie die Kämpfe an allen anderen Fronten, blieb auch der russische Sturmlauf unter Brussilow nach kurzen Erfolgen stecken. Allerdings konnten die Verluste des k. u. k. Heeres zu Bedenken Anlaß geben, um so mehr, als über 270 000 Gefangene, worunter nahe an 200 000 Überläufer, in die Hände der Russen gerieten. Dagegen belief sich die Einbuße der Russen auf rund 900 000 Mann - viele Zehntausende von Leichen lagen dahingestreckt vor den feindlichen Hindernissen, vom Stochod bis an den Pruth. Der ungeheure Kräfteverbrauch, der Blutverlust begann lähmend auf die Kriegslust und die Opferwilligkeit Rußlands zu wirken, während ein ganz bescheidener Geländegewinn geradezu erschütternde Opfer gefordert hatte. Man geht nicht fehl, wenn man das Scheitern des Brussilow-Angriffs als die Ursache zum Losbruch des revolutionierenden Umsturzes vom Frühjahr 1917 ansieht. Durch ihn wurde das russische Volk und Heer sich klar über die Hoffnungslosigkeit seiner Opfer. Eine geschickte Politik der Mittelmächte hätte jetzt vielleicht einen günstigen Frieden mit dem zarischen Rußland haben können. Statt ihrer vernichtete die unheilvolle Erklärung der polnischen Selbständigkeit Polens durch Deutschland und Österreich-Ungarn am 4. und 5. November 1916 jede Möglichkeit zum Frieden im Osten.

Aber die Entente konnte mit dem Ausgang des Brussilow-Angriffs trotz dessen Scheiterns zufrieden sein: 16 deutsche, 2 türkische Divisionen mußten, anderen Fronten entnommen, in die Schlacht geworfen werden. Diese Kräfte fehlten an Stellen, wo sie zur Entscheidung notwendig gebraucht wurden. Auch [465] Rumäniens Eintritt in den Krieg auf der Ententeseite war ein Ergebnis der russischen Offensive. So hatte der Brussilow-Angriff, an welchem Rußland zugrunde gehen sollte, der Entente große Vorteile gebracht.


Die Schlacht bei Baranowitschi.

Die Armee-Abteilung Woyrsch, nördlich und südlich Baranowitschi stehend, bestand Anfang Juni 1916 aus folgenden Teilen:

Beskidenkorps Generalleutnant Hofmann:
    35. Reserve-Division Generalleutnant v. d. Becke,
47.             "                         " v. Besser;
Landwehrkorps General der Kavallerie Frhr. v. König:
  3. Landwehr-Division Generalmajor v. Woyna,20
  4.               "                Generalleutnant v. Brietzke,
18.             "                         " v. Bredow;21
k. u. k. XII. Armeekorps General der Infanterie v. Henriquez:
    16. Infanterie-Truppen-Division Feldmarschalleutnant v. Schariczer,
36.                       "                                   " v. Podhoransky.

Die befestigte Stellung der Armeeabteilung hatte eine Breite von 163 km und war folgendermaßen besetzt (von Süden nach Norden):

Beskidenkorps  35. Reserve-Division am Oginski-Kanal bis zum Schtschara-Knie
dicht nördlich des Wygonowskoje-Sees,
47. Reserve-Division von dort bis zur Straße Brest
Litowsk - Moskau;
Landwehrkorps in der Reihenfolge ½ 18., 3., 4. Landwehr-Division längs
      des Schtschara bis zum Koldytschewo-See;
k. u. k. XII. Armeekorps (16. Infanterie-Truppen-Division rechts, 35. links)
      von dort bis zur Nordgrenze der Armeeabteilung.

Dazu traten etwa 80 bespannte, über 40 unbespannte Batterien. Die Stellung, durch die zum Teil sumpfigen Flußläufe von Natur stark, besaß bombensichere Unterstände in großer Zahl, Hindernisanlagen von durchschnittlich 40 m Breite, Riegelstellungen, im Abschnitt des Beskiden-Korps ein Blockhaussystem, das die wegen der dortigen Sümpfe nicht mögliche Anlage eines zusammenhängenden Grabennetzes vertrat.

Der am 4. Juni 1916 einsetzende Angriff der rechten Flügelarmee Kaledin der russischen Heeresfront Brussilow und deren überraschend große Erfolge bei Luck machten es nötig, daß die Armee-Abteilung Woyrsch schleunigst Kräfte nach der Front der bedrohten Heeresgruppe Linsingen abgab. Somit gingen am 6. Juni ab: Stab der 28. Landwehr-Brigade Biß, die Landwehr-Regimenter 57 [466] und 133 sowie die I. Abteilung des Landwehr-Feldartillerie-Regiments 5. Generaloberst v. Woyrsch bildete als Ersatz für die auf diese Weise ausfallenden Reserven bei Baranowitschi als Reserve für die Heeresgruppe Prinz Leopold eine gemischte Abteilung Major v. Kaulbach (drei Bataillone, eine Batterie), bei Kolowitschi als Reserve für die Armee-Abteilung Woyrsch eine gemischte Brigade Generalleutnant v. Kramsta (sechs Bataillone, zwei Feldbatterien, eine schwere Batterie).

Die Russen hatten der Front der Armee-Abteilung Woyrsch Teile der Armee Lesch im Süden, der Armee Ragosa im Norden gegenüber. Von Süden nach [467] Norden standen in erster Linie: 83. Infanterie-Division, 5. Kosaken-Division, Grenzwach-Division, X. Armeekorps (31. und 9. Infanterie-Division), Grenadier-Korps (1. und 2. Grenadier- und 81. Infanterie-Division), Polnische Brigade, Transbaikal-Kosaken-Division, XXV. Armeekorps (46. Infanterie- und 3. Grenadier-Division); in zweiter Linie: IX. Armeekorps (5. und 42. Infanterie-Division).

Die Absicht der russischen Führung war eine doppelte: Entlastungsangriffe zugunsten des Brussilow-Angriffes durch Bindung gegnerischer Reserven; dazu die Wegnahme des als Eisenbahnmittelpunkt hochwichtigen Städtchens Baranowitschi, wo nicht weniger als fünf Hauptlinien sich vereinigten (von Minsk, Rowno, Brest Litowsk, Bielostok, Wilna). Um diese Zwecke zu erreichen, wurde als Stoßkeil gegen die 4. Infanterie-Division das Grenadier-Korps herangeführt: rechts die 1. Grenadier-Division nördlich, die 2. Grenadier-Division südlich der großen Straße Tschernichowo - Stolowitschi, dahinter als Reserve die 81. Landwehr-Division. Auf beiden Flügeln sollten begleitende Angriffe stattfinden.

Am Frühmorgen des 13. Juni 1916 begann das russische Artillerie-Trommelfeuer, um zwölf Stunden lang, zuletzt in höchster Stärke, bis gegen Abend zu wirken. Dann brach um 7 Uhr abends der sehr tief gegliederte russische Angriff los. Er traf mit 24 Grenadier-Bataillonen auf schwache deutsche Landwehr-Bataillone: III. Bataillon des Landwehr-Regiments 11 und Landwehr-Regiment 51. Außerdem wurden weiter nördlich vom russischen Stoß getroffen: die als Schützen kämpfenden zwei Schwadronen der 4. Landwehr-Kavallerie-Brigade, noch weiter nördlich der rechte Flügel des k. u. k. Infanterie-Regiments 31. Die deutsche Stellung war so angelegt, daß sie südlich der Straße Tschernichowo - Stolowitschi auf dem östlichen Ufer der Schtschara lag und daß vor die Hauptfront vorgeschobene Gruppen, von je einer Kompagnie mit Maschinengewehren besetzt, das feindliche Angriffsgelände beherrschten. Unmittelbar beiderseits der genannten Straße hielten fest:

5. Kompagnie Landwehr-Regiments 51 die Feste Kaiserin,
7. " "             " 51 das Gut Tortschitzky,
6. " "             " 51 die Feste Kronprinz,
8. " "             " 51 das Russengrab.

Weiter nördlich ging die Stellung auf das Westufer der Schtschara zurück. Hier, im sogenannten "Musketierabschnitt", bildeten die beiden Schwadronen die Besatzung der Feste Hohenzollern und der Eier-Höhe. Ganz im Norden behauptete das III. Bataillon des Landwehr-Regiments 51 das Sumpfgelände bis zum Koldytschewo-See. Der befestigte "Sumpf-Hügel" wurde von 48 Mann der 10. Kompagnie gehalten.

Schlacht bei Baranowitschi

[466]
      Skizze 21: Schlacht bei Baranowitschi.
Gegen diese dünn besetzte Front prallte kurz vor Einbruch der Dämmerung der gewaltige Angriff der russischen Grenadiere heran. Nur im Süden hatten sie festen Boden unter den Füßen, im Norden mußten sie sich durch Sumpf und [468] Wasser hindurcharbeiten. Die Meinung der Angreifer, daß das Trommelfeuer die deutschen Befestigungen zu völligen Trümmern zerschlagen habe, traf nur teilweise zu. Zwar waren die Drahthindernisse zerrissen, die Brustwehren abgekämmt, viele Gräben verschüttet, aber die Betonbauten der Unterstände hatten standgehalten, und in dem zerschossenen Grabennetz hatten sich die Verteidiger, unter Verlusten zwar, aber doch unerschüttert bis zum Augenblick der Nahkampfentscheidung behauptet. Als die Russen so nahe heran waren, daß sich ihr Artilleriefeuer hinter die deutsche erste Front verlegen mußte, tauchten, wie mit einem Zauberschlage, die Schützen und Maschinengewehre der Deutschen aus dem Gewirr der Verteidigungsanlagen auf, um die Russen mit wohlgezieltem, geradezu vernichtenden Massenfeuer zu empfangen. Wo die Grenadiere nahe genug heran kamen, entbrannte ein mörderischer Handgranatenkampf. An mehreren Stellen bemächtigten sich die Russen der vorgeschobenen Stützpunkte, an anderen drangen sie über sie hinaus, sogar in Teile der Hauptstellungen ein. Jetzt aber warfen sich allenthalben die deutschen Unterstützungen und Reserven in den Kampf. Gegen 10 Uhr abends war überall die Lage zugunsten der Deutschen wiederhergestellt, nur unwesentliche Teile vorgeschobener Postenstützpunkte blieben in russischem Besitz. Die schlesische Landwehr hatte sich mit glänzender Tapferkeit und vorbildlicher Ruhe geschlagen. In der Nacht nahm das III. Bataillon des Landwehr-Regiments 51 den Sumpfhügel zurück, womit die Abwehrschlacht als ein voller Sieg der Deutschen entschieden war. Mehrere tausend russischer Leichen lagen vor und in den deutschen Gräben, einige hundert Gefangene blieben dem Sieger. Erschöpft und gelichtet wich das Grenadier-Korps in seine Stellungen zurück.

Die nächsten Tage vergingen damit, daß die Verbündeten die durch das russische Trommelfeuer stark beschädigte Stellung ausbesserten und ergänzten. Auf russischer Seite fanden neue Bereitstellungen großer Truppenmassen statt; nach dem allgemeinen Angriffsplan sollte die Heeresgruppe Ewert durch Wiederholung des Stoßes auf Baranowitschi den Angriff Brussilows entlasten.

Die russischen Vorbereitungen blieben der Aufmerksamkeit der deutschen Erkundungen nicht verborgen. Um allen russischen Angriffsmöglichkeiten gewachsen zu sein, traten am 24. Juni

        Landwehr-Infanterie-Regiment 37 als Reserve hinter die k. u. k. 35. Infanterie-Division;
        Landwehr-Infanterie-Regiment 19 südlich Gorodischtsche als Reserve hinter die k. u. k. 16. Infanterie-Division;
        Infanterie-Regiment 335 und 6. Batterie des Landwehr-Feldartillerie-Regiments 5 westlich Stolowitschi als Heeresgruppenreserve;
        Reserve-Jäger-Bataillon 21 zur Verfügung des Landwehr-Korps hinter die 4. Landwehr-Division, vom 27. Juni ab hinter die k. u. k. 16. Infanterie-Division nach Nowosiolki, am 30. Juni nach Baranowitschi;
[469]  7. Batterie des Landwehr-Feldartillerie-Regiments, sowie 5. und 6. Batterie des Landwehr-Feldartillerie-Regiments 35 zur Armeereserve Kramsta;
        III. Bataillon des Landwehr-Infanterie-Regiments 72 als Armeereserve nach Baranowitschi;
        ein Bataillon des Landwehr-Infanterie-Regiments 72 und 5. Batterie des Landwehr-Feldartillerie-Regiments 5 Armeereserve hinter die Division Bredow nördlich der Moskauer Heerstraße.

Von der westlich Pinsk als Reserve des Oberbefehlshabers Ost stehenden 5. Reserve-Division wurde der Stab der 9. Reserve-Infanterie-Brigade mit Reserve-Infanterie-Regiment 8 und der II. Abteilung des Reserve-Feldartillerie-Regiments 5 (ohne 7. Batterie) am 23. und 24. Juni zur Verfügung der Armee-Abteilung Woyrsch mit der Eisenbahn nach Baranowitschi befördert und von dort als Reserve hinter den österreichisch-ungarischen Abschnitt geleitet.

Aus diesen Maßnahmen, welche eine unverkennbare Zerreißung der Verbände bedeuten, ergab sich, wie peinlich und sparsam die Armee-Abteilung Woyrsch mit jedem einzelnen Bataillon und jeder einzelnen Batterie zur Bildung von Reserven hinter dem breiten, dünn besetzten Abschnitt rechnen mußte, wo jeden Augenblick ein verstärkter Einbruch der Russen an den verschiedensten Stellen zu erwarten war.

Von russischer Seite sollte der Durchbruch durch die Front der Armee-Abteilung Woyrsch über Baranowitschi auf Brest Litowsk erfolgen. Nunmehr erhielt General Ragosa, der aus den Schlachten am Narocz-See bekannte Draufgänger, vom Heeresgruppenführer Ewert den Auftrag, in den ersten Julitagen an der Schtschara und am Serwetsch anzugreifen, aber auch in der Gegend des Narocz-Sees den Angriff zu erneuern. Hiernach bildete Ragosa zwei Stoßgruppen: er selbst wollte gegen Woyrsch, General Balujew sollte weiter nördlich gegen Eichhorn vorbrechen. Ewert stellte Ragosa zwei frische Korps (IX. und XXV.) zur Verfügung. Außerdem konnten das III. sibirische Korps, das Grenadier-Korps, das X. Korps, die 11. sibirische Schützen-Division, das I. turkestanische Korps zum Angriff verwendet werden, während Ewert das XXXV. Korps und das III. kaukasische Korps als Reserven bereit hielt. Somit waren geradezu erdrückende russische Massen vor der nur lose besetzten, bloß mit schwachen Reserven ausgestatteten Front der Armee-Abteilung Woyrsch zum Angriff geführt.

Am 2. Juli 1916, 4 Uhr morgens, eröffneten die russischen Batterien ein sehr heftiges Feuer gegen die österreichisch-ungarischen Stellungen nördlich des Koldytschewo-Sees, von 4 Uhr 40 Minuten ab auch gegen den Abschnitt Darowo - Labusy der deutschen 17. Landwehr-Brigade (3. Landwehr-Division). In der Nacht zum 3. schlugen Pioniere längs der ganzen Front Brückenstege über die Schtschara, die Skrobowa und den Serwetsch. Am 3., 2 Uhr 10 Minuten morgens, [470] begann der Infanterie-Angriff. Er traf auf 7,5 km Breite im Norden die Front der k. u. k. 16. Infanterie-Division von Wygoda bis Kartschewa, im Süden die deutsche 4. Landwehr-Division beiderseits der Eisenbahn Minsk - Baranowitschi, noch mehr südlich die deutsche 3. Landwehr-Division.

Bei Wysorok und Skrobowa durchbrachen die Russen Hindernisse und vorderste Stellung der k. u. k. 16. Infanterie-Division und gelangten sogar bis in die zweite Stellung bei Kartschewa. Um die große drohende Gefahr zu bannen, wurden am Vormittag des 2. Juli die deutschen Regimenter 46 und 335 mit einer Feldbatterie unter Generalleutnant v. Kramsta bei Nowosiolki bereitgestellt, um dem Gegner, der bei der k. u. k. 16. Division eingebrochen war, in die linke Flanke zu stoßen. Ebenso erhielt die zusammengesetzte Brigade Knoch (sechs Bataillone und drei Batterien vom XXV. Reservekorps der Armee Eichhorn) den Befehl, sich hinter der Mitte des k. u. k. XII. Korps bei Worontscho zum Flankenstoß bereitzustellen. Außerdem erteilte der Generaloberst v. Woyrsch die Weisung, "die Lage bei Kartschewa mit allen Mitteln wiederherzustellen" - alle Anordnungen zeugten von Umsicht, Kraft und Entschlossenheit. Die beiden deutschen Gegenangriffe in Richtung auf Kartschewa trafen das russische IX. Korps und die russische 46. Division westlich Kartschewa und nördlich Gorodischtsche so wuchtig in beide Flanken, daß der Feind geworfen und bis zum Abend aus der österreichisch-ungarischen Stellung wieder verdrängt wurde.

Weniger günstig gestaltete sich die Lage bei Skrobowa, 6 km südlich der russischen Einbruchsstelle bei Kartschewa. Hier wurde das k. u. k. Reserve-Regiment 2 auf der 3000 m breiten Strecke Skrobowa - Wygoda zurückgedrängt, ohne daß der sofortige Gegenangriff des deutschen Landwehr-Regiments 19 Rettung bringen konnte.

Weiter südlich war unterdessen die russische 81. Division kurz vor 2 Uhr morgens durch das Sumpfgelände, gedeckt durch dichten Nebel, gegen die Stellungen des deutschen Landwehr-Regiments 51 herangegangen. Nochmals wurden, gerade wie in der Schlacht am 13. Juni 1916, die Stützpunkte "Kronprinz", "Russengrab", "Sumpfhügel" die Angriffsziele der Russen. "Allein vor der linken Hälfte der Stellung ließ der Feind im Zurückfluten etwa 2600 Tote liegen", sagte ein deutscher Mitkämpfer. Indessen gelang es den Russen, unter furchtbaren Opfern gegen das III. Bataillon des Regiments 51 durch doppelte Umfassung in das Werk "Sumpfhügel" einzudringen: die dort fechtende deutsche Feldwache wurde von dreißigfacher Übermacht aufgerieben. Nun setzte die 12. Kompagnie nach einem vernichtenden Artillerieüberfall zum Gegenstoß gegen den "Sumpfhügel" ein und nahm ihn nach kurzem Handgranatenkampfe schon 5 Uhr morgens zurück. Leutnant Hoffmann, der die nur 9 Gruppen zählende Landwehr-Kompagnie führte, machte 8 Offiziere, 284 Mann zu Gefangenen.

Die weiter südlich stehenden Teile des Regiments 51 und die in seinen [471] Verband eingeschobenen Kavallerie-Schützen-Abteilungen wiesen alle russischen Angriffe unter äußerst blutigen Feindesverlusten ab. Besonders wuchtig und massig wurden die bereits 2 Uhr 30 Minuten vormittags einsetzenden russischen Sturmangriffe gegen das II. Bataillon des Landwehr-Regiments 22 bei Odochowschtschina, wo Teile des Grenadier-Korps beiderseits des langgestreckten, dem Angreifer die Schmalseite zukehrenden Dorfes eindrangen, aber im Nahkampfe durch Handgranaten niedergemacht wurden.

Trotz aller dieser Abwehrerfolge gestaltete sich die Lage bei der Armee-Anbteilung Woyrsch am Abend recht bedrohlich. An der Front des k. u. k. XII. Armeekorps war nur mit Hilfe der bis auf den letzten Mann eingesetzten deutschen Reserven die Stellung notdürftig wiederhergestellt worden; an den südlichen Einbruchspunkten hatten sich die Verfügungstruppen restlos verausgabt. Die erste Stellung der Verbündeten war kaum noch haltbar, auf der zweiten lag das schwerste russische Zerstörungsfeuer, sogar die dritte schien gefährdet, falls es nicht gelang, noch rechtzeitig vor dem sicher zu erwartenden neuen Russensturm die im Anmarsch befindlichen acht Bataillone (Reserve-Infanterie-Regimenter 12 und 48 der 5. Reserve-Division und zwei deutsche Rekruten-Bataillone) heranzubringen. "Sie wissen ja, worauf es ankommt," rief am Abend des 3. der Generalstabschef v. Falkenhayn dem Stabschef der Armee-Abteilung Woyrsch, Oberstleutnant Heye, durch Fernschreiber zu, "es handelt sich um Halten unter allen Umständen. Das muß jedem Manne bekannt sein!" Es war bekannt. Hiernach wurde gehandelt.

Am 4. Juli nach regenschwerer Nacht und bei dickem Nebel, also unter den günstigsten Umständen, erneuerten die Russen den Sturm gegen das k. u. k. XII. Armeekorps, dessen schwere Erschütterung ihnen nicht entgangen war. Auf verbündeter Seite übernahm General v. Woyna den Befehl über alle deutschen und k. u. k. Verbände, die sich im Frontraum der 16. Infanterie-Division befanden. Bis zum Abend wurden alle russischen Angriffe, die mehrmals in mächtigen Wellen und dichten Massen vorgeprallt waren, abgeschlagen - überall hatten die deutschen Truppen den Verbündeten festen Halt geboten und dem Gegner vorübergehende Geländevorteile durch Gegenangriffe entrissen.

Auch gegen das Landwehrkorps setzten die Russen ihre Massenstöße fort, namentlich im Südabschnitt der 4. Landwehr-Division gegen das II. Bataillon des Regiments 22, wo nach längerem Trommelfeuer 6 Uhr abends dichte Massen nördlich Odochowschtschina zum Sturm anliefen. Der in acht Wellen ansetzende Angriff wurde binnen einer Stunde vollkommen abgewiesen. Ein zweiter Angriff brach schon im Sperrfeuer der deutschen Artillerie zusammen.

Bei der 3. Landwehr-Division, im besonderen gegen Regiment 7, griffen die Russen in Richtung auf das Dorf Darowo an, wo der Friedhof nördlich des Ortes, die "Darowo-Höhe" hart westlich desselben, sowie rechts rückwärts die Häusergruppen Girewo und Litwa die deutschen Stützpunkte bildeten. Um 5 Uhr [472] nachmittags brachen die Russen vor, geschützt durch Staub- und Rauchwolken. Die deutsche Besatzung behauptete sich unerschütterlich in ihren Stollen und "Fuchslöchern", bis zur letzten Patrone feuernd. Entschlossene Gegenstöße stellten die Lage wieder her, wo die Russen vorübergehend eingedrungen waren. Nur auf der "Darowo-Höhe" hielten sich die Gegner und vereitelten alle Versuche der deutschen Reserven, ihnen den verlorenen Boden wieder zu entreißen. Um Mitternacht zum 5. Juli brach ein schweres Gewitter los, dessen wolkenbruchartiger Regen Gräben, Felder und Wiesen überschwemmte - neue Leiden für die beiderseitigen Kämpfer bringend.

Am frühen Morgen des 5. Juli ging Major Cranach, Kommandeur des Landwehr-Regiments 7, mit allen verfügbaren Teilen des Regiments zum Sturm gegen die "Darowo-Höhe" vor, die genommen und gegen erneute russische Vorstöße behauptet wurde.

Am 6. Juli ruhte im wesentlichen die Schlacht - die Russen brauchten Zeit, um neue Kräfte zur Wiederaufnahme des Angriffs bereitzuschieben, den Ragosa zur Entlastung Brussilows forderte. Seit Tagesanbruch des 7. legte sich wiederum auf die österreichisch-ungarische Front und deren deutsche Hilfskräfte ein gewaltiges Trommelfeuer. Regiment 42 wurde "als letzte Reserve der Armee-Abteilung" zur Abwehr des zu erwartenden neuen Russensturms hinter die Division Woyna bereitgestellt. Dies geschah gerade zu der Zeit, als bei der Heeresgruppe Linsingen am Stochod eine äußerst schwierige Lage eintrat und die Möglichkeit eines Durchbruchs der Russen über den Stochod in gefährliche Nähe gerückt war. So hatte die Armee-Abteilung Woyrsch auch noch Regiment 217 an die Gruppe Gronau der Heeresgruppe Linsingen zur Unterstützung der bayerischen Kavallerie-Division am Stochod abzugeben.

Am 7. Juli vormittags begann die neue Schlacht mit mehreren Stoßwellen gegen die österreichisch-ungarischen und deutschen Stellungen bei Wygoda, Skrobowa, Kartschewa, Zirin, nachdem das russische 28-cm-Mörserfeuer stundenlang vorgearbeitet hatte. Wiederum wurden die Russen - 3. Grenadier-, 5. und 67. Infanterie-Division - unter schweren Verlusten abgewiesen, obwohl sie mehrmals anliefen und vorübergehend kleine Stellungsteile in Besitz gehabt hatten.

Gleichzeitig schlug bei Odochowschtschina die 4. Landwehr-Division die russische 2. Grenadier-Division, bei Labusy - Darowo die 3. Landwehr-Division die 11. sibirische Schützen-Division zurück. Am Abend des 7. Juli war die Gesamtstellung der Armee-Abteilung - mit Ausnahme einiger Grabenabschnitte bei Kartschewa im Bereich des k. u. k. XII. Armeekorps - im sicheren Besitz der Verbündeten, allerdings furchtbar zerwühlt und zersplittert durch das feindliche schwere Artillerie- und Minenwerferfeuer. Der Geist der Kämpfer aber war ungebrochen.

[473] An Verstärkungen trafen jetzt nach und nach ein:

  • 49. Reserve-Division, Generalmajor Zoellner, vom 8. Juli ab, jedoch nur Stab, Reserve-Infanterie-Regiment 228 und einige Batterien des Reserve-Feldartillerie-Regiments 49;
  • 86. Infanterie-Division, Generalleutnant v. Wernitz, vom 10. Juli ab;
  • Teile der 201. Infanterie-Division "Danzig", Generalleutnant v. Dickhuth-Harrach, vom 12. Juli ab.

Alle diese Truppen wurden hinter das österreichisch-ungarische Frontstück der Armee-Abteilung Woyrsch geleitet. Diesen, alles in allem genommenen schwachen verbündeten Kräften gegenüber häuften die Russen neue Massen zur Wiederaufnahme der Schlacht an. Es wurden (von Norden nach Süden) bereitgestellt:

nördlich Zirin 3. Grenadier-Division XXV. Armeekorps,     
bei Zirin 46. Infanterie-Division
südlich Zirin III. kaukasisches Armeekorps,
gegenüber Kartschewa XXXV. Armeekorps,
gegenüber Skrobowa 5. Schützen-Division,
bei Sekoszja IX. Armeekorps,
gegenüber dem Koldytschewo-See bis südlich der Bahn
      Minsk - Baranowitschi 81. Infanterie-, 1. und 2. Grenadier-Division.

Diese Massen standen fast ausschließlich der Front des k. u. k. XII. Korps und deren deutschen Unterstützungen gegenüber - eine Übermacht von 6 zu 1, wobei festzustellen ist, daß die Russen überdies fast ausschließlich alte Truppen gegen Reserveaufstellungen der Verbündeten ins Gefecht brachten.

Vor dem Südflügel der deutschen 4. Landwehr-Division und vor der Front der 3. Landwehr-Division befanden sich, im allgemeinen wie bisher, das X. Armeekorps und die 11. Schützen-Division vom I. turkestanischen Korps.

Hinter dieser ersten Linie waren als Heeresreserven versammelt: 73. Infanterie-Division am Nordflügel, südlich der Minsker Eisenbahn das IV. sibirische Korps. Erwartet wurde für die nächsten Tage das neugebildete XII. sibirische Armeekorps. Für den Fall des gelingenden Durchbruchs wurden sehr erhebliche Reitermassen bereitgehalten: das 7. Reiterkorps mit der 6. und 13. Kavallerie-Division, dazu eine kaukasische Kavallerie- und eine Kuban-Kosaken-Division.

Außer dem geringen Raumgewinn bei Skrobowa - Kartschewa hatten die Russen bis jetzt in acht Kampftagen keinen bleibenden Erfolg gehabt. Dagegen wurde ihr Verlust nach vorsichtiger Schätzung auf 40 000 Tote und 60 000 Verwundete angegeben. Die Verluste auf deutscher Seite waren ungleich geringer: 56 Offiziere und 1100 Mann tot, 124 Offiziere und 5150 Mann verwundet, 1020 Mann vermißt (gefangen); zusammen eine Einbuße von rund 8000 (nicht gerechnet der Verlust der k. u. k. Truppen, worüber keine Angabe vorliegt).

[474] Am 12. Juli fand zur Ablösung der hart mitgenommenen k. u. k. 16. Division eine Neugliederung dahin statt, daß Division Woyna den Frontraum von Kartschewka bis zum Wege Gorodischtsche - Wysorok, Division Wernitz von dort bis zum Koldytschewo-See zugewiesen erhielt.

Die Armee-Abteilung Woyrsch hatte nunmehr in erster Linie 7, in zweiter 1½ Infanterie-Divisionen, denen 20 bis 27 russische gegenüber festgestellt wurden. Die Beurteilung der Lage der Armee-Abteilung Woyrsch für den 12. Juli lautete: "In jedem Fall muß mit tagelangen Dauerangriffen gerechnet werden unter Einsatz stärkster Artillerie- und Minenwerfertätigkeit; die täglichen Verluste, namentlich an der Front des XII. Korps lassen erkennen, daß der Gegner die nötigen Vorbereitungen trifft. Bei derartigen Kämpfen wird nach einiger Zeit die Ablösung der in vorderer Linie fechtenden Truppen notwendig werden, um halten zu können. Zu solchen Maßnahmen reichen die Reserven der Armee-Abteilung, von denen ein Teil der österreichischen Front verwendet werden mußte, nicht aus, ohne die letzten Stoßtruppen zum Gegenangriff aus der Hand zu geben. Wenn daher auch zum Teil die vorhandenen Kräfte ausreichen werden, den bevorstehenden Kampf mit Zuversicht zu führen, so wird es doch gut sein, frühzeitig die Vorbereitung zur Bereitstellung und zum Abtransport einer Ersatz-Division zu treffen."22 Als Hauptreserve wurde demnach bei Baranowitschi unter Generalleutnant v. Dickhuth-Harrach eine zusammengestellte Division bereitgestellt, bestehend aus 9 Bataillonen, einigen Batterien und Radfahrer-Abteilungen.

Vom 12. bis 14. Juli herrschte Kampfpause, welche die Russen zur Neugliederung ihrer Streitkräfte und zum Herantransport frischer Truppen verwendeten. General v. Woyna entschloß sich, den ihm hierdurch gebotenen Vorsprung dazu zu verwenden, daß er den verlorenen Stellungsteil bei Skrobowa dem Feinde durch Gegenangriff wieder entriß. Zur Täuschung des Gegners unternahm die k. u. k. 35. Infanterie-Division im Nordabschnitt der Armee-Abteilung Woyrsch am 14. Juli nachmittags lebhafte Angriffe. Um 5 Uhr abends begann, während strömender Gewitterregen niederging, der deutsche Angriff, den Oberst Gropp, Kommandeur der 170. Landwehr-Brigade, führte. Den entscheidenden Erfolg errang Reserve-Regiment 8, das ungeachtet schwerer Verluste bis zum Abend den größten Teil der alten österreichisch-ungarischen Stellung zurückeroberte, die am 3. Juli im Raum zwischen Gut Skrobowa und dem Knie der Serwetsch von den Russen genommen worden war. 11 Offiziere, mehr als 1500 Gefangene, 11 Maschinengewehre waren die Beute der tapferen Brandenburger. Ein russischer Gegenstoß am Vormittag des 15. Juli scheiterte an der sicheren Haltung des durch große Opfer gelichteten braven Regiments. [475] Nur einzelne Abschnitte blieben im Besitz der Russen, für die es sich nicht gelohnt hätte, weitere Opfer zu bringen. Statt dessen wurde die wiedergewonnene Front sorgfältig ausgebaut und gegen die zu erwartenden Wiedereroberungsversuche der Russen befestigt. Die ersten russischen Angriffe, die sich auf die deutschen Divisionsabschnitte Wernitz, Woyna, Zoellner erstreckten, erfolgten bereits in den nächsten Tagen und wurden überall blutig abgewiesen.

Inzwischen hatte sich die Lage bei der Heeresgruppe Linsingen so bedrohlich gestaltet, daß am 26. Juli 6 Bataillone der 86. Division Wernitz dorthin abgegeben werden mußten, kurze Zeit nachdem ein neuer russischer Angriff gegen die Armee-Abteilung Woyna losgebrochen war. Am 25. Juli eröffneten die Russen mit anbrechender Dämmerung eine ungemein heftige, mehrmals zum Trommelfeuer sich steigernde Beschießung der verbündeten Front östlich Baranowitschi - Stolowitschi - Gorodischtsche - Kartschewa. Gegen Abend erfolgte gegen die Abschnitte der Divisionen Dickhuth und Woyna - die gleichen, die am 3. Juli von den Russen gewonnen und am 14. Juli von den Deutschen zurückerobert wurden - auf nur 3000 m Breite ein gewaltiger, sehr tief gestaffelter Angriff. Drei Divisionen - die 55. und 67. vom XXXV. und die 52. vom III. kaukasischen Korps - liefen hier an. Die deutsche 201. Division warf bei Gut Skrobowa, bei Wygoda und in den Wiesen südlich dieses Gehöftes den Gegner zurück, der ungeheure Opfer vergeblich brachte - "an tausend Leichen füllten die Wiesenniederung südlich Wygoda", berichtete ein Mitkämpfer vom linken Flügel der 201. Division.

Links neben der 201. Division hatte die 35. Reserve-Division Woyna schwere Angriffe zu bestehen. Gegen 10 Uhr 30 Minuten abends gelang es den Russen, die immer wieder mit neuen Wellen heranbrandeten, etwa in der Mitte der deutschen Divisionsfront eine schmale Stelle durch Einbruch zu bezwingen. Schon vor Anbruch des folgenden Tages nahmen die Deutschen das knapp 150 m breite Grabenstück im Gegenstoß zurück.

Nicht minder lebhaft gestalteten sich die Kämpfe am 26. Juli gegen die Stellungen bei Darowo und Labusy und Odochowschtschina - Skartschewo des Landwehrkorps. Allein die 3. Landwehr-Division hatte das Feuer von etwa 17 russischen schweren Batterien zu ertragen. In der Erwartung, daß ein solches Feuer Gräben und Hindernisse zerstört und sturmreif gemacht haben müsse, unternahm mit Einbruch der Dunkelheit die russische 9. Division den Sturm. Nur an einer ganz schmalen Stelle glückte ihr der Einbruch, aber noch am gleichen Abend brachte der deutsche Gegenangriff den Verlust wieder ein.

Um Mitternacht zum 27. Juli entriß ein Bataillon der "russisch-polnischen Legion", die hier zum erstenmal auf russischer Seite mitkämpfte, der schwachen Besatzung im Verband der deutschen 4. Landwehr-Division den so oft und so blutig umstrittenen "Sumpfhügel", die vielgenannte vorgeschobene Stellung nahe südlich des Austritts der Schtschara aus dem Koldytschewo-See. Mit blanker [476] Waffe und Handgranaten nahm Landwehr-Regiment 51 noch in der gleichen Nacht den Posten zurück - fast die ganze russisch-polnische Besatzung kam im Handgemenge um.

Gegen Mittag des 27. Juli warf sich die russische 9. Division, durch frische Kräfte ergänzt, nach vorausgehendem Trommelfeuer nochmals auf die Stellung des Landwehr-Regiments 6 bei Nagoronja - Labusy. Dem Gegner gelang ein schmaler Einbruch - nach kurzer Zeit war die Stelle von der deutschen Landwehr zurückerobert, nachdem das Sperrfeuer das Nachrücken der russischen Reserven aufgehalten hatte. Trotzdem ging, nachdem 30 russische Batterien vorgearbeitet hatten, um 9 Uhr abends die 11. sibirische Schützen-Division mit 3 Regimentern sehr tapfer gegen die gleichen Abschnitte, die inneren Flügel der deutschen Landwehr-Regimenter 6 und 7 vor, um völligen Mißerfolg unter furchtbaren Verlusten zu erleiden.

Nochmals schwoll am 27. Juli das russische Artilleriefeuer gegen die deutsche 201. Division zu gewaltiger Höhe an; allein der neue Infanteriesturm brach wiederum hoffnungslos vor der Linie Wygoda - Skrobowa zusammen. Die Nacht zum 28. brachte zeitweise neues Trommelfeuer, dann gingen die Regimenter des III. kaukasischen und des XXXV. Korps zum Massensturm vor. Stellenweise wurden die deutschen Hindernisse, die durch das feindliche Mörser- und Minenfeuer zersplittert waren, durchbrochen. Aber sofort setzte der Gegenstoß ein und trieb die Eindringlinge mit Handgranaten, blanker Waffe, Maschinengewehr wieder hinaus - der letzte große Angriff der Russen in der Schlacht bei Baranowitschi hatte sich damit verblutet. Am 29. Juli abends war die russische Stoßkraft erschüttert.

So fand der gewaltige Kampf seinen Abschluß. In der Zeit vom 13. Juni bis zum 29. Juli 1916 hatten die Russen nur ein schmales Grabenstück bei Skrobowa nehmen können, dessen Zurücknahme in taktischer Hinsicht wertlos war und sich daher mit Rücksicht auf die zu erwartenden Opfer nicht gelohnt hätte. Die russischen Verluste wurden auf 40 000 Tote, 60 000 Verwundete, 5500 Gefangene geschätzt. Das war der Abschluß des großen Durchbruchsunternehmens gegen Brest Litowsk. Das einzige strategische Ergebnis lag darin, daß die Armee-Abteilung Woyrsch keine größeren Kräfte zu der mehrmals sehr ernst betroffenen Heeresgruppe Linsingen abgeben konnte. Immerhin schickte sie dorthin, was nur irgendwie entbehrt werden konnte, und behalf sich mit der denkbar geringsten Stärke an Truppen zur Ablösung und zum Gegenstoß. Die Schlacht bei Baranowitschi ist ein voller Erfolg der deutschen Waffen, sie gehört zu den hervorragendsten Taten des Weltkrieges überhaupt. Auf deutscher Seite fochten nur Reserve- und Landwehrtruppen gegen eine oft mehr als sechsfache Übermacht, die überdies durch eine an Zahl vielfach überlegene schwere Artillerie unterstützt wurde. Die russische Führung kannte keine Schonung, sondern trieb die Sturmdivisionen immer wieder zum Angriff vor, getragen von der Hoffnung, [477] daß die dünnen deutschen Linien durch das Trommelfeuer gebrochen seien und dem mechanischen Druck der Massen keine Gegenwehr mehr leisten könnten.

Diese Annahme erwies sich als trügerisch. Die deutsche Widerstandskraft trotzte jedem, auch dem stärksten Artilleriefeuer und warf mit unerschütterter Kraft jeden Durchbruchsversuch zurück. Wo, wie an der Front des k. u. k. XII. Armeekorps, Stellungsteile verloren gingen, wurden sie, von einem unwichtigen Grabenstück abgesehen, im Gegenstoß wiedergewonnen. Die Schlacht von Baranowitschi zeigte erneut den trefflichen, durch nichts zu brechenden Geist der deutschen Truppen, ihre sittliche Überlegenheit dem Feinde gegenüber, aber auch die Merkmale einer überragenden deutschen Führung in bezug auf Ruhe, Beherrschung der Lage, Gebrauch der Verfügungstruppen - ein unverwelkliches Blatt des deutschen Heldentums!


Kämpfe an den anderen Frontteilen.

Während die russische Armee Ragosa in immer sich erneuernden Stürmen gegen die Armee-Abteilung Woyrsch heranbrandete, erneuerte die nordwärts davon versammelte Armee-Abteilung Balujew den Kampf um die Narocz-Engen gegen die deutsche 10. Armee. Die russischen Berichte fassen sie unter dem Namen der "Schlacht bei Smorgon" zusammen.

Der Angriff richtete sich gegen die Höhe bei Borowy Mlyn ("Diebesmühle"), dicht nordöstlich Smorgon. Seit mehreren Monaten hatten die Russen gegen diesen Stützpunkt Minenstollen angesetzt, die von der deutschen Besatzung - der 14. Landwehr-Division - entweder nicht in genügender Weise beachtet oder nicht ernsthaft bewertet wurden. Am Abend des 2. Juli 1916 gingen die russischen Minen hoch und rissen drei gewaltige Trichter von je 70 m Durchmesser und bis 16 m Tiefe. Die Entladung war bis Grodno und Kowno durch den Donner des Geschützfeuers hörbar und machte den Erdboden erbeben auf 100 km im Umkreis. Unter der Sperrwand des Tiefenfeuers, welches das Heranführen der deutschen Reserven verhinderte, drangen die russischen Sturmtruppen in das Gelände der Sprengtrichter ein und setzten sich auf der Höhe bei Smorgon in der seitherigen deutschen Stellung fest. Allein die Deutschen erholten sich sofort von der Überraschung der Sprengung und riegelten die feindliche Einbruchsstelle ab. Die ganze Nacht zum 3. Juli wurde im Nahkampf um die Kuppe gerungen. Sie fiel am Abend in deutschen Besitz zurück, worauf am 4. Juli auch die Sprengtrichter von den Deutschen genommen wurden und hiermit der frühere Grabenzug hergestellt war. Russische Sturmangriffe am 5. zersplitterten schon vor den Hindernissen im deutschen Feuer.

Gleichzeitig setzte Balujew auch in der so heiß umstrittenen Enge zwischen dem Wiszniew- und Narocz-See am 4. Juli 1916 zum Angriff an. Die Sibirier brachen bei Stochowce - Mokrzyce in die Gräben der 80. Reserve-Division [478] (10. Armee Eichhorn) ein, wurden aber in der folgenden Nacht durch Gegenangriff wieder hinausgeworfen. Neue Sturmversuche der Russen am 7. Juli brachen frühzeitig zusammen, auch scheiterten weiter nördlich ihre Anläufe gegen die Befestigungen bei Postawy unter sehr schweren Verlusten. Am 9. Juli stellte Balujew die Angriffe auch an dieser Stelle ein.

Um auch den deutschen Nordflügel, die Heeresgruppe Hindenburg, zu fesseln und um zu verhindern, daß sie Reserven zur Heeresgruppe Leopold von Bayern und Linsingen entsenden konnte, schritt die russische Nordgruppe Kuropatkin ebenfalls zu großangelegten Angriffen, indem die 12. Armee bei Riga, die 5. bei Jakobstadt - Dünaburg, die 1. südlich Dünaburg vorbrachen. Die Hauptkämpfe spielten sich bei der 12. Armee des Generals Gorbatowski ab und zogen die 8. Armee, Otto v. Below, in den Kampf. Hier gingen die Russen am 5. Juli bei Katharinenhof aus dem Rigaer Brückenkopf gegen Mitau vor. Nachdem sie abgewiesen waren, unternahm am 16. Juli Gorbatowski mit 4 frischen Divisionen beiderseits der Straße Kekkau - Ekau einen Angriff, um den Tirul-Sumpf östlich zu umgehen und die Stellung der 6. Reserve-Division, Generalleutnant v. Papritz, von deren östlichem Flügel her vor Mitau aufzurollen. Vom 16. bis 19. Juli befanden sich die sehr schwachen deutschen Truppen, denen infolge Abgabe an die Heeresgruppe Linsingen genügende Reserven fehlten, dem weit überlegenen Angriff gegenüber in schwerer Lage. Nur einzelne Bataillone und Batterien konnten ihr tropfenweise aus anderen Abschnitten der 8. Armee nach und nach zugeführt werden. Gleichwohl hielten sich die Brandenburger vor Mitau und bei Ekau, bis der Angriff Gorbatowskis nach blutigen Verlusten ausgebrannt war. Am 20. Juli war die Gefahr beseitigt.

Die russische Oberste Heeresleitung hatte beabsichtigt, von Reval aus 2 Infanterie-Divisionen in See gehen zu lassen, die bei Domesnees an der äußersten Nordweststrecke des Rigaer Meerbusens überraschend landen sollten, um von Norden her gegen die Eisenbahnverbindung Windau - Tukkum vorzustoßen und auf diese Art die deutsche 8. Armee auch von deren linken Flügel her aufzurollen. General Wassili Gurko,23 der mit der Erkundung dieses kühnen Unternehmens betraut war, riet dazu, es aufzugeben. "Ein kurzer Aufenthalt in Riga genügte," schrieb dieser General, "um einzusehen, daß kein Geheimnis, besonders nicht ein solches, wie die Vorbereitung einer Landung, in den beiden Städten Riga und Reval der Aufmerksamkeit der örtlichen Bevölkerung entgehen könnte. Da ein Teil von ihr den Deutschen zuneigte, müßte infolgedessen das Geheimnis unserem Gegner bekannt werden." So veranlaßte Gurko den Generaladjutanten Alexejew, das Unternehmen aufzugeben, bevor es begonnen hatte, obwohl die Entente große Hoffnungen darauf gesetzt hatte. England wollte einen [479] Vorstoß durch das Skagerrak in die westliche Ostsee machen, um die Aufmerksamkeit der deutschen Ostseeflotte von Riga abzulenken. Deutscherseits wurde die Küste Kurlands nur von Heeresreiterei bewacht, hinter welcher einzelne Landsturm-Bataillone verteilt waren - eine schwache Sicherung gegen größere feindliche Unternehmungen.

Bei Friedrichstadt, Jakobstadt, Illuxt, vor Dünaburg und weiter südlich unternahmen die Russen nur Artillerieüberfälle und Scheinangriffe. Zu ernsten Vorstößen ist es dort nicht gekommen.


6 [1/435]Vgl. hierzu Band V, Der Österreichisch-ungarische Krieg. ...zurück...

7 [1/436]Ludendorff, Kriegserinnerungen, Seite 177. ...zurück...

8 [1/439]Vgl. hierzu Band 5, Der Österreichisch-ungarische Krieg. ...zurück...

9 [1/447]Vgl. hierzu Band 5, Der Österreichisch-ungarische Krieg. ...zurück...

10 [1/449]Die Oberste Heeresleitung 1914 bis 1916, Seite 211/212. ...zurück...

11 [2/449]Stegemann, Geschichte des Krieges, Band IV, Seite 87. ...zurück...

12 [3/449]Nebenfluß der Bystrzyca im Abschnitt Radworna - Stanislau. ...zurück...

13 [1/452]Kriegserinnerungen, Seite 177/178. ...zurück...

14 [1/453]Unser Österreichisch-Ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege, Seite 69/70. ...zurück...

15 [1/454]Liman v. Sanders, Fünf Jahre Türkei, Seite 154/156. ...zurück...

16 [2/454]Ludendorff, Kriegserinnerungen, Seite 184. ...zurück...

17 [1/455]Ludendorff, Kriegserinnerungen, Seite 183. ...zurück...

18 [1/459]Vgl. hierzu Band 5, Der Österreichisch-ungarische Krieg. ...zurück...

19 [1/462]Rußland 1914 bis 1917, Krieg und Revolution, Erinnerungen. Deutsch von Generalmajor Freiherr v. Tettau, Seite 131. ...zurück...

20 [1/465]Vom 26. Juni ab Generalmajor Adams. ...zurück...

21 [2/465]28. Landwehr-Brigade vom 6. Juni ab bei Heeresgruppe Linsingen. ...zurück...

22 [1/474]Schlachten des Weltkrieges, Heft 2, "Die Kämpfe um Baranowitschi, Sommer 1916", Seite 60/61. ...zurück...

23 [1/478]Rußland 1914 bis 1917, Krieg und Revolution, Erinnerungen. Deutsch von Generalmajor Freiherr v. Tettau, Seite 121. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte